Kapitel 3 Ein adäquater Kalkül der Prädikatenlogik
Kapitel 3 Ein adäquater Kalkül der Prädikatenlogik
Kapitel 3 Ein adäquater Kalkül der Prädikatenlogik
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<strong>Kapitel</strong> 3<br />
<strong>Ein</strong> <strong>adäquater</strong> <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> <strong>Prädikatenlogik</strong><br />
Teil 2<br />
Deduktionstheorem und Rückführung des Vollständigkeitssatzes<br />
auf das Erfüllbarkeitslemma<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 1/31
Struktur des Beweises des Vollständigkeitssatzes<br />
Zum Beweis des Vollständigkeitssatzes für den Shoenfield-<strong>Kalkül</strong>s S <strong>der</strong><br />
<strong>Prädikatenlogik</strong> gehen wir ähnlich wie beim Beweis des Vollständigkeitssatzes<br />
in <strong>der</strong> Aussagenlogik vor.<br />
Wichtige Vorarbeiten waren dort:<br />
1 Bereitstellung zulässiger Axiome und Regeln<br />
2 Deduktionstheorem<br />
3 Rückführung des Vollständigkeitssatzes auf das Erfüllbarkeitslemma<br />
mit Hilfe <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Zusammenhänge zwischen Beweisbarkeit<br />
und Konsistenz (syntaktische Ebene) bzw. zwischen Folgerungsbegriff<br />
und Erfüllbarkeit (semantische Ebene).<br />
Den ersten Schritt haben wir für PL bereits im ersten Teil des <strong>Kapitel</strong>s<br />
ausgeführt. Im zweiten Teil des <strong>Kapitel</strong>s führen wir nun Schritt 2 und 3<br />
aus und betrachten als weiteres Hilfsmittel Erweiterungen von Sprachen<br />
und Theorien.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 2/31
Übersicht<br />
3.4 Das Deduktionstheorem<br />
3.5 Rein sprachliche Erweiterungen von Theorien<br />
3.6 Konsistenz und Beweisbarkeit: Vollständigkeitssatz vs.<br />
Erfüllbarkeitslemma<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 3/31
3.4 Das Deduktionstheorem<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 4/31
Das Deduktionstheorem<br />
SATZ (DEDUKTIONSTHEOREM). Sei Φ eine Menge von Formeln, ψ eine<br />
Formel und σ ein Satz. Dann gilt:<br />
(∗) Φ σ → ψ ⇔ Φ ∪{σ} ψ<br />
BEMERKUNG. Die triviale Richtung ⇒ gilt auch für eine beliebige Formel ϕ<br />
anstelle des Satzes σ: Aus<strong>der</strong>AnnahmeΦ ϕ → ψ erhält man die Beweisbarkeit<br />
von ψ aus Φ ∪{ϕ} wie folgt:<br />
1 ϕ → ψ Annahme<br />
2 ϕ da ϕ ∈ Φ ∪{ϕ}<br />
3 ψ AL: 1,2<br />
Die Rückrichtung gilt dagegen für beliebiges ϕ anstelle des Satzes σ i.a. nicht.<br />
GEGENBEISPIEL: Φ := ∅, ϕ :≡ x = y und ψ :≡ ∀x∀y(x = y)<br />
ϕ ψ folgt aus <strong>der</strong> zulässigen Allabschlussregel (∀3 1 ).<br />
ϕ → ψ folgt mit dem Korrektheitssatz aus ϕ → ψ<br />
(NB: ϕ → ψ gilt nur in Strukturen mit 1-elementigem Universum).<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 5/31
Das Deduktionstheorem: Beweis<br />
Die nichttriviale Richtung ⇐ in (∗) Φ σ → ψ ⇔ Φ ∪{σ} ψ<br />
zeigt man durch Herleitungsinduktion.<br />
Annahme: Φ ∪{σ} ψ<br />
Zu zeigen: Φ σ → ψ<br />
1. ψ Axiom o<strong>der</strong> ψ ∈ Φ<br />
1 ψ Fallannahme<br />
2 σ → ψ AL: 1<br />
2. ψ ≡ σ<br />
1 σ → σ AL<br />
≡ σ → ψ<br />
3. ψ sei aus ψ i (i =1bzw.i =1, 2) mit Hilfe <strong>der</strong> Regel R erschlossen.<br />
Hier unterscheiden wir, ob R eine aussagenlogische Regel o<strong>der</strong> die<br />
∃-<strong>Ein</strong>führungsregel ist (→ nächste Folie).<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 6/31
Das Deduktionstheorem: Beweis (Fortsetzung)<br />
3. ψ sei aus ψ i (i =1bzw.i =1, 2) mit Hilfe <strong>der</strong> Regel R erschlossen.<br />
Nach I.V. gilt dann: Φ σ → ψ i (für i =1bzw.i =1, 2)<br />
Zu zeigen: Φ σ → ψ<br />
3.1 R ist aussagenlogische Regel Für i =2erhält man dann (i = 1 analog):<br />
1 σ → ψ 1 I.V.<br />
2 σ → ψ 2 I.V.<br />
3 σ → ψ AL: 1,2<br />
3.2 Ristdie∃-<strong>Ein</strong>führungsregel (∃1), d.h.<br />
ψ 1 ≡ γ → δ<br />
ψ ≡∃xγ → δ<br />
(wobei x ∈ FV (δ) (=VB))<br />
1 σ → (γ → δ) I.V.<br />
2 γ → (σ → δ) AL: 1<br />
3 ∃xγ → (σ → δ) ∃1: 2 VB erfüllt, da x ∈ FV (δ) =FV (σ → δ)<br />
4 σ → (∃xγ → δ) ≡ σ → ψ AL:3<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 7/31
Das Deduktionstheorem: Folgerungen<br />
Das Deduktionstheorem lässt sich wie folgt verallgemeinern:<br />
KOROLLAR ZUM DEDUKTIONSTHEOREM. Sei Φ eine Menge von Formeln,<br />
ψ eine Formel und σ 1 ,...σ n Sätze. Dann gilt:<br />
(∗∗) Φ σ 1 ∧···∧σ n → ψ ⇔ Φ ∪{σ 1 ,...,σ n }ψ<br />
BEWEIS:<br />
Φ σ 1 ∧···∧σ n → ψ ⇔ Φ σ 1 →···→σ n → ψ AL<br />
⇔ Φ ∪{σ 1 }σ 2 →···→σ n → ψ DT<br />
...<br />
⇔ Φ ∪{σ 1 ,...,σ n−1 }σ n → ψ DT<br />
⇔ Φ ∪{σ 1 ,...,σ n−1 ,σ n }ψ DT<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 8/31
3.5 Rein sprachliche Erweiterungen von Theorien<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 9/31
Theorien<br />
DEFINITION. <strong>Ein</strong>e (L-)Theorie T ist ein Paar T =(L, Σ), wobei<br />
L eine Sprache <strong>der</strong> <strong>Prädikatenlogik</strong> und<br />
Σ eine Menge von L-Sätzen ist.<br />
L heisst die Sprache <strong>der</strong> Theorie T und Σ die Menge <strong>der</strong> Axiome von T .<br />
Die Theorie T ist endlich, falls die Menge Σ ihrer Axiome endlich ist.<br />
Die Sprache <strong>der</strong> Theorie T =(L, Σ) bezeichnen wir auch mit L(T ). Istdieseaus<br />
dem Kontext bekannt, so identifizieren wir die Theorie T auch mit <strong>der</strong>en<br />
Axiomenmenge Σ (identifizieren also Theorien mit Mengen von Sätzen).<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 10 / 31
Modellklasse einer Theorie<br />
DEFINITION. Die Modellklasse Mod(T ) einer L-Theorie T =(L, Σ) ist die<br />
Menge aller L-Strukturen, die Modell <strong>der</strong> Axiomenmenge Σ von T sind (d.h. in<br />
denen alle Sätze aus Σ gelten):<br />
Mod(T )={A : A ist eine L-Struktur und A Σ}<br />
Ist A Modell von Σ so nennen wir A auch Modell von T und schreiben anstelle<br />
von A ΣentsprechendA T . Entsprechend sagen wir, dass die Theorie T<br />
erfüllbar ist, falls <strong>der</strong>en Axiomenmenge Σ erfüllbar ist, also Mod(T ) = ∅ ist.<br />
Ähnlich schreiben wir statt Σ ϕ auch T ϕ und sagen, dass ϕ aus T folgt,<br />
und - entsprechend auf <strong>der</strong> syntaktischen Ebene - schreiben wir statt Σ ϕ auch<br />
T ϕ und sagen, dass ϕ aus T beweisbar ist.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 11 / 31
Deduktiver Abschluss einer Theorie<br />
DEFINITION. Der (syntaktische) deduktive Abschluss von T =(L, Σ) ist<br />
C (T )={σ : σ L-Satz & T σ}.<br />
NB: Man kann entsprechend den (semantischen) Abschluss von T gegen<br />
Folgerungen durch<br />
C (T )={σ : T σ}<br />
definieren. Aus dem Adäquatheitssatz wird C (T )=C (T ) unmittelbar folgen.<br />
Bis zum Beweis des Satzes müssen wir aber zwischen C (T )undC (T )<br />
unterscheiden!<br />
DEFINITION. Zwei L-Theorien T =(Σ, L) undT =(Σ , L) sindäquivalent,<br />
wenn sie denselben deduktiven Abschluss haben: C (T )=C (T ).<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 12 / 31
Theorien: Beispiele (1)<br />
Ist L = L(≤) die Sprache <strong>der</strong> Ordnungen, so ist T =(L, Σ) mit<br />
Σ={σ 1 ,σ 2 ,σ 3 ,σ 4 }, wobei<br />
σ1 ≡∀x (x ≤ x)<br />
σ2 ≡∀x ∀ y ∀ z (x ≤ y ∧ y ≤ z → x ≤ z)<br />
σ 3 ≡∀x ∀ y (x ≤ y ∧ y ≤ x → x = y)<br />
σ 4 ≡∀x ∀ y (x ≤ y ∨ y ≤ x)<br />
sind, ein endliche L-Theorie.<br />
Diese Theorie ist erfüllbar: Die Sätze σ 1 ,σ 2 ,σ 3 ,σ 4 sind gerade die Axiome<br />
<strong>der</strong> linearen (=totalen) Ordnungen. Die Modelklasse von T ist also gerade<br />
die Klasse <strong>der</strong> linearen Ordnungen:<br />
Mod(T )={A : A ist eine lineare Ordnung}<br />
In dem deduktiven Abschluss C (T ) von T liegen genau die Sätze, die sich<br />
aus den Axiomen <strong>der</strong> linearen Ordnungen beweisen lassen. Mit dem<br />
Adäquatheitssatz wird folgen, dass dies genau die Sätze sind, die in allen<br />
linearen Ordnungen wahr sind.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 13 / 31
Theorien: Beispiele (2)<br />
Die L-Theorie T =(L, Σ) mit Σ = {σ} wobei σ ≡∃x (x = x) istnicht<br />
erfüllbar, also Mod(T )=∅.<br />
Für jede L-Struktur A, ist<br />
Th(A) =(L, Σ) mit Σ = {σ : A σ}<br />
eine (unendliche) erfüllbare Theorie. Die Struktur A ist ein Modell von<br />
Th(A), d.h. A∈Mod(Th(A)).<br />
Es gibt aber neben A weitere Modelle von Th(A) (z.B.allezuA<br />
isomorphen L-Strukturen - aber möglicherweise auch weitere Strukturen).<br />
Die Beziehungen zwischen Strukturen und Theorien werden in <strong>der</strong><br />
Modelltheorie untersucht. In <strong>Kapitel</strong> 4 werden wir auf einzelne Aspekte<br />
dieser Theorie eingehen. (Insbeson<strong>der</strong>e werden wir dort auf die Modellklassen<br />
Mod(Th(A)) <strong>der</strong> Theorien Th(A) von Strukturen A zurückkommen.)<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 14 / 31
Erweiterungen von Sprachen und Strukturen: Definitionen<br />
<strong>Ein</strong>e Sprache L ist eine Erweiterung <strong>der</strong> Sprache L (L ⊆L ), falls jedes<br />
nichtlogische Symbol von L ein Symbol von L ist (d.h. genauer: jedes<br />
Relations- und Funktionszeichen und jede Konstante von L ein Relationsund<br />
Funktionszeichen (<strong>der</strong> entsprechenden Stelligkeit) bzw. eine Konstante<br />
von L ist).<br />
Ist L⊆L , A eine L-Struktur und A eine L -Struktur, so heisst A eine<br />
Erweiterung von A o<strong>der</strong> A die <strong>Ein</strong>schränkung von A auf L (A = A L),<br />
falls |A| = |A | und für alle nichtlogischen Symbole S von L gilt: S A = S A .<br />
BEISPIEL. Ist K =(K, +, ·, 0, 1) ein Körper, so ist die zugrundeliegende Gruppe<br />
(K, +, 0) die <strong>Ein</strong>schränkung von K auf die Sprache L = L(+, 0):<br />
(K, +, 0) = K L(+, 0)<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 15 / 31
Erweiterungen von Theorien: Definitionen<br />
<strong>Ein</strong>e L -Theorie T =(L , Σ )isteineErweiterung <strong>der</strong> L-Theorie<br />
T =(L, Σ) (T T ), falls<br />
(i) L eine Erweiterung von L ist und<br />
(ii) für jeden L-Satz σ gilt: T σ ⇒ T σ (d.h. C (T ) ⊆ C (T )).<br />
Gilt in (ii) sogar die Äquivalenz, d.h.<br />
(ii’) für jeden L-Satz σ gilt: T σ ⇔ T σ<br />
(d.h. C (T )=C (T ) ∩ S(L), wobei S(L) die Menge <strong>der</strong> L-Sätze ist)<br />
so heisst T konservative Erweiterung von T .<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 16 / 31
Erweiterungen von Theorien: Bemerkungen<br />
Der Begriff <strong>der</strong> Erweiterung T einer Theorie T ist syntaktisch definiert, d.h.<br />
basiert auf dem (syntaktischen) Beweisbarkeitsbegriff (), nicht auf dem<br />
(semantischen) Folgerungsbegriff ().<br />
In <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> Erweiterung von Theorien können wir (in den Klauseln<br />
(ii) und (ii’) Sätze σ durch beliebige Formeln ϕ ersetzen. Dies folgt aus <strong>der</strong><br />
Zulässigkeit <strong>der</strong> Regeln (∀3 1 )und(∀3 2 ) aus denen folgt, dass eine Formel ϕ<br />
aus einer Theorie genau dann herleitbar ist, wenn <strong>der</strong>en Allabschluss ∀ϕ<br />
herleitbar ist.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 17 / 31
Erweiterungen von Theorien: Beispiele (1)<br />
Ist T =(L, Σ) eine L-Theorie und ϕ ≡ ϕ(x 1 ,...,x n )eineL-Formel (die<br />
höchstens die Variablen x 1 ,...,x n frei enthält), so ist die Theorie<br />
T =(L , Σ ) eine konservative Erweiterung von T , wobei<br />
<br />
<br />
L ist die Erweiterung von L um das neue n-st. Relationszeichen R<br />
Σ =Σ∪ {∀(R(x 1 ,...,x n ) ↔ ϕ)}.<br />
Ist A eine L -Struktur und A = A L die <strong>Ein</strong>schränkung von A auf L, so<br />
gilt für a =(a 1 ,...,a n ) ∈|A| n = |A | n<br />
a ∈ R A<br />
⇔ A ϕ[a]<br />
D.h. das neue Relationszeichen R wird in A als die n-stellige Relation o<strong>der</strong><br />
n-dimensionale Menge interpretiert, die von <strong>der</strong> Formel ϕ in A definiert wird.<br />
BEWEIS: Übung!<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 18 / 31
Erweiterungen von Theorien: Beispiele (2)<br />
Ähnlich: Für eine L-Theorie T =(L, Σ) und eine L-Formel ϕ(x, y), für die<br />
T ∀x∃!yϕ(x, y)<br />
gilt (wobei ∃!yϕ ≡∃y(ϕ ∧∀y (ϕ[y /y] → y = y)) also ∃! als “es gibt<br />
genau ein” zu lesen ist), ist die Theorie T =(L , Σ ) eine konservative<br />
Erweiterung von T , wobei<br />
<br />
<br />
L ist die Erweiterung von L um das neue Funktionszeichen f<br />
Σ =Σ∪ {∀(f (x) =y ↔ ϕ)}.<br />
Ist nun A eine L -Struktur und A = A L die <strong>Ein</strong>schränkung von A auf<br />
L, so wird das neue Funktionszeichen f in A als die n-stellige Funktion<br />
interpretiert, <strong>der</strong>en Graph von <strong>der</strong> Formel ϕ in A definiert wird.<br />
BEWEIS: Übung!<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 19 / 31
Rein sprachliche Erweiterungen von Theorien<br />
DEFINITION. <strong>Ein</strong>e Theorie T =(L , Σ )heissteinerein sprachliche Erweiterung<br />
<strong>der</strong> Theorie T =(L, Σ), wenn L⊆L und Σ = Σ gilt.<br />
Ist T =(L , Σ) eine rein sprachliche Erweiterung <strong>der</strong> Theorie T =(L, Σ), so gilt<br />
für jede L -Struktur A A T ⇔ A L T .<br />
Hieraus ergibt sich unmittelbar<br />
C (T ) ∩ S(L) =C (T ).<br />
Im folgenden wollen wir zeigen, dass die syntaktische Entsprechung ebenfalls gilt,<br />
d.h. dass rein sprachliche Erweiterungen konservative Erweiterungen sind.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 20 / 31
Satz über rein sprachliche Erweiterungen<br />
SATZ. Sei T =(L , Σ )einereinsprachlicheErweiterung<strong>der</strong>Theorie<br />
T =(L, Σ), d.h. L⊆L und Σ = Σ .DannistT eine konservative Erweiterung<br />
von T ,d.h.<br />
(∗) Für alle L-Formeln ϕ gilt: T ϕ ⇒ T ϕ.<br />
BEWEIS. Wir ordnen je<strong>der</strong> L -Formel ϕ und je<strong>der</strong> Variablen y eine L-Formel ϕ y<br />
zu, die durch folgende Ersetzungen aus ϕ entsteht:<br />
Ist R ein n-stelliges Relationszeichen von L aber nicht von L, soersetze<br />
jede Teilformel R(t 1 ,...,t n ) von ϕ durch y = y.<br />
Ist f ein m-stelliges Funktionszeichen von L aber nicht von L, soersetze<br />
jeden Term f (t 1 ,...,t n )inϕ durch die Variable y.<br />
Ist c eine Konstante von L aber nicht von L, so ersetze jedes Vorkommen<br />
von c in ϕ durch y.<br />
NB: Ist ϕ eine L-Formel, so gilt ϕ ≡ ϕ y für alle Variablen y. Es genügt daher zu<br />
zeigen:<br />
(∗ ) Für jede L -Formel ϕ gilt für fast alle y : T ϕ ⇒ T ϕ y .<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 21 / 31
Satz über rein sprachliche Erweiterungen: Beweis (Forts.)<br />
Beweis von<br />
(∗ ) Für jede L -Formel ϕ gilt für fast alle y : T ϕ ⇒ T ϕ y<br />
durch Induktion nach <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Herleitung von ϕ aus T .<br />
1. ϕ ist Axiom (in <strong>der</strong> Sprache L !).<br />
Dann liegt einer <strong>der</strong> folgenden Fälle vor:<br />
1.1 ϕ ist ein al. Axiom, d.h. ϕ ≡¬ψ ∨ ψ. Dann ist (für jede Variable y) die<br />
Formel ϕ y ≡¬ψ y ∨ ψ y ebenfalls ein al. Axiom.<br />
1.2 ϕ ist ein Substitutionsaxiom ψ[t/x] →∃xψ, wobei t für x in ψ<br />
substituierbar ist (SB). Dann ist ϕ y ≡ ψ y [t y /x] →∃xψ y für geeignet<br />
definiertes t y , wobei V (t y ) ⊆ V (t) ∪{y} und - für y ∈ V (ψ) -<br />
GV (ψ y )=GV (ψ) gilt. Für y ∈ V (ψ) ist daher t y für x in ψ y<br />
substituierbar, also ϕ y ein Substitutionsaxiom.<br />
1.3 ϕ ist ein Gleichheitsaxiom (G1) - (G4). Dann ist (für jede Variable y)<br />
ϕ y ebenfalls ein Gleichheitsaxiom desselben Typs o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Form<br />
ψ → y = y (und damit mit AL aus (G1) herleitbar).<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 22 / 31
Satz über rein sprachliche Erweiterungen: Beweis (Forts.)<br />
Beweis von<br />
(∗ ) Für jede L -Formel ϕ gilt für fast alle y : T ϕ ⇒ T ϕ y<br />
durch Induktion nach <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Herleitung von ϕ aus T (Fortsetzung).<br />
2. ϕ ∈ Σ . Aus Σ = Σ folgt dann, dass T ϕ und ϕ eine L-Formel ist,<br />
weshalb ϕ y ≡ ϕ für alle Variablen y gilt.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 23 / 31
Satz über rein sprachliche Erweiterungen: Beweis (Forts.)<br />
Beweis von<br />
(∗ ) Für jede L -Formel ϕ gilt für fast alle y : T ϕ ⇒ T ϕ y<br />
durch Induktion nach <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Herleitung von ϕ aus T (Fortsetzung).<br />
3. ϕ ist Konklusion einer Regel R mit Prämissen ϕ i (i =1bzw.i =1, 2).<br />
Dann gilt nach I.V. für fast alle y: T (ϕ i ) y (für i =1bzw.i =1, 2).<br />
3.1 R ist eine al. Regel. Dann ist (für jede Variable y) dieFormelϕ y eine<br />
al. Folgerung aus (ϕ i ) y (für i =1bzw.i =1, 2). Wegen <strong>der</strong><br />
Zulässigkeit al. Schlüsse folgt daher die Behauptung aus <strong>der</strong> I.V.<br />
3.2 Risteine∃-<strong>Ein</strong>führungsregel, d.h. i = 1, ϕ 1 ≡ γ → δ und<br />
ϕ ≡∃xγ → δ, wobei x ∈ FV (δ) (VB).<br />
Dann ist ϕ y ≡∃xγ y → δ y und (ϕ 1 ) y ≡ γ y → δ y , wobei weiter für<br />
y = x die Variable x nicht frei in δ y vorkommt. Für y = x folgt daher<br />
ϕ y aus (ϕ 1 ) y mit einer ∃-<strong>Ein</strong>führungsregel. Also T ϕ y für alle y = x,<br />
für die T (ϕ i ) y gilt (was nach I.V. für fast alle y <strong>der</strong> Fall ist).<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 24 / 31
Satz über rein sprachliche Erweiterungen: Folgerungen<br />
KOROLLAR 1. Sei T =(L, Σ) eine L-Theorie, L die Erweiterung von L um eine<br />
neue Konstante c und T =(L , Σ) die rein sprachliche Erweiterung von T auf<br />
L . Dann gilt für jede L-Formel ϕ<br />
T ϕ[c/x] ⇔ T ∀xϕ ( ⇔ T ∀xϕ )<br />
BEWEIS.<br />
“⇒” Aus T ϕ[c/x] folgt mit dem Beweis des Satzes über rein sprachliche<br />
Erweiterungen, dass es eine Variable y ∈ V (ϕ) gibt mit T (ϕ[c/x]) y .Daϕ eine<br />
L-Formel ist, gilt aber (ϕ[c/x]) y ≡ ϕ[y/x], also T ϕ[y/x] unddamitmit<strong>der</strong><br />
Allabschlussregel T ∀yϕ[y/x]. Mit dem zulässigen Axiom U über die<br />
Umbenennung gebundener Variablen folgt hieraus (mit AL) T ∀xϕ.<br />
“⇐” Da nach dem Substitutitonssatz ∀xϕ → ϕ[c/x] gilt, folgt diese Richtung<br />
unmittelbar mit AL.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 25 / 31
Satz über rein sprachliche Erweiterungen: Folgerungen<br />
Aus Korollar 1 lässt sich direkt folgern:<br />
KOROLLAR 2. Sei Σ eine Menge von L 0 -Sätzen, ϕ eine L 0 -Formel und c eine<br />
Konstante von L 0 ,diewe<strong>der</strong>inΣnochinϕ vorkommt. Dann gilt<br />
Σ ϕ[c/x] ⇔ Σ ∀xϕ<br />
Um Korollar 2 auf Korollar 1 zurückzuführen genügt es dort festzusetzen:<br />
L = L 0 \{c} und L = L 0<br />
T =(L, Σ) und T =(L , Σ)<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 26 / 31
3.6 Konsistenz und Beweisbarkeit: Vollständigkeitssatz vs.<br />
Erfüllbarkeitslemma<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 27 / 31
Konsistenz<br />
DEFINITION. <strong>Ein</strong>e Theorie T =(L, Σ) ist konsistent o<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spruchsfrei, falls<br />
es einen L-Satz σ gibt mit T σ.<br />
Wie in <strong>der</strong> Aussagenlogik kann man die Konsistenz alternativ wie folgt<br />
charakterisieren (Beweis wie dort).<br />
CHARAKTERISIERUNGSLEMMA FÜR DIE KONSISTENZ (LCK). <strong>Ein</strong>e Theorie<br />
T =(L, Σ) ist genau dann konsistent, wenn es keinen L-Satz σ mit T σ und<br />
T ¬σ gibt.<br />
NB Ist T ein Erweiterung von T und konsistent, so ist auch T konsistent. Ist T <br />
eine konservative Erweiterung von T ,soistT genau dann konsistent, wenn T<br />
konsistent ist.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 28 / 31
Konsistenz und Beweisbarkeit<br />
Ähnlich wie in <strong>der</strong> Aussagenlogik lässt sich folgen<strong>der</strong> Zusammenhang zwischen<br />
Beweisbarkeit und Konsistenz feststellen:<br />
LEMMA ÜBER DEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN BEWEISBARKEIT UND<br />
KONSISTENZ (LBK).<br />
(i) T ϕ ⇔ T ∪ {¬∀ϕ} inkonsistent<br />
(ii) T ϕ ⇔ T ∪ {¬∀ϕ} konsistent<br />
Da für einen Satz σ <strong>der</strong> Allabschluss ∀σ gerade σ ist, gilt also insbeson<strong>der</strong>e für<br />
Sätze<br />
T σ ⇔ T ∪ {¬σ} inkonsistent<br />
NB. 1. Das semantische Gegenstück (Lemma über den Zusammenhang zwischen<br />
Folgerungs- und Erfüllbarkeitsbegriff) haben wir bereits in <strong>Kapitel</strong> 2 bewiesen.<br />
2. Da (ii) durch Kontraposition aus (i) folgt, genügt es (i) zu zeigen.<br />
Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 3: Shoenfields <strong>Kalkül</strong> <strong>der</strong> PL (Teil 2) 29 / 31
Konsistenz und Beweisbarkeit: Beweis des LBK-Lemmas<br />
T ϕ ⇔ T ∪ {¬∀ϕ} inkonsistent<br />
“⇒” Annahme:T ϕ<br />
Da trivialerweise T ∪ {¬∀ϕ} ¬∀ϕ gilt, genügt es T ∪ {¬∀ϕ} ∀ϕ zu zeigen.<br />
Dies folgt aber unmittelbar aus <strong>der</strong> Annahme mit <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Allabschlussregel<br />
(∀3 1 ).<br />
“⇐” Annahme:T ∪ {¬∀ϕ} inkonsistent<br />
Nach Annahme ist je<strong>der</strong> Satz aus T ∪ {¬∀ϕ} beweisbar, also insbeson<strong>der</strong>e<br />
Mit dem Deduktionstheorem folgt<br />
T ∪ {¬∀ϕ} ∀ϕ<br />
T ¬∀ϕ →∀ϕ<br />
und hieraus aussagenlogisch T ∀ϕ. Es folgt T ϕ mit <strong>der</strong> Allabschlussregel<br />
(∀3 2 ).<br />
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Erfüllbarkeitslemma vs. Vollständigkeitssatz<br />
Wie in <strong>der</strong> Aussagenlogik können wir nun zeigen, dass <strong>der</strong> Vollständigkeitssatz<br />
aus dem Erfüllbarkeitslemma folgt.<br />
ERFÜLLBARKEITSLEMMA (MODELLEXISTENZSATZ, EL) Jede konsistente<br />
Theorie T ist erfüllbar (d.h. besitzt ein Modell).<br />
VOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (VS) T σ ⇒ T σ<br />
Beweis von VS mit Hilfe von EL:<br />
T σ ⇒ T ∪ {¬σ} nicht erfüllbar Zshg. zw. Folgerungs- und<br />
Erfüllbarkeitsbegriff<br />
⇒ T ∪ {¬σ} inkonsistent Erfüllbarkeitslemma (Kontraposition)<br />
⇒ T σ LBK<br />
Es genügt also zum Beweis des Vollständigkeitssatzes im Folgenden noch das<br />
Erfüllbarkeitslemma zu beweisen!<br />
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