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Gottes Wort - Steinerlh.de

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Religion und Glaube<br />

(letzte Aktualisierung: 18. April 2014)<br />

„Wissen be<strong>de</strong>utet zu erkennen, dass Du es weißt, und,<br />

wenn Du etwas nicht weißt, zu erkennen,<br />

dass Du es nicht weißt. Das ist Wissen.“<br />

(Konfuzius, 551- 479 v. Chr.)<br />

Wieso glauben Menschen an einen Gott (o<strong>de</strong>r auch an mehrere), warum sind sie<br />

von <strong>de</strong>r Existenz eines imaginären Wesens überzeugt, obwohl keinerlei „Sachbeweis“<br />

hierfür vorliegt? Falls es ihn tatsächlich nicht geben sollte - für was braucht man einen<br />

Gott <strong>de</strong>nnoch? Vielleicht ist es so:<br />

1. Die Unkenntnis <strong>de</strong>r großen Zusammenhänge<br />

Der Mensch hat das grundsätzliche Problem, dass er als ein (in aller Regel) mit<br />

Vernunft begabtes und neugieriges Wesen das Gesamtsystem <strong>de</strong>s Universums mit<br />

<strong>de</strong>m unendlichen Raum und <strong>de</strong>n unvorstellbar langen Zeitabläufen nicht<br />

versteht. Dazu hat er keinen blassen Schimmer, welche Rolle er in diesem System<br />

spielt, woher er kommt und wohin er sich entwickeln wird. Auf die Frage nach<br />

<strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>s Lebens hat niemand eine schlüssige Antwort. Was für ein<br />

unbefriedigen<strong>de</strong>r Zustand! Was tun? Man behilft sich eigentlich seit Adam und<br />

Eva schon damit, an eine Übermacht zu glauben, an einen Gott, <strong>de</strong>r die Welt<br />

beherrscht, <strong>de</strong>r für alles was wir nicht verstehen verantwortlich ist und <strong>de</strong>r es<br />

schon recht machen wird. Nur – wer soll <strong>de</strong>nn Gott wie erschaffen und wie in Amt<br />

und Wür<strong>de</strong>n gebracht haben? Das "intelligente Dessin" <strong>de</strong>r Kreationisten versagt<br />

bereits bei <strong>de</strong>r ersten zu stellen<strong>de</strong>n Frage. Gott soll die Welt in 7 Tagen erschaffen<br />

haben – d.h., sie ist für die Anhänger <strong>de</strong>r Schöpfungslehre "fertig". Auch wenn<br />

man diesen Zeitraum nur als einen symbolischen Wert auffasst und sich die<br />

Reihenfolge <strong>de</strong>r Ereignisse weitgehend mit <strong>de</strong>n naturwissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen in Einklang bringen lassen, kann selbst fanatischen Kreationisten<br />

nicht verborgen bleiben, dass unsere Welt keineswegs eine endgültige Form hat.<br />

Sie befin<strong>de</strong>t sich fraglos in einem dynamischen Prozess, <strong>de</strong>ssen Anfang und En<strong>de</strong><br />

sich uns nicht erschließt. Wenn auch für uns kaum merkbar, so än<strong>de</strong>rt sich unsere<br />

Er<strong>de</strong> unentwegt z. B. durch Erosionsprozesse, die Kontinentalverschiebung und<br />

auch durch Klimaverän<strong>de</strong>rungen – egal wer und was hierfür verantwortlich ist. Zu<br />

glauben, unser Sonnensystem sei für alle Zeiten stabil und wir, die Menschen,<br />

seien die absolute Krönung <strong>de</strong>r Schöpfung, ist eine kaum zu überbieten<strong>de</strong><br />

Ignoranz tatsächlicher Gegebenheiten und eine unglaubliche Anmaßung.<br />

Die Welt ist als Gesamtsystem alles an<strong>de</strong>re als verstan<strong>de</strong>n – unser Blick in <strong>de</strong>n<br />

Weltraum <strong>de</strong>ckt nur einen verschwin<strong>de</strong>nd kleinen Bereich <strong>de</strong>s Universums ab. Alle<br />

Erklärungsversuche über das, was sich da draußen so alles abspielt, sind nicht<br />

mehr als Spekulationen. Tatsächlich wirft je<strong>de</strong> neue Erkenntnis mehr Fragen auf,<br />

als sie beantwortet. Die im Moment favorisierte Urknall-Theorie ist lediglich die<br />

Fortsetzung <strong>de</strong>s Anspruches <strong>de</strong>r Wissenschaft, stets für alles eine Erklärung<br />

anbieten zu müssen. Vor wenigen 100 Jahren war sich diese Wissenschaft noch<br />

sicher, die Er<strong>de</strong> sei eine flache Scheibe, um die sich alles dreht. Genau wie diese<br />

Theorie wird sich auch die mit <strong>de</strong>m Urknall erledigen wenn man erkennt, dass<br />

unser Universum, so wie wir es heute sehen, lediglich ein winziger Teil eines noch<br />

größeren Systems sein muss.<br />

Ich weiß nicht, von wem dieser Spruch stammt: „Die Wissenschaft beschreibt stets<br />

<strong>de</strong>n augenblicklichen Stand <strong>de</strong>s Irrtums“ – bin mir jedoch sicher, dass dieser für<br />

die Bereiche Kosmologie und Astro-Physik ganz beson<strong>de</strong>rs zutrifft.<br />

-1-


Wenn die Urknall-Theorie jedoch stimmen sollte, wür<strong>de</strong> sie <strong>de</strong>n Beweis dafür<br />

liefern, dass es keinen Schöpfer geben kann: Nach Stephen Hawking, <strong>de</strong>m wohl<br />

be<strong>de</strong>utendsten aktuellen Astrophysiker, ist die Zeit erst durch <strong>de</strong>n Urknall<br />

entstan<strong>de</strong>n. Es konnte also davor nichts existieren – auch kein Gott. Die Theorie<br />

Hawkings basiert auf <strong>de</strong>r Relativitätstheorie Albert Einsteins.<br />

Allein schon angesichts <strong>de</strong>r Tatsache, dass eines <strong>de</strong>r zahlreichen Geschosse, die<br />

z.B. in Form von Asteroi<strong>de</strong>n chaotisch und durch Zufälle gelenkt durch <strong>de</strong>n<br />

Weltraum geistern, selbst in naher Zukunft alles Leben auf unserer Er<strong>de</strong> zerstören<br />

kann, muss man sich ernsthaft fragen, warum <strong>de</strong>r Schöpfer mit seiner eigenen<br />

Schöpfung diese Art "Russisch Roulette" spielt. Mehrfach wur<strong>de</strong> unsere Er<strong>de</strong><br />

bereits durch unvorstellbare Katastrophen regelrecht aufgemischt, bei <strong>de</strong>nen fast<br />

das komplette irdische Leben ausgelöscht wur<strong>de</strong>. Welche Schuld hatten die<br />

Dinos auf sich gela<strong>de</strong>n, damit sie gna<strong>de</strong>nlos eliminiert wer<strong>de</strong>n mussten?<br />

Egal wieso und warum, unsere Er<strong>de</strong> wird irgendwann vergehen und die<br />

Menschheit mit - falls sie selbst keine Lösung für das Überleben <strong>de</strong>r eigenen<br />

Spezies fin<strong>de</strong>t. Hier auf eine göttliche Hilfe zu hoffen käme einer Selbstaufgabe<br />

gleich.<br />

Mit <strong>de</strong>m Glauben ist das also so eine Sache – wenn man sich damit beschei<strong>de</strong>n<br />

will. Wäre es dann nicht so, dass sich „Gläubige“ aus <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Menschen<br />

angeborenen Neugier und <strong>de</strong>m Zwang sich weiterzuentwickeln ausklinken? Wir<br />

heute noch glauben wür<strong>de</strong>n, die Er<strong>de</strong> wäre eine flache Scheibe und <strong>de</strong>r<br />

Mittelpunkt <strong>de</strong>r Welt? Immer noch "Hexen" auf <strong>de</strong>m Scheiterhaufen lan<strong>de</strong>ten? Wir<br />

uns von Sün<strong>de</strong>n freikaufen könnten? Friedrich Wilhelm Nietzsche, <strong>de</strong>r eigentlich<br />

Pfarrer wer<strong>de</strong>n wollte, formulierte das sehr drastisch und provokativ: "Überhaupt<br />

sind Ergebung in <strong>Gottes</strong> Willen und Demut nichts als Deckmäntel für feige<br />

Furchtsamkeit, <strong>de</strong>m Geschick mit Entschie<strong>de</strong>nheit entgegenzutreten". Das <strong>Wort</strong><br />

"feige" kann man natürlich so nicht gelten lassen – <strong>de</strong>r Glaube resultiert doch in<br />

erster Linie aus <strong>de</strong>r Erziehung und <strong>de</strong>m Umfeld, in das <strong>de</strong>r Mensch ohne sein Zutun<br />

hinein geboren wird und nicht aus <strong>de</strong>m Bestreben, es sich "einfach" zu machen.<br />

Dafür sind zu viele wegen ihres Glaubensbekenntnisses gestorben.<br />

2. Die psychologische Komponente<br />

Je<strong>de</strong>r Mensch hat ein Bewusstsein und ist ständig z. T. heftigen Einflüssen von allen<br />

Seiten ausgesetzt. Er will so gut wie möglich leben, hat eigene Ansprüche, es<br />

wer<strong>de</strong>n Ansprüche an ihn gestellt, er muss sich in diesem System zurecht fin<strong>de</strong>n,<br />

sich einordnen und auch durchsetzen. Dies führt zu Spannungszustän<strong>de</strong>n sowie zu<br />

Versagens- und Existenzängsten. Diese Probleme lassen sich nur als Mitglied einer<br />

Gemeinschaft, sei es Kirche o<strong>de</strong>r Staat, bewältigen – hier wird nämlich nicht nur<br />

eine Orientierung, son<strong>de</strong>rn auch eine gewisse Sicherheit angeboten. Darüber<br />

hinaus braucht <strong>de</strong>r Mensch ein mentales Rückzugs- und Aufbaugebiet und dieses<br />

fin<strong>de</strong>t er seit eh und je im Glauben: In <strong>de</strong>r Kirche bekommt er eine für ihn<br />

nachvollziehbare Richtung vorgegeben, fin<strong>de</strong>t Trost und mentale Unterstützung.<br />

Hierbei bedienen sich alle Religionen <strong>de</strong>r "Rührbarkeit" <strong>de</strong>r menschlichen Seele.<br />

Meisterhaft wird durch bestimmte Rituale anlässlich ohnehin schon bewegen<strong>de</strong>r<br />

Ereignisse wie Taufen, Eheschließungen und Beisetzungen <strong>de</strong>s Menschen Innerstes<br />

erreicht und es wer<strong>de</strong>n überwältigen<strong>de</strong> Gefühle ausgelöst. Wer anlässlich einer<br />

Trauerfeierfeier bei <strong>de</strong>m wun<strong>de</strong>rschönen Kirchenlied "Stern, auf <strong>de</strong>n ich schaue"<br />

nicht zu Tränen gerührt ist, hat kein Herz. Eine solche "Rührung" scha<strong>de</strong>t<br />

nieman<strong>de</strong>m. Ganz im Gegenteil, befreit sie doch das Herz und entlastet die<br />

Seele. Somit kann man sagen, leerer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kirchen verhelfen<br />

-2-


Psychotherapeuten zu volleren Terminkalen<strong>de</strong>rn. Der Gang in die Kirche wäre,<br />

auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, meist die bessere Alternative.<br />

Ich habe jedoch seit meiner frühen Kindheit dieses Problem:<br />

Sehr wohl begegnen mir immer wie<strong>de</strong>r Gläubige, die Gott dafür dankbar sind,<br />

wenn er ihnen in schweren Zeiten beisteht. Aber keiner dieser Gläubigen hat Gott<br />

jemals für ein Unglück, Pech o<strong>de</strong>r schwere Erkrankung verantwortlich gemacht.<br />

Hierfür scheint dieser nicht zuständig. Die diesbezüglichen Erklärungsversuche <strong>de</strong>r<br />

Kirche haben mich zu keiner Zeit überzeugen können.<br />

Ein fester Glaube an einen Gott hat nicht nur meiner Ansicht nach mehr mit<br />

Autosuggestion zu tun, wie sie auch durch "weltliche" Übungen wie Yoga,<br />

autogenes Training pp., erreicht wer<strong>de</strong>n kann. Als sich Karl Marx Mitte <strong>de</strong>s 19.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts mit <strong>de</strong>r Hegelschen Rechtsphilosophie beschäftigte schrieb er: "Die<br />

Religion ist <strong>de</strong>r Seufzer <strong>de</strong>r bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt,<br />

wie sie <strong>de</strong>r Geist geistloser Zustän<strong>de</strong> ist. Sie ist das Opium <strong>de</strong>s Volkes."<br />

Möglicherweise hat Marx <strong>de</strong>n zweiten Satz <strong>de</strong>s Zitats von <strong>de</strong>m ihm persönlich<br />

bekannten Heinrich Heine abgekupfert. Dieser schrieb nämlich in einer<br />

Denkschrift für Ludwig Börne, die im Jahr 1840 veröffentlicht wur<strong>de</strong>: "Heil einer<br />

Religion, die <strong>de</strong>m lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Menschengeschlecht in <strong>de</strong>n bitteren Kelch einige<br />

süße, einschläfern<strong>de</strong> Tropfen goss - geistiges Opium, einige Tropfen Liebe,<br />

Hoffnung und Glauben."<br />

3. Die Unsterblichkeit<br />

Der Mensch ist das einzige (bekannte) Wesen, <strong>de</strong>m die eigene Vergänglichkeit<br />

bewusst ist – und damit muss er erst mal fertig wer<strong>de</strong>n. Er weiß, irgendwann<br />

kommt <strong>de</strong>r Sensenmann – aber das soll es dann gewesen sein? Da möchte man<br />

doch lieber an das im Himmel reservierte Plätzchen glauben. Und wer schon hat<br />

ein solches Angebot? In diesem Zusammenhang gefällt mir die Aussage, die <strong>de</strong>r<br />

Schriftsteller Alexan<strong>de</strong>r Kluge kürzlich sinngemäß machte: "Der Mensch hat keine<br />

angeborene Fähigkeit zur Tugend, zur Arbeit, zur Disziplin - auch nicht zu<br />

übergroßem Verstand - jedoch eine natürliche Affinität zur Glückssuche." Da hier<br />

auf Er<strong>de</strong>n nicht immer auch nur ein beschei<strong>de</strong>nes Glück gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann,<br />

hofft man auf das perfekte in einer an<strong>de</strong>ren Welt. Es ist ja nicht schlimm, wenn<br />

sich Gläubige das ewige Leben im Garten E<strong>de</strong>n durch ein gottgefälliges Leben<br />

hier auf Er<strong>de</strong>n zu erkaufen ge<strong>de</strong>nken, ganz im Gegenteil. Absurd wird es aber,<br />

wenn islamistische Selbstmör<strong>de</strong>r darauf hoffen, in diesem Paradies 72 Jungfrauen<br />

anzutreffen – als Lohn dafür, möglichst viele an<strong>de</strong>rs- o<strong>de</strong>r ungläubige Menschen<br />

mit in <strong>de</strong>n Tod genommen zu haben.<br />

4. Der Mensch hat eine Schwäche für das Mystische und Übersinnliche,<br />

er bewun<strong>de</strong>rt, verehrt und sehnt sich nach Hel<strong>de</strong>n, die alles können, alles wissen<br />

und unschlagbar sind. Dazu scheint <strong>de</strong>m Menschen eine gewisse<br />

Wun<strong>de</strong>rgläubigkeit angeboren. Er hat die Möglichkeit, sich Dinge auszu<strong>de</strong>nken,<br />

sich Dinge vorzustellen, die zwar schön und wünschenswert sind, mit <strong>de</strong>r Realität<br />

aber lei<strong>de</strong>r nicht in Einklang zu bringen sind. In <strong>de</strong>r Literatur sind ausreichend<br />

Hel<strong>de</strong>nsagen zu fin<strong>de</strong>n, die allein <strong>de</strong>r menschlichen Phantasie zuzuschreiben sind.<br />

Ob das bei <strong>de</strong>r Bibel an<strong>de</strong>rs ist? Die Verfasser waren sicher kluge Menschen,<br />

großartige Psychologen und Philosophen, weitsichtige Politiker und, soweit es um<br />

das alte Testament geht, auch fleißige Geschichtsschreiber. Sie haben allerdings<br />

Ereignisse zu Papier gebracht, die über viele Generationen hinweg mündlich<br />

überliefert wur<strong>de</strong>n. Hierbei geht stets nicht nur ein Teil <strong>de</strong>r Wahrheit verloren, es<br />

fließt sicherlich auch noch eigenes Gedankengut sowie je<strong>de</strong> Menge<br />

-3-


mystifizieren<strong>de</strong> Phantasie mit ein. Dazu wur<strong>de</strong> im Alten Testament noch kräftig<br />

abgeschrieben. Viele <strong>de</strong>r christlichen Grundsätze fin<strong>de</strong>n sich z.B. schon bei<br />

Zarathustra (Monotheismus, gut und böse, Himmel und Er<strong>de</strong>, Engel). Als weiteres<br />

Beispiel kann die Sintflut dienen: Sie steht fast wörtlich im Gilgameschepos - 3.000<br />

Jahre bevor die Anhänger Jesus sich über die Zeit vor <strong>de</strong>m <strong>Gottes</strong>sohn<br />

Gedanken machen mussten, um zu einem plausiblen Gesamterklärungsbild zu<br />

kommen. Immer interessanter wer<strong>de</strong>n hierbei die Tontafeln <strong>de</strong>r Sumerer, weil sich<br />

hier weitere eklatante Entsprechungen zum Alten Testament ergeben<br />

(Schöpfungsgeschichte, Riesen, Alter <strong>de</strong>r Könige pp.). Insofern sind die<br />

Keilschriften <strong>de</strong>r Sumerer wesentlich interessanter als die Bibel - sie sind älter.<br />

Spekuliert wer<strong>de</strong>n darf, ob sich die Sumerer ihre Götter, die Anunnaki,<br />

ausgedacht haben o<strong>de</strong>r tatsächliche Ereignisse aufgeschrieben haben. Letzteres<br />

ist ein gefun<strong>de</strong>nes Fressen für die Prä-Astronautiker, die darin nämlich einen<br />

Beweis sehen, dass die Er<strong>de</strong> Besuch von Außerirdischen hatte und damit die<br />

Ursache für <strong>de</strong>n Gottglauben gesetzt wur<strong>de</strong>. Im Internet fin<strong>de</strong>t man zu diesem<br />

Thema gefühlte 99% himmelschreien<strong>de</strong>n Unsinn.<br />

Aber egal wie - keinesfalls kann man sagen, das Christentum sei mit <strong>de</strong>r Geburt<br />

Jesus plötzlich über uns gekommen. Nein, es hat sich aus alten Ansichten<br />

entwickelt. Und wenn man sich das Neue Testament ansieht, dann „menschelt“<br />

es doch sehr: Das Neue Testament kennt vier Evangelisten, neueste Forschungen<br />

gehen jedoch von bis zu 50 aus. Angenommen wird, dass man im Jahre 325 beim<br />

ersten Konzil von Nicäa unter <strong>de</strong>m Kaiser Konstantin <strong>de</strong>m Großen nur die<br />

Evangelisten als Glaubensgrundlage genommen hat, die <strong>de</strong>m damals eher<br />

vorherrschen<strong>de</strong>n christlichen Verständnis entsprachen und <strong>de</strong>m Machtanspruch<br />

<strong>de</strong>r Führen<strong>de</strong>n, seien es weltliche o<strong>de</strong>r geistliche, entgegen kamen. Die<br />

Wissenschaft ist sich hier nicht einig und lässt viel Raum für Vermutungen. Was ich<br />

damit jedoch sagen will: Es gibt je<strong>de</strong> Menge Grün<strong>de</strong> dafür, <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Bibel<br />

nicht unkritisch zu übernehmen.<br />

Für die Entstehung <strong>de</strong>s Christentums sind also eher die gesellschaftspolitischen<br />

Missstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r damaligen Zeit verantwortlich, als irgend eine <strong>Gottes</strong>botschaft.<br />

Als hochgradig irreal, anmaßend und fast schon betrügerisch empfin<strong>de</strong> ich es,<br />

wenn das „<strong>Wort</strong> <strong>Gottes</strong>“ verkün<strong>de</strong>t wird. Alles, was in <strong>de</strong>r Bibel steht, ist von<br />

Menschen erdacht und aufgeschrieben wor<strong>de</strong>n. Hätte ein allmächtiger Gott<br />

eine Botschaft, so hätte er diese doch an alle Menschen gerichtet und nicht<br />

allein an die Christen, die bestenfalls 1/3 <strong>de</strong>r Weltbevölkerung ausmachen. Wie<br />

unsinnig <strong>de</strong>r unkritische Glaube an <strong>Gottes</strong> <strong>Wort</strong> ist, wird uns doch zur Zeit fast<br />

schon täglich sehr eindrucksvoll von islamistischen Terroristen vorgeführt, die sich<br />

auch auf dieses <strong>Wort</strong> berufen.<br />

Der Kabarettist Dieter Nuhr sagte: „Wenn es einen Gott gibt, muss es ein Mann<br />

sein. Wäre es nämlich eine Frau, hätte er sicher schon zu uns gesprochen.“ Ein<br />

doppelter böser Seitenhieb.<br />

Dennoch zieht <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Bibel beschriebene allmächtige Gott die Gläubigen in<br />

seinen Bann und wenn man dann auch noch in <strong>de</strong>r Gewissheit lebt, zu <strong>de</strong>n<br />

besten Freun<strong>de</strong>n dieses "Stars" zu gehören ... das ist doch was! Lei<strong>de</strong>r aber ist es<br />

noch keinem Weltlichen gelungen, ein echtes Zwiegespräch mit irgend einem<br />

Gott zu führen und <strong>de</strong>ssen Aussagen und Botschaften müssen stets aus<br />

schicksalhaften o<strong>de</strong>r evolutionären Ereignissen sowie aus bestimmten natürlichen<br />

Gegebenheiten heraus interpretiert wer<strong>de</strong>n. Dabei sind, je nach Standpunkt o<strong>de</strong>r<br />

Betrachtungsweise, recht unterschiedliche Auslegungen möglich. Giordano Bruno<br />

hatte dies bereits erkannt und versucht, mit seiner pantheistischen<br />

Weltanschauung (= Entpersonifizierung <strong>Gottes</strong> – Gott ist die Welt bzw. die Natur)<br />

einen an<strong>de</strong>ren Ansatz zu fin<strong>de</strong>n. Deswegen und wegen seiner Überzeugung, dass<br />

unsere Er<strong>de</strong> nicht <strong>de</strong>r Mittelpunkt <strong>de</strong>r Schöpfung ist, wur<strong>de</strong> er im Jahre 1600 bei<br />

-4-


lebendigem Leibe von "Gläubigen" verbrannt. Galileo Galilei konnte 9 Jahre<br />

später <strong>de</strong>m gleichen Schicksal nur <strong>de</strong>shalb entgehen, weil er seine heute<br />

unbestrittene Erkenntnis wi<strong>de</strong>rrief, die Er<strong>de</strong> drehe sich um die Sonne und nicht<br />

umgedreht.<br />

5. Die gesellschaftspolitische Komponente<br />

Religionen bieten ihren Mitglie<strong>de</strong>rn stets ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

und befriedigen somit ein wichtiges Grundbedürfnis <strong>de</strong>s Menschen: Einer<br />

Gemeinschaft anzugehören, in <strong>de</strong>r er sich geborgen und aufgehoben fühlt. Da<br />

keine Gemeinschaft ohne Regeln auskommt, erwächst aus allen Religionsformen<br />

stets formeller und informeller Zwang, <strong>de</strong>r sich aus geschriebenen Gesetzen und<br />

allgemeinen Anstandsregeln ergibt. Das ist nicht nur sinnvoll, son<strong>de</strong>rn auch bitter<br />

notwendig und so erfüllen die Religionen eine wichtige Aufgabe für unsere<br />

Gesellschaft – lei<strong>de</strong>r stark abnehmend. Es wird ein Wertemaßstab vermittelt, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Umgang miteinan<strong>de</strong>r regelt. Ohne diese Werte (Gebote) und die darin<br />

enthaltene Solidarität hätte sich die Spezies „Mensch“ so nicht herausbil<strong>de</strong>n<br />

können. Ohne die propagierte Nächstenliebe und <strong>de</strong>n damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

Solidaritätsgedanken hätte sich <strong>de</strong>r Mensch als Fehlversuch <strong>de</strong>r Evolution wohl<br />

längst erledigt: Der Mensch ist nur in einer Gemeinschaft überlebensfähig. Größe<br />

und Zusammenhalt <strong>de</strong>r Gemeinschaft bestimmen <strong>de</strong>ren Erfolg – gera<strong>de</strong> dann,<br />

wenn Völker mit unterschiedlichen Interessen miteinan<strong>de</strong>r konkurrieren.<br />

Eine Folge <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n „Gottlosigkeit“ in diesem Sinne ist ein<br />

galoppieren<strong>de</strong>r Egoismus – verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Unwillen, für an<strong>de</strong>re und die<br />

Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Die augenblickliche und<br />

zunehmen<strong>de</strong> Überbewertung <strong>de</strong>s Individuums wird übrigens zumin<strong>de</strong>st für<br />

unseren erweiterten Kulturkreis (in <strong>de</strong>m je<strong>de</strong>s "kleine Arschloch" glaubt, es sei <strong>de</strong>r<br />

Mittelpunkt <strong>de</strong>r Welt) fatale Folgen haben.<br />

An<strong>de</strong>rerseits ist es viel zu oft für das menschliche Zusammenleben fatal, wenn<br />

man von irgendwas überzeugt ist, von <strong>de</strong>m man eigentlich nur eine Theorie hat.<br />

Glauben be<strong>de</strong>utet nämlich „nicht wissen“. So ist es mehr als fragwürdig, was<br />

einzelne Religionen zu unterschiedlichen Zeiten als „gottesfürchtig“ ansahen und<br />

noch ansehen. Viele <strong>de</strong>r schlimmsten Massaker <strong>de</strong>r Menschheit haben sich aus<br />

Missionierungsproblemen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bekämpfung An<strong>de</strong>rsgläubiger ergeben: "Willst<br />

Du nicht mein Bru<strong>de</strong>r sein, schlag ich Dir <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l ein!" Des weiteren sind<br />

immer wie<strong>de</strong>r Menschen im Namen <strong>de</strong>s „Allmächtigen“ verführt wor<strong>de</strong>n, um<br />

handfeste weltliche Dinge durchzusetzen, um an<strong>de</strong>re Völker auszuplün<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>ren Land in Besitz zu nehmen. Auf bei<strong>de</strong>n Seiten wer<strong>de</strong>n stets die Waffen<br />

gesegnet.<br />

Diese Erkenntnisse dürften <strong>de</strong>n Philosophen Ludwig Feuerbach zu <strong>de</strong>r Aussage<br />

veranlasst haben, die Religionen seien von Menschen für Menschen gemacht<br />

wor<strong>de</strong>n, um diese führen und steuern zu können.<br />

Das Christentum kennt die sieben Todsün<strong>de</strong>n<br />

– Hochmut<br />

– Habsucht<br />

– Neid<br />

– Wut/Zorn<br />

– Trägheit<br />

– Völlerei und<br />

– Wollust,<br />

die elementare Verstöße gegen ein friedvolles und menschliches Miteinan<strong>de</strong>r<br />

beschreiben.<br />

-5-


Dies gilt aber auch für die von Mahatma Gandhi postulierten "sieben Todsün<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Welt":<br />

– Reichtum ohne Arbeit,<br />

– Genuss ohne Gewissen,<br />

– Wissen ohne Charakter,<br />

– Geschäft ohne Moral,<br />

– Wissenschaft ohne Menschlichkeit,<br />

– Religion ohne Opferbereitschaft und<br />

– Politik ohne Prinzipien.<br />

Für diese Einsichten braucht es keine <strong>Gottes</strong>furcht – dafür ist lei<strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r<br />

festzustellen, dass scheinbar auch "Gläubige" von <strong>de</strong>r einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Todsün<strong>de</strong> noch nie etwas gehört haben. Den großen Religionen ist anzulasten,<br />

dass sie es weitgehend versäumt haben, sich mit <strong>de</strong>m Menschen zu entwickeln<br />

und ihn zu einem mündigen Bürger zu erziehen. Die „gute Tat“ z.B. ist nichts wert,<br />

wenn sie nur <strong>de</strong>shalb geschieht, weil jemand Angst vor <strong>de</strong>m Fegefeuer o<strong>de</strong>r gar<br />

<strong>de</strong>r Hölle hat. Wertvoller wäre es, <strong>de</strong>m „Nächsten“ (gemeint ist eher die<br />

„Gemeinschaft“) aus persönlicher Überzeugung zu dienen.<br />

Zusammenfassend steht für mich fest, dass <strong>de</strong>r Glaube (zumin<strong>de</strong>st im christlichen<br />

Sinne) in vielerlei Hinsicht nützlich und sinnvoll ist - solange es an <strong>de</strong>r notwendigen<br />

Einsicht eines je<strong>de</strong>n Einzelnen zu einem aktiven sozialen Verhalten mangelt, er<br />

mental davon profitiert und er sich we<strong>de</strong>r fanatisch noch missionarisch gebär<strong>de</strong>t.<br />

Insofern tut die Politik gut daran, sich an christlichen Glaubenssätzen zu orientieren<br />

und die Kirchen zu stützen.<br />

Ich glaube an die Evolution und an eine Selektion durch <strong>de</strong>n Wettbewerb. Die Natur<br />

als Oberbegriff allen Seins ist nämlich <strong>de</strong>utlich sichtbar darauf ausgelegt, dass sich<br />

stets <strong>de</strong>r "Stärkere" durchsetzt und <strong>de</strong>n "Schwächeren" ausson<strong>de</strong>rt. Eine solche Stärke<br />

ergibt sich fraglos aus einer gut funktionieren<strong>de</strong>n Gemeinschaft. Diese Solidarität war<br />

zu allen Zeiten ein wichtiger Bestandteil <strong>de</strong>r Religionen und ist es immer noch. Wenn<br />

sich <strong>de</strong>r einzelne Mensch nun aus diesem System ausklinken und lediglich als<br />

Individuum auftreten will, müsste er dieses Prinzip durchbrechen und Stärke durch<br />

Klugheit, Verantwortungsbereitschaft und Toleranz ersetzen. Dies kann jedoch nur<br />

funktionieren, wenn alle mitmachen und wird von daher für alle Zeiten nicht mehr als<br />

ein frommer Wunsch bleiben.<br />

Der viel zitierte "mündige Bürger", <strong>de</strong>r Verantwortung auch für an<strong>de</strong>re übernimmt, ist<br />

mittlerweile eine Mär. Auch wenn diese Formulierung überspitzt und provokativ ist,<br />

besteht unser Staat anscheinend nur noch aus einem "verantwortungslosen<br />

Gesin<strong>de</strong>l". Wie will man das an<strong>de</strong>rs formulieren, wenn offensichtlich und zunehmend<br />

die bedingungslose persönliche Freiheit und/o<strong>de</strong>r die rücksichtslose Vermehrung <strong>de</strong>s<br />

persönlichen Reichtums als Lebenszweck in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund rückt? Die Schere<br />

zwischen „arm“ und „reich“ immer größer wird? Nur noch das als „recht“ empfun<strong>de</strong>n<br />

wird, das einem persönlich nützt? Ohne eine solche Verantwortungslosigkeit wäre die<br />

Banken- und Finanzkrise, die uns seit 2008 beschäftigt und von <strong>de</strong>r noch niemand<br />

weiß, wie sie ausgehen wird, nicht <strong>de</strong>nkbar. Da klingt <strong>de</strong>r römische Philosoph Seneca<br />

(ca. 1 – 65 n.Chr.) eher befremdlich: „Es kann niemand ethisch verantwortungsvoll<br />

leben, <strong>de</strong>r nur an sich <strong>de</strong>nkt und alles seinem persönlichen Vorteil unterstellt. Du<br />

musst für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren leben, wenn du für dich selbst leben willst.“<br />

-6-


Es ist absolut falsch, <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Wert <strong>de</strong>r Religionen zu ignorieren, wie es<br />

so manche Atheisten tun. Unter <strong>de</strong>nen tummeln sich anscheinend sehr viele<br />

pseudointellektuelle Traumtänzer, <strong>de</strong>nen es gar nicht um die Religion geht – sie<br />

scheinen nur auf <strong>de</strong>m fatalen Irrweg zu sein, das menschliche Individuum sei das<br />

Maß aller Dinge. Und für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r seine eigene Rolle auf dieser Welt so <strong>de</strong>finiert,<br />

kommt je<strong>de</strong> einschränken<strong>de</strong> Regel einem Freiheitsverlust gleich - egal ob diese nun<br />

Teil eines religiösen o<strong>de</strong>r eines staatlichen Ordnungssystems ist. Die Ansicht, <strong>de</strong>r Staat<br />

sei für <strong>de</strong>n Bürger da und nicht umgedreht, <strong>de</strong>r Staat habe alles zu leisten aber nichts<br />

zu dürfen, ist eine verheeren<strong>de</strong> intellektuelle Fehlleistung. John F. Kennedy wird diese<br />

Aussage zugeschrieben, die <strong>de</strong>n Nagel auf <strong>de</strong>n Kopf trifft: "Frage nicht Dein Land,<br />

was es für Dich tun kann – frage Dich, was Du für Dein Land tun kannst."<br />

Diese Erkenntnis ist nicht neu, <strong>de</strong>nn Konfuzius sagte rund 2.500 Jahre vorher schon:<br />

"Der höhere Mensch stellt die größten Anfor<strong>de</strong>rungen an sich selbst, <strong>de</strong>r gemeine<br />

Mensch an an<strong>de</strong>re."<br />

Der Trend unserer Zeit geht jedoch in die an<strong>de</strong>re Richtung: Ansprüche wer<strong>de</strong>n an<br />

je<strong>de</strong>rmann – natürlich auch an <strong>de</strong>n Staat - gestellt, nur nicht an sich selbst.<br />

Unbestritten hat somit das "Gemeine" Konjunktur und es bedarf weiterhin<br />

ordnungspolitischer Kräfte von informellen Zwängen angefangen bis hin zu<br />

staatlichen Sanktionen - nicht nur damit eine gewisse Ordnung aufrecht erhalten<br />

wer<strong>de</strong>n kann, son<strong>de</strong>rn auch, damit überhaupt akzeptable Rahmenbedingungen für<br />

ein Leben in Freiheit und Frie<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>n sind.<br />

Wenn ein Gott die Macht hat, Menschen zu gestalten, warum lässt er sie nicht alle<br />

von Geburt an "gut" sein? Das Gegenteil ist <strong>de</strong>r Fall: Wie je<strong>de</strong> Lebensform auf dieser<br />

Welt drängt auch <strong>de</strong>r Mensch parasitär und egoistisch in je<strong>de</strong> sich bieten<strong>de</strong> Nische<br />

<strong>de</strong>r Natur - und wo gehobelt wird fallen Späne. Delinquentes Verhalten ist überall<br />

anzutreffen, um so mehr, wie eine staatliche/religiöse Ordnung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r informelle<br />

Zwang (ungeschriebene Verhaltensregeln = Anstand) schwächelt.<br />

Aber nicht nur das – ich gehe so weit zu sagen: Die Er<strong>de</strong> hat ein Krebsgeschwür und<br />

das heißt MENSCH. Die rasante Zunahme <strong>de</strong>r Menschen muss irgendwann dazu<br />

führen, dass es zu eng wird auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, die Ressourcen nicht mehr für alle<br />

ausreichen wer<strong>de</strong>n. Dagegen gibt es nach heutigem Kenntnisstand eigentlich nur<br />

ein sinnvolles Mittel, nämlich die Geburtenkontrolle. Greift diese nicht, wird die Natur<br />

das regeln: Die Starken wer<strong>de</strong>n die Schwachen eliminieren. Be<strong>de</strong>utet: Krieg mit all<br />

<strong>de</strong>n bekannten Begleiterscheinungen wie Grausamkeit, Leid, Hunger, Elend, Verlust<br />

mühsam erlangter Kulturgüter. Hat <strong>de</strong>r Kampf um die immer knapper wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Ressourcen nicht schon längst begonnen? Was aber fällt z.B. <strong>de</strong>r katholischen Kirche<br />

zu diesem Thema ein? Konkret das in <strong>de</strong>n 1980er Jahren ausgesprochene päpstliche<br />

Verbot von Verhütungsmitteln war für mich <strong>de</strong>r Auslöser dafür, aus <strong>de</strong>r Kirche<br />

auszutreten. Nun kann man darüber streiten, ob die Überbevölkerung und die damit<br />

verbun<strong>de</strong>ne Konkurrenzsituation für die menschliche Weiterentwicklung nicht<br />

zwingend notwendig ist (entsprechend <strong>de</strong>n Naturgesetzen) – die damit<br />

verbun<strong>de</strong>nen Folgen wi<strong>de</strong>rsprechen jedoch eklatant <strong>de</strong>m von allen Kanzeln<br />

gepredigten Weltfrie<strong>de</strong>n. Die Problematik <strong>de</strong>r drohen<strong>de</strong>n Überbevölkerung scheint<br />

<strong>de</strong>n Verkün<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s <strong>Wort</strong> <strong>Gottes</strong> (noch?) nicht geläufig.<br />

Wie wertvoll ein Mensch letztendlich ist, <strong>de</strong>finiert sich für mich aus seinen Taten und<br />

seinem Verhalten und nicht aus seiner Religionszugehörigkeit, die er wie seine<br />

Hautfarbe ohnehin nur zufällig durch das Umfeld erwirbt, in das er schicksalhaft<br />

hinein geboren wird. Auch wenn niemand die Frage nach <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>s Lebens<br />

beantworten kann: Wenn irgend etwas eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle in <strong>de</strong>r Natur spielen<br />

soll, so ist das die Menschheit insgesamt, <strong>de</strong>r Einzelne ganz sicher nicht – selbst wenn<br />

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in unserer geschichtlichen Entwicklung die wichtigen Pflöcke meist von Einzelnen,<br />

also Personen <strong>de</strong>r Weltgeschichte, eingeschlagen wur<strong>de</strong>n. Wenn <strong>de</strong>r einzelne<br />

Mensch seine untergeordnete Rolle in <strong>de</strong>r Natur nur mit Hilfe eines <strong>Gottes</strong> annehmen<br />

will, braucht er nichts nötiger und dringen<strong>de</strong>r als einen solchen Glauben.<br />

In Anbetracht <strong>de</strong>r unermesslichen Größe <strong>de</strong>s Weltraumes und <strong>de</strong>s winzigen fragilen<br />

Lebensraums, in <strong>de</strong>m die Menschheit ge<strong>de</strong>ihen und leben kann, scheint es mir<br />

höchst unwahrscheinlich, dass ein übermächtiger Schöpfer ein beson<strong>de</strong>res Auge auf<br />

diese Menschen geworfen haben könnte - und schon gar nicht auf einen Einzelnen,<br />

egal ob fromm o<strong>de</strong>r gottlos. Wenn unser verletzliche Lebensraum durch absolut<br />

vorstellbare Ereignisse beeinträchtigt o<strong>de</strong>r gar zerstört wer<strong>de</strong>n sollte, wird es alle<br />

treffen, so wie bei keiner <strong>de</strong>r bisherigen bekannten lokalen Katastrophen ein<br />

Unterschied zwischen Gläubigen, An<strong>de</strong>rsgläubigen und Nichtgläubigen gemacht<br />

wur<strong>de</strong>. Unsere Er<strong>de</strong> ist nicht mehr als ein winziges und sicherlich auch verzichtbares<br />

Teilchen im großen Universum – ob wir, die Menschen, uns nicht viel zu wichtig<br />

nehmen?<br />

Robert Steiner (Quelle: www.steinerlh.<strong>de</strong>/religion.pdf)<br />

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