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Budapester Zeitung

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4<br />

M e i n u n g<br />

Zitate<br />

„Das Parlament müsste<br />

der Regierung mehr<br />

Bewegungsfreiheit gewähren,<br />

damit diese unmittelbarer per<br />

Beschluss regieren kann. (...)<br />

Das jetzige, an Gesetze gebundene<br />

Regieren ist nicht mehr<br />

nötig, dieses System hatte man<br />

nach der Wende aus Angst<br />

vor Diktaturen geschaffen,<br />

bis 1998 war das auch vielleicht<br />

berechtigt.“<br />

Parlamentspräsident László Kövér<br />

am Montag im InfoRádió.<br />

„Ich sehe, dass ein Teil der<br />

ungarischen Bevölkerung in<br />

einem nationalen Wahn denkt,<br />

während ein anderer Teil ein<br />

ganz normales europäisches<br />

Land haben möchte. Ich habe<br />

noch nicht aufgegeben zu<br />

glauben, dass diese zweite<br />

Gruppe langsam die<br />

Oberhand gewinnt.“<br />

Iván Fischer, Dirigent des <strong>Budapester</strong><br />

Festival Orchesters vorvergangenen<br />

Freitag im Neue Zürcher <strong>Zeitung</strong>-<br />

Interview auf die Frage nach<br />

den aktuellen antisemitischen<br />

Strömungen in Ungarn.<br />

„Ich bin hier und kämpfe.“<br />

Ebenda, sich von seinem emigrierten<br />

Kollegen András Schiff abgrenzend.<br />

„Die Ära der Kolonisierung<br />

ist vorbei.“<br />

Premier Viktor Orbán am<br />

vergangenen Montag im Parlament.<br />

„Nur weil Sie attraktiv sind,<br />

heißt das noch lange nicht,<br />

dass Sie auch intelligent sind.“<br />

Der Staatsekretär im Entwicklungsministerium,<br />

Zoltán Illés am Dienstag<br />

im Parlament, auf eine kritische<br />

Anfrage der oppositionellen<br />

LMP-Abgeordneten<br />

Bernadett Szél antwortend.<br />

„Wahrlich beschweren sich<br />

viele, andere erfreuen sich an<br />

ihrer Chance. (...) Ich meine<br />

der Wettbewerb hat über<br />

Erfolg oder Enttäuschung<br />

entschieden.“<br />

Premier Viktor Orbán am Dienstag<br />

bei Blikk.hu auf eine per Live-Chat<br />

geäußerte Frage hinsichtlich der<br />

Ungereimtheiten bezüglich<br />

der Vergabe der Tabakhandelskonzessionen.<br />

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<strong>Budapester</strong> <strong>Zeitung</strong><br />

Bei anderen gelesen<br />

Auf Orbáns Spuren<br />

• Von Csaba Gaál<br />

Viktor Orbán ist mit seiner unorthodoxen Wirtschaftspolitik nicht<br />

mehr allein: Die Aushöhlung der Marktwirtschaft breitet sich in ganz<br />

Mitteleuropa aus.<br />

Jemand, den es aus dem westlichen Teil Europas hierher verschlagen<br />

würde, würde mit Sicherheit überrascht darüber sein, mit welchen<br />

Problemen sich die ungarischen Politiker herumschlagen. Bei einer in<br />

der vergangenen Woche in Visegrád abgehaltenen Fraktionssitzung zerbrachen<br />

sich die Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz den Kopf<br />

darüber, ab wann die neuerliche Senkung der Wohnnebenkosten in<br />

Kraft treten soll. Es wurde in Visegrád also nicht darüber diskutiert, wie<br />

die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen endlich stimuliert,<br />

das Wirtschaftswachstum konsolidiert und die Staatsverschuldung<br />

nachhaltig gesenkt werden könnte, sondern darüber, ob die Preise für<br />

Gas, Strom und Fernwärme Mitte Oktober oder erst im Januar gesenkt<br />

werden sollen. Fürwahr eine schwierige und knifflige Frage. Es gelang<br />

denn auch nicht, den Zeitpunkt zu bestimmen, lediglich der Umfang<br />

wurde festgelegt.<br />

„Glückliches Land!”, riefe nun ein westlicher Bürger aus, den es hierher<br />

verschlagen hat. Selbstverständlich würde ihn aber bald ein Verdacht<br />

beschleichen, wurde er doch so erzogen, dass es nichts umsonst<br />

gibt. Und tatsächlich: Diese Art der Verteilung von Wahlgeschenken ist<br />

insofern subtiler als die frühere Prasserei der Sozialisten, als sie nicht<br />

unmittelbar das Budget belastet. (…) Doch wird es auch so Konsequenzen<br />

geben, ebenso wie die neuerliche Drohung der Regierung in Richtung<br />

Banken, die Fehler der Devisenkredite schleunigst zu beheben.<br />

Die Bevölkerung schert sich natürlich kaum darum, dass die Investitionen<br />

im Energiesektor im zweiten Quartal dieses Jahres um ein Viertel<br />

gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres zurückfielen. Es wird<br />

auch niemanden beunruhigen (ganz im Gegenteil), dass der Bankensektor<br />

im zweiten Quartal 2013 Verluste in Höhe von rund 50 Milliarden<br />

Forint verzeichnete. Sie haben sich ohnehin schon eine goldene Nase mit<br />

uns verdient, jetzt können sie das Weite suchen, lautet eine der Volksweisheiten,<br />

die von Seiten der Regierung obendrein noch bestärkt wird.<br />

Wen interessiert es heute, dass es dereinst einmal Stromausfälle geben<br />

wird und der Staat dazu verdammt sein wird, die Verluste des verstaatlichten<br />

Energiesektors zu finanzieren? (...) Und wen juckt es, dass die<br />

Kreditvergabe im Sinken begriffen ist? Heute ist heute, und was morgen<br />

kommt, braucht uns noch nicht zu interessieren.<br />

Der Fidesz gibt häufig damit an, dass seine unorthodoxe Politik bereits<br />

von anderen kopiert werde. Lange Zeit war dies Teil der Propaganda der<br />

Regierungspartei, nun aber scheint die Politik der Regierung tatsächlich<br />

Nachahmer gefunden zu haben. Polen beispielsweise hat in der Vorwoche<br />

angekündigt, das System der Privatrentenkassen in ähnlicher Form<br />

zu zerschlagen, wie das in Ungarn geschehen ist. Der polnische Premier<br />

Donald Tusk verfolgt damit dasselbe Ziel wie seinerzeit Orbán: Er will<br />

die Staatsverschuldung seines Landes – aus kurzsichtigen Motiven heraus<br />

– massiv abbauen (um satte acht Prozentpunkte). (…)<br />

Ein kurzsichtiges Kalkül verrät auch die jüngste Ankündigung der<br />

slowakischen Regierung: Ähnlich wie Budapest kauft auch Bratislava<br />

den slowakischen Gasversorger – vom tschechischen Minderheiteneigentümer<br />

– zurück, um im Januar 2014 den Gaspreis zu senken. Der<br />

slowakische Premier Robert Fico geht davon aus, bei Gazprom einen<br />

niedrigeren Importpreis herauspressen zu können. Bis dahin will er aus<br />

dem Verkauf der Erdgasreserven die Verluste finanzieren. Sollten die<br />

Verhandlungen in Russland (Gazprom; Anm.) im Sand verlaufen, wird es<br />

halt eine andere Lösung für das Problem geben. Orbán findet im slowakischen<br />

Regierungschef übrigens nicht zum ersten Mal einen Nachahmer<br />

in Sachen Wirtschaftspolitik: Die slowakische Regierung hat nicht nur<br />

eine Bankensteuer erhoben, sondern auch die Energie-, Transport- und<br />

Telekommunikationsunternehmen mit Sondersteuern zur Kasse gebeten<br />

– wenngleich das Maß dieser Steuern niedriger ist als in Ungarn.<br />

In Tschechien sind unorthodoxe wirtschaftspolitische Schritte, wie wir<br />

sie in Ungarn kennen, noch nicht zu beobachten. Ganz im Gegenteil: Die<br />

seit 2010 regierende Mitterechtskoalition von Petr Necas hat jene zweite<br />

Säule im Rentensystem eingeführt, die Orbán und jetzt auch Polens<br />

Premier Tusk praktisch zerschlagen haben. Dies könnte sich allerdings<br />

bald ändern, wird es doch angesichts der Korruptionsskandale und dem<br />

damit einhergehenden Scheitern der Regierung Necas im Oktober vorgezogene<br />

Wahlen in Tschechien geben, bei denen die Sozialdemokraten<br />

(CSSD) gute Aussichten haben, ans Ruder zu gelangen. Die CSSD hat<br />

nicht nur versprochen, die Rentenreform rückgängig zu machen, sondern<br />

auch die Gas-, Strom- und Fernwärmeversorger zu besteuern.<br />

Daraus wird ersichtlich, dass die Wirtschaftspolitik des lange Zeit als<br />

enfant terrible betrachteten Viktor Orbán keineswegs mehr als Sonderweg<br />

gilt, wie das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Wenn auch die anderen<br />

Visegrád-Staaten gemäßigter und weniger konfrontativ (sprich weniger<br />

EU-feindlich) auftreten, als wir es hierzulande gewohnt sind, so ist doch<br />

zu sehen, dass das ungarische Modell etliche Nachahmer gefunden hat.(…)<br />

Es ist offenbar einfacher und populärer, Sündenböcke zu suchen und<br />

die Marktakteure willkürlich zu schröpfen, als wettbewerbsstimulierende,<br />

stabile Rahmenbedingungen zu schaffen, wo keine Extraprofite<br />

möglich sind, wo aber die innovativen, effizienter und billiger produzierenden<br />

Unternehmen auf ihre Kosten kommen. Es scheint, dass nach<br />

Ungarn nun auch andere Länder einen Weg beschreiten, der sich schon<br />

einmal als falsch erwiesen hat.<br />

Der Autor ist Wirtschaftspublizist. Der hier in Auszügen abgedruckte<br />

Text erschien am 6. September 2013 auf dem Meinungsportal Komment.<br />

Aus dem Ungarischen<br />

von Peter Bognar<br />

Bei anderen gelesen<br />

„Für die Misere der Devisenkreditnehmer<br />

ist auch der<br />

Staat mitverantwortlich“<br />

Ultimatum für Ungarns<br />

Banken ist ungerecht<br />

Die Regierung von Viktor Orbán hat den Banken in Ungarn<br />

bis zum 1. November ein Ultimatum gestellt, Bürgern<br />

zu helfen, die bei der Tilgung ihrer Fremdwährungskredite<br />

Probleme haben. Die Zahl der Devisenkreditnehmer wird<br />

auf mehr als 500.000 geschätzt. Nach Meinung der linksliberalen<br />

Tageszeitung Népszabadság ist das Ultimatum niederträchtig:<br />

„Die Regierung, die eigentlich schon zugegeben<br />

hat, dass für die Misere der Devisenkreditnehmer auch der<br />

Staat mitverantwortlich ist, wälzt das Problem nun ausschließlich<br />

auf die Banken ab. Ihre Begründung: Das Produkt<br />

[der Devisenkredit] ist schlecht. Im Grunde hat sie<br />

ja Recht: Es hätte nicht sein dürfen. Es war seinerzeit ein<br />

Fehler, ein Klima zu schaffen, das die Verschuldung in Devisen<br />

förderte. Es war aber auch ein Fehler des Staates, die<br />

Kreditnehmer über die Risiken der Fremdwährungskredite<br />

nicht gewarnt zu haben. Gerade deshalb ist es niederträchtig,<br />

jetzt ausschließlich die Banken in die Pflicht zu nehmen.“<br />

Ungarns neue Stadien<br />

fördern die Körperkultur<br />

Die Regierung von Viktor Orbán hat Ende August angekündigt,<br />

auch in der westungarischen Stadt Szombathely<br />

aus öffentlichen Geldern (9,6 Milliarden Forint bzw. rund<br />

30 Millionen Euro) eine moderne Fußballarena bauen zu<br />

lassen. In Budapest, im ostungarischen Debrecen und in<br />

Orbáns Heimatgemeinde Felcsút sind bereits drei Stadien<br />

in Bau. Der Sportökonom Ferenc Dénes begrüßt die Errichtung<br />

neuer Stadien in der U-Bahn-<strong>Zeitung</strong> Metropol, ist<br />

doch die Körperkultur wichtig für eine Gesellschaft: „Viele<br />

sehen, weil es praktisch unübersehbar ist, dass die jetzige<br />

Regierung über 100 Milliarden Forint [330 Millionen Euro]<br />

in die Entwicklung des Fußballsports investiert. Wenige<br />

wollen indes wahrhaben, dass diese Ausgaben der Entwicklung<br />

der ungarischen Kultur dienen. Ja, der Kultur. (...)<br />

Bei uns wird Kultur nur mit geistiger Kultur gleichgesetzt:<br />

Musiker, Maler, Balletttänzer, Bildhauer. Körperkultur<br />

hat da wenig Platz. ... Während früher viel Geld in die geistige<br />

Kultur geflossen ist, will die Regierung nun die Körperkultur<br />

befördern.“<br />

Hochzeit offenbart<br />

feudale Zustände in Ungarn<br />

13. – 19. September 2013<br />

NÉPSZABADSÁG<br />

Seit Wochen bestimmt die Hochzeit von Ráhel Orbán,<br />

Tochter des ungarischen Premiers, vom vergangenen<br />

Samstag die Schlagzeilen im Land. Straßenarbeiten an den<br />

Örtlichkeiten des Fests und die Geschäftsbeziehungen des<br />

Schwiegersohns sorgten im Vorfeld allerdings für Unmut.<br />

Die Heirat wirft ein Schlaglicht auf die Vetternwirtschaft<br />

in Ungarn, meint die linksliberale österreichische Tageszeitung<br />

Der Standard: „Das Ganze wäre eine Privatangelegenheit<br />

gewesen, hätte der Regierungschef nicht selbst die<br />

Hochzeit seiner Tochter als Glamour-Ereignis ersten Ranges<br />

inszenieren lassen. Die eigene offizielle Facebook-Seite<br />

sowie eine mit Infos und Interviews angefütterte Boulevardpresse<br />

sollten dem lieben Volk – sieben bis acht Monate<br />

vor den nächsten Wahlen – das Bild einer ‘Traumhochzeit’<br />

im Hause des Landesvaters vermitteln. Doch die<br />

Begleitumstände versetzten dieser Illusion arge Dellen und<br />

verwiesen vielmehr auf die feudalen Zustände unter der<br />

Orbán-Herrschaft.“

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