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IN IHREM HAUS_Pressheft - Filmladen

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FILMLADEN Filmverleih<br />

präsentiert<br />

<strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong><br />

Dans la maison<br />

Ein Film von François Ozon<br />

Frankreich 2012<br />

105 Minuten, Farbe, 1:1,85, Dolby SR/SRD<br />

Verleih:<br />

<strong>Filmladen</strong> GmbH.<br />

Mariahilfer Straße 58/7, A-1070 Wien<br />

Tel: 01/523 43 62-0<br />

office@filmladen.at www.filmladen.at<br />

Pressebetreuung:<br />

Kooperationen:<br />

Susanne Auzinger<br />

Christina Baptist<br />

01/523 43 62-23 01/523 43 62-42<br />

s.auzinger@filmladen.at<br />

c.baptist@filmladen.at<br />

Paul Szostak<br />

01/523 43 62-22<br />

p.szostak@filmladen.at<br />

www.filmladen.at/presse<br />

Verleih gefördert vom Media-Programm der Europäischen Union


Germain .................................... Fabrice Luchini<br />

Claude ...................................... Ernst Umhauer<br />

Jeanne ...................................... Kristin Scott Thomas<br />

Esther ...................................... Emmanuelle Seigner<br />

Rapha senior ............................ Denis Ménochet<br />

Rapha junior ............................. Bastien Ughetto<br />

Schuldirektor............................. Jean-François Balmer<br />

Die Zwillinge ............................. Yolande Moreau<br />

Anouk ....................................... Catherine Davenier<br />

Stab<br />

Regie, Drehbuch, Adaption....... François Ozon<br />

Freie Adaption des Stückes ..... „Der Junge aus der letzten Reihe“ von<br />

Juan Mayorga<br />

Produktion ................................ Eric und Nicolas Altmayer<br />

Kamera .................................... Jerome Almeras, A. F. C.<br />

Ton............................................ Brigitte Taillandier<br />

Aufnahmeleitung....................... Oury Milshtein<br />

Regieassistent .......................... Hubert Barbin<br />

Casting...................................... Sarah Teper, Leila Fournier<br />

Szenenbild ................................ Arnaud de Moleron<br />

Kostüm...................................... Pascaline Chavanne<br />

Make-up.................................... Gill Robillard<br />

Frisuren..................................... Franck-Pascal Alquinet<br />

Schnitt....................................... Laure Gardette<br />

Tonschnitt ................................. Benoît Gargonne<br />

Mischung .................................. Jean-Paul Hurier<br />

Originalmusik ............................ Philippe Rombi<br />

Standfotograf ............................ Jean-Claude Moireau<br />

Eine Co-Produktion von............ Mandarin Cinema FOZ<br />

France 2 Cinema Mars Film<br />

Unterstützt von.......................... Canal + Cine + France Télévisions<br />

In Zusammenarbeit mit ............. La Banque Postale Image 5<br />

Cofimage 23 Palatine Etoile 9<br />

Mit Unterstützung von............... La Région Ile-de-France<br />

International Sales .................... Wild Bunch


KURZ<strong>IN</strong>HALT<br />

Der 16jährige Claude (Ernst Umhauer) sucht in der Familie seines Klassenkameraden<br />

Rapha nach Inspirationen für den Roman, den er schreiben will. Sein desillusionierter<br />

Lehrer Germain (Fabrice Luchini) ist beeindruckt vom ungewöhnlichen Talent seines<br />

begabten Schülers und stürzt sich in die Aufgabe, ihn zu fördern. Dazu ist ihm fast jedes<br />

Mittel recht – in ihrem Eifer lösen Lehrer und Schüler eine Kette unkontrollierbarer,<br />

dramatischer Ereignisse aus.<br />

PRESSENOTIZ<br />

Was ist Realität, was Fiktion, ist die spannende zentrale Frage von François Ozons<br />

meisterlichem, amüsantem und bewegendem Thriller um einen Lehrer, der sich immer<br />

tiefer in die literarische Phantasiewelt seines Schülers hineinziehen lässt. Unrettbar<br />

verloren zappelt er am Haken dessen literarischer Phantasien in einer klugen, sehr<br />

unterhaltsamen und gleichzeitig menschlich anrührenden Satire, wie sie keiner besser<br />

als Frankreichs in allen Genres versierte Regie-Ikone François Ozon inszenieren<br />

könnte. Sein großartiges Darstellerensemble sah man noch nie besser: Allen voran<br />

Fabrice Luchini in der Rolle des Lehrers - Luchini war nie berührender, menschlicher<br />

und komischer. An seiner Seite der beeindruckende Shootingstar Ernst Umhauer als<br />

Schüler - eine Entdeckung, unschuldiger Engel und manipulativer Teufel zugleich. Und<br />

als Lucchinis Frau brilliert die großartige Kristin Scott Thomas. In den bedeutsamen<br />

Nebenrollen sind Emmanuelle Seigner, Denis Ménochet und Bastien Ughetto zu sehen.<br />

Ozon schrieb das Drehbuch selbst nach dem Theaterstück „Der Junge aus der letzten<br />

Reihe“ von Juan Mayorgas.<br />

Ein höchst spannendes, witziges und unterhaltsames Spiel um Wirklichkeit und<br />

blühende Imagination, Moral, die Suche nach Liebe und familiärer Geborgenheit. Eine<br />

brillante, bissige Satire auf das Bildungsbürgertum, aber auch ein äußerst aktueller Blick<br />

auf zeitgenössische Krisen und Existenznöte. Ein Paradebeispiel dafür, wie die<br />

unterschiedliche soziale Herkunft uns letztlich prägt.<br />

Voll warmer Emotionalität, mit Leichtigkeit, Tiefgang und Krimi-Spannung – eine<br />

prickelnde Mischung, die selten ist.<br />

<strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> gewann beim International Film Festival in San Sebastian die<br />

„Goldene Muschel“ als Bester Film, François Ozon wurde für das Beste Drehbuch<br />

ausgezeichnet.


<strong>IN</strong>HALT<br />

Monsieur Germain (Fabrice Luchini) ist frustriert. Dieser Schülerjahrgang ist noch<br />

schlechter als alle zuvor dagewesenen, was er nicht für möglich gehalten hätte, erzählt<br />

er seiner Frau Jeanne (Kristin Scott Thomas), während er am Küchentisch die letzten<br />

Hausarbeiten korrigiert. Germain liebt Literatur über alles, davon zeugt auch die Fülle<br />

von Büchern in dem schicken kleinen Apartment, das er mit Jeanne, Galeristin für<br />

moderne Kunst, bewohnt.<br />

Da weckt ein Aufsatz sein Interesse, er liest ihn laut seiner Frau vor. Während die<br />

anderen Schulaufsätze nur von Fastfood und Fernsehshows handeln, schildert Claude<br />

(Ernst Umhauer) auf sprachlich äußerst geschickte Weise, wie er sich in das Haus<br />

seines Mitschülers Rapha jr. (Bastien Ughetto) einschleicht unter dem Vorwand, ihm bei<br />

den Mathe-Hausaufgaben zu helfen. Seiner genauen Beschreibung des Inneren des<br />

Hauses und seiner Mittelklasse-Bewohner erliegt nicht nur Germain. Auch Jeanne ist<br />

fasziniert. Zwar brandmarkt sie Claudes Vorgehen als voyeuristisch, doch ihre Neugier<br />

ist geweckt. Sie brennt darauf, mehr über diese Familie zu erfahren, die so ganz anders<br />

lebt als sie selbst und ihr Mann: ein kinderloses, gut situiertes, in der Kulturszene<br />

verwurzeltes Ehepaar.<br />

Germain beginnt, seinen wissbegierigen Schüler zu unterrichten. In Einzelstunden<br />

erklärt er ihm, wie eine Geschichte aufgebaut wird, was Spannungsbogen und<br />

Figurenentwicklung bedeuten, und blüht dabei immer mehr auf. Am Anfang erklärt er<br />

Claude zwar, dass der gar nicht wirklich ins Leben der Menschen eindringen muss, die<br />

als Vorlage seiner Figuren dienen, doch als der gelehrige Schüler erklärt, er brauche<br />

das reale Anschauungsobjekt für seine Fantasie, ermuntert er seinen Schüler, seine<br />

Beobachtungen fortzusetzen.<br />

So schleicht sich Claude immer tiefer ein ins Leben der Familie Artole. Unter dem<br />

Vorwand, Rapha jr., für den Claude schnell zum besten Freund wird, das Universum der<br />

Mathematik näher zu bringen, wird er von dessen Vater Rapha sen. (Denis Ménochet)<br />

schnell akzeptiert und integriert. Die Männer laden ihn ein zum Basketballspielen, ihrem<br />

Lieblingssport, teilen Pizza und Sportabende vor dem Fernseher mit ihm. Ablehnend<br />

reagiert dagegen zunächst die Mutter, Esther (Emmanuelle Seigner), eine schöne,<br />

sinnliche Frau, die ihre Rolle als Hausfrau und Mutter liebt, die sich aber auch langweilt<br />

und ihrem Traum nachhängt, als Innenarchitektin zu arbeiten. Instinktiv misstraut sie<br />

dem Eindringling, wohl aus einem Gefühl heraus, ihre Lieben schützen zu müssen.<br />

Doch Claude gewinnt auch ihr Vertrauen, und je näher Esther ihn an sich heran lässt,<br />

desto verwirrender werden seine Gefühle ihr gegenüber. Längst hat er sich in Esther<br />

verliebt und umgarnt sie mit allen Finessen seiner jugendlichen Obsession. Suchte<br />

Claude zunächst das, was ihm als mutterlosem Sohn aus armen Verhältnissen, der<br />

seinen kranken Vater zu versorgen hat, fehlt, nämlich die Geborgenheit der Familie,<br />

sehnt er sich immer mehr nach einer leidenschaftlichen Liaison mit Esther.<br />

Begierig verschlingen Germain und Jeanne jedes neue, von Claude beschriebene<br />

Kapitel der Enthüllungen aus dem Hause Artole. Mit „Fortsetzung folgt“ endet jede der<br />

Geschichten. Ermuntert durch Germains Unterstützung verliert Claude bald jede<br />

Zurückhaltung. Germain, selbst ein verhinderter Schriftsteller, dessen einziger Roman<br />

zwar gedruckt wurde, aber erfolglos blieb, durchlebt noch einmal einen Teil seiner<br />

Jugend und schöpft neue Hoffnung. Immer weiter entfremdet sich seine Frau dabei von


ihm, mit deren Verständnis zeitgenössischer Kunst er noch nie viel anfangen konnte.<br />

Dabei wird Jeanne von veritablen Zukunftsängsten geplagt: ein neuer Eigentümer will<br />

ihre Galerie verkaufen, wenn es ihr nicht gelingt, geschäftlich erfolgreich zu arbeiten.<br />

Tiefer und tiefer gerät Germain in den Sog von teils in der Realität, teils in der Fantasie<br />

stattfindenden Ereignissen. Dabei verliert der Lehrer zusehends sein<br />

Urteilungsvermögen zwischen Recht und Unrecht, bis nicht nur ihn schließlich die<br />

Ereignisse, die er sehenden Auges herbeigeführt hat, auf ungeahnte Art einholen und<br />

aus der Bahn werfen ...


<strong>IN</strong>TERVIEW MIT FRANÇOIS OZON<br />

Am Anfang…<br />

<strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> ist inspiriert von dem spanischen Stück „Der Junge aus der letzten<br />

Reihe“ von Juan Mayorga...<br />

Ich war sofort begeistert von der Lehrer-Schüler Beziehung, als ich das Stück gelesen<br />

habe. Wir fühlen uns mit beiden verbunden, dem Lehrer und dem Schüler. Beide<br />

Sichtweisen werden abwechselnd dargestellt. Normalerweise lernen Schüler von ihren<br />

Lehrern, aber hier vollzieht sich das Lernen in beide Richtungen. Und der Wechsel<br />

zwischen Realität und Schriftstellerei führt selbst zu einer spielvollen Reflexion über<br />

Geschichtenerzählen und Imagination. Diese eher theoretischen Fragen werden im<br />

Stück mit Leben gefüllt. Die Beziehung von Germain und Claude repräsentiert die<br />

Quintessenz der Partnerschaft in jedem kreativen Unterfangen: Der Herausgeber und<br />

der Schreiber, der Produzent und der Regisseur, selbst der Leser und der Autor oder<br />

das Publikum und der Regisseur. Als ich das Stück las, sah ich eine Chance, indirekt<br />

über meine Arbeit zu sprechen, das Kino, die Inspiration und ihre Quellen, was es<br />

bedeutet, etwas zu schaffen, was es heißt, etwas zu rezipieren.<br />

Wie haben Sie das Stück für die Leinwand adaptiert?<br />

Das Stück ist eine kontinuierliche Abfolge von Dialogen. Es gibt keine eigentliche<br />

Handlung, keine wirklich zusammenhängenden Episoden. Die Locations sind nicht<br />

genau spezifiziert oder differenziert, wir sind überall zugleich: das Klassenzimmer, die<br />

Kunstgalerie, das Haus, der Park. Meine erste Aufgabe war es, eine Raum-Zeit-Struktur<br />

zu schaffen, die Geschichte in Abschnitte von Zeit und Location zu gliedern.<br />

Als nächstes hab ich mir überlegt, die Handlung nach England zu verlegen. Ich stellte<br />

mir die Schüler in Uniform vor, ein Brauch, den es in Frankreich eigentlich nicht mehr<br />

gibt. Germain sieht seine Schüler als Schafe – eine Herde Dummköpfe, die eins werden<br />

durch die Uniform – und dann tritt ein Junge aus der Herde heraus, der Junge aus der<br />

letzten Reihe. Aber die Handlung ins englische Schulsystem zu verlagern, verlangte<br />

eine umfangreichere Adaption und einen aufwändigen Casting-Prozess. Also kam mir<br />

die Idee einer Pilot-Schule, die ein Experiment mit der Einführung von Schuluniformen<br />

durchführt – eine immer wiederkehrende Debatte in Frankreich.<br />

Ich habe einiges weggelassen und vieles vereinfacht. Im Stück war Rapha sehr gut in<br />

Philosophie, im Gegensatz zu Claude, der gut in Mathe ist. Aber Raphas Sprache war<br />

zu ausgefallen für die Realität, die ich zeigen wollte, zu theatralisch, zu abgehoben. Im<br />

Stück wurden auch eine Menge Theorien entwickelt über den Akt der Kreation. Ich habe<br />

nur das behalten, was mich persönlich berührt hat und direkt mit der Geschichte<br />

gearbeitet.<br />

Die grundlegende Frage war, wie man Claudes Schreiben zeigen sollte. Die erste<br />

Episode wird komplett von Germain gelesen, ein Hinweis fürs Publikum auf die<br />

kontinuierlich folgenden, geschriebenen Texte. Diese Einteilung unmittelbar von Anfang<br />

an vorzunehmen erlaubte mir, mich umso schneller von ihr zu lösen. Die zweite<br />

Textpassage ist visualisiert und im Voiceover kommentiert vom Erzähler, Claude. Mit<br />

dem Fortschreiten des Films wird das Voiceover immer seltener. Dialoge und Bilder<br />

übernehmen stattdessen, es ist das Kino.


Wir sind ebenso fasziniert von Germains Unterweisungen wie von Claudes Schreiben.<br />

Der Vorgang der Fiktionalisierung führt weder zu einer Verminderung der Lust am<br />

Schauen noch der Glaubwürdigkeit.<br />

Und trotzdem ist das, was im Haus geschieht, ziemlich belanglos, eher trist. Ich habe<br />

mich gefragt, ob ich etwas hinzufügen soll, etwas dramatischeres, den Film in Richtung<br />

Thriller oder Mystery lenken, ihn mehr „Hollywood“ machen. Dann wurde mir klar, dass<br />

die wirkliche Herausforderung darin bestand, Normalität faszinierend erscheinen zu<br />

lassen: Die Probleme des Vaters bei der Arbeit, seine Obsession mit China. Die Liebe<br />

des Sohns zum Basketball, seine Zuneigung zu Claude. Die Langeweile der Mutter, ihr<br />

Schwärmen für die Innenarchitektur. Die Idee dahinter war, diese gewöhnlichen Dinge<br />

außergewöhnlich zu machen, in der Beschreibung und in der Darstellung, so dass die<br />

Spannung steigen würde. Das Drehbuch war so angelegt, dass das Publikum sich<br />

angesprochen fühlte, teilzunehmen, aktiv die Fantasie anzuspornen und uns in die<br />

Geschichte hineinzuziehen. Es gibt fehlende Stücke, und mit dem Fortschreiten des<br />

Films wird es immer schwieriger, den Unterschied zwischen Geschriebenem und<br />

Realität auszumachen. Der Schnitt trug entscheidend dazu bei, diesen Unterschied in<br />

den Hintergrund treten zu lassen, die Ellipsen zu verstärken und mit der Verwirrung<br />

zwischen Realität und Fiktion zu spielen.<br />

Sie gehen sogar so weit, Germain in Claudes literarischen Texten auftreten zu lassen.<br />

Das ist eine Referenz an ein übliches Stilmittel des Theaters, wie es Bergman mit<br />

großem Effekt in WILDE ERDBEEREN anwandte und das auch Woody Allen oft<br />

einsetzt. Ich wollte keine Spezialeffekte, Germains Einmischung sollte sehr direkt sein.<br />

Es kommt ein Punkt, an dem Germain in die Erzählung eintauchen, ein aktiver<br />

Teilnehmer werden muss. Als Claude Esther küsst, tritt Germain aus der Kammer, weil<br />

das Begehren zu heftig ist für ihn. Er ist derjenige, der Claude beigebracht hat, er solle<br />

seine Figuren lieben, und Claude hat diesen Rat angenommen und umgesetzt. Germain<br />

wird ständig von seinen eigenen Ratschlägen überrumpelt.<br />

Wenn Claude Esther am Ende bittet, mit ihm durchzubrennen, fragen wir uns, ob das<br />

wirklich passiert oder ob er sich das ausgedacht hat.<br />

Das stimmt, vor allem weil wir in der nächsten Szene sehen, wie er aufwacht. Er könnte<br />

das geträumt haben. Esther selbst sagt: Was zwischen uns war, hat nie stattgefunden.<br />

Realität und Imagination werden immer mehr eins – für mich ist, am Ende des Tages,<br />

alles real. Selbst Raphas Selbstmord, weil Claude ihn wollte. Wir müssen uns auf die<br />

Fiktion einlassen und aufhören, Fragen zu stellen.<br />

Die insistierende, wiederkehrende Musik hilft uns dabei, überzulaufen.<br />

Ja, ich wollte rhythmische Musik, die das Publikum erobert. Die Melodie, die wir oft<br />

während des Schreibprozesses hören, hat seriellen Charakter. Sie weckt den Wunsch,<br />

zu wissen, was Claude als nächstes schreiben wird. Sie durchdringt den ganzen Film.<br />

Wie bei SWIMM<strong>IN</strong>G POOL gab ich das Drehbuch vor Drehbeginn Philippe Rombi, und<br />

er schlug schon im Vorfeld eine Musik vor, die mich wiederum inspirierte und mir half,<br />

meine Entscheidungen als Regisseur zu treffen.<br />

Auch wenn der Film nicht naturalistisch ist, hat er doch einen starken sozialen Subtext.<br />

Claude ist ein benachteiligtes Kind.


Das war im Stück nicht so deutlich. Wir wussten, sein Vater hat eine Behinderung und<br />

er hat keine Mutter, aber solche Details wurden nicht entwickelt oder eingesetzt. Ich<br />

musste also für Claude einen sozialen Kontext entwickeln. Wir spüren von Anfang an,<br />

dass er nicht aus der gleichen sozialen Klasse stammt wie Rapha, aber erst am Ende<br />

erfahren wir etwas über sein bescheidenes Zuhause, bekommen die Bestätigung für<br />

seinen Background. Es ist wichtig, Claudes Herkunft spät im Film zu entdecken und zu<br />

visualisieren, um zu verstehen, wie seine ursprünglich ironische Suche nach einem<br />

Platz in der perfekten Familie sich mit der Zeit wandelt in ein Gefühl der Liebe, das aus<br />

einem wirklichen Mangel daran entsteht.<br />

Können wir den Film als Selbstporträt sehen?<br />

Nein, aber ich habe einen Bezug zu der Verbindung, die Claude mit Germain hat. Die<br />

Lehrer, die mir am meisten bedeuteten, waren die, mit denen ich mich auf Augenhöhe<br />

ausgetauscht habe, bei denen ich mich nicht komplett untergeordnet fühlte. Ich habe<br />

das erst spät in meiner Ausbildung erfahren, als ich bereits wusste, dass ich<br />

Filmemacher werden will, mit Lehrern wie Joseph Morder, Eric Rohmer und Jean<br />

Douchet. Sie haben mich genährt, ermutigt und einige meiner Instinkte bestätigt. Meine<br />

Eltern sind auch Lehrer. Ich kenne das alles aus erster Hand seit meiner Kindheit. Ich<br />

weiß, wie lästig es ist, Arbeiten am Wochenende zu korrigieren, ich weiß um<br />

Lieblingsschüler, Spannungen mit der Verwaltung. Ich hatte einen guten Zugang zu dem<br />

Thema. Ich wusste, wie ich mich den Dingen nähere, die Lehrer durchmachen: den<br />

Kämpfen, dem Burn-out, den oft lächerlichen Zwängen des Schulsystems, denen sie<br />

ausgesetzt sind (wie der Idee, dass Rotstifte für Schüler besonders unangenehm sind).<br />

Eine andere Spitzfindigkeit über die Lehrer-Schüler-Beziehung ist, dass der Schüler den<br />

Lehrer nicht überflügelt. Claude gefällt Germains Buch, und am Ende sitzen die beiden<br />

wie Gleichberechtigte auf der Bank.<br />

Das Stück ist anders. Es endet auf der Bank im Park gegenüber von Raphas Haus, mit<br />

Germain, der realisiert, dass Claude in sein Privatleben eingedrungen ist und seine Frau<br />

getroffen hat. Er ohrfeigt den Jungen, sagt ihm, er sei zu weit gegangen. Er beendet ihre<br />

Beziehung, schützt sich selbst und bleibt mit seiner Frau zusammen. Dieses Ende<br />

schien mir nicht richtig. Ich hatte das Gefühl, alles müsse durchgerüttelt werden im Film.<br />

Claude setzt seine Grausamkeiten fort und es gibt eine echte Begegnung zwischen ihm<br />

und Jeanne. Germains Privatleben ist irreversibel verändert durch seine Beziehung zu<br />

Claude, alles ist davon angesteckt, wie in Pasolinis „Teorema“.<br />

Aber anders als Pasolinis Figur ist Claude kein kalter Manipulator. Auch er wird am<br />

Ende persönlich hineingezogen.<br />

Claude glaubt, er kann die Familie infiltrieren und von innen heraus zerstören, aber es<br />

zeigt sich, dass die Liebe der Familie stärker ist und Claude seinen Platz nicht finden<br />

kann, er ist ausgeschlossen. In vielen meiner Filme zerstöre ich die Familie, aber hier<br />

besitzt die Familieneinheit eine zentrifugale Kraft, die sie zusammenhält und<br />

Außenseiter ausschließt. Die Familie ist sich selbst genug. Sie sind nicht darauf<br />

angewiesen, Platz für einen Außenstehenden zu schaffen, was ich sowohl wunderschön<br />

als auch monströs finde. Claudes Dilemma ist, dass er sowohl Erzähler als auch<br />

Darsteller ist. Er will einen Platz für sich selbst finden in dieser Geschichte, und indem er<br />

das tut, verliebt er sich unplanmäßig in Esther. Schritt für Schritt entgleitet ihm die<br />

Geschichte, er verliert die Kontrolle, vermischt seine Vorstellung mit der Realität, wird<br />

zwei Menschen, wird eine Figur. Indem er die Fiktion integriert, verbrennt er sich auch


die Flügel. Am Ende sagt Claude: „Mein Lehrer hat alles verloren“, aber so geht es ihm<br />

in einem gewissen Sinne auch.<br />

Den Film durchzieht ein Gefühl von Einsamkeit und Ausgeschlossensein.<br />

Claude drückt durch sein Schreiben Einsamkeit und Ausgeschlossensein aus, aber er<br />

findet Zuspruch und Trost bei Germain. Deshalb war es wichtig, sie in der letzten Szene<br />

zu vereinen. Das ist so etwas wie ein Happy End. Ich wollte mit dem Band zwischen<br />

diesen beiden einsamen Seelen, die einander brauchen, um etwas zu schaffen,<br />

aufhören. Ich habe mir diese letzte Szene schon früh vorgestellt: die beiden auf einer<br />

Bank, auf Fenster starrend wie auf Bildschirme. Wie die Heldin aus UNTER DEM SAND,<br />

die einem Fremden am Strand nachläuft, ziehen Germain und Claude die Fiktion der<br />

Realität vor. Durch die Fiktion fühlen sie sich lebendig.<br />

Fabrice Luchini ist besonders bewegend in dieser letzten Szene auf der Bank. Man sieht<br />

in seinem Gesicht die Zeit, die vergangen ist.<br />

Ja, er hat aufgegeben, da ist ein Verzicht, die Brüche der Figur werden sichtbar. Er trägt<br />

seine Brille nicht mehr, wir sehen die Ringe unter seinen Augen, seine Müdigkeit, sein<br />

Alter. Das wunderbare an Fabrice ist, dass ihm die Eitelkeit fehlt, die typisch ist für<br />

Schauspieler, wenn es um ihre äußere Erscheinung geht, ihr Bild. Er hat keine Angst<br />

davor, lächerlich auszusehen. Nach DAS SCHMUCKSTÜCK wollten wir wieder<br />

zusammenarbeiten, seine Besetzung als Germain lag auf der Hand. Er hat sich völlig<br />

auf die Rolle eingelassen, ohne Grenzen. In manchen Sequenzen mochte er die Figur<br />

so sehr und identifizierte sich so stark, dass er Sätze dazu erfunden hat. Ich konnte ihn<br />

nicht davon abhalten, Claude Anweisungen über das Schreiben zu geben. Er liebt seine<br />

Arbeit, liebt die Proben, manchmal bis zum Punkt der Erschöpfung. Es ist der Traum<br />

eines jeden Regisseurs, einen so hingebungsvollen Schauspieler zu haben, dermaßen<br />

bereit, sich der Rolle unterzuordnen. Ich wusste, dass der Film ihm viel bedeuten würde,<br />

es war für ihn die Möglichkeit, seine Liebe zur Literatur auszudrücken. In DAS<br />

SCHMUCKSTÜCK war er völlig gegen den Strich besetzt, ein echter Ekel, aber hier<br />

konnte er er selbst sein, oder wenigstens näher an ihm selbst. Vielleicht war es<br />

unterbewusst, aber diese Rolle eines Vermittlers hat mit seiner eigenen Natur als<br />

Schauspieler zu tun, mit den Gründen, warum er diesen Beruf wählte, vor allem am<br />

Theater, sein Lieblingsort, um die großen Werke der Literatur zu vermitteln.<br />

Wie haben Sie Ernst Umhauer gefunden?<br />

Claude ist sechzehn im Film, und mir wurde schnell klar, dass Schauspieler dieses<br />

Alters die Reife fehlt, die es erfordert, eine solche Rolle zu spielen. Also habe ich mich<br />

auf ältere Schauspieler konzentriert. Ernst fiel mir während des Castingprozesses auf,<br />

als wir einige Screentests machten. Ich hatte das Gefühl, er würde seiner Figur ähneln:<br />

er kommt aus einer Kleinstadt, gehört nicht wirklich zum Kreis der Pariser Schauspieler.<br />

Er sieht gut aus, aber seine Attraktivität ist geheimnisvoll und kann etwas irritieren und<br />

beunruhigen. Er war 21, als wir gedreht haben, sah aber immer noch aus wie ein<br />

Teenager, was perfekt war. Er ist sehr fotogen und hat auch eine wunderbare Stimme,<br />

was sehr wichtig war, weil Claudes Stimme im Film immer präsent ist.<br />

Germain und Claude sind ein richtiges Paar, und Fabrice wusste, Ernst musste gut und<br />

glaubwürdig sein, damit der Film funktioniert. Er war sehr großzügig und geduldig mit<br />

ihm. Wir haben versucht, so viel wie möglich chronologisch zu drehen, so dass Fabrice<br />

Ernst zur gleichen Zeit kennenlernen konnte wie Germain im Film Claude.


Und Emmanuelle Seigner?<br />

Ich habe beim Casting tatsächlich in Paarverbindungen gedacht, nicht nur bei Germain<br />

und Claude, sondern auch bei den beiden Frauen. Ich wollte unbedingt, dass sie sich<br />

ergänzen: eine blond, eine brünett, eine intellektuell, eine sinnlich, eine maskulin, eine<br />

feminin...<br />

Sobald ich angefangen habe, die Liebesgeschichte zwischen Claude und Esther zu<br />

entwickeln, habe ich an Emmanuelle gedacht. Ich habe vor ein paar Jahren ein Projekt<br />

mit ihr angefangen, das unglücklicherweise nie realisiert wurde, eine Geschichte um ein<br />

paar Zeilen aus SUMMER OF 42 über eine Frau, die sich in einen Teenager verliebt.<br />

Was ich an Emmanuelle liebe, ist, dass sie nie intellektualisiert, sie geht immer ins Volle<br />

eines Charakters.<br />

Emmanuelle Seigner ist perfekt in der Rolle, obwohl sie gegen den Typ besetzt ist.<br />

Sie wird oft als sexuell aktive aggressive Frau besetzt. In <strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> ist sie<br />

mütterlich, süß und zart. Wir wollten sie naiv, ohne Ironie, in keinster Weise pervers.<br />

Ihre Figur ist Indolent, sie hat Bedürfnisse, aber sie lässt sich von ihnen ablenken. Mit<br />

ihrer Kleidung, Haar und Make-Up drücken wir Understatement aus, um das zu<br />

schaffen, was Claude „die Mittelklasse-Frau“ nennt. Aber ihre Schönheit wird immer<br />

mehr enthüllt, je weiter der Film fortschreitet, durch Claudes Blick und die Liebe, die er<br />

für sie fühlt.<br />

Und Kristin Scott Thomas?<br />

Wir umkreisen uns seit einer Weile. Ich glaube, sie hatte viel Spaß an der Rolle. Sie ist<br />

eine sehr angelsächsische Schauspielerin. Sie kann akzentfrei Französisch sprechen,<br />

aber ich habe sie ermuntert, ihn zu behalten. Ich mag ihre kleinen Fehler im<br />

Französischen, sie sind charmant. Es war ein Kinderspiel, mit ihr zu arbeiten, dasselbe<br />

Vergnügen wie mit Charlotte Rampling. Die beiden haben tatsächlich manchmal die<br />

gleiche Intonation. Mit Fabrice gibt sie ein sehr gutes Paar ab. Wir nehmen ihnen ihre<br />

intellektuelle Verbundenheit ab, ihre Chemie stimmt, ihre kleinen Zeichen von<br />

Zuneigung sind natürlich, erinnern an Woody Allen und Diane Keaton. Ich war glücklich,<br />

weil die beiden sich beim Dreh gut kennenlernen mussten und es sofort genossen<br />

haben, miteinander zu spielen. Wie Fabrice hat auch Kristin viel Theater gespielt. Sie<br />

haben einander verstanden.<br />

Wie kamen Sie auf Denis Ménochet?<br />

Ich hatte ihn in Tarantinos <strong>IN</strong>GLOURIOUS BASTERDS gesehen. Ich habe einige<br />

andere Schauspieler ausprobiert, aber sobald ich mich für Emmanuelle entschieden<br />

hatte, dachte ich in Paar-Besetzungen. Ich probte eine Szene mit Emmanuelle und<br />

Denis zusammen, und es passte sofort, wie bei Fabrice und Kristin. Denis ist ein<br />

Method Actor. Er vertiefte sich total in alles, was mit Basketball und chinesischer Kultur<br />

zu tun hat und erschien sehr gut vorbereitet am Set. Ich musste dafür sorgen, dass er<br />

einiges von seinen Recherchen wieder vergas. Es steckt etwas von Rapha sen. in ihm,<br />

eine starke sinnliche Präsenz, perfekt für die Rolle.<br />

Fehlt nur noch Bastien Ughetto als Sohn...<br />

Ursprünglich wollte ich die Figur von Rapha jun. als die eines übergewichtigen,<br />

schwierigen Kindes anlegen, zu Hause überbeschützt, in der Schule ständig gehänselt.<br />

Aber es ist schwer, fette Kinder zu zeigen, ohne in die Karikatur-Falle zu tappen. Als ich


ein Foto von Bastien sah, hatte sein Gesicht etwas Schönes und Strenges zugleich. Wir<br />

trafen uns, und ich fühlte mich wohl mit ihm. Dann sah ich ihn mir in einem Stück an und<br />

arrangierte ein paar Testaufnahmen mit ihm und Ernst. Die Chemie stimmte zwischen<br />

ihnen und Bastien war sehr gut, fähig zur Offenheit, Naivität und einer gewissen<br />

Zähigkeit. Wie Ernst war auch er 21 bei den Dreharbeiten.<br />

Durch die Figur der Jeanne werfen Sie auch einen Blick auf die Welt der<br />

zeitgenössischen Kunst.<br />

Nein, ich spiele nur mit den üblichen Klischees, die die Menschen über zeitgenössische<br />

Kunst haben. Die avantgardistische Natur der Art von Kunst, die Jeanne ausstellt, dient<br />

als Kontrapunkt zum grenzwertig reaktionären Klassizismus, dem sich Germain<br />

verschrieben hat. Für ihn steht Literatur über allen anderen Kunstarten, vor allem lehnt<br />

er zeitgenössische Kunst ab, von der er nichts versteht. Ich dachte, es ist lustig, den<br />

Film damit zu beenden, wie er auf das Gebäude starrt mit all den Bewohnern in ihren<br />

kleinen Boxen. Das sieht aus wie eine typische Installation zeitgenössischer Kunst!<br />

Warum haben Sie nicht den Titel des Stücks übernommen, „Der junge aus der letzten<br />

Reihe“?<br />

Ich hatte das Gefühl, dass der Titel zu sehr einen Aspekt der Geschichte in den<br />

Vordergrund stellt, die Idee des sprichwörtlichen „Schüler in der letzten Reihe“, der<br />

auffällig und anders ist, oft brillant, aber sich schlecht ins soziale Leben integriert. Ich<br />

wollte den Rahmen erweitern, weil für mich alle Figuren wichtig sind und das Haus<br />

wirklich im Zentrum der Geschichte steht, wie in vielen meiner früheren Filme. Also<br />

schien mir der Titel DANS LA MAISON naheliegend.


FRANÇOIS OZON – Regie, Drehbuch<br />

Geboren 1967 in Paris, absolvierte François Ozon die dortige Filmhochschule FEMIS.<br />

Bereits in seinen frühen Kurzfilmen zeigte Ozon einen konsequenten, eigenen Stilwillen,<br />

etwa in „Une robe d’été“, „Le petit mort“ oder „Regarde la mer“. Für Furore sorgte er<br />

erstmals bei der Berlinale 2000, wo seine Adaption eines nie aufgeführten Fassbinder-<br />

Stücks lief: TROPFEN AUF HEISSE STE<strong>IN</strong>E (Gouttes d’eaus sur pierres brulantes).<br />

Mit jedem neuen Film überrascht Ozon seine Zuschauer – nie darf man sicher sein, was<br />

einen erwartet. Jeder seiner Filme trägt eine eigene Handschrift, meist sind es<br />

ungewöhnlich stilisierte Liebes- und Familiengeschichten. Einige Topoi allerdings<br />

kommen fast immer vor, so die perfekt inszenierten Landschaftsaufnahmen wie im<br />

meisterhaften UNTER DEM SAND (Sous le sable) mit Charlotte Rampling oder die, teils<br />

humorvolle, Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Tod, wie in dem intimen<br />

Porträt DIE ZEIT DIE BLEIBT (Le temps qui rest). Er wagte sich ebenso an den<br />

Kostümfilm (ANGEL – E<strong>IN</strong> LEBEN WIE IM TRAUM) wie an den Gangsterfilm (LES<br />

AMANTS CRIM<strong>IN</strong>ELES) oder die schwarze Komödie (SITCOM). Vor allem aber<br />

begeistert Ozon mit seinen intelligenten, feinfühligen Porträts der starken Weiblichkeit:<br />

Seinen größten Erfolg bisher konnte er mit 8 FRAUEN (8 femmes) feiern, dessen<br />

Darstellerinnenensemble (Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart,<br />

Fanny Ardant, Virginie Ledoyen, Danielle Darrieux, Ludivine Sagnier, Firmine Richard)<br />

mit dem Europäischen Filmpreis und dem Silbernen Bären der Berlinale ausgezeichnet<br />

wurde. Auch in dem Thriller SWIMM<strong>IN</strong>G POOL setzt er seine Aktricen Charlotte<br />

Rampling und Ludivine Sagnier grandios in Szene. In 5X2-FÜNF MAL ZWEI erzählt<br />

Ozon fünf Episoden aus dem Beziehungsleben eines jungen Paares rückwärts. Der<br />

Autorenfilmer par excellence verfasst zu fast allen seinen Filmen auch die Drehbücher.<br />

Filmografie<br />

1988 „Photo de famille“ (Kurzfilm)<br />

1994 „Une rose entre nous“ (Kurzfilm)<br />

1995 „Der kleine Tod“ (La petite mort) (Kurzfilm)<br />

1996 „Ein Sommerkleid“ (Une robe d’été) (Kurzfilm)<br />

1997 „Blicke auf das Meer“ (Regarde la mer) (Kurzfilm)<br />

1998 SITCOM<br />

1999 Ein kriminelles Paar (Les amants criminels)<br />

2000 TROPFEN AUF HEISSE STE<strong>IN</strong>E (Gouttes d’eaus sur pierres brulantes)<br />

2001 UNTER DEM SAND (Sous le sable)<br />

2002 8 FEMMES (8 Frauen)<br />

2003 SWIMM<strong>IN</strong>G POOL (Swimming Pool)<br />

2004 5X2 FÜNF MAL ZWEI (5x2)<br />

2005 DIE ZEIT DIE BLEIBT (Le temps qui reste)<br />

2006 „Un lever de rideau“ (Kurzfilm)<br />

2007 ANGEL – E<strong>IN</strong> LEBEN WIE IM TRAUM (Angel)<br />

2008 RICKY – WUNDER GESCHEHEN (Ricky)<br />

2009 RÜCKKEHR ANS MEER (Le refuge)<br />

2010 DAS SCHMUCKSTÜCK (Potiche)<br />

2012 <strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> (Dans la maison)


<strong>IN</strong>TERVIEW MIT FABRICE LUCH<strong>IN</strong>I<br />

Zwei Jahre nach DAS SCHMUCKSTÜCK arbeiten Sie wieder mit François Ozon<br />

zusammen.<br />

Ich hatte nicht damit gerechnet, so bald nach NUR FÜR PERSONAL! wieder einen Film<br />

zu drehen. Ich bin kein Arbeitstier, und das Theater nimmt viel meiner Zeit in Anspruch.<br />

Es passierte einfach. Mit Charme kann man mich beeinflussen, ich lasse mich von<br />

meinen Gefühlen leiten. Wenn jemand höflich, elegant, lustig, sympathisch, talentiert ist<br />

und wir gern zusammen arbeiten, bin ich dabei.<br />

Und dann natürlich das Drehbuch... Ich weiß eigentlich gar nicht, wie man Drehbücher<br />

liest, das interessiert mich nur am Rande, wenn überhaupt. Meine Tochter entscheidet<br />

das normalerweise für mich. Diesmal war das anders. Es wäre undenkbar gewesen, ein<br />

so reiches, spannendes Buch abzulehnen. Es erzählt etwas Neues, aber nicht abstrakt,<br />

etwas, was sich gut anfühlt, was ambitioniert ist, aber nicht psychologisiert.<br />

Können Sie die Art nachvollziehen, in der Germain sich zur Literatur hingezogen fühlt?<br />

Sagen wir einfach, es ist für mich im Bereich des Möglichen. Aber der Regisseur ist<br />

derjenige, der dafür verantwortlich ist, den Schauspieler zu seiner Figur zu bringen. Er<br />

führte mich zu ihr hin. Er ist der Boss, ich bin das Werkzeug. In den letzten Jahren habe<br />

ich eine ungewöhnliche Methode entwickelt: ich gehorche total. Das kostet viel weniger<br />

Energie, und die Regisseure geben mir die Note vor, die ich spielen soll. Kino erfordert<br />

totale Verfügbarkeit, Leere. Am besten man kommt in einer Art somnambulen Zustand<br />

ans Set. Ich habe nicht das Selbstverständnis großer Schauspieler, die für sich<br />

reklamieren, jede Rolle spielen zu können. Und je älter ich werde, desto weniger<br />

verfüge ich darüber.<br />

Meine Verantwortung hier war, es lebendig und lustig zu machen, auch wenn meine<br />

Figur ein bisschen depressiv ist. Schauspieler müssen effektiv sein. Tschechow kann<br />

man nur bewundern für seine intellektuellen Finessen, aber ich mag auch die Klarheit<br />

und Effizienz von Feydeaus Schauspielern, wenn sie nicht zu Gefangenen werden,<br />

bloßen Maschinen.<br />

Germain lebt ganz für die Liebe zur großen Literatur, so wie Sie, wenn Sie auf der<br />

Bühne große Werke lesen...<br />

Ja, aber in meinem Fall ist das anders. Mein Theaterpublikum zahlt vorher 50 Euro, um<br />

Baudelaire oder La Fontaine zu hören, Céline oder Flaubert. Germain gerät nicht über<br />

Poesie ins Schwärmen, er kann kein „emotionaler Athlet“ sein, wie Jouvet<br />

Theaterschauspieler nennt. Das konnte ich also auch nicht als Germain. Im Theater<br />

gebe ich den Rahmen vor, vor allem in meinen literarischen One-Man-Shows. Kino ist<br />

weniger physisch, man arbeitet im Rahmen, den der Regisseur vorgibt. François Ozon<br />

versuchte, meine literarischen Ratschläge an Claude zu zügeln. Er war besessen, mich<br />

davon abzuhalten, Fabrice Luchini zu spielen!<br />

Also haben Sie nicht Ihr Salz in Germains Suppe gegeben?<br />

Nicht wirklich. Aber das ist ein gutes Zeichen, weil ich das geschätzt habe, was im<br />

Drehbuch stand. Ich habe keine Meinung zu dem, was Germain sagt, aber offensichtlich<br />

hat es eine Resonanz in mir. Ich schlug Flauberts „A Simple Heart“ vor, ein Werk, das<br />

ich absolut liebe. Und Germain kriegt einen Schlag auf den Kopf mit einer Ausgabe von<br />

Célines „Reise ans Ende der Nacht“ – das war François’ spielerische Referenz an mich.


Was Germain sagt, ist nicht wichtig. Die Lust am Kino ist es, die zählt, und dafür ist<br />

François verantwortlich. Aber es gibt einen Dialog von mir: Wenn meine Film-Ehefrau<br />

über zeitgenössische Kunst spricht, sollte ich eine langatmige theoretische Antwort<br />

geben. Aber ich dachte an unseren französischen Elvis, Johnny Hallyday, und<br />

reduzierte die Antwort auf „Ich bin mir nicht sicher, ob sich das verkauft“. Ich liebe<br />

Johnny, er hat brillante Momente.<br />

Sie sind dafür bekannt, lustig zu sein, aber in <strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> sind Sie auch sehr<br />

berührend, vor allem in der letzten Szene auf der Bank.<br />

Es ist eine großartige Rolle, die es erlaubt, zwischen diesen beiden Registern<br />

abzuwechseln. Ein Schauspieler kann nicht aus einer Position der Stärke heraus<br />

agieren. Er kann variantenreich sein, aber er muss verletzbar sein, um das Menschliche<br />

zu zeigen. Es ist gut, dass mir solche Rollen angeboten werden, denn ich bin so ein<br />

Typ, den man entweder mag oder nicht ausstehen kann. Bei Rollen wie dieser, die mir<br />

jetzt seit einigen Jahren angeboten werden, sagen die Leute: Ah, du kannst emotional<br />

sein! – so als wäre ich eine ewige Rohmer-Figur, die chronische Quasselstrippe, ein<br />

Mann nur der Worte, der brillante, sarkastische, zynische oder gemeine Rollen spielt.<br />

Wie war das Zusammenspiel mit Ernst Umhauer?<br />

Es war riskant von Ozon, eine Rolle von solcher Bedeutung einem jungen Mann<br />

anzuvertrauen, der über so wenig Filmerfahrung verfügt. Er gab mir einen bedeutenden<br />

Hinweis: Vergiss die Literatur und stell dir vor, du unterrichtest einen jungen<br />

Schauspieler in einer Drama-Klasse. Mir kamen noch andere Ideen, wenn ich kurz<br />

philosophisch abschweifen darf: die Herausstellung des Anderen, Emmanuel Levinas...<br />

Ich dachte daran bei den Dreharbeiten zu NUR FÜR PERSONAL!: Was bedeutet es,<br />

dem Anderen zu begegnen? Wenn man als Schauspieler beginnt, ist man sehr<br />

selbstbewusst, völlig auf sich selbst bezogen. Und das ändert sich auch nicht – es ist<br />

der Fluch des Schauspielers! Aber glücklicher-, wunderbarerweise ist die Gegenwart<br />

eines Anderen eine fruchtbare Quelle für einen Schauspieler. Deine eigene Rolle ist<br />

nicht wichtig, entscheidend ist, deine Aufmerksamkeit auf deinen Partner zu richten.<br />

Psychologie ist ein Killer. Schauspieler lamentieren ständig über ihre Figuren! Nein, es<br />

ist einfacher als das. Es gibt einen Lehrer und einen jungen Mann. Es ist die Freude am<br />

Kino, die du spürst, mit deinen Dialogen, der vertrackten Situation, in der sich die<br />

Personen befinden, die Art, wie meine Figur diesen jungen Mann sieht, der Inbegriff von<br />

Jugend und Talent. Ich analysiere das nicht, die Psychologie dahinter interessiert mich<br />

nicht. Und wenn ich dann mit Kristin Scott Thomas spiele, muss ich mich nur an die<br />

völlig andere Schauspielerin anpassen, die sie ist, mit all ihrer Erfahrung, ihrer<br />

unglaublichen physischen Präsenz. In dem Moment, wenn wir eine Szene beginnen, sie<br />

zu mir spricht und ich antworte, ist die Dynamik eine andere als mit Ernst. Erfreulich und<br />

ganz natürlich.<br />

Deine Rolle zu kennen bedeutet nicht, jedes Wort auswendig zu können. Zuallererst<br />

geht es darum, zu wissen, welchen Platz du einnimmst in dem übergeordneten Muster<br />

des Films, die Handlung verstehst und welches Rad am Wagen du bist, der das<br />

Fahrzeug bewegt. Dann bringst du das ganze zum Laufen, statt dich auf dich selbst zu<br />

konzentrieren und den Fortgang der Erzählung zu blockieren.


Welches Rad sind Sie in dem Film?<br />

Ich weiß nicht, wie ich das intellektuell beschreiben soll. Ich kann es nur hierarchisch<br />

erklären: Kamera, junger Mann, Kreation... Die Hauptrolle hat Francois Ozons Kamera,<br />

dann kommt Claude, eine Art verdrehter Rimbaud. An dritter Stelle kommt der Lehrer,<br />

der zunehmend den Boden unter den Füßen verliert, je mehr er den jungen Mann<br />

begleitet. Ich wusste, dass ich für die allererste Szene mit Claude die Worte nicht<br />

spielen durfte. Spielen musste ich nur ein Erstaunen: Wie kann das sein? Das ist meine<br />

Aufgabe: Was immer du tust, spiel die Worte nicht. Im wirklichen Leben bin ich extrem<br />

analytisch, ich habe zu allem eine Meinung, aber bei der Arbeit bin ich der vollkommene<br />

Dummkopf.<br />

Warum spielt François’ Kamera die Hauptrolle?<br />

Weil sie sich bewegt. Sie geht ins Haus, erkundet es, betrachtet es ironisch. Sie filmt<br />

Psychologie in Germains Frau, das Seltsame in den jungen Mann, die Mittelklasse in<br />

Raphas Heim und die Imagination in Claudes Schriften. Im Theater ist es mein Job,<br />

Bilder zu erzeugen, das, was Autoren geschrieben haben, bildhaft zu machen. In einem<br />

Ozon-Film ist er es, der die Bilder liefert für das Geschriebene, ich bin dafür nicht<br />

verantwortlich.<br />

Wie war die Atmosphäre am Set?<br />

Mit François zu arbeiten ist sehr angenehm. Er ist ein Ausnahme-Regisseur, immer in<br />

Bewegung. Er legt die Bildausschnitte selbst fest, ist immer beschäftigt, immer hinter der<br />

Kamera. Er weckt in dir den Wunsch, dein Bestes zu geben, Teil des Teams zu sein,<br />

Teil der Crew. Am Set herrscht eine außergewöhnliche Atmosphäre, er schafft<br />

Intensität. Er ist klug, verschmitzt, enigmatisch. Er intellektualisiert die Dinge nicht, er ist<br />

ein Macher, keiner der viel herum analysiert oder diskutiert. Einer, der mit beiden Beinen<br />

im 21. Jahrhundert steht, nicht im 18. Sehr weit entfernt von meinen Schriftstellern. Er<br />

mag Virginia Woolf, ich Céline. Flaubert ist der einzige, auf den wir uns einigen können,<br />

aber wir kommen wunderbar miteinander klar.<br />

Germain ist ganz anders als Robert Pujol in DAS SCHMUCKSTÜCK.<br />

Und ob! Ich hatte befürchtet, dass ich Robert Pujol in Ozons Farce nicht würde spielen<br />

können. Ich hatte wirklich die undankbarste Rolle, ein schrecklicher Charakter. Pujol ist<br />

gemein, pathetisch, rückgratlos, mittelmäßig. In DAS SCHMUCKSTÜCK drehte sich<br />

alles um Catherine Deneuve, ich war nicht wichtig. Ein Jahr später gab Ozon mir eine<br />

großartige Rolle, menschlich, vielseitig. Ein wirkliches Geschenk, das ich nicht erwartet<br />

hatte.<br />

Welche Gefühle hatten Sie, als Sie den fertigen Film sahen?<br />

Ich fühlte mich wohl. Wir sind ein bisschen verwirrt, wenn wir den Film anschauen,<br />

fühlen uns aber nicht kalt oder abgestoßen, sondern wohl. An einem bestimmten Punkt<br />

kommt man ins Schwimmen, man weiß nicht, ist das jetzt Realität oder bin ich in der<br />

geschriebenen Welt des jungen Mannes, aber das ist einem egal. Nicht wie im Traum,<br />

wie in so vielen dieser eher ärgerlichen Filme, wo man gar nichts versteht, diese<br />

schrecklichen Möchtegern-Cocteaus. Es ist aber auch kein psychologischer Realismus.<br />

Ein Wort fällt mir dazu ein: zum Jubeln!


Fabrice Luchini (Germain)<br />

Als Sohn italienischer Einwanderer, die als Obst- und Gemüsehändler arbeiteten, wurde<br />

Fabrice Luchini am 1. November 1951 im Norden von Paris geboren. Mit 13 Jahren<br />

begann er eine Ausbildung in einem Friseursalon, aber er interessierte sich vor allem für<br />

die Literatur von Balzac, Flaubert und Proust. Seine Begeisterung für den Soul trieb ihn<br />

in die Diskotheken. Dort entdeckte ihn Philippe Labro und gab ihm seine erste Rolle in<br />

TOUT PEUT ARRIVER (1969). Kurz darauf wurde Eric Rohmer auf den jungen<br />

Verführer aufmerksam, der in seinem Schauspielkurs Nietzsche wie kein anderer<br />

deklamierte. Der legendäre Nouvelle-Vague-Regisseur engagierte den 20-jährigen<br />

Luchini für einen kleinen Auftritt im Liebesreigen CLAIRES KNIE (Le genou de Claire,<br />

1970) und vertraute ihm später die Titelrolle im experimentellen Film PERCEVAL LE<br />

GALLOIS (1978) an.<br />

Luchini hatte in Rohmer seinen Mentor gefunden und spielte in drei weiteren seiner<br />

Filme, darunter in VOLLMONDNÄCHTE (Les nuits de la pleine lune, 1984) als<br />

Schriftsteller und eifersüchtiger Liebhaber. Dem großen Publikum blieb er dennoch<br />

lange unbekannt. Dies änderte sich 1990 mit seiner Rolle des melancholischen<br />

Verführers in DIE VERSCHWIEGENE (La discrète, 1990) von Christian Vincent. Neben<br />

seiner nun in Schwung gekommenen Kinokarriere begann Luchini auch im Theater sein<br />

Image als exzentrischer und eloquenter Dandy zu festigen. Dort etablierte er sich mit<br />

virtuosen Monologen nach Texten von La Fontaine, Céline oder Barthes.<br />

Seine Rolle als überforderter Manager in der Satire KLE<strong>IN</strong>E FISCHE, GROSSE FISCHE<br />

(Riens du tout, 1992) war seine erste Zusammenarbeit mit dem jungen Regisseur<br />

Cédric Klapisch, der ihn später in SO IST PARIS (Paris, 2008) an die Seite Juliette<br />

Binoches stellte. Nachdem er für seine Rolle in Claude Lelouchs ALLES FÜR DIE<br />

LIEBE (Tout ça pour ça, 1993) nach einigen vergeblichen Anläufen den César als<br />

Bester Nebendarsteller gewonnen hatte, wurden ihm auch größere Filme angeboten,<br />

etwa die Komödie BEAUMARCHAIS – DER UNVERSCHÄMTE (Beaumarchais,<br />

l’insolent, 1996).<br />

Nach einer Reihe erfolgreicher Kostümfilme, darunter DUELL DER DEGEN (Le Bossu<br />

1997) oder MOLIÈRE (2007), gelang es dem raumgreifenden und wortverliebten<br />

Luchini, sich auch mit leiseren Tönen, etwa als schüchterner, in Sandrine Bonnaire<br />

verliebter Steuerberater in <strong>IN</strong>TIME FREMDE (Confidences trop intimes, 2004) von<br />

Patrice Leconte zu beweisen.<br />

Inzwischen ist er zu einem der bestbezahltesten Stars des französischen Kinos<br />

aufgestiegen. Seine egozentrischen Auftritte in Talkshows oder als Versteigerer<br />

kostbarer Weine sind berühmt und berüchtigt. In Anne Fontaines Komödie DAS<br />

MÄDCHEN AUS MONACO (La fille de Monaca, 2008) überzeugte er als redseliger<br />

Vollblutkomödiant in einer Paraderolle als biederer Anwalt, der von einer viel jüngeren<br />

Frau um den Verstand gebracht wird. In François Ozons Komödie DAS<br />

SCHMUCKSTÜCK (Potiche, 2010) hatte er Gelegenheit, als Gatte von Catherine<br />

Deneuves seine Waffen mit Gérard Depardieu zu kreuzen, und in Philippe Le Guays<br />

NUR FÜR PERSONAL! (Les femmes du 6ème étage, 2010) begeisterte er als<br />

bourgeoiser Monsieur, der dem bodenständigen Charme der Dienstmädchen erliegt.<br />

Zuletzt spielte Luchini den Julius Caesar in ASTERIX UND OBELIX: IM AUFTRAG<br />

IHRER MAJESTÄT (Asterix et Obelix au service de Sa Majesté, 2012), im nächsten


Jahr wird er in ALCESTE A BICYCLETTE (2013), wieder unter der Regie von Philippe<br />

Le Guay, zu sehen sein.<br />

Filmografie (Auswahl)<br />

1970 CLAIRES KNIE (Le genou de Claire), Regie: Éric Rohmer<br />

1974 UNMORALISCHE GESCHICHTEN (Contes immoraux), Regie: Walerian<br />

Borowczyk<br />

1978 PERCEVAL LE GALLOIS, Regie: Éric Rohmer<br />

VIOLETTE NOZIÈRE (Violette Nozière), Regie: Claude Chabrol<br />

1981 DIE FRAU DES FLIEGERS (La femme de l’aviateur), Regie: Éric Rohmer<br />

1983 VERDAMMT NOCHMAL! ... WO BLEIBT DIE ZÄRTLICHKEIT? 2. TEIL (Zig Zag<br />

Story), Regie: Patrick Schulmann<br />

1984 VOLLMONDNÄCHTE (Les nuits de la pleine lune), Regie: Éric Rohmer<br />

1984 EMMANUELLE 4, Regie: Francis Leroi<br />

1985 P.R.O.F.S – UND DIE PENNE STEHT KOPF (P.R.O.F.S.), Regie: Patrick<br />

Schulmann<br />

1986 MAX MON AMOUR, Regie: Nagisa Oshima<br />

1987 4 ABENTEUER VON RE<strong>IN</strong>ETTE UND MIRABELLE (4 aventures de Reinette et<br />

Mirabelle, Regie: Éric Rohmer<br />

1990 DIE VERSCHWIEGENE (La discrète), Regie: Christian Vincent<br />

URANUS, Regie: Claude Berri<br />

1992 CASANOVAS RÜCKKEHR (Le retour de Casanova), Regie: Edouard Niermans<br />

KLE<strong>IN</strong>E FISCHE, GROSSE FISCHE (Riens du tout), Regie: Cédric Klapisch<br />

1993 ALLES FÜR DIE LIEBE (Tout ça pour ça), Regie: Claude Lelouch<br />

DER BAUM, DER BÜRGERMEISTER UND DIE MEDIATHEK (L’arbre, le maire<br />

et la médiathèque), Regie: Éric Rohmer<br />

1994 DIE AUFERSTEHUNG DES COLONEL CHABERT (Le colonel Chabert), Regie:<br />

Yves Angelo<br />

1996 MÄNNER UND FRAUEN – DIE GEBRAUCHSANWEISUNG (Hommes, femmes,<br />

mode d’emploi), Regie: Claude Lelouch<br />

BEAUMARCHAIS – DER UNVERSCHÄMTE (Beaumarchais l’insolent), Regie:<br />

Edouard Molinaro<br />

1997 DUELL DER DEGEN (Le Bossu), Regie: Philippe De Broca<br />

1999 PAS DE SCANDALE, Regie: Benoît Jacquot<br />

RIEN SUR ROBERT, Regie: Pascal Bonitzer<br />

2001 BARNIE ET SES PETITES CONTRARIÉTÉS, Regie: Bruno Chiche<br />

2004 <strong>IN</strong>TIME FREMDE (Confidences trop intimes), Regie: Patrice Leconte<br />

2006 JEAN-PHILIPPE, Regie: Laurent Tuel<br />

2007 DIE LIEBESABENTEUER DES HERRN MOLIÈRE (Molière), Regie: Laurent<br />

Tirard<br />

2008 SO IST PARIS (Paris), Regie: Cédric Klapisch<br />

DAS MÄDCHEN AUS MONACO (La fille de Monaca), Regie: Anne Fontaine<br />

2010 DAS SCHMUCKSTÜCK (Potiche), Regie: François Ozon<br />

NUR FÜR PERSONAL! (Les femmes du 6ème étage), Regie: Philippe Le Guay<br />

LES <strong>IN</strong>VITÉS DE MON PÈRE, Regie: Anne Le Ny<br />

2012 ASTERIX UND OBELIX: IM AUFTRAG IHRER MAJESTÄT (Asterix et Obelix au<br />

service de Sa Majesté), Regie: Laurent Tirard<br />

<strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> (Dans la maison), Regie: François Ozon


<strong>IN</strong>TERVIEW MIT KRIST<strong>IN</strong> SCOTT THOMAS<br />

Welchen Eindruck hatten Sie bei der Lektüre des Drehbuchs von <strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong>?<br />

Ich fand es lustig und leicht, aber nicht oberflächlich. Es stellt Fragen, lässt uns<br />

nachdenken über die Rolle von Lehrern und Schülern, über Kunst und unsere Vorliebe<br />

für Reality-Shows. Vor allem durch die Figur, die ich spiele, die völlig fasziniert ist von<br />

der Geschichte, die Claude schreibt. Jeanne hat eine sehr voyeuristische Haltung<br />

gegenüber der Rapha-Familie. Ihre Einstellung ist typisch für unsere Zeit, wir sind alle<br />

extrem neugierig auf das Leben der Anderen, wie auch die Popularität der<br />

Klatschmagazine zeigt. Nichts, worauf man sehr stolz sein könnte.<br />

Für Jeanne ist die Beschäftigung mit dem Leben anderer eine Möglichkeit, ihrem<br />

eigenen aus dem Weg zu gehen.<br />

Ja, Jeanne ist unfähig zu sehen, was direkt vor ihrer Nase passiert. Dass ihre<br />

Beziehung auseinanderfällt, macht sie bitter. Der Film stellt einige wichtige Fragen, aber<br />

in einfacher, amüsanter Art. Unter der Regie eines anderen hätte das eine Tragödie<br />

werden können, aber François macht daraus eine lustige aber auch bissige Geschichte.<br />

Ich mag seinen Humor.<br />

Wie würden Sie Jeannes und Germains Beziehung beschreiben?<br />

Sie bewundern sich gegenseitig. Sie haben einen gemeinsamen Weg gefunden in der<br />

Liebe zu der Literatur bzw. der Kunst, die sie teilen. Sie sind kulturell kompatibel. Kultur<br />

ist für sie so etwas wie das Kind, das sie nie hatten. Die Kinderfrage wird erst am Ende<br />

des Films gestellt, als Resultat von Germains Beziehung zu Claude.<br />

Was sucht Claude in Germain?<br />

Hilfe bei der Ausformung seiner Imagination und der Verfeinerung seines Schreibstils,<br />

so dass er seiner tristen Realität entfliehen kann, ohne Mutter, mit einem an den<br />

Rollstuhl gefesselten Vater. Bei seiner Flucht in eine virtuelle Welt beutet er eine Familie<br />

aus. Claude ist ein kleines bisschen ein Monster!<br />

Die Familie ist aber auch monströs, verschließt sich nach außen und dreht sich nur um<br />

sich selbst.<br />

Ja, das ist eines der wiederkehrenden Themen bei Ozon. Die Familie hat eine<br />

monströse Seite, aber wir sehen sie durch eine satirische Linse, es ist schwer, sie ernst<br />

zu nehmen. Wir halten eine gewisse Distanz, denn die Familie wird von Claude<br />

beschrieben. Die Beziehung von Jeanne und Germain ist realistischer, akkurater<br />

gezeichnet. Ozon hat uns aus der Nähe gefilmt, in einer kleinen Wohnung voller Bücher,<br />

und den Zuschauer in eine intimere Atmosphäre hineingezogen.<br />

Jeanne beschäftigt sich mit zeitgenössischer Kunst, Germain mit klassischer Literatur.<br />

Bis zu Claudes Erscheinen hat dieser Unterschied die beiden nicht gestört, er gab<br />

keinen Anlass für Konflikte. Jeder kümmerte sich um seine Angelegenheiten. Erst als<br />

ihre Beziehung ins Schleudern kommt, wird es zum Problem.


François filmt die Welt der zeitgenössischen Kunst mit Spott. Die Reaktion der Zwillinge<br />

auf die Wolken-Bilder, die Jeanne ihnen zeigt, ist sehr komisch. Sie haben Angst,<br />

irgendetwas dazu zu sagen.<br />

Jeanne ist nicht die Karikatur eines Kunsthändlers, sie stellt die Qualität dieser Arbeiten<br />

auch in Frage. Wie sie versucht, die Gemälde zu verkaufen, zeigt das – sie versucht<br />

sich selbst ebenso zu überzeugen wie den Käufer. Und am Ende wendet sie sich eher<br />

dem Kunsthandwerk zu als der Kunst!<br />

Wie war es, François Ozon kennen zu lernen?<br />

Wir hatten uns schon ein paar Mal getroffen. Ich fand ihn interessant, scharf, provokativ.<br />

Er hat ein Funkeln in den Augen, redet schnell, ist ein Workaholic, interessiert sich für<br />

alles, ist sehr kultiviert und sich dessen bewusst, was um ihn herum vor sich geht.<br />

Und die Dreharbeiten?<br />

Ich hatte gerade ein Pinter-Stück in London abgeschlossen, ein dunkles Stück, das<br />

einige Monate lief. Ich hatte beinahe vergessen, wie es ist, beim Film zu arbeiten!<br />

François hat eine eher unübliche Art, Regie zu führen. Zum Beispiel legt er die<br />

Bildausschnitte selbst fest, das habe ich noch nie erlebt. Der Großteil der Dreharbeiten<br />

war schon abgeschlossen, als ich dazu kam. Nur die Szenen mit mir standen noch aus,<br />

sie warteten auf mich wie auf den Messias! Es ist nicht einfach, sich in eine solche<br />

Situation einzufügen, die sich bereits eingespielt hat.<br />

Wie führt François Ozon seine Schauspieler?<br />

Er hat genaueste Vorstellungen davon, wie du dich jeden Millimeter verhalten sollst.<br />

Seine Präzision erinnert mich an Polanski. François ist sehr pragmatisch, und er ist ein<br />

Pedant, wenn es darum geht, wie die Dialoge gesprochen werden sollen. In dieser Art<br />

der französischen Komödie müssen Tempo und Stil sehr präzise sein. Die Geschichte<br />

basiert nicht auf der Psychologie der Figuren, sie ist Anti-Method-Acting. Es geht nur um<br />

Rhythmus und darum, dem Partner zuzuhören und auf ihn einzugehen.<br />

Wir war Ihr Zusammentreffen mit Fabrice Luchini?<br />

Fabrice Luchini hatte bereits ein paar Drehwochen hinter sich, als ich ankam. Er ging<br />

völlig in seiner Rolle auf, war sehr vertraut mit der Crew und mit François. Ich bin es<br />

gewohnt, diejenige in der starken Position zu sein, während die anderen etwas<br />

verletzbarer sind. Jetzt war es genau umgekehrt! Es war die erste Zusammenarbeit von<br />

Fabrice und mir, und ich hoffe, es wird nicht die letzte gewesen sein. Wir ergänzen uns<br />

auf der Leinwand, wir wirken, als hätten wir ein Leben lang zusammen gearbeitet. Ideen<br />

auszutauschen war mit ihm ganz einfach. Sicher, weil wir beide die Theatererfahrung<br />

teilen. Auch Ernst Umhauers Spiel hat mich sehr beeindruckt. Er ist wunderbar neben<br />

Fabrice in dem Film.


Kristin Scott Thomas (Jeanne)<br />

Die preisgekrönte Schauspielerin Kristin Scott Thomas ist international bekannt für ihr<br />

Talent, ihre Eleganz und ihr Engagement. Ohne Furcht vor anspruchsvollen Rollen und<br />

stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist ihr bisheriges Schaffen eine<br />

eindrucksvolle Reihe gefeierter und hoch gelobter Film-, Fernseh- und Theaterarbeiten.<br />

Ihr US-Filmdebüt gab die britisch-französische Schauspielerin in UNDER THE<br />

CHERRYMOON – UNTER DEM KIRSCHMOND (Under the Cherrymoon, 1986) von<br />

Popstar Prince. Bekannter wurde sie aber erst durch Produktionen wie Roman<br />

Polanskis BITTER MOON (1992), Mike Newells VIER HOCHZEITEN UND E<strong>IN</strong><br />

TODESFALL (Four Weddings and a Funeral, 1994, für den sie bei den British Academy<br />

Awards als Beste Nebendarstellerin gewann), Richard Loncraines RICHARD III. (1995),<br />

Brian de Palmas MISSION: IMPOSSIBLE (1996), Robert Redfords DER<br />

PFERDEFLÜSTERER (The Horse Whisperer, 1998) oder Sydney Pollacks<br />

BEGEGNUNG DES SCHICKSALS (Random Hearts, 1999).<br />

Erstmals riss Kristin Scott Thomas Zuschauer wie Kritiker gleichermaßen neben Ralph<br />

Fiennes und Juliette Binoche in Anthony Minghellas DER ENGLISCHE PATIENT (The<br />

English Patient, 1996) zu Begeisterungsstürmen hin. Für ihre großartige Interpretation<br />

der Rolle wurde sie vielfach ausgezeichnet und wurde für Golden Globe, BAFTA und<br />

den Screen Actors Guild Award nominiert. 2001 war sie Teil des Ensembles von Robert<br />

Altmans umjubeltem Oscar®-Gewinner GOSFORD PARK.<br />

2008 spielte Kristin Scott Thomas in Phillipe Claudels von der Kritik hoch gelobtem<br />

Familiendrama SO VIELE JAHRE LIEBE ICH DICH (Il y a longtemps que je t'aime) die<br />

Hauptrolle, für die sie eine Golden Globe, César- und BAFTA-Nominierung erhielt. In<br />

„Die Möwe“ gab sie ihr überall gefeiertes Broadway-Debüt. Variety nannte sie<br />

„faszinierend“ und die New York Times „herausragend“. Während des Gastspiels in<br />

London mit dem Stück gewann sie den Olivier Award als Beste Darstellerin.<br />

Im Kino war Scott Thomas außerdem in Catherine Corsinis DIE AFFÄRE (Partir, 2009)<br />

und SARAHS SCHLÜSSEL (Elle s’appelait Sarah, 2010) zu sehen und wurde für ihre<br />

intensiven Darstellungen jeweils für den César nominiert. Im Anschluss drehte sie mit<br />

Alain Corneau das Fernsehspiel „Liebe und Intrigen“ („Crime d’amour“, 2010). Im<br />

gleichen Jahr spielte sie in Sam Taylor-Woods Regiedebüt NOWHERE BOY mit,<br />

welcher von den Teenagerjahren von John Lennon handelte. Für ihre Darstellung wurde<br />

sie in der Kategorie Beste Nebenrolle für den British Academy of Film and Television<br />

Arts Award sowie für den British Film Independent Award nominiert.<br />

Zuletzt konnte man die vielseitige Aktrice gleich in mehreren Spielfilmen gleichzeitig<br />

bewundern: Neben LACHSFISCHEN IM JEMEN (Salmon Fishing in the Yemen, 2011)<br />

mit Ewan McGregor auch an der Seite von Robert Pattinson in BEL AMI (Bel Ami,<br />

2011), dazu in Pawel Pawlikowskis DIE GEHEIMNISVOLLE FREMDE (La femme du<br />

Veme, 2011) sowie in Lola Doillons CONTRE TOI (2010) und Pascal Bonitzers<br />

CHERCHEZ HORTENSE (2012). Abgedreht ist THE <strong>IN</strong>VISIBLE WOMAN (2013) von<br />

und mit Ralph Fiennes sowie Nicolas Winding Refns ONLY GOD FORGIVES (2013) mit<br />

Ryan Gosling.


Filmografie (Auswahl)<br />

1986 UNDER THE CHERRYMOON – UNTER DEM KIRSCHMOND (Under the<br />

Cherrymoon), Regie: Prince<br />

1988 E<strong>IN</strong>E HANDVOLL STAUB (A Handful of Dust), Regie: Charles Sturridge<br />

1989 DAS GEHEIME LEBEN DES IAN FLEM<strong>IN</strong>G - SPYMAKER (Spymaker – The<br />

Secret Life of Ian Fleming), Regie: Ferdinand Fairfax<br />

DER PREIS DER FREIHEIT (Force majeure), Regie: Pierre Jolivet<br />

1992 BITTER MOON, Regie: Roman Polanski<br />

1993 VIER HOCHZEITEN UND E<strong>IN</strong> TODESFALL (Four Weddings and a Funeral),<br />

Regie: Mike Newell<br />

1995 CONFESSIONNAL (Le confessionnal), Regie: Robert Lepage<br />

RICHARD III., Regie: Richard Loncraine<br />

1996 DER ENGLISCHE PATIENT (The English Patient, Regie: Anthony Minghella<br />

MISSION: IMPOSSIBLE, Regie: Brian de Palmas<br />

1998 DER PFERDEFLÜSTERER (The Horse Whisperer), Regie: Robert Redford<br />

1999 BEGEGNUNG DES SCHICKSALS (Random Hearts), Regie: Sidney Pollack<br />

2001 GOSFORD PARK, Regie: Robert Altman<br />

DAS <strong>HAUS</strong> AM MEER (Life as a House), Regie: Irwin Winkler<br />

2004 ARSÈNE LUP<strong>IN</strong>, Regie: Jean-Paul Salomé<br />

MAN TO MAN, Regie: Régis Wargnier<br />

2008 SO VIELE JAHRE LIEBE ICH DICH (Il y a longtemps que je t'aime), Regie:<br />

Philippe Claudel<br />

2009 DIE AFFÄRE (Partir), Regie: Catherine Corsini<br />

NOWHERE BOY, Regie: Sam Taylor-Wood<br />

2010 SARAHS SCHLÜSSEL (Elle s’appelait Sarah), Regie: Gilles Paquet-Brenner<br />

2011 LACHSFISCHEN IM JEMEN (Salmon Fishing in the Yemen), Regie: Lasse<br />

Hallström<br />

BEL AMI, Regie: Declan Donnellan, Nick Ormerod<br />

2012 <strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> (Dans la maison), Regie: François Ozon


<strong>IN</strong>TERVIEW MIT ERNST UMHAUER<br />

Haben Sie sich vom Drehbuch direkt angesprochen gefühlt?<br />

Ich war verblüfft von den Gemeinsamkeiten zwischen Claude und mir selbst. In seinem<br />

Alter war ich nicht der „Junge in der letzten Reihe“, ich war der Junge in der vorletzten<br />

Reihe! Wie Claude habe ich ziemlich gut geschrieben, das war aber auch das Einzige.<br />

Natürlich sind Claude und ich auch sehr verschieden. Wir haben nicht den gleichen<br />

Background, sind nicht am gleichen Ort geboren, haben nicht die gleichen Erwartungen.<br />

Ich würde mich nie in das Haus anderer Leute schleichen, um ihr Leben zu ruinieren.<br />

Aber es war nervtötend, mich in meiner ersten Hauptrolle zurückversetzt zu fühlen in die<br />

Teeniezeiten, zurück in der Schule, einen Ort, den ich so schnell wie möglich verlassen<br />

wollte.<br />

Wie würden Sie Claude beschreiben?<br />

Claude ist der Junge in der letzten Reihe, der alles sieht, alles hört, eine wilde<br />

Vorstellungskraft besitzt und bereit ist, alles zu tun, um seine jungen<br />

Schriftstellerphantasien zu beflügeln. Um Schreiben zu können, muss er in der Realität<br />

Dinge geschehen lassen. Das führt zu komischen Situationen. Er verwechselt sein<br />

Schreiben mit der Realität und nutzt alles, was ihm in die Quere kommt, für seine<br />

Zwecke. Er kann kratzbürstig und ätzend sein, weil er nicht geliebt wurde, und sein<br />

Mangel an Weltgewandtheit bringt ihn in Schwierigkeiten. Er kennt keine Distanz, es<br />

dauert eine Weile, bis er erkennt, dass seine Worte verletzen und Schaden anrichten<br />

können. Er ist schlau, aber sich seiner Verantwortung nicht bewusst.<br />

Claude ist sowohl unschuldig auf der einen als auch manipulativ auf der anderen Seite,<br />

beides ist beängstigend und bewegend. Wie haben Sie sich einer solchen Figur<br />

genähert?<br />

Ich habe im Vorfeld viel über ihn nachgedacht, aber als wir dann gedreht haben, fielen<br />

all meine Überlegungen von mir ab und ich habe meiner Intuition vertraut. Als<br />

Schauspieler muss ich vor allen Dingen Emotionen sichtbar machen können. Claude ist<br />

sowohl Machiavelli als auch unschuldig. Er macht ein paar zwielichtige Dinge, aber ich<br />

glaube, das meiste aus einer altersbedingten Ungeschicklichkeit heraus.<br />

Wie haben Sie die Arbeit mit François Ozon erlebt?<br />

François hat mich schnell durchschaut und wusste, mit welchen Worten er das Optimum<br />

zur rechten Zeit aus mir herausholen konnte. Wir haben nicht viel über die Figur<br />

geredet, aber wir haben geprobt, an der Choreographie der Szenen gearbeitet und es<br />

irgendwie geschafft, auf die gleiche Wellenlänge zu kommen, manchmal nur durch<br />

einen Blickwechsel. Es ist nicht leicht, das in Worte zu fassen und mir fehlt die<br />

Vergleichsmöglichkeit mit anderen Regisseuren. Aber eins kann ich sagen, das Tempo<br />

des Drehs war sehr schnell.


Haben Sie anders gespielt, je nachdem ob sich Claude in der Realität oder in der Fiktion<br />

bewegt hat?<br />

François wollte, dass die geschriebenen Szenen genauso realistisch wirken wie die<br />

realen, so dass alles ineinander übergehen würde – Traum und Imagination als<br />

integrierter Teil des realen Lebens. Aber Claude ist zweifellos etwas frecher und<br />

extrovertiert in den literarischen Sequenzen. Das Bewusstsein, im fiktionalen Teil zu<br />

sein, ließ mich kreativer und freier agieren, nicht ganz so wie sonst.<br />

Viele Ihrer Szenen haben ein Voiceover. Haben Sie auf Anhieb den richtigen Ton<br />

getroffen?<br />

François war immer an meiner Seite und hat genau auf jeden Satz gehört. Wenn etwas<br />

nicht stimmte, sagte er: sinnlicher, oder neutraler. Ich hatte die Tendenz, manches ins<br />

Ironische zu ziehen, aber François warnte mich: „Der Text ist ironisch genug, du musst<br />

nicht mehr hinzufügen.“ Das war eine interessante Erfahrung, zu versuchen, das<br />

Geschriebene zu spielen, wenn die Worte an sich schon genug waren. Ein Beispiel: „Ein<br />

Geruch weckte meine Aufmerksamkeit. Der spezielle Duft einer Frau der Mittelklasse.“<br />

Vieles über Claude verstehen wir nur durch diesen einen Satz.<br />

Wir haben eine erste Aufnahme des Voiceover vor den Dreharbeiten gemacht, damit<br />

François das Timing der Szenen kannte. Nach dem Dreh haben wir noch mal<br />

aufgenommen, um technische Probleme auszugleichen und Modifikationen des Textes<br />

vorzunehmen. Beim zweiten Mal war es einfacher, weil ich den Dreh im Kopf hatte.<br />

Während des Schnitts habe ich viel Voiceover zu Hause in Cherbourg aufgenommen<br />

und sie per e-mail zu François geschickt.<br />

Ist es nicht schwierig, sich selbst aufzunehmen, alleine, abgeschnitten von der<br />

Stimmung am Set?<br />

Nein, das kenne ich schon. Mein Vater hat mir früh beigebracht, laut vorzulesen, einen<br />

Satz zu betonen, meine Stimme zu akzentuieren. Ich wollte immer Schauspieler<br />

werden. Ich habe sehr gern laut gelesen und dabei geübt den richtigen Ton zu treffen,<br />

um meine Freunde zum Lachen zu bringen.<br />

Was sucht Claude in dieser „perfekten“ Familie?<br />

Das, was er nicht hat. Ein Familienleben, eine Vater-Sohn-Beziehung (sein eigener<br />

Vater ist ein Alkoholiker im Rollstuhl), die Liebe einer Mutter. Dabei entdeckt er, jenseits<br />

der Mutterliebe, die Liebe zu einer Frau, Esther. Dank ihr fasst er seine neuen Gefühle<br />

in Worte, denn er versucht, zu verstehen, wie sein Leben wohl wäre, wenn er in diese<br />

Familie hineingeboren worden wäre. Und er stellt fest, dass er gar nicht so übel dran ist,<br />

denn Raphas Familie ist ziemlich seltsam! Ihr Zusammenhalt untereinander ist stark,<br />

aber sie haben auch eine lächerliche Seite und er macht sich über sie lustig.<br />

Das Haus steht für Normalität, sowohl in der Familie wie auch in der Gesellschaft. Wenn<br />

es sich für Claude schließt, ist das, als würde ihn auch eine höhere soziale Klasse<br />

ausschließen.<br />

Claude ist sich am Anfang sehr wohl der sozialen Dimension bewusst, aber dieser<br />

Aspekt gerät bald in den Hintergrund. Was er vor allem sieht in dieser Familie, ist ihre<br />

Liebe. Die einzige Person, der er wirklich nahe bleibt, gehört einer höheren sozialen<br />

Schicht an als die Familie: sein Lehrer Germain.


Das Schüler-Lehrer-Verhältnis zwischen Germain und Claude ist sehr stark.<br />

Beide sind zwei totale Gegensätze, die zusammenfinden, um eine fiktionale Geschichte<br />

zu schaffen. Ihre Verbindung ist irgendwie angespannt am Anfang. Dass sie nicht gleich<br />

richtig harmonieren, liegt auch daran, dass Claude mehr nach einer Familie sucht als<br />

nach einen Mentor und einer Vaterfigur, wie sie sein Lehrer ist.<br />

Germain ist eine Vater-Figur für Claude, aber auch Claude bringt ihm das eine oder<br />

andere bei.<br />

Ja, wir alle sind ewige Schüler. Am Ende, wenn Germain, vollgepumpt mit<br />

Medikamenten, in einer schwächeren Position ist, übernimmt Claude die Rolle des<br />

Sohnes. Er besucht ihn, tröstet ihn, bietet seine Hilfe an. In einer wirklichen Vater-Sohn-<br />

Beziehung ist diese Art des Gebens und Nehmens üblich.<br />

Wie haben Sie das Zusammentreffen mit Fabrice Luchini erlebt?<br />

Mit 16, im Alter von Claude, habe ich ihn Céline lesen sehen am Theater. Ich wollte<br />

schon immer Schauspieler werden, und Fabrice auf der Bühne zu sehen hat meinen<br />

Wunsch bestärkt. Ich habe mir gewünscht, ihn zu treffen, ohne wirklich daran zu<br />

glauben.<br />

Wie haben Sie sich auf Ihre erste große Rolle an der Seite eines so erfahrenen<br />

Schauspielers wie ihn vorbereitet?<br />

Ich habe ihm zugehört! Und zwischen den Takes Kopfhörer getragen, um mich zu<br />

konzentrieren. Fabrice ist so gut wie immer auf der Bühne. Das ist eindrucksvoll, du<br />

willst mitmachen, aber das ist einfach nicht möglich. Wir hatten nicht viel Gelegenheit<br />

zum Reden vor Drehbeginn, aber am Set waren wir ganz schnell auf einer Wellenlänge.<br />

Es hilft, mit einem Schauspieler wie ihm anzufangen. Er steckt so viel Energie in sein<br />

Spiel, dass du das Gefühl hast, das machst du besser auch und hängst dich ebenso<br />

rein, wenn du auf seinem Level agieren willst.<br />

Wir beide hatten hauptsächlich Szenen in der Schule, in Korridoren, wo es hallt, mit<br />

vielen Komparsen. Das Umfeld war unpersönlich. Außerdem spielte er meinen Lehrer,<br />

wir mussten eine gewisse Distanz aufrechterhalten, auch wenn unsere Figuren mit der<br />

Zeit gegenseitiges Vertrauen entwickeln. Als Schauspiel-Neuling hatte ich fast dieselbe<br />

Beziehung zu Fabrice wie Claude zu Germain.<br />

Und mit den anderen Schauspielern?<br />

Mit den anderen haben wir im Studio gedreht, Szenen im Haus. Wir hatten mehr Zeit<br />

zum Reden, es war eine sehr freundliche Atmosphäre, wir haben viel gelacht.<br />

Emmanuelle Seigner hat mich gleich unter ihre Fittiche genommen. Sie hat auch als<br />

Sängerin Karriere gemacht und wir sprachen mehr über Musik als über Film. Wir sind<br />

uns ähnlich, sogar physisch. Denis Ménochet war wie ein großer Bruder für mich, und<br />

zwischen Bastien und mir bestand bei den Dreharbeiten das gleiche Einverständnis wie<br />

bei den Testscreenings.<br />

Wie hat sich Claude am Ende des Films verändert?<br />

Gestärkt durch die Aufmerksamkeit, die Germain ihm entgegen bringt, konnte Claude<br />

seine dunkle Seite, seine Animosität, seine Furcht vor anderen mehr und mehr<br />

abstreifen. Er hat erfahren, dass sein Lehrer auch ein Schriftsteller ist. Das ist etwas,


was sie teilen, aber Germain hat nicht so viel Glück gehabt: Er hatte nie diese Art<br />

Lehrer, die er für Claude ist.<br />

Ernst Umhauer (Claude)<br />

Ernst Umhauer kam 1989 in Cherbourg zur Welt, sein Vater ist Fotograf. In seiner<br />

Heimatstadt besuchte er Theaterkurse und spielte seit 2009 in kleinen Fernsehrollen,<br />

ehe er die Hauptrolle in dem Kurzfilm „Le cri“ übernahm. Als junger Novize war er<br />

anschließend an der Seite von Vincent Cassel in DER MÖNCH (Le moine) zu sehen.<br />

Die Rolle des Claude ist seine erste große Kinorolle, für die er gleich eine Nominierung<br />

für den César als männlicher Nachwuchsschauspieler erhielt.<br />

Filmografie<br />

2009 „Les corbeaux“, Regie: Régis Musset<br />

2011 „Le cri“, Regie: Raphael Mathié<br />

DER MÖNCH (Le moine), Regie: Dominik Moll<br />

2012 <strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> (Dans la maison), Regie: François Ozon


<strong>IN</strong>TERVIEW MIT EMMANUELLE SEIGNER<br />

Wie haben Sie François Ozon kennen gelernt?<br />

Wir haben uns schon lange vor diesem Film zum ersten Mal getroffen, 2007, für ein<br />

Projekt mit einer Schauspielerin im Rahmen von UNTER DEM SAND (Sous le sable).<br />

Es ging um eine Frau, die sich in den Freund ihres Sohnes verliebt, ein Charakter, der<br />

Ähnlichkeiten mit Esther hat, aber in einem dramatischeren Kontext. Ich liebe François’<br />

Filme. Ich wollte unbedingt mit ihm arbeiten und war damals sehr enttäuscht, als der<br />

Film nicht zustande kam.<br />

Wie war Ihr erster Eindruck bei der Lektüre des Drehbuchs?<br />

Ich mochte es sehr. Ich fand die Rolle von Esther amüsant. Im Drehbuch war sie schwer<br />

zu fassen, mysteriös, fließend. Man konnte viel draus machen.<br />

Waren Sie selbst auch an der Entwicklung der Figur beteiligt?<br />

Ich entwickle nie den Charakter einer Figur, ich tue, was man mir sagt. Ich bin keine<br />

Schauspielerin, die ihre Rollen untersucht. Das sollte ich vielleicht nicht sagen, aber es<br />

stimmt. Ich lasse den Regisseur entscheiden, warte, was er will. Er hat den Final Cut –<br />

also kann ich ihm auch gleich geben, was er will. Ein Schauspieler ist da, um dem<br />

Regisseur zu dienen. Das ist allerdings etwas, was mir oft nicht gefällt an meinem Beruf.<br />

Deshalb singe ich auch. Singen erlaubt mir, mehr mit mir im reinen zu sein.<br />

Was hat François Ozon von Ihnen erwartet?<br />

Dass ich das Kleid trage, das er ausgesucht hat, mein Haar so frisiere, wie er wollte,<br />

meine Dialoge sage... Der Job eines Schauspielers ist viel leichter, als die meisten<br />

denken. Als ich jünger war, versuchte ich, gut zu sein. Jetzt, mit mehr Erfahrung und<br />

Selbstbewusstsein, glaube ich, je weniger ich das versuche, desto besser bin ich.<br />

Esther ist eine Rolle, die eher nicht Ihrem sonstigen Rollentyp entspricht.<br />

Richtig, ich bin wirklich nicht Esther, sie ist völlig passiv. Es macht Spaß, jemanden zu<br />

spielen, der so anders ist als man selbst. Neben dem Hausdrachen, den ich in Yvan<br />

Attals HAPPY END MIT H<strong>IN</strong>DERNISSEN (Ils se marièrent et eurent beaucoup<br />

d’enfants) spielte, ist Esther eine der Rollen, die mir in meiner Karriere am meisten<br />

Spaß gemacht haben.<br />

Sie sind überzeugend als Mittelklasse-Hausfrau, und schaffen es dennoch, sexy zu<br />

sein.<br />

Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich habe mich überhaupt nicht sexy gefunden.<br />

Am Ende improvisiere ich ein bisschen, aber als ich den Film gesehen habe, war ich<br />

schockiert, ich habe mich selbst nicht wiedererkannt. Aber das ist ok. Dein Image zu<br />

kontrollieren ist kontraproduktiv in unserem Job als Schauspieler. Wir sind keine<br />

Models!


Wie sehen Sie Esther?<br />

Ester ist eine nette Frau. Sie ist liebenswert, ein bisschen altmodisch, wie eine Hausfrau<br />

aus den 50ern oder 60ern. Sie geht völlig in ihrer Familie und ihrem kleinen Haus auf.<br />

Sie würde gern als Innenarchitektin arbeiten, aber ihr fehlt der Ehrgeiz. Sie ist eine der<br />

Mittelklasse-Hausfrauen, wie man sie seit der Emanzipation der Frauen kaum noch<br />

kennt. Anders als in amerikanischen TV-Serien wie „Desperate Housewives“ etwa.<br />

Ist Esther glücklich oder ist sie die am meisten gelangweilte Frau der Welt?<br />

Ein bisschen von beidem. Sie ist definitiv gelangweilt, aber sie hat einen Ehemann und<br />

einen Sohn, und am Ende des Films erfahren wir, dass sie ein weiteres Kind haben<br />

wird. Viele Frauen, die für ihre Karriere alles aufgeben, träumen davon, eine Familie wie<br />

Esther zu haben. Idealerweise hat Frau beides, aber nicht jeder ist in dieser glücklichen<br />

Situation. Wenn ich zwischen meiner Arbeit und meiner Familie wählen müsste, würde<br />

ich auch meine Familie wählen.<br />

Können Sie verstehen, warum Claude so fasziniert ist von Raphas Familie und<br />

besonders von Esther?<br />

Ja, Kinder wollen kein kompliziertes Leben, sie wollen so sein wie alle anderen. Sie<br />

sehnen sich nach versichernden Rollenmodellen: ein Vater, der zur Arbeit geht, eine<br />

Mutter, die zu Hause Plätzchen backt. Diese Normalität zieht Claude an. Esther ist süß<br />

und gibt ein sicheres Gefühl. Wir können leicht verstehen, warum Claude sie begehrt.<br />

Und sie wird weniger fad, wird interessanter durch seinen verliebten Blick.<br />

Was zieht Esther zu Claude hin?<br />

Fühlt sie sich wirklich zu Claude hingezogen? Findet dieser Kuss in der Küche wirklich<br />

statt? Könnte es sein, dass Claude ihn sich vorgestellt hat? Spielt François mit unser<br />

Fantasie?<br />

Wie waren die Dreharbeiten?<br />

Sehr angenehm. François’ Art zu arbeiten entspricht mir total. Er ist schnell, fröhlich,<br />

talentiert, witzig. Er verbreitet keine schlechte Stimmung am Set, was gut ist, denn<br />

meine masochistischen Seiten sind unterentwickelt. Ich glaube, das Leben ist zu<br />

wichtig, zu kurz und manchmal zu schmerzhaft, um im Job zu leiden. Ich habe einen<br />

tollen Beruf, also kann ich ihn auch genießen. Ich gehe die Schauspielerei ruhig an,<br />

ohne Angst. Was nicht bedeutet, dass ich mich nicht voll einbringe in das, was ich tue.<br />

Wie hat Ihnen das Zusammenspiel mit Denis Ménochet gefallen?<br />

Er ist ein wirklich netter Kerl. Wie ich empfindet er Schauspielen als Freude, also haben<br />

wir beide die Arbeit miteinander genossen. Und Ernst Umhauer wusste genau, was er<br />

tat, trotz seines jugendlichen Alters und seiner begrenzten Erfahrung. Er ist perfekt in<br />

dieser Rolle.


Emmanuelle Seigner (Esther)<br />

Emmanuelle Seigner wurde 1966 in Paris in eine Künstlerfamilie hineingeboren. Ihr<br />

Großvater war der Theater- und Filmschauspieler Louis Seigner (1903–1991), ein<br />

Doyen der Comédie-Française. Ihr Vater war Fotograf, ihre Mutter Journalistin. Mit<br />

vierzehn Jahren begann sie als Model zu arbeiten, sie brachte es bis auf die Titelseiten<br />

verschiedener internationaler Hochglanzmagazine. Ihre Filmkarriere begann, als Jean-<br />

Luc Godard 1985 ihre geheimnisvolle Schönheit und Ausstrahlung fürs Kino entdeckte<br />

und ihr eine kleine Rolle in DETECTIVE an der Seite von Johnny Hallyday and Nathalie<br />

Baye gab. Ein Jahr später wurde Seigner als Zanon in Pierre Granier-Deferres<br />

COURSE PRIVE (1986) besetzt. Dann traf sie Roman Polanski und hatte ihren großen<br />

Durchbruch in seinem Thriller FRANTIC (1988) an der Seite von Harrison Ford. Vier<br />

Jahre später spielte sie die Hauptrolle in Polanskis BITTER MOON (1992) neben Hugh<br />

Grant und Kristin Scott Thomas. Es folgte DIE NEUN PFORTEN (The Ninth Gate, 1998)<br />

mit Johnny Depp, LA VIE EN ROSE (La Môme, 2007) und AFFÄREN A LA CARTE (Le<br />

code a changé, 2009). Neben der Schauspielerei singt Emmanuelle Seigner. 2007<br />

erschien ihre erste LP als Sängerin mit dem Bandprojekt „Ultra Orange & Emmanuelle“.<br />

Julian Schnabel wählte daraus ein Lied für den Filmsoundtrack von SCHMETTERL<strong>IN</strong>G<br />

UND TAUCHERGLOCKE (Le scaphandre et la papillon, 2007) aus, in dem Emmanuelle<br />

auch mitspielte. Demnächst ist sie in VENUS IM PELZ, der Neuverfilmung von Sacher-<br />

Masochs erotischer Novelle aus dem Jahr 1870 unter der Regie von Roman Polanski zu<br />

sehen. Mit dem Regisseur ist Seigner seit 1989 verheiratet und hat mit ihm die Kinder<br />

Morgane (*1993) und Elvis (*1998).<br />

Filmografie (Auswahl)<br />

1985 DETECTIVE, Regie: Jean-Luc Godard<br />

1986 ERPRESST – DAS GEHEIMNISVOLLE FOTO (Course privé), Regie: Pierre<br />

Granier-Deferre<br />

1988 FRANTIC, Regie: Roman Polanski<br />

1992 BITTER MOON, Regie: Roman Polanski<br />

1994 DAS LÄCHELN (Le sourire), Regie: Claude Miller<br />

1997 DIE JAGD NACH DEM TANZENDEN GOTT (La divine poursuite), Regie: Michel<br />

Deville<br />

1998 PLACE VENDOME, Regie: Nicole Garcia<br />

1999 DIE NEUN PFORTEN (The Ninth Gate), Regie: Roman Polanski<br />

2003 ZU SCHÖN ZUM STERBEN (Corps à corps), Regie: Francois Hanss<br />

2007 SCHMETTERL<strong>IN</strong>G UND TAUCHERGLOCKE (Le scaphandre et la papillon),<br />

Regie: Julian Schnabel<br />

LA VIE EN ROSE (La Môme), Regie: Olivier Dahan<br />

FOUR LAST SONGS, Regie: Francesca Joseph<br />

2009 AFFÄREN A LA CARTE (Le code a changé), Regie: Danièle Thompson<br />

GIALLO, Regie: Dario Argento<br />

2010 ESSENTIAL KILL<strong>IN</strong>G, Regie: Jerzy Skolimowski<br />

2012 <strong>IN</strong> <strong>IHREM</strong> <strong>HAUS</strong> (Dans la maison), Regie: François Ozon<br />

QUELQUES HEURES DE PR<strong>IN</strong>TEMPS, Regie: Stéphane Brizé<br />

L’HOMME QUI RIT, Regie: Jean-Pierre Améris

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