Die Faszination - Jungfrau Region
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REPORTAGE<br />
Jubiläumsfeierlichkeiten im Berner Oberland<br />
<strong>Die</strong> <strong>Faszination</strong><br />
der <strong>Jungfrau</strong><br />
<strong>Die</strong> gewaltige Nordseite<br />
der <strong>Jungfrau</strong> im Abendlicht,<br />
vom Männlichen aus<br />
gesehen; links der<br />
Mönch, unten die Kleine<br />
Scheidegg<br />
50 Bergsteiger 12⁄11
Zum <strong>Jungfrau</strong>-Jubiläum<br />
wurde unter dem<br />
<strong>Jungfrau</strong>joch eine riesige<br />
Zeltstadt aufgebaut<br />
200 Jahre ist es her, dass der <strong>Jungfrau</strong>-Gipfel<br />
erstmals bestiegen wurde. Unsere Autorin lässt die<br />
Entwicklung von der Geburtsstunde des Bergsteigens<br />
zum Tourismusmagnet Revue passieren.<br />
Von Iris Kürschner (Text und Fotos)<br />
Fotos: Iris Kürschner (links), Mammut | Robert Bösch (oben)<br />
Kurz vor drei Uhr ziehen sie los,<br />
lassen die Silberhornhütte in der<br />
sternenklaren Nacht zurück. Es<br />
ist windstill und warm. Viel zu<br />
warm. Nasser Schnee macht vor<br />
allem die Begehung des ersten Abschnitts<br />
heikel. Aber es sind Spitzenalpinisten,<br />
die so schnell nichts aus der Ruhe bringen<br />
kann. Punkt neun Uhr erreichen sie<br />
den Gipfel über eine der anspruchsvollsten<br />
Gratklettereien auf die <strong>Jungfrau</strong>. <strong>Die</strong><br />
Rotbrätt-Route über den Nordwestgrat, im<br />
Führer mit acht bis zwölf Stunden Gehzeit<br />
angegeben, stellt für Stephan Siegrist, David<br />
Fasel und Thomas Ulrich in sechs Stunden<br />
kein Problem dar, während letzterer<br />
nebenbei noch fotografiert und filmt. Zur<br />
gleichen Zeit steigen zwei Seilschaften von<br />
der Rottalhütte via Rottalgrat auf und ganze<br />
Horden von der Mönchsjochhütte über<br />
den Normalweg, derweil ein Hubschrauber<br />
mit Fotografen und Filmteam über der<br />
Massenbesteigung kreist. Rummel herrscht<br />
um die <strong>Jungfrau</strong> am 3. August 2011. Ein<br />
ganzes Sammelsurium an Jubiläen wird<br />
gefeiert: die Erstbesteigung der <strong>Jungfrau</strong><br />
vor 200 Jahren, 125 Jahre Bergführerverein<br />
Lauterbrunnen, 100 Jahre SAC Lauterbrunnen;<br />
und Bergführer Franz Berger stößt auf<br />
seine hundertste <strong>Jungfrau</strong>gipfel-Besteigung<br />
an. Zudem will der Bergsportausrüster<br />
Mammut zu seinem 150. Geburtstag mit<br />
dem »Biggest Peak Project in History« ein<br />
Denkmal setzen: Bis August 2012 werden<br />
ausgesuchte Mammut-Teams 150 Gipfel<br />
besteigen, die <strong>Jungfrau</strong> macht den Auftakt.<br />
Einen besseren Medieneffekt kann sich eine<br />
Firma kaum wünschen.<br />
Der Wandel der Zeit<br />
An alles ist gedacht: Special guests und VIPs<br />
aus Wirtschaft, Politik und Sport begleiten<br />
die Sternbesteigung der 4158 Meter hohen<br />
<strong>Jungfrau</strong>. Zwei Seilschaften gehen die von<br />
den Erstbesteigern einst mühsam gefundene<br />
Route, den heutigen Normalweg über<br />
den Südostgrat, im Retro-Look an. Darunter<br />
Hans Bortis und Ivan Volken, direkte Nachkommen<br />
der zwei Walliser Gamsjäger von<br />
damals, ohne die die Erstbesteigung wahrscheinlich<br />
nie gelungen wäre. Mit Hanfseil,<br />
einer alten Holzleiter und in wollener Bekleidung.<br />
Nur die genagelten Schuhe sind<br />
durch Hightech mit Steigeisen ersetzt: Sicherheit<br />
geht vor.<br />
Es gibt in den Alpen keinen Berg, an dem<br />
sich die Entwicklung der Menschheit so<br />
deutlich zeigen lässt. Im Sommer 1811<br />
führte der Gang ins Ungewisse, ohne Karte,<br />
GPS und Wettervorhersage, ohne Klettergurt,<br />
Pickel und Steigeisen, ohne Sonnenbrille<br />
und UV-Schutzcreme, der eine ganze<br />
12⁄11 Bergsteiger 51
Einheimische Bergführer<br />
stellten die Erstbesteigung<br />
der <strong>Jungfrau</strong> mit historischer<br />
Ausrüstung nach.<br />
Eine Besteigung der<br />
<strong>Jungfrau</strong> fordert auch<br />
am Normalweg den<br />
erfahrenen Alpinisten.<br />
52 Bergsteiger 12⁄11
Shoppen am <strong>Jungfrau</strong>joch<br />
– Pflichtprogramm<br />
für japanische Touristen<br />
Im Zeitalter der Naturentfremdung und Bequemlichkeit<br />
haben viele Menschen die Voraussetzungen<br />
für das Zurechtfinden im Hochgebirge verloren …<br />
Fotos: Mammut | Thomas Ullrich (links), Thomas Senf (links oben), Iris Kürschner (rechte Seite)<br />
Woche benötigte. Heute ist es ein Tagesausflug<br />
vom <strong>Jungfrau</strong>joch aus, zu dem sich<br />
die Bahn durch den Eiger bohrt, wo man<br />
schon unterwegs an ausgesuchten Stellen<br />
aus verglasten Tunnellöchern die unwirtliche<br />
Fels- und Eiswelt bestaunen kann. Der<br />
höchste Bahnhof Europas auf 3454 Meter<br />
Höhe wirkt wie ein Einkaufszentrum in der<br />
Stadt, wären da nicht die Panoramafenster<br />
und die Atemprobleme, die vor allem Asiaten<br />
reihenweise umkippen lassen. Vor der<br />
Haustür auf dem Gletscher finden sich Belustigungen<br />
wie Kinderlift, Schlittenbeförderungsband<br />
und Tyrolienne. Im Juni 2008<br />
legte man hier einen Rasenteppich für das<br />
höchste Fußballspiel Europas aus; im August<br />
2009 war es ein Cricketspiel, das durch<br />
die Medien ging; im Oktober 2009 ein Boxkampf<br />
zwischen Vitali Klitschko und Kevin<br />
Johnson. Verkehrte Welt?<br />
Der Weg ins Ungewisse<br />
Im Zeitalter von Naturentfremdung und<br />
Bequemlichkeit haben viele die Voraussetzungen<br />
für das Zurechtfinden im Hochgebirge<br />
verloren, das Gespür für die richtige<br />
Route sowie sicheres Gehen in exponiertem<br />
Gelände, – dabei ist die Ausrüstung noch<br />
nie so hochwertig gewesen. Umso beachtlicher<br />
ist die Pionierleistung von damals,<br />
die Expedition der Gebrüder Meyer in eine<br />
Eiswelt, in die noch keiner zuvor einen Fuß<br />
gesetzt hatte und es folglich auch keine Karten<br />
gab. An der ersten brauchbaren Karte<br />
der Schweiz (Meyer-Weiss-Atlas oder auch<br />
Atlas Suisse genannt) war der Vater dran,<br />
Johann Rudolf Meyer, ein reicher Seidenbandfabrikant<br />
aus Aarau; und die Söhne<br />
wollten ihm dabei helfen, den noch weißen<br />
Fleck, das größte Gletschergebiet der Alpen,<br />
zu erkunden.<br />
Ob der Name Männersehnsüchte in ihnen<br />
angeregt haben mag, dass sie die <strong>Jungfrau</strong><br />
als ersten Gipfel bestiegen oder einfach,<br />
weil die eisige Schöne ihr nördliches Schaustück<br />
schon von weitem so eindrucksvoll<br />
präsentiert? Wahrscheinlich beides. Denn<br />
seit die Berge durch Albrecht von Hallers<br />
berühmtes Gedicht 1729 zum Reiseobjekt<br />
Über den Wolken: neben der Station <strong>Jungfrau</strong>joch<br />
auf 3454 Meter Höhe<br />
Aufstieg<br />
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TOUREN<br />
Alle Wege auf die <strong>Jungfrau</strong><br />
Auf den höchsten Gipfel des weltbekannten Dreigestirns Eiger, Mönch und <strong>Jungfrau</strong> führt ein gutes<br />
Dutzend Anstiege, von denen jedoch nur die unten erwähnten öfter wiederholt werden.<br />
Allgemeines: Mit einer Gipfelhöhe<br />
von 4158,2 Metern ist die <strong>Jungfrau</strong><br />
der dritthöchste Gipfel der Berner<br />
Alpen und bildet zusammen mit Eiger<br />
und Mönch eine der bekanntesten<br />
Gipfelgruppen in den Alpen. Der<br />
Name dürfte sich von der Wengernalp<br />
am Fuß des Berges ableiten, die<br />
nach den Besitzern – den Nonnen<br />
von Interlaken – <strong>Jungfrau</strong>enberg<br />
genannt wurde. Seit Dezember 2001<br />
sind die <strong>Jungfrau</strong> und die südlich<br />
angrenzenden Berge als »Schweizer<br />
Alpen <strong>Jungfrau</strong>-Aletsch« in die Liste<br />
des UNESCO-Weltnaturerbe aufgenommen.<br />
Obwohl der Normalweg<br />
vom <strong>Jungfrau</strong>joch aus relativ kurz und<br />
einfach ist, steht die <strong>Jungfrau</strong> in der<br />
Unfallstatistik sehr weit vorne, denn<br />
vor allem der Normalweg wird häufi g<br />
unterschätzt.<br />
1 Normalroute<br />
über den Rottalsattel und<br />
den Südostgrat<br />
▶ mittel 8 Std.<br />
695 Hm +18 J.<br />
4–5 Std. Aufstieg, 3–4 Std. Abstieg<br />
Charakter: mittelschwere kombinierte<br />
Hochtour, nur bei sicherem Wetter<br />
angehen; etwa ein Dutzend Sicherungsstangen/-haken,<br />
40-Meter-Seil<br />
empfehlenswert, komplette Hochtourenausrüstung<br />
notwendig<br />
Ausgangpunkt: Sphinxstollen bei<br />
der Station <strong>Jungfrau</strong>joch der <strong>Jungfrau</strong>bahn;<br />
alternativ Mönchsjochhütte<br />
(3657 m) oder Konkordiahütten<br />
(2850 m)<br />
Route: Sphinxstollen – Kranzbergegg<br />
– Rottalsattel – Südostgrat – Gipfel<br />
Abstieg: über den Normalweg<br />
2 Südwestgrat<br />
Innerer Rottalgrat<br />
▶ mittel 9½ Std.<br />
1400 Hm +18 J.<br />
Route: Rottalhütte – Innerer Rottalgrat<br />
– Ussere Rottalgrat – Südwestrücken<br />
– Gipfel<br />
Abstieg: über den Normalweg<br />
<br />
Nordwestgrat<br />
Rotbrettgrat<br />
8–10 Std. Aufstieg, 3–4 Std. Abstieg<br />
Charakter: sehr lange kombinierte<br />
Hochtour, nur für erfahrene Alpinisten<br />
bei guten Verhältnissen zu empfehlen;<br />
drei Fixseile erleichtern die<br />
Schlüsselstellen, dennoch eine<br />
Passage IV im Fels<br />
Ausgangspunkt: Silberhornhütte<br />
(2663 m)<br />
Route: Silberhornhütte – P. 3368 –<br />
Goldenhorn – Südhang – Gipfel<br />
Abstieg: über den Normalweg<br />
<br />
Nordflanke<br />
Guggiroute<br />
8–10 Std. Aufstieg, 3–4 Std. Abstieg<br />
Charakter: sehr lange, kombinierte<br />
Tour, eine der schönsten Eisfahrten<br />
in den Berner Alpen; nur bei sicheren<br />
Verhältnissen in den Eisbrüchen<br />
des Kühlauenengletschers begehen<br />
(meist nur im Frühsommer!);<br />
für diverse Passagen gute Eistechnik<br />
erforderlich, komplette Eisausrüstung,<br />
zwei Drahtseile im Couloir über<br />
der Hütte<br />
Ausgangspunkt: Guggihütte (2791 m)<br />
Route: Guggihütte – Kühlauenengletscher<br />
(Chielouwenengletscher)<br />
– Schneehorn – Kleines Silberhorn<br />
– Großes Silberhorn – Südwestgrat<br />
– Gipfel<br />
Abstieg: über den Normalweg<br />
5<br />
▶ schwierig 12 Std.<br />
1600 Hm +18 J.<br />
▶ schwierig 12 Std.<br />
1370 Hm +18 J.<br />
Nordostgrat<br />
Ausgangspunkt: Station <strong>Jungfrau</strong>joch<br />
(3454 m).<br />
Route: Station <strong>Jungfrau</strong>joch –<br />
Nordostgrat – P. 3809 – P. 4089<br />
(Wengen-<strong>Jungfrau</strong>) – Südwestgrat –<br />
Gipfel<br />
Abstieg: über den Normalweg<br />
6<br />
Nordwestrippe<br />
Lauperroute<br />
▶ schwierig 12 Std.<br />
1500 Hm +18 J.<br />
9–10 Std. Aufstieg, 3–4 Std. Abstieg<br />
Charakter: großzügige, kombinierte<br />
Eis- und Felsroute, die an landschaftlicher<br />
Schönheit der »Guggiroute«<br />
nicht nachsteht, allerdings ist dieser<br />
Anstieg weitaus schwieriger und<br />
gefährlicher; IV (Stellen), teilweise<br />
sehr ausgesetzt<br />
Ausgangspunkt: Silberhornhütte<br />
(2663 m)<br />
Route: Silberhornhütte – Giessengletscher<br />
– Kleines Silberhorn –<br />
Nordwestrippe – Wengen-<strong>Jungfrau</strong><br />
(P. 4089) – Südwestgrat –<br />
Gipfel<br />
Abstieg: über den Normalweg<br />
Weitere Routen<br />
auf die <strong>Jungfrau</strong>:<br />
<strong>Die</strong> im folgenden aufgelisteten<br />
Routen werden fast nie begangen,<br />
seien aber der Vollständigkeit<br />
halber erwähnt.<br />
Südwand (sehr schwierig, brüchig<br />
und steinschlaggefährdet)<br />
Wengen-<strong>Jungfrau</strong>-Nordwand<br />
Von-Allmen-Schlunegger-Route<br />
(V und VI, äußerst schwierig,<br />
keine Wiederholung bekannt)<br />
Anker-Reichen-Route (V und VI+,<br />
äußerst schwierig, keine Wiederholung<br />
bekannt)<br />
Ostwand des Großen Gendarms<br />
(extrem schwierige Steileiskletterei,<br />
kombiniert)<br />
Durch die Ostwand zum Hauptgipfel<br />
führen zwei Routen (»Bethmann-<br />
Hollweg–Supersaxo« und<br />
»Lewers-Rubi«), die durch brüchigen<br />
Fels und kombiniertes Gelände<br />
führen und nie wiederholt werden.<br />
6 Std. Aufstieg, 3–4 Std. Abstieg<br />
Charakter: lange, mittelschwere<br />
kombinierte Hochtour in großartiger<br />
Hochgebirgslandschaft mit Hauptschwierigkeiten<br />
im Fels (II und III),<br />
bei Vereisung heikel (wenig Sicherungsmöglichkeiten),<br />
einige Fixseile<br />
Ausgangspunkt: Rottalhütte<br />
(2755 m)<br />
5<br />
▶ schwierig 12 Std.<br />
700 Hm +18 J.<br />
8–10 Std. Aufstieg, 3–4 Std. Abstieg<br />
Charakter: lange und anspruchsvolle,<br />
kombinierte Kletterei mit<br />
Schwierigkeiten IV und V– (eine<br />
Passage), nur bei sicheren Verhältnissen<br />
begehen<br />
■ = leicht ■ = mittelschwer ■ = schwierig<br />
5 Bergsteiger 12⁄11
Unterwegs am<br />
Gipfelgrat der <strong>Jungfrau</strong><br />
»<strong>Die</strong> erhabenen Gipfel des <strong>Jungfrau</strong>horns, die sich<br />
gleich zwo schneeweissen Brüsten erheben …«<br />
(J. S. Wyttenbach, 1777)<br />
Foto: Mammut | Robert Bösch (oben)<br />
wurden, ist die <strong>Jungfrau</strong> in unzähligen<br />
Schriften und Gemälden vergöttert worden;<br />
umso mehr, da sie als unbesteigbar galt.<br />
Nicht nur Jakob Samuel Wyttenbach, der<br />
1777 den ersten Reiseführer über das Berner<br />
Oberland geschrieben hatte, fantasierte<br />
in die »erhabenen Gipfel des <strong>Jungfrau</strong>horns,<br />
die sich gleich zwo schneeweissen Brüsten<br />
erheben«, weiblichen Zauber.<br />
<strong>Die</strong> »Entjungferung«<br />
Im Juli 1811 wandern Johann Rudolf junior<br />
und Hieronymus Meyer mit ihren <strong>Die</strong>nstboten<br />
in einem weiten Bogen über den Grimselpass<br />
ins Rhonetal, schließlich über den<br />
Beichpass ins Lötschental, wo sie die zwei<br />
Gamsjäger Alois Volker und Joseph Bortis<br />
als Führer anheuern. »<strong>Die</strong>se Leute, von Jugend<br />
auf gewöhnt, bei jeder Witterung ihren<br />
Ziegen im Gebirge nachzuklettern, oder<br />
Gemsen zu jagen, erregten durch ihre Unerschrockenheit<br />
und Gewandtheit nachher<br />
nicht selten unser Erstaunen. Überall sind<br />
sie uns äusserst hilfreich gewesen. Ohne sie<br />
wären uns viele Gegenden unzugänglich<br />
geblieben.«<br />
Über die Lötschenlücke betreten sie die eisige<br />
Aletschregion. Doch die <strong>Jungfrau</strong> ist<br />
im Gegensatz zu ihrem Bollwerk, das im<br />
Norden überall ins Auge sticht, von Süden<br />
her in einem Meer von Schneegipfeln nicht<br />
wiederzuerkennen. So ersteigen sie mehre-
Blick aus dem Hubschrauber<br />
auf den Gipfel<br />
der <strong>Jungfrau</strong>, im Hintergrund<br />
das Finsteraarhorn<br />
Zum 200. Besteigungsjubiläum<br />
wurde die <strong>Jungfrau</strong><br />
buchstäblich von<br />
allen Seiten erklettert.<br />
56 Bergsteiger 12⁄11
Unberührt vom Jubiläumsrummel<br />
– die <strong>Jungfrau</strong><br />
im letzten Abendlicht<br />
Am 3. August 1811 um 14 Uhr ist – nach<br />
zwei Biwaks – das Traumziel erreicht; der erste<br />
Viertausender der Schweiz ist bestiegen.<br />
Fotos: Iris Kürschner (oben), Mammut | Robert Bösch (linke Seite)<br />
re Anhöhen, um die <strong>Jungfrau</strong> zu orten. <strong>Die</strong><br />
<strong>Die</strong>nstboten werden wegen Ängstlichkeit<br />
zurück geschickt, der Guttanner Kaspar<br />
Huber darf das Biwak am Konkordiaplatz<br />
hüten, während die vier Abenteurer sich<br />
am 2. August 1811 auf den Weg zum Gipfel<br />
machen. Ein Föhnsturm nötigt ihnen ein<br />
zweites Biwak ab, bevor sie am Folgetag –<br />
sich mit dem Hintern über den scharfen<br />
Schneegrat schiebend – gegen 14 Uhr ihr<br />
Traumziel erreichen. Der erste Viertausender<br />
der Schweiz ist erobert, ganz ohne wissenschaftliches<br />
Brimborium; denn weder<br />
Barometer noch Messinstrumente sind mit<br />
im Gepäck, was zu jener Zeit ungewöhnlich<br />
ist. Stolz rammen sie eine Gipfelfahne ein,<br />
die dummerweise nicht vom Tal aus sichtbar<br />
ist. Ihr Gipfelerfolg gilt deshalb für die<br />
Berner Oberländer als unglaubhaft. Um die<br />
Familienehre zu retten, macht sich Gottlieb<br />
Meyer, der Sohn von Johann Rudolf junior,<br />
ein Jahr später mit denselben Walliser<br />
Gamsjägern auf, um eine Fahne für die Berner<br />
sichtbar zu installieren. <br />
<strong>Die</strong> Göttin der Berge<br />
Heute durchziehen zahlreiche Routen die<br />
<strong>Jungfrau</strong>. <strong>Die</strong> beliebteste bleibt der Normalweg,<br />
den die Meyers ausgekundschaftet haben<br />
und der heute mit Sicherungsstangen<br />
und freilich der <strong>Jungfrau</strong>bahn entschärft<br />
ist. <strong>Die</strong> <strong>Faszination</strong> scheint ungebrochen<br />
und der Blick von Interlaken hinauf ist<br />
noch immer so wie Alpenpionier und SAC-<br />
Gründungsmitglied Gottlieb Samuel Studer<br />
es einst sah: »Als bei Unterseen zwischen<br />
steilen Gebirgswänden der enge, tiefe Thaleinschnitt<br />
sichtbar wurde, in dessen Hintergrund<br />
auf felsigem Fußgestelle die <strong>Jungfrau</strong><br />
himmelanstrebt und die reiche Pracht ihres<br />
Eisgewandes entfaltet, während an ihrem<br />
weißen Busen, gleich hundertfachen Perlenschnüren,<br />
die zackenreichen bläulichen<br />
Gletscher schimmern, da suchten und<br />
schauten die beiden Wanderer begeistert<br />
das Ziel, das sie sich auserkoren«. ◀<br />
KOMPAKT<br />
<strong>Jungfrau</strong>-Infos<br />
Information: <strong>Jungfrau</strong> <strong>Region</strong> Marketing<br />
AG, Tel. +41/(0)33/8 54 12 40,<br />
www.myjungfrau.ch;<br />
<strong>Jungfrau</strong>bahnen, www.jungfraubahn.ch<br />
Karten: Landeskarte der Schweiz<br />
1:50 000, Blatt 264 T »<strong>Jungfrau</strong>« oder<br />
1:25 000, Blatt 1249 »Finsteraarhorn«<br />
Literatur: Daniel Anker »<strong>Jungfrau</strong> –<br />
Zauberberg der Männer«, Bergmonographie,<br />
AS Verlag