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Atome unter Beschuss - Max-Planck-Institut für Kernphysik

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Ein Detektor mit atomarer Auflösung<br />

– das „Reaktions-Mikroskop“<br />

Zunächst werden einzelne <strong>Atome</strong> oder Moleküle in ihre Bestandteile<br />

– Elektronen und Ionen – aufgespalten, indem<br />

man sie mit schnellen Ionen, die von einem Beschleuniger<br />

bereitgestellt werden, beschießt. Ziel ist es, die Impulse, also<br />

die Geschwindigkeiten und die Flugrichtungen aller atomaren<br />

Bruchstücke, zu bestimmen. Dazu werden die negativen<br />

Elektronen und die positiven Ionen mithilfe eines elektrischen<br />

Feldes in entgegen gesetzte Richtungen beschleunigt und<br />

beim Aufschlag auf zwei Detektoren nachgewiesen. Dabei<br />

hilft ein zusätzlich überlagertes Magnetfeld, alle Elektronen,<br />

die wegen ihrer kleinen Masse relativ schnell sind, zu fangen<br />

und auf einer Schraubenbahn zum Detektor zu führen. Es ist<br />

dann möglich, aus den gemessenen Einschlagorten und den<br />

Flugzeiten auf die Anfangsimpulse der Teilchen zu schließen.<br />

Nach sehr vielen Wiederholungen dieser Messung erhält man<br />

ein genaues Bild der Geschwindigkeits- und Richtungsverteilung<br />

der atomaren oder molekularen Fragmente.<br />

Ein Reaktions-Mikroskop in Aktion: Das Ion aus dem Projektilstrahl<br />

(grün) zerstört ein Atom, das in ein Elektron (rot) und<br />

den Atomrumpf (blau) zerfällt.<br />

Bereits in zahlreichen Experimenten konnten wir durch den<br />

Vergleich mit theoretischen Modellen den <strong>für</strong> viele Anwendungen<br />

so wichtigen Prozess der Stoßionisation erforschen,<br />

Stoßmechanismen identifizieren und die zugrunde liegende<br />

Dynamik in atomaren Systemen analysieren. Derzeit sind Experimente<br />

in Planung, bei denen die <strong>Atome</strong> vor dem Stoß mit<br />

Laserstrahlen gekühlt werden sollen. Dadurch wird nicht nur<br />

die Vielteilchen-Dynamik in atomaren Stößen mit bislang unerreichter<br />

Auflösung beobachtbar, auch kann die Struktur der<br />

hochgeladenen Projektil-Ionen, d.h. die Energie der in diesen<br />

Ionen gebundenen Elektronen, genau vermessen werden.<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Kernphysik</strong><br />

Hausanschrift:<br />

Saupfercheckweg 1<br />

69117 Heidelberg<br />

Postanschrift:<br />

Postfach 103980<br />

69029 Heidelberg<br />

Tel: 06221 5160<br />

Fax: 06221 516601<br />

E-Mail: info@mpi-hd.mpg.de<br />

Internet: http://www.mpi-hd.mpg.de<br />

Ansprechpartner:<br />

Dr. Robert Moshammer<br />

Tel: 06221 516461<br />

E-Mail: robert.moshammer@mpi-hd.mpg.de<br />

Dr. Daniel Fischer<br />

Tel: 06221 516461<br />

E-Mail: daniel.fischer@mpi-hd.mpg.de<br />

<strong>Atome</strong> <strong>unter</strong><br />

<strong>Beschuss</strong><br />

Von der Tumortherapie<br />

mit schnellen Ionen<br />

zu Ion-Atom-Stößen


<strong>Atome</strong> <strong>unter</strong> <strong>Beschuss</strong><br />

Von der Tumortherapie mit schnellen Ionen<br />

zu Ion-Atom-Stößen<br />

Von der Tumortherapie mit schnellen Ionen…<br />

Beschießt man Gewebe mit schnellen Ionen – das sind<br />

<strong>Atome</strong>, denen ein oder mehrere Elektronen fehlen – so<br />

dringen sie tief in das Gewebe ein und zerstören am Ende<br />

ihrer Flugbahn sehr effektiv biologisch aktive Moleküle.<br />

Das ist die Grundlage der viel versprechenden Tumortherapie<br />

mit schnellen Ionen, die von der Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt in Zusammenarbeit<br />

u. a. mit dem Heidelberger Krebsforschungszentrum<br />

(DKFZ) entwickelt wurde. Im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum<br />

(HIT), der weltweit ersten<br />

Anlage dieser Art, sollen ab Herbst 2008 die ersten Patienten<br />

mit dieser Methode behandelt werden.<br />

…zu Ion-Atom Stößen<br />

Was aber passiert auf mikroskopischer Ebene, wenn<br />

hochenergetische, also schnelle, Ionen Gewebe durchdringen?<br />

Dieser Frage gehen wir nach, indem wir Stöße<br />

zwischen einzelnen Ionen und <strong>Atome</strong>n, den Bausteinen<br />

der Materie, <strong>unter</strong>suchen. Ein entscheidender Reaktionskanal<br />

ist dabei die so genannte Stoßionisation, bei<br />

der anfänglich im Atom gebundene Elektronen durch den<br />

Stoß heraus geschlagen werden. Dieser Elementarprozess<br />

ist bisher allerdings nur unzureichend verstanden.<br />

Offene Fragestellungen sind zum Beispiel: Wie schnell<br />

und in welche Richtung fliegen die freigesetzten Elektronen<br />

davon? Wie häufig werden zwei, drei oder mehr<br />

Elektronen aus einem Atom heraus geschlagen? Welche<br />

Rolle spielt dabei der Atomkern? Mit ausgeklügelten Experimenten<br />

versuchen wir Antworten auf diese Fragen<br />

zu finden.<br />

Das „Vielteilchen-Problem“<br />

Ähnlich wie die Planeten um die Sonne kreisen, bewegen<br />

sich die Elektronen in einem Atom um den Kern, wobei alle<br />

Teilchen durch die Coulomb-Kraft miteinander wechselwirken.<br />

Dieses vereinfachte Bild ist zwar in letzter Konsequenz<br />

nicht korrekt, dennoch stellt sich die Frage, wie sich die Elektronen<br />

in einem Atom derart „absprechen“, dass das atomare<br />

„Planetensystem“ stabil bleibt und sich die Elektronen nicht<br />

gegenseitig ins „Gehege“ kommen. Mehr noch, und insbesondere<br />

im Hinblick auf die Tumortherapie, interessiert uns die<br />

Frage, was passiert, wenn dieses stabile System durch einen<br />

Stoß mit einem Ion gestört wird.<br />

Die Quantentheorie, die bereits in der ersten Hälfte des letzten<br />

Jahrhunderts formuliert wurde, beschreibt die Bewegung<br />

der atomaren Bausteine. Doch obwohl diese Theorie inzwischen<br />

in zahlreichen Experimenten bestätigt wurde und die<br />

Kraft zwischen den Elektronen und dem Atomkern sehr genau<br />

bekannt ist, lässt sich lediglich <strong>für</strong> das einfachste Atom, nämlich<br />

das Wasserstoffatom (bestehend aus einem Kern und nur<br />

einem Elektron), eine exakte Lösung finden. Sobald mehr als<br />

zwei Teilchen beteiligt sind – dies gilt im Übrigen nicht nur<br />

<strong>für</strong> <strong>Atome</strong>, sondern auch <strong>für</strong> Sonnensysteme – muss man sich<br />

entweder mit Näherungen begnügen, oder computergestützte,<br />

rechenintensive numerische Verfahren anwenden. Um die<br />

Gültigkeit dieser Näherungen zu prüfen, ist ein Vergleich mit<br />

experimentellen Ergebnissen unverzichtbar.<br />

Dynamik in Ion-Atom-Stößen<br />

Im Gegensatz zur Bewegung der Planeten kann man die Elektronen<br />

in einem Atom nicht direkt beobachten. Nur ein Trick<br />

hilft hier weiter! Man beschießt einzelne <strong>Atome</strong> mit sehr<br />

schnellen Ionen und selektiert solche Ereignisse, bei denen<br />

ein oder mehrere Elektronen herausgeschlagen werden. Die<br />

Energien und Richtungen der davonfliegenden Elektronen<br />

(das experimentelle Ergebnis ist auf dem Titelbild dreidimensional<br />

dargestellt) verraten dann etwas über deren Bewegung<br />

vor dem Stoß, also im gebundenen atomaren Zustand. Bei<br />

diesem atomaren Billardspiel kann man somit viel über die<br />

Dynamik von so genannten Vielteilchen-Coulomb-Systemen<br />

lernen. Fragen, die uns dabei besonders interessieren, sind<br />

z. B., wie sich die Elektronen in einem Heliumatom gegenseitig<br />

beeinflussen oder wie viel Energie auf welches der atomaren<br />

Teilchen in einem Stoß übertragen wird.<br />

In verschiedenen Messreihen verwenden wir Ionen mit sehr<br />

<strong>unter</strong>schiedlichen Geschwindigkeiten. Bei sehr langsamen<br />

Stößen sind die im Atom gebundenen Elektronen viel schneller<br />

als das Projektil-Ion; sie bewegen sich zwischen den beiden<br />

Kernen wie in einem Molekül hin und her. In sehr schnellen<br />

Stößen (in unseren Experimenten bis etwa 60% der Lichtgeschwindigkeit)<br />

werden die im Atom gebundenen Elektronen<br />

wie durch einen extrem kurzen (schneller als 1 Attosekunde<br />

= 10 –18 s) und sehr intensiven Lichtpuls, der ca. 10 21 mal (das<br />

ist eine Eins mit 21 Nullen) intensiver ist als das Sonnenlicht<br />

aus dem Atom befreit. Mit einem hochpräzisen Detektorsystem,<br />

das ähnlich wie ein Mikroskop die atomaren Kollisionen<br />

beobachtet, werden die Richtungen und Energien der auslaufenden<br />

Elektronen und Kerne registriert, und zwar <strong>für</strong> jeden<br />

einzelnen Ion-Atom-Stoß.<br />

Ein Reaktions-Mikroskop zur Untersuchung von Ion-Atom-<br />

Stößen.

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