Jugendhilfe Band 07 - Wirkungsorientierte Jugendhilfe
Jugendhilfe Band 07 - Wirkungsorientierte Jugendhilfe
Jugendhilfe Band 07 - Wirkungsorientierte Jugendhilfe
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<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong><br />
Finanzierungsmodelle im Kontext<br />
von wirkungsorientierter Steuerung<br />
der Hilfen zur Erziehung<br />
von Frank Plaßmeyer und Miriam Kohlmeyer<br />
<strong>Band</strong><br />
<strong>07</strong><br />
Eine Schriftenreihe des ISA zur<br />
Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung
Die Leistungserbringung, die<br />
Weiterentwicklung der Qualität<br />
und die Finanzierung der<br />
stationären und teilstationären<br />
Hilfen zur Erziehung wurden<br />
1999 mit der Einführung der<br />
§§ 78 a-g in das SGB VIII auf<br />
eine neue recht liche Grundlage<br />
gestellt. Die 2002/2003 im<br />
Auftrag des Bundesministeriums<br />
für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend durchgeführten<br />
Untersuchungen<br />
zum Stand der Umsetzung<br />
der gesetzlichen Neuregelung<br />
haben jedoch ge zeigt, dass der<br />
mit der Neuregelung verbundene<br />
Paradigmenwechsel vom<br />
Prinzip der Selbstkostenerstattung<br />
zur Aushandlung<br />
prospektiver Pflegesätze in<br />
der Praxis bisher nicht hinreichend<br />
vollzogen wurde. Das<br />
gilt sowohl im Hinblick auf<br />
die Transparenz der Leistungsangebote<br />
als auch in Bezug<br />
auf die fachlichen Chancen<br />
zu gunsten des/der Leistungsempfän<br />
gers/in. Die Möglichkeiten<br />
im Hinblick auf die<br />
Qualitätsentwicklung wurden<br />
von den Vereinbarungspartnern<br />
bisher gleichfalls kaum<br />
erkannt und genutzt.<br />
Im Zuge des Umbaus der<br />
Sozialleistungssysteme<br />
kommt dem Nachweis der<br />
Wirksamkeit der eingesetzten<br />
Hilfen sowie der Erprobung<br />
einer ergebnisorientierten<br />
Finanzierung der Leistungen<br />
jedoch auch in der Kinderund<br />
Jugend hilfe zu neh mende<br />
Auf merk sam keit und Bedeutung<br />
zu. Vorteile lassen sich in<br />
die sem Zuge für alle Partner<br />
gleichermaßen erzielen:<br />
● Die Entwicklung und der<br />
Einsatz wirkungsorientierter<br />
Steuerungsinstrumente<br />
sowie die Mobilisierung<br />
von Effektivitäts- und<br />
Effizienzreserven kann für<br />
Hilfeempfänger/innen die<br />
Leistung im Hinblick auf<br />
die in der Hilfeplanung<br />
ver einbarten Ziele verbessern.<br />
● Der Leistungsträger profitiert<br />
von der Transparenz<br />
der Leistungserbringung<br />
sowie deren Wirkung und<br />
Zielerreichung.<br />
● Der Leistungserbringer<br />
erhält ein höheres Maß an<br />
Gestaltungsmöglichkeit<br />
und Flexibilität bei der zielorientierten<br />
Erbringung der<br />
Leistung.<br />
Zielsetzung<br />
Soziale Dienstleistungen wie<br />
die Hilfen zur Erziehung<br />
legitimieren sich letztlich über<br />
die Wir kung, die sie bei dem/<br />
der Leistungsempfänger/in<br />
erzielen. Ziel des Modellprogramms<br />
ist deshalb die<br />
Verbesserung der Wirkung der<br />
erzieherischen Hilfen für junge<br />
Menschen, die als Leistungen<br />
der Kinder- und <strong>Jugendhilfe</strong><br />
auf Grundlage der §§ 27 ff.<br />
SGB VIII erbracht wer den.<br />
Insofern richtet sich der Fokus<br />
dieses Modellvorhabens<br />
konsequent auf die Realisierung<br />
der intendierten Wirkung<br />
der Hilfe.<br />
Das Modellprogramm soll<br />
insbesondere den pädagogischen<br />
Auftrag und die<br />
Finanzierungsstruktur der<br />
Hilfen zur Erziehung besser<br />
als bisher miteinander in<br />
Einklang bringen, die Leistungser<br />
brin gung und deren<br />
Qualität auf die intendierte<br />
Wirkung der Hilfe ausrichten<br />
und Effekte, die zu unerwünschten<br />
pädagogischen<br />
Nebenwirkungen, zur Ausweitung<br />
der Leistungserbringung<br />
und zur Kostensteigerung<br />
beitragen können, vermindern.<br />
Mit den Vereinbarungen nach<br />
§§ 78a ff. SGB VIII sollen Regelungen<br />
und Instrumente (wie<br />
z.‐B. Leistungs-, Entgelt- und<br />
Qualitätsentwicklungsvereinbarungen)<br />
ausgehandelt<br />
werden, die effektivere und<br />
effizientere Leistungen für<br />
Hilfeempfänger/innen unterstützen<br />
und sich konsequent<br />
am Zweck und Ziel der Hilfe<br />
orientieren.<br />
Für die stationären und teilstationären<br />
Erziehungshilfen<br />
hat der Gesetzgeber vorgesehen,<br />
dass Leistungserbringer<br />
und Leistungsträger das<br />
Leistungsniveau, die Qualitätsentwicklung<br />
und das<br />
Entgelt aushandeln und in den<br />
Vereinbarungen nach §§ 78 a<br />
ff SGB VIII festlegen. Darüberhinaus<br />
sollen im Rahmen des<br />
Pro gramms das Handlungsfeld<br />
der Pflegekinderhilfe<br />
sowie der Leistungsbereich<br />
ambulanter Erziehungshilfen<br />
einbezogen werden. Diese<br />
Bereiche werden zwar nicht<br />
von den Vorschriften der §§ 78<br />
a ff erfasst, es sollen hier aber<br />
auf freiwilliger Basis analoge<br />
Vereinbarungen zwi schen<br />
Jugendamt und auf diesen<br />
Gebieten tätigen örtlichen<br />
Trä gern ausgehandelt und<br />
im Rah men des Modellprogramms<br />
erprobt werden.<br />
Die Hilfeerbringung soll sich<br />
auf die Umsetzung der Hilfeplanung<br />
konzentrieren und<br />
der Hilfeprozess im Hinblick<br />
auf die intendierte Wirkung<br />
optimiert werden. Dabei soll<br />
auch die Kompatibilität von<br />
pädagogischem Auftrag und<br />
Finanzierung der Hilfen zur<br />
Erziehung verbessert werden.<br />
Dies kann die Erprobung von<br />
Anreizen und ergebnisorientierten<br />
Finanzierungselementen<br />
einschließen.<br />
Bei der Hilfeplanung, im<br />
Hilfe prozess und bei der<br />
Be wertung der Ergebnisse<br />
kommt den Hil feempfän gern/<br />
innen eine wichtige Rolle zu,<br />
die bei den zu ent wickelnden<br />
und zu erprobenden Konzepten<br />
berücksichtigt und ge stärkt<br />
werden soll. Dabei wer den<br />
nach dem Prinzip des Gen der<br />
Mainstreaming die unterschiedlichen<br />
Lebenslagen und<br />
Bedürfnisse von Mädchen und<br />
Jungen berücksichtigt.<br />
Modellstandorte<br />
Steinfurt<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
Schleswig-<br />
Holstein<br />
Hamburg<br />
Bremerhaven<br />
Bremen<br />
Niedersachsen<br />
Im Rahmen des Modellprogramms<br />
werden bis zum Ende<br />
des Jahres 2006 Vereinbarungen<br />
nach §§ 78 a ff ausgehandelt<br />
und ab 20<strong>07</strong> erprobt,<br />
die durch geeignete Regelungen<br />
dazu beitragen,<br />
● die Hilfepraxis zu qualifizieren<br />
(Fachcontrolling und<br />
Qualitätsentwicklung),<br />
● die Ergebnisse der<br />
Leistungserbringung und<br />
die Wirkung der Hilfe zu<br />
fördern (Effektivität),<br />
● die Beteiligung, Mitwirkungsbereitschaft<br />
und<br />
Eigenverantwortung des<br />
Hilfeempfängers zu stärken,<br />
● Diskrepanzen zwischen<br />
pädagogischem Auftrag<br />
und Wirtschaftlichkeit der<br />
Einrichtungen zu minimieren<br />
(Struktur- und<br />
Prozessoptimierung),<br />
● zielführende und kostengünstige<br />
Hilfen zu realisieren<br />
(Effizienz).<br />
Rostock<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Sachsen-<br />
Anhalt<br />
Oberhavel<br />
Brandenburg<br />
Berlin<br />
Berlin<br />
Essen<br />
Halle<br />
Thüringen<br />
Sachsen<br />
Vogelsbergkreis<br />
Rheinland-<br />
Hessen<br />
Pfalz<br />
Böblingen<br />
Saarland<br />
Baden-<br />
Wü rttemberg<br />
Braunschweig<br />
Nürnberg<br />
Bayern
<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> Eine Schriftenreihe<br />
des ISA zur Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung<br />
Beiträge zur Wirkungsorientierung von erzieherischen Hilfen<br />
Ein Modellprogramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zur „Qualifizierung<br />
der Hilfen zur Erziehung durch wirkungsorientierte Ausgestaltung der Leistungs-, Entgelt- und<br />
Qualitätsentwicklungsvereinbarungen nach §§ 78a ff SGB VIII“<br />
Regiestelle: ISA Planung und Entwicklung GmbH, Studtstraße 20, 48149 Münster – Ansprechpartner: Dr. Erwin<br />
Jordan (Leitung) – Dr. Dirk Nüsken, wissensch. Mitarbeiter (Koordination), Fon 02 51 925 36-0 oder 270 59 47,<br />
Fax 02 51 925 36-80, dirk.nuesken@isa-muenster.de – Stefan Eberitzsch, wissensch. Mitarbeiter, Fon 02 51 925 36-0<br />
oder 270 59 47, Fax 02 51 925 36-80, stefan.eberitzsch@isa-muenster.de – Déssirée Frese, wissensch. Mitarbeiterin<br />
(Sachbearbeitung), Fon 02 51 270 59 47, Fax 02 51 925 36-80, desiree.frese@isa-muenster.de<br />
Externe Experten: Prof. Dr. jur. Johannes Münder, Technische Universität Berlin (Recht) – Prof. Dr. phil. Bernd<br />
Seidenstücker, Hochschule Darmstadt (Sozialpädagogik) – Frank Plaßmeyer, IJOS Georgsmarienhütte (Betriebswirtschaft)<br />
– Miriam Kohlmeyer, con_sens GmbH (Kommunale Steuerung und Gestaltung)<br />
Evaluation: Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft/AG 8, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld<br />
– Ansprechpartner: Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Uwe Otto (Leitung), Andreas Polutta (Koordination), Fon 05 21 106<br />
33 10, Fax 0521 106 80 47, andreas.polutta@uni-bielefeld.de – Stefanie Albus – Heike Greschke – PD Dr. Heinz<br />
Messmer – PD Dr. Heinz-Günter Micheel – Birte Klingler<br />
Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)<br />
<strong>Band</strong> <strong>07</strong><br />
Finanzierungsmodelle im Kontext von wirkungsorientierter<br />
Steuerung der Hilfen zur Erziehung<br />
| 1
Inhalt<br />
Vorwort 4<br />
Zum Hintergrund des<br />
Bundesmodellprogramms 4<br />
Der <strong>Band</strong> <strong>07</strong> 5<br />
Analyse bisheriger und exemplarische<br />
Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle<br />
zur wirkungs orientierten Gestaltung von Hilfen<br />
zur Erziehung (ambulant wie stationär)<br />
1 Einleitung 6<br />
2 Entgeltkalkulationsverfahren 7<br />
2.1 Die Vorkalkulation als Bemessungs -<br />
grundlage der Entgeltvereinbarung 7<br />
2.2 Die Divisionskalkulation 8<br />
2.3 Das Zielkostenmanagement 8<br />
2.4 Das Marktpreisverfahren 9<br />
3 Entstehungskosten im Rahmen<br />
von Wirkungsorientierung 10<br />
4 Rahmenvertragliche Regelungen<br />
nach § 78 f SGB VIII 11<br />
5 Leistungsentgeltsysteme 12<br />
5.1 Leistungsentgelte basierend auf<br />
individuellen Kostenstrukturen 12<br />
5.2 Leistungsentgelte basierend auf<br />
Pauschalen 13<br />
5.3 Leistungsentgeltformen 14<br />
5.3.1 Tagesgleicher Leistungsentgeltsatz 14<br />
5.3.2 Tagesentgeltsatz mit ergänzenden<br />
Zulagen 15<br />
5.3.3 Degressiver Leistungsentgeltsatz 15<br />
5.3.4 Stufenentgelte, Phasenentgelte 16<br />
5.3.5 Sozialpädagogische Fachleistungsstunde<br />
16<br />
5.3.6 Sonderentgelte 17<br />
5.3.7 Budgets 17<br />
5.3.8 Flexible Budgets 19<br />
5.3.9 Komponentensystem<br />
(Modulares Entgelt) 20<br />
5.3.10 Fallpauschalen 21<br />
2 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
6 Anreizsysteme im Rahmen<br />
von Wirkungsorientierung 22<br />
6.1 Adressatenkreis 22<br />
6.2 Wirkungsbemessungsgrundlagen<br />
und Wirkungsbeurteilungsverfahren 23<br />
6.3 Anreizinstrumente und deren<br />
Anwendung 24<br />
6.3.1 Bonus-Systeme 25<br />
6.4 Verknüpfung von Wirkung<br />
und Belohnung 28<br />
7 Anforderungen an wirkungsorientierte<br />
Entgeltsysteme 29<br />
8 Anlagen 31<br />
8 Anlage 1 32<br />
Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreiz-<br />
systeme in Vereinbarungen nach §§ 78 a-g SGB<br />
VIII zur Durchführung von Hilfen zur Erziehung<br />
Empfehlungen<br />
1 Zielsetzungen der Empfehlungen 33<br />
2 Management Summary 34<br />
3 Typisierung ergebnisorientierter<br />
Anreizsysteme 34<br />
4 Anwendbarkeit der einzelnen<br />
Typen von Anreizsystemen im<br />
Bereich Hilfen zur Erziehung 35<br />
4.1 Immaterielle Anreizsysteme<br />
für freie Träger 35<br />
4.2 Immaterielle und Materielle<br />
Anreizsysteme für Klienten 36<br />
4.3 Materielle Anreizsysteme 36<br />
4.3.1 Unmittelbar finanzielle Anreizsysteme 37<br />
4.3.2 Mittelbar finanzielle Anreizsysteme 39<br />
5 Empfehlungen zur Ausgestaltung<br />
ergebnis orientierter Anreizsysteme<br />
für Hilfen zur Erziehung 41<br />
5.1 Auswahl des Anreizsystems 41<br />
5.2 Auswahl steuerungsrelevanter<br />
Ergebniskennziffern 42<br />
5.3 Prozessuale Hinweise zur<br />
Umsetzungsphase der Etablierung<br />
wirkungsorientierter Anreizsysteme 43<br />
5.4 Wie entfalten Vereinbarungen<br />
Handlungsrelevanz? 44<br />
5.5 Schaffen einer produktiven Lern kultur<br />
in der sozialen Infrastruktur 46<br />
5.6 Bereits vorhandene Möglichkeiten<br />
und Strukturen nutzen! 46<br />
6 Strategisch im Blick behalten:<br />
Infrastrukturelle Voraus setzungen,<br />
damit Anbieter auf die Anreize<br />
auch reagieren können 47<br />
Inhalt | 3
Vorwort<br />
von Stefan Eberitzsch<br />
Zum Hintergrund des<br />
Bundesmodellprogramms<br />
Durch die rechtliche Grundlage der §§ 78 a-g sind<br />
Leistungsträger (Jugendämter) und Leistungserbringer<br />
(Träger der <strong>Jugendhilfe</strong>) seit dem 01.01.1999 aufgefordert,<br />
Vereinbarungen abzuschließen mittels derer<br />
sie sich verbindlich über<br />
●● Leistungen,<br />
●● Entgelte<br />
●● und die Qualitätsentwicklung<br />
der entsprechenden erzieherischen Hilfen verständigen.<br />
Untersuchungen dieser Vereinbarungen 1 zeigen,<br />
dass in den letzen Jahren in der Praxis aussagekräftige<br />
und praktikable Entgelt- und zumeist auch Leistungsvereinbarungen<br />
entwickelt wurden, dass jedoch<br />
erhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich von aussagekräftigen<br />
Qualitätsentwicklungsvereinbarungen bestehen.<br />
Mit Blick auf die Qualität von Hilfen zur Erziehung<br />
und das Recht eines jeden jungen Menschen<br />
auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung<br />
zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen<br />
Persönlichkeit (§ 1 SGB VIII) kommt jedoch<br />
auch der Qualität – insbesondere der Ergebnisqualität<br />
– und somit den Wirkungen von Hilfen zur Erziehung<br />
eine hohe Bedeutung zu.<br />
1 Münder, Johannes/Tammen, Britta (2003): Die Vereinbarungen<br />
nach §§ 78a ff SGB VIII. Eine Untersuchung von Leistungs-,<br />
Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
im Auftrag des Bundesministeriums für Familien, Senioren,<br />
Frauen und Jugend<br />
Gottlieb, Heinz-Dieter (2003): Rahmenverträge nach § 78 f Achtes<br />
Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII/Kinder- und <strong>Jugendhilfe</strong>).<br />
Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums<br />
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
Merchel, Joachim (2004): Inhaltsanalyse von Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
nach § 78b SGB VIII. z.T. veröffentlicht<br />
in „Recht der Jugend und des Bildungswesens“ 3/2004<br />
●● Wie aber lassen sich Hilfen zur Erziehung wirkungsorientiert<br />
qualifizieren?<br />
●● Was sind ausweisbare Wirkungen und ggf. auch<br />
Nebenwirkungen von erzieherischen Hilfen?<br />
●● Wie lassen sich diese transparent darstellen?<br />
●● Von wem und wie können Wirkungen erfasst werden?<br />
●● Auf welchen Weg lassen sich Ergebnisse solcher<br />
Hilfen in Finanzierungselementen abbilden?<br />
Diese und ähnliche Fragen stehen im Mittelpunkt<br />
des Bundesmodellprogramms „<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong>“ des Bundesministeriums für Familien,<br />
Senioren, Frauen und Jugend. In den Jahren 2006 –<br />
2009 wird im Zuge dieses Modellprogramms an 11<br />
Modellstandorten die Qualifizierung der Hilfen zur<br />
Erziehung durch wirkungsorientierte Ausgestaltung<br />
der Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
nach §§ 78a ff SGB VIII erprobt.<br />
Initiiert durch die Programmregiestelle der ISA<br />
Planung und Entwicklung GmbH fanden im Rahmen<br />
dieses Bundesmodellprogramms bereits eine Reihe<br />
von Workshops statt. Darüber hinaus wurden Gutachten,<br />
Analysen und Expertisen vergeben, um die<br />
sozialpädagogisch, juristisch und betriebswirtschaftlich<br />
relevanten Aspekte einer wirkungsorientierten<br />
Qualifizierung in den Blick zu nehmen.<br />
Durch die das Modellprogramm begleitende<br />
Schriftenreihe „<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong>“ wollen<br />
wir zentrale Impulse zur Positionsbestimmung,<br />
fachlich relevante Blickwinkel auf das Feld und Entwicklungen<br />
der Praxis veröffentlichen und einer interessierten<br />
Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen.<br />
Daneben informieren wir auf der Programmhomepage<br />
www.wirkungsorientierte-jugendhilfe.de über<br />
den weiteren Programmverlauf und die Bände der<br />
Schriftenreihe.<br />
4 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Der <strong>Band</strong> <strong>07</strong><br />
Dem Institut für soziale Arbeit als Programmregiestelle<br />
ist es wichtig, die Diskussion um die wirkungsorientierte<br />
Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung durch<br />
ihre fachliche und wissenschaftliche Begleitung zu<br />
fundieren. Aus verschiedenen fachlichen Positionen<br />
und Professionen heraus werden deshalb im Rahmen<br />
dieser Schriftenreihe zentrale Aspekte der Thematik<br />
beleuchtet und hinterfragt. Im hier nun vorliegenden<br />
<strong>Band</strong> VII „Finanzierungsmodelle im Kontext von<br />
wirkungsorientierter Steuerung der Hilfen zur Erziehung“<br />
werden zwei Expertisen, die im Zuge des Modellprogramms<br />
erstellt wurden, veröffentlicht. Diese<br />
beschäftigen sich mit den finanziellen Aspekten der<br />
wirkungsorientierten Steuerung und bringen dabei<br />
betriebswirtschaftliche bzw. rechtliche Perspektiven<br />
zum Tragen. Somit werden in diesem <strong>Band</strong> weitere<br />
Facetten des Bundesmodellprogramms diskutiert und<br />
die Empfehlungen die in den Expertisen beschrieben<br />
sind für die interessierte Öffentlichkeit bereitgestellt.<br />
Im <strong>Band</strong> VII beschäftigt sich zunächst Frank Plaßmeyer<br />
(IJOS) mit der Analyse bisheriger Finanzierungsmodelle<br />
sowie der exemplarischen Entwicklung neuer,<br />
zur wirkungsorientierten Gestaltung von Hilfe zur<br />
Erziehung, geeigneter Finanzierungsmodelle. Dazu<br />
beschreibt er zunächst verschiedene Entgeltkalkulationsverfahren<br />
und beschäftigt sich weiterhin mit Entstehungskosten<br />
im Rahmen der wirkungsorientierten<br />
Steuerung. In den beiden Hauptkapiteln stellt Frank<br />
Plaßmeyer dann verschiedene Leistungsentgeltsysteme<br />
vor und bewertet diese mit Blick auf die Kinderund<br />
<strong>Jugendhilfe</strong>. Einen wesentlichen Teil seines Beitrags<br />
widmet er dem Thema Anreizsysteme um dann<br />
abschließend Anforderungen an wirkungsorientierte<br />
Entgeltsysteme zu formulieren.<br />
Im zweiten Beitrag dieses <strong>Band</strong>es widmet sich<br />
Miriam Kohlmeyer (Con-sens) dem Thema „Ausgestaltung<br />
wirkungsorientierter Anreizsysteme in<br />
Vereinbarungen nach §§ 78 a ff.“ Im Wesentlichen beschäftigt<br />
Sie sich dabei zunächst mit einer Typisierung<br />
ergebnisorientierter Anreizsysteme und der Frage der<br />
Anwendbarkeit der einzelnen Typen im Bereich der<br />
Hilfen zur Erziehung. Im zweiten Teil ihres Artikels<br />
werden von der Autorin Empfehlungen zur Ausgestaltung<br />
ergebnisorientierter Anreizsysteme gegeben.<br />
Miriam Kohlmeyer schließt Ihren Beitrag ab mit dem<br />
Blick auf infrastrukturelle Voraussetzungen in der<br />
Kinder- und <strong>Jugendhilfe</strong> die aus Ihrer Sicht eine besondere<br />
Bedeutung haben damit Anbieter auf Anreize<br />
auch reagieren können.<br />
Mit dem <strong>Band</strong> VII der Schriftenreihe werden nun finanzielle<br />
Aspekte von Vereinbarungen zur Wirkungsorientierung<br />
in den Blick genommen, analysiert und<br />
aus der jeweiligen Sicht der AutorInnen bewertet. Der<br />
<strong>Band</strong> stellt somit eine notwendige Ergänzung des bisher<br />
behandelten Themenspektrums dar. Dieses Spektrum<br />
spannt sich nun mit dem vorliegenden <strong>Band</strong> VII<br />
von der wissenschaftlichen Begriffsklärung und den<br />
Überblicksdarstellungen des nationalen wie internationalen<br />
Forschungsstandes, über rechtliche Aspekte<br />
und die Auswertung von Praxisbeispielen bis hin zu<br />
den finanziellen Aspekten einer wirkungsorientierten<br />
Steuerung auf. Dabei ist es das Ziel dieses <strong>Band</strong>es die<br />
spezifischen Wissensbestände von betriebswirtschaftlich<br />
orientierten Beratungsunternehmen vor dem<br />
spezifischen fachlichen Hintergrund der Kinder- und<br />
<strong>Jugendhilfe</strong> zu reflektieren und Anregungen für eine<br />
gelingende Praxis zu liefern.<br />
Münster, im Januar 2009<br />
Stefan Eberitzsch M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für soziale Arbeit (ISA)<br />
Eberitzsch – Vorwort | 5
Analyse bisheriger und exemplarische Entwicklung<br />
innovativer Finanzierungsmodelle zur wirkungs-<br />
orientierten Gestaltung von Hilfen zur Erziehung<br />
(ambulant wie stationär)<br />
von Frank Plaßmeyer<br />
1 Einleitung<br />
Das Modellprogramm „<strong>Wirkungsorientierte</strong> Qualifizierung<br />
der Hilfen zur Erziehung“ des Bundesministeriums<br />
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
soll den pädagogischen Auftrag und die Finanzierungsstruktur<br />
der Hilfen zur Erziehung besser als<br />
bisher miteinander in Einklang bringen. Durch eine<br />
klare Ausrichtung von Leistungserbringung und deren<br />
Qualität auf die intendierte Wirkung der Hilfen<br />
sollen positive Effekte erzielt und unerwünschte Effekte,<br />
wie z. B. Mengenexpansion oder signifikante<br />
Kostensteigerungen vermieden werden. Eine wirkungsorientierte<br />
Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung<br />
soll die Kompatibilität von pädagogischem<br />
Auftrag und Finanzierung der Hilfen zur Erziehung<br />
verbessern.<br />
In der aktuellen Fachliteratur zum Thema Wirkungsorientierung<br />
werden zahlreiche fachliche und<br />
ökonomische Erwartungen an die Einführung wirkungsorientierter<br />
Leistungsentgelte geknüpft.<br />
Durch einen schrittweisen Umbau in Richtung<br />
wirkungsorientierte Leistungsentgelte (anstelle kostenorientierter<br />
Leistungsentgelte) sollen signifikante<br />
Kosteneinsparungen bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung<br />
und ökonomische Effizienzsteigerungen realisiert<br />
werden. Zudem geht es weiterhin um eine Reduzierung<br />
der Dokumentations- und Verwaltungskosten<br />
bei den Vereinbarungspartnern sowie um eine Abkehr<br />
von der politischen Bedarfsprüfung. 1<br />
Auf der Seite der Einrichtungsträger besteht die<br />
Hoffnung, dass mit der Einführung von wirkungsorientierten<br />
Entgelten eine größere Flexibilität bei der<br />
Leistungserbringung, eine Reduktion der Dokumentations-<br />
und Verwaltungsaufwendungen sowie ein<br />
höheres Maß an Bestandssicherheit (Risikominimierung)<br />
entstehen.<br />
Fachpolitik und Fachwissenschaft fordern darüber<br />
hinaus ein hohes Maß an Adressatenorientierung und<br />
Prävention. Durch eine stärkere präventive Ausrichtung<br />
der <strong>Jugendhilfe</strong> sollen bereits im Vorfeld schwerwiegende<br />
Bedarfs- und Problemlagen vermieden<br />
werden. Es geht um den konsequenten Ausbau niedrigschwelliger<br />
Hilfen und um die Verbesserung der<br />
örtlichen Lebensbedingungen für Kinder, Jugendliche<br />
und Familien. 2<br />
Im Rahmen des Bundesmodellprojektes wird es<br />
zur Aushandlung und Vereinbarung von wirkungsorientierten<br />
Leistungsentgelten kommen. Dabei wird<br />
sich zwangsläufig die Frage nach geeigneten Finanzierungssystemen<br />
stellen.<br />
1 Vgl. Halfar, Bernd, Ist es wirklich immer 5 vor 12? In: Maelicke,<br />
Bernd (Hg.), Finanzierung in der Sozialwirtschaft, Chancen<br />
und Risiken des Umbruchs, 2006, S. 106<br />
2 Vgl. Ketschau, Marcus, Innovative <strong>Jugendhilfe</strong>. Rahmenbedingungen,<br />
theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen,<br />
2004, S.43 f.<br />
6 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Kein in der Bundesrepublik Deutschland auf Landesebene<br />
abgeschlossener Rahmenvertrag nach § 78 f<br />
SGB VIII regelt zurzeit Bestandteile wirkungsorientierter<br />
Entgeltvereinbarungen. Die nach § 78 e (3) SGB<br />
VIII gebildeten Landeskommissionen haben den lokalen<br />
Akteuren an den Modellstandorten (Tandems,<br />
bestehend jeweils aus einem öffentlichen <strong>Jugendhilfe</strong>träger<br />
als Leistungsträger sowie Trägern von Einrichtungen<br />
als Leistungsanbieter) eine Erprobung von<br />
wirkungsorientierten Entgeltsystemen auch abweichend<br />
von bestehenden Regelungen ermöglicht.<br />
Mit Blick auch auf andere Bereiche des Sozialgesetzbuches<br />
halte ich es für eher unwahrscheinlich,<br />
dass im Rahmen des Bundesmodellprogramms zur<br />
„<strong>Wirkungsorientierte</strong>n Qualifizierung der Hilfen zur<br />
Erziehung“ völlig neuartige Entgeltssysteme zum Einsatz<br />
kommen werden. Vielmehr lassen sich im Bereich<br />
der Sozialwirtschaft bereits bestehende Entgeltsysteme<br />
mit einer wirkungsorientierten Komponente verknüpfen.<br />
Es geht um eine Optimierung des bestehenden<br />
Systems. Bei der Erarbeitung wirkungsorientierter<br />
Leistungsentgeltsysteme wird die Fachwelt mit<br />
einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auf bestehende<br />
Logiken und Erfahrungen zurückgreifen. <strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
Entgeltsysteme werden in höchst unterschiedlichen<br />
Formen und Ausprägungen entstehen<br />
und sind abhängig von regionalen Gegebenheiten. Es<br />
sei daran erinnert, dass der Paradigmenwechsel des<br />
§ 78 a – f und die nachfolgende Vereinbarung landesweiter<br />
Regelungen erst vor kurzer Zeit (< 10 Jahre)<br />
stattgefunden hat.<br />
Im Folgenden werde ich zunächst aus betriebswirtschaftlicher<br />
Sicht und auf einer abstrakten Ebene<br />
umfangreich auf mögliche Entgeltkalkulationsverfahren<br />
und daraus folgend auf bestehende Entgeltsysteme<br />
in der <strong>Jugendhilfe</strong> eingehen sowie deren Einsatzmöglichkeiten<br />
im Rahmen von wirkungsorientierten<br />
Entgeltvereinbarungen prüfen. Weiterhin werde ich<br />
auf Anreizsysteme als wirkungsorientiertes Element<br />
eingehen und abschließend Anforderungen an wirkungsorientierte<br />
Leistungsentgeltsysteme beschreiben.<br />
2 Entgeltkalkulationsverfahren<br />
Leistungsanbieter im Bereich der Erziehungshilfe benötigen<br />
das Instrument der Entgeltkalkulation um<br />
feststellen zu können, ob die Kosten von Erziehungshilfeleistungen<br />
durch das Leistungsentgelt gedeckt<br />
werden und welches die von der Kostenseite gesehene<br />
Preisgrenze für die zu erbringende Dienstleistung<br />
darstellt.<br />
2.1 Die Vorkalkulation als Bemessungsgrundlage<br />
der Entgeltvereinbarung<br />
Ein gängiges Verfahren ist die Vorkalkulation. Auf der<br />
Seite des Einrichtungsträgers erfolgt die Ermittlung<br />
von Leistungsentgelte i. d. R. im Rahmen einer Vorkalkulation<br />
durch Bewertung der sog. Entstehungskosten.<br />
Das Prinzip der Vorkalkulation berücksichtigt grundsätzlich<br />
prospektive Kostenbestandteile und Leistungsparameter.<br />
Der Einrichtungsträger übernimmt<br />
hierbei das betriebswirtschaftliche Risiko einer verlustbringenden<br />
Fehlkalkulation. Der Träger der Öffentlichen<br />
<strong>Jugendhilfe</strong> hat dem gegenüber für das Risiko<br />
einer zu aufwendigen Kalkulation einzustehen.<br />
Bei der Vorkalkulation unterscheidet man in der<br />
Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zwischen der<br />
Divisionskalkulation und der Zuschlagskalkulation<br />
unter Anwendung der Vollkostenrechnung sowie den<br />
Kalkulationsverfahren der Teilkostenrechnung. Für<br />
den Bereich der <strong>Jugendhilfe</strong> sind die Verfahren der Teilkostenrechnung<br />
und die Zuschlagskalkulation für die<br />
Ermittlung von Leistungsentgelten ohne Bedeutung.<br />
Ein weiteres, modernes Kalkulationsverfahren ist<br />
das Zielkostenmanagement. Divisionskalkulation<br />
und Zielkostenmanagement sollen im Folgenden näher<br />
vorgestellt werden. Ergänzend soll danach auf das<br />
eher konträr zu den üblichen vertikalen Vorkalkulationsverfahren<br />
stehende horizontale Marktpreisverfahren<br />
und auf weitere Praxisbeispiele eingegangen<br />
werden.<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 7
2.2 Die Divisionskalkulation<br />
Im Bereich der Hilfen zur Erziehung erfolgt die Ermittlung<br />
der Kosten je Betreuungstag i. d. R. im Rahmen<br />
einer Divisionskalkulation, wobei eine differenzierte<br />
Kostenartenrechnung als Grundlage dient. Die Gesamtkosten<br />
der Planperiode (Beantragungszeitraum)<br />
werden nach Abzug evtl. Nebenerträge durch die ermittelten<br />
Betreuungstage dividiert.<br />
2.3 Das Zielkostenmanagement<br />
Das Zielkostenmanagement wird auch als Target Costing<br />
oder Zielkostenrechnung bezeichnet. Es wurde in<br />
den 60er Jahren in Japan entwickelt. In den 90er Jahren<br />
hat sich diese Methode verstärkt auch in Europa, insbesondere<br />
im industriellen Bereich, als interdisziplinäres,<br />
markt- und teamorientiertes Kostenplanungs-,<br />
Steuerungs- und Kontrollinstrument durchgesetzt<br />
und einen hohen Stellenwert erlangt.<br />
Folgende Annahmen liegen dem Ansatz der Zielkostenrechnung<br />
zugrunde:<br />
●● Ein modernes Kosten- und Preismanagement muss<br />
seinen Ursprung in den Bedürfnissen der Kunden<br />
bzw. Adressaten haben<br />
●● Kostenstrukturen müssen konsequent an den Erfordernissen<br />
des Marktes ausgerichtet werden<br />
●● Nicht die individuellen Kosten bestimmen den<br />
Preis, sondern die aus der Konkurrenz resultierenden<br />
Preise bilden das Niveau der im Markt durchsetzbaren<br />
Kosten. Die Fragestellung „Was wird<br />
das Produkt kosten?“ (Technology-Driven Cost<br />
Management) wird ersetzt durch „Was darf das<br />
Produkt kosten?“ (Market-Driven Cost Management)<br />
Zielkostenmanagement ist ein umfassendes Bündel<br />
von Kostenplanungs-, Kostenkontroll- und Kostenmanagementinstrumenten,<br />
die schon in frühen Phasen<br />
der Produkt- und Prozessgestaltung zum Einsatz<br />
kommen, um die Kostenstrukturen und Leistungen<br />
frühzeitig im Hinblick auf die Marktanforderungen<br />
gestalten zu können. Bereits im frühen Stadium der<br />
Produktentwicklung werden dem Markt zusätzlich<br />
zu den technisch qualitativen Informationen auch<br />
wertmäßige, preisliche Informationen entnommen,<br />
die dann als zentrale Steuerungsgröße in der Produktund<br />
Prozessgestaltung Verwendung finden.<br />
Während bei Anwendung traditioneller Kostenrechnungssysteme<br />
eine passive ex post – Berechnung von<br />
Preisen bzw. Leistungsentgelten erfolgt, wird durch<br />
das Zielkostenmanagement ein aktives, handlungsbegleitendes<br />
Controlling im Sinne einer Feed – Forward<br />
– Steuerung möglich. 3<br />
Zielkostenmanagement ist einerseits funktionsorientiert,<br />
d. h. man kann die für die Kundenwahrnehmung<br />
wichtigen Produktfunktionen kostenmäßig<br />
beurteilen und auf mögliche Veränderungen reagieren.<br />
Andererseits nimmt es keine Rücksicht auf bestehende<br />
technologische und verfahrensorientierte<br />
Beschränkungen des Unternehmens. 4<br />
Die in der Erwerbswirtschaft am weitesten verbreitete<br />
Methode der Zielkostenfestlegung ist die<br />
Subtraktionsmethode (Market into Company). Bei<br />
diesem Top-down-Ansatz wird ausgehend von dem<br />
am Markt erzielbaren Absatzpreis ein Ziel- bzw. Plangewinn<br />
(Target Profit oder Target Margin) subtrahiert.<br />
Die Differenz wird als die vom Markt akzeptierten<br />
Kosten (Allowable Costs) bezeichnet. Die eigentlichen<br />
Zielkosten ergeben sich dann aus der Gegenüberstellung<br />
der vom Markt akzeptierten Kosten mit den<br />
Standardkosten (Drifting Costs) und stellen somit die<br />
Kosten unter den derzeit im Unternehmen angewandten<br />
Technologien und Verfahren dar. 5<br />
Bei der Additionsmethode (Out of Company) ergeben<br />
sich die Zielkosten ausgehend von der aktuellen<br />
Situation durch Ergänzung der Plankosten um<br />
einen Gewinnaufschlag im Bottom-up-Verfahren.<br />
Die Gegenstrommethode (Into and out of Company)<br />
stellt eine Kombination aus Top-down-Ansatz und<br />
Bottom-up-Verfahren dar und berücksichtigt sowohl<br />
vorhandene Kostenstrukturen als auch markt- und<br />
wettbewerbsspezifische Faktoren der Preisgestaltung. 6<br />
3 Vgl. Reiss, Hans-Christoph, Evaluation und Controlling. In:<br />
Merchel, Joachim (Hg), Qualität in der <strong>Jugendhilfe</strong>, 1998, S.<br />
408.<br />
4 Vgl. Buggert, Willi/Wielpütz, Axel, Target Costing, 1995, S.<br />
48.<br />
5 Vgl. Bea, Franz-Xaver/Haas, Jürgen, Strategisches Management,<br />
2001, S. 318.<br />
6 Vgl. Dinger, Helmut, Target Costing, 2001, S. 8 f.<br />
8 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Bei dieser Methode wird der Zielwert nicht allein aus<br />
dem Markt abgeleitet sondern in einem internen Zielvereinbarungsprozess<br />
erörtert.<br />
Zielkostenmanagement verbindet Fachverantwortung<br />
und Ressourcenverantwortung. Die Anwendung<br />
der Methode setzt auf Grund des funktionsübergreifenden<br />
Charakters die Installation von interdisziplinären<br />
Projektteams zwingend voraus.<br />
Die Gegenstrommethode scheint für die interne,<br />
einrichtungsspezifische Anwendung im Bereich der<br />
Erziehungshilfe am ehesten geeignet, da die Leistungsanbieter<br />
einerseits nicht in der Lage sind bzw.<br />
nicht beabsichtigen, die Preise am Markt zu diktieren<br />
und andererseits bestehende Kostenstrukturen nicht<br />
völlig außer Acht gelassen werden dürfen.<br />
2.4 Das Marktpreisverfahren<br />
Im Gegensatz zu den beschriebenen vertikalen Verfahren<br />
ist das horizontale Marktpreisverfahren zu sehen.<br />
Durch Urteil vom 14.12.2000 7 hat der 3. Senat des<br />
Bundessozialgerichts zu einem Schiedsstellenspruch<br />
in Niedersachsen über Vergütungen für stationäre Pflegeleistungen<br />
nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch<br />
(SGB XI) eine auch in anderen Leistungsfeldern des<br />
Sozialgesetzbuches beachtete Entscheidung getroffen.<br />
Sie betrifft die Bestimmung von leistungsgerechten<br />
Vergütungen und hebt insbesondere den Vorrang der<br />
Marktpreisbildung vor einer Selbstkostenorientierung<br />
und die Würdigung der Marktsituation durch externe<br />
Vergleiche hervor.<br />
Der Senat hat in seiner Urteilsbegründung verdeutlicht,<br />
dass die Höhe einer leistungsgerechten<br />
Vergütung für eine marktgerechte Pflegeversorgung<br />
in erster Linie über die Feststellung von regionalen<br />
Marktpreisen zu bestimmen ist.<br />
Eine Ausnahme vom Marktpreisverfahren ist nicht<br />
vorgesehen „...Es kommt mithin weder auf die Gestehungskosten<br />
des Anbieters noch auf die soziale oder<br />
finanzielle Lage des Nachfragers der Leistung an. Beides<br />
ergibt sich automatisch, da jede Partei sich im Rahmen<br />
ihrer finanziellen Möglichkeiten bewegen muss.<br />
Der Versuch, den Preis über den Betriebsaufwand zu<br />
ermitteln ist unzulänglich.“<br />
7 BSG-Urteil v. 14.12.2000 – B 3 P 19/00 R -<br />
Durch die Methode des „externen Vergleichs“ der<br />
Einrichtungen, sollen die Marktpreise, insbesondere<br />
im örtlichen Einzugsbereich, zum Vergleich herangezogen<br />
werden. Nur dann, „...wenn sämtliche in Betracht<br />
kommenden Vergleichseinrichtungen ...nicht<br />
dem zu fordernden Qualitätsstandard entsprechen,<br />
somit also von einer pflegerischen Unterversorgung<br />
gesprochen werden muss...“, wird ein Preisvergleich<br />
nicht zulässig sein.<br />
Trägerspezifische Parameter der Entgeltkalkulation,<br />
wie z. B. ein ungünstiger Alterskegel des eingesetzten<br />
Personals, besondere nicht für alle Träger von<br />
Einrichtungen geltende Tarifbedingungen oder übertarifliche<br />
Aufwendungen können dann grundsätzlich<br />
keine Berücksichtigung als besondere Gestehungskosten<br />
finden.<br />
Ausgehend vom Regelfall, der Anwendung des<br />
Marktpreisverfahrens, sieht das Bundessozialgericht<br />
die Methode der kostenorientierten Vergütungsermittlung<br />
als vertikale Vergleichsprüfung nur in Ausnahmefällen<br />
anwendbar. „Erst wenn ein üblicher<br />
Marktpreis nicht ermittelt werden kann, ...kann es von<br />
Belang sein, welche Kosten der Heimträger bei wirtschaftlicher<br />
Betriebsführung hat....“. Auch hier gilt wie<br />
bereits weiter oben dargestellt der Tatbestand einer<br />
pflegerischen Unterversorgung (d. h. sämtliche in Betracht<br />
kommende Einrichtungen entsprechen nicht<br />
dem Qualitätsstandard) als Ausschlusskriterium.<br />
Kurz zusammengefasst – das BSG-Urteil beinhaltet<br />
drei wesentliche Kernaussagen:<br />
1. Leistungsgerechte Entgelte sind in der Regel Marktpreise.<br />
2. Die Leistungsentgelte vergleichbarer Einrichtungen<br />
bestimmen den Marktpreis.<br />
3. Erst wenn ein Preisvergleich nicht möglich ist, sollte<br />
der tatsächliche Betriebsaufwand zur Leistungsentgeltfindung<br />
herangezogen werden.<br />
Im Anwendungsbereich des SGB XI werden, insbesondere<br />
unter dem Aspekt der noch ausstehenden<br />
wissenschaftlichen Würdigung von Vergleichskriterien<br />
(Prozess- und Ergebnisqualität), kontroverse Diskussionen<br />
geführt.<br />
Der externe Vergleich hat im Bereich des SGB XI<br />
dazu geführt, dass Einrichtungsträger oftmals tatsächlich<br />
vorhandene Kosten nicht mehr über ihre Pflegesätze<br />
refinanzieren können. In zahlreichen Schiedsstel-<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 9
lenverfahren kam es zu drastischen Entgeltkürzungen.<br />
Aktuelle Urteile des VG Leipzig 8 und des Hessischen<br />
Landessozialgerichtes 9 scheinen diese Entwicklung zu<br />
bremsen. Nach Auffassung des Hessischen Landessozialgerichtes<br />
schließen sich die Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip<br />
und eine Orientierung an real<br />
entstehenden Kosten nicht gegenseitig aus. Die Entstehungskosten<br />
bilden die Untergrenze der festzusetzenden<br />
Entgelte.<br />
Was heißt das nun für den Bereich der Erziehungshilfe?<br />
Für ein gerechtes Erziehungshilfe-Marktpreisverfahren,<br />
das nicht nur den Trägern der öffentlichen <strong>Jugendhilfe</strong><br />
sondern auch den Leistungserbringern und<br />
den Leistungsempfängern dienlich sein könnte, sind<br />
zwei Grundvoraussetzungen zu erfüllen:<br />
1. Standardisierung von Leistung und Qualität der<br />
Leistungsangebote<br />
2. Implementierung überörtlicher, differenzierter Vergleichsdatenbanken<br />
(Info-Kataloge).<br />
Eine Standardisierung von Erziehungshilfeleistungen<br />
ist aufgrund der vielfältigen Leistungsformen nur<br />
schwer zu realisieren und ohne das Vorhandensein regionaler<br />
und überregionaler Vergleichsdaten wird ein<br />
Marktpreisverfahren nicht funktionieren. In den wenigsten<br />
Bundesländern existieren differenzierte Erziehungshilfe-Statistiken,<br />
die ausgehend von individuellen<br />
und größtenteils auf örtlicher Ebene vereinbarten<br />
Leistungs- und Entgeltvereinbarungen repräsentative<br />
Aussagen über regionale Marktsituationen im Bereich<br />
der stationären Erziehungshilfe ermöglichen. Eine<br />
erste positive Entwicklung zeichnet sich durch die<br />
rahmenvertraglich vorgegebenen Info-Kataloge (wie<br />
z. B. in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz/Saarland und<br />
Mecklenburg-Vorpommern) und in ersten Ansätzen<br />
auch in Nordrhein-Westfalen ab.<br />
Der Info-Katalog in Niedersachsen soll z. B. die<br />
landesweite stationäre und teilstationäre <strong>Jugendhilfe</strong><br />
in ihrem Leistungsvermögen und ihren Entgeltstrukturen<br />
abbilden. Das Landesjugendamt, aber auch die<br />
öffentlichen und freien Anbieter von Erziehungshilfeleistungen<br />
sollen somit befähigt werden, unter vielfäl-<br />
8 VG-Leipzig, Urteil v. 9.02.2004 – Az.: 2 K 1430/0.<br />
9 Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 26.01.2006 – AZ.: L<br />
8/14/P 18/04.<br />
tigen Fragestellungen Auswertungen auf einen Zeitraum,<br />
auf eine Region, auf ein Leistungsangebot oder<br />
auf einen Kostenfaktor hin generieren zu können.<br />
Schon heute dient der Niedersächsische Info-Katalog<br />
auch der Bestimmung von Preiskorridoren und somit<br />
einer ersten Orientierung und Absicherung im Rahmen<br />
der Vereinbarung einrichtungsspezifischer Leistungsentgelte.<br />
10<br />
Bewertung:<br />
Die beschriebenen Vorkalkulationssysteme eignen sich ohne<br />
Ausnahme zur Ermittlung von Leistungsentgeltgrundlagen<br />
im Rahmen wirkungsorientierter Leistungsentgelte auf<br />
der Seite der Einrichtungsträger.<br />
Das oben dargestellte Marktpreisverfahren könnte aus Sicht<br />
der Träger der Öffentlichen <strong>Jugendhilfe</strong> ein geeignetes Modell<br />
zur Verortung von Leistungsentgelten sein, wenn die<br />
entsprechenden Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Es<br />
bleibt jedoch festzuhalten, dass die statistische Datenerfassung<br />
und Auswertung, sowie eine gewisse Vertrauenskultur<br />
zwischen den Trägern der öffentlichen <strong>Jugendhilfe</strong> und<br />
den Leistungserbringern wesentliche Grundvoraussetzungen<br />
für die Anwendung eines Marktpreisverfahrens auch<br />
in der Erziehungshilfe sind. Dies scheint in den meisten<br />
Bundesländern und Regionen zurzeit noch nicht der Fall<br />
zu sein.<br />
3 Entstehungskosten<br />
im Rahmen von<br />
Wirkungsorientierung<br />
Schröder 11 nennt im Zusammenhang mit der Vereinbarung<br />
wirkungsorientierter Entgelte auf der Grundlage<br />
des § 35a SGB VIII und der §§ 53 f. SGB XII zwei<br />
weitere, eher subjektive bzw. weiche Entgeltbemessungsgrundlagen,<br />
die im Wirkungsorientierungs-Projekt<br />
der Hansestadt Rostock entwickelt wurden:<br />
10 Vgl. Herzig, Bernd, Der Info-Katalog. In: Kröger, Rainer (Hg.),<br />
Leistung, Entgelt und Qualitätsentwicklung in der <strong>Jugendhilfe</strong>,<br />
1999, S. 2<strong>07</strong> ff.<br />
11 Vgl. Schröder, Jan, <strong>Wirkungsorientierte</strong> Verträge – Alltag im<br />
Jahr 2012? In: Maelicke, Bernd (Hg.), a.a.O., S. 182.<br />
10 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
●● Erfahrungswerte aus der Vergangenheit und<br />
●● Pauschale Honorare, die auf einer wertschätzenden<br />
Preisbildung beruhen.<br />
In der pädagogischen Fachdiskussion wird häufig die<br />
Meinung vertreten, dass wirkungsorientierte Entgelte<br />
zukünftig nicht mehr aus der Addition von Entstehungskosten<br />
resultieren, sondern das Ergebnis einer<br />
Werteinschätzung der Wirkungsziele sein sollen. 12<br />
Nicht Kosten sondern Wirkungen sollen den Preisen<br />
gegenüber stehen.<br />
In der Praxis sind wir von derartigen Zukunftsszenarien<br />
zurzeit noch weit entfernt. So gibt es beispielsweise<br />
auf der Seite der Einrichtungsträger zahlreiche<br />
wirtschaftliche Gründe (Going-Concern-Prinzip, Kfm.<br />
Vorsichtsprinzip, Risk-Management, Fürsorgepflicht<br />
bezüglich der eigenen MitarbeiterInnen, etc.) die es im<br />
Rahmen der Wirkungsorientierung zu berücksichtigen<br />
gilt und die auf der Seite der Einrichtungsträger Vorkalkulationsverfahren<br />
als Vorstufe bzw. Wirtschaftlichkeitskorrektiv<br />
noch unverzichtbar machen.<br />
Die zur Erbringung der Leistungen notwendigen<br />
Entstehungskosten im Rahmen von wirkungsorientierten<br />
Entgeltvereinbarungen, die auf „gleicher<br />
Augenhöhe“ erfolgen sollen, werden nach meiner<br />
Meinung auch zukünftig eine bedeutsame Rolle im<br />
Kontext von Leistungsentgeltvereinbarungen in der<br />
Erziehungshilfe spielen.<br />
Zu beachten ist das Problem der Leistungs- bzw.<br />
Wirkungsbemessung durch den „Kunden“. Das von<br />
Schröder 13 herangezogene Beispiel vom Fensterputzer<br />
soll dies verdeutlichen. Ein Fensterputzer erbringt<br />
eine nicht personenbezogene Dienstleistung. Es stellt<br />
sich die Frage, ob ein solcher Dienstleister dafür bezahlt<br />
wird, dass er die Fensterscheibe reinigt oder ob<br />
er dafür bezahlt wird, dass die Scheibe sauber wird.<br />
Dieses Beispiel diente im Rahmen des Bundesmodellprojektes<br />
„<strong>Wirkungsorientierte</strong> Steuerung in der<br />
Kommunalen Altenhilfe der Stadt Leverkusen“ zur<br />
Verdeutlichung des Begriffes Wirkungsorientierung.<br />
Für die Erbringung von personenbezogenen<br />
12 Vgl. ebenda., S. 183.<br />
13 Vgl. Schröder, Jan, Bundesmodellprojekt „<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
Steuerung in der kommunalen Altenhilfe der Stadt Leverkusen“.<br />
Zwischenbericht zum Abschluss der Phase I, August<br />
2001 – März 2002 des vom Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend geförderten Projektes, 2002, S. 34.<br />
Dienstleistungen im Bereich der erzieherischen Hilfen<br />
könnte man ähnlich fragen, ob nicht genauso wie bei<br />
der Auftragserteilung an einen Fensterputzer allein<br />
der Preis gezahlt werden sollte, der aus Sicht des Auftraggebers<br />
als glaubwürdig bzw. als entsprechender<br />
Gegenwert der zu erzielenden und auch gewünschten<br />
Wirkung gesehen wird. Nun wird es aber immer auch<br />
Situationen geben, in denen die zu reinigende Scheibe<br />
verdreckter ist als andere Scheiben und der erforderliche<br />
Reinigungsaufwand höher sein wird. Weiterhin<br />
wird es auch unterschiedliche Auffassungen zwischen<br />
Auftraggeber und Auftragnehmer bezüglich<br />
der Einschätzung eines monetären Gegenwertes für<br />
die erzielte Wirkung geben. Aus Sicht des Leistungserbringers<br />
gibt es einen betriebswirtschaftlich bedingten<br />
Grenzpunkt, ab dem sich die Leistungserbringung<br />
aus ökonomischen Gründen nicht mehr lohnt, da negative<br />
Deckungsbeiträge entstehen. Um diesen Punkt<br />
bestimmen zu können, sind Vorkalkulationsverfahren<br />
für den Bereich der Einrichtungsträger – auch im Zeitalter<br />
von wirkungsorientierten Entgeltvereinbarungen<br />
– unverzichtbar. Richtig ist, dass es dem Auftraggeber<br />
egal sein kann, wie hoch z. B. die Personalkosten<br />
für eine Verwaltungsmitarbeiterin des Fensterputzers<br />
sind. Aus Sicht des Leistungserbringers sind diese besonderen,<br />
zur Wirkungserbringung notwendigen Personalkosten<br />
dennoch real vorhanden und somit auch<br />
aus dessen Sicht zu refinanzieren.<br />
4 Rahmenvertragliche Rege-<br />
lungen nach § 78 f SGB VIII<br />
Die im Rahmen der Vorkalkulation ermittelten Entgeltbestandteile<br />
können nicht ohne weiteres in jede<br />
Entgeltverhandlung einfließen, da in nahezu allen<br />
Bundesländern überörtliche Vorgaben (Standards und<br />
Berechnungsarithmetik) der Rahmenvereinbarungen<br />
nach § 78 f SGB VIII zu beachten sind. Diese auf Landesebene<br />
zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden<br />
und den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege<br />
vereinbarten Rahmenverträge beinhalten ohne<br />
Ausnahme erhebliche Gestaltungsspielräume für die<br />
Träger der Freien und der Öffentlichen <strong>Jugendhilfe</strong>. Leider<br />
orientieren sich die meisten bestehenden Rahmenverträge<br />
nach § 78 f SGB VIII noch immer in vielen De-<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 11
tails am alten Recht. Das mit der Novellierung des SGB<br />
VIII durch den Prospektivitätsgedanken abgelöste<br />
Selbstkostendeckungsprinzip erweist sich somit nach<br />
wie vor als historisches Entwicklungshemmnis. Noch<br />
immer enthalten die zu erstellenden Leistungsentgeltkalkulationen<br />
oftmals:<br />
●● Statische Geltungszeiträume von verhandelten<br />
Leistungsentgelten (i. d. R. 12 Monate aber auch<br />
darüber hinaus),<br />
●● Kalkulatorische, angebotsübergreifende Mindest-<br />
●●<br />
auslastungsquoten,<br />
Angebotsübergreifende Mischkalkulationsformen,<br />
●● Komplizierte Pauschalsysteme zur Refinanzierung<br />
von AfA- und Instandhaltungsaufwendungen abweichend<br />
von den handels- und steuerrechtlichen<br />
Regelungen,<br />
●● Möglichkeiten der pauschalen Fortschreibung im<br />
Bereich der Substanzerhaltungsaufwendungen<br />
nach Baukostenindex (z. B. in NRW),<br />
●● Abwesenheitsregelungen,<br />
●● Sachkostenricht- bzw. Anhaltswerte,<br />
●● Personalkostenricht- bzw. Anhaltswerte,<br />
●● Orientierung an KGST-Richtwerten, basierend auf<br />
ausschließlich in einer Modellkommune erhobenen<br />
Werten und<br />
●● Möglichkeiten der pauschalen Fortschreibung von<br />
Leistungsentgelten.<br />
Bewertung:<br />
Wie bereits in der Einleitung genannt, regelt zurzeit kein<br />
in der Bundesrepublik Deutschland auf Landesebene abgeschlossener<br />
Rahmenvertrag nach § 78 f SGB VIII Bestandteile<br />
wirkungsorientierter Entgeltvereinbarungen. Dessen<br />
ungeachtet ist m. E. eine Anwendung rahmenvertraglicher,<br />
auf regionaler Ebene seit langem etablierter Standards auf<br />
örtlicher Ebene und das nachträgliche Aufsetzen wirkungsorientierter<br />
Elemente möglich. Ein unnötiger Standardabbau<br />
unter dem Deckmantel der Wirkungsorientierung<br />
könnte so vermieden werden.<br />
5 Leistungsentgeltsysteme<br />
Die folgenden Ausführungen dienen der Verständigung<br />
über mögliche Grundlagen eines leistungs- und<br />
wirkungsorientierten Entgeltsystems in der Erziehungshilfe.<br />
Die zurzeit in der Bundesrepublik Deutschland<br />
praktizierten Leistungsentgeltsysteme im Bereich der<br />
Hilfen zur Erziehung lassen sich zunächst in zwei<br />
Gruppen unterteilen:<br />
●● Leistungsentgelte basierend auf individuellen Kostenstrukturen<br />
●● Leistungsentgelte basierend auf Pauschalen,<br />
Durchschnitts- und Gruppenentgeltsätzen.<br />
5.1 Leistungsentgelte basierend auf<br />
individuellen Kostenstrukturen<br />
Bei den auf individuellen Kostenstrukturen basierenden<br />
Leistungsentgelten werden im Regelfall, unter<br />
Zugrundelegung der Daten aus dem Vorjahr und<br />
unter Einbeziehung der für den Kalkulationszeitraum<br />
prognostizierten Kosten, prospektive Leistungsentgelte<br />
ermittelt. In die Berechnungen fließen grundsätzlich<br />
prognostizierte Kostensteigerungsraten ein.<br />
Bei Anwendung einer individuellen Kostenbasis<br />
werden individuelle, einrichtungsspezifische Leistungsentgelte<br />
kalkuliert (Standardsystem im Bereich<br />
der stationären Hilfen zur Erziehung). Weiterhin besteht<br />
die Möglichkeit, abweichend von standardisierten<br />
Regelungen Sondervereinbarungen aufgrund einrichtungsspezifischer<br />
Betriebsstrukturen festzulegen.<br />
Diesen Vorteilen stehen aber auch Nachteile<br />
gegenüber. Zunächst einmal entstehen gegenüber der<br />
noch näher zu betrachtenden Gruppe der auf Pauschalen<br />
basierenden Leistungsentgelte signifikante<br />
Verwaltungsaufwendungen und sehr zeitaufwendige<br />
Entgeltverhandlungen. Das Verfahren bietet darüber<br />
hinaus wenig Anreize (bei Nichtberücksichtigung<br />
des Marktes), auf Ebene des Leistungserbringers Einsparungen<br />
durch eine wirtschaftliche und sparsame<br />
Haushaltsführung zu erzielen, auch wenn dies gemäß<br />
§ 78 (2) SGB VIII durch die vorgeschriebene Berücksichtigung<br />
der Grundsätze der Leistungsfähigkeit,<br />
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch den Gesetzgeber<br />
so vorgeschrieben wird.<br />
12 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Eine weitere Schwierigkeit ist in dem durch Öffentliche<br />
Träger der <strong>Jugendhilfe</strong> häufig geforderten<br />
Grad der Transparenz zu sehen. Öffentliche Träger<br />
der <strong>Jugendhilfe</strong> fordern seit langem größtmögliche<br />
Transparenz bezogen auf reale Kosten- und Leistungsbestandteile<br />
sowie Qualitätsstandards. So ist es<br />
beispielsweise im Bereich der Altenhilfe schon lange<br />
üblich, trotz gesetzlichem Prospektivitätsgebot reale<br />
Ist-Daten, bezogen auf Auslastung und Kosten, in den<br />
Kalkulationsnachweis mit einzubeziehen. Auch die<br />
nordrhein-westfälischen rahmenvertraglichen Regelungen<br />
nach §§ 78 a – f SGB VIII werden z. B. zukünftig<br />
eine Nachweisung von sog. verdichteten Ist-Daten<br />
im Rahmen der Kalkulation zwingend erforderlich<br />
machen.<br />
Leistungsentgelte, die auf individuellen Kostenstrukturen<br />
basieren werden unterschieden in:<br />
●● Einzelleistungsentgelte<br />
●● Teilpauschalierte Einzelleistungsentgelte<br />
●● Sonderentgelte<br />
Einzelleistungsentgelte beinhalten ausschließlich einrichtungsindividuelle<br />
Kostenstrukturen und beziehen<br />
sich in der Regel auf eine Standardleistung.<br />
Teilpauschalierte Einzelleistungsentgelte beinhalten<br />
als Mischform sowohl einrichtungsindividuelle<br />
Kostenstrukturen als auch vorgegebene Pauschalen,<br />
beispielsweise für Substanzerhaltung (sog. Substanzerhaltungspauschalen<br />
als Äquivalent für Instandhaltungsaufwendungen<br />
und Abschreibungen). Oftmals<br />
sind diese Pauschalen mangels Dynamisierung (Anpassung<br />
an die Kostenentwicklung) nicht mehr auskömmlich.<br />
In solchen Fällen ist die Rede von „eingefrorenen“<br />
Teilpauschalen.<br />
Sonderentgelte beziehen sich oftmals auf Zusatzleistungen<br />
(z. B. Reittherapie, Diagnostik, etc.) oder auf<br />
besondere Hilfebedarfe und deren spezifische Erfordernisse<br />
an eine geforderte Strukturqualität, die sich<br />
vom Standard absetzt.<br />
5.2 Leistungsentgelte basierend<br />
auf Pauschalen<br />
Bei den Leistungsentgelten, die auf Pauschalen basieren<br />
handelt es sich um Leistungsentgelte, die nicht<br />
aufgrund individueller Kostenstrukturen einer Einrichtung<br />
ermittelt werden.<br />
Solche Leistungsentgelte werden beispielsweise<br />
durch Modellrechnungen oder auf der Grundlage von<br />
Kostenstrukturen mehrerer vergleichbarer Einrichtungen<br />
(Gruppenleistungsentgelte) oder vergleichbarer<br />
Leistungen (Durchschnittsentgelte) ermittelt.<br />
Fallpauschalen, die auf Seite 21 betrachtet werden,<br />
fallen z. B. auch in die Kategorie der auf Pauschalen<br />
basierenden Leistungsentgeltformen.<br />
Als Vorteile von auf Pauschalen basierenden Leistungsentgelten<br />
gelten in der Fachliteratur:<br />
●● Geringerer Verwaltungs- und Verhandlungsaufwand<br />
gegenüber dem Einzelentgeltsatz<br />
●● Erhöhte Anreize zu wirtschaftlicher und sparsamer<br />
Haushaltsführung<br />
●● Gegenseitige Deckungsfähigkeit von Aufwandspositionen<br />
untereinander<br />
●● Keine notwendige Offenlegung der Kostenstruktur<br />
des Leistungserbringers gegenüber dem Öffentlichen<br />
Träger der <strong>Jugendhilfe</strong><br />
●● Wirtschaftliche Existenzabsicherung der Einrichtung<br />
durch vorgegebenen Sockelbetrag, der auf<br />
Durchschnittswerten basiert.<br />
Als Nachteile werden dem gegenüber hervorgehoben:<br />
●● Einrichtungsspezifische Kostenstrukturen werden<br />
nicht berücksichtigt. Hiermit ist gemeint, dass<br />
während die Einrichtung ihre Einnahmen nur in<br />
gewissen Punkten nach „behördlich“ vorgegebenen<br />
Bewertungsmaßstäben vergütet bekommt,<br />
sie umgekehrt ihre eigenen Ausgaben mit echtem<br />
Geld bezahlen muss (Risiko).<br />
●● In den meisten Fällen werden enge Mengen- und<br />
Leistungsvorgaben gemacht, die auf einem gewissen<br />
Misstrauen basieren und dementsprechend<br />
Kosten- und Qualitätsniveaus vorgeben.<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 13
Bewertung:<br />
Im Rahmen der Wirkungsorientierung erscheinen mir beide<br />
oben beschriebenen Leistungsentgeltsysteme anwendbar zu<br />
sein. Im Bereich der ambulanten und teilstationären Hilfen<br />
zur Erziehung wurde in den letzten Jahren ein eindeutiger<br />
Trend in Richtung pauschalenbasierter Leistungsentgelte<br />
(z. B. Kontraktmanagement) erkennbar.<br />
Tatsächliche Entstehungskosten werden hier oftmals im<br />
Durchschnitt (z. B. Median-Werte im Bereich der päd. Personalkosten)<br />
berücksichtigt und stellen annähernd sicher,<br />
dass durch eine Wirkungsfokussierung keine Bestandsgefährdung<br />
beim leistungserbringenden Vereinbarungspartner<br />
entsteht.<br />
5.3 Leistungsentgeltformen<br />
Leistungsentgelte sind i. d. R. Verrechnungssätze. In<br />
den meisten Fällen werden Leistungsentgelte auf<br />
einen Betreuungstag (Tagessatz) oder als eine Betreuungsstunde<br />
(Fachleistungsstunde) verrechnet. Größere<br />
Bemessungszeiträume (z. B. Wochen-, Monats-,<br />
Quartals-, Jahresentgelte) sind in den Hilfen zur Erziehung<br />
seltener zu finden.<br />
Im Folgenden werden die in der Erziehungshilfe praktizierten<br />
Leistungsentgeltformen näher beschrieben.<br />
Gängige Leistungsentgeltformen – auch in Kombination<br />
– sind:<br />
5.3.1 Tagesgleicher Leistungsentgeltsatz<br />
Beim Tagesentgeltsatz werden die kalkulierten Jahreskosten<br />
einer Hilfe zur Erziehung (Personalkosten,<br />
Sachkosten) auf einen Tag umgerechnet und durch die<br />
Anzahl der vereinbarten Betreuungsplätze geteilt. Die<br />
Kosten werden somit auf einen Platz und einen Tag abgerechnet.<br />
Um das allg. Auslastungsrisiko zu berücksichtigen,<br />
werden vorab im Rahmen der Kalkulation<br />
zusätzlich die Tage eines Jahres durch den sog. Auslastungsdivisor<br />
(Auslastungsgrad) dividiert, da eine<br />
Einrichtung ohne Warteliste aufgrund der Belegungsfluktuation<br />
und der daraus bedingten Verweilzeiten<br />
faktisch nicht zu 100 Prozent ausgelastet sein kann.<br />
In der Hansestadt Rostock wird im Rahmen der Umstellung<br />
auf wirkungsorientierte Vereinbarungen nach<br />
§§ 78 a ff. SGB VIII innerhalb der Entgelt- bzw. Vergütungsvereinbarungen<br />
der Tagessatz als eine von zwei<br />
Alternativen für die Basis der Entgeltermittlung be-<br />
14 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong><br />
nannt. Hier werden einzelfallbezogene, monatliche<br />
Entgelte vereinbart. Basis ist der „Tagessatz der Einrichtung<br />
in Höhe von x y z € multipliziert mit der Zahl der<br />
Werktage im Bezugsmonat. Eine Änderung von Art,<br />
Form und Umfang der vom Träger erbrachten Leistung<br />
während der Laufzeit dieser Vereinbarung führt in keinem<br />
Fall zur Veränderung des als Entgeltbemessungsgrundlage<br />
herangezogenen Tagessatzes.“ 14<br />
Als Begründung werden einerseits die bereits bestehenden<br />
(überörtlichen) Vereinbarungen genannt,<br />
die grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden sollten<br />
und andererseits die Vereinfachung der Abrechnungsmodalitäten<br />
durch Anwendung des Tagessatzes.<br />
In der Fachliteratur werden folgende Vorteile von tagesgleichen<br />
Leistungsentgeltsätzen beschrieben:<br />
●● Das „Standardsystem“ ist leicht verständlich und<br />
im Erziehungshilfebereich etabliert<br />
●● Vergleichbarkeit bei gleichwertigen Angeboten<br />
●● Niedrigschwellige und präventive Ansätze können<br />
durch eine entsprechende Hinzurechnung zu<br />
den o. a. Jahreskosten berücksichtigt werden. In<br />
diesem Fall würden die prospektiven Jahreskosten<br />
und die prospektiven „Präventivkosten“ addiert<br />
und auf einen Tag umgerechnet.<br />
Als Nachteile werden dem gegenüber hervorgehoben:<br />
●● Der Tagesentgeltsatz ist statisch (starr) und wird<br />
i. d. R. über einen längeren Zeitraum gezahlt.<br />
●● Gefahr der Fallausweitung (Mengenexpansion),<br />
die Entlassung des jungen Menschen stellt ein betriebswirtschaftliches<br />
Risiko dar.<br />
●● Kaum Anreize zur Verweildauerreduzierung, da<br />
für den Einrichtungsträger eine längere Verweildauer<br />
kostengünstiger ist und eine Verweildauerverkürzung<br />
bei gleich bleibender Auslastung zu<br />
höheren Kosten je Betreuungstag führt (Anlaufkosten).<br />
●● Mangelnder Kosten- und Leistungsbezug (Kostenungerechtigkeit)<br />
●● Tagesgleiche Entgeltsätze entsprechen nicht dem<br />
Kostenanfall im zeitlichen Ablauf<br />
14 Vgl. Schröder, Jan, <strong>Wirkungsorientierte</strong> Verträge – Alltag im<br />
Jahr 2012? In: Maelicke, Bernd (Hg.), a.a.O., S. 183.
●● Als Parameter der Einrichtungsleistung ungeeignet,<br />
da im Rahmen des Entgeltsatzes höchst unterschiedliche<br />
Leistungen subsumiert werden.<br />
●● Gefahr der Selektion (eher einfachere als schwierigere<br />
Fälle)<br />
Bewertung:<br />
Eine Anwendbarkeit im Rahmen der Vereinbarung wirkungsorientierter<br />
Leistungsentgelte ist grundsätzlich möglich,<br />
wie der Rostocker Modellversuch zeigt.<br />
5.3.2 Tagesentgeltsatz mit ergänzenden Zulagen<br />
Bei den Tagesentgeltsätzen mit ergänzenden Zulagen<br />
erfolgt eine Orientierung am Einzelfall durch Aufstockung<br />
des Tagesentgeltsatzes für spezielle, auf den<br />
Hilfebedarf bezogene Zusatzleistungen, die z. B. im<br />
Rahmen der Grundleistungen einer Einrichtung nicht<br />
erbracht werden können. Es handelt sich hierbei um<br />
spezifische erzieherische und/oder therapeutische<br />
Leistungen, die individuell auf besondere, zeitlich<br />
begrenzte Problemlagen und Hilfebedarfe eines bestimmten<br />
Kindes/Jugendlichen und/oder dessen Eltern<br />
ausgerichtet sind. Art und Umfang der Zusatzleistungen<br />
werden im Rahmen des Hilfeplanverfahrens<br />
nach § 36 SGB VIII festgelegt.<br />
Beispiele für Zusatzleistungen sind:<br />
●● Sondermaßnahmen im Schul- und Ausbildungsbereich<br />
im Sinne der Einzelförderung<br />
●● Individuell abgestimmte heilpädagogische Therapieformen<br />
und Maßnahmen<br />
●● Individuell abgestimmte psychotherapeutische<br />
Maßnahmen<br />
●● Therapeutische Einzelmaßnahmen bezogen auf<br />
die Eltern/Familie<br />
●● Heiminterne Ausbildung<br />
●● Heiminterne Schule<br />
●● Individuelle pädagogische Maßnahmen bei besonderen<br />
Gefährdungs- und Belastungssituationen.<br />
Zum Beispiel Erlebnispädagogik, Video-Home-Training<br />
mit den Eltern, familientherapeutisches Arbeiten,<br />
Elternbesuche in der Einrichtung, Ergotherapie,<br />
Logopädie, Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, psychologische<br />
Diagnostik, Einzelbetreuungsmaßnahmen<br />
(z. B. Begleitung in die Schule bei Problemen<br />
mit der Beschulbarkeit), Ausbildungskosten, Fahrtkosten<br />
zum Ausbildungsplatz oder zur Schule.<br />
Tagesentgeltsätze mit ergänzenden Zulagen haben<br />
i. d. R. einen klaren Vorteil:<br />
●● Höhere Vergleichbarkeit durch Trennung von Tagessatz<br />
und Zulagen<br />
Als Nachteile gelten folgende Punkte:<br />
●● Ungeeignet als Parameter der Einrichtungsleistung,<br />
da im Rahmen des Entgeltsatzes<br />
●● weiterhin höchst unterschiedliche Leistungen subsumiert<br />
werden.<br />
●● Siehe Nachteile von tagesgleichen Leistungsentgelten<br />
Bewertung:<br />
Eine Anwendbarkeit im Rahmen der Vereinbarung wirkungsorientierter<br />
Leistungsentgelte ist grundsätzlich möglich. Es<br />
erfolgt lediglich eine Abgrenzung von Zusatzleistungen.<br />
5.3.3 Degressiver Leistungsentgeltsatz<br />
Die Höhe des tagesbezogenen Entgeltsatzes sinkt mit<br />
zunehmender Verweildauer oder zunehmenden Alter<br />
des Klienten. Im Extremfall würde das Leistungsentgelt<br />
analog zum Hilfebedarf kontinuierlich (täglich,<br />
wöchentlich, monatlich oder in anderen Zeitabständen)<br />
angepasst.<br />
Folgende hauptsächliche Vorteile sind bekannt:<br />
●● Degressive Entgeltsätze kommen dem durchschnittlichen<br />
Hilfeverlauf sehr nahe<br />
●● Planungssicherheit für die Vereinbarungspartner<br />
Als Nachteile werden benannt:<br />
●● Hoher administrativer Aufwand<br />
●● Hoher Vereinbarungsaufwand<br />
●● Hoher Controllingaufwand beim Einrichtungsträger<br />
●● Hoher Verwaltungsaufwand für den öffentlichen<br />
Träger der <strong>Jugendhilfe</strong><br />
Bewertung:<br />
Grundsätzlich ist eine wirkungsorientierte Anwendung<br />
dieses im Vergleich zu Standardsystemen sehr aufwendigen<br />
Verfahrens denkbar. Entscheiden sich die Vereinbarungspartner<br />
für ein degressives Entgeltverfahren, so sind<br />
zwingend die Absenkungsmodalitäten und die Form der<br />
Kopplung am individuellen Hilfebedarf im Vorfeld zu vereinbaren.<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 15
5.3.4 Stufenentgelte, Phasenentgelte<br />
Stufenentgelte sind eine abgemilderte Form von degressiven<br />
Leistungsentgeltsätzen. Die Höhe des tagesbezogenen<br />
Entgeltsatzes sinkt stufenweise mit zunehmender<br />
Verweildauer. Das Leistungsentgelt wird<br />
analog zum Hilfebedarf bzw. zur erforderlichen Betreuungsintensität<br />
stufenweise angepasst.<br />
Solche Stufenentgelte finden beispielsweise in<br />
Nordrhein-Westfalen bezogen auf Mutter-/Vater-/<br />
Kind-Einrichtungen nach § 19 SGB VIII Anwendung.<br />
Für die ersten Wochen der Betreuung der schwangeren<br />
Jugendlichen, in denen erfahrungsgemäß der<br />
höchste Betreuungsaufwand besteht, wird analog zur<br />
erforderlichen Betreuungsintensität ein hohes Leistungsentgelt<br />
(Intensivangebot), danach ein mittleres<br />
Leistungsentgelt (Regelangebot) und in der Phase der<br />
Verselbstständigung schließlich ein niedriges Leistungsentgelt<br />
(Angebot mit niedrigerem Betreuungsbedarf)<br />
zur Auszahlung gebracht.<br />
Folgende Vorteile sind mit Stufenentgelten verbunden:<br />
●● Bezug des Leistungsentgeltes auf den aktuellen<br />
Hilfebedarf einer zeitlichen Phase<br />
●● Einfache Umsetzbarkeit<br />
●● Planbarkeit für beide Vereinbarungspartner<br />
Als Nachteile gelten dem gegenüber:<br />
●● Unmittelbare Kopplung an Hilfeplangespräche<br />
erforderlich, dadurch administrativ sehr aufwendig<br />
●● Zeitlich verzögerte Stufenanpassungen<br />
Bewertung:<br />
Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, der für eine Nichtanwendbarkeit<br />
von Stufenentgelten im Rahmen von Wirkungsorientierung<br />
steht. Wie beim oben beschriebenen<br />
degressiven Leistungsentgelt sind auch hier zwingend die<br />
Absenkungsmodalitäten und die Form der Kopplung am individuellen<br />
Hilfebedarf im Vorfeld zu vereinbaren.<br />
5.3.5 Sozialpädagogische Fachleistungsstunde<br />
Die sozialpädagogische Fachleistungsstunde gilt als<br />
innovatives Finanzierungsinstrument der neunziger<br />
Jahre. Insbesondere in den so genannten <strong>Jugendhilfe</strong>stationen<br />
in den neuen Bundesländern wurde das<br />
Instrument der Fachleistungsstunde zur Finanzierung<br />
von „flexiblen Hilfen aus einer Hand“ und somit als<br />
Ergänzung zu den traditionellen Finanzierungsformen<br />
eingeführt. Die Fachleistungsstunde findet zurzeit<br />
überwiegend Anwendung im Bereich der ambulanten,<br />
hilfeplangesteuerten Leistungen der Erziehungshilfe,<br />
sowohl einzelfallbezogen als auch gruppenbezogen.<br />
Im Bereich der stationären Erziehungshilfe wird<br />
die Fachleistungsstunde in der Regel als Instrument<br />
zur Finanzierung von Zusatzleistungen genutzt und<br />
im Einzelfall bewilligt.<br />
Das Instrument der Fachleistungsstunde bezieht<br />
sich ausschließlich auf die sozialpädagogische Aktivität,<br />
unabhängig von Leistungsinhalt und Leistungsorganisation.<br />
Deshalb können die verschiedensten<br />
Hilfen und Mischformen nach einheitlichen Kriterien<br />
finanziert werden. 15<br />
Die Erstattung der Kosten erfolgt über die tatsächlich<br />
in Anspruch genommene Stunde einer sozialpädagogischen<br />
Fachkraft. Der Fachleistungsstundensatz<br />
berechnet sich aus dem Quotienten von Bruttokosten<br />
pro Jahr (Personalkosten und Sachkosten) und den<br />
tatsächlich geleisteten Nettoarbeitsstunden pro Jahr<br />
zuzüglich eines Ausgleichszuschlags für fallspezifische<br />
Minderzeiten (z. B. Fahrzeiten, Verwaltungstätigkeiten,<br />
Vor- und Nachbereitung) und wird für jede geleistete<br />
Stunde abgerechnet.<br />
In der Fachliteratur werden zahlreiche Vorteile der sozialpädagogischen<br />
Fachleistungsstunde benannt. Die<br />
wichtigsten sind meiner Meinung nach:<br />
●● Orientierung am individuellen Hilfebedarf<br />
●● Hohe Flexibilität und Vernetzungsmöglichkeit<br />
●● Steuerungsmöglichkeiten durch öffentlichen Träger<br />
der <strong>Jugendhilfe</strong><br />
Als Nachteile gelten im Allgemeinen:<br />
●● Ein in der Regel hoher administrativer Aufwand<br />
(Dokumentation, Fakturierung)<br />
●● Durch Vermischung von realen Kosten und Durchschnittswerten<br />
(z. B. Anwendung von KGST-Richtwerten<br />
im Bereich der variablen und fixen Sach-<br />
15 Vgl. Kluge, Christiane, Lebensweltorientierte Erziehungshilfen<br />
beim Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung in Hamburg.<br />
Eine Standortbestimmung. In: Peters, Friedhelm/Trede,<br />
Wolfgang/Winkler, Michael (Hg), Integrierte Erziehungshilfen.<br />
Qualifizierung der <strong>Jugendhilfe</strong> durch Flexibilisierung und<br />
Integration? 2001.<br />
16 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
kosten) entsteht ein Kostendeckungsrisiko für die<br />
Seite des Einrichtungsträgers.<br />
Mangel an Transparenz und Leistungsgerechtigkeit<br />
Erhebliche Planungsunsicherheit bezüglich Fallaufkommen<br />
und Einnahmesituation beim freien<br />
Träger der <strong>Jugendhilfe</strong><br />
Unterschiedliche Abrechnungsverfahren bei Einzelfall-<br />
und Gruppenhilfen<br />
Schwierigkeit der Finanzierung von Maßnahmen,<br />
die teilweise einer anderen Finanzierungssystematik<br />
unterliegen (z. B. Vernetzung von stationären<br />
oder offenen mit ambulanten Maßnahmen) 16<br />
Tendenz zur Fallausweitung<br />
Bewertung:<br />
Das Instrument der Fachleistungsstunde gewährleistet ein<br />
hohes Maß an Effizienz und Effektivität für den Einzelfall<br />
und ist grundsätzlich als Finanzierungsinstrument im<br />
Rahmen von Wirkungsorientierung denkbar. Sie ist weiterhin<br />
das optimale Instrument zur Finanzierung von bedarfsgerechten<br />
und flexiblen Hilfen. Die Standards der Sozialraumorientierung,<br />
der Prävention und der Vermeidung<br />
von Fällen werden durch ihre Anwendung allerdings nur<br />
bedingt erfüllt. 17<br />
Die Fachleistungsstunde eignet sich auch als trägerübergreifende<br />
Verrechnungsgröße z. B. im Rahmen von<br />
Budgets. Dieses Vorgehen ist allerdings nicht unproblematisch.<br />
Im Rahmen des Modellprojektes zur Flexibilisierung<br />
erzieherischer Hilfen in Borken sollte beispielsweise für den<br />
Bereich der ambulanten flexiblen Hilfen ein einheitlicher<br />
prospektiver Kostensatz (basierend auf KGST – Richtwerten)<br />
als Verrechnungssatz in Form der sozialpädagogischen<br />
Fachleistungsstunde vereinbart werden. Dieses Vorhaben<br />
führte zu erheblichem Verhandlungsaufwand und konnte<br />
letztendlich nicht durchgängig umgesetzt werden. 18<br />
16 Vgl. Plaßmeyer, Frank, Die Finanzierung von „Flexiblen Erziehungshilfen“<br />
in Nordrhein-Westfalen. In: Landschaftsverband<br />
Westfalen-Lippe – Landesjugendamt (Hg.), Flexibilisierung erzieherischer<br />
Hilfen, 2000, S. 24 ff.<br />
17 Vgl. Ketschau, Marcus, a.a.O., S. 56 f.<br />
18 Vgl. Nagel, Monika, Die Finanzierung von „Flexiblen Erziehungshilfen“<br />
in Nordrhein-Westfalen. In: Landschaftsverband<br />
Westfalen-Lippe – Landesjugendamt (Hg.), Flexibilisierung erzieherischer<br />
Hilfen, 2000, S. 98 ff.<br />
5.3.6 Sonderentgelte<br />
Bei den Sonderentgelten werden kostenträchtige Leistungen<br />
gesondert kalkuliert und damit vom allgemeinen<br />
Entgeltsatz abgekoppelt. Beispiele hierfür sind:<br />
Intensive Einzelbetreuung, Betreuung im Ausland,<br />
etc.<br />
In der Fachliteratur werden den Sonderentgelten folgende<br />
Vorteile zugeschrieben:<br />
●● Durch Aufsatz auf das tagesgleiche Leistungsentgelt<br />
besteht eine hohe Vergleichbarkeit<br />
●● Risikominimierung für den Einrichtungsträger<br />
Als Nachteile gelten im Allgemeinen:<br />
●● Hoher Vereinbarungsaufwand<br />
●● Hoher Verwaltungsaufwand<br />
Bewertung:<br />
Eine Anwendbarkeit von Sonderentgelten könnte im Rahmen<br />
von Wirkungsorientierung immer dann als Ergänzung<br />
sinnvoll sein, wenn der individuelle Hilfebedarf ein<br />
Abweichen von der Grundkonzeption des Einrichtungsträgers<br />
bzw. der durchschnittlichen Betreuungsintensität erforderlich<br />
macht.<br />
5.3.7 Budgets<br />
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bezeichnet man mit<br />
dem Begriff Budget einen (in Geldgrößen) aufgestellten<br />
Plan der Einnahmen und Ausgaben in einem<br />
Unternehmen oder einem Teil des Unternehmens für<br />
einen bestimmten Zeitraum. Auf die juristische Implikation<br />
des Budgets gehe ich an dieser Stelle nicht ein.<br />
Budgets lassen sich nach verschiedenen Differenzierungsmerkmalen<br />
unterscheiden:<br />
●● Nach der Bezugsgröße (z. B. Regionen, Leistungen,<br />
Projekte, Einzellfallübergreifend,<br />
●● Einzelfallbezogen),<br />
●● Nach der Geltungsdauer (z. B. Monats-, Quartals-,<br />
Jahres-, Mehrjahresbudgets),<br />
●● Nach der Wertdimension (z. B. Gesamtbudget,<br />
Teilbudget, Deckungsbeitragsbudget,<br />
●● Kostenbudget),<br />
●● Nach dem Grad der Verbindlichkeit (z. B. starres<br />
Budget, Etat, flexibles bzw. elastisches Budget).<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 17
Im Rahmen von Kontraktmanagement und Sozialraumbudgetierung<br />
konnte die deutsche Erziehungshilfelandschaft<br />
bereits umfangreich mit regionalen<br />
Versorgungsverträgen, den sog. Sozialraumbudgets,<br />
vorwiegend im teilstationären und ambulanten Bereich,<br />
experimentieren.<br />
Nach Hinte 19 tragen Sozialraumbudgets u. a. dazu<br />
bei, dass Einrichtungsträger viel stärker daran interessiert<br />
sind, keine Fälle zu erhalten, sondern Fälle zu verhindern.<br />
Insofern beinhalten Sozialraumbudgets Anreize,<br />
Prävention zu betreiben beziehungsweise Fälle<br />
unterhalb der Ebene des § 27 SGB VIII zu bearbeiten.<br />
Im Jahre 2000 wurde z. B. in der Stadt Celle für<br />
den Bereich der ambulanten und teilstationären Erziehungshilfeleistungen<br />
ein trägerorientiertes, sozialräumliches<br />
Erziehungshilfebudget implementiert. Im<br />
Rahmen einer vertraglich abgesicherten Trägerkooperation<br />
übernahmen die im Bereich der erzieherischen<br />
Hilfen tätigen freien Träger die Verantwortung für die<br />
flexible Durchführung von allen ambulanten und teilstationären<br />
Hilfen zur Erziehung in der Stadt Celle.<br />
Hierfür erhielten die Träger ein treuhänderisch übertragenes<br />
Budget. Bezüglich der Budget-Koordination<br />
wurde vereinbart, dass diese durch die Trägerkooperationen<br />
verantwortet wird. Der Budgetrahmen wurde<br />
retrospektiv unter Zugrundelegung des abgestimmten<br />
Vorjahres-Rechnungsergebnisses ermittelt. Insgesamt<br />
wurden 95 % des Gesamtbudgets in zwei Teilbudgets<br />
(A: fallspezifische und fallübergreifende Leistungen für<br />
laufende und neue Erziehungshilfefälle; B: fallunspezifische<br />
Leistungen) zusammengefasst. Die Auszahlung<br />
der restlichen 5 % des Gesamtbudgets wurde abhängig<br />
gemacht von einem vierteljährlichen, sachgerechten<br />
Kostennachweis (3 %) und von entsprechenden Einzelnachweisen<br />
über die Art und den Umfang der geleisteten<br />
Hilfen (2 %). Weiterhin wurde ein Leistungsbonus<br />
in Höhe von 1 % des Gesamtbudgets vereinbart. Ein<br />
solcher Leistungsbonus ist für die Belohnung „ausweislich<br />
hervorragender Ergebnisse in der Ausführung<br />
der <strong>Jugendhilfe</strong>leistungen“ vorgesehen. Über die Bonus-Auszahlung<br />
entscheidet vereinbarungsgemäß der<br />
<strong>Jugendhilfe</strong>ausschuss der Stadt Celle. 20<br />
19 Vgl. Hinte, Wolfgang, Kontraktmanagement und Sozialraumbezug.<br />
Zur Finanzierung von vernetzten Diensten, veröffentlicht<br />
unter http://www.uni-essen.de/issab/publikat/kontrakt.htm<br />
(08.<strong>07</strong>.2006).<br />
20 Vgl. Koch, Josef u. a., Mehr Flexibilität, Integration und Sozial-<br />
Ein weiteres Beispiel für die Verbindung von<br />
Kontraktmanagement und Budgetierung und darauf<br />
aufsetzend der Ausschreibung beschreibt das Forschungsprojekt<br />
WANJA (Zentrum für Planung und<br />
Evaluation an der Universität Siegen). Hier wird,<br />
um den Anteil an „Schulbezogenen Hilfen“ in einem<br />
Stadtteil zu erhöhen, ein Bedarfsprofil entwickelt.<br />
Dieses wird hinsichtlich des Zielgruppenbezugs, der<br />
Maßnahmenmerkmale sowie seiner Wirkungsziele<br />
beschrieben und entsprechend budgetiert. Auf Basis<br />
dieser Zielvorgaben erfolgt nun eine Ausschreibung,<br />
welche den Trägern der Freien <strong>Jugendhilfe</strong> die Möglichkeit<br />
gibt, auf das Bedarfsprofil hin entsprechende<br />
Angebotsprofile zu entwickeln und sich als Leistungserbringer<br />
zu bewerben. 21<br />
Folgende Vorteile von Budgets werden in der Fachliteratur<br />
beschrieben:<br />
●● Höhere fachliche und wirtschaftliche Flexibilität<br />
für den Einrichtungsträger<br />
●● Eignet sich zur kurzfristigen Kostendämpfung<br />
●● Verlagert die Verantwortung für die Kostenkontrolle<br />
auf die Leistungserbringer<br />
●● Fach- und Finanzverantwortung liegen in einer<br />
Hand (dezentrale Ressourcenverwaltung)<br />
Als Nachteile werden überwiegend folgende Punkte<br />
genannt:<br />
●● Es besteht die Gefahr der Aushebelung des durch<br />
die §§ 5 und 36 gesetzlich vorgegebenen Wunschund<br />
Wahlrechtes<br />
●● Anreiz zur verfrühten Hilfebeendigung bzw. verfrühten<br />
Verselbständigung<br />
●● Es besteht die Gefahr, dass mit Implementierung<br />
eines Budgets eine Budgetdeckelung aufgrund<br />
eines bestehenden kurzfristigen Konsolidierungsbedarfes<br />
einhergeht. Das führt oftmals zu einer<br />
Nichtberücksichtigung fachlicher Notwendigkeiten<br />
und Implikationen. 22<br />
raumbezug in den erzieherischen Hilfen. Zwischenergebnisse<br />
aus dem Bundesmodellprojekt INTEGRA, 2002, S. 25.<br />
21 Projektgruppe WANJA, Handbuch zum Wirksamkeitsdialog<br />
in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Qualität sichern,<br />
entwickeln und verhandeln, 2000, S. 275.<br />
22 Vgl. Jordan, Erwin, Qualitätsentwicklung und Verwaltungsmodernisierung.<br />
Neue Herausforderungen an die <strong>Jugendhilfe</strong>planung.<br />
In: Jordan, Erwin/Schone, Reinhold (Hg.), Handbuch<br />
<strong>Jugendhilfe</strong>planung: Grundlagen, Bausteine, Materia-<br />
18 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
●● Ambivalente Wirkung durch Rationierungs- und<br />
Rationalisierungsmöglichkeiten (zurzeit bestehen<br />
in vielen Kommunen trotz individueller Rechtsansprüche<br />
Tendenzen zur Kontingentierung von<br />
Leistungen, dies hat z. B. Limitierungen von stationären<br />
Hilfen oder entsprechende Belegungsstopps<br />
zur Folge).<br />
●● Wenig Spielraum für Innovationen<br />
●● Risiko der Restrisikoübertragung auf den Einrichtungsträger<br />
(was ist, wenn das Budget aufgrund<br />
steigender Hilfebedarfe nicht auskömmlich<br />
ist?)<br />
Bewertung:<br />
Budgets wurden in der Erziehungshilfe bereits in zahlreichen<br />
Regionen und Variationen erprobt. Eine wirkungsorientierte<br />
Anwendung von Budgets scheint vorbehaltlich<br />
einer juristischen Prüfung umsetzbar zu sein. Möglicherweise<br />
stehen die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken<br />
einer wirkungsorientierten Anwendung im Wege.<br />
Grundsätzlich sollten Budgets in einem auskömmlichen<br />
Umfang (Budgethöhe) zur Verfügung gestellt werden. Finanzielle<br />
Spielräume sollten vorhanden sein. Weiterhin<br />
muss eine klare Zuständigkeitszuordnung erfolgen.<br />
5.3.8 Flexible Budgets<br />
Im Gegensatz zum einfachen Budget weist das flexible<br />
Budget einen anderen Verbindlichkeitsgrad auf.<br />
Unter Zugrundelegung der durch den Einrichtungsträger<br />
vorauskalkulierten Selbstkosten und der prognostizierten<br />
Auslastung wird ein Budget vereinbart.<br />
Das Budget wird i. d. R. nicht in einer Summe sondern<br />
in Form von Abschlagszahlungen bereitgestellt.<br />
Die Höhe der Abschlagszahlungen ergibt sich aus der<br />
Division des Budgets durch die voraussichtlichen Betreuungstage.<br />
Das Budget beinhaltet Anpassungsmechanismen,<br />
welche die absolute Höhe des Budgets im<br />
Zeitablauf beeinflussen.<br />
Im Krankenhausbereich wurden derartige flexible<br />
Budgets bereits mit der Neufassung der Bundespflegesatzverordnung<br />
im Jahre 1985 23 eingeführt. Die<br />
Flexibilität des Budgets kommt durch Anpassungsmechanismen<br />
in Form von Budgetanpassung und Erlösausgleich<br />
zustande.<br />
lien, 2000, S. 341. f.<br />
23 Bundespflegesatzverordnung vom 21.08.1985, BGBl. S. 1666.<br />
Bei einer Abweichung der realen Auslastung von<br />
der prognostizierten Auslastung wurde das Budget<br />
um einen variablen Kostenbestandteil in Höhe von<br />
25 % angeglichen. Begründet wurde die Budgetanpassung<br />
durch eine belegungsbedingte Abweichung der<br />
variablen Kosten von den vorauskalkulierten Kosten.<br />
Darüber hinaus wurde bei positiven Abweichungen<br />
der realen Auslastung von der vorauskalkulierten<br />
Auslastung ein Erlösausgleich fällig. „Da dem Krankenhaus<br />
jedoch wegen der Erhöhung der variablen<br />
Kosten ein um 25 % angepasstes Budget zustand,<br />
mussten nur 75 % der Mehreinnahmen ausgeglichen<br />
werden. 25 % der Mehreinnahmen standen zur Deckung<br />
der durch die Belegung erhöhten Kosten zur<br />
Verfügung. Für den Fall, dass die Belegung unterhalb<br />
der Kalkulation lag, verminderten sich die Einnahmen<br />
aus den Pflegesätzen. Da jedoch aufgrund von Einsparungen<br />
bei den variablen Kosten die Gesamtkosten um<br />
25 % sanken und das Budget in diesem Umfang angepasst<br />
wurde, betrug das tatsächliche Defizit nur 75 %<br />
der Mindereinnahmen. Für diesen Prozentsatz wurde<br />
eine Ausgleichszahlung vorgenommen. Durch diesen<br />
Ausgleich sollte der Anreiz genommen werden, vorhandene<br />
Betten zu belegen um höhere Erlöse zu erzielen.“<br />
24 Die Vereinbarungspartner waren grundsätzlich<br />
an das flexible Budget gebunden. Ein Ausgleich<br />
von Unterdeckungen oder Überschüssen aufgrund<br />
abweichender realer Selbstkosten von den kalkulierten<br />
Selbstkosten war ausgeschlossen. Einnahmeüberschüsse<br />
waren für den Ausgleich von Unterdeckungen<br />
anderer Jahre bzw. für die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit<br />
und Leistungsfähigkeit der Einrichtung<br />
vorgesehen.<br />
Das weiter oben beschriebene Celler Modell ist in<br />
gewisser Weise durch die Kopplung an die regionalen<br />
Sozialstrukturdaten ebenfalls als teilflexibles Modell<br />
anzusehen. Hier wurde vereinbart, dass ab einer<br />
bestimmten, durch Zuzug ausgelösten, Fallzahlerhöhung<br />
das Budget erhöht wird. 25<br />
In Stuttgart wurde ein umfassenderes Sozialraumbudget<br />
mit Nachverhandlungsmöglichkeit erprobt.<br />
Der zuständige öffentliche Träger der <strong>Jugendhilfe</strong> ver-<br />
24 Vgl. Igl, Gerhard, Einführung leistungsgerechter Entgelte bei<br />
der Hilfe in Einrichtungen nach dem Bundessozialhilfegesetz,<br />
1995, S. 28.<br />
25 Vgl. Koch, Josef u. a., a.a.O., S. 29.<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 19
einbarte in 10 sozialräumlich orientierten regionalen<br />
Bereichen mit jeweils einem Schwerpunktträger ein<br />
Gesamtbudget, das im Vorfeld ratenweise zur Auszahlung<br />
gebracht wird und das vom Leistungserbringer<br />
zu bewirtschaften ist. Im Rahmen dieses Budgets<br />
sind alle Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen<br />
für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfen<br />
für junge Erwachsene und Inobhutnahmen zu<br />
erbringen (Teilbudget A). Als Berechnungsgrundlage<br />
dienen fallbezogene Kosten der Vorperioden. Das<br />
Teilbudget B (6 % vom Teilbudget A) beinhaltet ausschließlich<br />
Anteile für fallunspezifische Tätigkeiten im<br />
Sozialraum. Den individuellen Rechtsansprüchen geschuldet<br />
wurde eine Deckelung des Budgets und eine<br />
leistungsbezogene Kontingentierung ausgeschlossen.<br />
Weiterhin vereinbarte man die Möglichkeit von Budget-Nachverhandlungen,<br />
beispielsweise aufgrund<br />
höherer Fallzahlen. Als Obergrenze für Kostensteigerungen<br />
sollte das Planziel von 2,15 % p. a. nicht überschritten<br />
werden. Im Rahmen des Budgets durch den<br />
Einrichtungsträger erwirtschaftete Überschüsse durften<br />
zweckgebunden beim Träger verbleiben. 26 Weiterhin<br />
wurde über das Gesamtbudget hinaus ein Leistungsbonus<br />
in Höhe von 1 % vereinbart.<br />
Als Vorteile flexibler Budgets gelten:<br />
●● Gute Steuerbarkeit<br />
●● Risikominimierung für den Einrichtungsträger<br />
Dem gegenüber sollten folgende Nachteile berücksichtigt<br />
werden:<br />
●● Gefahr der Bedarfsungerechtigkeit<br />
●● Eingeschränkte Planbarkeit für den öffentlichen<br />
Träger der <strong>Jugendhilfe</strong><br />
Bewertung:<br />
Ähnlich wie bei den starren Budgets scheint eine wirkungsorientierte<br />
Anwendung vorbehaltlich einer juristischen<br />
Prüfung umsetzbar zu sein. Auch hier sollten Budgets in<br />
einem auskömmlichen Umfang (Budgethöhe) zur Verfügung<br />
gestellt werden. Finanzielle Spielräume sollten vorhanden<br />
sein. Neben einer klaren Zuständigkeitszuordnung<br />
26 Vgl. Weißenstein, Regina, Erfahrungen mit dem Sozialraumbudget<br />
in der <strong>Jugendhilfe</strong>, veröffentlicht unter http://www.<br />
ev-akademie-boll.de/texte/online/doku/400904/Weißenstein.pdf.<br />
(08.<strong>07</strong>.2006).<br />
sollte im Vorfeld eine Einigung über mögliche Anpassungsmechanismen<br />
erfolgen.<br />
5.3.9 Komponentensystem (Modulares Entgelt)<br />
Das Leistungsentgelt enthält mehrere Entgeltkomponenten<br />
(z. B. ein Grundentgelt und eine klientenbezogenes<br />
Entgelt oder eine Unterteilung in Investitions-,<br />
Unterkunfts-, und Maßnahmeentgelt).<br />
Das Finanzierungsmodell für die <strong>Jugendhilfe</strong>stationen<br />
im Landkreis Tübingen beinhaltet ein Komponentensystem,<br />
das zunächst ausschließlich für den Bereich<br />
der ambulanten Hilfen Einzelfallfinanzierungen nach<br />
Fachleistungsstunden u. a. mit einem Budget für unspezifische<br />
Leistungen im Rahmen eines Budgets zur<br />
Sicherung der Infrastruktur (Infrastrukturbudget) in<br />
den jeweiligen Planungsräumen verbindet. Durch die<br />
Differenzierung zwischen fallspezifischen und fallunspezifischen<br />
Leistungen soll sichergestellt werden, dass<br />
unabhängig vom Einzelfall gewollte und für den Sozialraum<br />
notwendige Leistungen des Einrichtungsträgers<br />
(Prävention, Vernetzung) pauschal über die entstehenden<br />
Personalkosten, Sachkosten und Gemeinkosten<br />
abgerechnet werden. Neben der Abrechnung über eine<br />
so genannte „reduzierte“ Fachleistungsstunde für hilfeplangesteuerte<br />
Einzelfallhilfen und Gruppenangebote<br />
wurden zwei Budgets vereinbart: ein Budget zur Sicherung<br />
der Infrastruktur (Sachkosten, Gemeinkosten,<br />
Qualitätsentwicklung) inklusive einer Pauschalfinanzierung<br />
für fallübergreifende Leistungen und ein zweites<br />
Budget für Aktivitäten im Gemeinwesen. Durch dieses<br />
dreiteilige Komponentensystem wird gewährleistet,<br />
dass die individuellen Rechtsansprüche auf Hilfen zur<br />
Erziehung im Vordergrund stehen, sozialräumliche Indikatoren<br />
berücksichtigt werden und nicht die Gefahr<br />
besteht, dass ein vorhandenes Budget durch Deckelung<br />
gesteuert wird. Das Tübinger Finanzierungsmodell beinhaltet<br />
für beide Vereinbarungspartner einen hohen<br />
Grad an Planungssicherheit. Durch die Festlegung des<br />
Budgets zur Sicherung der Infrastruktur besteht zudem<br />
die Möglichkeit einer mittelfristigen Steuer- und<br />
Planbarkeit. 27<br />
In der Hauptsache findet man in der Fachliteratur folgende<br />
Vorteile modularer Entgeltsysteme:<br />
27 Vgl. Hamberger, Matthias, Abschlussbericht Bundesmodellprojekt<br />
INTEGRA im Landkreis Tübingen, 2003, S. 60 f.<br />
20 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
●● Differenzierung zwischen Basiskosten und klientenbezogenem<br />
Entgelt<br />
●● Hohe Vergleichbarkeit<br />
●● Planbarkeit<br />
Als wesentlicher Nachteil wird der hohe Kommunikations-<br />
und Vereinbarungsaufwand genannt.<br />
Bewertung:<br />
Auch ein modulares Entgeltsystem könnte im Rahmen von<br />
Wirkungsorientierung z. B. als Basis eines wirkungsorientierten<br />
Leistungsentgeltsystems genutzt werden. Bei meiner<br />
Prüfung ist mir – wie bei den anderen oben beschriebenen<br />
Leistungsentgeltformen auch – kein einziger negativer Punkt<br />
aufgefallen, der eine wirkungsorientierte und zugleich effiziente<br />
Hilfe zur Erziehung negativ beeinflussen könnte.<br />
5.3.10 Fallpauschalen<br />
Im Gegensatz zu zeitraumbezogenen Entgeltformen<br />
(z. B. tagesgleiche Entgeltsätze) beinhalten Fallpauschalen<br />
ausschließlich die Vergütung von Leistungen<br />
pro Fall. Sie können sowohl diagnosebezogen als auch<br />
maßnahmebezogen Anwendung finden.<br />
Fallpauschalen spielen in der aktuellen fachlichen<br />
und fachpolitischen Debatte eine große Rolle. Der<br />
Umbau des deutschen Gesundheitssystems schlägt<br />
zurzeit hohe Wellen.<br />
Seit 2003 finden Fallpauschalen im deutschen Gesundheitssystem<br />
Anwendung:<br />
Diagnosebezogene Fallgruppen (Diagnosis Related<br />
Groups = DRGs) sind die Basis des neuen<br />
Entgeltsystems in den Akutkrankenhäusern. Im<br />
DRG-System bezahlen die Kostenträger für jeden<br />
Behandlungsfall einen Pauschalpreis, der alle<br />
Leistungen einschließt. Dazu werden die Patienten<br />
anhand bestimmter Kriterien (die wichtigsten:<br />
Hauptdiagnose, Nebendiagnose, Komplikationen,<br />
Prozeduren, Operationen) nach möglichst homogenen<br />
Fallgruppen klassifiziert. Die Vergütung<br />
dieser DRGs soll leistungsgerecht und ressourcenbezogen<br />
erfolgen. Dazu werden zunächst von<br />
möglichst vielen Krankenhäusern die Kosten aller<br />
Behandlungsfälle gesammelt. Aus diesen Daten<br />
lassen sich dann durchschnittliche Fallkosten ermitteln.<br />
Danach werden nach der DRG-Gruppierung<br />
die durchschnittlichen Kosten für alle Fälle in<br />
einer DRG ermittelt. Der Quotient „Kosten DRG/<br />
Durchschnittskosten gesamt“ ergibt das Kostenoder<br />
Relativgewicht, das ausdrückt, um wie viel<br />
mehr oder weniger Kosten in dieser DRG gegenüber<br />
dem Durchschnitt der Grundgesamtheit angefallen<br />
sind. Der Pauschalpreis einer DRG ergibt<br />
sich dann aus einem Basisfallwert, multipliziert<br />
mit dem jeweiligen Kostengewicht. Der „Case-<br />
Mix“ ist die Summe aller Kostengewichte aller in<br />
einem Jahr in einem Krankenhaus behandelten<br />
Patienten und beschreibt somit das Leistungsvolumen<br />
eines Krankenhauses. Eine Maßzahl für den<br />
mittleren Schweregrad der behandelten Fälle eines<br />
Krankenhauses ist der „Case-Mix-Index“. Er berechnet<br />
sich durch Division des Case-Mix durch<br />
die Fallzahl. Die verpflichtende DRG-Einführung<br />
für alle Krankenhäuser (mit Ausnahme psychiatrischer<br />
Kliniken) erfolgte zum 1. Januar 2004. Die<br />
Einführungsphase (2003-2004) ist budgetneutral.<br />
Von 2005 bis Ende 20<strong>07</strong> (geplant) schließt sich die<br />
so genannte Konvergenzphase an. Dabei wird die<br />
krankenhausspezifische Vergütungshöhe schrittweise<br />
an ein landesweites Vergütungsniveau angepasst,<br />
und die Budgets werden abgeschafft.“ 28<br />
In aller Vorsicht sind folgende Vorteile von Fallpauschalen<br />
zu nennen:<br />
●● Hohe Flexibilität für den Einrichtungsträger<br />
●● Ein Mindestmaß an Planbarkeit ist gegeben<br />
Als Nachteile von Fallpauschalen werden oftmals genannt:<br />
●● Gefahr der Risikoselektion beim Einrichtungsträger<br />
●● Auf Seite des Leistungserbringers entsteht ein Anreiz,<br />
Vorhaltekosten für aufwendigere Leistungen<br />
abzubauen. Dies führt zu einer „Verarmung“ des<br />
Leistungsangebotes<br />
●● Gleichbehandlung von Ungleichem<br />
●● Bei Nichtberücksichtigung der Entstehungskosten<br />
besteht die Gefahr, dass Kinder- und Jugendliche<br />
wegen mangelndem finanziellen Anreiz benachteiligt<br />
werden<br />
28 Flintrop, Jens, DRGs. In: Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 41<br />
vom 08.10.2004, Seite A-2772/B-2348/C-224<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 21
●● Gefahr einer offenen bzw. versteckten Deckelung<br />
(Zurzeit besteht im Krankenhausbereich erhebliches<br />
Konfliktpotenzial aufgrund anstehender<br />
pauschaler Kürzungen des Budgets für Fallpauschalen)<br />
Bewertung:<br />
Für eine Bewertung bezüglich einer möglichen Verwendung<br />
von wirkungsorientierten Fallpauschalen in Form und Umfang<br />
der oben beschriebenen DRGs ist es eindeutig noch zu<br />
früh. Die Verwendung von einigen wenigen diagnosebezogenen<br />
Fallgruppen als Grundstock eines wirkungsorientierten<br />
Leistungsentgeltsystems erscheint mir aber durchaus<br />
denkbar zu sein.<br />
6 Anreizsysteme im Rahmen<br />
von Wirkungsorientierung<br />
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen<br />
und Jugend (BMFSFJ) hat im Rahmen des Modellprogramms<br />
zur wirkungsorientierten Qualifizierung<br />
erzieherischer Hilfen zu erkennen gegeben, dass im<br />
Rahmen des Projektes Anreizsysteme erprobt werden<br />
sollen.<br />
Ich greife zwei Begriffsdefinitionen aus der aktuellen<br />
Fachliteratur heraus:<br />
„Der Begriff Anreizsystem bezeichnet ganz allgemein<br />
die Gesamtheit der von einem Individuum oder<br />
von einer Gruppe gewährten materiellen und immateriellen<br />
Zahlungen, die für den Empfänger einen subjektiven<br />
Wert (Anreizwert, Befriedigungswert, Valenz,<br />
Nutzen) besitzen.“ 29<br />
„Anreizsysteme sind Mechanismen, die Betroffene<br />
und Akteure dazu veranlassen, wirkungsorientiert zu<br />
handeln“. 30<br />
Im Rahmen von Wirkungsorientierung verfolgen<br />
Anreizsysteme drei gleichrangige Ziele: Motivation,<br />
Risikotransfer und Steuerung wirkungsorientierten<br />
Verhaltens. Anreizsysteme können trägerorientiert<br />
oder trägergruppenorientiert gestaltet werden. Es geht<br />
um eine Ausrichtung aller am Hilfeprozess beteiligten<br />
auf eine klare Wirkungsorientierung.<br />
In der freien Wirtschaft werden angesichts des zunehmenden<br />
Innovations- und Kostenwettbewerbs bereits<br />
seit vielen Jahren Anreizsysteme eingesetzt. Sie<br />
sollen die eigene Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit<br />
erhöhen. Die Erfolgsbeteiligung (Beteiligung der<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Unternehmenserfolg)<br />
ist mittlerweile eine weit verbreitete Methode.<br />
Auch in der Sozialwirtschaft finden Erfolgsbeteiligungsmodelle<br />
und leistungsorientierte Vergütungsmodelle<br />
zunehmend Anwendung.<br />
In Anlehnung an Rinker 31 unterscheide ich folgende<br />
Gestaltungselemente von Anreizsystemen:<br />
●● Adresssatenkreis<br />
●● Wirkungsbemessungsgrundlagen und – Beurteilungsverfahren<br />
●● Anreizinstrumente und deren Anwendung<br />
●● Verknüpfung von Wirkung und Belohnung<br />
6.1 Adressatenkreis<br />
Zwischen den Vereinbarungspartnern ist zu klären,<br />
an wen sich die Anreize zur Erzielung von Wirkungen<br />
richten sollen. Im Bereich der <strong>Jugendhilfe</strong> kämen<br />
alle Stakeholder als Adressatenkreis infrage. Merchel<br />
32 nennt als mögliche Einflussnehmer auf die Qualität<br />
von <strong>Jugendhilfe</strong>leistungen folgende Interessenträger:<br />
●● Kind/Jugendlicher<br />
●● Personensorgeberechtigte (Familie)<br />
●● Träger der freien <strong>Jugendhilfe</strong><br />
●● Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (pädagogische<br />
Fachkräfte der Einrichtung)<br />
●● Allgemeine Öffentlichkeit<br />
29 Ackermann, Karl Friedrich, Anreizsysteme. In: Grochla, Erwin/Wittmann,<br />
Waldemar (Hg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft,<br />
1974, S. 156.<br />
30 Lehmann, Knut/Schneider, Gerd, Bausteine von Anreizsystemen<br />
und Voraussetzungen zur Einführung. In: Schröder, Jan<br />
(Hg.), Anreizsysteme in der sozialen Arbeit – ein Weg zur Wirkungsorientierung?,<br />
2001, S. 42.<br />
31 Rinker, Andreas, Anreizsysteme in Kreditinstituten. Gestaltungsprinzipien<br />
und Steuerungsimpulse aus Controllingsicht,<br />
1997.<br />
32 Vgl. Merchel, Joachim, Zwischen Effizienzsteigerung, Mitarbeiterentwicklung<br />
und Technokratisierung: Zum sozialpolitischen<br />
und fachpolitischen Kontext der Qualitätsdebatte in<br />
der <strong>Jugendhilfe</strong>. In: Joachim Merchel (Hg.), a.a.O., S. 28<br />
22 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
Evtl. überörtliche Träger der öffentlichen <strong>Jugendhilfe</strong><br />
Jugendamtsverwaltung/Sozialverwaltung<br />
Konkurrierende Einrichtungen<br />
Politiker/Parteien<br />
Evtl. Sponsoren oder andere Geldgeber<br />
ständigen. Grundsätzlich können drei Grundkomponenten<br />
in gleicher oder unterschiedlicher Gewichtung<br />
als Grundlage dienen:<br />
●● Anstrengungen des Einrichtungsträgers<br />
●● Leistung des Einrichtungsträgers<br />
●● Erfolg bzw. erzielte Wirkungen<br />
Auch wenn in Vereinbarungen anwendbarer Anreizsysteme<br />
zunächst der Träger der freien <strong>Jugendhilfe</strong> im<br />
Vordergrund stehen wird, könnte es durchaus sinnvoll<br />
sein, andere Partizipanten des Systems mit zu berücksichtigen.<br />
Warum sollten nicht auch die Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen des ASD oder die Familie des<br />
Hilfeempfängers in ein <strong>Wirkungsorientierte</strong>s Anreizsystem<br />
integriert werden?<br />
Letztendlich sind intendierte Wirkungen beim Hilfeempfänger<br />
auch abhängig vom Selbstverständnis und<br />
der Leistungsbereitschaft bzw. Leistungsfähigkeit des<br />
Jugendamtes, insbesondere seiner Mitarbeitenden.<br />
Folgende Grundhaltungen und Aktivitäten des Jugendamtes<br />
haben beispielsweise direkten bzw. indirekten<br />
Einfluss auf intendierte Wirkungen 33 :<br />
●● Personal-Qualifikationen<br />
●● Berücksichtigung von und Einmischung in benachbarte<br />
Politikfelder, entsprechend dem Auftrag<br />
der Verbesserung der Lebensverhältnisse benachteiligter<br />
Bevölkerungsgruppen,<br />
●● Beteiligungsorientierte <strong>Jugendhilfe</strong>planung<br />
●● Kooperations- und Konfliktkultur<br />
●● Fachliches Controlling zur Überprüfung der in der<br />
Hilfeplanung festgelegten Ziele<br />
●● Modernes Finanzcontrolling<br />
6.2 Wirkungsbemessungsgrundlagen<br />
und Wirkungsbeurteilungsverfahren<br />
Die Wirkungsmessung lässt sich in zwei Teilaspekte<br />
unterteilen, die Wirkungsbemessungsgrundlagen und<br />
das Wirkungsbeurteilungsverfahren.<br />
Die Vereinbarungspartner sollten sich zunächst auf<br />
einige wenige Wirkungsbemessungsgrundlagen ver-<br />
33 Vgl. Ketschau, Marcus, a.a.O., S. 69 f.<br />
Stehen die Grundkomponenten und deren Wertigkeit<br />
in einem wirkungsorientierten Vergütungs- und<br />
Wirkungsbewertungssystem fest, so kommen unterschiedliche<br />
Wirkungsbeurteilungsverfahren in Frage.<br />
Zu unterscheiden ist hierbei zwischen merkmalsorientierten<br />
Verfahren und aufgaben- und zielorientierten<br />
Verfahren.<br />
Merkmalsorientierte Verfahren erfassen wirkungsrelevante<br />
(Träger- bzw. Konzeptions-) Eigenschaften<br />
mittels bestimmter standardisierter Merkmalskataloge.<br />
Aufgaben- und zielorientierte Verfahren orientieren<br />
sich ausschließlich an den intendierten und vereinbarten<br />
Wirkungszielen. Eine zu hohe Komplexität<br />
und eine fehlende Nachvollziehbarkeit können das<br />
System gefährden.<br />
Für eine sinnvolle Wirkungsmessung sind darüber<br />
hinaus eine Differenzierung der Wirkungskriterien,<br />
z. B. nach Hilfe- oder Adressatenbereichen, die Erhebung<br />
und Bereitstellung der erforderlichen Kennzahlen<br />
und die Verständigung auf ein geeignetes Controlling-System<br />
erforderlich.<br />
Zur Übersetzung der festgestellten Wirkungen in<br />
monetäre Größenordnungen bzw. zur Einstufung von<br />
Wirkungsqualitäten- bzw. Wirkungsausprägungen<br />
eignen sich u.a. Zielwertsysteme und Punktwertsysteme.<br />
Zielwertsysteme können eindimensional oder<br />
mehrdimensional gestaltet werden. Im Rahmen von<br />
eindimensionalen Zielwertsystemen entsprechen erreichte<br />
Wirkungszielwerte z. B. einem Punktwert als<br />
Teil eines Gesamtpunktbudgets (Punktzahl z. B. 1<br />
Punkt von 100 Punkten). Den Punktwerten wird dann<br />
ein entsprechender monetärer Gegenwert zugeordnet<br />
(entspricht x EUR).<br />
Das ISS Frankfurt a. M. hat im sog. Mainzer Modell<br />
für den integrierten Beratungsstellenbereich (Ehe-, Familien-,<br />
Lebens- und Erziehungsberatung) ein Finanzierungssystem<br />
entwickelt, das ein komplexes, mehrdimensionales<br />
Punktwertsystem beinhaltet. Im Projektverlauf<br />
wurden zunächst Indikatoren erarbeitet,<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 23
die als Grundlage für finanzielle Zuschüsse dienen.<br />
Das Finanzierungssystem basiert auf der Grundsatzentscheidung,<br />
dass eine finanzielle Planungssicherheit<br />
für die Träger und durch Festlegung der Höhe des<br />
Finanzbudgets ein stabiler Finanzierungsrahmen (finanzielle<br />
Neutralität) gewährleistet sein muss. Hinzu<br />
kommt eine Wettbewerbskomponente (Wettbewerb<br />
der Besten). Je besser die Arbeit einer Beratungsstelle<br />
bewertet wird, um so höher soll der finanzielle Zuschuss<br />
ausfallen. Daraus resultiert ein entsprechender<br />
Wettbewerb zwischen den Beratungsstellen. Das festgelegte<br />
Budget wurde in ein Fixkostenbudget (80 %)<br />
und ein leistungsabhängiges, wirkungsorientiertes<br />
Budget (20 %) unterteilt. Die maximal zu erreichende<br />
Punktzahl, die ein Einrichtungsträger erreichen kann<br />
ist abhängig von der Qualität der Leistungen in bestimmten<br />
Bereichen. So wurden beispielsweise für<br />
den Bereich der Erziehungsberatung folgende Bewertungskriterien<br />
festgelegt 34 :<br />
●● Anteil der durch den ASD vermittelten Beratungsfälle,<br />
bei denen die Adressaten den Beratungsprozess<br />
aufgenommen haben<br />
●● Anteil der Beratungsfälle mit der Indikation „Kindeswohlgefährdung“,<br />
bei denen ein Erstgespräch<br />
innerhalb 48 Stunden erfolgt ist<br />
●● Anteil der langfristigen Beratungsfälle, bei denen<br />
mindestens ein Kontakt zu mindestens 3 Zeittakten<br />
in der Lebenswelt des Kindes stattgefunden hat.<br />
Je bewerteten Anteil erhält der Anbieter in diesem Modell<br />
eine entsprechende Punktzahl. Bessere Leistungen<br />
führen zu einem höheren Finanzierungsanteil.<br />
Bewertung:<br />
Bei der Vereinbarung von wirkungsorientierten Entgeltsystemen<br />
sollten in jedem Fall mehrdeutige Wirkungsziele<br />
vermieden werden. Weiterhin sollten keine Ziele vereinbart<br />
werden, die mehrere Einzelziele beinhalten. Vielmehr sollten<br />
angestrebt werden:<br />
●● Klar definierte, eindeutig interpretierbare Wirkungsziele<br />
●● Quantifizierbare Wirkungsziele<br />
●● Realistische, vom Einrichtungsträger realisierbare Wirkungsziele<br />
34 Vgl. Puhl, Achim, Wirkungsorientierung in Leistungsvereinbarungen<br />
– Mainz geht neue Wege. In: Maelicke, Bernd (Hg.),<br />
a.a.O., S. 186 ff.<br />
●● Einfach zu überprüfende Wirkungsziele<br />
●● Ein für alle Beteiligte verständliches Verfahren<br />
6.3 Anreizinstrumente und deren<br />
Anwendung<br />
Wenn sich die Vereinbarungspartner auf einen entsprechenden<br />
Adressatenkreis (Anreiz-Zielgruppe)<br />
und auf praktikable Wirkungsbemessungs- und beurteilungsverfahren<br />
verständigen konnten, sollte als<br />
nächstes eine Einigung über die notwendigen Anreizinstrumente<br />
erfolgen.<br />
Anreizinstrumente können sowohl materielle als auch<br />
immaterielle Anreize enthalten:<br />
Beispiele für materielle Anreize:<br />
●● Auskömmliche Refinanzierung für den Einrichtungsträger<br />
●● Erfolgsbeteiligung für Mitarbeiterschaft (Pädagogik<br />
u. Verwaltung)<br />
●● Planungssicherheit aufgrund langfristiger, dynamischer<br />
Verträge<br />
●● Wirkungsprämien (Bonuszahlungen)<br />
●● Sonstige monetäre Anreize<br />
●● Sachprämien (z. B. Studienreisen, Events)<br />
●● Bereitstellung von Anlagegütern (z. B. Kfz)<br />
●● Persönliche Budgets für Hilfeempfänger und Sorgeberechtigte<br />
Beispiele für immaterielle Anreize:<br />
●● Einbeziehung von pädagogischen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern in Fachprojekte<br />
●● Ermöglichung einer präventiven, anspruchsvollen<br />
Arbeit<br />
●● Anerkennung in der (Fach)-Öffentlichkeit<br />
Eine Verknüpfung von materiellen und immateriellen<br />
Anreizen ist grundsätzlich empfehlenswert.<br />
Im Folgenden werden in der Praxis bereits etablierte<br />
Anreizsysteme bzw. Erfolgsbeteiligungsmodelle<br />
vorgestellt und deren Einsatzmöglichkeiten im Rahmen<br />
von wirkungsorientierter Qualifizierung erzieherischer<br />
Hilfen geprüft.<br />
24 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
6.3.1 Bonus-Systeme<br />
Grundsätzlich sind Bonus-Systeme durch im Voraus<br />
festgelegte Mess- und Bezugsgrößen definiert. Zwischen<br />
dem ausgezahlten Bonus und den Bezugsgrößen<br />
bestehen im Vorfeld festgelegte Zusammenhänge.<br />
Bonussysteme beziehen sich in den meisten Fällen auf<br />
jährliche (Erfolgs)-Werte, die in der Vergangenheit liegen.<br />
Im Folgenden sollen unterschiedliche Bonus-Modelle<br />
vorgestellt und bewertet werden.<br />
6.3.1.1 Bonus-Malus-System<br />
Das Bonus-Malus-System ist ein verursacherorientiertes<br />
Prämiensystem. Über finanziell positive sowie finanziell<br />
negative Anreize sollen Verhaltens- bzw. Leistungsveränderungen<br />
erzielt werden.<br />
Grundsätzlich sind Bonus-Systeme durch im Voraus<br />
festgelegte Mess- und Bezugsgrößen definiert.<br />
Zwischen dem ausgezahlten Bonus und einem einzubehaltenen<br />
Malus bestehen im Vorfeld festgelegte<br />
Zusammenhänge. Bonussysteme beziehen sich meist<br />
auf jährliche (Erfolgs)-Werte, die in der Vergangenheit<br />
liegen.<br />
Zwischen Öffentlichem und Freien Träger der <strong>Jugendhilfe</strong><br />
werden z. B. Bonus-Malus-gekoppelte Zielvereinbarungen<br />
abgeschlossen. Bonus heißt Zuschlag<br />
und Malus heißt Abschlag. Werden die Zielvereinbarungen<br />
nicht erfüllt, kann der Öffentliche Träger der<br />
<strong>Jugendhilfe</strong> vom Einrichtungsträger einen finanziellen<br />
Ausgleich (Malus) fordern. Werden die Zielvereinbarungen<br />
überdurchschnittlich erfüllt, erhält der Einrichtungsträger<br />
einen Bonus.<br />
Formen von Bonus-Malus-Systemen in Anlehnung an<br />
Müller 35 sind:<br />
Extrem-Modell:<br />
Das gesamte Entgelt ist wirkungsabhängig und wird<br />
in Höhe des Wirkungserreichungsgrades ausgezahlt.<br />
Bei 100 % Wirkungserreichung werden 100 % und bei<br />
0 % Wirkungserreichung werden 0 % ausgezahlt.<br />
35 Vgl. Müller, Hardy, Ergebnisorientierte Vergütung medizinischer<br />
Leistungen: „Geld folgt Leistung“. In: Schröder, Jan<br />
(Hg.): Anreizsysteme in der sozialen Arbeit – ein Weg zur Wirkungsorientierung?,<br />
2001, S. 87.<br />
Paritäts-Modell:<br />
Das Entgelt beinhaltet eine Bonus-Malus-<strong>Band</strong>breite<br />
von 50 % und ein Grundentgelt in Höhe von 50 %. Bei<br />
0 % Wirkungserreichung werden nur das Grundentgelt<br />
ausgezahlt. Bei einem Wirkungserreichungsgrad<br />
zwischen 50 % und 100 % wird analog zum Wirkungserreichungsgrad<br />
ein Bonus (maximal 50 %) gezahlt.<br />
Misch-Form:<br />
Eine maximale Bonus-Malus-<strong>Band</strong>breite wird vereinbart<br />
(z. B. + 20 %/- 20 %). Im Falle der Wirkungserzielung<br />
wird ein Bonus, im Falle der Nichterfüllung ein<br />
Malus gezahlt.<br />
Sanktions-Modell:<br />
Ausgehend von einer vereinbarten Entgelthöhe erfolgt<br />
bei Nichterreichen der vereinbarten Wirkung ein<br />
prozentualer Abschlag.<br />
Ein Bonus-Malus-System wird beispielsweise im<br />
Rahmen des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz<br />
(AVWG) praktiziert, das zum 01.05.2006<br />
in Kraft getreten ist. Die Bonus-Malus-Regelung ist in<br />
diesem Fall eine im Sozialgesetzbuch V verankerte Regelung<br />
zur Kontrolle der Arzneimittelausgaben in der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung (die Vertragsärzte<br />
betrifft) um Ausgabensteigerungen im Bereich der<br />
Arzneimittelausgaben einzugrenzen. Durch Zielvereinbarungen<br />
soll vermieden werden, dass ohne medizinischen<br />
Grund teure Arzneimittel anstelle von langjährig<br />
bewährten und preisgünstigen Medikamenten<br />
eingesetzt werden.<br />
„Werden die Zielvereinbarungen überschritten,<br />
können die Krankenkassen vom Arzt einen finanziellen<br />
Ausgleich (Malus) verlangen. Bei mehr als 10 Prozent<br />
und bis zu 20 Prozent Überschreitung zahlt der<br />
Arzt 20 Prozent der Mehrkosten zurück, bei mehr als<br />
20 Prozent Überschreitung und bis zu 30 Prozent zahlt<br />
der Arzt 30 Prozent der Mehrkosten und bei noch höheren<br />
Überschreitungen 50 Prozent der Mehrkosten.<br />
Wenn die Ärzteschaft preisgünstiger verordnet, erhalten<br />
die Kassenärztlichen Vereinigungen, in denen<br />
preisgünstig verordnet worden ist, einen Bonus. Die<br />
Ausschüttung des Bonus erfolgt an die Kassenärztliche<br />
Vereinigung, so dass Missbrauch seitens der Ärzteschaft<br />
kontrolliert bzw. vermieden wird. Der Arzt ist<br />
also angehalten, auf die Preiswürdigkeit der von ihm<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 25
verordneten Arzneimittel zu achten. Dabei soll er sich<br />
an den Durchschnittskosten pro Tagesdosis orientieren.“<br />
36<br />
Im Bereich der Versicherungswirtschaft finden<br />
ähnliche Bonus-Malus-Systeme seit Jahrzehnten, z. B.<br />
im Bereich der KFZ-Haftpflichtversicherungen, Anwendung.<br />
Ziel ist, aus Sicht des Versicherers zu bezahlende<br />
Schäden zu reduzieren. Muss die Versicherung<br />
einen Schaden begleichen, so erhöht sich die<br />
Versicherungsprämie für den Versicherten. Bleibt der<br />
Versicherte aber eine gewisse Zeit unfallfrei und damit<br />
die Versicherung zahlungsfrei, so wird die Prämie<br />
reduziert.<br />
Als Vorteile von Bonus-Malus-Systemen gelten:<br />
●● Leistungsanreize durch Bonus-Gewährung im Erfolgsfall<br />
Dem gegenüber werden folgende Nachteile genannt:<br />
Demotivation bei nicht erzielten Wirkungen<br />
●● Hoher Vereinbarungsaufwand, da Einrichtungsträger<br />
aus Existenzabsicherungsgründen<br />
●● Malus-Vereinbarungen nur begrenzt akzeptieren<br />
können. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie<br />
viel Prozent des Entgeltes vom Wirkungserfolg<br />
abhängig gemacht werden können, damit im Falle<br />
einer Wirkungszielverfehlung nicht die Existenz<br />
der Einrichtung gefährdet ist.<br />
●● Es besteht die Gefahr, dass Leistungsentgelte aufgrund<br />
finanzieller Vorgaben nach unten hin flexibilisiert<br />
werden.<br />
Bewertung:<br />
Die Frage von Bonus-Malus-Regelungen ist eine zentrale<br />
Frage. Vor- und Nachteile von Bonus-Malus-Systemen im<br />
Rahmen von Wirkungsorientierung lassen sich m. E. nur<br />
vorläufig bestimmen. Stichhaltig ist die Einschätzung von<br />
Merchel 37 : „Bonus-Malus-Regelungen sind nur anwendbar<br />
bei eindeutig konstatierbaren Ergebnissen (Schulabschluss,<br />
Legalbewährung, Anzahl der Vermittlung in Pflegefami-<br />
36 http://www.die-gesundheitsreform.de/glossar/bonus_malus_system.html.<br />
(08.<strong>07</strong>.2006).<br />
37 Merchel, Joachim, Zur wirkungsorientierten Gestaltung von<br />
Vereinbarungen nach § 78 a. ff.. In: Schröder, Jan (Hg.): <strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
Gestaltung von Qualitätsentwicklungs-,<br />
Leistungs- und Entgeltvereinbarungen nach §78a ff.“; Expertengespräch,<br />
Dokumentation Bonn, 2002, S. 19.<br />
lien etc.). Damit fallen wichtige Wirkungsaspekte weg und<br />
es bestehen Schwierigkeiten, die Ergebnisse in ihrer Zeitdimension<br />
zu betrachten (Kurz- und Langfristigkeit von<br />
Wirkungen). Letztlich negieren Bonus-Malus-Regelungen<br />
die koproduktive und komplexe Struktur der Leistungserstellung.<br />
Dies erzeugt die Gefahr, dass Einrichtungen zu<br />
einseitigen Wirkungsdimensionierungen Zuflucht nehmen<br />
(„Schulabschluss über alles“), und es werden Abhängigkeitsverhältnisse<br />
der Einrichtungen vom Jugendamt erzeugt,<br />
die Risiken und Legitimationsprobleme einseitig beim<br />
Einrichtungsträger belassen und damit kooperative Bezüge<br />
erschweren.“<br />
Im Rahmen von wirkungsorientierten Anreizsystemen in<br />
der Erziehungshilfe könnten zum Beispiel sog. Rating-<br />
Systeme eine praktikable Lösung sein. Die Wirkungsqualität<br />
einer Einrichtung wird dann an ihren Ergebnissen<br />
und Wirkungen gemessen und klassifiziert. Sie orientiert<br />
sich nicht mehr an der Leistungsmenge. Ähnliche Systeme<br />
findet man bei Hotelklassifizierungen, Gastronomieführern<br />
oder Testberichten. Ein gutes Rating aufgrund erreichter<br />
Ziele und Wirkungen hätte u. U. positive Auswirkungen<br />
auf die zukünftige Belegung einer Einrichtung oder eines<br />
Dienstes. Ein schlechtes Abschneiden wäre im Sinne eines<br />
Malus zu verstehen.<br />
6.3.1.2 Bonus-System (Leistungsbonussystem)<br />
Das Bonus-System verzichtet vollständig auf negative<br />
Anreize und setzt ausschließlich auf einen Bonus als<br />
positiven Leistungsanreiz.<br />
Bevor man von einem „echten“ Bonus-System<br />
sprechen kann, ist im Vorfeld der Vereinbarung ein<br />
Nachweis erforderlich, um das Bonus-System von<br />
einem System abgrenzen zu können, das misstrauensbasiert<br />
einen Malus vorwegnimmt. Es sollte dargelegt<br />
und vereinbart werden, dass die Refinanzierung der<br />
erzieherischen Hilfe – der Höhe nach – nicht vorab<br />
mit einem sog. Misstrauensabschlag versehen worden<br />
ist. D. h. ein echter Bonus sollte immer auf bestehende<br />
Leistungsentgelte bzw. Budgethöhen aufsetzen.<br />
In der erwerbsorientierten Wirtschaft ist die Steuerung<br />
durch Bonifizierung bestimmter Produkte oder<br />
Produktgruppen üblich. Bonusanteile werden entsprechend<br />
der Zielvereinbarungen unterschiedlich gewichtet<br />
auf Produktgruppen verteilt. Dieses Verfahren<br />
bezeichnet man als Bonussplitting. Ein weiteres gebräuchliches<br />
Verfahren ist die Faktorenregelung. Hier<br />
werden einzelnen Produkten aufgrund ihrer vorher<br />
26 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
festgelegten Wertigkeiten und aufgrund ihrer Bedeutung<br />
zuvor vereinbarte Faktoren zugeordnet. Diese<br />
Faktoren werden dann mit dem Umsatz multipliziert<br />
um die Bonusanteile zu errechnen.<br />
Bonussysteme in der Erziehungshilfe können sich<br />
auf einen oder auf mehrere Träger, z. B. in einem Stadtteil,<br />
beziehen und auch Wettbewerbscharakter haben.<br />
(Sportlicher Aspekt; Wer hat aus Adressatensicht bzw.<br />
Kundensicht und hinsichtlich der vereinbarten Wirkungsziele<br />
die besten Ergebnisse vorzuweisen?).<br />
Im Rahmen von Wirkungsorientierung ist die Berücksichtigung<br />
der zeitlichen Dimension erforderlich.<br />
Diesbezüglich empfiehlt sich folgende Unterteilung:<br />
●● Grundentgelt<br />
●● Short Term – Bonus (kurzfristig)<br />
●● Long Term – Bonus (langfristig)<br />
Das Grundentgelt könnte als Basisentgelt zur Grundabsicherung<br />
und zur Risikominimierung beim Einrichtungsträger<br />
dienen. Auf der Seite des öffentlichen<br />
<strong>Jugendhilfe</strong>trägers werden <strong>Jugendhilfe</strong>kosten durch<br />
Festlegung von Grundentgelten relativ planbar. Im<br />
Bereich der personalintensiven und personenbezogenen<br />
Leistungen der Erziehungshilfe (der Jahresbruttopersonalkostenanteil<br />
liegt im Durchschnitt bei 80 %)<br />
sollte das Grundentgelt diesen Anteil von 80 % nicht<br />
unterschreiten. Neben der Festlegung eines Grundentgeltes<br />
sollte ein zeitliches Bonus-Splitting erfolgen.<br />
Ein Short-Term-Bonus könnte sich z. B. auf die Bereiche<br />
der Struktur- und Prozessqualität oder auf vereinbarte<br />
Leistungen beziehen. Ein Long Term – Bonus<br />
eignet sich grundsätzlich als wirkungsorientierte Bonus-Komponente,<br />
z. B. nach Beendigung der erzieherischen<br />
Hilfe und der vereinbarten Wirkungsbeurteilung.<br />
Die Gmündner Ersatzkasse vereinbart z. B. im Bereich<br />
der Proktologie eine dreijährige Garantie als sog.<br />
Long Term Bonus. Diese Garantie umfasst eine Behandlungsfreiheit<br />
des Patienten nach der Operation<br />
und die Zufriedenheit beim Patienten mit den jeweiligen<br />
Leistungs-erbringern. Nach Ablauf der Garantiezeit<br />
und nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises<br />
durch den Leistungserbringer wird der Garantiebetrag<br />
als zusätzliche Erfolgskomponente ausgezahlt.<br />
In der Hansestadt Rostock wurde vereinbart, dass<br />
erst gegen Ende der Laufzeit der Wirkungsvereinbarung<br />
überprüft werden soll, ob die Einführung eines<br />
Bonus-Systems sinnvoll ist oder nicht. 38<br />
Als Vorteile von reinen Bonussystemen sind in der<br />
Fachliteratur zu finden:<br />
●● Positive Leistungs- und Wirkungsanreize<br />
●● Leistungsanreize durch Bonus-Gewährung im Erfolgsfall<br />
●● Kurzfristige Kostendämpfung bei einem Bonus-<br />
Splitting durch zeitlich „nach hinten“ verlagerte<br />
Bonus-Zahlungen<br />
Dem gegenüber stehen folgende Nachteile:<br />
●● Hoher Vereinbarungsaufwand, auch hier stellt sich<br />
die Frage, wie viel Prozent des Entgeltes vom Wirkungserfolg<br />
abhängig gemacht werden können,<br />
damit im Falle einer Wirkungszielverfehlung nicht<br />
die Existenz der Einrichtung gefährdet ist.<br />
Bewertung:<br />
Ob die Anwendung von reinen Leistungsbonussystemen<br />
im Rahmen von wirkungsorientierter Erziehungshilfe sinnvoll<br />
ist kann noch nicht abschließend bewertet werden. Diese<br />
Frage wird im Rahmen des Bundesmodellprogramms zu<br />
klären sein.<br />
6.3.1.3 Cafeteria-System<br />
Ein Mix aus verschiedenen Anreizelementen ist das<br />
Cafeteria-System. Es stammt ursprünglich aus dem<br />
Bereich der betrieblichen Personalpolitik. Durch flexible<br />
Vergütungsbausteine erhalten Beschäftigte eines<br />
Unternehmens Gestaltungsspielräume bezüglich des<br />
ihnen zufließenden Outputs. Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter eines Unternehmens bekommen die Möglichkeit,<br />
Sozialleistungen und/oder übertarifliche<br />
Leistungen (Zusatzleistungen) aus einer vorgegebenen<br />
Alternativen-Palette auszuwählen. Die Vergütung<br />
der Beschäftigten erfolgt somit nicht mehr allein<br />
durch Entgeltzahlung, sondern auch durch alternative<br />
Leistungen in finanzieller und/oder nicht finanzieller<br />
Form.<br />
38 Vgl. Schröder, Jan, <strong>Wirkungsorientierte</strong> Verträge – Alltag im<br />
Jahr 2012? In Maelicke, Bernd (Hg.), a.a.O., S. 184.<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 27
Als Grundvoraussetzung für die Einführung eines<br />
Cafeteria-Systems gilt eine hinreichend grosse, finanzielle<br />
Manövriermasse. Weiterhin muss auf Seiten des<br />
Vergütungsempfängers ein individuell wahrnehmbarer,<br />
messbarer Zusatznutzen vorhanden sein.<br />
Bewertung:<br />
Solche Wahl- bzw. Cafeteria-Systeme ließen sich auch im<br />
Rahmen von wirkungsorientierten Leistungsentgelten im<br />
<strong>Jugendhilfe</strong>bereich anwenden. Die Vereinbarungspartner<br />
sollten jedoch im Vorfeld einen festen finanziellen Sockel als<br />
Grundstock und darauf aufsetzend Bestandteile eines wirkungsorientierten<br />
Cafeteria-Systems vereinbaren.<br />
6.4 Verknüpfung von Wirkung und<br />
Belohnung<br />
Anreizsysteme müssen aus meiner Sicht Regeln enthalten,<br />
nach denen die beim Adressaten festgestellte<br />
Wirkung in einen angemessenen Anreiz beziehungsweise<br />
eine adäquate Belohnung übersetzt werden<br />
kann.<br />
Als erstes ist zu vereinbaren, inwieweit das sog.<br />
Belegerportfolio zu berücksichtigen ist. D. h. es ist im<br />
Vorfeld festzustellen, welchen Anteil der nach § 78 e<br />
zuständige öffentliche Träger der <strong>Jugendhilfe</strong> an der<br />
Auslastung der Einrichtung beispielsweise in den<br />
vorangegangenen Wirtschaftsperioden hatte. Hier<br />
schließt sich die juristische Fragestellung an, ob auch<br />
wirkungsorientierte Entgelte, beispielsweise im stationären<br />
Erziehungshilfebereich, eine verbindliche Wirkung<br />
auf andere belegende Jugendämter haben und<br />
wie diese am wirkungsorientierten Vereinbarungsprozess<br />
zu beteiligen sind.<br />
Weiterhin ist zu klären, wer – als Person oder Institution<br />
– entgeltrelevante Wirkungsbewertungen<br />
überhaupt vornehmen darf. Empfehlenswert ist ein<br />
indirektes Bewertungsmodell, das eine Bewertung<br />
der Wirkung durch eine dritte Institution (z. B. ein paritätisch<br />
besetzter Partnerschaftsausschuss) vorsieht.<br />
Denkbar, aber auch schwieriger in der Umsetzung,<br />
wären direkte Bewertungsmodelle, die z. B. einem der<br />
Vereinbarungspartner bzw. beiden Vereinbarungspartnern<br />
zu gleichen oder ungleichen Teilen eine umfassende<br />
Bewertungsmacht zugestehen. Neben dem<br />
so genannten Beurteilungsverfahren ist eine Umrech-<br />
nungsformel oder Vergütungsfunktion erforderlich.<br />
Bei monetären Anreizen sind lineare, progressive oder<br />
degressive Funktionsverläufe denkbar. 39<br />
Ausschüttungen können entweder in direkter<br />
Form (z. B. durch Barabgeltung) oder indirekter Form<br />
erfolgen. Darüber hinaus sind auch kombinierte Formen<br />
mit Wahlmöglichkeit durch den Leistungserbringer<br />
möglich (Cafeteria-System).<br />
Darüber hinaus empfehle ich, den Ausschüttungszeitpunkt<br />
und die Ausschüttungsform verbindlich im<br />
Vorfeld zu vereinbaren. Im Rahmen der Leistungsentgeltverhandlung<br />
ist festzulegen, ob Auszahlungen<br />
bzw. Ausschüttungen unterjährig oder erst nach Abschluss<br />
einer Wirtschaftsperiode oder eines bestimmten<br />
Zeitraums (z. B. nach Ermittlung der Wirkungsergebnisse)<br />
erfolgen sollen.<br />
Weiterhin sollte geklärt werden, ob etwaige nicht<br />
ausgeschüttete Tantiemen im System verbleiben und<br />
beispielsweise auf die nächste Wirtschaftsperiode<br />
übertragen werden sollen oder ob eine Nichtausschüttung<br />
grundsätzlich kostensenkenden Charakter haben<br />
soll.<br />
Als Vorteile von Anreizsystemen gelten im Allgemeinen:<br />
●● Erhöhte Motivation beim Einrichtungsträger und<br />
deren Mitarbeitenden sowie bei den Adressaten<br />
●● Verstärktes Wirkungsdenken bei den Mitarbeitenden<br />
Mögliche Nachteile sind dagegen:<br />
●● Demotivation bei mangelnder Transparenz<br />
●● Durch Konzentration bestimmter Anreize auf einzelne<br />
Träger könnten andere Träger demotiviert<br />
werden.<br />
●● Evtl. Ausweitung des Budgets durch wirkungsorientierte<br />
Anreizvergütungen<br />
●● Kurzfristige Perspektive bei falsch gesetzten Anreizen<br />
●● Hoher administrativer Aufwand<br />
●● Gefahr der Leistungsminderung bei fehlerhaften<br />
Anreizsystemen 40<br />
39 ≈Vgl. Schröder, Jan, <strong>Wirkungsorientierte</strong> Verträge – Alltag im<br />
Jahr 2012? In Maelicke, Bernd (Hg.), a.a.O., S. 184.<br />
40 Vgl. Vormann, Christian, Anreize als Instrument der Unternehmensführung.<br />
Eine Einführung, 2005, S. 15.<br />
28 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Bewertung:<br />
Die Erprobung von Anreizelementen als fester Bestandteil<br />
wirkungsorientierter Entgeltsysteme ist grundsätzlich zu<br />
empfehlen. Die Implementierung von Anreizsystemen in<br />
bestehende Entgeltsysteme und –formen ist als wesentliche<br />
wirkungsabhängige Komponente im Rahmen von Entgeltsystemen<br />
zu sehen.<br />
Bei der Vereinbarung von wirkungsorientierten Leistungsentgeltssystemen<br />
ist es von großer Bedeutung, dass den Vereinbarungspartnern<br />
ausreichend Zeit zur Verfügung steht,<br />
das neue Verfahren zu erproben. Die Einführung erfordert<br />
viel Vorbereitung und einen hohen Kommunikationsaufwand<br />
und ist sehr zeitaufwendig. In der Regel ist aus dem<br />
Bereich der freien Wirtschaft bekannt, das für die Einführung<br />
von leistungsorientierten Vergütungssystemen ein Zeitraum<br />
von vier bis fünf Jahren benötigt wird. Erst dann ist das leistungsorientierte<br />
System auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten<br />
etabliert.<br />
Es empfiehlt sich, in einem vorher vereinbarten Übergangszeitraum<br />
einen „Trockenlauf“ durchzuführen. Vorhandene<br />
Wirkungsziele könnten z. B. mit Geld-Äquivalenten<br />
ausgestattet werden. Die Frage wäre dann: Welche<br />
Auswirkungen hätte das vereinbarte, wirkungsorientierte<br />
Leistungsentgeltsystem gehabt, wenn die Leistungs- und<br />
Entgeltvereinbarungen an Wirkungsziele geknüpft gewesen<br />
wären? Beide Vereinbarungspartner hätten bei einer solchen<br />
Vorgehensweise die Möglichkeit, dass System unverbindlich<br />
und risikofrei kennen zu lernen.<br />
Im Bundesmodellprojekt zur wirkungsorientierten Steuerung<br />
der Kommunalen Altenhilfe der Stadt Leverkusen einigte<br />
man sich ebenfalls auf ein „schrittweises Herantasten“.<br />
So wurde beispielsweise vereinbart, dass in der Anfangsphase<br />
des Projektes, zunächst ergebnisabhängig, entschieden werden<br />
sollte, ob die festgestellten Wirkungen sofort oder erst zu<br />
einem späteren Zeitpunkt entgeltrelevant sein sollten.<br />
Es macht wenig Sinn, wirkungsorientierte Verträge<br />
von Anfang an mit Sparzielen bzw. Budgetkürzungen zu<br />
verbinden. Im Rahmen des Bundesmodellprojektes“ <strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
Steuerung in der Kommunalen Altenhilfe<br />
der Stadt Leverkusen“ war es beispielsweise von zentraler<br />
Bedeutung, dass die Stadt Leverkusen sich verpflichtete, das<br />
Budget für Altenhilfeleistungen bis zum Ende des Projektes<br />
in der Gesamthöhe – ohne Kürzungen – zur Verfügung zu<br />
stellen. 41<br />
41 Vgl. Schröder, Jan, Bundesmodellprojekt „<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
Steuerung in der kommunalen Altenhilfe der Stadt Lever-<br />
7 Anforderungen an wirkungs-<br />
orientierte Entgeltsysteme<br />
Die von mir dargestellten Entgelt- und Anreizsysteme<br />
sind nahezu ohne Ausnahme wirkungsorientiert anwendbar<br />
und können den Vereinbarungspartnern auf<br />
regionaler Ebene als Bausteine für wirkungsorientierte<br />
Entgeltsysteme dienen. Grundsätzlich sollten folgende<br />
Mindestanforderungen berücksichtigt werden:<br />
a) Rechtliche Unbedenklichkeit<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem muss<br />
kompatibel zu den Bestimmungen des SGB VIII (insbesondere<br />
die §§ 74, 77, 78 ff., 91 f.) sein. In diesem<br />
Zusammenhang müssen individuelle Bedarfe und<br />
Rechtsansprüche anerkannt, erfüllt und finanziert<br />
werden.<br />
b) Verhältnismäßigkeit<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem muß<br />
wirtschaftlich sein. Einrichtungsträger und Jugendamt<br />
sollten sich im Vorfeld darauf verständigen, dass<br />
unwirtschaftliche Entgeltsysteme, bei denen die Aufwendungen<br />
der Gestaltung, Leistungsermittlung<br />
und – kontrolle in keinem wirtschaftlichen Verhältnis<br />
zu den resultierenden Wirkungszielen stehen, nicht<br />
im Interesse der Vereinbarungspartner sein können.<br />
Weiterhin sollte das Finanzierungssystem mit einen<br />
möglichst geringen Verwaltungs- und Organisationsaufwand<br />
handhabbar sein.<br />
c) Adressatenorientierung<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem muß<br />
konsequent adressaten- und lebensweltorientiert sein<br />
sowie präventive Elemente beinhalten.<br />
d) Qualitäts- bzw. Wirkungsoptimierung<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem sollte<br />
sowohl fallbezogene als auch fallübergreifende Anteile<br />
pädagogisch fachlicher Arbeit regeln sowie ein<br />
gewisses Maß an sozialraumbezogenen Tätigkeiten<br />
finanzieren.<br />
kusen“ – Zwischenbericht zum Abschluss der Phase I August<br />
2001 – März 2002 des vom Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend geförderten Projektes, 2002, S. 6.<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 29
e) Möglichkeit der Öffnung hin zu einem Nachfragemarkt<br />
für Hilfeempfänger<br />
Noch ist das persönliche Budget für Erziehungshilfeempfänger<br />
in weiter Ferne. Dennoch gibt es erste Ansätze<br />
in der <strong>Jugendhilfe</strong>, zum Beispiel im Bereich der<br />
Tageseinrichtungen für Kinder. <strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
Entgeltsysteme sollten m. E. so aufgebaut sein, dass<br />
sie mittelfristig eine Öffnung hin zu einem Nachfragemarkt<br />
für die Hilfeempfänger nicht von vornherein<br />
ausschließen (persönliches Budget, Selbstzahler,<br />
Gutscheinsysteme, etc.). <strong>Wirkungsorientierte</strong> Systeme<br />
sollten einer derartigen Entwicklung nicht im Wege<br />
stehen.<br />
f) Fachliche und finanzielle Gerechtigkeit<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem muß<br />
Aspekte von Risikoverteilungsgerechtigkeit, z. B.<br />
durch Mindestentgeltsicherung (Festlegung einer<br />
Basisausstattung) beinhalten. Wirkungsorientierung<br />
wird verpuffen, wenn sie allein als Instrument zur Deckelung<br />
bzw. Reduktion von finanziellen Mitteln im<br />
Bereich der Erziehungshilfe dienen soll.<br />
g) Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem soll<br />
dazu beitragen, dass Erziehungshilfeleistungen effizient<br />
und effektiv erbracht werden. Kostenminimierungsmöglichkeiten<br />
bezogen auf beide Vereinbarungspartner<br />
sollten ausgelotet werden.<br />
dürfen die Existenz von Einrichtungen und ambulanten<br />
Diensten der Erziehungshilfe nicht gefährden.<br />
j) Controlling<br />
Das beste wirkungsorientierte Entgeltsystem wird<br />
nicht ohne ein fachliches und betriebswirtschaftliches<br />
Controlling auskommen. Im Rahmen der wirkungsorientierten<br />
Entgeltvereinbarung sollten daher bereits<br />
frühzeitig geeignete Controllingverfahren abgestimmt<br />
und Zuständigkeiten und Verantwortungen definiert<br />
werden. Hierbei gilt: „Weniger ist mehr“! Der exzessive<br />
Aufbau von „Zahlenfriedhöfen“ sollte vermieden<br />
werden. Der Erfolg wirkungsorientierte Vereinbarungen<br />
wird maßgeblich von der Qualität der vereinbarten<br />
Controllingsysteme abhängig sein.<br />
Wenn es den Vereinbarungspartnern gelingt, die oben aufgeführten<br />
Anforderungen an wirkungsorientierte Leistungsentgeltsysteme<br />
konsequent zu erfüllen, wäre der Weg<br />
frei für eine ehrliche Wirkungsorientierung ohne Verlierer.<br />
Dem Hilfeempfänger könnte noch mehr Aufmerksamkeit<br />
entgegengebracht werden.<br />
h) Planungssicherheit<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem sollte<br />
beiden Vereinbarungsparteien ausreichend Planungssicherheit<br />
(Haushaltsplanung, Wirtschaftsplanung,<br />
etc.) für einen gemeinsam vereinbarten Planungszeitraum<br />
geben.<br />
i) Anreizintegrierung<br />
Das wirkungsorientierte Leistungsentgeltsystem sollte<br />
letztendlich ein Anreizsystem beinhalten, welches<br />
nicht nur den Einrichtungsträger in den Blick nimmt,<br />
sondern auch das Koproduzententum im Bereich der<br />
<strong>Jugendhilfe</strong> würdigt und monetär berücksichtigt.<br />
Unwirtschaftliche Anreizsysteme, bei denen die Aufwendungen<br />
der Gestaltung, Leistungsermittlung und<br />
– kontrolle, in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu<br />
den resultierenden Wirkungszielen stehen, sind nicht<br />
im Interesse der Vereinbarungspartner. Anreizsysteme<br />
30 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
8 Anlagen<br />
In der Anlage 1 habe ich einen ersten Versuch unternommen,<br />
alle o. a. Leistungsentgeltformen miteinander<br />
zu vergleichen. Die Tabelle soll den Vereinbarungspartnern<br />
einen Überblick über geeignete Entgelt- und<br />
Bonus-Systeme verschaffen. Hierzu habe ich folgende<br />
Vergleichsfelder herangezogen:<br />
1. Vereinbarungsaufwand<br />
2. Vergleichbarkeit<br />
3. Kostendeckungsrisiko<br />
4. Planbarkeit<br />
5. Verwaltungsaufwand<br />
6. Controllingaufwand<br />
7. Umsetzbarkeit<br />
8. Leistungstransparenz<br />
9. Flexibilität bei der Hilfeerbingung<br />
10. Kostentransparenz<br />
11. Möglichkeit der Erweiterung um niedrigschwellige<br />
Ansätze<br />
12. Fallausweitungsgefährdung<br />
bei vereinfachend ausgeklammert.<br />
Für alle Leistungsentgeltformen und Bonus-Systeme<br />
wurde ein Rating durchgeführt. Im Ergebnis schneiden<br />
z. B. Tagessätze sehr viel besser ab als flexible<br />
Budgets, da die Vereinbarungsaufwendungen, die<br />
Verwaltungsaufwendungen und die Controllingaufwendungen<br />
beim flexiblen Budget signifikant höher<br />
sind.<br />
Bei den Bonus-Systemen schneiden reine Bonus-<br />
Systeme, die vollständig auf negative Anreize verzichten<br />
– wie von mir auf Seite 25 ff. ausführlich dargestellt<br />
– am besten ab.<br />
Weiterhin habe ich die o. a. Bonus-Systeme miteinander<br />
verglichen. Die Vergleichsfelder 1-7 wurden hier-<br />
Frank Plaßmeyer, M.A., Dipl. Betriebswirt, Jahrgang 1964, Studium der Betriebswirtschaftslehre sowie des Ma-<br />
nagements von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Geschäftsführender Gesellschafter der IJOS GmbH<br />
Institut für Jugendrecht, Organisationsentwicklung und Sozialmanagement, Externer Experte im Bundesmo-<br />
dellprogramm „<strong>Wirkungsorientierte</strong> Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung“.<br />
Plaßmeyer – Analyse und Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle | 31
Anlage 1<br />
Analyse bisheriger und exemplarischer Entwicklung innovativer Finanzierungsmodelle zur wirkungsorientierten<br />
Gestaltung von Hilfen zur Erziehung (ambulant wie stationär)<br />
Rating-Tabelle:<br />
Leistungsentgeltformen<br />
und Bonus-Systeme<br />
Vergleichsfelder<br />
Vereinbarungsaufwand<br />
Vergleichbarkeit<br />
Kostendeckungsrisiko<br />
Planbarkeit<br />
Verwaltungsaufwand<br />
Controllingaufwand<br />
Umsetzbarkeit<br />
Leistungstransparenz<br />
Flexibilität bei der Hilfeerbringung<br />
Kostentransparenz<br />
Möglichkeit der Erweiterung um<br />
niedrigschwellige, präventive Ansätze<br />
Fallausweitungsgefährdung<br />
Leistungsentgeltformen<br />
Rating<br />
1 Tagesgleicher Leistungsentgeltsatz 3 3 2 3 3 2 2 4 3 4 2 5<br />
2 Tagesentgeltsatz mit ergänzenden Zulagen 3 2 2 2 3 3 3 4 3 4 2 5<br />
3 Degressiver Leistungsentgeltsatz 5 4 4 4 5 5 5 3 3 3 2 2<br />
4 Stufenentgelte/Phasenentgelte 3 3 2 2 4 4 3 3 3 4 2 4<br />
5 Sozialpädagogische Fachleistungsstunde 3 3 5 3 4 4 3 3 3 3 2 4<br />
6 Sonderentgelte 4 3 2 4 4 3 3 3 3 3 3 4<br />
7 Budgets 4 3 4 2 4 5 3 3 2 5 1 2<br />
8 Flexibles Budget 5 3 3 4 4 5 3 3 2 5 1 2<br />
9 Komponentensystem 5 2 3 2 4 5 3 3 2 5 1 2<br />
10 Fallpauschalen 5 2 3 3 5 5 4 3 2 5 1 1<br />
Bonus-Systeme<br />
1 Bonus-Malus-System 3 3 5 5 5 5 4<br />
2 Bonus-System 2 3 1 3 3 3 3<br />
3 Cafeteria-System 5 3 1 3 5 3 4<br />
Rating: 3 Sterne = sehr geeignet, 1 Stern = nicht besonders geeignet Notenssystem: 1 = sehr gut 6 = unbefriedigend<br />
32 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreiz systeme<br />
in Vereinbarungen nach §§ 78 a-g SGB VIII zur<br />
Durchführung von Hilfen zur Erziehung –<br />
Empfehlungen<br />
von Miriam Kohlmeyer<br />
1 Zielsetzungen der<br />
Empfehlungen<br />
Im Rahmen des Bundesmodellprogramms „<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung“<br />
befinden sich die elf Modellstandorte mittlerweile in<br />
den Aushandlungsprozessen zur Erstellung der wirkungsorientierten<br />
Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen.<br />
Ende des Jahres sollen<br />
die Vereinbarungen unterzeichnet sein, um dann ab<br />
Januar 20<strong>07</strong> in die Erprobungsphase zu gehen.<br />
Diese Empfehlungen für wirkungsorientierte Anreizsysteme<br />
durch Qualitätsvereinbarungen und ihre<br />
effektive Verknüpfung mit Entgelt- und Leistungsvereinbarungen<br />
nach § 78 ff SGB VIII unterstützen diesen<br />
Prozess.<br />
Im Rahmen der Empfehlungen werden unterschiedliche<br />
Anreizsysteme aus den Bereichen <strong>Jugendhilfe</strong>,<br />
Altenhilfe, Schuldnerberatung, Eingliederungshilfe<br />
und dem Gesundheitssystem ausgewertet. Dabei stehen<br />
folgende Fragestellungen im Zentrum der Ausführungen:<br />
●● Inwieweit sind die unterschiedlichen Anreizsysteme<br />
im Kontext der erzieherischen Hilfen sinnvoll<br />
anwendbar? Von welchen sind eher negative<br />
Steuerungsdynamiken zu erwarten?<br />
●● Welche Rahmenbedingungen wie beispielsweise<br />
die Anbieterstruktur vor Ort sind förderlich bzw.<br />
hemmend, damit diese Anreizsysteme Wirkung<br />
entfalten?<br />
●● Berücksichtigung des infrastrukturellen Umfeldes,<br />
in dem ergebnisorientierte Vereinbarungen Wirkungen<br />
entfalten sollen.<br />
Grundsätzliche Anforderungen, die an eine praxisnahe<br />
ergebnisorientierte Steuerung des Leistungsgeschehens<br />
erzieherischer Hilfen zu stellen sind:<br />
Nutzung bestehender<br />
Potenziale<br />
Praktikabilität<br />
Anforderungen<br />
an<br />
Anreizsysteme<br />
Einbettung in<br />
Steuerungslogik des<br />
Gesamtsystems<br />
●● Zunächst sollten die bereits heute bestehenden<br />
bzw. leicht ausbaufähigen Möglichkeiten für stärkere<br />
ergebnisorientierte Anreize genutzt werden.<br />
●● Praktikabilität des Systems bedeutet insbesondere,<br />
dass sich der Dokumentationsaufwand und die<br />
Transaktionskosten in adäquaten Grenzen halten.<br />
●● Qualitätsentwicklungsvereinbarungen alleine entfalten<br />
keine Wirkung. Sie sind ein Instrument, das<br />
in eine Steuerungslogik des Gesamtsystems eingebettet<br />
sein muss.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 33
2 Management Summary<br />
Ein Anreizsystem kann nur dann Wirkung entfalten,<br />
wenn es in eine konsistente Gesamtsteuerung eingebunden<br />
ist. Ein Instrument wie die Vereinbarungen<br />
nach §§ 77, 78 SGB VIII ist zunächst ein Werkzeug, das<br />
entsprechend genutzt werden muss.<br />
Anreizelemente sollten so ausgerichtet sein, dass sie<br />
Veränderungen und Innovationen unter den Anbietern<br />
sozialer Dienstleistungen anregen, und einen<br />
Wettbewerb nicht nur um Preis, sondern um Qualität<br />
befördern.<br />
Diesen dafür notwendigen Austausch untereinander<br />
kann vor allem durch nicht fiskalische Ansätze gefördert<br />
werden, die auf der Transparenz der Ergebnisqualitäten<br />
basieren, wodurch eine immense Dynamik<br />
im Leistungsgeschehen entwickelt werden kann.<br />
Die Transparenz der Ergebnisse ist ein zentraler<br />
Bestandteil aller Anreizelemente, ob finanzieller oder<br />
immaterieller Natur. Bei der Auswahl und Definition<br />
von Ergebnissen können die Weichen für ein effektives<br />
und ergebnisorientierte Steuerung gestellt werden,<br />
unabhängig von der konkreten Ausgestaltung<br />
des Anreizsystems.<br />
Oft ist es nicht eine neue Methode oder ein neues<br />
Finanzierungssystem, das zu mehr Ergebnisorientierung<br />
der Leistungserbringung führt, sondern das<br />
konsequente Nutzen bereits bestehender Steuerungsmöglichkeiten.<br />
Bei der Neugestaltung einzelner Stellschrauben<br />
in der Steuerung ist es hilfreich, immer das gesamtstrategische<br />
Interesse der Kommune im Hinblick auf<br />
die Ausgestaltung der sozialen Infrastruktur und der<br />
Wettbewerbssituation vor Ort im Auge zu behalten.<br />
3 Typisierung ergebnisorien-<br />
tierter Anreizsysteme<br />
Im Folgenden werden sehr unterschiedliche Typen<br />
und Modelle von ergebnisorientierten Anreizsystemen<br />
im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit und Nützlichkeit<br />
im Bereich erzieherischer Hilfen geprüft.<br />
Was machen positive und produktive Anreize für<br />
freie Träger sowie Klienten im sozialen Dienstleistungssektor<br />
aus?<br />
●● Philosophie und Sichtweise<br />
auf den sozialen Dienstleistungssektor<br />
Entscheidend ist, welche Philosophie und Sichtweise<br />
auf den sozialen Dienstleistungssektor durch die Ausgestaltung<br />
des Anreizsystems transportiert wird.<br />
Durch einen positiven Anreiz wird deutlich, dass<br />
nicht Sanktion des Anbieters das Ziel ist, sondern die<br />
Reduzierung des Zielkonfliktes zwischen sozialpädagogischen<br />
Zielen und wirtschaftlicher Interessen. Der<br />
Träger soll unterstützt werden, fachlich erfolgreich zu<br />
sein, ohne finanziell dafür bestraft zu werden.<br />
●● Lernprozesse fördern und Veränderungen<br />
anstoßen<br />
Ein Anreiz ist dann als positiv für die Wettbewerbskultur<br />
einer Stadt zu sehen, wenn er Lernprozesse<br />
unter den Trägern ermöglicht und Veränderungen anregt.<br />
Ein Anbieter, der Fehler macht und daraus lernt,<br />
bringt den Prozess um eine höhere Wirksamkeit erzieherischer<br />
Hilfen voran.<br />
●● Orientierung am individuellen Bedarf<br />
hat oberste Priorität<br />
Ein positives Anreizsystem fördert bzw. behindert zumindest<br />
nicht die Orientierung am Einzelfall im Rahmen<br />
des Hilfeverlaufs. Die individuelle Passgenauigkeit<br />
der Hilfe sollte immer im Vordergrund stehen.<br />
Dies kann gerade bei Steuerungsinstrumenten, die<br />
sich auf bestimmte Maßnahmetypen beziehen, ein<br />
heikler Punkt sein. Nicht intendierte Steuerungswirkungen<br />
sind die Folge.<br />
Ausgewertet werden ergebnisorientierte Anreizsysteme<br />
aus den Bereichen Hilfen zur Erziehung, Erziehungsberatungsstellen,<br />
Scheidungs- und Trennungsberatung,<br />
Altenhilfe, Jugendsozialarbeit, Schuldnerberatung.<br />
Herangezogen werden teilweise auch die Erfahrungen<br />
von Wirtschaftsunternehmen, insbesondere<br />
wenn es um die Ausgestaltung immaterieller Anreizsysteme<br />
geht.<br />
Grundsätzlich kann zwischen Anreizsystemen für<br />
freie Träger und für die Klienten unterschieden werden.<br />
Darüber hinaus:<br />
34 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Typen ergebnisorientierter Anreizsysteme<br />
Immaterielle<br />
Anreize<br />
Öffentliche Anerkennung<br />
Veröffentlichung der Ergebnisse<br />
Benchmarking<br />
Ergebnisqualität im Controlling<br />
Unmittelbar<br />
monetäre Anreize<br />
Zahlung bei Zielerreichung<br />
Bonus/Malus<br />
Ergebnisklassen<br />
Degressiver Entgeltsatz<br />
Degressiver Entgeltsatz<br />
mit Zulagensystem<br />
Mittelbar<br />
monetäre Anreize<br />
Ergebnisorientierte<br />
Anbieterauswahl<br />
Persönliches Budget<br />
Flexible Fallpauschalen<br />
Kompensation bei Leerstand<br />
auf Grund von Erfolg<br />
4 Anwendbarkeit der<br />
einzelnen Typen von<br />
Anreizsystemen im Bereich<br />
Hilfen zur Erziehung<br />
4.1 Immaterielle Anreizsysteme<br />
für freie Träger<br />
In Kürze:<br />
Immaterielle Anreizsysteme sind wirkungsvoll, weil<br />
sie oftmals auf der Transparenz der Ergebnisse basieren.<br />
Vor diesem Hintergrund kann eine Fehlerkultur<br />
und ggf. auch eine systematisierte Form des Austausches<br />
in der Trägerlandschaft unterstützt werden.<br />
Sie alleine reichen aber nicht aus, weil die Anbieter sozialer<br />
Dienstleistungen unter wirtschaftlichen Zwängen<br />
agieren, auf Grund der fehlenden Kongruenz sozialpädagogischer<br />
und fachlicher Interessen.<br />
Immaterielle Anreizsysteme im Bereich der sozialen<br />
Dienstleistungen basieren darauf, dass die Erfolge<br />
oder eben auch die Misserfolge der Anbieter transparent<br />
gemacht werden.<br />
Diese Transparenz kann unterschiedliche Formen annehmen:<br />
●● Transparenz der Ergebnisse in der Öffentlichkeit<br />
Immaterielle Anreizsysteme im Bereich der sozialen<br />
Dienstleistungen in Form von öffentlicher Anerken-<br />
nung der Ergebnisse eines Trägers können auf die Mitarbeiterebene<br />
und die Führungsebene der Einrichtung<br />
abzielen.<br />
Gestützt durch kleine Gesten der Stadt, wie beispielsweise<br />
Freikarten etc. kann Mitarbeitern einer<br />
Einrichtung öffentliche Anerkennung ihrer Arbeit zuteil<br />
werden. Dies wird gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
in ihrem Engagement bestärken, etwas, das<br />
den sozialen Einrichtungen auch als Unternehmen<br />
direkt zu Gute kommt.<br />
Dieses Element kann sicherlich nur einrichtungsinterne<br />
Systeme ergänzen, sollte aber auch nicht unterschätzt<br />
werden. Zumal es sehr einfach umzusetzen ist<br />
und kaum Transaktionskosten verursacht sowie zusätzliche<br />
Mittel erfordert.<br />
An die Führungsebene gerichtet dienen Anreizelemente<br />
in Form der öffentlichen Anerkennung dazu,<br />
das Prestige der Einrichtung zu steigern. Denkbar<br />
sind Veröffentlichungen in den Medien, eine einmalige<br />
Veranstaltung etc..<br />
Eine zusätzliche Dynamik entsteht, wenn nicht<br />
nur die Ergebnisse eines Trägers, sondern aller Anbieter<br />
veröffentlicht werden, beispielsweise in einer<br />
öffentlich zugänglichen Datenbank.<br />
Dies wäre insbesondere in Verbindung mit dem<br />
persönlichen Budget für die Nutzerinnen beispielsweise<br />
für Erziehungsberatungsstellen oder für sozialpädagogische<br />
Familienhilfen ein interessanter Ansatz.<br />
●● Transparenz im Kreis der Anbieter<br />
Ein anderer Ansatz ist es, die Ergebnisse nur im Kreis<br />
der Anbieter transparent zu machen.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 35
Je nach Interesse und Bereitschaft der Anbieter vor Ort<br />
kann dies im Sinne eines Benchmarking genutzt werden.<br />
Dies ermöglicht, dass sich die Träger über ihre Prozesse<br />
und Erfolgsfaktoren austauschen und innovative<br />
Ansätze verbreitet werden können.<br />
Wenn man jedoch will, dass innovative Anbieter<br />
als Leistungsträger in einer sozialen Infrastruktur ihre<br />
Erfolgsfaktoren preisgeben, dann müssen sie davon<br />
auch finanziell profitieren. Insofern wäre es an dieser<br />
Stelle sinnvoll, immaterielle Anreizsysteme mit monetären<br />
Anreizelementen zu kombinieren.<br />
●● Transparenz im Ergebniscontrolling<br />
zwischen öffentlichem und freiem Träger<br />
Anreizdynamiken entwickeln sich auch, wenn die erreichte<br />
Ergebnisqualität konsequent Gegenstand des<br />
Controlling zwischen öffentlichem und freiem Träger<br />
ist. Und zwar nicht allgemein und abstrakt, sondern<br />
bezogen auf eine festgelegte quantifizierte Zielsetzung.<br />
Transparenz der Ergebnisqualitäten kann eine<br />
immense Dynamik entwickeln, wenn sie an zentralen<br />
Stellschrauben des Steuerungskreislaufes genutzt<br />
wird.<br />
4.2 Immaterielle und Materielle<br />
Anreizsysteme für Klienten<br />
Die Rolle der Adressaten der Hilfen zur Erziehung,<br />
die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien ist<br />
zentral, wenn es um den Erfolg und die Wirksamkeit<br />
einer Hilfe geht. Daher ist die Frage, können Anreizelemente<br />
die Mitwirkungsbereitschaft der Klienten<br />
verstärken?<br />
Die immaterielle Anerkennung des Erreichten ist sicherlich<br />
auch für die Bereitschaft von Kindern und<br />
Jugendlichen, sowie ihrer Familien förderlich. Dies<br />
ist aber Bestandteil des individuellen Vorgehens im<br />
Rahmen der Hilfeplanung und Teil des sozialpädagogischen<br />
Handelns und insofern kein steuerungstechnisches<br />
Instrumentarium.<br />
Monetäre Anreize hingegen, insbesondere für die<br />
Kinder und Jugendlichen, können durchaus sinnvoll<br />
eingesetzt werden, allerdings immer einzelfallabhängig.<br />
Denkbar wäre dies beispielsweise in der Verselbständigungsphase<br />
von volljährigen Jugendlichen oder<br />
bei Erreichen des Schulabschlusses, der mit der Finanzierung<br />
einer Abschlussparty honoriert wird.<br />
4.3 Materielle Anreizsysteme<br />
Die Dysfunktionalität des derzeitigen Systems führt<br />
dazu, dass die Belegung von Institutionen, sowie der<br />
Hilfeverlauf und die Dauer von Erziehungshilfen<br />
maßgeblich von wirtschaftlichen Mechanismen geprägt<br />
werden. Dies betrifft insbesondere den Bereich<br />
stationärer Erziehungshilfen, bzw. die Schnittstelle<br />
zum ambulanten Hilfesystem.<br />
Dysfunktionalität des aktuellen Systems<br />
Sozialpädagogischer<br />
Erfolg<br />
Ausdehnung der<br />
Betreuungszeiträume<br />
Steuerung von ambulant<br />
in stationär, von präventiv<br />
nach ambulant<br />
Finanzieller<br />
Verlust<br />
Finanzieller<br />
Gewinn<br />
Der Anbieter erzieherischer Hilfen befindet sich in<br />
dem Zielkonflikt, dass die Belegung seiner Einrichtung<br />
seine wirtschaftliche Existenzgrundlage ist und<br />
schneller pädagogischer Erfolg zur Beendigung dieser<br />
Belegung führen kann. Diese fehlgeleiteten wirtschaftlichen<br />
Anreize können dazu führen, dass die Betreuungszeiträume<br />
unnötig verlängert werden.<br />
Wenn ein Träger mehrere Hilfearten anbietet, sind<br />
durch die fehlende Kongruenz von sozialpädagogischen<br />
und wirtschaftlichen Zielen Verschiebeeffekte<br />
möglicherweise vorprogrammiert. Falsche wirtschaftliche<br />
Anreize führen dann zu einer Umsteuerung von<br />
billigen in teure Maßnahmen, und von ambulanten in<br />
stationäre Leistungsformen.<br />
Auch bei Anbietern ambulanter Hilfeformen zeigen<br />
sich diese Problematiken, so werden Fälle ggf. aus<br />
der offenen Arbeit in formale HzE gesteuert, um eine<br />
Auslastung der Einrichtung zu gewährleisten.<br />
36 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Gerade in dieser Phase des Hilfeverlaufs – wenn<br />
ein Fall erst zum Fall wird – werden die Weichen dafür<br />
gestellt, ob und wie lange die Kinder und Jugendlichen<br />
im formalen Hilfesystem erzieherischer Hilfen<br />
verbleiben.<br />
Die Anforderungen an das Finanzierungssystem<br />
sind, dass es die Erreichung der sozialpädagogischen<br />
Ziele unterstützt, die wirtschaftlichen Interessen des<br />
Trägers darauf richtet, Anreize für die Zielerreichung<br />
bietet und evt. Sanktionen bei Nichterreichung des<br />
Ziels bereit hält.<br />
Um darauf hinzuwirken gibt es unterschiedliche<br />
Ansatzpunkte, die sich nur teilweise auf den Bereich<br />
der Hilfen zur Erziehung übertragen lassen und deren<br />
Steuerungsdynamiken differenziert zu bewerten<br />
sind.<br />
4.3.1 Unmittelbar finanzielle Anreizsysteme<br />
Mit „unmittelbar wirkenden finanziellen Anreizen“<br />
sind Finanzierungssysteme gemeint, die die finanzielle<br />
Vergütung, bzw. einzelne Vergütungsbestandteile<br />
direkt an den Erfolg der erbrachten Leistung koppeln.<br />
Erfolg oder Misserfolg hat also unmittelbaren Einfluss<br />
auf die geleistete Vergütung an den Anbieter der<br />
Dienstleistung.<br />
●● Typus Zahlung bei Zielerreichung<br />
Die Varianten unterscheiden sich zunächst darin, wie<br />
hoch der Vergütungsbestandteil ist, der erfolgsorientiert<br />
ausgezahlt wird.<br />
In Deutschland werden solche Ansätze im sozialen<br />
Dienstleistungssektor vereinzelt im Bereich der<br />
Vermittlung von Arbeitslosen praktiziert.<br />
Beispiel: Zahlung im Erfolgsfall<br />
Ein Anbieter (als eingetragener Verein) bietet ein<br />
intensives Vermittlungscoaching für arbeitslose Personen<br />
an, die meist von der Arbeitsagentur, der ARGE,<br />
oder dem Sozialamt an den Verein verwiesen werden.<br />
Der Anbieter wird nur im Erfolgsfall bezahlt. Für<br />
in den ersten Arbeitsmarkt vermittelte Teilnehmer erhält<br />
der Anbieter eine Erfolgsprovision, für die Vermittlung<br />
in eine Stelle mit einem Einkommen, das geringer<br />
als die Höhe der laufenden Sozialleistungen ist,<br />
erhält der Anbieter eine geringere Erfolgsprovision.<br />
Interessant ist das Detail, das die Erfolgsprovision<br />
in zwei Raten ausgezahlt wird, erstens nach Arbeitsaufnahme<br />
und zweitens nach sechs Monaten in Arbeit.<br />
Hier wird also auch die Nachhaltigkeit der Vermittlung<br />
finanziert.<br />
Einschätzung:<br />
Für den Bereich der Hilfen zur Erziehung in Deutschland<br />
eignet sich dieser Ansatz nicht, weil die gesamte<br />
Vergütung auf den Erfolg im Einzelfall ausgerichtet<br />
ist.<br />
Ob die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gelungen<br />
ist oder nicht, ist einfach festzustellen. Im Bereich<br />
der Hilfen zur Erziehung eignet sich hingegen<br />
nur die aggregierte Ebene zur Ergebnissteuerung.<br />
Eine „Einzelfallabrechnung“ nach Erfolg ist im Bereich<br />
erzieherischer Hilfen viel zu aufwendig. Davon<br />
abgesehen wäre ein solcher Ansatz mit immens hohen<br />
Transaktionskosten verbunden.<br />
Eine Orientierung an den gemessenen Erfolgen von<br />
Erziehungshilfen lässt sich nur dann umsetzen, wenn<br />
die aggregierte Ebene fokussiert wird.<br />
Im Einzelfall lässt sich ein Abbruch auf Grund von<br />
externen Faktoren erklären. Auf aggregierter Ebene<br />
lässt sich aber beispielsweise eine Abbruchquote von<br />
50 Prozent nicht mehr nur durch externe Faktoren erklären,<br />
insbesondere wenn in einer anderen Einrichtung<br />
nur 10 Prozent der Maßnahmen abgebrochen<br />
werden. Optimierungsbedarfe der Arbeitsweise des<br />
Anbieters oder auch der Ausgestaltung des Hilfesetting<br />
wären hier offensichtlich.<br />
Da im Bereich der Hilfen zur Erziehung nicht von<br />
einer Erfolgsquote von 100 Prozent für eine Zielgruppe<br />
auszugehen ist, muss ein realistischer Zielwert gefunden<br />
werden.<br />
Bisher liegen auf Grund der fehlenden Transparenz<br />
im Hinblick auf Wirkung und Ressourceneffizienz<br />
kaum Erfahrungswerte darüber vor, welcher Grad an<br />
Zielerreichung realistisch ist. Diese Erfahrungswerte<br />
können in ersten Durchläufen gesammelt werden.<br />
Es muss daher strukturell abgesichert sein, dass<br />
ein Anbieter nicht finanziell untergeht, weil die Zielsetzungen<br />
in den „Testläufen“ zu hoch gegriffen waren.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 37
●● Typus Bonus/Malus- Regelungen und Erfolgsprämien<br />
Bonus-/Malus-Regelungen, mittels derer Bestandteile<br />
der Vergütung erfolgsorientiert ausgezahlt werden,<br />
bzw. bei fehlender Zielerreichung finanzielle Sanktionen<br />
greifen, kommen ursprünglich u.a. aus der Versicherungsbranche.<br />
Fährt ein Kunde über einen gewissen<br />
Zeitraum unfallfrei, wird dies finanziell belohnt.<br />
Dies verteilt die Kosten gerechter und das insgesamt<br />
geringere Schadensaufkommen kommt der Gesamtheit<br />
der Versicherten zu Gute. Erfolgsprämien in<br />
Form von Leistungszulagen beispielsweise am Ende<br />
eines erfolgreichen Geschäftsjahres sind in vielen Wirtschaftsunternehmen<br />
üblich.<br />
Erprobt werden diese monetären Anreizelemente<br />
aber auch im sozialen Dienstleistungssektor, insbesondere<br />
im Gesundheitsbereich, aber beispielsweise<br />
auch im Bereich der Schuldnerberatung und der Erziehungs-<br />
und Beratungsstellen.<br />
Einschätzung:<br />
Grundsätzlich sind insbesondere Bonus-Regelungen<br />
ein mögliches Instrument, um die Trägerinteressen<br />
auf eine erhöhte Ergebnisqualität zu lenken.<br />
Es ist allerdings auch das Instrument, das am genauesten<br />
auf nicht-intendierte Steuerungswirkungen<br />
geprüft werden sollte. In erster Linie vor dem Hintergrund<br />
der infrastrukturellen Voraussetzungen (vgl.<br />
hierzu Kapitel 6).<br />
Die Begrifflichkeiten eignen sich im Bereich der<br />
Hilfen zur Erziehung kaum. Die Finanzierungsgrundlage<br />
im Bereich der Hilfen zur Erziehung ist knapper<br />
als in der Versicherungsbranche. Und wenn die Budgets<br />
für erzieherische Hilfen nicht gleichzeitig vergrößert<br />
werden, ist ein Bonus keine Erfolgsprämie,<br />
sondern ein Teil der Existenzgrundlage eines Trägers.<br />
D. h. ein fehlender Bonus ist immer ein Malus.<br />
Daher sollte darauf geachtet werden, dass erfolgsorientierte<br />
Vergütungsbestandteile so ausgerichtet<br />
sind, dass sie einen Anreiz bieten, aber nicht so hoch<br />
sind, dass sie einen Träger nach einem „schlechten“<br />
Jahr aus dem Markt werfen. Es sollte immer noch Reaktionsmöglichkeiten<br />
der Anbieter auf Defizite in der<br />
Arbeitsweise geben.<br />
Da aber auch geringe Prozentsätze der Vergütung<br />
für Einrichtungen im sozialen Bereich langfristig deutliche<br />
Auswirkungen haben können, ist zu prüfen, ob<br />
durch die Fokussierung der Bonusregelungen beispielsweise<br />
auf eine hohe Beendigungsquote oder eine<br />
kurze Verweildauer hin zu einseitige Fokussierungen<br />
durch die Einrichtung vorgenommen werden.<br />
Besonders wichtig ist es daher bei Installierung<br />
von Bonusregelungen, diese in eine Gesamtsteuerung<br />
einzubetten, die insbesondere die Nachhaltigkeit der<br />
Hilfen prüft.<br />
●● Typus Degressiver Entgeltsatz<br />
Eine zentrale Stellschraube zur ergebnisorientierten<br />
Steuerung ist der Entgeltsatz in stationären Einrichtungen<br />
der erzieherischen Hilfen.<br />
Der degressive Entgeltsatz wird ab einem bestimmten<br />
Zeitpunkt stufenweise oder kontinuierlich<br />
abgesenkt. Hierfür eignet sich beispielsweise der Beginn<br />
der Volljährigkeit, da hier in der Regel von einem<br />
zunehmend sinkenden Hilfebedarf ausgegangen werden<br />
kann.<br />
Im Prinzip bedeutet dies, dass der öffentliche Träger<br />
die Kosten dafür übernimmt, die entstehen würden,<br />
wenn der freie Träger erfolgreich wäre.<br />
Einschätzung:<br />
Mit einer degressiven Gestaltung des Entgelts in stationären<br />
Einrichtungen für Erziehungshilfen entfällt<br />
der wirtschaftliche Anreiz, junge Menschen über die<br />
Volljährigkeit hinaus in der Einrichtung zu halten.<br />
Aus wirtschaftlicher Sicht entsteht eher ein Anreiz,<br />
den volljährigen jungen Menschen bei der Verselbständigung<br />
zu unterstützen, um anschließend den frei<br />
werdenden Platz neu belegen zu können.<br />
Damit ist allerdings noch nicht gelöst, dass es darum<br />
geht, dass Kinder und Jugendliche grundsätzlich<br />
nicht länger als notwendig in stationären Einrichtungen<br />
leben sollen, unabhängig davon wie alt sie sind.<br />
Der eigentliche Kernpunkt ist die Bedarfsgerechtigkeit<br />
im Einzelfall. Durch die Festlegung von Entgeltsätzen,<br />
deren Höhe sich an der Dauer von Maßnahmen<br />
orientiert, entsteht jedoch eher die Dynamik,<br />
in „Maßnahmedauern“ zu denken und auch den Hilfeverlauf<br />
entsprechend zu steuern. Das wirkt sich selten<br />
positiv auf die Orientierung am Einzelfall aus.<br />
Um dieses Spannungsfeld aufzulösen wäre eher<br />
zu empfehlen, im Rahmen eines Controlling die Verweildauer<br />
in den einzelnen Maßnahmen zu unter-<br />
38 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
suchen und zwischen unterschiedlichen Anbietern<br />
zu vergleichen. Wenn deutlich wird, dass dies als Beurteilungsgröße<br />
für den Auswahlprozess der Anbieter<br />
gilt, wird dies auch ohne finanzielle Anreizelemente<br />
Wirkung zeigen.<br />
●● Typus Degressiver Entgeltsatz<br />
mit Zulagensystem<br />
Für Jugendliche, die kurz vor ihrer Volljährigkeit stehen<br />
wird diskutiert, den degressiven Entgeltsatzes mit<br />
einer Zulage für den Träger zu kombinieren, für die<br />
spezifische Förderung der Verselbständigung in Trainings,<br />
Kursen etc.<br />
D. h. in bestimmten Phasen des Hilfeverlaufs wird<br />
die Betreuungsleistung zielgerichtet intensiviert, um<br />
sie danach mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit abschließen<br />
zu können. Ähnliches ist auch denkbar für<br />
die Vorbereitung der Rückführung in die Familie,<br />
durch die Verstärkung der Elternarbeit.<br />
Man bezahlt also den Träger dafür, dass er Leistungen<br />
erbringt, von denen man annimmt, sie seien<br />
der Wirkung förderlich.<br />
Einschätzung:<br />
Von diesem Ansatz können ggf. negative nicht intendierte<br />
Steuerungsdynamiken ausgehen.<br />
Der Anreizmechanismus besteht darin, dass der<br />
Träger Mittel erwirtschaftet, indem er bestimmte Zusatzmaßnahmen<br />
beispielsweise zur Verselbständigung<br />
durchführt.<br />
Das birgt ggf. die Tendenz, diese Zielsetzung im<br />
„normalen Hilfeverlauf“ eher zu vernachlässigen.<br />
Verselbständigung und Rückführung sind aber zentrale<br />
Zielsetzungen des gesamten Hilfeverlaufs.<br />
Zudem: Ein sehr erfolgreicher Träger, dem z.B. die<br />
Rückführung ohne Zusatzmaßnahmen gelingt, würde<br />
hier doppelt finanziell bestraft, er verliert „seinen Fall“<br />
und er verliert die Möglichkeit die Zusatzmaßnahme<br />
zu erbringen.<br />
●● Typus Fallpauschalen für Ergebnisklassen<br />
Im Bereich der Schuldner- und Insolvenzberatung<br />
werden ebenfalls erfolgsorientierte finanzielle Anreizsysteme<br />
erprobt. Neben modellhaft erprobten<br />
Bonus- und Malus-Regelungen wird auch ein Finan-<br />
zierungssystem praktiziert, in dem unterschiedliche<br />
Erfolgsgrade bei der Arbeit in drei Ergebnisklassen<br />
zusammengefasst werden, die unterschiedlich honoriert<br />
werden.<br />
So wird zum Beispiel die Einigung mit den Gläubigern<br />
als das erfolgreichste Ergebnis einer Beratung<br />
gewertet und wird am höchsten honoriert. Da der<br />
Aufwand der Beratung von der Anzahl der Gläubiger<br />
abhängt, gibt es entsprechend gestaffelte Erfolgspauschalen.<br />
Als das am zweitbesten honorierte Ergebnis einer<br />
Schuldnerberatung wird das Ausstellen einer Bescheinigung<br />
gewertet, welches bestätigt, dass die außergerichtliche<br />
Einigung gescheitert ist. Für Beratungen,<br />
die ohne erfolgreiches Ergebnis abgeschlossen werden<br />
(auch Abbrüche) werden geringe Pauschalen gewährt.<br />
Einschätzung:<br />
Ergebnisklassen zu bilden, ist im Bereich der Hilfen<br />
zur Erziehung kein adäquates Mittel zur ergebnisorientierten<br />
Steuerung.<br />
Die Honorierung anhand weniger Ergebnisklassen<br />
wäre zu undifferenziert angesichts der Vielfalt von<br />
Zielerreichungsgraden, die Kosten für die Einigung<br />
mit den freien Trägern auf Ergebnisklassen wären immens<br />
hoch.<br />
Im Bereich der Schuldnerberatung eignet sich dieses<br />
Instrument gut, weil die Zielgruppen und auch die<br />
Ergebnisse klarer abgegrenzt und definiert werden<br />
können.<br />
4.3.2 Mittelbar finanzielle Anreizsysteme<br />
●● Typus Ergebnisorientierte Auswahl bei künftigen<br />
Beauftragungen<br />
Der Anreizmechanismus dieses Ansatzes ist, dass ein<br />
Träger gute Ergebnisse erzielen muss, um einen Folgeauftrag<br />
zu erhalten.<br />
Dieser Ansatz ist – konsequent verfolgt – ein sehr<br />
effektives Instrument, weil die Anbieter sozialer Dienstleistungen<br />
mittel- und langfristig auf Folgeaufträge angewiesen<br />
sind. So werden Lernprozesse und anbieterinterne<br />
Umsteuerungen ermöglicht, ohne dass sofortige<br />
negative Auswirkungen auf die infrastrukturellen<br />
Gegebenheiten vor Ort befürchtet werden müssen.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 39
Dieser Anreiz ist allerdings nur dann sinnvoll,<br />
wenn eine reale Wettbewerbssituation am Markt besteht.<br />
Wenn der Anbieter der einzige Anbieter vor Ort<br />
ist, greift der Mechanismus natürlich nicht. Dieses<br />
Anreizelement entfaltet auch dann keine Wirkkraft,<br />
wenn viele der Anbieter in einem closed-shop organisiert<br />
sind und die Mittel ohnehin schon „historisch<br />
gewachsen“ verteilt sind.<br />
In einem solchen Fall sollte man entweder an der<br />
Entwicklung einer Wettbewerbskultur arbeiten oder<br />
evt. doch eher mit direkten monetären Anreizelementen<br />
agieren.<br />
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der<br />
öffentliche Träger gut beraten ist, sich eine umfassende<br />
Kenntnis über die Wettbewerbssituation vor Ort zu<br />
verschaffen. Die „üblichen“ freien Träger sind oftmals<br />
die bekannten, aber nicht die einzigen vor Ort. Dieses<br />
Wissen des öffentlichen Trägers ist notwendig, damit<br />
er seine steuernde Funktion der sozialen Infrastruktur<br />
effektiv wahrnehmen kann.<br />
Einschätzung:<br />
Eine ergebnisorientierte Auswahl der Anbieter ist das<br />
effektivste Instrument ergebnisorientierter Steuerung,<br />
der Anbieter muss darauf reagieren, wenn er mittelund<br />
langfristig am Markt bestehen will.<br />
Wird Ergebnisqualität zur Beurteilungsgröße für<br />
die Anbieterauswahl, dann wird sie auch handlungsrelevant<br />
für die Träger.<br />
Zudem kann man für diesen Ansatz auf Ansätze<br />
der bereits bestehenden Praxis zurückgreifen. Die<br />
im Jugendamt bereits vorhandenen Erfahrungswerte<br />
und Entscheidungsgrundlagen müssten zusammengeführt<br />
und systematisiert werden.<br />
Zusätzlich sollten weitere zentrale Ergebniskennziffern,<br />
die sich für die Anbieterauswahl anbieten in<br />
den Qualitätsentwicklungsvereinbarungen festgehalten<br />
werden.<br />
●● Typus Fallpauschalen<br />
Die Finanzierung über Fallpauschalen eignet sich in<br />
erster Linie im Bereich ambulanter Hilfeformen.<br />
Zum Beispiel ermöglichen es monatliche flexibel<br />
einsetzbare Fallpauschalen für eine ambulante intensive<br />
Einzelbetreuung nach § 35 SGB VIII, auf relativ einfache<br />
Weise die Ergebnisorientierung eines Trägers zu<br />
unterstützen, den fachlich wie fiskalisch gewünschten<br />
Verselbständigungsprozess des Klienten zu fördern.<br />
Der Anbieter hat nach einem meist notwendigen<br />
intensiven Ressourceneinsatz in der Anfangsphase<br />
des Hilfeverlaufs ein wirtschaftliches Eigeninteresse<br />
daran, auf die Verselbständigung, die mit einem geringeren<br />
Hilfebedarf einhergeht, hinzuwirken.<br />
●● Typus Persönliches Budget für Klienten<br />
Das persönliche Budget als Instrument einer nachfrageorientierten<br />
Steuerung wird derzeit im sozialen<br />
Dienstleistungssektor vor allem im Bereich der Eingliederungshilfe<br />
und der Hilfe zur Pflege eher modellhaft<br />
erprobt.<br />
Bereits praktiziert wird dies im sozialen Dienstleistungssektor<br />
in der Kindertagesbetreuung in Hamburg,<br />
hier können die Personensorgeberechtigten durch die<br />
Vergabe von sog. „Kita-Gutscheinen“ eine Einrichtung<br />
auswählen.<br />
Im Rahmen von Vereinbarungen nach §§ 77, 78<br />
SGB VIII lassen sich Formen des persönlichen Budgets<br />
so umsetzen, dass sich die Leistungsanbieter verpflichten,<br />
die Gutscheine entgegenzunehmen und garantierte<br />
Mindeststandards einzuhalten.<br />
Damit ein solches Instrument zu mehr Qualität insbesondere<br />
auch zu mehr Ergebnisqualität der Anbieter<br />
führen kann, müssen dem Klienten in seinem Auswahlprozess<br />
Informationen über die Ergebnisqualität<br />
der unterschiedlichen Anbieter zur Verfügung stehen,<br />
beispielsweise in einer Datenbank.<br />
Damit ein solches Instrument praktikabel ist, müssen<br />
sich die Klienten auch ohne fremde Hilfe informieren<br />
und entscheiden können, sonst hat man analog zu<br />
den Bereichen Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe<br />
plötzlich die Diskussion um eine sog. Budgetassistenz<br />
durch den öffentlichen Träger. Der Aufwand<br />
stünde in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen.<br />
Einschätzung:<br />
Dieses Instrument einer Leistungsvergabe durch den<br />
Leistungsempfänger ist für den Bereich der Hilfen zur<br />
Erziehung nur für ausgewählte Bereiche anwendbar.<br />
Zu nennen sind hier die Erziehungsberatung und<br />
die sozialpädagogische Familienhilfe, weil hier die<br />
Leistung auch real gegenüber den Klienten erbracht<br />
wird, diese also ihre „Kundenmacht“ nutzen können.<br />
40 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Zu empfehlen ist es dennoch nicht unbedingt, weil<br />
die Kosten dieses Ansatzes den Nutzen (in diesem<br />
Feld!) übersteigen. In den Feldern der Eingliederungshilfe<br />
und der ambulanten Pflege ist dieses Instrument<br />
von größerem Nutzen, weil es im Wesentlichen nicht<br />
um den Einkauf einer einzelnen Leistung geht, als<br />
vielmehr um das individuell zusammenzustellende<br />
Leistungsportfolio<br />
●● Typus Zusatzmodul ambulante Hilfeform<br />
Idee dieses Ansatzes ist es, den finanziellen Verlust bei<br />
Beendigung von stationären Hilfen teilweise durch<br />
ambulante „Nachfolgeaufträge“ zu kompensieren<br />
und so die wirtschaftlichen Anreize des Anbieters umzulenken.<br />
Einschätzung:<br />
Es ist eher davon auszugehen, dass dieser Anreiz nicht<br />
ausreichend ist. In Einrichtungen, die sowohl stationäre<br />
als auch ambulante Hilfeformen anbieten, gibt es<br />
bereits heute die Tendenz von weniger kostenintensiven<br />
in kostenintensivere Hilfen umzusteuern.<br />
Daher ist die finanzielle Kompensation durch die<br />
Beauftragung mit der Nachbetreuung nicht ausreichend,<br />
um einen wirklichen Anreiz auszuüben.<br />
Zumal die Nachbetreuung durch die stationäre<br />
Einrichtung ohnehin in der Praxis aus fachlichen<br />
Gründen üblich ist. Ein zusätzliches Instrument durch<br />
Vereinbarungen ist daher gar nicht notwendig.<br />
●● Typus Kompensation bei Leerstand durch Erfolg<br />
Die Idee ist, dass bei einem „vorzeitigen“ Erfolg der<br />
dadurch entstehende Leerstand einer Einrichtung<br />
durch den öffentlichen Träger kompensiert wird. Zum<br />
Beispiel: Wenn die Verselbständigung zwei Monate<br />
früher als geplant gelingt, werden die Kosten für die<br />
beiden Monate durch den öffentlichen Träger übernommen,<br />
ganz oder teilweise.<br />
In diesem Fall wäre es allerdings sinnvoll, diesen<br />
Betrag auch dann zu leisten, wenn der Platz durch die<br />
Einrichtung wieder belegt werden kann.<br />
Das ist wichtig, sonst entwickelt sich hier die negative<br />
Steuerungsdynamik diesmal auf Seiten des öffentlichen<br />
Trägers, den Platz neu zu besetzen, damit<br />
sich die finanziellen Mittel auch „lohnen“.<br />
5 Empfehlungen zur<br />
Ausgestaltung ergebnis-<br />
orientierter Anreizsysteme<br />
für Hilfen zur Erziehung<br />
Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf unterschiedliche<br />
Dimensionen, die bei der Etablierung wirkungsorientierter<br />
Anreizsysteme zu berücksichtigen<br />
sind.<br />
Dimensionen bei der Etablierung<br />
wirkungsorientierter Anreizsysteme<br />
Auswahl<br />
relevanter<br />
Ergebniskennziffern<br />
Handlungsrelevanz<br />
der<br />
Vereinbarungen<br />
Auswahl des<br />
Anreizsystems<br />
Andockpunkte in<br />
der heutigen Praxis<br />
5.1 Auswahl des Anreizsystems<br />
Praktische Umsetzung<br />
Welche Anreizelemente in der Qualitätsentwicklung,<br />
kombiniert mit der Leistungs- und Entgeltvereinbarung<br />
im Einzelfall zu favorisieren sind, hängt von den<br />
konkreten Steuerungsinteressen sowie den Rahmenbedingungen<br />
vor Ort ab, wie beispielsweise die Zahl<br />
der Anbieter vor Ort, der Kooperationskultur zwischen<br />
öffentlichem und freien Trägern etc. .<br />
Drei Aspekte gelten jedoch übergreifend:<br />
●● Das einfachste und gleichzeitig effektivste Anreizsystem<br />
ist ein ergebnisorientierter Auswahlprozess.<br />
Die bisher erbrachten Ergebnisqualitäten der Anbieter<br />
müssen transparent werden und bei künftigen Auswahlentscheidungen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 41
Das ist ein Ansatzpunkt, der in jeder Kommune bereits<br />
heute vorhanden ist und in Ansätzen auch schon<br />
praktiziert wird.<br />
Deshalb kann hier mit einem relativ geringen Aufwand<br />
an Transaktionskosten ein hohes Maß an positiver<br />
Steuerungsdynamik erzielt werden. Der Anbieter<br />
ist mittel- und langfristig davon abhängig, eine gute<br />
Ergebnisqualität zu erzielen.<br />
Unabhängig davon, welche weiteren Anreizelemente<br />
installiert werden, die ergebnisorientierte Auswahl<br />
von Anbietern sollte immer zentraler Bestandteil<br />
der Gesamtsteuerung sein.<br />
●● Immaterielle Anreizsysteme sollten Lernprozesse<br />
unter den Anbietern fördern und Innovationen<br />
fördern.<br />
●● Bonus/Malus-Regelungen sind kritisch im Hinblick<br />
auf die Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur<br />
vor Ort zu prüfen.<br />
Anreizsysteme mit unmittelbarer Kopplung von Vergütung<br />
und Ergebnisqualität können positive Steuerungsdynamiken<br />
entfalten, wenn die Anbieter vor Ort<br />
über die Voraussetzungen verfügen, diese Anreize<br />
aufzugreifen.<br />
Dies ist jedoch nicht immer gegeben. (vgl. hierzu<br />
auch Kapitel 5).<br />
In aller Kürze:<br />
Ergebnisorientierte Auswahl der Anbieter als zentraler<br />
Bestandteil!<br />
Immaterielle Anreizsysteme für die Förderung<br />
einer Lern- und Innovationskultur nutzen!<br />
Bei Bonus-/Malus-Regelungen die soziale Infrastruktur<br />
berücksichtigen!<br />
5.2 Auswahl steuerungsrelevanter<br />
Ergebniskennziffern<br />
Unabhängig davon, für welche Variante eines Anreizsystems<br />
sich eine Kommune entscheidet: Die Transparenz<br />
und die Auswertung der Ergebnisqualität der<br />
Anbieter ist zentraler Bestandteil jeder ergebnisorientierten<br />
Steuerungssystematik.<br />
Mit einer Auswahl der Ergebniskennziffern, die<br />
praktikabel und steuerungsrelevant ist, werden entscheidende<br />
Weichen für die Effektivität der Anreiz-<br />
elemente in Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
gestellt.<br />
Allerdings hält die Praxis gerade in dieser Frage<br />
zahlreiche „Fallstricke“ bereit, die ergebnisorientierte<br />
Anreizelemente ins Leere laufen lassen.<br />
Daher empfehlen wir, folgende Erfolgsfaktoren zu<br />
berücksichtigen, bzw. folgende Fallstricke zu vermeiden:<br />
Erfolgsfaktoren und Fallstricke bei der Auswahl<br />
von Ergebniskennziffern<br />
Keine abstrakte<br />
Diskussion um<br />
Erfolg!<br />
Ergebnisziele<br />
quantifiziert und<br />
aggregierte<br />
Ebene definieren!<br />
Zielsetzung im<br />
Hilfeplan als<br />
Maßstab für<br />
Erfolg!<br />
Fachliche und<br />
fiskalische Wirkungen<br />
berücksichtigen<br />
●● Keine abstrakte Diskussionen über<br />
den Erfolg in der <strong>Jugendhilfe</strong>!<br />
Was macht den Erfolg in der <strong>Jugendhilfe</strong> aus? Diese<br />
Frage füllt Tagungen, Bücherregale, wissenschaftliche<br />
Abhandlungen, steuern kann man mit ihr weniger.<br />
●● Zielsetzung im Hilfeplan als Maßstab<br />
für den Erfolg erzieherischer Hilfen!<br />
Im Prinzip ist diese Frage auf der Basis des SGB VIII<br />
einfach zu beantworten: Eine Hilfe zur Erziehung ist<br />
dann erfolgreich, wenn die im individuellen Hilfeplan<br />
vereinbarte Zielsetzung erreicht wurde.<br />
Die Passgenauigkeit des Hilfesettings hat nach<br />
dem SGB VIII oberste Priorität. Daher ist es folgerichtig,<br />
nicht abstrakt zu definieren, was Erfolg ist, sondern<br />
die auf den Einzelfall abgestimmte Zielsetzung<br />
zu fokussieren.<br />
Die <strong>Jugendhilfe</strong> verfügt im Vergleich zu anderen<br />
sozialen Feldern, über eine ausgereifte fachlich fundierte<br />
Hilfeplanung. Auch wenn die dort festgeschriebenen<br />
Zielsetzungen insbesondere im Hinblick auf<br />
den Operationalisierungsgrad der Ergebnisqualität<br />
noch ausbaufähig sind.<br />
Daher empfehlen wir den Weg, den Erfolg erzieherischer<br />
Hilfen am Zielerreichungsgrad bei Beendigung<br />
der Hilfe zu messen.<br />
42 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
Hierbei können relativ grobe Kategorien gewählt werden<br />
wie beispielsweise:<br />
●● Schulnoten von 1 bis 6<br />
●● Zielsetzung im Hilfeplan voll, weitgehend, ausreichend,<br />
kaum, mangelhaft, gar nicht erreicht.<br />
●● Zielerreichungsgrade in Prozent<br />
Empfohlen wird, eine Stufung in sechs Schritten vorzunehmen,<br />
um eine Angabe „weder/noch“ zu vermeiden.<br />
Eine solche Einschätzung erfolgt implizit (teilweise<br />
auch schon explizit) ohnehin durch die fallführende<br />
Fachkraft im laufenden Prozess. Es geht an dieser Stelle<br />
daher um die Systematisierung und Nutzung für<br />
den Steuerungsprozess.<br />
Die Frage ist: Wer trifft die Einschätzung darüber,<br />
in welchem Ausmaß die Zielsetzung des Hilfeplans<br />
erreicht wurde? Hier gibt es unterschiedliche Varianten.<br />
Möglich ist, dass die Entscheidung alleine durch<br />
die fallführende Fachkraft oder gemeinsam von Fachkraft,<br />
Anbieter, Kind und Personensorgeberechtigten<br />
getroffen wird.<br />
Als Argument gegen diese Form der Erfolgsmessung<br />
wird häufig benannt, damit befinde man sich im<br />
Bereich subjektiver Einschätzungen. Aber: Wenn nicht<br />
die Fachkraft und/oder die Kinder und Jugendlichen<br />
selbst, wer soll dann vor dem Hintergrund der individuell<br />
spezifisch sehr unterschiedlichen Zielsetzungen<br />
einen Zielerreichungsgrad einschätzen?<br />
●● Steuerung auf aggregierter Ebene,<br />
nicht auf Einzelfallebene<br />
Die Ergebnisse erzieherischer Hilfen wird nicht nur<br />
durch die Arbeitsweise der Fachkräfte im Jugendamt,<br />
sondern auch durch externe Faktoren beeinflusst, insbesondere<br />
auch durch die sog. Koproduzenten, die<br />
Kinder und Jugendlichen und die Personensorgeberechtigten.<br />
Daher ist es sinnvoll, auf aggregierter Ebene zu<br />
steuern und sich vom Einzelfall zu lösen.<br />
Dass im Einzelfall z.B. Außenstehende den Abbruch<br />
der Maßnahme durch den Jugendlichen forciert haben<br />
ist nachvollziehbar und wenig steuerungsrelevant.<br />
Die Aussage, dass ein Anbieter eine nur 10 prozentige<br />
Abbruchquote aufweist, im Vergleich zu der 40<br />
prozentigen Abbruchquote eines anderen Anbieters,<br />
ist da schon wesentlich aussagekräftiger.<br />
Für die praktische Umsetzung bedeutet das eine<br />
große Herausforderung. Auf Grund der bisher kaum<br />
vorhandenen Transparenz im Hinblick auf die Ergebnisqualität<br />
erzieherischer Hilfen sind realistische Zielsetzungen<br />
nicht leicht zu bestimmen.<br />
Daher sollte in der Umsetzung eine Annäherungsphase<br />
an die realistische Zielsetzungen eingeplant<br />
werden.<br />
●● Fachliche und fiskalische Ziele<br />
in Zusammenhang sehen<br />
Ziel des Bundesmodellprogramms ist die Rationalisierung<br />
des Finanzierungssystems erzieherischer Hilfen<br />
im Sinne einer optimierten Allokation von Mitteln und<br />
einer verbesserten Wirksamkeit der Hilfen.<br />
Bei der Diskussion um die Wirkung erzieherischer<br />
Hilfen geht es daher neben dem fachlichen Erfolg einer<br />
Hilfe auch um fiskalische Zielsetzungen.<br />
Oft sind fachliche und fiskalische Ziele sogar identisch,<br />
beispielsweise wenn es um die Reduzierung<br />
von Heimunterbringungen geht, die Steigerung des<br />
Anteils Pflegekindern sowie die Nachhaltigkeit von<br />
Hilfen. Darüber hinaus sollten auch rein fiskalische<br />
Zielsetzungen betrachtet werden, die Auskunft über<br />
die Ressourceneffizienz geben, beispielsweise die Erhebung<br />
der gesamten Kosten eines Falls bei Beendigung.<br />
5.3 Prozessuale Hinweise zur<br />
Umsetzungsphase der Etablierung<br />
wirkungsorientierter Anreizsysteme<br />
●● Bewährte Begrifflichkeiten wählen!<br />
Der Begriff der Wirkungsorientierung hat es in der<br />
fachlichen Diskussion zu einigem Facettenreichtum<br />
gebracht: Outcome, impact, effect, Wirkung, Ergebnis<br />
etc.: Bezeichnungen für unterschiedliche Dimensionen<br />
des Begriffs „Wirkung“, die allerdings sehr unterschiedlich<br />
interpretiert werden.<br />
Empfohlen wird, auf den Begriff der Ergebnisqualität<br />
zurückzugreifen, da dieser im Zuge der Debatte<br />
um Qualitätsdefinitionen bereits eindeutiger belegt<br />
ist. So können wenig fruchtbare aber sehr zeitraubende<br />
Diskussionen um Begrifflichkeiten vermieden werden.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 43
●● Erst mit der Operationalisierung wächst<br />
die Skepsis<br />
Abstrakt ist man sich bei der Definition von Ergebnisqualität<br />
erzieherischer Hilfen schnell einig. Geht<br />
es aber um die Operationalisierung dieser Größe, die<br />
verbindliche Beurteilungsgröße für die Leistungserbringung<br />
sein soll, wachsen Bedenken.<br />
Dies ist verständlich, weil mit einer konsequenten<br />
Orientierung an Ergebniskennziffern Unsicherheiten<br />
verbunden sind. In der Konsequenz kann dies in der<br />
Praxis dazu führen, dass zur Beschreibung der Ergebnisqualität<br />
verstärkt auf Indikatoren zurückgegriffen<br />
wird, die eher der Prozess- und Strukturqualität zuzuordnen<br />
sind.<br />
An den einzelnen Umsetzungsmeilensteinen lohnt<br />
sich daher der externe Blick eines Unbeteiligten um<br />
den Grad der Ergebnisorientierung der Kennziffern<br />
zu prüfen.<br />
●● Dokumentationsaufwand insgesamt verringern!<br />
Der Dokumentationsmehraufwand durch die Erhebung<br />
der Ergebnisqualität sollte kompensiert werden<br />
durch die Reduzierung des Erhebungsaufwandes für<br />
den Nachweis von Prozess- und Strukturqualitäten.<br />
Anbieter von Eingliederungsleistungen für Menschen<br />
mit Behinderung in Schleswig-Holstein sind in<br />
Zusammenhang der Entwicklung eines Qualitätsmonitoring<br />
diesen Weg gegangen.<br />
Die teilweise ausufernde Beschreibung der Prozess-<br />
und Strukturqualitäten im Rahmen von Qualitätsmanagement<br />
und Steuerung ist nicht nur fachlich<br />
begründet. Oftmals sollte damit die fehlende Dokumentation<br />
von Ergebnissen und Wirkungen kompensiert<br />
werden. Insofern dürften sich hier einige Potenziale<br />
zur Entschlackung von Überprüfungskategorien<br />
finden.<br />
●● Probierphase bei der Quantifizierung<br />
der Ziele einplanen<br />
Es sollte ein realistisches, aber herausforderndes Ziel<br />
zur Ergebnisqualität von Anbietern erzieherischer<br />
Hilfen vereinbart werden.<br />
Da keine Erfahrungswerte über Zielerreichungsgrade<br />
vorliegen, weiß man oftmals nicht, welche Ergebnisqualität<br />
realistischerweise erreichbar sein kann.<br />
Daher wird empfohlen, damit offensiv umzugehen<br />
und erste Testjahre zur „Annäherung“ einzuplanen.<br />
Konkret bedeutet das beispielsweise, bei Bonus-<br />
Regelungen den Prozentsatz der Erfolgsprämie langsam<br />
aufzustocken, um die finanzielle Bedeutung bei<br />
fehlender Wirkungserzielung gering zu halten. Zudem<br />
sollte das Controlling in den ersten Jahren nach<br />
Einführung der Erfolgsmessung darauf abzielen, die<br />
Zieldefinition daraufhin zu prüfen, ob es sich um ein<br />
realistisch und dabei gleichzeitig herausforderndes<br />
Ziel handelt.<br />
In aller Kürze:<br />
Bewährten Begriff der Ergebnisqualität wählen!<br />
Skepsis zum Thema der Erfolgsmessung kommt<br />
bei der Operationalisierung von Ergebniskennziffern.<br />
Dies bei der Prozessplanung berücksichtigen!<br />
Den Mehraufwand an Dokumentation für den Bereich<br />
der Ergebnisqualität durch eine Reduzierung im<br />
Bereich der Prozess- und Strukturqualität kompensieren!<br />
Annäherungsphase an realistische Zielsetzungen<br />
bei der Ergebnisqualität festlegen!<br />
5.4 Wie entfalten Vereinbarungen<br />
Handlungsrelevanz?<br />
Ausgangspunkt des Bundesmodellprogramms ist die<br />
Analyse, dass die Einführung der Leistungs- und Entgeltvereinbarungen<br />
zwar formal aber nicht de facto<br />
die Abkehr vom Prinzip der Kostendeckung hin zu<br />
prospektiven Entgelten bedeutet hat.<br />
Bisher ist die Handlungsrelevanz der Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
noch weniger gegeben, beispielsweise<br />
weil sie nur die gesetzlichen Regelungen<br />
des SGB VIII enthalten.<br />
Die zentrale Frage ist:<br />
Wie kann man es erreichen, dass die Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
als Instrument tatsächlich<br />
genutzt werden und handlungsrelevant für die Gesamtsteuerung<br />
werden?<br />
●● Verbindlichkeit der Ergebnisziele aus den Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
erhöhen.<br />
Wichtig ist, dass die Verbindlichkeit der Ergebnisqualität<br />
als zentraler Bestandteil der Qualitätsentwick-<br />
44 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
lungsvereinbarungen und der wirkungsorientierten<br />
Anreizelemente für die freien aber auch für die öffentlichen<br />
Träger erhöht wird.<br />
Ergebnisziele, die in den Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
benannt sind, werden verbindlicher,<br />
wenn sie in den Leistungsvereinbarungen explizit aufgeführt<br />
sind, und nicht nur auf sie verwiesen wird.<br />
QualitätsV<br />
Konsistenz der Vereinbarungen<br />
LeistungsV<br />
EntgeltV<br />
QualitätsV<br />
Standardisierung des Berichtswesens<br />
Ergebnisqualität<br />
Nachhaltigkeit: „In 75 %<br />
der Fälle sollen im Laufe<br />
eines Jahres keine<br />
Nachfolgehilfen notwendig<br />
werden.<br />
Bericht zu QualitätsV<br />
Beschreibungskategorie<br />
im Bericht:<br />
In wie viel Prozent der<br />
Fälle ist es gelungen,<br />
dass im Laufe eines<br />
Jahres keine<br />
Nachfolgehilfen<br />
notwendig werden?<br />
Entspricht das der<br />
Zielmarge? Wie hoch ist<br />
die Abweichung?<br />
Ergebnisziel<br />
„Nachhaltigkeit 80 %“<br />
Ergebnisziel<br />
„Nachhaltigkeit 80 %“<br />
= Weniger Möglichkeiten zum Freitext. Vorteile sind<br />
stringente Zielorientierung sowie effizientere Auswertung der<br />
Berichte<br />
= Aufhebung der Trennung „soft facts“ und „hard facts“<br />
Hierdurch kann eine Trennung in die „hard-facts“ der<br />
Leistungs- und Entgeltvereinbarung und der weniger<br />
relevanten „soft-facts“ vermieden werden.<br />
Juristisch macht das keinen Unterschied, Erfahrungen<br />
zeigen aber, dass die Inhalte der Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
den Akteuren kaum<br />
bekannt sind, was dazu führt, dass Ergebnisqualität<br />
als Beurteilungsgröße für sie nicht handlungsrelevant<br />
werden kann.<br />
Darüber hinaus ist es hilfreich, ein standardisiertes<br />
Berichtswesen einzuführen, im Rahmen dessen<br />
die Möglichkeit zur Beschreibung im Freitext eingeschränkt<br />
sind und v.a. auf die Beschreibungskategorien<br />
Bezug genommen werden muss, die direkt<br />
der Qualitätsentwicklungsvereinbarung entnommen<br />
sind.<br />
Das erleichtert dem Jugendamt die Auswertung,<br />
es diszipliniert aber auch bei der Beschreibung insbesondere<br />
der Ergebnisqualität und erhöht die Wichtigkeit<br />
der QE-Vereinbarung.<br />
Interessant ist es, wenn die Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
über die Beschreibung der Ergebnisqualität<br />
hinaus auch dafür genutzt werden, Kommunikationsstrukturen<br />
zwischen öffentlichem und freiem<br />
Träger verstärkt zu systematisieren.<br />
Insbesondere dient dies auch dazu, zu verdeutlichen,<br />
dass Qualitätsentwicklung nicht nur eine Bringschuld<br />
der freien Träger ist, sondern dass es sich um einen kooperativen<br />
Prozess zwischen freien und öffentlichen<br />
Trägern handelt.<br />
Handlungsrelevanz von Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
stärken<br />
Festlegung zu<br />
Routinen bei<br />
Abweichungen von<br />
den Ergebniszielen.<br />
Ursachenforschung für<br />
Optimierung<br />
Standardisierter Bericht<br />
über Erreichung der<br />
Ergebnisqualität.<br />
Ergebnisqualität<br />
quantifiziert<br />
definieren<br />
(Neu)-Definition der<br />
Ziele<br />
Controlling<br />
Ergebnisqualität<br />
im vergangenen<br />
Beauftragungszeitraum?<br />
Auswahl der<br />
Leistungserbringer<br />
Ergebnisziele in<br />
den Qualitätsund<br />
Leistungsvereinbarungen<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 45
Die Handlungsrelevanz von Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
kann dann verstärkt werden,<br />
wenn an zentralen Stellschrauben des gesamten Steuerungsprozesses<br />
auf die Zieldefinition im Hinblick auf<br />
die Ergebnisqualität Bezug genommen wird.<br />
Ein Anreizsystem kann nur dann Wirkung entfalten,<br />
wenn es seine Entsprechung im Steuerungskreislauf<br />
des öffentlichen Trägers findet.<br />
An o. g. Stellschrauben (s. Abb.) eines Steuerungskreislaufes<br />
sollte die Ergebnisqualität aus den Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
eine Rolle spielen:<br />
5.5 Schaffen einer produktiven Lernkultur<br />
in der sozialen Infrastruktur<br />
Ergebnisorientierte Anreize entfalten in erster Linie<br />
dann Wirkung, wenn sie auf eine positiv verstandene<br />
Fehlerkultur ausgerichtet sind.<br />
Fehler sollten in erster Linie eine Ursachenanalyse und<br />
Optimierungsprozesse auslösen.<br />
Produktive Fehler- und Lernkultur<br />
Ergebnisqualität messen<br />
Transparenz über Ergebnisqualität<br />
Gemeinsame Bewertung der Ergebnisse<br />
durch öffentlichen und freien Träger<br />
Ursachenanalyse<br />
Optimierungsansätze entwickeln<br />
Best-Practice identifizieren, ggf. Veröffentlichung<br />
Erfahrungsaustausch und Know how Transfer<br />
Zwei Dimensionen werden hier deutlich.<br />
Zum einen der Austausch zwischen öffentlichem<br />
und einzelnem Anbieter. Hier geht es im Übrigen<br />
nicht nur um Optimierungsbedarfe des freien sondern<br />
auch des öffentlichen Trägers. Hilfeplanung und die<br />
Durchführung von Hilfen zur Erziehung sind eng aufeinander<br />
bezogen.<br />
Hier greifen konsequent durchgeführte Dialogroutinen<br />
bei Zielabweichungen.<br />
Zum anderen wird darüber hinausgehend auch<br />
empfohlen, einen Erfahrungsaustausch, Know-how-<br />
Transfer und die gemeinsame Qualitätsentwicklung<br />
aller Anbieter untereinander zu fördern, ggf. zu entwickeln.<br />
Fördern Sie die Leistungsträger und Innovatoren<br />
unter ihren Anbietern, damit auch die übrigen<br />
Anbieter vom Know-how profitieren.<br />
5.6 Bereits vorhandene Möglichkeiten<br />
und Strukturen nutzen!<br />
Jugendämter verfügen bereits heute über Ansätze und<br />
Andockpunkte für ergebnisorientierte Steuerung im<br />
Bereich der Hilfen zur Erziehung.<br />
Die einfachste und effektivste Variante eines Anreizsystems<br />
ist es, Anbieter mit guten Ergebnisqualitäten<br />
künftig zu beauftragen. Die Jugendämter verfügen in<br />
der Regel bereits über Ansätze in dieser Richtung, einzelne<br />
Fachkräfte entscheiden nach ihrem Erfahrungswissen.<br />
Zu empfehlen ist, das im Jugendamt bereits an<br />
unterschiedlichen Stellen vorhandene Wissen zusammenzuführen<br />
und zu systematisieren. Ideal wäre eine<br />
Datenbank mit Informationen über Anbieter, die sich<br />
nicht nur auf Preis, Auslastung und Leistungsportfolio,<br />
sondern auch auf Kenntnisse zu Ergebnisqualität<br />
beziehen.<br />
Häufig fehlt hier die Bereitschaft in den Jugendämtern,<br />
bewertende Kriterien festzulegen. Daher kann<br />
es sinnvoll sein, zunächst im Hinblick auf ihre Ergebnisqualität<br />
sehr negativ aufgefallene Träger aus dem<br />
Kreis der Anbieter rauszufiltern. Das ist natürlich nur<br />
interessant für Städte, die über einen großen wenig<br />
überschaubaren Kreis an Anbietern verfügen.<br />
Aus eigenen Fehlern lernen!<br />
Aus positiven Ansätzen der anderen lernen!<br />
46 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
6 Strategisch im Blick behalten:<br />
Infrastrukturelle Voraus-<br />
setzungen, damit Anbieter<br />
auf die Anreize auch<br />
reagieren können<br />
Gegenstand dieser Empfehlungen sind wirkungsorientierte<br />
Anreizsysteme in Vereinbarungen nach §§<br />
77 und 78 SGB VIII. Es ist hilfreich, die Steuerungsdynamiken<br />
dieses Instrumentes zu prüfen, um die konkrete<br />
Ausgestaltung vor Ort sinnvoll entsprechend<br />
der Bedürfnisse auszutarieren.<br />
Entscheidend für die Wirksamkeit des Gesamtsystems<br />
ist aber, dass die Kommune über die Detailsteuerung<br />
hinaus geht und ihr strategisches Gesamtinteresse<br />
im Hinblick auf die soziale Infrastruktur im<br />
Blick hat.<br />
renzlosen Anbieter wenig Anreiz für Veränderungen<br />
und Qualitätsverbesserungen sein. Wenn seine Ergebnisqualität<br />
schlecht ist, können sich Bonus/Malus-<br />
Regelungen sogar negativ auf die Entwicklung des<br />
Gesamtsystems auswirken. Die schlechtere finanzielle<br />
Ausstattung wäre ggf. sogar existenzgefährdend für<br />
den Anbieter.<br />
Die Kommune ist jedoch an der Entwicklung und<br />
Veränderung ihrer Anbieter vor Ort interessiert, nicht<br />
an einer Zerschlagung von Strukturen. Daher infrastrukturellen<br />
Bedingungen vor Ort im Blick zu behalten,<br />
wenn es um die Etablierung wirkungsorientierter<br />
Anreizsysteme geht.<br />
Die zentrale Frage ist hier: Was kann ein öffentlicher<br />
Träger tun, um eine produktive soziale Infrastruktur<br />
zu unterstützen, zu pflegen oder zu entwickeln?<br />
Ausreichend Anbieter<br />
Kommunikationskultur<br />
Wettbewerbssituation<br />
Anbieterstruktur<br />
Soziale<br />
Infrastruktur<br />
Qualitätswettbewerb<br />
Produktive<br />
soziale<br />
Infrastruktur<br />
Alle Steuerungsinstrumente – ob aus dem Bereich<br />
Controlling, der Leistungsvereinbarung, der Planung<br />
etc. – können ins Leere laufen bzw. negative Dynamiken<br />
entwickeln, wenn die soziale Infrastruktur keine<br />
Voraussetzungen dafür bietet.<br />
Eine solche Dysfunktionalität kann beispielsweise<br />
dadurch entstehen, dass nur ein Anbieter vor Ort zur<br />
Auswahl steht, ein closed-shop von Anbietern innovative<br />
Entwicklungen verhindert oder der Qualitätswettbewerb<br />
einem reinen Preisbewerb gewichen ist.<br />
Eine ergebnisorientierte Auswahl auf der Basis<br />
erhobener Ergebnisqualitäten wird für einen konkur-<br />
Anpassungsfähigkeit<br />
freier Träger<br />
Kein closed-shop<br />
Fehlertoleranz und<br />
Innovationsförderung<br />
Ergebnisqualität<br />
Fehlerkultur<br />
Dabei ist nicht die Rolle der freien Träger zu vernachlässigen.<br />
Um die Ergebnisqualität und die Bedarfsgerechtigkeit<br />
der Angebote zu fördern, müssen die Anbieter<br />
in der Lage sein, strategische Optionen für ihre<br />
Positionierung am Markt zu entwickeln.<br />
Diese kann in einer Spezialisierung oder auch<br />
einer Generalisierung des Angebotsportfolios liegen,<br />
in der Entwicklung von sog. Nischenangeboten sowie<br />
auch in der Erschließung weiterer Kommunen aus der<br />
Region als Auftraggeber.<br />
Grundvoraussetzung für die Aufgabenwahrnehmung<br />
öffentlicher und freier Träger ist eine positive,<br />
offene und transparente Kommunikationskultur.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 47
Miriam Kohlmeyer, Jahrgang 1975, Beraterin, Diplom-Politologin, Analyse administrativer und politischer<br />
Kommunikationsprozesse, seit 2004 bei con_sens, Schwerpunkte sind <strong>Jugendhilfe</strong> und Arbeitsmarktpolitik.<br />
48 |<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong>
WOJH Schriften 4 Titel.indd 1-2<br />
WOJH Schriften 5 Titel id5.indd 1-2<br />
WOJH Schriften 6 Titel_alternativ_2.indd 1-3<br />
30.05.20<strong>07</strong> 12:34:12 Uhr<br />
04.10.20<strong>07</strong> 15:44:21 Uhr<br />
17.03.2008 12:30:22 Uhr<br />
Akteure<br />
Lokale Partner —<br />
Tandems<br />
Regiestelle<br />
Lokale Partner<br />
Die lokalen Partner an den<br />
Mo dell standorten (Tandems,<br />
bestehend jeweils aus einem<br />
öffentlichen <strong>Jugendhilfe</strong>träger<br />
als Leistungsträger sowie<br />
Trägern von Einrichtungen<br />
als Leistungsanbieter) erhalten<br />
eine qualifizierte Beratung<br />
und Moderation ihres<br />
Aus handlungsprozesses.<br />
Die praktische Umsetzung<br />
der Ver ein barungen wird<br />
im Hin blick auf die damit<br />
verbundenen Ef fekte und auf<br />
die Einhaltung der vereinbarten<br />
Ziele und Wirkungen<br />
evaluiert.<br />
Regiestelle<br />
Regiestelle zur Koordination<br />
des Modellprogramms ist das<br />
Institut für soziale Arbeit mit<br />
Sitz in Münster. Sie übernimmt<br />
alle mit der Organisa tion und<br />
Durchführung des Modellprogramms<br />
verbundenen Aufgaben,<br />
unter anderem:<br />
Programmplanung und<br />
Programmsteuerung<br />
● Sicherstellung des vorgegebenen<br />
und verabredeten<br />
Pro grammverlaufs, der<br />
Zielerreichung und der<br />
Programmkompatibilität<br />
der Aktivitäten der lokalen<br />
Akteure und der Berater/<br />
innen.<br />
Programmrepräsentanz<br />
● Herstellung der internen<br />
und externen Repräsentanz<br />
(Pro gramm dach, Programmidentität<br />
und Programmidentifizierung).<br />
Servicefunktionen<br />
● Konzeption und Organisation<br />
von Veranstaltungen<br />
(Workshops und Fachtagungen),<br />
● Information von bundeszentralen<br />
Organisationen,<br />
lokalen Trägern und Interessengruppen,<br />
Beratungsinstitutionen<br />
Evaluation<br />
● Organisation des Transfers<br />
von (Zwischen-)Ergebnissen<br />
des Modellprogramms<br />
durch Veranstaltungen<br />
(Workshops), ein Internetforum<br />
und periodische<br />
Newsletter,<br />
● Kooperation, Abstimmung<br />
und Zusammenarbeit mit<br />
der Evaluation und dem<br />
Beirat.<br />
Programm durchführung<br />
● Laufende Abstimmung<br />
mit dem Bundesministerium<br />
für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend,<br />
● Programmauswertung und<br />
Dokumentation,<br />
● laufende Berichterstattung<br />
über den Programmverlauf,<br />
Abstimmung und Kooperation<br />
mit der Evaluation und<br />
dem Beirat des Modellprogramms.<br />
Aufbau und Pflege<br />
des Netzwerkes<br />
● Aufbereitung der Aktivitäten<br />
der lokalen Projekte,<br />
● regelmäßige Information<br />
über Entwicklungen auf<br />
der lokalen wie auf der<br />
Programmebene,<br />
● Organisation von Veranstaltungen<br />
zu zentralen<br />
Themen und Entwicklungsaufgaben<br />
des Modellprogramms.<br />
ISA Planung und Entwicklung<br />
GmbH<br />
Studtstraße 20, 48149 Münster<br />
Fon 02‐51 925‐36-0 od.<br />
270‐59‐47, Fax 02‐51 925‐36-80<br />
Ansprechpartner:<br />
Dr. Erwin Jordan (Leitung)<br />
Dr. Dirk Nüsken, wiss.<br />
Mitarbeiter (Koordination)<br />
dirk.nuesken@isa-muenster.de<br />
Stefan Eberitzsch, wiss.<br />
Mitarbeiter, stefan.eberitzsch@<br />
isa-muenster.de<br />
Désirée Frese, wiss. Mitarbeiterin<br />
(Sachbearbeitung)<br />
desiree.frese@isa-muenster.de<br />
Evaluation<br />
Für die Aufgabe der<br />
Pro gramm evaluation wurde<br />
die Universität Bielefeld<br />
ausgewählt und be auftragt.<br />
Die Evaluation begleitet<br />
das Bun desmodellprogramm<br />
über die gesamte Laufzeit<br />
wissenschaftlich. Die unterschriebenen<br />
Vereinbarungen,<br />
ihre praktische Umsetzung<br />
sowie die Auswirkungen in<br />
der Praxis sollen wissenschaftlich<br />
überprüft werden. Dabei<br />
hat die Evaluation die Aufgabe,<br />
insbesondere darüber<br />
Aufschluss zu geben, ob und<br />
in welchem Aus maß die intendierten<br />
Wirkungen der Hilfen<br />
erreicht wurden.<br />
<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> 04<br />
Eine Schriftenreihe des ISA<br />
zur Qualifizierung der Hilfen<br />
Die Evaluation soll insbesondere<br />
Aufschluss geben über<br />
zur Erziehung<br />
● Verlauf und Dauer des<br />
Hilfeprozesses,<br />
● Ergebnisse und Wirkungen<br />
nach §§ 78a ff SGB VIII“.<br />
des Hilfeprozesses bei den<br />
Hilfeempfänger/innen,<br />
● Veränderung der Rolle und<br />
Gefördert vom<br />
der Beteiligung der Hilfeempfänger/innen,<br />
● die Entwicklung der Fallkosten,<br />
● die Strukturen und die<br />
Herausgeber:<br />
ISA Planung und Entwicklung GmbH, Studtstraße 20, 48149 Münster,<br />
Fon 02-51 925-36-0, Fax 02-51 925-36-80, www.isa-muenster.de, info@isa-muenster.de<br />
Ar beits prozesse in der<br />
Einrichtung,<br />
● das Zusammenwirken von<br />
Jugendamt, Einrichtung<br />
und Hilfeempfänger/innen<br />
bei der Hilfeplanung und<br />
-steuerung,<br />
zur Erziehung<br />
● die Praktikabilität und die<br />
Effekte ergebnisorientierter<br />
Finanzierungsbestandteile,<br />
nach §§ 78a ff SGB VIII“.<br />
● die Entwicklung der Angebotsstrukturen<br />
und die<br />
Inanspruchnahme und die<br />
Gefördert vom<br />
Ausgestaltung der Hilfen.<br />
Die vorliegende Schriftenreihe erscheint begleitend<br />
zum Modellprogramm des Bundesministeriums für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)<br />
zur „Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung durch<br />
wirkungsorientierte Ausgestaltung der Leistungs-,<br />
Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
Die systematische und unabhängige<br />
Evaluation soll die<br />
Mög lichkeit Herausgeber: eröffnen, einzelne<br />
ISA Planung und Entwicklung GmbH, Studtstraße 20, 48149 Münster,<br />
Fon 02-51 925-36-0, Fax 02-51 925-36-80, www.isa-muenster.de, info@isa-muenster.de<br />
Kon zeptelemente aus ver schiedenen<br />
Modellstandorten als<br />
besonders wirksam zu identifizieren<br />
und für den spä teren<br />
Transfer über die Teilnehmer<br />
des Modellprogramms hinaus<br />
nutzbar zu machen. zur Erziehung<br />
<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> 06<br />
Eine Schriftenreihe des ISA<br />
zur Qualifizierung der Hilfen<br />
Die Ergebnisse der umfassenden<br />
Wirkungsanalyse<br />
nach §§ 78a ff SGB VIII“.<br />
dokumentieren zum Abschluss<br />
der Erprobungsphase 2008<br />
die Ef fekte der Neugestaltung<br />
Gefördert vom<br />
von Leitungs-, Entgelt- und<br />
Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
sowie Wirkungen<br />
der er brachten erzieherischen<br />
Herausgeber:<br />
Hilfen. ISA Planung und Entwicklung GmbH, Studtstraße 20, 48149 Münster,<br />
Fon 02-51 925-36-0, Fax 02-51 925-36-80,<br />
www.isa-muenster.de, info@isa-muenster.de<br />
© by ISA Planung und Entwicklung GmbH, Münster 2008<br />
<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> 05<br />
Eine Schriftenreihe des ISA<br />
zur Qualifizierung der Hilfen<br />
Die vorliegende Schriftenreihe erscheint begleitend<br />
zum Modellprogramm des Bundesministeriums für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)<br />
zur „Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung durch<br />
wirkungsorientierte Ausgestaltung der Leistungs-,<br />
Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
Die vorliegende Schriftenreihe erscheint begleitend<br />
zum Modellprogramm des Bundesministeriums für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)<br />
zur „Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung durch<br />
wirkungsorientierte Ausgestaltung der Leistungs-,<br />
Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
ISBN 978-3-8309-2008-3<br />
Universität Bielefeld, Fakultät<br />
für Erziehungswissenschaft/AG<br />
8, Postf. 10‐01‐31,<br />
33501 Bielefeld<br />
Ansprechpartner/in:<br />
Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Uwe<br />
Otto (Leitung)<br />
Andreas Polutta (Koordination)<br />
Fon 05‐21 106‐33‐10,<br />
Fax 05‐21 106‐80‐47<br />
andreas.polutta@uni-bielefeld.de<br />
Stefanie Albus<br />
Heike Greschke<br />
Birte Klingler<br />
PD Dr. Heinz Messmer<br />
PD Dr. Heinz-Günter Micheel<br />
Bisher erschienen:<br />
<strong>Band</strong> 01, 02, 03, 04 (o. Abb.):<br />
Beiträge zur Wirkungsorientierung<br />
von erzieherischen<br />
Hilfen<br />
<strong>Wirkungsorientierte</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> 06 Zwischenberichte zum Modellprogramm<br />
<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> 04<br />
Metaanalyse von Fallstudien<br />
erzieherischer Hilfen hinsichtlich<br />
von Wirkungen und „wirkmächtigen“<br />
Faktoren aus Nutzersicht<br />
von Klaus Wolf<br />
<strong>Band</strong><br />
04<br />
Eine Schriftenreihe des ISA zur<br />
Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung<br />
<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> 05<br />
Rechtliche Grundlagen für wirkungsorientierte<br />
Leistungs-, Entgelt- und<br />
Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
von Johannes Münder und Reinhard Joachim Wabnitz<br />
<strong>Band</strong><br />
05<br />
<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> 06<br />
Zwischenberichte der Regiestelle und<br />
der Evaluation zum Modellprogramm<br />
Regie: ISA Planung und Entwicklung GmbH<br />
Evaluation: Universität Bielefeld, Fakultät für<br />
Erziehungswissenschaft<br />
<strong>Band</strong><br />
06<br />
Eine Schriftenreihe des ISA zur<br />
Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung<br />
Eine Schriftenreihe des ISA zur<br />
Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung
<strong>Wirkungsorientierte</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Band</strong> <strong>07</strong><br />
Eine Schriftenreihe des ISA<br />
zur Qualifizierung der Hilfen<br />
zur Erziehung<br />
Die vorliegende Schriftenreihe erscheint begleitend<br />
zum Modellprogramm des Bundesministeriums für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)<br />
zur „Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung durch<br />
wirkungsorientierte Ausgestaltung der Leistungs-,<br />
Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen<br />
nach §§ 78a ff SGB VIII“.<br />
Gefördert vom<br />
Herausgeber:<br />
ISA Planung und Entwicklung GmbH, Studtstraße 20, 48149 Münster,<br />
Fon 0251 92536-0, Fax 0251 92536-80,<br />
www.isa-muenster.de, info@isa-muenster.de<br />
© by ISA Planung und Entwicklung GmbH, Münster 2009