Elia - ein Mann in tiefer Depression - Ethos
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DR. MED. WALTER VETSCH<br />
«Es ist genug. Nun, Herr,<br />
nimm m<strong>e<strong>in</strong></strong> Leben h<strong>in</strong>!»<br />
1. Könige 19,4<br />
Die Vorgeschichte<br />
Zur Zeit <strong>Elia</strong>s, etwa 860 vor Christus, war<br />
Ahab König von Israel, den zehn nördlichen<br />
Stämmen des geteilten Reiches.<br />
Ahab war <strong>e<strong>in</strong></strong> schwacher Mensch, verheiratet<br />
mit <strong>e<strong>in</strong></strong>er boshaften, herrschsüchtigen<br />
Frau: Isebel. Mehr als alle anderen<br />
Könige vor ihm tat er, was Gott missfiel.<br />
Er betete Baal an, richtete ihm <strong>e<strong>in</strong></strong>en Altar<br />
auf und machte auch <strong>e<strong>in</strong></strong> Standbild der<br />
Aschera, <strong>e<strong>in</strong></strong> hölzernes Abbild <strong>e<strong>in</strong></strong>er weiblichen<br />
Gottheit. Isebel unterstützte ihren<br />
<strong>Mann</strong> <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong></strong>em götzendienerischen<br />
Treiben. Sie beherrschte ihn und damit<br />
auch Israel und führte dadurch das Land<br />
<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>e Katastrophe. Als das Mass voll<br />
war, sandte Gott den Propheten <strong>Elia</strong> zu<br />
den beiden und sagte ihnen <strong>e<strong>in</strong></strong>e dreijährige<br />
Dürre voraus. Die Wut Ahabs war so<br />
gross, dass <strong>Elia</strong> sich lange Zeit vor dem<br />
König verstecken musste. Und s<strong>e<strong>in</strong></strong>e Frau<br />
liess <strong>in</strong> ihrem Zorn alle Propheten Gottes<br />
umbr<strong>in</strong>gen – bis auf die hundert, die der<br />
fromme Hofmeister Obadja vor ihr verbarg.<br />
Als der Regen ausblieb, kam <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />
grosse Hungersnot über das Land. Aber<br />
Gott versorgte s<strong>e<strong>in</strong></strong>en Diener <strong>Elia</strong> <strong>in</strong> wunderbarer<br />
Weise mit allem, was er zum Leben<br />
brauchte.<br />
Als die Zeit um war, schickte der Herr<br />
<strong>Elia</strong> erneut zu Ahab. In <strong>e<strong>in</strong></strong>em gewaltigen<br />
Glaubensakt triumphierte der Prophet<br />
Gottes über die toten Götzen, als er Feuer<br />
vom Himmel rief und damit bewies, dass<br />
es nur <strong>e<strong>in</strong></strong>en <strong>e<strong>in</strong></strong>zigen lebendigen Gott<br />
gibt. Er befahl den Israeliten, die 450 Propheten<br />
des Baal und die 400 Prophet<strong>in</strong>nen<br />
der Aschera zu töten. Das Volk<br />
wandte sich wieder Gott zu und rief: «Der<br />
Herr ist Gott, der Herr ist Gott!» Gott bestätigte<br />
<strong>Elia</strong>, der, als er um Regen bat, erhört<br />
wurde. Das Wunder geschah und <strong>e<strong>in</strong></strong><br />
Sturm brachte das ersehnte Nass.<br />
<strong>Elia</strong> lief darauf, wohl <strong>in</strong> der Annahme,<br />
dass Ahab und Isebel am Ende ihrer<br />
Macht seien, nach Jesreel, dem Regierungssitz<br />
des Königs. Da erreichte ihn<br />
die Morddrohung Isebels, die schwor, sie<br />
werde ihn umbr<strong>in</strong>gen.<br />
Jetzt schien das Mass der Belastung<br />
für <strong>Elia</strong> voll. Er, der früher nichts anderes<br />
fürchtete als Gott, lief nun, von Angst<br />
gep<strong>e<strong>in</strong></strong>igt, vor <strong>e<strong>in</strong></strong>er Frau davon. Bis zu<br />
diesem Augenblick hatte er Gott alles zugetraut.<br />
Er glaubte, dass der Herr den<br />
Himmel verschliessen und den Regen zurückhalten<br />
konnte. Er vertraute darauf,<br />
dass er ihn vor Ahab schützen und ihn<br />
mit allem versorgen würde, was er zum<br />
Leben brauchte. Und er war sich gewiss,<br />
dass er sich als der wahre Gott erweisen<br />
würde, als er die 850 heidnischen Propheten<br />
herausforderte. Auch hatte er k<strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />
Zweifel, dass Gott auf s<strong>e<strong>in</strong></strong> Gebet h<strong>in</strong> Regen<br />
senden würde. <strong>Elia</strong> erlebte mit Gott<br />
viele Siege, aber plötzlich schaute er all<strong>e<strong>in</strong></strong><br />
auf die Bedrohung und verlor damit die<br />
Macht Gottes aus den Augen. Verzweifelt<br />
lief er <strong>in</strong> die Wüste, setzte sich unter <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />
G<strong>in</strong>sterstrauch und wünschte sich nichts<br />
anderes, als zu sterben. <strong>Elia</strong> erlebte <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />
tiefe <strong>Depression</strong>.<br />
Angst und Verzagtheit<br />
<strong>Elia</strong> wartete nicht ab, was Gott tun würde.<br />
Er war völlig verängstigt und mutlos. Die<br />
Verzagtheit rechnet nicht mit Gott, sondern<br />
streicht ihn aus dem Gedächtnis.<br />
Oft kommt die Verzagtheit im Gewand<br />
der Demut daher, aber es ist <strong>e<strong>in</strong></strong>e falsche<br />
Demut.<br />
Verzagtheit ist letztlich Sünde, denn im<br />
Blick auf die Vergangenheit und die Gnadenerweisungen<br />
Gottes ist es Undankbarkeit.<br />
Undankbarkeit im Blick auf die bisherige<br />
Führung Gottes. Die Verzagtheit ist<br />
vergesslich.<br />
Kennen wir das nicht auch aus unserem<br />
eigenen Leben? Wir erfuhren die<br />
Treue und Liebe Gottes Tag für Tag, aber<br />
wenn Schwierigkeiten auftauchen, vergessen<br />
wir s<strong>e<strong>in</strong></strong>e Fürsorge, beg<strong>in</strong>nen zu<br />
jammern und zu sorgen und werfen die<br />
Fl<strong>in</strong>te <strong>in</strong>s Korn. Hat Gott das verdient,<br />
dass wir uns «unter den G<strong>in</strong>ster werfen»<br />
und verzagen?<br />
Im Blick auf die Gegenwart ist Verzagtheit<br />
Unglaube. Wer sich der Mutlosigkeit<br />
h<strong>in</strong>gibt, der schaltet Gott ganz aus s<strong>e<strong>in</strong></strong>er<br />
Rechnung aus, für den ist er gar nicht<br />
mehr da, jedenfalls nicht als der Lebendige<br />
und Allmächtige. Deshalb ist Verzagtheit<br />
Unglaube. Wer nicht mit Gott<br />
rechnet, der arbeitet auch nicht mehr für<br />
ihn und vergeudet s<strong>e<strong>in</strong></strong> Leben <strong>in</strong> nutzlosem<br />
Klagen.<br />
Im Blick auf die Zukunft ist Verzagtheit<br />
Misstrauen. Warum wollte <strong>Elia</strong> sterben?<br />
Doch nur darum, weil er sich von<br />
der Zukunft nichts mehr versprach, weder<br />
für sich noch für s<strong>e<strong>in</strong></strong> Volk. S<strong>e<strong>in</strong></strong> armseliges<br />
Gebet: «Es ist genug. Nun, Herr,<br />
nimm m<strong>e<strong>in</strong></strong> Leben h<strong>in</strong>!» ist <strong>e<strong>in</strong></strong> trauriges<br />
Misstrauensvotum. Dabei war er zuvor<br />
<strong>e<strong>in</strong></strong> vorbildlicher Beter.<br />
Hüten wir uns deshalb vor Verzagtheit<br />
und Resignation, wenn wir durch schwere<br />
Zeiten und dunkle Täler gehen müssen,<br />
so, als gäbe es k<strong>e<strong>in</strong></strong>en Gott oder als hätte<br />
er k<strong>e<strong>in</strong></strong>e Macht, uns zu helfen. Er<strong>in</strong>nern<br />
wir uns vielmehr an s<strong>e<strong>in</strong></strong>e Treue und vertrauen<br />
wir ihm im Bewussts<strong>e<strong>in</strong></strong>, dass es<br />
k<strong>e<strong>in</strong></strong>e Lage <strong>in</strong> unserem Leben gibt, der<br />
er nicht gewachsen ist. Durch Vertrauen<br />
haben wir die Möglichkeit, Gott <strong>in</strong> allen<br />
Umständen und Widerwärtigkeiten zu<br />
ehren.<br />
Menschlich gesehen war <strong>Elia</strong>s Verhalten<br />
absolut verständlich. Nach der Anspannung<br />
durch die enorme Herausforderung<br />
auf dem Karmel und nach dem<br />
gewaltigen Marsch nach Jesreel war er<br />
total erschöpft und ausgelaugt. Ausserdem<br />
hatte er k<strong>e<strong>in</strong></strong>erlei sozialen Kontakte<br />
mehr, k<strong>e<strong>in</strong></strong>en Freund oder Vertrauten, der<br />
ihm beiseitestand. Zwar war das lang ersehnte<br />
Ziel erreicht, das Volk wieder dem<br />
lebendigen Gott zugewandt – aber statt<br />
Dank und Anerkennung zu empfangen,<br />
musste <strong>Elia</strong> erneut um s<strong>e<strong>in</strong></strong> Leben fürchten.<br />
Das war zu viel. Er fiel <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>e tiefe<br />
<strong>Depression</strong>.<br />
Wieso fürchtete <strong>Elia</strong> um s<strong>e<strong>in</strong></strong> Leben?<br />
Wieso packte ihn die nackte Angst? <strong>Elia</strong><br />
blickte auf die Umstände, und die waren<br />
THEMA<br />
ethos 3 I 2007 11