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8. MAI - Antifaschistische Linke Berlin

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GESCHICHTE WIRD GEMACHT<br />

eingeweihte Holocaustmahnmal gehören<br />

nun in die stadtpolitische Landschaft der<br />

Hauptstadt. An sich sind Gedenkorte ein<br />

wichtiger Bestandteil im Kampf gegen das<br />

Totschweigen und Vergessen; gegen all die<br />

Ausblendungen, welche die Geschichte des<br />

Nationalsozialismus in Deutschland begleiten.<br />

Doch der offizielle Umgang mit diesen<br />

Orten ist ein funktionalisierender: Die Erinnerung<br />

und das Gedenken werden in feste<br />

Ritualakte gegossen – an bestimmten Tagen,<br />

an bestimmten Orten, vor bestimmtem Publikum.<br />

Die Zuweisung historisch nicht zurechtbiegbarer<br />

Ereignisse an einen eigens dafür<br />

vorgesehenen Ort geht mit einer Auskoppelung<br />

der Erinnerung aus dem politischen<br />

Alltagsgeschäft einher. Die Frage nach den<br />

Ursachen für den Nationalsozialismus werden<br />

zwar gestellt, aber in entpolitisierte<br />

Formen gepresst und mutieren zu Appellen<br />

gegen »Gewalt und Extremismus«. Konsequenzen<br />

aus diesen Fragen lassen sich nicht<br />

finden und werden mit Sorgfalt vermieden.<br />

Die wahren Opfer sind »Wir«?<br />

Neben der offiziellen Rethorik sind schon<br />

länger, eher am Rande der Aufmerksamkeit,<br />

gesellschaftliche Umdeutungsstrategien<br />

aktiv: vom Zweiten Weltkrieg bleibt die<br />

Erinnerung an die Bombardierung Dresdens,<br />

deren Bevölkerung plötzlich synonym<br />

für das Leiden der Deutschen an der Geschichte<br />

steht. In jeder Familie finden sich<br />

Nicht-Mitmacher im Nationalsozialismus,<br />

bzw. die Irgendwie-doch-Mitmacher trugen<br />

selbstredend keine Schuld an Verbrechen.<br />

So entsteht das Bild eines unter dem<br />

Joch der Nazis geknechteten Deutschlands,<br />

das wenn nicht voll Widerstandskämpfer,<br />

so zumindest reich an inneren Emigranten<br />

war, die nach der Befreiung das harte<br />

Los der Nachkriegszeit zu erleiden hatten.<br />

Sozusagen ein doppeltes Leid, hinter dem<br />

die Geschichte der 6 Millionen ermordeten<br />

Juden, der 22 Millionen Toten der Sowjetunion<br />

und des zerstörten Europa verblassen.<br />

Nun, wo die TäterInnengeneration endgültig<br />

am Aussterben ist und ihr anhaltendes<br />

Schweigen zu den eigenen Taten zur festen<br />

Lücke im gesellschaftlichen Bewusstsein<br />

wird, verlagert sich die Erinnerung in<br />

die staatliche Keimzelle der Familie. Dort<br />

erfindet sich die nationale Kollektivität in<br />

der Schaffung eines versöhnlerischen Mythos<br />

neu: letztlich waren »wir« doch alle<br />

Opfer der Nazis, verführt, verloren und<br />

betrogen. Dresden und Auschwitz werden<br />

in einem Atemzug genannt – es gibt nur<br />

noch Opfer und neben Hitler kaum Täter.<br />

Die noch vor 10 Jahren hitzig geführte Debatte<br />

um kollektive Schuld, die die Wehrmachtsausstellung<br />

auslöste, scheint beerdigt<br />

unter der Inszenierung einer bewusst<br />

diffus gehaltenen Gedenkpolitik, die auf<br />

fruchtbaren Nährboden in der Gesellschaft<br />

stößt. Direkter Ausdruck dieser Tendenz<br />

sind kulturelle Produkte wie der Film »Der<br />

Untergang«, Romane wie »Der Brand«<br />

und Ausstellungen wie die Flick-Collection<br />

in <strong>Berlin</strong>. Sie alle verbindet eine Geste der<br />

Versöhnung mit sich selbst. Der Faschismus<br />

wird zur Folie, auf dem sich individuel-<br />

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