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Landeskorrespondenten bei regionalen Tage - Karl-Rudolf Korte

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Universität Duisburg-Essen<br />

Standort Duisburg<br />

- Institut für Politikwissenschaften -<br />

<strong>Landeskorrespondenten</strong> <strong>bei</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen in NRW:<br />

Profile, Politikvermittlung, Kontrolle<br />

Diplomar<strong>bei</strong>t <strong>bei</strong> Prof. <strong>Karl</strong>-<strong>Rudolf</strong> <strong>Korte</strong><br />

Zweitprüfer: Dipl. Soz.-Wiss. Nico Grasselt<br />

Fabienne Piepiora, Hansastraße 117, 47058 Duisburg, Telefon: 0163-7257512<br />

E-Mail: fabipiepiora@yahoo.de, Matrikelnummer 742894 (17. Semester)<br />

Duisburg, 26. Februar 2010


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Der Untersuchungsrahmen 6<br />

1.1 Aufbau der Ar<strong>bei</strong>t 9<br />

1.2 Das Zusammenspiel von Politik und Medien als Forschungsgegenstand 12<br />

1.3 Systemtheoretische Fundierung 17<br />

1.4 Methodische Vorgehensweise 22<br />

1.5 Klärung zentraler Begriffe 25<br />

1.5.1 Zum Begriff „Politische Kommunikation“ 25<br />

1.5.2 Zum Begriff „Politik“ 26<br />

1.5.3 Zum Begriff „Massenmedien“ 27<br />

1.5.4 Zum Begriff „Regionalzeitungen“ 30<br />

2 Das Spannungsfeld zwischen Politik und Medien aus organisatorischer<br />

und akteurszentrierter Perspektive in NRW 30<br />

2.1 Die Rolle der Landespolitiker im institutionellen Gefüge 31<br />

2.2 Journalisten als Akteure des Mediensystems 33<br />

2.3. Medien auf institutioneller Ebene in NRW: Die Landespressekonferenz 35<br />

2.4 Schlussfolgerungen für das Interaktionsprodukt „Landesberichterstattung“ 38<br />

3 Analyse der empirischen Ergebnisse 39<br />

3.1 Zum Selbstverständnis und Werdegang der befragten Journalisten 39<br />

3.1.1 Zwischenfazit 43<br />

3.2 Stellenwert der Landesberichterstattung <strong>bei</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen 44<br />

3.2.1 Zwischenfazit 47<br />

3.3 Berichterstattung konkret: Zur Aufbereitung von Landesthemen 47<br />

3.3.1 Das Regionalisieren von Themen und die Zusammenar<strong>bei</strong>t im<br />

redaktionellen Gefüge 48<br />

3.3.2 Personalisierung 50<br />

3.3.3 Zwischenfazit 51<br />

3.4 Der Ar<strong>bei</strong>tsalltag der Korrespondenten am Schauplatz Düsseldorf 52<br />

3.5 Formale und informelle Recherchemethoden der Korrespondenten 56<br />

3.5.1 Recherche auf der Vorderbühne: Die Pressekonferenzen 57<br />

3.5.2 Auf der Hinterbühne: Informelle Recherchemetthoden 58<br />

3.5.2.1 Netzwerken als Bestandteil informeller Kommunikation 60<br />

3.5.2.2 Hintergrundkreise 61<br />

3.5.2.3 Hintergrundgespräche 65<br />

3.5.2.4 Ganz nah dran: Auf Pressereise mit Spitzenpolitikern 66<br />

2


3.5.3 Zwischenfazit 67<br />

3.5.4 Die Gretchenfrage: Der schmale Grat zwischen Nähe und Distanz 68<br />

4 Zum Vergleich: Unterschiede zwischen Düsseldorf und Berlin 72<br />

4.1 Tempo, Tempo: Nachrichten im Geschwindigkeitsrausch 73<br />

4.2 Zum Verhältnis der Journalisten untereinander 75<br />

4.3 Die Ar<strong>bei</strong>tsebene: Zum Verhältnis von Journalisten und Politikern 77<br />

4.4 Die persönliche Ebene: Zum Verhältnis von Journalisten und Politikern 78<br />

4.5 Zwischenfazit 79<br />

5 Fazit 80<br />

6 Literaturverzeichnis 85<br />

6.1 Internetquellen 90<br />

6.2 Abbildungsverzeichnis 91<br />

6.3 Quellenverzeichnis der anderen Abbildungen 91<br />

7 Eidesstattliche Erklärung 92<br />

3


Abkürzungsverzeichnis<br />

BDZV<br />

BPK<br />

BVerfGE<br />

CDU<br />

CO<br />

CSU<br />

DJV<br />

ebd.<br />

FDP<br />

Grüne<br />

Hrsg.<br />

IVW<br />

J<br />

LPK<br />

NRW<br />

NRZ<br />

PR<br />

RP<br />

SPD<br />

Vgl.<br />

WAZ<br />

WDR<br />

WP<br />

ZDF<br />

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger<br />

Bundespressekonferenz<br />

Bundesverfassungsgericht<br />

Christlich Demokratische Union<br />

Kohlenmonoxid<br />

Christlich-Soziale Union<br />

Deutscher Journalisten Verband, eine Journalistengewerkschaft<br />

Ebenda<br />

Freie Demokratische Partei<br />

Bündnis 90/Die Grünen<br />

Herausgeber<br />

Interessengemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern<br />

Journalist<br />

Landespressekonferenz<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Neue Ruhr Zeitung<br />

Public Relations<br />

Rheinische Post<br />

Sozialdemokratische Partei Deutschlands<br />

Vergleiche<br />

Westdeutsche Allgemeine Zeitung<br />

Westdeutscher Rundfunk<br />

Westfalenpost<br />

Zweites Deutsches Fernsehen<br />

4


Das Zusammenspiel von Journalisten ist<br />

wie eine Ehe. Sie ar<strong>bei</strong>ten zusammen in guten wie in schlechten Zeiten.<br />

(Vgl. J4)<br />

5


1 Der Untersuchungsrahmen<br />

„Der Journalist ähnelt dem Wissenschaftler. Das Ergebnis einer Recherche hat<br />

ebenso offen zu sein wie die Lösung eines wissenschaftlichen Problems. Gesteuert<br />

lediglich durch journalistische Neugierde und den Drang, der Wahrheit näher zu<br />

kommen. Auftrags- und Gefälligkeitsar<strong>bei</strong>ten gehören nicht dazu. Das klingt so<br />

furchtbar idealistisch. Richtig ist es trotzdem. Und in der Realisierung auch nicht so<br />

einfach.“<br />

Nikolaus Brender, ehemaliger ZDF-Chefredakteur nach seiner Niederlage<br />

im ZDF-Verwaltungsrat in einem Interview mit dem „Medium Magazin“ im<br />

Januar 2010<br />

s gab keine anderes Ereignis in den vergangenen Wochen, das so zugespitzt die<br />

Frage nach der Macht von Politik und Medien sowie deren Umgangsformen<br />

gestellt hat wie die Abberufung von Nikolaus Brender als Chefredakteur des ZDF.<br />

Brender hatte seine Unabhängigkeit in der Berichterstattung und Einordnung<br />

gegenüber den Parteien immer wieder deutlich gemacht. Dies stieß auf den<br />

Widerstand von Roland Koch. Der Vorfall wirft eine Menge Fragen auf. Etwa, wie<br />

unabhängig Medien und Journalisten in ihren Entscheidungen wirklich sind und wie sie<br />

sich gegen die Einflussnahme von Politikern und Parteien wehren. Genau diese<br />

Fragen werden auf den folgenden Seiten aufgegriffen. Der Schauplatz liegt allerdings<br />

nicht auf der Bundesebene in Berlin, sondern auf der Landesebene Nordrhein-<br />

Westfalens in Düsseldorf. Ein Gesprächspartner vergleicht seine Ar<strong>bei</strong>tsweisen gar mit<br />

einem Flirt. Journalisten und Politiker haben Tag für Tag miteinander zu tun. Die<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t muss in guten wie in schlechten Zeiten funktionieren. Dieser Spagat<br />

wird mit der Zeichnung, die dieser Ar<strong>bei</strong>t vorangestellt ist, verdeutlicht.<br />

In den nachfolgenden Kapiteln ist immer wieder von Korrespondenten, Journalisten<br />

und Berichterstattern die Rede. Diese Begriffe werden synonym verwendet und<br />

bezeichnen jeweils die Personen, die über Landespolitik in Düsseldorf schreiben. In<br />

Unterscheidung zu den Auslandskorrespondenten, die aus verschiedenen Ländern der<br />

Welt für ihre Zeitungen berichten, ar<strong>bei</strong>tet der Inlandskorrespondent in Deutschland<br />

auf Landes- oder Bundesebene und ist mit politischen Themen betraut.<br />

Düsseldorf im September 2009. Die Kommunalwahl ist vorüber, die Bundestagswahl<br />

steht bevor. Die Stimmung ist angespannt. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat<br />

unlängst in einer Wahlkampfrede auf einem Duisburger Marktplatz Rumänen und ihre<br />

6


Ar<strong>bei</strong>tsmoral beschimpft. Das Video wurde vom politischen Gegner, der<br />

Jugendorganisation der SPD, umgehend ins Internet gestellt und sorgte fortan für<br />

Schlagzeilen. Die Situation verschärfte sich noch, als bekannt wurde, dass aus der<br />

Staatskanzlei heraus Wahlkampf gemacht worden sein soll. E-Mails, die diesen<br />

Schluss nahe legen, sind an die Presse lanciert worden. Nun sind Politiker besonders<br />

vorsichtig, kein falsches Wort zu verlautbaren, das eventuell Stimmen kosten könnte.<br />

Allerdings warten die Journalisten auf Erklärungen und nutzen jede Chance, Jürgen<br />

Rüttgers zu diesem Vorgang Fragen stellen zu können. Bei einer Pressekonferenz, <strong>bei</strong><br />

der eigentlich das nicht minder heikle Thema EON und der Baustopp des Kraftwerk<br />

Datteln besprochen werden soll, versuchen sie, dass Thema auf Rüttgers‘<br />

Wahlkampfrede zu lenken. Die Ansprechpartner winden sich, reagieren ausweichend.<br />

Man merkt es deutlich – es beginnt der Vorwahlkampf. Schon neun Monate bevor die<br />

Wähler in NRW ihr Kreuzchen machen dürfen, wird jedes Statement, jeder Schritt<br />

genau kalkuliert. Die Spannung steigt, der eine oder andere reagiert gereizt.<br />

Doch der eine kann nicht ohne den anderen. Politiker brauchen die Journalisten, um<br />

ihre Botschaften zu vermitteln. In Duisburg im lokalen Bereich, in Düsseldorf für die<br />

Landesberichterstattung und in Berlin für das bundespolitische Schauspiel. Schlicht<br />

überall dort, wo sie gewählt werden wollen. Die Phasen, in denen Politiker mit dem<br />

Bürger und somit ihrem Wähler direkt in Kontakt treten, lassen sich nämlich zeitlich<br />

genau eingrenzen: Wahlkampfzeiten. Dann informieren sie mit Hilfe von Flyern,<br />

Plakaten, Postwurfsendungen und Mailings, was sie in der vergangenen Wahlperiode<br />

geleistet haben und werben darum, wiedergewählt zu werden. Bis auf einige wenige<br />

eifrige Polit-Twitterer und Blogger, die weiterhin informieren, reißt dieser Kontakt nach<br />

dem Wahlsonntag jäh wieder ab. Vom grauen Parlamentsalltag, den<br />

Gesetzesinitiativen und Beschlüssen, erfahren die meisten Bürger in der Regel über<br />

die Medien. Wendet sich der Wähler nicht direkt an seinen Abgeordneten, nimmt<br />

Akteneinsicht oder das Informationsangebot der Landesregierung in Anspruch, wird er<br />

nur selten etwas über die Beschlüsse erfahren. Es braucht also Beobachter, Vermittler<br />

und Kommunikatoren, die die Themen aus dem Parlamentsgeschehen aufgreifen,<br />

über sie berichten und damit der Öffentlichkeit zugängig machen. Dies ist die Aufgabe<br />

von Massenmedien. Genauer: Von Journalisten, die <strong>bei</strong> Fernsehanstalten,<br />

Radiostationen, Zeitungen und Online-Portalen ar<strong>bei</strong>ten. Diese brauchen wiederum<br />

die Akteure des politischen Geschehens, die ihnen Informationen liefern. Ein<br />

gemeinsames Ziel vereint <strong>bei</strong>de Gruppen: Mit der politischen Berichterstattung<br />

möchten die Akteure möglichst viele Personen erreichen. Während Journalisten<br />

jedoch in erster Linie informieren wollen, streben Politiker eine möglichst umfassende<br />

7


Darstellung ihrer Positionen und Ideen an. Medien werden auf diesem Weg Teil einer<br />

„Selbstinszenierung“ von Politikern (Schrag 2007: 280). Das birgt Konfliktpotenzial.<br />

Während früher die Berichterstatter im Hintergrund blieben und nur die publizierten<br />

Themen in den Blickpunkt rückten, wurden sie in den vergangenen Jahren immer<br />

häufiger selbst Gegenstand von Artikeln oder wissenschaftlichen Analysen. Vor allem<br />

mit dem Umzug von Bonn nach Berlin hat sich der Umgang miteinander wesentlich<br />

verändert. Die Journalistin und ehemalige Vorsitzende der Bundespressekonferenz,<br />

Tissy Bruns, widmet ihrem Berufsstand mit „Republik der Wichtigtuer“ ein Buch und<br />

beschreibt darin die Ar<strong>bei</strong>tsweisen ihrer Kollegen nach dem Umzug von Bonn nach<br />

Berlin verändert haben. Darin werden nicht zuletzt auch die Eitelkeiten Einzelner, die<br />

sich im Schatten der Mächtigen selbst wichtig nehmen, zur Sprache gebracht. Ihre<br />

Analyse ist wenig schmeichelhaft.<br />

Der Frage, wer in Berlin die politische Agenda prägt, gehen Leif Kramp und Stephan<br />

Weichert in einer Studie nach, die vom Netzwerk Recherche veröffentlicht wurde.<br />

Auch hier wird das Selbstverständnis der Akteure, also der Journalisten, betrachtet<br />

sowie das erhöhte Tempo, mit dem Nachrichten umgeschlagen werden, kritisch<br />

beleuchtet. Außerdem stellt sich die Frage des Agendasettings: Wie kommen Themen<br />

auf die <strong>Tage</strong>sordnung? Und: Wer hat die Rolle des Leitmedium übernommen? Um die<br />

beste Schlagzeile zu bekommen, scheint jedes Mittel recht. „Die Meute lauert noch wie<br />

früher auf ihre Opfer, doch haben sich einige Koordinaten grundlegend verschoben: Im<br />

Ringen um Aufmerksamkeit scheint der gemeine Medienmob gegenüber der<br />

Konkurrenz noch hektischer, gefräßiger und rücksichtsloser geworden“<br />

(Kramp/Weichert 2008: 7). Betrachtet man den Aspekt des Agendasettings, spielen<br />

die so genannten Hintergrundkreise, in denen sich die Akteure versammeln und offen<br />

Informationen austauschen, die aber nicht zitiert werden dürfen, eine wichtige Rolle.<br />

Da meist im Dunkeln bleibt, was hinter den Kulissen passiert und Hintergrundkreise<br />

höchst intransparent sind, umgibt sie ein Mythos.<br />

Zum Zusammenspiel von Politik und Medien ist in der Wissenschaft viel geschrieben<br />

worden. Die meisten Studien konzentrieren sich aber auf die Bundeshauptstadt Berlin<br />

und die so genannten Leitmedien, darunter Fernsehsender und überregionale<br />

<strong>Tage</strong>szeitungen bzw. Magazine. Bei aller Konfrontation zwischen den Politikern auf<br />

der einen und den Berichterstattern auf der anderen Seite – die Situation in Düsseldorf<br />

kann man kaum mit der in Berlin vergleichen. Diese Tatsache hängt nicht nur damit<br />

zusammen, dass in der Hauptstadt mehr als 900 Journalisten <strong>bei</strong> der<br />

8


Bundespressekonferenz akkreditiert sind 1 und es in Düsseldorf lediglich 131 2 sind.<br />

Man kann davon ausgehen, dass auch dort die Korrespondenten mit harten Bandagen<br />

um den besseren und exklusiven Artikel kämpfen. Aber führt das auch zu einer derart<br />

überhitzten Atmosphäre? Es scheint, als sei das Zusammenspiel der Protagonisten<br />

aus Politik und Medien ruhiger und fairer. Bisher sind die konkreten Ar<strong>bei</strong>tsweisen in<br />

der Landeshauptstadt allerdings kaum in den Fokus gerückt worden und<br />

weitestgehend unerforscht.<br />

Die Rolle der Leitmedien in NRW übernehmen hier die Regionalzeitungen, da sie ihre<br />

Themenauswahl an lokalen und <strong>regionalen</strong> Themen ausrichten und nicht zuletzt als<br />

Abonnement-Zeitungen viele Leser im Land erreichen. „Der weitaus wichtigste Träger<br />

kontinuierlicher politischer Information im Land ist (…) offenbar die Regionalzeitung“<br />

(Marcinkowski/Nieland 2002: 93). Dies ergab eine Untersuchung, die im Rahmen der<br />

Landtagswahl in NRW im Jahr 2000 durchgeführt wurde. Da<strong>bei</strong> gab mehr als die<br />

Hälfte aller Befragten an, täglich den politischen Teil einer <strong>regionalen</strong> Zeitung zu lesen.<br />

1.1 Aufbau der Ar<strong>bei</strong>t<br />

ngesichts des noch wenig bear<strong>bei</strong>teten Themas erscheint es sinnvoll, die<br />

Forschungsfrage mit Leitfragen und nicht mit Hypothesen zu konkretisieren. Aus<br />

der Analyse der vorliegenden Literatur ergeben sich mit Blick auf die politische<br />

Berichterstattung folgende Fragen und Forschungslücken bezogen auf das<br />

Zusammenspiel von Politikern und Journalisten im Kommunikationssystem NRW:<br />

• Zum Selbstverständnis der <strong>Landeskorrespondenten</strong>: Wer sind die<br />

Journalisten, die tagein, tagaus von diesem landespolitischen Schauplatz der<br />

Macht berichten? Welchen Werdegang haben die Akteure? Seit wann sind sie<br />

vor Ort? Ar<strong>bei</strong>ten sie alleine oder gibt es ein Team, das sich die<br />

Berichterstattung nach Themen und Parteien aufteilt? Und wie beschreiben sie<br />

ihre Rolle im politischen Kommunikationssystem von Düsseldorf?<br />

• Der Stellenwert der Landesberichterstattung <strong>bei</strong> <strong>regionalen</strong><br />

<strong>Tage</strong>szeitungen und ihre Aufbereitung: Wie groß ist das Interesse an<br />

1 Stand: Januar 2010. Die Zahl wurde durch eine mündlichen Nachfrage in der Geschäftsstelle der<br />

Bundespressekonferenz in Erfahrung gebracht.<br />

2 Stand: Dezember 2009.<br />

9


Landesthemen? Ist es leicht, ein Thema aus Düsseldorf zu platzieren? Wie<br />

sind die Berichterstatter auf dem „Außenposten“ in Düsseldorf in das<br />

Redaktionsgeschehen ihrer Zeitung eingebunden – gibt es Wünsche aus der<br />

Zentrale? Suchen sie nach <strong>regionalen</strong> oder gar lokalen Aspekten ihre Themen<br />

aus?<br />

• Die Ar<strong>bei</strong>tsebene. Eine klassische Ar<strong>bei</strong>tswoche in Düsseldorf: Wie ist die<br />

Woche der Korrespondenten strukturiert? Gibt es einen genauen Ar<strong>bei</strong>tsplan,<br />

der analog zu den Sitzungsterminen der Politiker verläuft? Was kommt ins<br />

Blatt, wenn gerade keine Sitzungswoche ist? Hat sich durch den<br />

Regierungswechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb etwas an ihrer<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweise geändert?<br />

• Recherchemethoden vor Ort: Die Kunst der Berichterstattung liegt nicht nur<br />

darin, Themen aufzugreifen, die ohnehin auf der <strong>Tage</strong>sordnung stehen. Wie<br />

kommen die Journalisten also an die Informationen für ihre Artikel? Inwieweit<br />

ist die Landespressekonferenz eine Hilfe? Was hat es mit den<br />

sagenumwobenen Hintergrundkreisen auf sich - gibt es welche und was<br />

bringen sie?<br />

• Die persönliche Ebene. Wohlfühlatmosphäre oder Kampf mit harten<br />

Bandagen: Wie ist die Situation der Korrespondenten untereinander: Ist die<br />

Stimmung aufgeheizt, guckt nur jeder auf seinen Artikel oder helfen sie sich gar<br />

untereinander? Wie ist der Umgang mit den Politikern – kennt und schätzt man<br />

sich oder belauert sich gegenseitig? Wie viel Nähe verträgt Berichterstattung?<br />

• Der kleine Unterschied zwischen Düsseldorf und Berlin: Was ist das<br />

Spezifische an der Ar<strong>bei</strong>t in Düsseldorf? Kann man den Job mit dem in der<br />

Bundeshauptstadt vergleichen?<br />

Ziel der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t ist es, den bisher wenig beschriebenen Job des<br />

<strong>Landeskorrespondenten</strong> zu skizzieren, im Zusammenspiel von Politik und Medien in<br />

NRW einzuordnen und am Ende herauszufinden, was die NRW-Szene, bestehend aus<br />

Journalisten und Politikern, mit Berlin gemeinsam hat, aber auch, was sie<br />

unterscheidet. Da<strong>bei</strong> wird sich <strong>bei</strong> der Annäherung an das politische<br />

Kommunikationssystem auf Landesebene ausschließlich auf die Aufgaben und<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweisen der Journalisten in Düsseldorf konzentriert. Zum politischen<br />

10


Kommunikationssystem gehören auch Politiker, Sprecher verschiedener Institutionen,<br />

Verbände. Kurzum eben alle, die Öffentlichkeit herstellen (können). Über die<br />

Perspektive der Politik, insbesondere der Landtagsabgeordneten, hat Dorothea Marx<br />

kürzlich mit „Landtagsabgeordnete im Fokus der Medien“ (2009) einen Beitrag<br />

vorgelegt. Für diese Diplomar<strong>bei</strong>t wurden zehn Landes-Korrespondenten von<br />

<strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen interviewt, die mit Hilfe einer Mitgliederliste der<br />

Landespressekonferenz ausgewählt wurden. Verschriftet wurden am Ende neun der<br />

zehn Interviews. In ausführlichen Gesprächen mit teil-offenen Fragen schildern die<br />

Korrespondenten, unter Zusicherung der späteren Anonymisierung der Aussagen,<br />

ihren Ar<strong>bei</strong>tsalltag; bewerten unterschiedliche Recherchemethoden und sprechen<br />

auch darüber, wie sie hinter den Kulissen ar<strong>bei</strong>ten, wenn der Block längst eingepackt<br />

ist. Das Ergebnis sind Erkenntnisse über einen bisher noch wenig beleuchteten Aspekt<br />

der politischen Kommunikation auf Landesebene in NRW, über Mechanismen der<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t zwischen der politischen und journalistischen Elite. Die für die<br />

Diplomar<strong>bei</strong>t befragten Praktiker fungieren als Experten, deren Einschätzungen von<br />

entscheidender Bedeutung für die Analyse des Themas sind. Die Gesprächspartner im<br />

Einzelnen sind:<br />

• Christoph Meinerz, WAZ-Mediengruppe (WAZ)<br />

• Theo Schumacher, WAZ-Mediengruppe (NRZ)<br />

• Wilfried Goebels, WAZ-Mediengruppe (WP)<br />

• Norbert Robers, WAZ-Mediengruppe (WAZ)<br />

• Heinz Tutt, Kölner Stadtanzeiger<br />

• Kai Wiedemann, Kölner Stadtanzeiger<br />

• Frank Uferkamp, Westdeutsche Zeitung<br />

• Dr. Detlev Hüwel, Rheinische Post<br />

• Peter Jansen, Neue Westfälische<br />

• Dr. Leo Flamm, WDR und Vorsitzender der LPK<br />

Um die Anonymität der Befragten zu gewährleisten, aber dennoch die Aussagen<br />

auseinander halten zu können, werden die Personen im Rahmen der Auswertung mit<br />

J1 bis J9 nummeriert. Lediglich eine Aussage des Vorsitzenden der LPK, Leo Flamm,<br />

wurde autorisiert, weil er einmal mit Namen zitiert wird. Nach einem Überblick über die<br />

Literatur und den aktuellen Forschungsstand wird das Thema theoretisch eingebettet<br />

und die Funktionen der Systeme Politik und Medien systemtheoretisch aufgear<strong>bei</strong>tet.<br />

Eine Netzwerkanalyse wurde zunächst in Erwägung gezogen, bietet sich in diesem<br />

Fall allerdings nicht an, da nur der genaue Standpunkt der Akteursgruppe<br />

11


„Journalisten“ in den Blick genommen wird. Es folgt eine Klärung der wichtigen<br />

Begriffe sowie anschließende Erläuterungen zur verwendeten Methode. Der<br />

organisatorische Rahmen des Mediensystems auf Landesebene und des politischen<br />

Betriebs wird in Kapitel zwei aufgegriffen. Das Hauptaugenmerk der Ar<strong>bei</strong>t liegt auf<br />

Kapitel drei, in dem die Korrespondenten zu Wort kommen und die theoretischen<br />

Vorüberlegungen dem Praxistest aus Düsseldorf unterzogen werden. Sie beantworten<br />

Fragen zur Struktur ihrer Ar<strong>bei</strong>tswoche (3.2), bewerten die Nützlichkeit<br />

unterschiedlicher Recherchemethoden (3.3.), etwa von Angeboten der<br />

Landespressekonferenz oder Hintergrundkreisen. Anschließend werden die<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweisen in Düsseldorf und Berlin anhand der Parameter<br />

„Nachrichtenentwicklung“ sowie der Ar<strong>bei</strong>tsebene und der persönlichen Ebene<br />

zwischen Politikern und Journalisten verglichen (Kapitel vier) Im Fazit wird<br />

schlussendlich der Bogen gespannt zwischen der Forschungstheorie zum politischen<br />

Kommunikationssystem und der Praxis in Düsseldorf - und aufgezeigt, welche neuen<br />

Forschungsfragen sich aus den neu gewonnenen Erkenntnissen ergeben.<br />

1.2 Das Zusammenspiel von Politik und Medien als<br />

Forschungsgegenstand<br />

eim Blick in die Literatur fällt schnell auf, dass wenige vertiefende,<br />

theoriegeleitete Untersuchungen zur Kommunikation auf Landesebene vorliegen.<br />

Aus politikwissenschaftlicher Sicht gibt es zwar Erkenntnisse über das Zusammenspiel<br />

von Politik und Medien, aber kaum in dem Maße, dass daraus weit reichende<br />

Zusammenhänge zum Verhältnis von Politik und Medien, insbesondere auf<br />

Landesebene, konstruiert werden können. Erst in den vergangenen Jahren hat auch<br />

die Politikwissenschaft dieses Thema für sich entdeckt und überlässt die Erforschung<br />

nicht mehr alleine den Kommunikationswissenschaften. Nachdem lange Zeit nur<br />

danach gefragt wurde, ob Medien <strong>bei</strong>spielsweise den Ausgang von Wahlen<br />

beeinflussen können, wird nun auch analysiert, ob und wie Massenmedien auf<br />

politische Prozesse einwirken und ob sich auf diese Weise auch Strukturen verändern<br />

– etwa, dass die Vermittlung von Politik <strong>bei</strong> deren Entstehung von den Politikern schon<br />

berücksichtigt wird. Während die Kommunikationswissenschaften den Medien vor<br />

allem die Funktion der Unterhaltung zuschreiben, identifizieren die<br />

Politikwissenschaften im Wesentlichen drei Funktionen: Indem Medien verständlich,<br />

vollständig und objektiv über Meinungen sowie Geschehnisse berichten, erfüllen sie<br />

eine wichtige Informationsfunktion. Da die Medien auch Meinungen aufgreifen, wie sie<br />

12


in der Bevölkerung vorkommen, üben sie ebenso eine Artikulationsfunktion aus.<br />

Gleichzeitig haben sie eine Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber Regierungen,<br />

Parteien und Politikern (Delhaes 2002). Diese Ausführungen decken sich mit dem<br />

Pressegesetz des Landes NRW. Darin heißt es in § 3 zur öffentlichen Aufgabe der<br />

Presse: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe insbesondere dadurch, daß sie<br />

Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise<br />

an der Meinungsbildung mitwirkt.“ 3 Bereits in seinem ersten Fernsehurteil aus dem<br />

Jahr 1961 sprach das Bundesverfassungsgericht davon, dass die Medien nicht nur<br />

„Medium“, also Plattform für unterschiedliche Themen und Meinungen sind, sondern<br />

ein „eminenter Faktor der öffentlichen Meinungsbildung“ (BVerfGE 12: 205ff.). Im<br />

„Spiegel“-Urteil, das der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes am 5. August 1966<br />

verkündete, heißt es wörtlich:<br />

„Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist<br />

ein Wesenselement des freiheitliches Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig<br />

erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger<br />

politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen<br />

kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält<br />

diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Information, nimmt selbst dazu Stellung<br />

und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr<br />

artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede,<br />

gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung. In der<br />

repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und<br />

Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und<br />

Regierung. Sie fasst die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden<br />

Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die<br />

politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in<br />

Einzelfragen der <strong>Tage</strong>spolitik ständig am Maßstab der im Volk tatsächlich vertretenen<br />

Auffassungen messen können“ (BVerfGE 20: 162ff.).<br />

Das politikwissenschaftliche Gewaltenteilungsparadigma bestätigt die Kritik- und<br />

Kontrollfunktion: Auf Grund ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabe im Sinne einer<br />

kontrollierenden Öffentlichkeit stehen die Medien allen anderen Gewalten als<br />

Widerpart und Kontrollinstanz gegenüber (Sarcinelli 2005: 110) Voraussetzung dafür,<br />

dass die Medien diese Kontrolle ausüben können, ist da<strong>bei</strong> die Distanz von Politik und<br />

Medien. Nur ein von der Politik autonomes Mediensystem ist in der Lage, glaubwürdig<br />

3 Zitate in alter Rechtschreibung werden in alter Schreibweise übernommen.<br />

13


Legitimationsleistungen für das politische System zu erbringen. „In der Demokratie ist<br />

Politik zustimmungsabhängig und somit öffentlich begründungspflichtig. Politischer<br />

Kommunikation kommt da<strong>bei</strong> die Aufgabe zu, Bürgerinnen und Bürger zu informieren“<br />

(Sarcinelli 2005: 7). In die gleiche Richtung argumentieren <strong>Korte</strong>/Fröhlich: „Politische<br />

Kommunikation macht Politik öffentlich und öffnet sie auf diesem Weg der Möglichkeit,<br />

geprüft, unterstützt, verworfen und abgelehnt zu werden“ (2004: 162). Die Publizierung<br />

von Politik schließt also die mögliche Kontrolle von Politik und Kritik an ihr ein. Für die<br />

Vermittlung der Themen wurden im politischen System Stellen geschaffen, die diese<br />

Kommunikationsaufgabe übernehmen. Barbara Pfetsch (2003) identifiziert als wichtige<br />

Akteure im politischen Kommunikationssystem Sprecher, etwa der Regierung, auf der<br />

einen Seite und Journalisten auf der anderen Seite. Letztere greifen die Themen der<br />

Politik auf, schätzen deren Nachrichtenwert ein und publizieren die Artikel in ihren<br />

Zeitungen.<br />

Journalisten, wenn auch zum großen Teil nur die in Berlin tätigen, und ihr<br />

Rollenverständnis auf dem Hauptstadt-Parkett sind 2007 von verschiedenen Autoren<br />

näher betrachtet worden. Die Herangehensweise ist jedoch gänzlich unterschiedlich.<br />

Tissy Bruns, selbst als Journalistin tätig für den Berliner <strong>Tage</strong>sspiegel und ehemalige<br />

Vorsitzende der Bundespressekonferenz, reiht in „Republik der Wichtigtuer“ fast<br />

anekdotenhaft aneinander, wie sich Politiker und Journalisten in Berlin begegnen.<br />

Spannungen sind insofern vorprogrammiert, da <strong>bei</strong>de Gruppen unterschiedliche<br />

Aufgaben in dem Politik-Betrieb übernehmen. Während Politiker dem Gemeinwohl<br />

verpflichtet seien, könnten sich Journalisten auf den Artikel 5 im Grundgesetz und<br />

ihren Berufsethos berufen, der sie allein der Wahrheit verpflichtet. „Wer sich als<br />

Journalist mit Politik beschäftigt, berichtet aus einer Welt, die komplex und voller<br />

Widersprüche ist. Journalisten sind verantwortlich für das Bild, das sich die Bürger<br />

über diese Wirklichkeit machen. Es soll differenziert, nüchtern und sachlich sein, um<br />

das Urteilsvermögen der Bürger zu stärken. Das alles versuchen in Berlin-Mitte<br />

Politiker und Journalisten – und scheitern daran täglich“ (Bruns 2007a: 9). Dies führe<br />

dazu, dass die Kluft zwischen Regierenden und Regierten immer größer werde. Zwar<br />

finde sich die ganze Bandbreite der Lebenswirklichkeiten der Menschen viel eher in<br />

Berlin als noch in Bonn wieder, doch das Regierungsviertel in Berlin-Mitte sei ebenso<br />

abgehoben wie man es dem „Raumschiff Bonn“ damals nachgesagt habe. Dies führe<br />

dazu, dass Politiker und Journalisten, weil sie sich im gleichen Umfeld bewegen, von<br />

den Menschen als „selbstbezogene Kaste“ wahrgenommen werden.<br />

14


Auch Lutz Hachmeister stellt in „Nervöse Zone: Politik und Journalismus in der<br />

Berliner Republik“ die neue Rolle der Journalisten auf den Prüfstand. Zusätzlich leitet<br />

er anhand der Themen, die die Journalisten aufgreifen, die politische Großwetterlage<br />

in den Redaktionen her. „Nachdem hergebrachte politische Pointierungen und<br />

Loyalitäten im alten Links-Rechts-Spektrum nicht mehr funktionieren, werden von der<br />

neuen politischen Kaste wesentlich alte Werte thematisch und begrifflich besetzt“<br />

(Hachmeister 2007: 86). Anschließend schlägt er einen Bogen zur Politik und macht<br />

deutlich, wie Politiker auf diese medialen „Stimmungsschwankungen“ reagieren. Ein<br />

Beispiel ist Kanzler Schröder, der zunächst die Medien selbst ins Boot holte, ihn zu<br />

begleiten und später, angesichts der Wendungen, eine fundamentale Medienkritik<br />

angestimmt habe. Er schildert <strong>bei</strong>spielsweise den Auftritt Schröders am Wahlabend,<br />

an dem der Alt-Kanzler lautstarke Kritik äußerte und resümiert das vernichtende Echo<br />

in den Gazetten und Fernsehsendungen.<br />

Wieder einen anderen Ansatz verfolgen Stephan Weichert und Christian Zabel. Für<br />

„Die Alphajournalisten“ (2007) wählen sie eine Reihe von Blattmachern und profilierten<br />

Journalisten Deutschlands aus und zeigen auf, warum diese zur journalistischen Elite<br />

der Republik gehören. Zu den Auserwählten gehört <strong>bei</strong>spielsweise Stefan Aust ebenso<br />

wie Maybritt Illner, Giovanni di Lorenzo, Peter Kloeppel, Günther Jauch oder Frank<br />

Plasberg. Da<strong>bei</strong> schreiben die Autoren die Vorstellungen nicht alleine. Vielmehr lassen<br />

sie andere Kollegen zu Wort kommen, die die Porträts verfassen. Flankiert wird diese<br />

Reihe in dem Sammelband von einigen Essays, die nicht weniger renommierte<br />

Journalisten verfasst haben. Darunter die schon erwähnte Tissy Bruns, aber auch<br />

Hajo Schumacher, der mit „Die lieben Kollegen“ eine fast schon zynische<br />

Typologisierung seiner Zunft vornimmt. Weichert ar<strong>bei</strong>tete schließlich auch 2008 mit<br />

Leif Kramp zusammen und gab die Studie heraus: „Journalismus in der Berliner<br />

Republik. Wer prägt die politische Agenda?“ (2008). Die <strong>bei</strong>den haben Interviews<br />

geführt mit insgesamt 34 Vertretern des politischen Kommunikationssystems in Berlin,<br />

darunter, neben Journalisten, auch mit Büroleitern aus der Politik und mit Sprechern<br />

von Ministerien. Das Interessante daran ist, dass sich die Gesprächspartner nicht<br />

hinter ihren Aussagen verstecken können, da die Aussagen mit Namen zitiert werden.<br />

Die Zitate wurden allerdings von den Personen autorisiert. Wenn es ein Vorbild für die<br />

vorliegende Diplomar<strong>bei</strong>t gäbe, dann könnte man diesen Beitrag von Kramp/Weichert<br />

nennen, der ebenfalls nach dem Selbstverständnis von Journalisten fragt und<br />

beleuchtet, wie sie vor Ort recherchieren und wie die Wechselwirkung zwischen<br />

politischem Journalismus und politischer Kommunikation funktioniert.<br />

15


In ihrer Beschreibung von Verhaltensweisen der Journalisten rekurrieren sowohl<br />

Kramp/Weichert als auch Bruns auf den Begriff „Meute“, den Herlinde Koelbl in ihrem<br />

Film „Die Meute. Macht und Ohnmacht der Medien“ geprägt hat. Als Fotografin und<br />

Künstlerin hat sie einen besonderen Blick für das Geschehen in der politischen Szene<br />

entwickelt und <strong>bei</strong>spielsweise eine fotografische Langzeitstudie mit dem Titel „Spuren<br />

der Macht. Die Veränderung des Menschen durch das Amt“ durchgeführt. In ihrem<br />

Film und dem gleichnamigen Begleitbuch (2001) zeigt sie, wie sich Journalisten auf<br />

die Politiker stürzen, wie sich Kameraarme und Mikrofone wie eine Krake über den<br />

Gesprächspartnern ausbreiten und die Hatz auf Informationen jedes Mal aufs Neue<br />

beginnt. Da das Buch und der Film schon 2001 entstanden sind, zeigt sich, dass die<br />

Frage nach der Zusammenar<strong>bei</strong>t und Kontrolle zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen keine neue<br />

ist. Bruns sowie Weichert und Kramp zeichnen hingegen die nachfolgende aktuelle<br />

Entwicklung nach und bestätigen, dass sich die Verhaltensweisen und<br />

Umgangsformen noch weiter zugespitzt haben.<br />

Neben den Selbsteinschätzungen der Journalisten, die entsprechend journalistisch<br />

motiviert sind, gibt es weitere Werke, die sich der Thematik von der<br />

politikwissenschaftlichen Seite nähern. Während die vorher genannten Autoren die<br />

Fragen nach Nähe und Distanz aus Sicht der Berichterstatter thematisieren, stellt<br />

Dorothea Marx in „Landtagsabgeordnete im Fokus der Medien“ die Seite der<br />

Landtagsabgeordneten dar. Dazu hat sie eine quantitative Befragung unter sämtlichen<br />

Abgeordneten der Deutschen Landtage durchgeführt und <strong>bei</strong>spielsweise erhoben, ob<br />

diese Kontakt zu Journalisten haben, wie oft und wie sie diese Verbindung zur<br />

Verbreitung ihrer Informationen nutzen. Da<strong>bei</strong> zeigt sie auf, dass es neben der<br />

professionellen Abwägung zwischen Nähe und Distanz auch noch andere<br />

Konfliktlinien gibt, nämlich die zwischen beruflichen und quasi-privaten Kontakten.<br />

Viele Politiker zählen Journalisten sogar zu ihrem Freundeskreis oder nennen als<br />

einen Aspekt, dass sie so einen besseren Einblick in die Ar<strong>bei</strong>tsweisen von Medien<br />

bekommen. Enttäuschungen sind dennoch keine Seltenheit: „Um durch die<br />

Medienberichterstattung die Bürger zu erreichen, kommt es nicht nur darauf an, dass<br />

über einen Politiker berichtet wird, sondern was berichtet wird“ (Marx 2009: 34). Die<br />

Art der Darstellung bleibt aber den Journalisten überlassen und ruft aus Sicht der<br />

Politiker durchaus Kritik hervor, etwa, wenn es um die Ausführlichkeit des Berichts<br />

geht. Marx führt diese Konflikte auch auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der<br />

Akteursgruppen zurück. „Für Politiker stellt nicht nur die direkte Interaktion mit<br />

Journalisten eine Quelle für Probleme dar. Sie sind als Objekte der<br />

16


Medienberichterstattung von dieser besonders betroffen. Diese Betroffenheit wird <strong>bei</strong><br />

negativer Berichterstattung zur Belastung“ (Marx 2009: 39).<br />

Zum besseren Verständnis untereinander haben sich zwischen den Akteuren formelle<br />

und informelle Verhaltensweisen ausgeprägt. Diese verdeckte Art der Kommunikation<br />

zwischen Journalisten und Politikern erforscht Christiane Lesmeister (2008) und blickt<br />

hinter die Kulissen. Sie beschäftigt sich mit Hintergrundkreisen und beleuchtet ob<br />

durch den Austausch im vertraulichen Rahmen ein Problem mit Blick auf die Kritikund<br />

Kontrollfunktion der Journalisten entsteht.<br />

1.3 Systemtheoretische Fundierung<br />

ystemtheoretiker gehen davon aus, dass zwischen Politik und Medien ein<br />

„Zweck-Mittel-Verhältnis“ und damit auch ein Verhältnis der Über- und<br />

Unterordnung besteht (Schulz 2008). Über das Verhältnis von Politik und Medien gibt<br />

es einen teils überspitzten, geradezu verschwörungstheoretischen Diskurs. Auf der<br />

einen Seite befinden sich diejenigen, die eine Abhängigkeit der Politik von den<br />

Massenmedien beschreiben. Medien sollten eine dienende Funktion besitzen (Meyer<br />

2001) und die politische Kommunikation vor allem den Institutionen eine Möglichkeit<br />

bieten, die Politik zu vermitteln (Sarcinelli 2005). Folgt man Kepplinger (1985), so hat<br />

sich das Verhältnis in der historischen Perspektive zugunsten der Medien verschoben.<br />

Die politischen Institutionen sind von Massenmedien abhängig geworden. Während im<br />

Absolutismus das politische System noch vollständig auf Geheimhaltung bedacht war<br />

und somit den Medien gegenüber autark ar<strong>bei</strong>tete, gewann das Prinzip der<br />

Öffentlichkeit im Laufe des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Die Politik hatte jedoch<br />

einen eigenen Zugang zum Volk. In den parlamentarischen Demokratien seien die<br />

politischen Institutionen nicht nur abhängig geworden von der Vermittlung durch die<br />

Medien, es habe zugleich Verlagerungen zugunsten der Medien stattgefunden. Schatz<br />

hingegen (1982) diagnostiziert einen Autonomieverlust der Massenmedien und macht<br />

dafür die Instrumentalisierungsstrategien des politisch-administrativen Systems<br />

verantwortlich. Mit Hilfe eines geschickten Kommunikationsmanagements und<br />

politischer Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t werde versucht, von Unzulänglichkeiten der Politik<br />

abzulenken. Für <strong>bei</strong>de Positionen lassen sich Belege finden. Um ein ausgewogeneres<br />

Bild bemühen sich all jene, die von wechselseitigen Abhängigkeiten von Politik und<br />

Medien ausgehen und dies als „Interdependenz“ oder „Interpenetration“ bezeichnen.<br />

„Von Penetration wollen wir sprechen, wenn ein System die eigene Komplexität (und<br />

17


damit: Unbestimmtheit, Kontingenz und Selektionszwang) zum Aufbau eines anderen<br />

Systems zur Verfügung stellt. (…) Interpenetration liegt entsprechend dann vor, wenn<br />

dieser Sachverhalt wechselseitig gegeben ist, wenn also <strong>bei</strong>de Systeme sich<br />

wechselseitig dadurch ermöglichen, daß sie in das jeweils andere ihre vorkonstituierte<br />

Eigenkomplexität einbringen“ (Luhmann 1984: 290). Saxer (1992) entwirft ein Bild<br />

interdependenter Systeme. Politik liefert den Medien „Rohmaterial“ für die<br />

Berichterstattung in Form von Ereignissen und Entscheidungen, die durch die Medien<br />

aufbereitet werden. Auf der anderen Seite verhelfen die Medien den Politikern zu<br />

Publizität und tragen dazu <strong>bei</strong>, dass politische Entscheidungen bekannt gemacht<br />

werden. Dass Autonomie und Abhängigkeit sich nicht ausschließen, vertritt auch<br />

Marcinkowski (2004) und bezieht sich damit auf Luhmanns Systemtheorie und dessen<br />

Unterscheidung von Autopoiesis und struktureller Kopplung. „Autopoiesis“ umschreibt<br />

Luhmann (1984) mit „Selbstorganisation“, „Selbstreferenz“ und „operativer<br />

Geschlossenheit“. „Gemeint ist damit, dass sich die Elemente, die das System bilden,<br />

nicht nur aufeinander beziehen, sondern als Systemelemente auch selbst<br />

konstituieren und reproduzieren (Schulz 2008: 49). Trotz ihrer operativen<br />

Geschlossenheit sind Systeme offen für ihre Umwelt. So können Medien durch ihre<br />

Berichte die Politik „irritieren“ und in der Politik eine Resonanz auslösen. Gleiches gilt<br />

für politische Entscheidungen auf der anderen Seite. Wie Politik und Medien auf ihre<br />

Umwelt reagieren, geschieht nach ihren systemeigenen Regeln. Insofern sind sie <strong>bei</strong><br />

Koppelung gleichwohl autonom. Politik und Medien sind wechselseitig resonanzfähig,<br />

nicht aber wechselseitig beherrschbar (Marcinowki 1993: 229).<br />

Eine wesentliche Aufgabe der Akteure, die Teil des intermediären Systems sind, ist die<br />

Vermittlung von Politik zwischen politischen Entscheidungsträgern und „Lebenswelt“<br />

der Bürger. Da<strong>bei</strong> handelt es sich nicht um einen einseitigen Kommunikationsweg.<br />

Akteure der Medien können in Form einer Input-Kommunikation Interessen von<br />

Bürgern aufnehmen und an die Politik vermitteln. Output-Kommunikation bedeutet<br />

hingegen, dass politische Entscheidungen dargestellt werden. Innerhalb dieses<br />

Prozesses findet oft eine Bewertung und Einordnung der Themen durch die Medien<br />

statt, so dass Bürger sich eine Meinung bilden können, die wiederum als Resonanz in<br />

das System getragen werden kann (Jarren/Donges 2002a: 119).<br />

Gurevitch/Blumler (1990) gehen einen Schritt weiter: Ihnen geht es darum, nicht nur<br />

eine Interdependenz festzustellen, sondern zu untersuchen, wie die Akteure aus<br />

Politik und Medien im „politischen Kommunikationssystem“, wie sie es nennen,<br />

interagieren. Dies könne man erreichen, indem man prüfe, wie die Rollendefinitionen<br />

18


der Politiker und Medienakteure den Rollen der Bürger beziehungsweise des<br />

Publikums entsprechen. Außerdem, indem man erforscht, welche Normen und<br />

strukturellen Merkmale der politischen Organisation und der Medienorganisation die<br />

Austauschbeziehungen zwischen den Mitgliedern regeln. Um die<br />

grenzüberschreitenden Interaktion zu meistern, gehen politische Akteure eine<br />

Beziehung zum gegenseitigen Nutzen ein. Aus dieser Konstellation gegenseitiger<br />

Abhängigkeit erwächst für keinen der Akteure Macht, den anderen zu kontrollieren.<br />

Stattdessen prägt sich nach Münch (1991) eine gemeinsame Sprache zwischen den<br />

Akteuren heraus. Alle, die an der Formulierung politischer Botschaften mitwirken,<br />

können sich darauf einstellen und so die Formate der Medien bedienen. Das politische<br />

Kommunikationssystem bietet gewissermaßen die Plattform für die Begegnung der<br />

<strong>bei</strong>den Gruppen. Aber nicht nur zwischen den Akteuren bildet sich eine gemeinsame<br />

Sprache. „Im intermediären System – verstanden als ein Interaktions- und<br />

Kommunikationsraum – werden sowohl <strong>bei</strong> der Interessen- als auch <strong>bei</strong> der<br />

Entscheidungsvermittlung nicht einfach die ,Sprachen‘ der externen Systeme Staat<br />

und Lebenswelt ,übersetzt‘, um zu <strong>bei</strong>den externen Systemen anschlussfähig zu sein.<br />

Um dies zu leisten, müssen intermediäre Systeme in der Lage sein, unterschiedlichste<br />

kommunikative Anforderungen – zwischen Lebenswelt und Regierung – zu erfüllen“<br />

(Jarren/Donges 2002a: 119).<br />

Pfetsch (2003) greift die Überlegung von Gurevitch/Blumler auf und beschäftigt sich<br />

mit den Sprechern und Journalisten als ihrer Ansicht nach wichtigste Akteuren im<br />

politischen Kommunikationssystem. Auf Grund ihrer Funktionen und entsprechender<br />

Interaktionen zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen hat sich dieses System erst gebildet. „Die<br />

politischen Sprecher haben aufgrund ihrer Position im politischen System einen<br />

privilegierten Zugang zu den Medien. Da der Zugang zum politischen Publikum fast<br />

ausschließlich durch die Medien gewährleistet wird, bilden die Journalisten als<br />

professionelle Gatekeeper die Komplementärgruppe im Zentrum des politischen<br />

Kommunikationssystems“ (Pfetsch 2003: 40). Beide Gruppen helfen <strong>bei</strong> der<br />

Verbreitung politischer Botschaften. Welche es denn am Ende tatsächlich in die<br />

Zeitungen oder Nachrichten schaffen, hängt von Nachrichtenfaktoren ab (Schulz<br />

1976). Neben der Relevanz und Aktualität spielen <strong>bei</strong> der Auswahl der Themen auch<br />

der politische Status oder die politische Prominenz desjenigen eine Rolle, der<br />

<strong>bei</strong>spielsweise einen neuen Gesetzesvorschlag verbreitet. „Die gemeinsame<br />

Umgangssprache in Bezug auf die Generierung politischer Botschaften ist also eine<br />

Gemengelage von Faktoren, die im politischen Funktionssystem wirksam sind und von<br />

Funktionen, die im Mediensystem gelten“ (Pfetsch 2003: 40).<br />

19


Innerhalb des politischen Kommunikationssystems gibt es zwei Ebenen, auf denen<br />

sich die Akteure austauschen. „Formalität und Informalität gehören zusammen wie die<br />

zwei Seiten einer Medaille“ (Jarren/Donges 2006: 198). Mit dieser Unterscheidung<br />

korrespondiert Hoffmanns Modell der Vorder- und Hinterbühne. Das Modell geht auf<br />

die Unterscheidung zweier Bühnen zurück, die schon Kepplinger (1994) getroffen hat.<br />

Vorne stehen sich, für alle ersichtlich, Politiker und Journalisten gegenüber. Es gelten<br />

die normativen Erwartungen, die an sie gestellt werden. Journalisten und Politiker<br />

sollen demnach Distanz wahren, damit die Berichterstatter neutral über Ereignisse und<br />

Gesetzesvorschläge urteilen können. „Der Glaube an die Richtigkeit dieser Regeln<br />

und an die Regeltreue der Akteure ist eine Legitimationsgrundlage des Staates und<br />

seiner Institutionen“ (Kepplinger 1994: 214). Auf der öffentlichen Vorderbühne ist das<br />

Ziel von Politikern und Journalisten sich selbst so zu inszenieren, dass die<br />

Performance diesen Erwartungen gerecht wird (Lesmeister 2008: 74). Der Blick auf<br />

die Hinterbühne verdeutlicht allerdings die größere Nähe zwischen Politikern und<br />

Journalisten. Diese Vertrautheit widerspricht jedoch der normativ erwarteten Distanz.<br />

20


In dieser Darstellung zeigen sich mögliche Abhängigkeiten zwischen den Akteuren.<br />

Während auf Hoffmanns Schaubild den Journalisten auf der Vorderbühne die<br />

Funktionen „Information, Kritik, Kontrolle“ zugeschrieben werden, sollen Politiker<br />

repräsentieren und ihr Handeln am Gemeinwohl orientieren. Ein Blick auf die<br />

Hinterbühne zeigt, dass das Handeln <strong>bei</strong>der Gruppe sehr wohl von Interessen geleitet<br />

wird. So bedienen Politiker Partialinteressen oder denken eher an ihre politische<br />

Karriere als an das Gemeinwohl, dem sie eigentlich verpflichtet sein sollten.<br />

Journalisten berichten nicht immer unabhängig und frei, sondern stellenweise<br />

tendenziös und es werden auch kommerzielle Interessen in die Überlegungen<br />

miteinbezogen. Hinzu kommt: Die Akteure sehen sich nahezu täglich, nicht nur in<br />

offiziellem Rahmen. Sie begegnen sich auf Fluren, vor Sitzungen, halten kurz Small-<br />

Talk. Über diese Regelmäßigkeit ergibt sich oftmals automatisch ein<br />

Vertrauensverhältnis. Viele Politiker sehen Journalisten an ihrem Ar<strong>bei</strong>tsplatz, dem<br />

Parlament, häufiger als Frau und Kinder. „Die Beziehungen werden mitunter auch als<br />

symbiotisch oder als eine Art Kumpanei kritisiert“ (Schulz 2008: 318). Diese Kritik<br />

21


ezieht sich vor allem auf die informellen Kontakte, die als Hintergrundkreise oder<br />

Gespräche „unter drei“ bezeichnet werden. Da<strong>bei</strong> handelt es sich um Informationen,<br />

die Politiker zwar geben, mit denen sie aber nicht zitiert werden wollen. Sie sind für<br />

Journalisten eine ebenso gängige wie wichtige Informationsquelle, da in diesem<br />

Rahmen offen gesprochen werden kann. Es hilft ihnen, ein Thema einzuordnen oder<br />

zu verstehen, warum Politiker so entscheiden, wie sie es tun (Pfetsch 1993: 97).<br />

Das Zusammenspiel zwischen den <strong>bei</strong>den Akteursgruppen, deren Interessen<br />

manchmal unterschiedlicher nicht sein können, birgt enormes Konfliktpotenzial.<br />

Einerseits können Medienvertreter aufgrund von Absprachen nicht immer frei darüber<br />

entscheiden, ob sie ihre Quellen nutzen. Andererseits schränkt Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t<br />

der politischen Institutionen und Akteure die Journalisten in ihrer Autonomie ein, da sie<br />

gezielt instrumentalisiert werden kann. „Autonomie aber ist ein zentraler Wert des<br />

Journalismus. Eigenständige Recherche, neutrale Berichterstattung sowie die<br />

Ausübung nicht nur der Informationsfunktion, sondern auch von Kritik- und<br />

Kontrollfunktion gehören zur öffentlichen Aufgabe der Medien und zum professionellen<br />

Selbstverständnis der Journalisten“, bestätigt Schulz (2006: 319).<br />

1.4 Methodische Vorgehensweise<br />

Journalisten sind derzeit Mitglied <strong>bei</strong> der Landespressekonferenz und<br />

berichten über politische Landesthemen in Düsseldorf. Da zu den 131<br />

Berichterstattern auch solche zählen, die <strong>bei</strong>spielsweise für überregionale Magazine<br />

oder Nachrichtenagenturen über NRW-Themen berichten oder sich als<br />

Wirtschaftsjournalisten nur für Pressekonferenzen in diesem Themenfeld<br />

interessieren, verringert sich die Zahl der täglich anwesenden Journalisten auf etwa<br />

30. Rechnet man aus dieser Zahl noch die Vertreter elektronischer Medien heraus,<br />

kommt man schließlich auf die zehn Korrespondenten von <strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen,<br />

die zum so genannten „harten Kern“ gehören. Es zeigte sich, dass die meisten großes<br />

Interesse an der Fragestellung der hier vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t hatten. So gaben sie<br />

bereitwillig Auskunft über ihre Ar<strong>bei</strong>tsweisen. Insofern gab es trotz des vollen<br />

Terminplans zwischen der Kommunal- und Bundestagswahl im August und September<br />

2009 keine Probleme, einen Gesprächstermin mit den einzelnen Ansprechpartnern zu<br />

bekommen. Am Ende flossen insgesamt nur neun Interviews in die Auswertung mit<br />

ein, da eines aus technischen Gründen nicht verwertbar war. Die Aussagen wurden<br />

mit Leitfadengesprächen, die vor allem offene Fragestellungen enthielten, erhoben.<br />

22


Damit wird deutlich, dass die vorliegende Diplomar<strong>bei</strong>t explorativen Charakter haben<br />

muss. Da zum Forschungsfeld des politischen Kommunikationssystems auf<br />

Landesebene in NRW bisher kaum geforscht wurde, sollen die Befragten, die als<br />

Experten aufgefasst werden, aus ihrem Alltag berichten und Einschätzungen zu den<br />

einzelnen Thesen geben.<br />

Bei der Methode der Leitfadengespräche handelt es sich um eine sensitive<br />

Erhebungsmethode. Durch Fragen und entsprechendes Nachhaken sollen die<br />

Interviewten zum Reden angeregt werden. Somit zeichnet sich die Befragung durch<br />

eine große inhaltliche Offenheit aus. Durch die Antworten werden auf diese Weise<br />

auch Aspekte zur Sprache gebracht, die die Autorin zunächst nicht bedacht hatte<br />

(Lamnek 2005: 335). Folgt man Brosius und Koschel (2001) liegt ein weiterer Vorteil in<br />

der höheren Komplexität der Antworten und dass in ihnen viele Rahmenbedingungen,<br />

die <strong>bei</strong> vorgegebenen Antworten nicht berücksichtigt wurden, erfasst werden.<br />

Insbesondere wird das Problem <strong>bei</strong> standardisierten Befragungen umgangen, dass<br />

„Personen mit hohem Bildungsniveau Schwierigkeiten hatten, ihre differenzierte<br />

Meinung überhaupt zum Ausdruck zu bringen“ (Atteslander/Kopp 1999: 164).<br />

Nachteile sind hingegen ein höherer Aufwand <strong>bei</strong> der Auswertung, die Zerfaserung<br />

einzelner Antworten und eine mögliche Ergebnisverzerrung, die sich durch die<br />

unterschiedliche Eloquenz der Gesprächspartner ergibt. Ein weiterer Nachteil ist die<br />

Störanfälligkeit der Gespräche, etwa durch situative Faktoren. Diese konnten insofern<br />

kontrolliert werden, da alle Interviews von der Verfasserin selbst geführt wurden. Da es<br />

sich <strong>bei</strong> der Frage, wie Journalisten und Politiker im Hintergrund agieren, um ein<br />

sensibles Thema handelt, wurden die Befragungen „face-to-face“ im Pressebereich<br />

der Landtagslobby oder in den Büros der Journalisten durchgeführt. Die Gespräche<br />

dauerten zwischen 25 Minuten und einer Stunde. Die Thesen und Forschungsfragen<br />

wurden in den Interviewfragebogen eingear<strong>bei</strong>tet. Um erst einmal eine gute<br />

Gesprächsatmosphäre zwischen dem Interviewten und der Interviewerin herzustellen,<br />

begann die Befragung mit vergleichsweise harmlosen Einstiegsfragen, etwa dem<br />

persönlichen Werdegang, der Beschreibung der konkreten Aufgaben in Düsseldorf<br />

sowie der Einschätzung, welche Rolle die Landesberichterstattung für die eigene<br />

Zeitung spielt. Erst danach wurden sensible Bereiche, etwa die Frage nach Nähe und<br />

Distanz oder der Wichtigkeit von Hintergrundkreisen angesprochen.<br />

Um zu testen, ob die Fragen stichhaltig und zielführend sind, wurde zuvor eine<br />

Befragung mit zwei Korrespondenten durchgeführt. Der eine hat in den 1990er Jahren<br />

in Düsseldorf gear<strong>bei</strong>tet, die andere berichtet aus einer anderen europäischen Stadt<br />

23


als Korrespondentin. Da sich die grundsätzlichen Ar<strong>bei</strong>tsweisen von Korrespondenten<br />

nicht grundlegend unterscheiden, erscheint dieser Pretest ebenfalls plausibel. Ein<br />

zusätzliches Hintergrundgespräch ergab sich mit dem Chef vom Dienst des neuen<br />

Content Desks <strong>bei</strong> der WAZ-Mediengruppe. Er erläutert die neue Ar<strong>bei</strong>tsweise in der<br />

Zentralredaktion und greift auf, wie Texte aus Düsseldorf den Weg in die Zeitung<br />

finden. Nach dem Pretest wurden einige Bereiche präzisiert. Sprachen die<br />

Interviewten neue Aspekte an, wurden diese ebenfalls mit eingear<strong>bei</strong>tet und in<br />

nachfolgenden Interviews gestellt. Dies führte dazu, dass die letzteren Gespräche<br />

ausführlicher und ergiebiger waren. Außerdem ließen sich so Positionen<br />

gegenüberstellen und verifizieren, wenn ein Korrespondent die Einschätzung seiner<br />

Vorgänger bestätigte. Aufgrund der niedrigen Zahl der Befragten, kann man die<br />

einzelnen Einschätzungen und Erfahrungswerte allerdings nicht als repräsentativ<br />

bewerten. Sie geben individuelle Einblicke, die einen Rückschluss auf die<br />

Fragestellung zulassen. Auch sollte man berücksichtigen, dass alle Befragten<br />

weiterhin vor Ort ar<strong>bei</strong>ten und eventuell ihre Kontakte nicht durch zu offene Antworten<br />

gefährden wollen. Menschen, die nicht mehr auf ihre Gesprächspartner angewiesen<br />

wären, hätten möglicherweise an der einen oder anderen Stelle noch präziser<br />

geantwortet.<br />

Die gewonnenen Daten wurden im Anschluss an die Interviewreihe vollständig<br />

transkribiert. Daraus ergab sich eine Datenbasis von knapp 90 Seiten. Die Auswertung<br />

erfolgte nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse. Im Gegensatz zur<br />

quantitativen Inhaltsanalyse wird hier<strong>bei</strong> nicht die Häufigkeit des Auftretens bestimmter<br />

Informationen analysiert, sondern der Inhalt der Information. Die Daten wurden auf der<br />

Ebene der Aussage kodiert und auf die Personenebene aggregiert. Dadurch konnten<br />

ähnliche Aussagen geordnet werden. Anschließend wurde ein Kategorien-System<br />

gebildet, das verdeutlicht, ob einige Aussagen schwerpunktmäßig auftreten. Die<br />

Extraktion enthält nur noch die Informationen und Aussagen, die für die Beantwortung<br />

der Forschungsfrage relevant sind. Obwohl es vor den Interviews wesentliche<br />

Kategorien gab, wurde das Schema nach der Befragung induktiv erweitert. Qualitativ<br />

orientierte Forschung will die Auswertungsaspekte von einem textnahen, deskriptiven<br />

Level heraus entwickeln (Mayring 2008). Als weitere gängige sowie beliebte induktive<br />

Methode in den Sozialwissenschaften zur qualitativen Inhaltsanalyse ist die Grounded<br />

Theory zu nennen (Strauss 1991). Bei dieser Methode geht der Wissenschaftler<br />

gänzlich ohne Vorannahmen ins Forschungsfeld. Die Theorie entwickelt sich im Laufe<br />

des Prozesses. Da zumindest schon Forschungsergebnisse für Berlin vorlagen und<br />

diese in die Vorüberlegung für die Analyse auf NRW-Ebene einflossen, kann man in<br />

24


diesem Zusammenhang jedoch nicht von einem Vorgehen nach der Grounded Theory<br />

sprechen.<br />

1.5 Klärung zentraler Begriffe<br />

n Punkt 1.6 sollen die für diese Ar<strong>bei</strong>t zentralen Begriffe erläutert werden. Als solche<br />

können die Begriffe „Politische Kommunikation“, „Politik“, „Massenmedien“ sowie<br />

„regionale <strong>Tage</strong>szeitungen“ identifiziert werden. Ihnen wird jeweils ein eigener<br />

Unterpunkt gewidmet. Die Erklärungen gehen über eine reine Definition hinaus.<br />

Vielmehr werden sie auf die vorliegende Fragestellung bezogen.<br />

1.5.1 Zum Begriff „Politische Kommunikation“<br />

olitische Kommunikation ist ein vielschichtiger Begriff. Eine allgemein akzeptierte<br />

Definition gibt es in der Forschungsliteratur deshalb nicht. Dies liegt nicht nur<br />

allein daran, dass sich unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen mit ihren<br />

eigenen theoretischen Zugängen, Erklärungsansätzen und methodischen Präferenzen<br />

mit dem Gebiet beschäftigen. Nach Saxer (1998) resultiert die Schwierigkeit einer<br />

einheitlichen Definition auch aus der „Grenzenlosigkeit und Hyperkomplexität des<br />

Untersuchungsgegenstandes der politischen Kommunikation als soziales<br />

„Totalphänomen“ (Saxer 1998: 22ff.). Doris Graber verbindet mit ihrem<br />

Definitionsvorschlag verschiedene Sichtweisen. So beschäftigt sich politische<br />

Kommunikation mit der Produktion, Mitteilung und Verbreitung von Botschaften, die<br />

das Potenzial haben, substanzielle Effekte auf den politischen Prozess auszuüben.<br />

Göttrick Wewer (1998) argumentiert mit seinem Ansatz in die gleiche Richtung,<br />

erweitert ihn aber um die informelle Dimension. Zur politischen Kommunikation gehört<br />

für ihn alles, was auf allgemeinverbindliche Entscheidung in einem Staat abzielt.<br />

Politische Kommunikation wäre also ein Synonym für den Willensbildungs- und<br />

Entscheidungsprozess. „In juristischer Perspektive umfasst die formelle<br />

Kommunikation alles das, was rechtlich geregelt oder sonstwie in einer bestimmten<br />

Form verbindlich festgeschrieben ist. Informelle politische Kommunikation wäre<br />

demnach jene Kommunikation, die außerhalb förmlicher Vorschriften, im rechtlich nicht<br />

geregelten Raum stattfindet“ (Wewer 1998: 324). Sowohl Wewer als auch Lesmeister<br />

(2008) und Jarren/Donges sehen in der informellen Kommunikation nicht die Antithese<br />

zur formellen Kommunikation. „Keine politische Praxis ist entweder rein formal (…)<br />

25


oder aber durchgängig informell“ (Wewer 1998: 325). Jarren/Donges (2002a) nennen<br />

es „die <strong>bei</strong>den Seiten einer Medaille“. Lesmeister entwirft ein Kontinuum der<br />

unterschiedlichen formellen und informellen Graduierungen und bezieht sich mit<br />

diesem Entwurf auf Kastning (1991). So mögen die Spielregeln zur informellen<br />

Kommunikation an keiner Stelle niedergeschrieben sein, doch aus der Praxis haben<br />

sich Regeln herausgebildet, deren Verletzung Sanktionen nach sich ziehen. Als ein<br />

Beispiel sind die Sprachregelungen „unter eins“, „unter zwei und „unter drei“ zu<br />

nennen. Wenn Informationen zwischen Journalisten und Politikern „unter eins“<br />

ausgetauscht werden, dürfen diese mit vollem Namen der Ansprechpartner zitiert<br />

werden. Dies kann zur Folge haben, dass sich die Interviewten direkt vorsichtiger<br />

äußern. Reden sie „unter zwei“ sind sie unter Umständen offener, wenn nicht gar<br />

angriffslustiger. Die Informationen und Zitate werden mit Formulierungen wie „wie aus<br />

Regierungskreisen bekannt wurde“ oder „in Berlin hieß es dazu“ verklausuliert.<br />

Vertraulich wird es, wenn plötzlich „unter drei“ geredet wird. Informationen aus diesen<br />

Gesprächen sind nur für den Hintergrund gedacht. Die österreichische Journalistin<br />

Alexandra Föberl-Schmid 4 erinnert zum Tag der Pressefreiheit, der jedes Jahr am 3.<br />

Mai weltweit gefeiert wird, in ihrem Gast<strong>bei</strong>trag in der „<strong>Tage</strong>szeitung“ 5 an die<br />

Pressefreiheit in Deutschland und verweist auf die, für viele ausländischen<br />

Korrespondenten, ungewohnten Gepflogenheiten. Ihre kritische Einschätzung dazu<br />

lautet: „Es sind informelle Regeln, die wie ein Spinnennetz über dem politischen<br />

Betrieb und den Medien in Deutschland liegen. (...) Gerade in Deutschland nämlich<br />

gibt es ein engmaschiges Gewebe, das vor allem deutschen Politikern Kontrolle über<br />

die Medien erlaubt, die kaum auffällt. Die deutschen Medien selbst machen diese<br />

Übereinkünfte nur selten öffentlich, ja, stellen sie selbst oft genug nicht einmal in<br />

Frage, was nicht zuletzt den Politikern ermöglicht, ihren journalistischen Hofstaat mit<br />

Infohäppchen <strong>bei</strong> Laune zu halten.“<br />

1.5.2 Zum Begriff „Politik“<br />

n dieser Ar<strong>bei</strong>t wird das Spannungsfeld zwischen Politik und Medien oder genauer<br />

gesagt, zwischen den Akteuren der einzelnen Systeme, nämlich Politikern und<br />

Journalisten beschrieben. In den Politikwissenschaften ist es üblich, den Begriff<br />

„Politik“ mit Hilfe der drei Dimensionen „Policy, polity, politics“ zu definieren.<br />

4 Die Autorin war 2004, als der Artikel publiziert wurde, Vorsitzende des „Vereins der Ausländischen<br />

Presse in Deutschland“ und Korrespondentin für die <strong>Tage</strong>szeitung „Der Standard“.<br />

5 Taz, Ausgabe vom 4. Mai 2004<br />

26


Jarren/Donges (2002a) haben ein Konzept entwickelt, dass die verschiedenen<br />

Dimensionen auf die politische Kommunikation bezieht. „Policy“ meint die inhaltliche<br />

Dimension von Politik und beschreibt, wie Probleme, in den einzelnen Politikfeldern<br />

angegangen werden. Für die Analyse politischer Kommunikation ist in der Policy-<br />

Dimension ausschlaggebend, wie inhaltliche Probleme und Themen von den Medien<br />

dargestellt werden. „Polity“ bezieht sich auf die formale Dimension. Politik wird in<br />

diesem Sinne als Institutionengefüge aufgefasst. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie<br />

Normen, Institutionen und Strukturen die Politik gestalten. Normen, die sich auf die<br />

politische Kommunikation beziehen sind <strong>bei</strong>spielsweise die Meinung-, Rede- und<br />

Pressefreiheit eines Landes. „Politics“ meint den politischen Prozess und untersucht,<br />

wie einzelne Akteure, <strong>bei</strong>spielsweise Parteien, Politiker oder Interessenverbände ihre<br />

Ziele durchsetzen. Es werden vor allem Konflikte und Machtverhältnisse betrachtet.<br />

Mit Blick auf die politische Kommunikation ist wichtig zu fragen, welchen<br />

Medienzugang die einzelnen Akteure besitzen und ob alle mit der gleichen<br />

Medienkompetenz ausgestattet sind (Jarren/Donges 2006: 23). Mit Blick auf die<br />

Fragestellung wird die Policy-Ebene vernachlässigt. Die im Polity-Bereich<br />

angesprochenen Normen wurden bereits erläutert. Da es sich vor allem um eine<br />

Aufar<strong>bei</strong>tung aus der Sichtweise der Akteure, nämlich der Journalisten und ihrer<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t mit Politikern geht, spielen die untersuchten Aspekte vor allem in den<br />

Politics-Bereich hinein.<br />

1.5.3 Zum Begriff „Massenmedien“<br />

er größte Teil der politischen Kommunikation findet sich in so genannten<br />

Massenmedien, zum Beispiel Zeitungen, wieder und kann deshalb auch als<br />

Massenkommunikation bezeichnet werden. In Abgrenzung zur<br />

Individualkommunikation, wie es <strong>bei</strong>spielsweise Telefonate sind, ist<br />

Massenkommunikation öffentlich, indirekt, einseitig und an ein Publikum gerichtet, das<br />

nicht eindeutig abgrenzbar ist (Maletzke 1976: 4). Ausgehend von dieser<br />

Beschreibung von Massenkommunikation, definiert Gerhards (1994: 85) den Begriff<br />

Massenmedien folgendermaßen: „Massenmedien sind – als Träger der<br />

Massenkommunikation – jene Medien, die Informationen dauerhaft (über eine Vielzahl<br />

an Themen) an ein großes, unabgeschlossenes bzw. disperses Publikum verbreiten.“<br />

Als Massenmedien gelten Printmedien sowie Hörfunk und Medien. Diese werden<br />

gemeinhin als „alte Medien“ bezeichnet, während die neue Generation der Online-<br />

Medien, die ebenfalls in die Kategorie Massenmedien vorgestoßen sind, als „neue<br />

Medien“ bezeichnet werden.<br />

27


Der Medienmarkt befindet sich im Umbruch. Über Generationen gehörte die Zeitung<br />

zum Frühstück dazu wie die obligatorische Tasse Kaffee. Wenn der Briefkasten leer<br />

blieb, weil der Bote Verspätung hatte, fehlte den Menschen etwas. Doch dieses<br />

Selbstverständnis bröckelt. Die Branche muss dramatische Auflagenrückgänge<br />

verkraften. Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen hat sich die Konjunktur in den<br />

vergangenen Jahren eingetrübt und viele Menschen sind nicht mehr bereit, für<br />

gedruckte Informationen in Form einer Zeitung Geld auszugeben. Hinzu kommt, dass<br />

die Jugendlichen wesentlich selbstverständlicher mit elektronischen Medien<br />

aufwachsen und nicht mehr automatisch an Zeitungen herangeführt werden.<br />

Schlimmer noch: Zeitungen werden von Anhängern der elektronischen Informationen<br />

gar als „Holz-Medien“ 6 verspottet. Nichts desto trotz konstatiert Christian Resing<br />

(2009: 278) für den BDZV: „Deutschland ist ein Zeitungsland.“ Im ersten Quartal 2009<br />

fanden 25,3 Millionen Exemplare pro Erscheinungstag ihre Käufer. Hinzu kommen<br />

einige hunderttausend Exemplare vorwiegend regionaler und lokaler Blätter, die nicht<br />

an die IVW 7 gemeldet werden. Zeitungen versuchen der Krise mit verschiedenen<br />

Konzepten zu begegnen, <strong>bei</strong>spielsweise durch crossmediale Aufbereitung im Internet.<br />

Die Rheinische Post startete 2005 das Projekt „Opinio“, eine Mitmachzeitung für<br />

Leser. „Opinio: eine Mitmachzeitung von Lesern für Leser. Geschrieben, fotografiert<br />

und gelesen von Menschen, die mitreden wollen“, wird auf der Internetseite<br />

www.opinio.de geworben. Geld verdient der Verlag mit dieser Plattform nicht. „Für uns<br />

ging es immer darum, den Lesern etwas Neues zu bieten. Eine Plattform zu bieten, wo<br />

sie sich selber einbringen können. Um sie damit besser an unsere Produkte zu<br />

binden“, sagt Reiner Kurlemann, Chefredakteur des Portals „RP Online“ in einer<br />

Radio-Dokumentation des Senders WDR 5 mit dem Titel „Operation am offenen<br />

Herzen – wie Zeitungshäuser ums Überleben kämpfen“. 8 Seien die Texte gut, würden<br />

sie auch auf der Seite RP-Online oder auf der wöchentlichen „Opinio“-Seite im Print<br />

veröffentlicht: „Die Autoren freuen sich, wenn ihre Texte in der Printausgabe<br />

erscheinen. Und der Verleger spart erneut die Ausgaben für das Honorar.“<br />

6 Dieser Begriff fiel <strong>bei</strong>spielsweise im Rahmen einer Veranstaltung der „NRW School of Governance“<br />

am 07. Dezember 2009. Studenten diskutierten im Kulturzentrum „Hundertmeister“ mit dem MTV-<br />

Moderator und Web 2.0-Anhänger Markus Kavka über „Wandel der öffentlichen Kommunikation: Neue<br />

Formate der Politikvermittlung.“<br />

7 Hinter der IVW verbirgt sich die „Interessengemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von<br />

Werbeträgern“. Die Auflagendaten werden seit 1949 pro Quartal erhoben und dienen der Wer<strong>bei</strong>ndustrie<br />

sowie den Verbrauchern.<br />

8 Das Radio-Feature von Matthias Holland-Letz wurde am 15. Februar 2010 um 11.05 Uhr vom Sender<br />

WDR 5 ausgestrahlt. Das Manuskript zur Sendung findet sich im Internet auf der Seite von WDR 5 und<br />

wird als Internetquelle im Quellenverzeichnis angegeben.<br />

28


Der deutsche Pressemarkt ist immer noch vielfältig, jedoch von einer zunehmenden<br />

Konzentration gekennzeichnet. 2004 waren 42 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung in<br />

256 Kreisen und kreisfreien Städten auf eine Lokalzeitung angewiesen (Schrag 2007: 129).<br />

Hinzu kommt, dass mehrere Ausgaben von nur einer Redaktion betreut werden. Dies zeigt<br />

sich im Rahmen der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t in besonderer Weise: Als Gesprächspartner<br />

standen vier Korrespondenten der WAZ-Mediengruppe zur Verfügung, die vorher<br />

titelspezifisch entweder für die WAZ, NRZ oder WP gear<strong>bei</strong>tet haben. Dies hatte zur Folge,<br />

dass alle Korrespondenten die gleiche Pressekonferenz zu einem Thema besucht haben.<br />

Nach einer Einsparungsrunde in den Jahren 2008 und 2009 <strong>bei</strong> der 300 Stellen in den NRW-<br />

Redaktionen abgebaut wurden, fanden sich ihre Artikel nur noch in einem Mantel 9 wieder. In<br />

Essen wurde ein so genannter „Content Desk“ gegründet. Die 83 Journalisten, die dort<br />

ar<strong>bei</strong>ten, produzieren fortan gemeinsam den über<strong>regionalen</strong> Teil für die WAZ, NRZ und WR.<br />

Sie fungieren als eine Art Agentur, liefern „Content“ in Form von Artikeln und Bildern in einen<br />

Pool. Die einzelnen Titel können anschließend auswählen, welche Berichte sie übernehmen<br />

und wo sie eigene Schwerpunkte setzen wollen. Alle drei Titel, die am Content Desk<br />

angegliedert sind, verfolgen das Modell Autorenzeitung. „Das Zeitungsmachen hat sich in<br />

den letzten Jahren dramatisch verändert. Früher hat man sich die <strong>Tage</strong>sschau um 20.15 Uhr<br />

angeschaut, und wenn die Themen, die in den Hauptnachrichten liefen, <strong>bei</strong> einem auf der<br />

Seite eins standen, waren alle zufrieden. Ganz nach dem Motto: Wir haben alles richtig<br />

gemacht. Heute würden wir ins Grübeln kommen, weil wir eigene Themen und<br />

Schwerpunkte setzen wollen. Wir gehen heute andere Wege, sind hintergründiger, ordnen<br />

die komplizierte Welt, geben Orientierung, sind serviceorientiert. Wir müssen uns täglich<br />

fragen, was wir dem Leser Besonderes bieten können. Und das muss sich von dem<br />

unterscheiden, was er den ganzen Tag auf zig Onlineportalen, <strong>bei</strong> dutzenden<br />

Fernsehsendern oder im Radio sieht und hört werden“, erläutert der Chef vom Dienst des<br />

neuen WAZ-Content Desk, Thomas Kloß. Da die Umstrukturierungen erst kurz vor der<br />

Interviewreihe zum Abschluss gekommen sind, waren die Eindrücke über die neuen<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweisen <strong>bei</strong> den befragten Journalisten dieser Zeitungen noch sehr frisch und<br />

beeinflussten folglich auch ihre Einschätzungen zu den Ar<strong>bei</strong>tsweisen in Düsseldorf und zu<br />

ihrer Anbindung an die Zentrale. Die Einrichtung eines so genannten Nachrichten-Tisches,<br />

im Fachjargon eben News-oder Content-Desk genannt, ist kein Einfall der WAZ, sondern<br />

wird auch <strong>bei</strong> anderen Zeitungen praktiziert. So sollen Synergien zwischen den einzelnen<br />

Ressorts bzw. zwischen verschiedenen Titeln eines Verlages genutzt werden.<br />

den einzelnen Ressorts genutzt werden.<br />

9 Mantel ist ein anderer Begriff für den über<strong>regionalen</strong> Teil einer Zeitung und umfasst <strong>bei</strong>spielsweise den<br />

Politik-, Wirtschafts-, Kultur- und Sportteil einer Zeitung, der jeder Ausgabe <strong>bei</strong>liegt.<br />

29


1.6.4 Zum Begriff „Regionalzeitungen“<br />

egionalzeitungen schließen in der deutschen Zeitungslandschaft die Lücke<br />

zwischen lokalen Blättern und über<strong>regionalen</strong> Titeln, die deutschlandweit<br />

erscheinen. Da die meisten Leser von <strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen ihre Informationen<br />

über nationale oder internationale Ereignisse auch über das Internet oder die<br />

Nachrichtensendungen im Fernsehen beziehen, fassen sie diese Themen kürzer.<br />

Stattdessen kommt den Themen und Nachrichten, die einen starken Bezug zur Region<br />

haben, eine größere Bedeutung zu. Bis heute gibt es nur in wenigen Städten oder<br />

Regionen lokale Fernsehsender, die das lokale Geschehen umfassend aufbereiten.<br />

So entsteht eine Aufgabenteilung zwischen über<strong>regionalen</strong> Printtiteln oder<br />

elektronischen Medien sowie in der Region verankerten <strong>Tage</strong>szeitungen. Dorothea<br />

Marx (2009), die die mediale Aufbereitung von Landespolitik aus Sicht der<br />

Landtagsabgeordneten aufzeigt, teilt die Einschätzung, dass Landesberichterstattung<br />

für Regionalzeitungen besondere Relevanz hat (Marx 2009: 43).<br />

2. Das Spannungsfeld zwischen Politik und Medien aus organisatorischer<br />

und akteurszentrierter Perspektive in NRW<br />

ie Bundesrepublik ist ein föderales Land. Der Policy-Bereich „Medienpolitik“ und<br />

„Presserecht“ obliegt da<strong>bei</strong> den Bundesländern. Der Presse wird eine öffentliche<br />

Aufgabe zugesprochen – sie soll an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken. Um<br />

dieser Aufgabe nachzukommen, können sich die Journalisten auf ihr Informationsrecht<br />

gegenüber Behörden und auch gegenüber dem Parlament berufen. In Paragraph vier<br />

des Landespressegesetzes heißt es dazu: „Die Behörden sind verpflichtet, den<br />

Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden<br />

Auskünfte zu erteilen. Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit 1. durch sie die<br />

sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt erschwert,<br />

verzögert oder gefährdet werden könnte oder 2. Vorschriften über die Geheimhaltung<br />

entgegenstehen oder 3. ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges<br />

privates Interesse verletzen würde oder 4. deren Umfang das zumutbare Maß<br />

überschreitet.“<br />

Um das Spannungsfeld zwischen den Akteuren aus den Bereichen Politik und Medien<br />

zu beleuchten, ist es ratsam, sich zunächst den <strong>bei</strong>den Akteursgruppen zu widmen<br />

und sich deren Rolle im institutionellen Gefüge bzw. in ihrem organisatorischen<br />

30


Background anzuschauen. Im Abschnitt 2.1 werden die Politiker in den Blick<br />

genommen, unter Punkt 2.2 wird die Rolle der Journalisten erläutert. Im Abschnitt 2.3<br />

werden die Aufgaben der Landespressekonferenz erklärt. In 2.4 wird<br />

zusammengefasst, was diese herausgear<strong>bei</strong>teten Prämissen für das gemeinsame<br />

Interaktionsprodukt „Politikvermittlung“ bedeuten.<br />

2.1 Die Rolle der Landespolitiker im institutionellen Gefüge<br />

m die Rolle der Landespolitiker zu beleuchten, lohnt zunächst ein Blick in die<br />

Landesverfassung, in der Grundlegendes zur Funktion und Konstitution gesagt<br />

wird: „Der Landtag besteht aus den vom Volke gewählten Abgeordneten. Die<br />

Abgeordneten stimmen nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Volkswohl<br />

bestimmten Überzeugung; sie sind an Aufträge nicht gebunden“, heißt es in Paragraph<br />

30 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalens. Das parlamentarische<br />

Regierungssystem besteht aus einer geschlossenen Exekutive, <strong>bei</strong> der der<br />

Ministerpräsident nicht nur Chef der Exekutive ist, sondern das Land auch in einer<br />

quasi-präsidentiellen Funktion nach außen vertritt, und einer Einkammer-Legislative in<br />

Form des Landtags. Durch die starke Rolle der Parteien kommt es zu einem<br />

Dualismus: Nicht Exekutive und Legislative sind die Antagonisten, sondern Regierung<br />

und Opposition (Marx 2009: 48).<br />

Das Parlament in NRW hat drei Substrukturen ausgebildet: Fraktionen und ihre<br />

Ar<strong>bei</strong>tskreise, ständige Ausschüsse zur fachlichen Beratung sowie das Plenum. Die<br />

Ausschüsse sind da<strong>bei</strong> die wichtigste Ar<strong>bei</strong>tseinheit. Hier werden die fachlichen<br />

Diskussionen geführt und die Entscheidungen, die später im Plenum getroffen werden<br />

sollen, vorberaten. In NRW, anders als in Berlin, tagen die Ausschüsse öffentlich. Sie<br />

sind damit als Ar<strong>bei</strong>tseinheiten wichtiger als das Plenum. „Die zentralen Funktionen<br />

der Landtage sind Wahlen, Gesetzgebung und Kontrolle. (…) Im Bereich der<br />

Gesetzgebung der Landesparlamente ist ein umfangreicher Bedeutungsverlust zu<br />

erkennen. Die Gesetzgebung des Bundes und die europäische Integration haben den<br />

Entscheidungsspielraum der Landtage im Lauf der Zeit deutlich begrenzt“ (Marx 2009:<br />

49). Den Parlamentariern bleibt häufig nur die Möglichkeit, auf anderer Ebene<br />

beschlossenen Gesetzen und Verträgen zuzustimmen. Dies führt dazu, dass die Rolle<br />

der Landespolitik von der Öffentlichkeit, aber auch in der Wissenschaft häufig<br />

unterschätzt wird. Wehling (2006) führt jedoch an, dass für die Menschen die<br />

Landespolitik einen zentralen Stellenwert habe, da sie die Entscheidungskompetenzen<br />

31


für die Bereiche Schule und Hochschule, Innere Sicherheit, Infrastruktur, regionale<br />

Wirtschaftsförderung und die Kommunen besitze.<br />

Wegen der eingeschränkten Gesetzgebungskompetenz erfolgt die politische<br />

Profilierung über die Kontrolle der Regierung. Mit Hilfe der Massenmedien, die sie für<br />

die Thematisierung ihrer Vorschläge oder zur Skandalisierung nutzen, versuchen sie,<br />

die Regierung zu kontrollieren beziehungsweise Einfluss auf das Regierungshandeln<br />

zu nehmen. Die Kontrolle der Opposition ist in der Regel eher öffentlich, die der<br />

Regierungsfraktionen erfolgt vor allem intern, etwa in Fraktionssitzungen oder<br />

Ar<strong>bei</strong>tskreissitzungen (Marx 2009: 51).<br />

Sarcinelli (2005) hat sich mit dem Thema der parlamentarischen Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t<br />

befasst und ein Modell entwickelt, das die verschiedenen Arenen der Parlamentsar<strong>bei</strong>t<br />

mit der Außendarstellung in Form von politischer Kommunikation verknüpft.<br />

Demnach findet Landespolitik in zwei unterschiedlichen, aber sich überlappenden<br />

Bereichen statt: dem parlamentarischen Entscheidungsbereich (Politikherstellung) und<br />

dem parlamentarischen Darstellungsbereich (Politikdarstellung). Entlang eines<br />

Kontinuums von Öffentlichkeit zur Nicht-Öffentlichkeit werden vier Arenen<br />

unterschieden: Zur parlamentarischen Nicht-Öffentlichkeit gehören vertrauliche<br />

Fraktions-, Ar<strong>bei</strong>tskreis- und Ausschusssitzungen. Öffentlichkeit wird hier nur<br />

32


hergestellt, wenn etwas aus den Sitzungen an Journalisten lanciert wird. Unmittelbar<br />

öffentlich sind hingegen die Plenardebatten, teilweise auch Fraktions- und<br />

Ausschusssitzungen. Der Begriff „Medienöffentlichkeit“ bezieht sich auf Auftritte der<br />

Politiker außerhalb des parlamentarischen Rahmens, etwa <strong>bei</strong> Veranstaltungen oder<br />

im Fernsehen. Festzuhalten bleibt, dass jedes parlamentarische Handeln potenziell<br />

öffentlich ist oder durch Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangen kann. Wer Politik<br />

öffentlich machen will, muss andere Logiken befolgen. Die Prämissen der<br />

Politikdarstellung obsiegen über denen zur Politikherstellung. Sarcinelli kritisiert: „Hier<br />

öffnet sich dann die Schere zwischen den komplexen, langfristigen, den Regeln der<br />

parlamentarischen Geschäftsordnung folgenden und in hohem Maße auf Aushandlung<br />

angewiesenen politischen Diskursen im politischen Entscheidungsbereich einerseits<br />

und dem zugespitzten, aktualitätsfixierten und sich an den Aufmerksamkeitsregeln der<br />

Massenmedien orientierenden ,Palaver’ andererseits“ (Sarcinelli 2005: 240).<br />

Jede der vier genannten Arenen verfügt über eine Vielzahl spezifischer<br />

Kommunikationskanäle. Da<strong>bei</strong> gilt – je öffentlicher die Arena, desto mehr<br />

Kommunikationsmöglichkeiten gibt es. Die nichtöffentlichen Informationen gelangen<br />

über verdeckte Medienkanäle, <strong>bei</strong>spielsweise Indiskretionen oder Hintergrundkreise,<br />

an die Öffentlichkeit. Ist die Öffentlichkeit mittelbar, gibt es institutionalisierte Formen<br />

wie Pressemitteilungen, Plenardebatten oder direkte Kontakte zu den Bürgern.<br />

Hauptakteure der parlamentarischen Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t sind auf parlamentarischer<br />

Ebene der Landtag und die Ausschüsse. Auf der Fraktionsebene sind es die<br />

Fraktionen, Ar<strong>bei</strong>tskreise sowie die Abgeordneten selbst. Hinzu kommen<br />

Pressesprecher und Mitar<strong>bei</strong>ter der Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t der Fraktionen (Marx 2009:<br />

55). Darüber hinaus gibt es eine überparteiliche und neutrale Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>ts-<br />

Abteilung der Landtagsverwaltung, die allgemein über politische Prozesse informiert.<br />

Die Pressear<strong>bei</strong>t der Fraktionen und die Präsentation der politischen Ideen sind<br />

hingegen abhängig von der Parteiprogrammatik. Im Mittelpunkt steht die positive<br />

Selbstdarstellung und negative Darstellung des politischen Gegners. Da<strong>bei</strong> ist der<br />

Zugang zu den Medien nicht für jeden Abgeordneten gegeben, so Sarcinelli: „Je<br />

bedeutender die parlamentarische Politik ist, je mehr Nachrichtenfaktoren ein Politiker<br />

auf sich und ,sein’ Thema vereinigen kann und je besser die Medienkontakte sind,<br />

desto höher sind seine massenmedialen Präsentationschancen“ (Sarcinelli 2005: 246).<br />

33


2.2 Journalisten als Akteure des Mediensystems<br />

uf der anderen Seite befinden sich diejenigen, die auf Informationen angewiesen<br />

sind und sie dankbar entgegen nehmen, ganz gleich, auf welchen Wegen und<br />

über welche Kommunikationskanäle sie zu ihnen gelangen. Ar<strong>bei</strong>tsgrundlage ist da<strong>bei</strong><br />

der Artikel 5.1 und 5.2 im Grundgesetz: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort,<br />

Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen<br />

Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der<br />

Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet<br />

nicht statt.“ Absatz 2 zeigt aber auch auf, welche Grenzen die Journalisten einhalten<br />

müssen: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen<br />

Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht<br />

der persönlichen Ehre.“ Der Presserat hat zudem einen Kodex entwickelt, der die<br />

ethischen Grenzen der Berichterstattung definiert. So verbietet es sich <strong>bei</strong>spielsweise,<br />

über das Privatleben von Politikern oder deren Krankheitsgeschichte zu berichten, es<br />

sei denn, es liegt ein dezidiertes öffentliches Interesse vor. Dies ist der Fall, wenn<br />

durch die Krankheit die Amtsgeschäfte beeinträchtig werden könnten oder eine<br />

Krankheit als Grund für einen Rücktritt angeführt wird, wie im Fall des ehemaligen<br />

SPD-Vorsitzenden Platzeck. In der Regel halten sich die seriösen Medien an diese<br />

Normen.<br />

Oftmals werden Journalisten als individuell handelnde Personen aufgefasst. Da<strong>bei</strong><br />

bleibt unberücksichtigt, dass bestimmte Faktoren, etwa die Zugehörigkeit zu einer<br />

bestimmten Redaktion oder die Ausrichtung auf ein bestimmtes redaktionelles<br />

Programm, ihr Handeln beeinflussen können (Theis-Berglmair 1999). Gemeinhin wird<br />

angenommen, dass ein Journalist Informationen aufnimmt und diese mittels seines<br />

Mediums an ein Publikum weitergibt. Da<strong>bei</strong> ist jedoch zu bedenken, dass es <strong>bei</strong> dem<br />

Journalisten um eine Person handelt, die als sozialer Rollenträger in eine Redaktion<br />

integriert ist (Jarren/Donges 2002: 148). Saxer (1999) weist auf die „Doppelnatur von<br />

Medien“ hin und unterscheidet da<strong>bei</strong> zwischen kommunikationstechnischen<br />

Dimensionen (zum Beispiel Druck, Material und Schrift) und dem sozialen Potenzial,<br />

wie Verlage, Lesezirkel sowie Autoren ihn aufweisen. Demnach wäre die technische<br />

Ausgestaltung eher aussageneutral. Erst durch die gewählte Organisationsform und<br />

den damit verbundenen rechtlichen, ökonomischen und kulturellen Regeln erhalten<br />

Medien ihre soziale Bedeutung. Als ein Beispiel für eine intermediäre Institution könnte<br />

die Politikredaktion gelten. „So kann man den politischen Journalismus als Einrichtung<br />

der strukturellen Kopplung von Politik und Publizistik bezeichnen“ (Marcinkowski/Bruns<br />

34


2004: 494). Studien, die einen Organisationsbezug haben, relativieren das<br />

Einflusspotenzial einzelner Journalisten auf das redaktionelle Programm. Individualanalytische<br />

Studien zielen hingegen eher auf die individuellen Einstellungen ab.<br />

Für die Analyse der Ar<strong>bei</strong>t der Korrespondenten auf NRW-Ebene wurden <strong>bei</strong>de<br />

Aspekte geprüft. Es werden sowohl Fragen nach der internen redaktionellen Struktur,<br />

also der Anbindung der Berichterstatter etwa an die Zentralredaktion oder ob es<br />

Absprachen mit anderen redaktionellen Organen, <strong>bei</strong>spielsweise der Lokalredaktion<br />

gibt, gestellt, als auch abgefragt, wie die Journalisten landespolitische Sachverhalte<br />

aufbereiten oder ob sie bestimmten Themen und Parteien zuneigen.<br />

2.3 Medien auf institutioneller Ebene in NRW: Die Landespressekonferenz<br />

Jürgen Rüttgers beantwortet <strong>bei</strong> der LPK die Fragen der Journalisten.<br />

Foto:ddp<br />

och Journalisten sind nicht nur eingebettet in redaktionelle Strukturen, sondern<br />

als <strong>Landeskorrespondenten</strong> gehören sie auch der Landespressekonferenz (LPK)<br />

an und haben sich als solche an zuvor vereinbarte Regeln zu halten. Analog zur<br />

Bundespressekonferenz (BPK) in Berlin gibt es in allen Bundesländern und somit auch<br />

in Nordrhein-Westfalen die Landespressekonferenz. Sie bildet einen institutionellen<br />

Kontrapunkt zu den PR-Abteilungen und Pressestellen der Ministerien, Fraktionen und<br />

Parteien und bietet den organisatorischen Rahmen für die Ar<strong>bei</strong>t der Journalisten und<br />

eine Klammer für alle, die vor Ort ar<strong>bei</strong>ten. Die LPK, die als Verein organisiert ist, zählt<br />

35


derzeit 131 Mitglieder. Der Verein ist kein Selbstzweck, sondern bietet die Plattform,<br />

um den Journalisten vor Ort die Ar<strong>bei</strong>t zu erleichtern. Die LPK bündelt die<br />

Berichterstattungs-Interessen der NRW-Korrespondenten, die dort gemeinsam<br />

auftreten, obwohl sie vor Ort auch in einer Konkurrenzsituation ar<strong>bei</strong>ten. Mitglied<br />

werden kann jeder, der hauptberuflich als Korrespondent oder Redakteur mit<br />

„politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Themen des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen ständig befasst und überwiegend am Sitz von Landtag und<br />

Landesregierung“ tätig ist (Satzung LPK: § 1-3). Ein Drittel der Mitglieder ar<strong>bei</strong>tet <strong>bei</strong><br />

so genannten elektronischen Medien, also Radio oder Fernsehen, zwei Drittel gehören<br />

der schreibenden Zunft an. Zu den Aufgaben der LPK heißt es in der Satzung: „Zweck<br />

des Vereins ist die Veranstaltung und Vermittlung von Pressekonferenzen (…) und die<br />

Vertretung der Interessen seiner Mitglieder <strong>bei</strong> der Berufsausübung.“ Das hört sich<br />

zunächst banal an, ist es aber nicht. Denn in der Rolle des Einladers bittet der<br />

Vorstand Ministerien zu den Pressekonferenzen, lädt sie ein und bietet den Ministern,<br />

ihren Sprecher oder dem Ministerpräsidenten eine Plattform. „Die LPK tritt als<br />

Gastgeber auf. Einzelne Medien werden durch diese Veranstaltungsform nicht<br />

bevorzugt, weil die LPK eine gemeinsame Plattform für alle bietet. Das ist wichtig. Es<br />

verhindert das Ausspielen der einzelnen <strong>Landeskorrespondenten</strong> gegeneinander. Das<br />

Bevorzugen durch Ministerien, durch die Landesregierung und dadurch, dass wir hier<br />

den Raum innerhalb des Landtags haben, sind wir Gastgeber“, erklärt Leo Flamm,<br />

Vorsitzender der Landespressekonferenz. So wird vor allem ein Schutz für die<br />

kleineren Titel und Ein-Mann-Büros gewährleistet, nicht vom Informationsfluss<br />

ausgeschlossen zu werden und davor, dass Journalisten, die der Landesregierung<br />

gewogen sind und freundlich über sie schreiben, <strong>bei</strong> der Informationsvergabe<br />

bevorzugt werden.<br />

Jeden Donnerstag gibt die LPK ihren Wochenplan heraus, auf dem alle Termine und<br />

Pressekonferenzen, die in der nachfolgenden Woche angeboten werden, vermerkt<br />

sind. Die Pressekonferenzen werden vom Vorstand einberufen und von einem Mitglied<br />

geleitet (Satzung LPK: §13.1). Zur Teilnahme sind nur Mitglieder berechtigt.<br />

Journalisten, die nicht die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Verein erfüllen,<br />

können vom Vorstand als ständige Gäste zugelassen werden. Gäste, die nur einmalig<br />

oder unregelmäßig teilnehmen, kann derjenige, der die Pressekonferenz leitet,<br />

zulassen (Satzung LPK: § 13.2).<br />

Zur Praxis gehört es, dass die Mitglieder sich dort informieren und nicht etwa vorab<br />

recherchieren und die Inhalte vorweg nehmen, indem sie sie vorher veröffentlichen.<br />

36


Das klappt nicht immer. Sanktionsmöglichkeiten gibt es indes keine, stattdessen wird<br />

an die praktizierte Übereinkunft erinnert und an die Kollegialität der Einzelnen<br />

appelliert, dass dies den gemeinsamen Interessen widerspricht.<br />

„Es geht nicht darum eine selbst recherchierte Geschichte zu verhindern. Wir hatten den Fall,<br />

dass die Justizministerin vor einer Pressekonferenz wesentliche Informationen und Zitate<br />

veröffentlicht hat. Wir haben ihr daraufhin gesagt: ,Frau Müller-Piepenkötter, wir lassen die<br />

Pressekonferenz jetzt ausfallen, da Sie ja bereits einzelne Zeitungen informiert haben.’ Die<br />

Korrespondenten in der Landespressekonferenz sind einer ständigen Regierungs-PR-Maschine<br />

ausgesetzt. Außerdem den Versuchen, instrumentalisiert zu werden. Das wird auch an dem<br />

Beispiel deutlich: Dann plant die Landesregierung vier neue Fachhochschulen. Die werden erst<br />

mal im Kabinett abgenickt, dann wiederum wird der Gesetzentwurf vom Kabinett zugestimmt.<br />

Dann wiederum wird das Gesetz in den Landtag eingebracht. Jeder Schritt wird mit einer neuen<br />

Pressemeldung begleitet. Zum Schluss könnte es unachtsamen Korrespondenten oder Medien<br />

passieren, dass sie über diese vier neue Fachhochschulen ungefähr 20 Mal berichtet haben. So<br />

erreicht die Landesregierung über ein und dasselbe Thema ein hohes Presseclipping. Das ist<br />

natürlich für die Ministerien gut, aber eine Falschinformation der Öffentlichkeit. Auf diese Art<br />

und Weise wird ein und derselbe Tatbestand immer wieder neu vorgestellt. Das gibt ein<br />

falsches Bild“, erklärt ein Vorstandsmitglied der LPK“, sagt ein Vorstandsmitglied der LPK<br />

(vgl J1).<br />

In der Satzung der LPK sind nicht nur die Pressekonferenzen verankert, sondern ist<br />

auch von der „Vermittlung anderer Informationsmöglichkeiten“ die Rede. Damit ist<br />

<strong>bei</strong>spielsweise ein Hintergrund-Gesprächsangebot gemeint, das die LPK allen<br />

Mitgliedern unterbreitet. Zu den Gästen gehören nicht nur landespolitische Akteure,<br />

sondern auch Gewerkschafter, Bundespolitiker oder Ministerpräsidenten anderer<br />

Länder. Ob aus diesen Treffen zitiert werden darf oder diese strikt „unter drei“ gehalten<br />

werden, variiert. In Paragraph 14 der LPK-Satzung heißt es dazu: „Die Mitteilungen<br />

auf den Pressekonferenzen erfolgen: a) zu beliebiger Verwendung oder b) zur<br />

Verwertung ohne Nennung des Auskunftgebenden oder c) vertraulich. Die<br />

Auskunftgebenden können erklären, wie ihre Mitteilungen behandelt werden sollen.<br />

Die Teilnehmer der Konferenz sind an diese Erklärungen über die Verwertung des<br />

Materials gebunden. Wird keine Erklärung abgeben, gilt das Material als beliebig<br />

verwendbar.“ Teilweise kann die Sprachregelung auch während eines Gesprächs<br />

geändert werden. Ein Mitglied, das regelmäßig an den Hintergrundkreisen teilnimmt,<br />

erinnert sich:<br />

37


„Ein Verheugen war da und der hat dann allgemeine EU-Kommissar-Statements von sich<br />

gegeben. Das war langweilig. Und der hatte vorher gesagt: ,Sie können natürlich alles<br />

schreiben’. Anschließend ging es um das Verhältnis der Deutschen zu Polen. Dann hieß es auf<br />

einmal: ,Strikt unter drei’. Der hat da vom Leder gezogen - das hätte ihn den Kopf kosten<br />

können, wenn das einer geschrieben hätte…“<br />

Für viele Korrespondenten sei der Besuch der Pressekonferenzen eine Pflichtübung.<br />

Der Stoff, aus dem die journalistischen Träume sind, sei dort nicht zu erwarten (vgl.<br />

J5: 224-233).<br />

2.4 Schlussfolgerungen für das Interaktionsprodukt „Landesberichterstattung“<br />

Zunächst kann man annehmen, dass das Tauschgeschäft zwischen Informationen und<br />

Publizität förderlich ist für das gemeinsame Interaktionsprodukt<br />

„Politikberichterstattung“. Problematisch ist hingegen „der Widerspruch zwischen<br />

politischer Prozesszeit und medialer Produktionszeit“ (Meyer 2001: 63). Politiker<br />

stehen zwar kurz vor Wahlen unter Druck kurzfristige Erfolge ihren Wählern zu<br />

„verkaufen“. Politische Projekte und Reformen brauchen aber eine längere<br />

Prozesszeit. Demgegenüber steht das Interesse der Journalisten und ihrer Medien,<br />

jeden Tag neue Nachrichten zu präsentieren. Schulz (2003) bezieht sich in seiner<br />

Analyse auf Galtung/Ruge (1965), wenn er sagt: „Je mehr der zeitliche Ablauf eines<br />

Ereignisses der Frequenz eines Mediums entspricht, desto eher wird dort das Ereignis<br />

als Nachricht berichtet“ (Schulz 2003: 357). Politische Inhalte, wie langfristig angelegte<br />

Reformen, treten also hinter dem konflikthaltigen Politikprozess in Form von Debatten<br />

zurück. Skandale, politische Scharmützel und Meinungen eines Einzelnen seien aus<br />

journalistischer Sicht interessanter als die alltägliche Ar<strong>bei</strong>t des Parlaments.<br />

Ein weiterer Aspekt macht es der Landesberichterstattung schwer, in den Medien<br />

berücksichtigt zu werden: Wie schon beschrieben, ist die Gesetzgebungskompetenz<br />

der Landespolitiker auf wenige Themenfelder beschränkt. Landespolitik ist eingebettet<br />

in ein komplexes föderales Gefüge. In den Medien, die auf Vereinfachung,<br />

Personalisierung und Ereignisse fixiert sind, haben Themen es wegen der Komplexität<br />

und Verwobenheit schwer. Der Journalist Lorenz Maroldt 10 macht die Landespolitik<br />

hingegen selbst dafür verantwortlich, dass sie es schwer hat, in Wettbewerb der<br />

10 Lorenz Maroldt ist studierter Politikwissenschaftler. Er war von 1991 bis 1994 <strong>bei</strong> der Zeitung „Neue Zeit“<br />

zunächst für die Landespolitik in Berlin zuständig, später beschäftigte er sich mit der Bundespolitik in Bonn.<br />

Inzwischen ist er Chefredakteur des „<strong>Tage</strong>sspiegels“ in Berlin.<br />

38


Nachrichten und Ereignisse zu bestehen. Er kritisiert: „So wohlwollend man die<br />

Landespolitik auch zu Kenntnis nehmen mag, so desaströs ist sie letztlich, was die<br />

Schärfe der politischen Auseinandersetzung angeht und damit auch, was das<br />

Interesse des Publikums betrifft. (…) Ich denke, dass nicht Landespolitik immer<br />

unbedeutender wird, sondern dass sie immer langweiliger präsentiert wird“ (2007: 47).<br />

3 Analyse der empirischen Ergebnisse<br />

3.1 Zum Selbstverständnis und Werdegang der befragten Journalisten in<br />

Düsseldorf<br />

ournalisten sind wie Insekten. Es gibt unzählige Arten: große, kleine, schillernde,<br />

giftige, laute, aggressive, träge, lästige“, charakterisiert der Journalist und<br />

Kolumnist Hajo Schumacher (2007: 377) seine Berufskollegen. Er unterscheidet in<br />

seinem politisch inkorrekten Glossar zur Journalistenszene zahlreiche Typen von<br />

Journalisten. Darunter den Machtvollen – „regiert ein großes auflagenstarkes Blatt (…)<br />

hat ohnehin immer Recht“ (ebd.) sowie Kanalar<strong>bei</strong>ter, der sich aus dem aktiven<br />

Geschäft verabschiedet hat, aber ein prall gefülltes und unschätzbar wichtiges<br />

Telefonbuch besitzt. Das TV-Gesicht, „sie hießen einst Ansager. Wenige Erstklassige,<br />

viele, die es mal werden wollen“ (2007: 379) macht seinem Namen alle Ehre und wird<br />

überall eingeladen. Nicht zu vergessen wären noch der Flaneur, der „Elder Statesmen“<br />

oder der Popjournalist. Zu den gängigeren Charakterisierungen gehören aber wohl vor<br />

allem die Begriffe „Vermittler“ oder „Wachhund“.<br />

Weichert/Zabel (2007) benennen die Gattung besonders prominenter und exponierter<br />

Berichterstatter sogar „Alpha-Journalisten“. An dieser Bezeichnung stört sich Bruns<br />

(2007c), die gleichwohl zu diesem Buch ein „Geleitwort“ <strong>bei</strong>steuerte. Sie distanziert<br />

sich: „Deshalb löst der Begriff das subversive Gelächter aus, das insbesondere Frauen<br />

<strong>bei</strong>m Anblick der allfälligen Hahnenkämpfe unwiderstehlich überkommt: alles sehr laut,<br />

sehr stark, sehr mächtig – aber eben auch nötig, um zu überdecken, dass Schein und<br />

Sein in einem latenten Missverhältnis stehen. Es könnte sein, dass wir mit unseren<br />

Alpha-Journalisten Macht und Meinungsführerschaft für die Medien reklamieren, die<br />

unser Berufsstand in Wahrheit jeden Tag mehr verliert. Denn der Einfluss des<br />

politischen Journalismus auf die Köpfe und Herzen der Menschen wird immer<br />

schwächer, weil er im großen Rauschen untergeht“ (Bruns 2007c: 11). Gleichwohl<br />

konstatiert Neidhardt (2001), dass Journalisten, indem sie kommentieren, selbst zu<br />

39


Sprechern in der Öffentlichkeit werden. Sie hören auf, nur als „Chronisten“ zu<br />

fungieren (Neidhardt 2001: 507). Nicht nur das politische System verfügt über<br />

„Elefanten“, sondern auch die Journalisten und das Mediensystem (Jarren/Donges<br />

2002b: 173). In diesem Zusammenhang ist interessant, dass weder Journalisten noch<br />

Politiker über ein besonders großes Ansehen in der Gesellschaft verfügen. Das<br />

Meinungsforschungsinstitut Forsa hat die 30 angesehensten Berufe ermittelt.<br />

Journalisten landen da<strong>bei</strong> im Jahr 2009 auf dem 17. Platz. 46 Prozent der 3000<br />

Befragten halten dies für einen angesehenen Beruf. Politiker landen mit 23 Prozent auf<br />

Platz 26 des Ranking. Erklärungen gibt es dafür nicht, doch Tissy Bruns (2007a)<br />

vermutet, dass etwa der lautstarke Auftritt Gerhard Schröders nach der Wahl 2005 mit<br />

der Kernaussage „Glaubt denen nicht“, einen erheblichen Teil dazu <strong>bei</strong>getragen hat.<br />

Saxer (1994) geht die Fragen nach dem Rollenverständnis strategischer an. Er hat auf<br />

Grundlage einer Befragung, in der er unter anderem die Intention der<br />

Berichterstattung, Fragen zur Berufsethik oder Recherchemethoden untersucht hat, in<br />

den 1990er Jahren eine Idealtypologie von Journalistenbildern entwickelt. In der<br />

Journalismusforschung ist in den 1990er Jahren ein Streit entbrannt, ob politische<br />

Journalisten eher als „Missionare“ oder „neutrale Vermittler“ fungieren. Eine andere<br />

Studie (Weischenberg/Löffelholz/Scholl 1993, 1994a) kam indes zu dem Schluss, dass<br />

drei Viertel aller befragten Journalisten sich als neutrale Vermittler begreifen.<br />

Weischenberg hat die Studie 2006 mit einer ähnlichen Fragestellung erneut<br />

durchgeführt und kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Journalisten in Deutschland<br />

eher links der Mitte sehen. Die Mehrheit der 1536 befragten Journalisten geben an, die<br />

Grünen zu bevorzugen (36 Prozent). Ein Viertel sagt, Anhänger der SPD zu sein.<br />

CDU/CSU und FDP kommen nur auf neun Prozent. Einig sind sie sich hingegen, dass<br />

sie ihr „Publikum möglichst neutral und präzise informieren“ wollen (Weischenberg/<br />

Malik/Scholl 2006: 102).<br />

2009 zeichnen die befragten Düsseldorfer Korrespondenten ein differenziertes Bild<br />

von sich. Bei den Gesprächspartnern handelt es sich um erfahrene Journalisten<br />

zwischen 46 und 58 Jahren. Es sind ausschließlich Männer. Zwar gibt es auch Frauen,<br />

die aus Düsseldorf berichten, aber diese sind eher <strong>bei</strong> den elektronischen Medien zu<br />

finden. Der Bereich der <strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen ist in Männerhand. Bevor sie zum<br />

Einsatzort nach Düsseldorf kamen, haben sie im Schnitt drei Stationen absolviert,<br />

wo<strong>bei</strong> zwei Befragte mit acht beziehungsweise neun Einsatzorten und Funktionen, die<br />

sie in ihren Lebenslauf schreiben können, Ausreißer sind. Gezählt wurden nur die<br />

Stationen, in denen sie fest angestellt waren. Die meisten haben, wie im Journalismus<br />

40


üblich, viele Jahre als freie Mitar<strong>bei</strong>ter gear<strong>bei</strong>tet, bevor sie eine Stelle als Redakteur<br />

bekommen haben. Alle Korrespondenten waren zuvor in Lokalredaktionen ihrer Titel<br />

eingesetzt. Einige hatten anschließend einen verantwortlichen Posten im Politikressort<br />

oder als Lokalchef übernommen. Zwei hatten zudem bereits Erfahrung als<br />

Korrespondent in Brüssel beziehungsweise Bonn. Die personelle Ausstattung der<br />

Parlamentsredaktion in Düsseldorf ist je nach Titel unterschiedlich: Zwei der Befragten<br />

sind Einzelkämpfer. Zwei weitere ar<strong>bei</strong>ten ebenfalls alleine vor Ort, können aber <strong>bei</strong><br />

Bedarf Verstärkung aus der Zentrale anfordern, wenn <strong>bei</strong>spielsweise viele wichtige<br />

und interessante Themen auf der <strong>Tage</strong>sordnung stehen. Die Ausnahme ist ein<br />

Journalist, der neben seiner Zeitung, <strong>bei</strong> der er fest angestellt ist, weitere kleinere,<br />

regionale Titel „bedient“, die keinen Korrespondenten vor Ort haben. Da es keine<br />

Überschneidungen im Erscheinungsgebiet gibt, übernehmen diese den Artikel in der<br />

Regel im Original ohne Veränderungen. So genannte „Bauchladen“-Korrespondenten,<br />

die für mehrere regionale Zeitungen ar<strong>bei</strong>ten und <strong>bei</strong> denen sich die Titel die<br />

Finanzierung der Stelle teilen, sind in Berlin und im Ausland die Regel. In Düsseldorf<br />

sind sie die Ausnahme.<br />

Wer zu zweit oder mit noch mehr Personen in einem Büro sitzt, teilt sich die<br />

Bear<strong>bei</strong>tung der Parteien und Ministerien auf. Die Regel ist, dass einer die<br />

Regierungsfraktionen betreut, ein anderer die Oppositionsparteien. Die Linke spielt,<br />

obwohl sie nicht im Landtag vertreten ist, eine besondere Rolle und wird ebenfalls im<br />

Auge behalten. Je nach Ressort und Zuständigkeit kümmern sich die<br />

Korrespondenten ebenfalls um die Verbände und Gewerkschaften, die sich zu den<br />

jeweiligen Themen äußern. Gear<strong>bei</strong>tet wird <strong>bei</strong> Bedarf auch sieben <strong>Tage</strong> in der<br />

Woche. Zum Parlamentsgeschehen kommen an einigen Wochenenden die Parteitage<br />

oder eventuell Kongresse hinzu.<br />

Mehrheitlich wird von den Korrespondenten der Begriff des „Beobachters“ (vgl. J1, J2,<br />

J4) genannt, wenn sie an ihr Rollenverständnis denken. Eine andere Gruppe versteht<br />

sich als „Dienstleister“ für ihre Leser und will die Themen und Nachrichten aus<br />

Düsseldorf möglichst verständlich für die Leser aufbereiten und einordnen. Auch der<br />

Begriff „Wächterfunktion“ fällt einmal. Überraschend ist, dass die Korrespondenten<br />

eingestehen, manchmal aus der Rolle des Beobachters herauszufallen und sich in der<br />

des handelnden Akteurs wiederzufinden:<br />

„Es sind zwei Boote, aber es ist nicht so sauber getrennt, wie viele es gerne vielleicht sehen<br />

möchten. Es gibt auch Überlappungen“ (J2, Z. 33-37).<br />

41


Ein anderer sagt selbstbewusst:<br />

„Was <strong>bei</strong> uns steht, das gilt nicht nur für meine Berichterstattung, hat Gewicht. Das muss man<br />

einfach sagen. Ich maße mir jetzt nicht an, zu sagen, dass das unmittelbar politisches Handeln<br />

verändert, aber es beeinflusst es mit Sicherheit“ (J5, Z. 39-44).<br />

Zum Selbstverständnis gehört nicht nur, wie die Korrespondenten ihre eigenen Rolle<br />

einschätzen, sondern auch die konkrete Ar<strong>bei</strong>tsweise. In diesem Zusammenhang<br />

wurden als Gegenpole die Begriffe „Themensetzer“ oder „Chronist“ in den Raum<br />

gestellt und nach einer Einordnung gefragt. Mit Chronistenpflicht ist da<strong>bei</strong> gemeint,<br />

dass der Entstehung eines Artikels ein Termin <strong>bei</strong>spielsweise in Form von<br />

Pressekonferenzen oder Plenarsitzungen vorausgeht und die Journalisten sich in ihrer<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweise an dem offiziellen Themenportfolio, das etwa im Plenum debattiert wird,<br />

orientieren. Die Aufgaben eines Themensetzers gehen darüber hinaus. Da<strong>bei</strong> wird<br />

versucht, eigene Themen aufzuspüren und diese zu platzieren. Bezogen auf die in der<br />

Politwissenschaft identifizierten Funktionen – Artikulationsfunktion, Kritikfunktion und<br />

Kontrollfunktion - kommt dem Chronisten die Artikulationsfunktion zu. Wer hingegen<br />

zusätzliche Meinungen einholt, die Themen mit Fakten anreichert, sie einordnet und<br />

kommentiert, kommt zusätzlich der Kritik- und Kontrollfunktion nach.<br />

In der Praxis zeigt sich, dass man <strong>bei</strong>des nicht voneinander trennen kann. Zwei Drittel<br />

sagen, dass sie sowohl als Themensetzer als auch als Chronist agieren. Chronist zu<br />

sein sei die Pflicht. Eigene Geschichten aufzuspüren und zu recherchieren, sei die<br />

Kür. Ob sie nun mehr Zeit haben, Tipps nachzugehen oder den Terminplan<br />

abar<strong>bei</strong>ten, hängt mit der Nachrichtenlage zusammen. Passiert wenig, bleibt mehr Zeit<br />

für Eigenes. Einzelkämpfern fällt es naturgemäß schwerer, neben der Pflicht, die<br />

wichtigen aktuellen Themen aufzugreifen, noch eigene Akzente setzen.<br />

„Wir haben hier den Bereich der Pressekonferenzen, die ich gerade als Ein-Mann-Büro auch<br />

mit abzudecken habe, ich hab auch zum Teil regionale Aufgaben, so dass ich für bestimmte<br />

Zeitungstitel auch informieren muss. Man bemüht sich natürlich Themen zu setzen. Durch den<br />

<strong>Tage</strong>sablauf wird das aber häufig erschwert, weil man natürlich in so eine Chronistenrolle<br />

reinkommt, dass man abdecken muss, was an dem Tag in Düsseldorf passiert“ (J2, Z. 47-52).<br />

Aber auch solche, die ein großes Team im Hintergrund wissen, klagen oft über<br />

mangelnde Zeit für ausführliche Recherche:<br />

42


„Der hochaktuelle Chronistenbetrieb und eine mittelfristige Recherche schließen sich oft aus.<br />

Weil, wenn Sie jeden Tag in dem Hamsterrad laufen, haben Sie nicht die zeitliche Ressource,<br />

obwohl man es immer wieder versucht“, schätzt J1 ein (Z. 54-66).<br />

J9 ergänzt:<br />

„Man muss die Sachen nachrichtlich berichten, die hier passieren und die wichtig sind. Es<br />

passieren hier viele unwichtige Sachen. Die muss man eben abwerfen. Das ist das eine. Das<br />

Zweite ist, man muss auch schon die Orientierung geben, den Lesern. Das in einer vernünftigen<br />

Sprache rüberzubringen, die verständlich ist. Das ist immer eine große Gefahr, gerade <strong>bei</strong><br />

Journalisten, die so wie wir, lange an einem Werkstück ar<strong>bei</strong>ten, gewissen Begriffen erliegen<br />

und die als selbstverständlich voraussetzen.“<br />

3.1.1. Zwischenfazit<br />

usammenfassend kann man an dieser Stelle zunächst feststellen, dass die<br />

befragten Korrespondenten sich sehr reflektiert mit ihrer eigenen Rolle<br />

auseinandersetzen und nur <strong>bei</strong> einem so viel Selbstbewusstsein durchschimmert,<br />

dass man ihn in Hajo Schumachers Kategorie der „Machtvollen“ einordnen kann.<br />

Obwohl die Befragten allesamt männlich sind, gerieren sie sich offenbar nicht wie die<br />

Alpha-Journalisten, deren negativen Charaktereigenschaften Tissy Bruns in den Blick<br />

genommen hat. Warum sie nicht in die Kategorie zählen, ob es an den<br />

Persönlichkeiten oder doch eher an den Themen auf Landesebene liegt, die sich dazu<br />

anbieten, wortstark auf dem Markt der Meinungen aufzutreten, wird in dieser Ar<strong>bei</strong>t<br />

noch an anderer Stelle eine Rolle spielen. Der von den Befragten gewählte Begriff des<br />

„Dienstleisters“ schließt die Funktion des Vermittlers ein, berücksichtigt aber den Leser<br />

und bedeutet auch, dass nicht alles, was auf der Düsseldorfer <strong>Tage</strong>sordnung steht,<br />

auch vermittelt wird. Vielmehr wird selektiert und dem Leser nur ein Teil er<br />

Angebotspalette präsentiert. In die Rolle der Themensetzer kommen Journalisten<br />

immer dann, wenn sie anfangen, auf eigene Faust zu recherchieren. Die bloße<br />

Auswahl der Themen, die es ins Blatt schaffen, reicht wohl nicht aus, um daraus schon<br />

eine Themensetzer-Funktion der Journalisten abzuleiten. Eher spricht dies für die<br />

Gatekeeper-Funktion von Berichterstattern.<br />

43


3.2 Stellenwert der Landesberichterstattung in der <strong>regionalen</strong><br />

<strong>Tage</strong>szeitung<br />

ournalisten entscheiden oft intuitiv und aus Erfahrung, welches Thema eine<br />

Meldung wert ist oder sich für einen größeren Artikel eignet. Damit folgen sie in der<br />

Regel den in der Kommunikationswissenschaft und insbesondere in der<br />

Nachrichtenforschung festgelegten Nachrichtenfaktoren. Die erste Studie, die sich mit<br />

dem Thema Nachrichtenfaktoren beschäftigt hat, geht auf Walter Lippmann (1922)<br />

zurück. Er gilt als Begründer der Nachrichtenwert-Theorie in den USA. Journalisten<br />

können da<strong>bei</strong> nicht <strong>bei</strong> allen Ereignissen in der Welt da<strong>bei</strong> sein, über die sie berichten.<br />

Sie müssen auswählen und bilden die Realität für ihre Leser ausschnittsweise ab.<br />

Lippmann identifizierte als wesentliche Merkmale von Nachrichten, die von<br />

Redakteuren für berichtenswert gehalten werden, die Ungewöhnlichkeit eines<br />

Ereignisses (Überraschung, Sensationen), die zeitliche Begrenzung (Dauer) oder die<br />

Folgen, die mit diesem Ereignis einhergehen (Relevanz, Schaden, Nutzen). Ein<br />

Ereignis, das mehrere Faktoren aufweist, hat eher eine Chance, als Nachricht<br />

aufgegriffen zu werden. Unabhängig von der amerikanischen Forschungstradition<br />

entwickelte sich in den 1960er Jahren in Europa eine eigene Forschungslinie. Als<br />

Vertreter können hier Einar Östgaard (1965), Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge<br />

(1965) genannt werden. Lippmanns schon genannte Faktoren werden da<strong>bei</strong><br />

spezifiziert und um die Merkmale Frequenz, Aufmerksamkeitsschwelle, Eindeutigkeit,<br />

Bedeutsamkeit, Konsonanz, Kontinuität, Variation, Elite-Nation, Elite-Personen,<br />

Personalisierung und Negativität ergänzt. Winfried Schulz (1976) hat die Faktoren<br />

später operationalisiert und sie so für die Forschung messbar gemacht. Er vertritt<br />

da<strong>bei</strong> die These, dass erst der Journalist einem Ereignis durch seine Auswahl einen<br />

entsprechenden Nachrichtenwert verleiht. Indem Journalisten die Themen und<br />

Geschehnisse auswählen, fungieren sie als Gatekeeper und Agenda-Setter<br />

gleichermaßen. Uwe Vorkötter 11 (2007) bestätigt, dass ein großer Teil der<br />

Nachrichtenfaktoren an Aktualität nicht verloren hat. In seinem Beitrag „Die Macht der<br />

Medien“, schreibt er: „Wir als Medien informieren Menschen. Wir zeichnen ein Bild von<br />

der Wirklichkeit, das zwangsläufig verzerrt ist. In den Medien spielt das Spektakuläre<br />

eine größere Rolle als das Normale, das Aufregende spielt eine größere Rolle als das<br />

Langweilige, die schlechte Nachricht spielt eine größere Rolle als die gute Nachricht,<br />

in der Politik wird der abweichenden Meinung ein höherer Stellenwert zuerkannt als<br />

11 Uwe Vorkötter war bis 2006 Chefredakteur der Berliner Zeitung und kehrt im April 2010 wieder zu<br />

diesem Titel zurück.<br />

44


die Position, die eine politische Partei oder Fraktion mit großer Mehrheit beschlossen<br />

hat“ (Vorkötter 2007: 16). Themen, die nicht über die Medien transportiert werden,<br />

erreichen im Zweifelsfall gar keinen Wähler.<br />

Was bedeuten die Faktoren nun für die Auswahl der Landesberichterstattung in<br />

<strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen? Die These, dass Landesthemen für diese Blätter eine<br />

besondere Rolle spielen, bestätigen nur zwei Drittel der Befragten. Einige Titel bieten<br />

ihrem Leser jeden Tag eine Regionalseite, auf der landespolitische Themen platziert<br />

werden. Dies ist der Idealfall. Bei anderen Zeitungen konkurrieren die Berichte aus<br />

Düsseldorf mit denen aus Berlin oder politischen Texten von<br />

Auslandskorrespondenten.<br />

„Das Bessere ist der Feind des Guten. (…) Als landespolitische Berichterstatter konkurrieren<br />

wir jeden Tag gegen das Weltgeschehen. Wenn die Berliner Maschine groß läuft oder die<br />

internationale Maschine oder Herr Obama irgendwo irgendwas macht und wir kommen dann,<br />

wir hätten gerne hier ein Plätzchen, dann sagen die, ,sorry, aber ihr könnt uns jetzt mal zufällig<br />

gestohlen bleiben‘“ (J1, Z.115-126).<br />

In den Fällen, in denen die Korrespondenten ihre Texte <strong>bei</strong> einem „Content Desk“<br />

abliefern, entscheiden die Verantwortlichen in der Zentrale in einer Art ständigen<br />

Konferenz, wie sich die Nachrichtenlage entwickelt, und ob Landesthemen an diesem<br />

Tag ein hoher Stellenwert <strong>bei</strong>gemessen wird. Man kann in diesem Zusammenhang<br />

von einer doppelten Gatekeeper-Funktion sprechen. Zunächst selektiert der<br />

Korrespondent, was er für berichtenswert hält und später noch einmal die Zentrale. In<br />

den meisten Fällen werden die Korrespondentenbüros aber zu den morgendlichen<br />

Konferenzen per Video- oder Telefonkonferenz dazugeschaltet, so dass eine<br />

gemeinsame Besprechung und Auswahl der Themen stattfindet.<br />

„Ich biete eigentlich jeden Tag etwas an. Die größten Interessen gibt es eigentlich im Bereich<br />

der Kommentierung“ (J2, Z. 92-100).<br />

J5 beschreibt die Ar<strong>bei</strong>t auf dem „Außenposten“ so:<br />

„Ich bin ja hier, um die Mantelredaktion zu informieren, was hier im Moment en vogue ist, was<br />

im Landtag aktuell ist und natürlich trägt die Redaktionskonferenz, der Mantel auch Wünsche<br />

an mich heran. Nach dem Motto: Wir wollen morgen mal den Fokus auf Schule lenken - kann<br />

man nicht ein Interview mit Frau Sommer haben oder einen bestimmten Aspekt. Oder wie<br />

45


stehen die Parteien, sagen wir mal, zur Einheitsschule? Also das ist so ein wechselseitiges<br />

Befruchten mit Ideen und das ist auch gut so. Denn manchmal haben die super Ideen, aber<br />

genauso gut sind die auch drauf angewiesen, dass wir auch Ideenlieferant sind“ (Z. 103-110).<br />

Die Absprachen dienen auch dazu, um sicherzugehen, dass die eigenen Themen eine<br />

Chance haben, ins Blatt zu kommen.<br />

„So banal das klingt, aber es muss genügend Platz da sein, um das, was zwischen Afghanistan<br />

und Duisburg passiert, adäquat unterzubringen. Und da muss logischerweise eine Auslese<br />

stattfinden. Dann gewinnen die besten Themen. Man hat als Landeskorrespondent natürlich<br />

immer auch eine Brille auf, die einem den Blick ein bisschen vernebelt. Man denkt immer, hier<br />

ist der Nabel der Welt und in Berlin denken die ,nein, hier ist der Nabel der Welt‘ und andere<br />

denken, ,nein hier‘. Das muss letztlich in der Zentrale entschieden werden. Aber vor einem<br />

halben Jahr oder vor einem Jahr war die Berichterstattung aus Düsseldorf intensiver,<br />

umfangreicher“ (J4, Z. 85-99).<br />

Ein anderer, der das Spannungsfeld zwischen Seitenangebot und inhaltlicher<br />

Gewichtung der Nachrichtenlage ebenfalls kennt, relativiert die etwas pessimistische<br />

Einschätzung von J4:<br />

„Im Rahmen von Regionalisierung von <strong>Tage</strong>szeitungen kommt man, glaube ich, zunehmend<br />

dahin, dass man der Landespolitik einen größeren Stellenwert <strong>bei</strong>misst - weil sie eben ins<br />

Lokale reinwirkt. Anders als die Bundespolitik“ (J3, Z. 73-76).<br />

Es gibt aber auch diejenigen, die meinen, dass sich der Leser eher für die<br />

Bundespolitik als für die Landespolitik interessiere. „Wir legen großen Wert auf die<br />

Landesberichterstattung. Das ist nicht selbstverständlich, weil man nicht davon<br />

ausgehen kann, dass sich die meisten Leute für Landespolitik interessieren“ (J5, Z.<br />

86-88).<br />

Doch einmal im Jahr, wenn wieder Sommerloch ist, haben die Zeitungen<br />

Nachrichtenflaute. Die Politiker stellen sich darauf ein und wer nicht gerade im Urlaub<br />

weilt, hat genügend Zeit, mit Vorschlägen in die Presse zu kommen. J1 sagt<br />

sarkastisch:<br />

„Wenn Saure-Gurken-Zeit ist im Sommer, dann fressen die Redaktion den Kitt aus den<br />

Fensterrahmen. Worauf sich die Parteien eingestellt haben. Die machen im Sommer ein<br />

46


Pressefrühstück nach dem anderen und fahren Drei-B-Themen hoch, die dann aber auch<br />

genommen werden“ (Z. 118-126).<br />

3.2.1 Zwischenfazit<br />

Die Nachrichtenfaktoren sind von solcher Bedeutung für den Journalismus, dass sie<br />

auf jeder Ebene Relevanz besitzen. Im Lokalen wird objektiv nach den gleichen<br />

Kriterien entschieden, was eine Nachricht ist, wie auf Landesebene. Allenfalls das<br />

Nachrichtenangebot in Bezug auf die inhaltliche Qualität und die Quantität der<br />

Meldungen mag sich unterscheiden. Allerdings zeigen die Praxis<strong>bei</strong>spiele, dass die<br />

Heranziehung von Nachrichtenfaktoren alleine kaum ausreicht, um zu erklären, welche<br />

Landesthemen in der Zeitung Platz finden und welche nicht. Ein Faktor ist das<br />

Nachrichtengeschehen in der Welt. Ein anderer ist der Gesamtumfang der Zeitung.<br />

Das klingt zunächst nach einer technischen Prämisse, hat aber sehr wohl Einfluss auf<br />

die Nachrichtenauswahl. In Zeiten schwindender Anzeigen fahren viele Verlage die<br />

Seitenzahl herunter. Es bleibt also nicht mehr so viel Platz, um alle Themen adäquat<br />

unterzubringen. Und weil nicht alle Artikel zeitlos, sondern auch an Termine gebunden<br />

sind, finden solche allgemeineren Storys seltener einen Platz in der Zeitung. Diese<br />

Faktoren werden oft übersehen, wenn sich Leser oder auch Politiker beschweren,<br />

dass „nichts mehr in der Zeitung steht“. Grundsätzlich ist das Bemühen allerdings da,<br />

landespolitische Themen ausreichend zu berücksichtigen. Nach Aussage der<br />

Interviewten wird diesen, räumlich naheliegenderen, Artikeln auch häufiger den Vorzug<br />

gegeben vor Meldungen aus anderen Ländern, deren Schauplätze nicht unbedingt<br />

politisch relevant sind.<br />

3.3 Berichterstattung konkret: Zur Aufbereitung von Landesthemen<br />

ie Berichterstattung über Landesthemen ist nach Einschätzung der Journalisten<br />

vor Ort sehr viel sachlicher und damit inhaltsorientierter als die Artikel, die sich<br />

mit dem Geschehen in Berlin auseinandersetzen – mit einer Einschränkung: Sobald<br />

der Wahltermin naht, kommen auch die Korrespondenten nicht mehr umhin, von den<br />

parteipolitischen Scharmützeln zu berichten, die sie sonst <strong>bei</strong> ihrer Berichterstattung<br />

weitgehend auszuklammern versuchen. Die Parteien ar<strong>bei</strong>ten sich automatisch und<br />

fast schon reflexartig in den Debatten aneinander ab. Hin und wieder lassen sich<br />

parteipolitische Angriffe und sachliche Diskussion also nicht auseinanderhalten, wenn<br />

47


in einem Artikel eine Diskussion zusammengefasst werden soll. Ein Gesprächspartner<br />

vermutet, dass Berichterstattung über personelle Auseinandersetzungen nicht so gut<br />

funktioniert, da den meisten Lesern die Köpfe und Namen aus Düsseldorf nicht so<br />

geläufig sind wie das bundespolitische Spitzenpersonal. Ein anderer berichtet, dass<br />

sich weniger die Leser, sondern vielmehr die Politiker freuen, wenn etwas über den<br />

Zwist zwischen den Parteien in den Zeitungen steht. An einem Beispiel wird deutlich,<br />

wie schwierig es ist, die sachliche und persönliche Ebene auseinander zu halten:<br />

„Zum Beispiel so eine CO-Pipeline 12 , um mal ein Beispiel zu nennen, das ist ein Sachthema,<br />

ein gravierendes. Natürlich versuchen da die Parteien sich auch gegenseitig die Schuld in die<br />

Schuhe zu schieben. Ist das jetzt ein Sachthema, ist das Parteipolitik? Wir bemühen uns dann<br />

schon, gerade in so einem Fall, auch in der Sache die Leute zu informieren. Die Bürger, die<br />

haben ja wenig davon, wenn die sich fetzen, die Parteien, sondern die wollen wissen: ist die<br />

Pipeline sicher oder ist sie es nicht? Also <strong>bei</strong> solchen Fragen, würde ich sagen, muss eigentlich<br />

auch die Sachpolitik dominieren. Aber natürlich wird sie immer wieder begleitet von<br />

parteipolitischen Auseinandersetzungen“ (J5, Z. 54-64).<br />

Somit funktionieren also die von Meckel (2002) angeführten Muster – Vereinfachung,<br />

Personalisierung und Ereignisfixierung – kaum <strong>bei</strong> der Berichterstattung. Es müssen<br />

also andere Nachrichtenfaktoren und Kriterien sein, nach denen Themen ausgewählt<br />

werden.<br />

3.3.1 Das Regionalisieren von Themen und die Zusammenar<strong>bei</strong>t im<br />

redaktionellen Gefüge<br />

Lorenz Maroldt vertritt die These: „Das Lokale ist politisch“ und umgekehrt: „Das<br />

Politische ist lokal“ (Maroldt 2007: 45). Damit bezieht er sich auf die Auswirkungen auf<br />

die zahlreichen Gesetze, die zwar in Berlin verabschiedet werden, aber <strong>bei</strong> denen man<br />

vor Ort den Effekten nachgehen kann. Die Konsequenzen der Gesundheitsreform<br />

kann man <strong>bei</strong>spielsweise erahnen, wenn man für seinen Bericht die nächste Facharzt-<br />

Praxis aufsucht. Gleiches gilt für die Themen aus Düsseldorf. Für regionale<br />

<strong>Tage</strong>szeitungen sind Nachrichten und Ereignisse immer dann besonders relevant,<br />

12 Bei der erwähnten CO-Pipeline handelt es sich um ein Projekt der Firma Bayer. Zwischen Krefeld-Uerdingen<br />

und Dormagen soll Kohlenmonoxid unterirdisch geleitet werden. Die Landesregierung befürwortete das<br />

Vorhaben mit dem Argument, auf diese Weise, Ar<strong>bei</strong>tsplätze zu erhalten. Bei den Anwohnern und den<br />

Bürgermeistern ist das Projekt hingegen umstritten. Auch Bürgermeister CDU-geführter Kommunen protestieren<br />

deshalb in Düsseldorf gegen die Pläne.<br />

48


wenn Menschen und Städte aus ihrem Verbreitungsgebiet betroffen sind. Manchmal<br />

ist dies darin begründet, dass ein Projekt eine bestimmte Region NRWs betrifft, in<br />

anderen Fällen muss man so einen Bezug erst herleiten. Journalisten sprechen dann<br />

davon, dass sie das Thema aus Düsseldorf oder Berlin auf die lokale Ebene<br />

„herunterbrechen“. Da es <strong>bei</strong> allen Zeitungen, <strong>bei</strong> denen die Interviewten ar<strong>bei</strong>ten,<br />

auch noch lokale Redaktionen in den Städten gibt, stellt sich im Weiteren die Frage,<br />

wessen Aufgabe es ist, diese Themen aufzugreifen. Ob dies den lokalen Mitar<strong>bei</strong>tern<br />

überlassen oder von den Korrespondenten übernommen wird, hat etwas mit der<br />

Ar<strong>bei</strong>tsphilosophie, aber auch mit Ar<strong>bei</strong>tsbelastung zu tun. Alle haben Themen mit im<br />

Blick, die auf Landesebene zwar diskutiert werden, aber nicht für das gesamte Land<br />

von Relevanz sind. Die Mehrheit gibt, wenn sie etwas entdeckt, was in einer Stadt<br />

aufgegriffen werden könnte, einen Hinweis an die Kollegen vor Ort. Dann entstehen<br />

<strong>bei</strong>spielsweise Artikel, für die der Korrespondent die landesweite Sichtweise <strong>bei</strong>steuert<br />

und der Lokalredakteur hört sich um, welche Konsequenz die Entscheidung vor Ort<br />

hat (vgl. J4).<br />

„Wenn darüber geredet wird, dass an den Schulen Lehrer fehlen landesweit, dann gucken wir,<br />

welche Lehrer fehlen in Minden, welche fehlen in Warburg, welche fehlen in Höxter…“ (J3, Z.<br />

85-94).<br />

In seltenen Fällen funktioniert dies auch andersherum, dass ein Thema von lokaler<br />

Ebene die Landesebene erreicht. Der Wahlausgang in Dortmund und die<br />

nachfolgende Diskussion um die Haushaltslage und einen möglichen Wahlbetrug<br />

gehören dazu. So etwas greifen dann auch Zeitungen auf, die gar nicht in Dortmund<br />

erscheinen, aber diesen Vorgang für <strong>bei</strong>spiellos halten. Ein anderer Fall:<br />

„Wenn wir hier ein Thema haben, die Folgen des Solis und die finanziellen Lasten für die<br />

Deutsche Einheit - das kommt jetzt wieder hoch - dann haben wir natürlich dieses kommunale<br />

Thema hier liegen. Aber eigentlich aufgear<strong>bei</strong>tet wird es in den Lokalredaktionen. Und das<br />

überblicken die viel besser in Essen, in Bochum oder in Duisburg. Und das Zweite ist: Das<br />

natürlich schon Themen manchmal hier ankommen, wenn die Kommunen große Einbrüche<br />

haben <strong>bei</strong> den Gewerbesteuereinnahmen und das passiert im Grunde flächendeckend in NRW,<br />

dann landet das Thema natürlich irgendwann hier an und wird hier ein Thema in der<br />

Finanzpolitik“ (J9, Z. 109-121).<br />

49


3.3.2 Personalisierung<br />

n Zeiten komplexer werdender Sachverhalte suchen Journalisten nach<br />

Möglichkeiten, um Themen vereinfacht und für ihre Leser verständlich darzustellen.<br />

Da sie sich in der Landesberichterstattung, wie bereits skizziert, vor allem um die<br />

sachliche Darstellung bemühen, treten die Personen oftmals hinter den Nachrichten<br />

zurück. Dies hat zur Folge, dass das Stilmittel der Personalisierung, das in den<br />

vergangenen Jahren als Mittel der Politikberichterstattung zunehmend an Bedeutung<br />

gewonnen hat, mit Politikern auf Landesebene kaum funktioniert. „Je differenzierter<br />

und unüberschaubarer Politik wurde, desto mehr wuchs das Bedürfnis der Parteien<br />

und der Wähler, mit Hilfe des Fernsehens einzelne Personen als Symbole für<br />

Kompetenz, Integrität und Durchsetzungskraft eines politischen Konzepts<br />

herauszustellen und zu akzeptieren. (…) Uns schreibenden Journalisten blieb die<br />

Aufgabe, zu den Bildern spannende Geschichten zu erzählen“, klagt der langjährige<br />

Spiegel-Autor Jürgen Leinemann (2007: 57) über seine Tätigkeit in Berlin. Auf<br />

Landesebene aber ist es noch schwieriger, eine symbolische Figur zu finden, die den<br />

Menschen bekannt ist und über die man Themen vermitteln kann. In einer Umfrage<br />

haben die Bürger von Nordrhein-Westfalen den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers<br />

sogar mehrheitlich der SPD zugeordnet. Andere Minister sind indes über ihr<br />

Aufgabengebiet bekannt geworden, etwa weil das Thema Bildung in den Zeitungen<br />

und für die Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt. Justiz-Ministerin Roswitha Müller-<br />

Piepenkötter ist den Menschen spätestens seit den Ausbrüchen mehrerer Häftlinge<br />

und Justiz-Pannen verschiedener Staatsanwaltschaften ein Begriff. Auch der<br />

ehemalige Verkehrsminister Oliver Wittke hat es zu einer gewissen Prominenz<br />

gebracht, als er mit überhöhter Geschwindigkeit durchs Sauerland kurvte.<br />

„Das hat in den letzten Jahren immer stärker um sich gegriffen - dass viele Leser das Gefühl<br />

haben, dass sie sich erst dann für eine Geschichte erwärmen können, wenn sie die handelnden<br />

Akteure auch kennen. Das heißt, je prominenter dieser Akteur ist, desto eher kommt man auch<br />

in so eine Geschichte rein“, hat J4 beobachtet (Z. 123-133).<br />

Für seinen Kollegen J7 ist NRW-Schulministerin Barbara Sommer eine geeignete<br />

Kandidatin für personalisierte Artikel:<br />

„Barbara Sommer geht natürlich auch immer. Ich würde sagen, die hat einen hohen Kult-Faktor<br />

und von daher bietet sie sich an. (…) Sie ist nicht von Hause aus Politikerin, deshalb spricht sie<br />

anders als andere Politikerinnen und macht Sprüche, die sind häufig - das ist jetzt nicht<br />

50


despektierlich gemeint - ein bisschen hausbacken, um es nicht Hausfrauenart zu nennen. Und<br />

dadurch, dass sie nicht die typische Politikersprache wählt, ist sie, glaub ich, sehr <strong>bei</strong> den<br />

Menschen oder näher <strong>bei</strong> unseren Lesern und von daher glaube ich, dass sie eine interessante<br />

Figur ist - auch für Geschichten“ (Z. 98-107).<br />

Werden Themen anhand des Ministers erklärt, hat dies immer auch mit einem<br />

Glaubwürdigkeits-Check und der Authentizität des Spitzenpolitikers zu tun.<br />

Kommunikationswissenschaftliche Studien belegen, dass es nur zu sieben Prozent auf<br />

den Inhalt einer Aussage ankommt, aber Tonfall und Stimme zu 38 Prozent die<br />

Glaubwürdigkeit eines Statements beeinflussen. Die restlichen 55 Prozent werden<br />

durch Körperhaltung, Gang, Gestik und Mimik beeinflusst. In Zeiten, in denen sich<br />

Politiker auf die Belange der Medien einstellen und verstärkt auf symbolische Gesten<br />

und Bilder setzen, um ihre Politik zu erklären, versuchen Journalisten zu ergründen,<br />

wie glaubwürdig die Politiker tatsächlich sind. Jürgen Leinemann schlussfolgert:<br />

„Glaubwürdigkeit von Politik hängt also zunehmend davon ab, ob die Politiker ihre<br />

Inhalte durch Auftreten zu legitimieren vermögen. Sie bieten der Öffentlichkeit ein Bild<br />

von sich an – ist es durch ihr Leben gedeckt?“ ( Leinemann 2007: 57).<br />

Korrespondenten interessieren sich deshalb nicht nur für die sachliche Information,<br />

sondern versuchen auch etwas über den Menschen, der hinter dem Politiker steht,<br />

herauszufinden. Da<strong>bei</strong> helfen Small-Talk-Gespräche, wenn man sich auf dem Flur<br />

begegnet, ebenso wie Hintergrundkreise, die an späterer Stelle noch ausführlich<br />

beschrieben werden. J7 beschreibt, wie er einen Glaubwürdigkeits-Check ganz<br />

konkret durchführt:<br />

„Also wenn einer über christliche Ethik spricht, dann möchte ich schon wissen, wie er in der<br />

Kirche verdrahtet ist oder wenn einer über Schule redet, kennt er das nur theoretisch oder hat er<br />

Kinder, die selbst zur Schule gehen oder hat der eine Frau, die selbst Lehrerin ist? Das ist für<br />

eine Gesamtbeurteilung, woher kommen seine Einschätzungen, einfach wichtig. Ich habe<br />

letztens mit jemandem über Familienpolitik gesprochen, einer CDU-Sprecherin, die dann<br />

irgendwann sagte, sie sei Single. Das fand ich sehr bemerkenswert. Das habe ich dann auch in<br />

Klammern geschrieben, weil, das erwartet man eigentlich nicht, dass jemand, der<br />

Familienpolitik macht, Single ist. Das ist für so eine Beurteilung eigentlich ganz wichtig. Nicht,<br />

dass so jemand das nicht könnte, aber es ist eine interessante Randinformation, die man mal<br />

irgendwann nutzen kann“ (Z. 154-163).<br />

51


3.3.1 Zwischenfazit<br />

e differenzierter und unüberschaubarer Politik wurde, desto mehr wuchs das<br />

Bedürfnis der Parteien und der Wähler, mit Hilfe des Fernsehens einzelne<br />

Personen als Symbole für Kompetenz, Integrität und Durchsetzungskraft eines<br />

politischen Konzeptes herauszustellen und zu akzeptieren“ (Leinemann 2007: 57).<br />

Dies gelingt den Parteien auf Landesebene nur sehr selten. Außerdem ist die Präsenz<br />

der Fernsehanstalten, die dafür sorgen könnten, ein Thema mit einem Gesicht in<br />

Verbindung zu bringen, wesentlich überschaubarer als in Berlin. Meist ist der WDR vor<br />

Ort. Bei populären und wichtigen Themen ist hin und wieder ein Kamera-Team von<br />

RTL oder Sat.1 präsent. Hier dreht sich die Argumentation im Kreis: Für die Zeitungen<br />

sind die Namen und Köpfe uninteressant, weil die Leser die Politiker kaum kennen.<br />

Also können sie kaum Themen personalisiert aufbereiten. So kommt es, dass den<br />

Wählern und Lesern die Gesichter der Landespolitiker kaum bekannt sind.<br />

Schlussendlich gelingt es den Parteien nicht, Politiker aufzubauen, deren Namen mit<br />

einem bestimmten Thema verbunden wird. Man könnte aber auch argumentieren,<br />

dass das mediale Interesse an Landesthemen geringer ist als an Bundesthemen aus<br />

Berlin. Da die Personen und Themen nicht so häufig im Fernsehen vorkommen,<br />

erkennt man ihre Gesichter seltener. Wenn dies dazu führt, dass eher die Themen als<br />

die Personen im Mittelpunkt stehen und Wert auf eine inhaltliche Auseinandersetzung<br />

mit den Vorschlägen gelegt wird, muss dies für den Leser nicht zum Nachteil sein.<br />

Mit Blick auf die lokale und regionale Anbindung der Landesthemen spielen die<br />

internen redaktionellen Strukturen eine wichtige Rolle. So können sich Lokal-, Zentralund<br />

Außenredaktionen austauschen und die Themen mit verschiedenen Aspekten<br />

„anreichern“. Artikel aus der Landeshauptstadt stehen also nicht zwangsläufig im<br />

über<strong>regionalen</strong> Teil der Zeitungen, sondern können sich ebenso im Lokalen<br />

wiederfinden, wenn sie die Menschen direkt vor Ort betreffen. Als ein Beispiel wurde<br />

die CO-Pipeline genannt. Die Auseinandersetzung unter politischen und<br />

wirtschaftlichen Gesichtspunkten fand im über<strong>regionalen</strong> Teil statt, während im<br />

Duisburger Lokalteil vor allem von Bedeutung war, welche Auswirkungen die CO-<br />

Pipeline für die Anwohner haben wird. Auch als sich Protest formierte, wurde zunächst<br />

darüber auf örtlicher Ebene berichtet. Erst als die Demonstrationen stattliche Ausmaße<br />

annahmen, wurde dies auch wieder ein Thema auf Landesebene. Themenkarrieren<br />

sind so eng mit dem redaktionellen Gefüge der einzelnen Titel verknüpft.<br />

52


3.4. Der Ar<strong>bei</strong>tsalltag der Korrespondenten am Schauplatz Düsseldorf<br />

r<strong>bei</strong>tsplatz Redaktionsbüro Düsseldorf. Alle warten auf den Donnerstag. Von<br />

Aufregung kann keine Rede sein, dafür kennen die Korrespondenten das<br />

Geschäft zu gut und gehen routiniert an die Sache heran. Aber der Donnerstag ist<br />

entscheidend, um die Ar<strong>bei</strong>t in der kommenden Woche zu planen: Denn dann<br />

veröffentlicht die Landespressekonferenz die Übersicht mit den Terminen. Auf dem<br />

Plan ist vermerkt, welche Minister zu Pressekonferenzen kommen und welche<br />

Gesprächsangebote es gibt. Im Grunde gilt – der Politikbetrieb gibt die <strong>Tage</strong>sordnung<br />

vor. Die journalistische Ar<strong>bei</strong>tswoche richtet sich danach, ob Ausschüsse tagen, im<br />

Plenum Debatten stattfinden, das Kabinett tagt oder die einzelnen Fraktionen<br />

zusammenkommen. Ein Blick auf die gemeinsame Ar<strong>bei</strong>tsebene zwischen Politikern<br />

und Journalisten.<br />

Der Reihe nach: Montags laufen in den Redaktionen die Drähte heißt. Dienstag tagt<br />

nämlich das Kabinett und die Journalisten versuchen über Personen, zu denen sie<br />

über die Jahre ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben und die ihnen nun als<br />

Informanten dienen, herauszufinden, welche Themen in der Sitzung besprochen<br />

werden könnten. Gleiches gilt für die Fraktionssitzungen, die ebenfalls am Dienstag<br />

stattfinden. Wenn hier Positionspapiere zur Diskussion gestellt werden, bekommen sie<br />

diese manchmal über die Kontakte zugespielt. Ein weiteres Instrument, um an<br />

Informationen zu kommen ist es, morgens <strong>bei</strong> den Pressesprechern der Fraktionen<br />

vor<strong>bei</strong>zuschauen und nachzufragen, ob es etwas Neues gibt. Die Wege sind kurz, die<br />

meisten kennen sich schon viele Jahre. Von der schreibenden Zunft wird man deshalb<br />

kaum einmal jemanden vor dem Sitzungssaal warten sehen.<br />

„Seitdem es Handys gibt, ist das Lungern vor den Sälen nicht immer besonders ertragreich. Das<br />

ist eher etwas für Leute, die Bilder haben müssen, elektronische Medien“ (J8, Z. 87-92).<br />

Außerdem würden die <strong>Tage</strong>sordnungen Wochen vor den Terminen im Internet stehen,<br />

so dass sich jeder informieren kann, worüber beraten wird. Zu der Ar<strong>bei</strong>t auf<br />

Landesebene gehört übrigens auch der Besuch einzelner Ausschusssitzungen.<br />

Anders als auf Bundesebene sind diese öffentlich, so dass von den Sitzungen<br />

berichtet werden kann. Wer vorher etwas wissen will, telefoniert und klopft ab, in<br />

welche Richtungen Diskussionen verlaufen könnten.<br />

53


Wenn das Plenum mittwochs oder donnerstags tagt, so lautet die Absprache, finden<br />

keine weiteren Pressekonferenzen statt, damit sich die Journalisten auf die Debatten<br />

in diesem Gremium konzentrieren können. Anhand einer konkreten Beschreibung von<br />

J9, wird die Ar<strong>bei</strong>tsaufteilung deutlich:<br />

„Wir haben morgen die Haushaltseinbringung, das ist eine sechsstündige Debatte.<br />

Finanzminister Linssen bringt seinen Haushalt ein für 2010 und dann gibt es hinterher die so<br />

genannte Elefantenrunde. Das heißt, die Fraktionsvorsitzenden reden und die werden natürlich<br />

vor der Bundestagswahl aufeinander eindreschen, das ist klar. Dann wird morgen diese<br />

Rumänienäußerung von Rüttgers eine Rolle spielen. Übermorgen ist eine aktuelle Stunde zu<br />

dieser Geschichte zum Thema ,Lasten der deutschen Einheit’, diese finanzielle Belastung der<br />

Kommunen. Und es gibt einen Antrag der SPD, die Neuerung <strong>bei</strong> der Kommunalwahl wieder<br />

zu korrigieren. Also die Stichwahl <strong>bei</strong> den Bürgermeistern wieder einzuführen. Und am Freitag<br />

gibt's eine aktuelle Stunde zu den Vorgängen in Dortmund, wo plötzlich nach der Wahl ein<br />

Haushaltsloch von riesiger Größe aufgetaucht ist. Also es gibt jeden Tag was zu schreiben. Es<br />

gibt aber auch Plenarwochen, wo es nichts zu schreiben gibt. Dann reden die, die<br />

parlamentarische Maschinerie läuft weiter, aber es ist nichts von Interesse da oder es ist längst<br />

alles abgear<strong>bei</strong>tet, weil es vorher schon in Ausschüssen oder im Kabinett war und auf<br />

Pressekonferenzen thematisiert wurde“ (Z. 182-187).<br />

J7 nennt eine weitere Anforderung an Journalisten, die so in keiner<br />

Stellenbeschreibung für Korrespondenten stehen würde: Neben dem Abar<strong>bei</strong>ten von<br />

Terminen gehört Kontaktpflege dazu.<br />

„So eine Plenumswoche besteht zu 50 Prozent daraus, die Debatten im Blick zu haben und zu<br />

den anderen 50 Prozent einfach die Zeit zu nutzen, dass fast alle hier sind. Die Abgeordneten<br />

sind ja viel unterwegs. An manchen <strong>Tage</strong>n verfolge ich keine Debatten, dann machen das<br />

Kollegen, dann mach ich eben nur Kontaktpflege. (…) Ausschusswochen können sehr<br />

termingeprägt sein. Wenn Termine sind, die in meine Ressorts reinpassen, sind das aber auch<br />

gleichzeitig wieder Hochzeiten der Kontaktpflege, weil dann einfach viel mehr Politiker hier<br />

sind. Von daher unterscheiden sich Ausschusswochen und Plenarwochen eigentlich nicht so<br />

sehr. Wenn hier quasi keine Sitzungen sind, läuft eben 85 Prozent der Ar<strong>bei</strong>t über telefonieren,<br />

Verabredungen treffen. Irgendwie über Leute an Infos zu kommen“ (Z. 183-194).<br />

Die These, dass sich die Ar<strong>bei</strong>tsweisen der Korrespondenten nicht von der politischen<br />

Farbenlehre abhängen und sich nach dem Wechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb<br />

strukturell nichts geändert hat, wird nur eingeschränkt von den Befragten bestätigt. Es<br />

54


gibt zwei organisatorische Neuerungen: Teilweise werden von der amtierenden<br />

Landesregierung Pressekonferenzen nach Kabinettssitzungen abgehalten. Die<br />

Überlegung, dies zu einem stets wiederkehrenden Termin zu machen, wurde aber<br />

verworfen. Außerdem führt Jürgen Rüttgers als Ministerpräsident den „Rüttgers Club“,<br />

einen Hintergrundkreis, fort. Dieser kommt in Plenarwochen an den Montagen<br />

zusammen. Eine gravierender Faktor sind allerdings die verschobenen Möglichkeiten<br />

des Zugangs zu den handelnden politischen Akteuren.<br />

„Weil natürlich die Zugänge zu unterschiedlichen Parteien unterschiedlich sind. Je nachdem,<br />

wie ein Zeitungstitel oder man selbst politisch disponiert ist, ist natürlich schon ein<br />

Unterschied, ob ich eine Regierung hab, in der Rot-Grün regiert oder Schwarz-Gelb. Dann<br />

eröffnen sich andere Zugänge oder verschließt sich die eine oder andere Tür eher. Ich glaube<br />

aber, <strong>bei</strong> der Überschaubarkeit der Szene, dass alle Kollegen Zugänge haben können, wenn sie<br />

vernünftig ar<strong>bei</strong>ten. Dann kann man an alles rankommen“ (J2, Z. 228-234).<br />

J9 widerspricht und spitzt die Aussage mit den unterschiedlichen Zugängen sogar<br />

noch zu:<br />

„Was in der ersten Phase der schwarz-gelben Regierung hier sehr ausgeprägt war, dass<br />

Journalisten hier vorzugsweise bedient worden und versorgt worden sind mit Informationen,<br />

von denen man glaubte, dass sie eher der Landesregierung wohlwollend gegenüberstehen. Das<br />

ist auch bis heute so geblieben, allerdings nicht mehr so krass wie es war. Ansonsten haben sich<br />

die Grundlagen und Strukturen meiner Ar<strong>bei</strong>t, was die Regierungsseite und Oppositionsseite<br />

angeht, nicht verändert“ (Z. 79-88).<br />

Politische Lager auf Seiten der Journalisten gebe es nun nicht mehr, wie J1 weiß:<br />

„Es gab Rot-Schreiber und Schwarz-Schreiber. Und die Rot-Schreiber wurden von einer<br />

reichlich macht-arroganten SPD bevorzugt. Und diese Lagerbildung ist durch den<br />

Regierungswechsel aufgebrochen worden. Das heißt, die, die früher bevorzugt worden, sind es<br />

jetzt nicht mehr. Und diese Regierung kommt nicht ganz so großmäulig und breit<strong>bei</strong>nig daher<br />

wie die SPD-Regierung“ (Z. 361-374).<br />

Ein anderer Unterschied bezieht sich laut J1 auf die Wahrnehmung und Außenwirkung<br />

der Regierung, die durch die Darstellung der Journalisten in ihren jeweiligen Zeitungen<br />

gestützt wurde und wird:<br />

55


„Es haben sich zwei Dinge verändert: Rot-Grün hat das Problem gehabt, dass Rot-Grün eine<br />

Krisenkoalition war. Zehn Jahre, zwei Legislaturperioden. Bei Rot-Grün wurde in der<br />

Hauptsache nicht über Sachpolitik berichtet, geredet, sondern in erster Linie immer über die<br />

Frage: Bricht die Koalition oder bricht sie nicht? Schwarz-Gelb ist eine wohlerzogene,<br />

bürgerliche Koalition, die eigentlich nach außen hin, bis auf ein paar Pannen, zumindest mit<br />

einer geölten PR-Maschine ar<strong>bei</strong>tet“ (ebd.).<br />

3.5 Formale und informelle Recherchemethoden der Korrespondenten<br />

n ihrer Studie zur informellen politischen Kommunikationskultur greift Christiane<br />

Lesmeister (2008) das Arenenmodell zur politischen Kommunikation von Sarcinelli<br />

(2005) auf und erklärt anhand des Kontinuums von Formalität und Informalität, welche<br />

Varianten es <strong>bei</strong> der Kommunikation zwischen Politikern und Journalisten gibt. Die<br />

Abstufung erfolgt nach dem Grad der Öffentlichkeit beziehungsweise der Transparenz<br />

der Kommunikation zwischen <strong>bei</strong>den Akteuren. Mit Blick auf die Frage nach der<br />

politischen Kommunikation zwischen Journalisten in Düsseldorf lässt sich sagen: Als<br />

öffentlich und institutionalisiert kann die Landespressekonferenz oder die<br />

Pressekonferenzen der Parteien bezeichnet werden. Eine Form der Kommunikation,<br />

die zwar öffentlich, aber nicht institutionalisiert ist, sind die Interviews, die Journalisten<br />

führen. Bei Fernsehinterviews wird das Gespräch eins zu eins vermittelt. Im Fall der<br />

Zeitungsjournalisten ist die Öffentlichkeit zwar nicht unmittelbar Zeuge des Gesprächs,<br />

durch den Abdruck wird es aber öffentlich gemacht. Teilweise öffentlich, aber nicht<br />

institutionalisiert sind Einzelanfragen oder Einzelgespräche, wie sie auf Fluren im<br />

Landtag stattfinden oder telefonisch geführt werden. Öffentlich meint, dass die Zitate<br />

verwendet werden dürfen. Anders ist es <strong>bei</strong> Hintergrundkreisen – sie sind<br />

56


institutionalisiert, richten sich aber nur an bestimmte Politiker und Journalisten. Was<br />

hier besprochen wird, sollte gar nicht an die Öffentlichkeit oder fließt nur indirekt als<br />

Idee oder Auftakt zu einer ausführlichen Recherche in die Berichterstattung ein. Den<br />

größten Grad der Informalität weisen Einzelgespräche auf, die in Ministerien,<br />

Parteizentralen, aber auch im privaten Rahmen zwischen Politikern und Journalisten<br />

geführt werden. Sie sind informell und nicht institutionalisiert. Wie aber schon das<br />

Beispiel zeigt, das im Zusammenhang mit der Landespressekonferenz angeführt<br />

wurde, sind die Kommunikationsformen zwischen Formalität und Informalität teilweise<br />

fließend. In den nachfolgenden Unterpunkten schätzen die befragten Korrespondenten<br />

ein, welche Recherchemethoden den höchsten Informations-Output für die<br />

Berichterstattung haben. Außerdem erhellen sie mit ihren Aussagen das Prozedere<br />

der Recherche im Hintergrund, erklären, wer an formalisierten Hintergrundkreisen<br />

teilnehmen darf, wie eine derartige Sitzung abläuft und was konkret vom Rüttgers-<br />

Club, dem Hintergrund-Angebot des Ministerpräsidenten, zu halten ist.<br />

3.5.1 Recherche auf der Vorderbühne: Die Pressekonferenzen<br />

ressekonferenzen gehören neben Pressemitteilungen zum Standard-Repertoire,<br />

wie Politiker oder Minister die Journalisten informieren können. Sie gehören zum<br />

offiziellen Recherche-Instrumentarienkasten auf der Vorderbühne. Die Informationen<br />

werden öffentlich gegeben. Teilweise ist das Prozedere, wie eine solche<br />

Pressekonferenz abläuft, auch für Bürger nachvollziehbar, wenn <strong>bei</strong>spielsweise<br />

Fernsehteams Ausschnitte übertragen. In Düsseldorf sind die Politiker Gäste der<br />

Landespressekonferenz und stellen hier die Themen vor, die sie vermitteln möchten.<br />

Als Möglichkeit zur Recherche spielen sie aber eher eine untergeordnete Rolle und<br />

sind für die Korrespondenten nicht sonderlich attraktiv, denn alles, was in diesem<br />

Rahmen vermeldet wird, haben die Konkurrenten auch auf dem Block stehen. Diese<br />

Informationen sind also nichts, womit man sich abheben kann. Nur drei der neun<br />

Befragten sagen, dass sie Pressekonferenzen, eigenes Nachfragen <strong>bei</strong> Sprechern<br />

oder Hintergrundkreise als Informationsquelle gleichbedeutend sind. Alle anderen<br />

stufen ab und nennen die Pressekonferenzen als schwächstes Instrument zur<br />

Information.<br />

„Ich würd’ Pressekonferenzen als Angebot sehen. Schon das Wichtigere ist, wie man die<br />

Geschichte rund bekommt (durch Stellungnahme anderer Parteien, Studien dazuholt) das die<br />

Geschichte nicht abhängig ist von dem einen, der sich gerade äußert. Am nächsten Tag kommt<br />

57


dann jemand anders, der sich dazu äußert. Wenn man das dann wie ein Ping-Pong-Spiel<br />

hintereinander setzt, nützt das dem Leser natürlich überhaupt nicht. Man sollte eher darum<br />

bemüht sein, diesen einen Termin als Anlass zu sehen, die Geschichte von vorneherein als rund<br />

anzubieten“ (J4, 281-288).<br />

J2 sagt:<br />

„Das Reizvollere an dem Job ist sicherlich die Eigenrecherche abseits der Pressekonferenzen“<br />

(192-195).<br />

Ein anderer Aspekt ist nämlich, dass, wer <strong>bei</strong> einer Pressekonferenz Fragen stellt,<br />

auch den Konkurrenten in die Hände spielt. Die Informationen, die in Folge kritischen<br />

Nachhakens gegeben werden, können auch alle anderen notieren und für ihren Artikel<br />

verwerten. Da sparen sich viele lieber die Nachfrage und klären dies im persönlichen<br />

Gespräch.<br />

3.5.2 Auf der Hinterbühne: Informelle Recherchemethoden<br />

58


m Bereich der informellen Kommunikation gibt es verschiedene Formalitäts- und<br />

Intensitätslevel, in denen die Zusammenkünfte zwischen Politikern und Journalisten<br />

verlaufen. Die Formalitätsebenen sind vergleichbar mit verschiedenen<br />

Vertraulichkeitsstufen.<br />

Auf der untersten Ebene auf Lesmeisters Informalitätsskala befinden sich die<br />

Hintergrundkreise. Da<strong>bei</strong> handelt es sich also um die noch am stärksten<br />

institutionalisierte Form im Hintergrund. Sie werden sowohl von Politikern als auch von<br />

Journalisten initiiert, unterscheiden sich dann aber in der Größe des Kreises. Laden<br />

Politiker ein, ist die Runde tendenziell größer als wenn Journalisten „Hintergrund<br />

machen“ wollen. Dies liegt, vermutet Lesmeister, an der Tatsache, dass die Politiker<br />

möglichst viele Berichterstatter mit einem Treffen erreichen wollen. Während <strong>bei</strong> den<br />

größeren Kreisen, ein Beispiel ist der Rüttgers-Club in Düsseldorf, kaum<br />

Zugangsbeschränkungen herrschen, wird <strong>bei</strong> den kleineren Zirkeln genau ausgewählt.<br />

Seriosität, Vertrauen, aber auch die Sicherheit, ähnliche Standpunkte zu vertreten,<br />

können Journalisten bewegen, sich mit einigen Kollegen zusammen zu tun und<br />

Politiker zu sich einzuladen und sich somit auf die zweite Stufe von Lesmeisters<br />

Informalitäts-Spektrum zu begeben. Je weniger Ohren zuhören, desto offener reagiert<br />

der Politiker auf die Fragen, so die Hoffnung der Schreiber. Offizielle Einladungen gibt<br />

es zu solchen Treffen nicht, schließlich soll niemand „Wind“ von der Sache<br />

bekommen. Dies wäre wiederum kontraproduktiv.<br />

Wesentlich informeller und exklusiver sind die Einzelgespräche, auch<br />

Hintergrundgespräche genannt. Die können am Rande von Veranstaltungen eins zu<br />

eins geführt werden. Manchmal telefonieren die Akteure aber auch miteinander, um<br />

Informationen auszutauschen. Sie sollen die gewünschten exklusiven Zugänge zu<br />

Themen bringen, mit denen sich die Journalisten der einzelnen Titel voneinander<br />

abheben wollen. Hier<strong>bei</strong> handelt es sich um die von Lesmeister gekennzeichneten<br />

„intendierten Vier-Augen-Gespräche“.<br />

Bevor die theoretische Einordnung Lesmeisters anhand der Aussagen der befragten<br />

NRW-Korrespondenten in diesem Kapitel überprüft und einem Praxistest unterzogen<br />

wird, müssen allgemeine Vorbemerkungen zum Thema „Vertrauensar<strong>bei</strong>t“ zwischen<br />

den Akteuren gemacht werden. Sie bildet schließlich die Grundlage für eine<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t auf der Hinterbühne. Nur wer sich gut kennt und sich vertraut, wird<br />

auch an vertrauliche Informationen kommen.<br />

59


3.5.2.1 Netzwerken als Bestandteil informeller Kommunikation<br />

andeskorrespondenten sind Netzwerker. Jeder Journalist hat ein prall gefülltes<br />

Telefonbuch mit Kontakten. Neben Politikern sind darin auch Personen aus der<br />

zweiten Reihe vermerkt, die zwar nicht direkt am politischen Prozess beteiligt sind,<br />

aber an Schlüsselpositionen der Macht sitzen. Gemeint sind damit Büroleiter,<br />

Sprecher, Sekretärinnen, die ein unschätzbares Wissen besitzen und einem als<br />

Türöffner zu den Politikern aus der ersten Reihe dienen können. Sie geben den<br />

Journalisten <strong>bei</strong>spielsweise Tipps, wie und wann man den Minister am besten<br />

erreichen kann, beraten aber auch ihre Dienstherren in Bezug auf ihr<br />

Kommunikationsmanagement. <strong>Korte</strong> (2003: 23) nennt diese Personengruppe<br />

„Machtmakler“.<br />

Da die Szene in Düsseldorf überschaubar ist, ist der Draht in die Ministerien oder zu<br />

den Politikern kurz. Sachliche Nachfragen, aber auch erste Kontakte zur Recherche<br />

kommen schnell zustande. Wer neu ist, so geben die Korrespondenten an, brauche<br />

nur wenige Wochen, bis er in Düsseldorf „ar<strong>bei</strong>tsfähig“ sei und sich ein ausreichendes<br />

Netzwerk aufgebaut hat. Ein anderer gibt zu bedenken:<br />

„Netzwerken hört nie auf“ (J5, Z. 193-201).<br />

Rund 50 Prozent der Ar<strong>bei</strong>t als Korrespondent besteht nur aus der Berichterstattung<br />

über Debatten und Pressekonferenzen, den Rest verbringen die Journalisten mit<br />

Kontaktpflege (vgl. J7, Z. 183-194). So würden die Berichterstatter überhaupt erst in<br />

die Lage versetzt, den berühmten richtigen Riecher für Storys zu entwickeln. Dank der<br />

Kontakte bekomme man auch den einen oder anderen Hinweis, dem man nachgehen<br />

könne. Diese Recherchemöglichkeit fällt, gemessen an Lesmeisters Kontinuum, in den<br />

informellen und nicht-institutionalisierten Bereich. Legt man Hoffmanns Bühnenmodell<br />

zugrunde, spielt sich das Geschehen eindeutig auf der Hinterbühne ab.<br />

Wer in dieser Nähe-Distanz-Grauzone bestehen will, muss Vertrauen zu den Politikern<br />

und seinen Informanten aufbauen. Distanz behindert oder schadet gar in diesem<br />

Zusammenhang. J4 erklärt, wie er das Vertrauen der politischen Akteure gewinnen<br />

konnte:<br />

60


„Das Vertrauen baut sich über die ganz normale Häufigkeit auf, dass man sich ständig<br />

begegnet. Aber auch darüber, dass <strong>bei</strong>de Seiten das Gefühl bekommen, dass man ehrlich<br />

miteinander umgeht“ (Z. 349-360).<br />

Man fülle zwar unterschiedliche Rollen aus und Politiker müssten auch ertragen, dass<br />

man ihre Ideen negativ kommentiert.<br />

„Wichtig ist, dass der auf der anderen Seite aber das Gefühl hat, dass der Journalist fair mit ihm<br />

umgegangen ist“ (ebd.).<br />

Aber auch Interesse an dem Menschen zu zeigen und nicht nur den Profi-Politiker in<br />

dem Abgeordneten zu sehen, kann helfen. Einige merken sich deshalb sämtliche<br />

Fußballvereine von Spitzenpolitikern, andere das Lieblingsurlaubsziel, über das man<br />

unverfänglich plaudern kann.<br />

„Das ist ein bisschen wie <strong>bei</strong>m Flirten. Man geht auf die Leute zu, man verwickelt sie in<br />

Gespräche, man fragt nach persönlichen Dingen, um eine wärmende Atmosphäre zu schaffen<br />

und man pflegt die Beziehungen, in dem man anruft, mal ne E-Mail schickt, auch mal eine<br />

SMS und man verabredet sich auch zum Kaffee, klar“, plaudert J7 aus dem journalistischen<br />

Handwerkskästchen (J7, Z. 139-142).<br />

Da es sich <strong>bei</strong> der Kontaktpflege nicht um eine Einbahnstraße handele, gingen die<br />

Politiker recht schnell auf die Journalisten zu. So lernen sie sich kennen und testen, ob<br />

man mit dem Neuen zusammenar<strong>bei</strong>ten kann. Von so einem Test berichtet noch<br />

einmal J7:<br />

„Da heißt es dann, ,gib’ dem mal ‘ne Exklusivgeschichte, mal gucken, was der draus macht.‘<br />

Leute wollen ja auch über Journalisten etwas setzen. Das meine ich ja mit Geben und Nehmen.<br />

Da ist dann ein Neuer, der wird dann halt getestet, bin ich mit dem ,zufrieden‘, kann man mit<br />

dem ar<strong>bei</strong>ten? Von daher sind die Leute sehr schnell auf mich zugekommen“ (Z. 264-267).<br />

3.5.2.2 Hintergrundkreise<br />

intergrundkreise sind die am meisten mit Mythen behaftete Form des Zusammen<br />

Dieses Bild wird teilweise von Politikern und Journalisten dahingehend befördert,<br />

da diese Sitzungen geheim sind. Meist wird sogar verschwiegen, wo sich die<br />

61


Teilnehmer treffen und wer sich zum Teilnehmerkreis zählen kann. In den<br />

Politikwissenschaften ist es zudem die Kommunikationsform zwischen Politikern und<br />

Journalisten, die besonders kritisch gesehen wird, da die geforderte Distanz<br />

aufgehoben wird und sich die Journalisten mit den Politikern an einen Tisch begeben.<br />

Sie tangieren den institutionalisierten informellen Bereich, wo<strong>bei</strong> selbst die<br />

Rahmenbedingungen, um die Kreise als „institutionalisiert“ zu bezeichnen, im Dunkeln<br />

bleiben sollen. Im Einzelnen geht es in diesem Unterpunkt einmal um die allgemeine<br />

Einschätzung des Recherche-Instruments „Hintergrundkreis“, im Speziellen aber um<br />

den „Rüttgers Club“, zu dem der Ministerpräsident in Sitzungswochen einlädt.<br />

Aus dem Berliner Geschäft sind Hintergrundkreise bekannt. Sie haben so klangvolle<br />

Namen wie „Gelbe Karte“, „Rotes Tuch“ oder „Vino Rosso“ und werden meist in<br />

Zusammenhang mit bestimmten Lokalen genannt. In Düsseldorf werden nur zwei<br />

Runden offen benannt. Die von Rüttgers und der „Kraft“-Raum der gleichnamigen<br />

Oppositionsführerin Hannelore Kraft. Was das Ziel dieser Kreise ist, wird im NDR-<br />

Medienmagazin „Zapp“ in der Sendung vom 1. März 2006 deutlich. In einem Beitrag<br />

äußert sich Dagmar Seitzer, Sprecherin der Runde „Das Rote Tuch”: „Wir handeln<br />

geheime Dinge ab. Und zwar: Wir wollen Politik verstehen und das muss ein<br />

Zuschauer oder Zuhörer oder Leser nicht erfahren. Sondern er muss dann nur<br />

verstehen, was wir sagen.“ Dieses Ansinnen aus Berlin ist auf die Düsseldorfer<br />

Verhältnisse übertragbar. Aus journalistischer Sicht mag dieses Anliegen vielleicht<br />

verständlich sein, aber aus demokratietheoretischer Sicht sollte man sich die gleichen<br />

Fragen stellen, die auch Lesmeister (2008) zu ihrer Analyse zur informellen<br />

Kommunikation bewogen haben: Ist es richtig, dass Journalisten einen so exklusiven<br />

Zugang zur Politik haben? Und sollte den Leser wirklich nur interessieren, was dem<br />

Berichterstatter plausibel gemacht werden soll. Hat er nicht etwa ein Recht darauf, zu<br />

erfahren, welche Absprachen getroffen werden und von welcher Seite Artikel<br />

möglicherweise lanciert werden?<br />

In Bezug auf Düsseldorf spielen die Befragten die Relevanz solcher Kreise allerdings<br />

herunter und begründen das etwa mit der Nähe, die in der NRW-Landeshauptstadt<br />

ohnehin größer sei als im unübersichtlichen Berlin. J4 führt aus:<br />

„Hintergrundkreise bringen weniger als man glaubt und viel weniger als man sich meistens<br />

erhofft. Natürlich wissen die Politiker viel mehr als sie auch in so einem Hintergrundgespräch<br />

preis geben. Sie suggerieren uns meistens Hintergrund, aber im Prinzip ist das in 99,9 Prozent<br />

der Fälle nicht so“ (Z. 294-308).<br />

62


Er erklärt das damit, dass die Größe der Runden nicht dazu führe, dass sich die<br />

Politiker hundertprozentig darauf verlassen könnten, dass nichts ausgeplaudert wird.<br />

„Das hat einfach mit der Größe dieser Clubs und Hintergrundrunden zu tun. Und da habe ich<br />

Verständnis für, weil man als Politiker häufig, aber nicht immer, nicht sicher sein kann - und<br />

die Erfahrung spricht auch definitiv dagegen, dass das, was besprochen wird, auch in diesem<br />

Raum bleibt“ (ebd.).<br />

Auch J5 erwartet nicht zu viel:<br />

„Hintergrundkreise haben sich platt geschliffen, weil, sagen wir mal so, wir sind hier noch ein<br />

relativ kleiner Verein. Es gab immer wieder solche kleinen Kreise, die dann Politiker einladen.<br />

Aber ich halte da ehrlich gesagt nicht allzu viel von, da sind die Politiker auch oft nicht so frei,<br />

dass die da wirklich das sagen, was sie denken. Das ist dann eben auch ein<br />

Vertrauensverhältnis, wenn ein Politiker weiß, der missbraucht das nicht, da kann man dann<br />

eigentlich auch mehr im bilateralen Verfahren herauskriegen“ (Z. 213-220).<br />

J8 macht den skizzierten Unterschied zwischen Hintergrundkreisen, die von Politikern<br />

ins Leben gerufen wurden und solchen, die von den Schreibern selbst initiiert wurden,<br />

deutlich:<br />

„Der Unterschied ist im Anspruch der Journalisten auf die Information. Wenn ich von einem<br />

Ministerium eingeladen werde, dann wollen die Leute was verkaufen. Wenn ich einen Minister<br />

einlade oder einen Fraktionsvorsitzenden, will ich von dem etwas wissen. Das ist schon ein<br />

großer Unterschied“ (Z. 132-136).<br />

Dass es den Rüttgers-Club gibt, daraus wird in Düsseldorf kein Geheimnis gemacht.<br />

Einmal im Monat, in der Regel montags, werden die Medienvertreter, die <strong>bei</strong> der LPK<br />

akkreditiert sind, vom Ministerpräsidenten zum Gespräch eingeladen. Geschätzt, so<br />

viel kann man wohl zusammenfassend vorwegnehmen, wird das Angebot nicht<br />

sonderlich. J7 schildert seine Erfahrungen anhand eines Beispiels:<br />

„Echte Hintergrundgespräche sind die, wo man den Block zur Seite legt und wirklich offen<br />

redet. Ich kenne nur Hintergrundgespräche hier, die sehr nah an dem sind, was auch in<br />

Pressekonferenzen besprochen wird. Sprich: Rüttgers traut sich <strong>bei</strong>spielsweise überhaupt nicht,<br />

einen Satz zu sagen, mit dem er nicht zitiert werden möchte. Hintergrundgespräche mit<br />

63


Rüttgers gibt es praktisch nicht. Frau Kraft ist da besser. Die sagt schon mal ein bisschen was,<br />

aber auch nur in sehr beschränktem Maße. (…) Gestern Abend war wieder ein so genannter<br />

Hintergrundkreis. Warum der Rüttgers das nicht macht, das hat natürlich auch immer mit der<br />

Persönlichkeitsstruktur zu tun. Ich glaube, dass er einfach ein sehr ängstlicher Mensch ist. Ob<br />

er da schlechte Erfahrungen gemacht hat, weiß ich nicht. Ich erleb’ das so, dass er panische<br />

Angst hat, dass aus dem Hintergrundkreis mal ein Satz herauskommen könnte und dann kann<br />

man eigentlich gar keine Hintergrundgespräche machen. Es ist einfach ein Risiko. (…) Ich bin<br />

gestern nach fünf Minuten gegangen, weil er nicht bereit war über diese Rumänen-Geschichte<br />

zu sprechen und da hab ich gesagt, dass, wenn das hier ein Hintergrundkreis ist, wir<br />

selbstverständlich über dieses Thema reden müssen. Und dann war er nicht bereit dazu, dann<br />

bin ich gegangen“ (Z. 216-247).<br />

Auch die LPK hat sich schon einmal eingeschaltet, um mit Ministerpräsident Rüttgers<br />

den Sinn solcher Hintergrundkreise zu erörtern. Geändert hat sich danach nichts. So<br />

findet jeder Korrespondent seine eigenen Formen, mit diesem Angebot umzugehen.<br />

Die meisten schauen weiterhin vor<strong>bei</strong>, um <strong>bei</strong> dem obersten Repräsentant des Landes<br />

das Gesicht zu zeigen – und weil sie die Hoffnung haben, doch einmal etwas zu<br />

erfahren. J5 verdeutlicht:<br />

„Wenn ich Rüttgers fragen würde, wie ist sein Verhältnis zur Merkel, wird der offiziell sagen:<br />

,Exzellent, wir ergänzen uns ganz prima.’ Wenn die Mikrofone aus sind, würd’ er vielleicht<br />

sagen, ,der kann man nicht über den Weg trauen’. Das kann ich natürlich so nicht schreiben. Ich<br />

weiß auch nicht, ob er das so sagen würde, aber ich vermute mal, dass würde so oder so ähnlich<br />

klingen. Es ist total wichtig, wenn man das weiß und dann im Kommentar schreiben kann,<br />

,Rüttgers, der möglicherweise nicht das volle Vertrauen der Kanzlerin entgegenbringt’ oder ,der<br />

möglicherweise skeptisch ist’. Dann kann man sich mal so einen Schlenker erlauben und weiß,<br />

dass man damit im Grunde genommen ganz richtig liegt. Also das ist total wichtig“ (Z. 246-<br />

254).<br />

J6 und einige seiner Kollegen haben indes reagiert – und ihren eigenen<br />

Hintergrundkreis gegründet. Offizielle Einladungsschreiben gibt es nicht. Wie man dort<br />

also Mitglied wird?<br />

„Ich denke mal, a) durch die Art und Weise, wie ich schreibe, und b) durch persönliche<br />

Connections“ (Z. 160-161).<br />

J9, Mitglied einer anderen Runde, beschreibt:<br />

64


„Einer hat die Idee und guckt Kollegen aus. Das ist natürlich auch politisch gewichtet und wenn<br />

der glaubt, dass die ähnlich ticken, bilden die einen Kreis und laden dann Leute ein“ (Z. 280-<br />

282).<br />

Getagt wird in unregelmäßigen Abständen, immer wenn sich ein wichtiges Thema<br />

ankündigt. Da<strong>bei</strong>, so J8, seien ihm die Hintergrund-Fakten wichtiger als die<br />

Persönlichkeit der Politiker genauer kennen zu lernen:<br />

„Es geht um Fakten, nicht um Persönlichkeiten von Politikern. Die kennen wir alle“ (Z. 147-<br />

151).<br />

3.5.2.3 Hintergrundgespräche<br />

or dem Hintergrund dieses persönlichen und informellen Austausches lässt sich<br />

besser verstehen, in welchem Rahmen das Recherche-Instrument „persönliches<br />

Nachfragen“, das mit „Hintergrundgesprächen“ gleichgesetzt werden kann, eingesetzt<br />

wird. Wem der Hintergrundkreis noch zu groß ist und wer durch sein Nachfragen <strong>bei</strong><br />

offiziellen Pressekonferenzen der Konkurrenz keine Steilvorlage zur Recherche liefern<br />

möchte, bevorzugt diesen persönlichen Rahmen zur Recherche. J2 verdeutlicht:<br />

„Persönliche Nachfragen sind natürlich die, von denen man am meisten zehren kann. Da<br />

bestimmt dann auch Frage und Antwort das Geschäft, während man <strong>bei</strong> Pressekonferenzen<br />

doch sehr viel vom Speisezettel 13 des Anbieters aufnimmt“ (192-195).<br />

J5 untermauert die Ansicht:<br />

„Also diese persönlichen Gespräche, das ist es eigentlich. Und zwar egal mit wem. Sie können<br />

ja auch ein Vier-Augen-Gespräch mit einem Pressesprecher einer Fraktion machen, der sagt,<br />

,pass mal auf, da und da war das noch und da ist das beschlossen worden’. Man kann das mit<br />

Politikern machen oder mit Leuten von draußen, Gewerkschaftern. Also das steht ganz oben on<br />

top“ (224-233).<br />

13 Speisezettel meint in diesem Zusammenhang die Pressemitteilungen, die den Journalisten <strong>bei</strong> den<br />

Pressekonferenzen an die Hand gegeben werden und in denen die wichtigsten Aussagen des<br />

Gesprächspartners noch einmal zusammengefasst werden.<br />

65


3.5.2.4 Ganz nah dran: Auf Pressereise mit Spitzenpolitikern<br />

ei Pressereisen wird die informelle Kommunikation in gewisser Weise auf die<br />

Spitze getrieben. Ein Tross von Journalisten begleitet <strong>bei</strong>spielsweise den<br />

Ministerpräsidenten nach China oder Washington. Bekannt gegeben werden die<br />

Reisen über die LPK, die Staatskanzlei sucht die Berichterstatter, die mitreisen, nicht<br />

direkt aus. Sind Rüttgers und die Berichterstatter unterwegs, sind sie tagtäglich<br />

zusammen, frühstücken, fahren zu Terminen, trinken abends gemeinsam ein Bier. Für<br />

den Zeitraum der Reise wird die Distanz zwischen den Akteuren komplett aufgegeben.<br />

Wie viel Informations-Output <strong>bei</strong> so einer Reise für die Korrespondenten <strong>bei</strong><br />

<strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen herauskommt, dürfte fraglich sein, schließlich muss man<br />

sich erst einen konkreten Aufhänger für die Geschichten aus China suchen.<br />

„Aus politischer Sicht bringen solche Auslandsreisen etwas. Politiker können sagen: ,Schaut her, wir<br />

kümmern uns drum. Solche Reisen sind für Rüttgers ein innenpolitisches Instrument. Wenn er<br />

Mittelständler in China besucht, will er zeigen, dass ihm der Mittelstand wichtig ist“, erklärt J1. 14<br />

Reisen sollen Bilder den daheimgebliebenen Wählern also Bilder liefern. Dies schließe eine<br />

Inszenierung auf der Reise mit ein. Gut sei aus journalistischer Sicht, wenn es Ergebnisse<br />

gebe, etwa Abkommen, die zwischen den Delegationen geschlossen wurden. Auch Wortlaut-<br />

Interviews böten sich an, wenn sie Hintergründe der Reise beleuchten.<br />

„Man muss die Reise von Punkt zu Punkt durchdeklinieren, damit man sie verwerten kann. Wenn<br />

Bergbauunternehmer in der Delegation sind, betrachtet man den Bergbau in China. Wahrscheinlich<br />

ginge das auch ohne den Ministerpräsidenten, aber vielleicht wäre das nicht so einfach. Es geht<br />

vielfach um die Wechselwirkung von Politik und Wirtschaft. Wir haben mal Solar World in Los<br />

Angeles besucht. Die Firma hat ihren Sitz in NRW. Und wenn ihr Auslandsengagement dazu führt,<br />

dass Ar<strong>bei</strong>tsplätze in Deutschland gestützt werden, dann ist das ein Thema für uns“, führt J1 weiter<br />

aus.<br />

Da die Verlage die Kosten der Reise tragen, was im Sinne einer unabhängigen<br />

Berichterstattung auch geboten ist, leisten sich nur die größeren Blätter den Aufwand, einen<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter für mehrere <strong>Tage</strong> in die Welt zu schicken. Die, die da<strong>bei</strong> sind, profitieren nicht nur<br />

von den Storys, die sie ihren Zeitungen anbieten, sondern auch langfristig:<br />

14 Die Frage nach den gemeinsamen Reisen hat sich erst im Anschluss an die Interviewreihe ergeben und wurde<br />

telefonisch mit den Journalisten, die schon einmal auf Pressereise mit dem Ministerpräsidenten waren, geklärt.<br />

Die Antworten wurden mündlich gegeben, wurden aber nicht in die bereits vorliegende Transkription<br />

eingear<strong>bei</strong>tet und sind deshalb auch nicht mit Zeilenzahlen belegt.<br />

66


„Was journalistisch da<strong>bei</strong> herauskommt, ist fraglich. Aber so ein gemeinsamer Ausflug dient<br />

auch dazu, Kontakte zu pflegen und sein Telefonbuch mit wichtigen Nummern und Kontakten<br />

zu füllen. Das kann manchmal sehr hilfreich sein“, erklärt J7.<br />

Und wer erst einmal gemeinsam in China oder Washington war und sich so kennen<br />

gelernt, bekommt unter Umständen schneller ein Statement in aktueller Sache.<br />

3.5.3 Zwischenfazit<br />

estzuhalten bleibt, dass man nur einen kleinen Teil der politischen<br />

Kommunikation zwischen Journalisten und Politikern öffentlich wahrnehmen<br />

kann. Die Kontakte auf der Vorderbühne reichen oft nicht aus, um sich ein genaues<br />

Bild von den Ar<strong>bei</strong>tsweisen zu machen. Die Motive, warum Journalisten und Politiker<br />

sich auf der Hinterbühne verabreden und sich in die Informalität zurückziehen, sind<br />

unterschiedlich. Politiker sind daran interessiert, ihre Sach- und<br />

Personalentscheidungen zu begründen und die Einzelentscheidung in eine langfristige<br />

Strategie einzubetten. Diese können Journalisten aber nicht immer überschauen, da<br />

sie viele hintergründige Fakten, die zu Entscheidungen führen, nicht kennen. Da sie in<br />

der Position sind, die Vorschläge zu bewerten und Öffentlichkeit herzustellen, kann<br />

das Urteil über die Gesetze vernichtend ausfallen. Es ist also im Interesse der<br />

Politiker, den Journalisten mehr Informationen an die Hand zu geben. Da diese jedoch<br />

oft nicht in aller Öffentlichkeit geäußert werden dürfen, gibt es diese Kreise.<br />

Umgekehrt ist es für Journalisten ein Ärgernis, wenn solche „Hintergrundkreise“<br />

angeboten werden, aber dann nicht viel Hintergründiges verlautbart wird. Aus diesem<br />

Grund haben zahlreiche Düsseldorfer Korrespondenten das Heft des Handelns selbst<br />

in die Hand genommen und eigene Runden gegründet. Daraus leiten sie, wenn sie<br />

selbst einladen, einen Anspruch auf vertrauliche Antworten ab.<br />

Dass sich auf diese Weise die normativ erwartete Distanz nicht einhalten lässt, wird in<br />

Kauf genommen und im nachfolgenden Punkt 3.6 „Die Gretchenfrage: Der schmale<br />

Grat zwischen Nähe und Distanz“ sowohl von der Autorin, aber auch von den<br />

Befragten, kritisch diskutiert.<br />

67


3.6 Die Gretchen-Frage: Der schmale Grat zwischen Nähe und Distanz<br />

bwohl der informelle Interaktionsraum zwischen den Akteuren bisher kaum<br />

empirisch ausgeleuchtet wurde, gibt es von Seiten der Wissenschaft, aber auch<br />

von selbstkritischen Journalisten, Kritik an dem Widerspruch zwischen der erwarteten<br />

und aus demokratietheoretischer Sicht gebotenen Distanz und der engen<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t in der Realität. Ein Forschungsprojekt des Instituts für<br />

Politikwissenschaften der Universität Koblenz-Landau, hat die Beziehung zwischen<br />

<strong>bei</strong>den Gruppen erforscht. Das Projekt trug den Titel „Politische Inszenierung als<br />

symbiotische Interaktion“. Ein Teil der Ergebnisse wird von Sarcinelli (2005)<br />

aufgegriffen: Journalisten bewerten die Fragen nach der Schwierigkeit zwischen Nähe<br />

und Distanz selbstkritischer. Journalisten sehen sich, auch wenn die Realität oft<br />

anders aussieht, der Objektivitätsnorm verpflichtet. Politiker kennen dieses Problem<br />

nicht, da für sie Objektivität keine Rolle <strong>bei</strong>m Handeln spielen muss (Sarcinelli 2005:<br />

78). Weiter kommt Sarcinelli zu dem Schluss: „Normativ und empirisch bleibt das<br />

Verhältnis von Diskretion und Publizität schon allein deshalb prekär, weil der Schutz<br />

von Herrschaftswissen durch den Rückzug in diskrete Räume immer auch ein<br />

Machtinstrument darstellt“ (2005: 81).<br />

In der praktischen Ar<strong>bei</strong>t in Düsseldorf schließt sich an die Frage nach Nähe und<br />

Distanz nahezu automatisch die Frage an, inwieweit sich Journalisten von Politikern<br />

und ihren informellen Aussagen instrumentalisieren lassen. Einige nutzen die<br />

Möglichkeit nämlich, um Themen „durchzustechen“ und in die Welt zu setzen. Wie<br />

Journalisten mit diesen Avancen umgehen, hängt vom Ar<strong>bei</strong>ts-Ethos ab, ob sie sich<br />

<strong>bei</strong>spielsweise gerne im Schatten der Macht sonnen oder diesen Informations-<br />

Angeboten im Sinne der Unabhängigkeit und Neutralität widerstehen. J1 berichtet:<br />

„Die andere Frage ist ja, dass dir im Sinne eines Intimus etwas gesteckt wird und damit das<br />

Maul gestopft werden soll. Das kann einmal passieren, man kommt einmal in eine solche<br />

Situation und sagt dann, ,das akzeptier’ ich nicht, ich werde mich kein zweites Mal in so eine<br />

Situation bringen.‘ Wie das <strong>bei</strong> wem wie wirkt und wer sich wo drauf einlässt, das weiß ich<br />

nicht. Aber es ist ein, manchmal, gern gesehenes Mittel. Man muss das nicht mitmachen. Ich<br />

sag mal so: Journalisten sind ja eitel. Journalisten stehen gerne im Schatten der Macht. Viele<br />

glauben, sie könnten etwas bewirken. Viele glauben, sie könnten Politik machen. Viele<br />

glauben, dass sie auf diese Art und Weise an der Macht teilhaben. Viele fühlen sich<br />

geschmeichelt. Und diese Wirkweisen kommen da zusammen. Und wenn Du Kandidaten hast,<br />

die besonders anfällig sind für sowas, dann hast du die schon in der Tasche“ (J1, Z. 333-344).<br />

68


J3 macht Gebrauch von solchen Informationen, die ihm im Hintergrund gegeben<br />

werden:<br />

„Wenn einer einem was steckt und das dann wichtig und interessant ist, dann verbreitet man es.<br />

Also das ist mir schon ziemlich theoretisch, dass einem Informationen irgendwie zugespielt<br />

werden, bloß um andere zu ärgern. (…) Und dass man mal eine Exklusivinformation erhält,<br />

vielleicht, um einen gewogen zu stimmen oder um eine Freundlichkeit zu erweisen, das sind<br />

dann häufig auch Themen, die nun nicht wirklich im öffentlichen Mittelpunkt stehen“ (Z.316-<br />

329).<br />

Geboten sei es natürlich, danach die ganz normale Recherche aufzunehmen und die<br />

Fakten zu überprüfen. Die Landespolitiker, die ihre Pressear<strong>bei</strong>t professionell<br />

betreiben, wüssten dies, ist J4 überzeugt:<br />

„Der Politiker weiß aber, wenn er einigermaßen <strong>bei</strong> Trost ist, und das sind hier alle, dass mich<br />

das nie und nimmer abhalten würde, auch entgegengesetzte Meinungen einzuholen oder in<br />

einem Kommentar das Ganze zu verurteilen. So naiv ist keiner, dass er uns einfach etwas<br />

zusteckt und das ungeprüft und unwidersprochen publiziert wird. So einfach geht das nicht. Die<br />

wissen, wie wir hier ticken. Die wissen, auf welcher Klaviatur wir spielen. Die wissen, dass wir<br />

Schlagzeilen, auch was Provokantes brauchen. Und die wissen auch, dass in dem Moment,<br />

wenn wir uns von ihnen verabschieden, <strong>bei</strong> der Konkurrenz auf der Matte stehen. Weil es<br />

einfach journalistisch geboten ist. Das hat weniger mit Sympathie zu tun. Das ist<br />

Ar<strong>bei</strong>tspflicht“ (Z. 383-396).<br />

Vorgekommen sind diese Versuche von Seiten der Politiker durchaus, Journalisten mit<br />

Informationen zu ködern und sie gewogen zu stimmen:<br />

„Ich kann so Fälle nicht ausschließen, dass der Versuch gemacht worden ist, sozusagen jeden<br />

Mann für wohlgefällige Berichterstattung zu belohnen. Das beklagen wir mitunter auch, dass<br />

zum Teil Informationen der Staatskanzlei zeitweise sehr einseitig verteilt wurden. Das schafft<br />

Unmut – nach dem Motto, die kriegen ja sowieso alles, warum sitzen die nicht mit am<br />

Kabinettstisch? Aber das war zum Teil sehr plump gemacht worden und fällt auf und hat sich,<br />

meines Wissens, wieder gelegt. Andererseits: Wenn Sie eine Kabinettsvorlage kriegen, spuckt<br />

keiner drauf, die wird natürlich genommen. Aber, damit macht man sich als Journalist, finde<br />

ich, nicht abhängig. Es sei denn, Sie unterdrücken etwas oder stimmen Ihre Berichterstattung<br />

69


künftig so ab, dass Sie bloß nicht dem Ministerpräsidenten oder der Opposition oder der SPD<br />

weh tun, dann wäre das auch journalistisch nicht sauber“ (J5, Z. 263-278).<br />

Dies würde aber von politischer und journalistischer Seite sanktioniert, ebenso, wenn<br />

etwas falsch dargestellt ist. Da der Kreis derer, die vor Ort ar<strong>bei</strong>ten, überschaubar ist,<br />

fällt falsche Berichterstattung oder anderes Fehlverhalten schneller auf. Die Kontrolle<br />

sowohl unter den Journalisten als auch von Politikern und Journalisten ist größer:<br />

„Dann haben Sie hier in Düsseldorf, weil es eben so wenige sind im Vergleich zu Berlin, einen<br />

furchtbar schweren Stand. Wenn man wüsste, ,ach Gott, der schreibt ja sowieso nur die<br />

Waschzettel der SPD ab, in der Hoffnung, die nächste Informationen zu bekommen‘. Das kann<br />

man nicht machen“ (ebd.).<br />

J7 ist sich der Instrumentalisierung durchaus bewusst, sieht darin aber kein Problem:<br />

„Der Politiker will mit seinen Botschaften in die Welt und wir sind die Transporteure. Und der<br />

hat ein Interesse daran, dass seine Sachen besonders gut in seinem Sinne transportiert werden.<br />

Wieso muss man sich davor schützen? Ich muss natürlich aufpassen, dass er mir keinen Unsinn<br />

verkauft, das ist eine Mischung aus Erfahrung und Gegenchecken natürlich. Man bekommt ein<br />

Gefühl dafür, kann die Geschichte stimmig sein oder nicht. Natürlich gibt es auch die<br />

Selbstverantwortung des Politikers, wenn er mir was sagt, kann ich das auch transportieren,<br />

solange ich deutlich mache, das ist alleine auf dem Mist des Politikers gewachsen. Aber<br />

natürlich checke ich Sachen gegen und geh’ dann gegebenenfalls nochmal auf ihn zu, wenn er<br />

mir Dinge erzählt, die einfach nicht der Wahrheit entsprechen“ (J7, 277-283).<br />

Eine Methode, um die Distanz zu halten, ist es, mit den Vertraulichkeiten nicht zu<br />

übertreiben und schon in der Anrede deutlich zu machen, dass die Distanz gewahrt<br />

bleibt:<br />

„Ich duz‘ mich mit keinem Politiker. Ich kenn‘ Kollegen, die tun das, das finde ich nicht gut.<br />

Ich bin in keiner Partei, das ist auch ganz wichtig, wie ich finde. Manchmal wollen die einen<br />

natürlich vor ihren Karren spannen, aber wenn man ein paar Jahre hier ist, dann weiß man auch,<br />

was da jetzt hintersteckt. Das sind aber auch oft Informationen, die man braucht. Das muss man<br />

manchmal von Fall zu Fall entscheiden…“ (J6, 250-255).<br />

Da es offensichtlich schwer fällt, <strong>bei</strong> den täglichen Begegnungen die Distanz zu<br />

wahren, hat sich ein Teil der Kritik- und Kontrollfunktion ins Internet verlagert.<br />

70


Journalisten, die sich von der Landesregierung gegängelt fühlen, haben sich ein Ventil<br />

im Web geschaffen, um kritisch zu berichten. Auf der Seite www.wir-in-nrw-blog.de<br />

schreiben sie seit Dezember 2009 - ehrenamtlich und honorarfrei - unter<br />

Pseudonymen wie Theobald Tiger oder Kaspar Hauser über die Landespolitik.<br />

Frontmann der etwas anderen Seite für Politikberichterstattung ist Alfons Pieper. Er<br />

hat lange Zeit für die WAZ über Politik geschrieben, zuletzt als stellvertretender<br />

Chefredakteur, war allerdings nie in Düsseldorf stationiert. Er ist der Einzige, der mit<br />

Name und Foto identifizierbar ist. In einem Interview, das Denis Kluge für das „DJV<br />

Journal“ (Ausgabe 01/10: 21) mit ihm führte, erklärt er, was ihn zur Einrichtung des<br />

Blogs bewogen hat: „Ich habe den Eindruck, dass in den Medien in Nordrhein-<br />

Westfalen vieles extrem weichgespült wird und es keine kritische Berichterstattung,<br />

vor allem über die Landesregierung, mehr gibt.“ Dass seine fünf Mitstreiter ihre Artikel<br />

nicht mit ihrem Autorenamen zeichnen, sondern unter Pseudonymen schreiben, hält<br />

der Journalist im Ruhrstand für geboten, da sie „anderswo in Lohn und Brot stehen.“<br />

Alle verfügen offenbar über die nötigen Kontakte, um einen Blick auf die Themen zu<br />

werfen. „Wir wollen Dinge enthüllen, die vielleicht sonst nicht an die Öffentlichkeit<br />

gelangen“, kündigt Pieper an. Den Anfang machten sie mit einer Personaldebatte, die<br />

in der Berichterstatter-Szene rund um die LPK für einigen Wirbel gesorgt hat. Das<br />

Nachrichtenmagazin „Focus“ hat nämlich im Dezember 2009 seinen Korrespondenten<br />

<strong>Karl</strong>-Heinz Steinkühler abgezogen. „In der Düsseldorfer Landespressekonferenz<br />

kursieren Spekulationen, Rüttgers habe <strong>bei</strong> Markwort darauf gedrängt, den<br />

unbequemen Focus-Büoleiter noch vor dem Beginn des NRW-Landtagswahlkampfes<br />

zu entlassen“, schreibt Denis Kluge in seinem Artikel „Der lange Arm der Macht?“<br />

(DJV-Journal 01/10: 20). Vorangegangen war der Abberufung ein bekannt gewordener<br />

Briefwechsel zwischen der WAZ, dem NRW-Regierungssprecher Hans-Dieter Wichter<br />

und dem Focus. Steinkühlers kritischer Beitrag über das Sanierungskonzept der WAZ-<br />

Mediengruppe habe „zu erheblichen Irritationen geführt“, soll Wichter gegenüber dem<br />

Focus geklagt haben, wie Kluge in seinem Artikel schreibt. Weiterhin zitiert er aus dem<br />

Briefwechsel: „Diese Irritationen haben auch Auswirkungen auf mich und die<br />

Landesregierung“. Von der WAZ sei gegenüber der Landesregierung „kritisch<br />

angemerkt“ worden, dass die Landesregierung auch Anzeigen im Focus schalte und<br />

das Blatt somit unterstütze. „Vielleicht gelingt es ihnen“, soll Wichter laut DJV-Journal<br />

an Focus-Chefredakteur Markwort geschrieben haben, „die entstandenen Irritationen<br />

auszuräumen.“<br />

Ob es sich <strong>bei</strong> diesem Vorfall, der in dem Blog und im DJV-Journal skizziert wird, um<br />

eine wahre Begebenheit handelt oder diese Zusammenhänge nur eine Verkettung von<br />

71


Zufällen darstellen, die in einem Anflug journalistischer Paranoia konstruiert wurden,<br />

lässt sich für Leser und Wähler freilich nicht nachprüfen. Zumal dem Leser auch die<br />

Information vorenthalten wird, dass WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz früher einmal<br />

<strong>bei</strong>m Focus gear<strong>bei</strong>tet hat und es sich <strong>bei</strong> dem Autor des kritischen Artikels um einen<br />

ehemaligen Ar<strong>bei</strong>tskollegen von Reitz handelt. Merkwürdig mutet der Vorgang in<br />

jedem Fall an. Im Sinne der Kritik- und Kontrollfunktion der Medien erfüllt der Blog eine<br />

wichtige Funktion. Fraglich ist nur, ob die Reichweite so einer spezialisierten<br />

Internetseite ausreicht, um diese Funktionen komplett auszufüllen. Da zu den Lesern<br />

aber eine Reihe anderer Journalisten und auch Politiker gehören, könnte dies zum so<br />

genannten Spill-Over-Effekt führen, so dass Themen, die im Internet kursieren und<br />

durch kontroverse Diskussionen eine Relevanz erreicht haben, auch einen Platz in<br />

den Zeitungen finden.<br />

Pieper und die anderen pochen auf ihre Unabhängigkeit. So weist Blogger Pieper<br />

Mutmaßungen aus dem Regierungslager zurück, dass die SPD hinter dieser Seite<br />

stecke. „ Wir werden die Ar<strong>bei</strong>t aller Parteien in Nordrhein-Westfalen kritisch unter die<br />

Lupe nehmen“ (DJV Journal 01/10: 21).<br />

4. Zum Vergleich: Unterschiede zwischen Düsseldorf und<br />

Berlin<br />

In Kapitel drei erzählen die Befragten ausführlich von ihrem Ar<strong>bei</strong>tsalltag, ihren<br />

Erfahrungen im Umgang mit Politikern, es wurden organisatorische und persönliche<br />

Faktoren, die für die Berichterstattung über Landesthemen eine Rolle spielen, erörtert.<br />

So viel ist sicher: Ein Vergleich mit der Situation in Berlin ist schwierig. Dennoch<br />

werden in diesem Kapitel einige wenige Parameter herausgegriffen, <strong>bei</strong>spielsweise<br />

das Tempo der Nachrichtenentwicklung oder die Frage nach der Kollegialität unter den<br />

Korrespondenten und nicht zuletzt noch einmal die Frage nach Nähe und Distanz, um<br />

die Spezifika für Düsseldorf herauszuar<strong>bei</strong>ten. Da für diese Ar<strong>bei</strong>t keine Interviews mit<br />

Berliner Korrespondenten geführt wurden, werden die Antworten der Düsseldorfer<br />

Berichterstatter mit der vorliegenden Literatur abgeglichen, die sich der Frage nach<br />

der Zusammenar<strong>bei</strong>t von Politikern und Journalisten in Berlin widmet.<br />

72


4.1 Tempo, Tempo: Nachrichten im Geschwindigkeitsrausch<br />

s rast die Zeit, wir rasen mit: (…) Stündliche Nachrichten. Viele Privat-, mehrere<br />

Informationssender. Google. Online-Journalismus. Politiker unter<br />

Dauerbeobachtung. Politische Kommunikation über Massenmedien, aber ohne<br />

Medienmacher, via Fernsehen oder iPod direkt in die Wohnzimmer. Auflösung der<br />

Zonen, in denen Informationen professionell, also von uns Journalisten, verwertet und<br />

bewertet werden können, bevor sie die Bürger erreichen. Und vor allem: Kein Ort<br />

mehr, nirgends, der die Bürger zur gemeinsamen politischen Information versammelt.<br />

Früher hat die Fernsehnation zusammen Tatort gesehen und das Länderspiel und die<br />

<strong>Tage</strong>sschau. Heute muss die Politik, und politische Journalisten nicht anders als die<br />

Politiker, um ihren Platz in der Wahrnehmung der Bürger kämpfen. Es ist ein Kampf<br />

um die härteste Währung in der Mediengesellschaft: der um Attention, um<br />

Aufmerksamkeit“ (Bruns 2007c: 10). Während Radio- und Fernsehjournalisten schon<br />

immer unter Echtzeit-Bedingungen gear<strong>bei</strong>tet haben, mussten sich<br />

<strong>Tage</strong>szeitungsjournalisten erst an das geänderte Tempo gewöhnen. Wie bereits<br />

erwähnt, sei man früher in der Schlusskonferenz, kurz bevor die Seiten in den Druck<br />

gegangen sind, die wichtigsten Themen durchgegangen. Wenn die Nachrichten der<br />

<strong>Tage</strong>sschau sich auf der Titelseite fanden, habe man einen guten Job gemacht. Heute<br />

sind viele Verlage und Journalisten dazu übergegangen, eine Nachricht des<br />

journalistischen Sujets zunächst ins Internet zu stellen und einen ausführlichen Text in<br />

der Printausgabe zu platzieren. Die Frage ist nun, ob sich das erhöhte Tempo auch<br />

auf die Ar<strong>bei</strong>t in Düsseldorf niederschlägt oder ob diese Nachrichten, weil sie auf der<br />

politischen Hierarchie-Ebene weiter unten angesiedelt sind, nicht so sehr dem<br />

Zeitdruck unterliegen. Die Befragten vergleichen den Düsseldorfer Schauplatz<br />

automatisch mit dem Schauplatz Berlin.<br />

Obwohl alle Journalisten der Meinung sind, dass die Szene in Berlin wesentlicher<br />

aufgeregter agiert, können auch sie bestätigen, dass Nachrichten manchmal nur eine<br />

kurze Halbwertszeit haben und Meldungen, die morgens auf dem Markt der<br />

Informationen heiß gehandelt werden, es abends noch nicht einmal mehr ins Blatt<br />

schaffen, weil Themen eine andere Wendung nehmen oder noch wichtigere Themen<br />

aufgetaucht sind, denen der Vorzug gegeben wurde.<br />

„Im Zweifelsfall haben wir eine Halbwertszeit von ein, zwei Stunden“, berichtet J1 (Z. 93-100).<br />

J2 bestätigt:<br />

73


„Da ich <strong>bei</strong>de Seiten ein bisschen kenne, würde ich sagen, es ist viel Aufgeregtheit und es ist<br />

viel Skandalisierung, es ist viel Hektik im Spiel“ (Z. 119-120).<br />

Verantwortlich seien dafür Politiker wie auch Journalisten gleichermaßen, wo<strong>bei</strong>,<br />

bezogen auf Berlin, zwei Drittel der Befragten überzeugt sind, dass die Berliner Hektik<br />

vor allem mit der höheren Zahl der akkreditierten Journalisten in der Bundeshauptstadt<br />

in Zusammenhang steht:<br />

„Das wird von dem einen befeuert und von uns häufig adaptiert. Auch noch beschleunigt. Das<br />

ist tägliches Geschäft. Es gibt ja auch Konkurrenzgeschäft. Und die bessere Nachricht schlägt<br />

die schlechtere. Das führt leider häufig dazu, dass man in vielen Berichten eben eine gewisse<br />

Anspitzung hat, damit die Nachricht zu verkaufen ist. Weil man konkurriert eben in den<br />

meisten Zeitungen auch mit Berlin und den Weltnachrichten. Und wenn Sie dann in den<br />

meisten Zeitungen stattfinden wollen, dann ist es manchmal schon so, dass es leichter ist, wenn<br />

die Nachricht etwas angespitzt ist“ (J2, Z. 123-130). „Insgesamt ist die gesamte Zeitungs-<br />

/Medienriege in Berlin eine ganze Portion aufgeregter als hier, mehr einem gewissen Hype<br />

unterworfen. Das hat einfach mit der Masse zu tun, die da ar<strong>bei</strong>tet. Während das hier, was die<br />

Journalistenriege betrifft, ein eher überschaubarer, familiärer Kreis ist, der sich immer wieder<br />

sieht und trifft, ob man will oder nicht. Wo dann auch viel Austausch da ist. Und wo dann oft<br />

auch ein Austausch in dem Sinne da ist. Ich will nicht sagen, dass man sich abspricht, aber<br />

bespricht in dem Sinne, ,mein Gott, ist doch alles nicht so heiß wie es aussieht, das kochen wir<br />

jetzt mal ein bisschen runter, fertig aus’. Das kann man in einem Kreis von geschätzten 20<br />

eher“, erläutert J4 (Z.164-176).<br />

Nichtsdestotrotz müssen auch Düsseldorfer Korrespondenten manchmal damit leben,<br />

dass in letzter Minute eine Geschichte platzt, weil sich die Nachrichtenlage verändert<br />

hat und sie ihren Artikel umschreiben müssen. J9 nennt ein Beispiel:<br />

„Nachrichten entwickeln sich weiter, die bleiben ja nicht so in Stein gemeißelt, wie sie morgens<br />

auf den Markt kommen. Da können Sie auch das Rumänen<strong>bei</strong>spiel nehmen. Dann wird bekannt<br />

am Freitagmittag, dass Rüttgers diese Reden gehalten hat, in denen er Rumänen beleidigt. Das<br />

ist eine Nachricht, die den ganzen Tag läuft. Dann kommen Stellungnahmen dazu. Dann greift<br />

ihn die Opposition an. Dann kann man die Nachrichten selbst anreichern, wie wir das gemacht<br />

haben, indem man die Deutsch-Rumänische Gesellschaft anruft und eine Stellungnahme holt<br />

<strong>bei</strong> denen. So verändern sich die Nachrichten. Und dann fahr’ ich mit der S-Bahn abends um<br />

sieben Uhr nach Hause und dann ruft mich einer im Zug an und sagt mir, Herr Rüttgers hat sich<br />

74


eben entschuldigt. Dann sitz’ ich da in der S-Bahn am Handy und schreib gerade fernmündlich<br />

meinen Kommentar um. Das war natürlich blöd, aber muss gehen“ (Z. 227-243).<br />

Dass Nachrichten in Berlin manchmal nicht den gleichen Bestand haben wie in<br />

Düsseldorf hänge aber auch von den Journalisten ab, die Meldungen als Nachrichten<br />

einstufen oder nicht, geben drei Korrespondenten selbstkritisch zu.<br />

„Ich mein’, dass die ganze Geschichte in Berlin ein bisschen unseriöser ist, dass wissen wir<br />

alle. Leider Gottes ist es auch so, dass das damit zu tun hat, dass viele Journalisten da<br />

mittlerweile am Start sind, die von ihrem Job nichts verstehen und die sich nicht mehr an<br />

Spielregeln halten“ (ebd).<br />

J8 unterstreicht dies:<br />

„Das liegt einfach in der Natur der Sache der Hauptstadt, dass dort viele Nachrichten produziert<br />

werden, die <strong>bei</strong> genauem Hinsehen eigentlich gar keine sind. Und dass das Personal dort auch<br />

nicht besonders qualifiziert ist. Es sind viele elektronische Medien, die da gerade mal einen<br />

Mikrofonhalter anstellen, also keine eigene Recherche betreiben und einfach nur übernehmen.<br />

Insofern denke ich, dass der Bestand der Nachricht in Düsseldorf eine größere Halbwertszeit<br />

hat als in Berlin“ (Z. 75-83).<br />

4.2 Zum Verhältnis der Journalisten untereinander<br />

erlinde Koebl (2001) hat den Begriff „Die Meute“ geprägt und damit lässt sich<br />

nicht nur beschreiben, wie Journalisten auf Nachrichten lauern und zu<br />

Wegelagerern von Politikern werden, wie Helmut Kohl sie einmal genannt hat. Auch<br />

innerhalb der unübersichtlichen Medienbranche in Berlin hat sich eine Hierarchie<br />

gebildet. Die Konkurrenz ist groß, jeder will eine exklusive Story. Getrickst wird<br />

deshalb auch unter den Journalisten selbst. So ein Gebaren wäre in Düsseldorf<br />

undenkbar und würde sofort negativ auffallen <strong>bei</strong> der überschaubaren Zahl der<br />

Berichterstatter. Zwischen den Terminen und Pressekonferenzen treffen sich die<br />

Korrespondenten in der Presselobby im Landtag. Hat einer keine Zeit oder kommt zu<br />

spät, bringt ein anderer ihm die Unterlagen mit. Gegessen wird gemeinsam in der<br />

Kantine. Inhaltlich lassen sie sich natürlich nicht in die Karten schauen, aber Beinchen<br />

stellt sich hier niemand. Dies wird von allen Befragten bestätigt:<br />

75


„Hier herrscht nach meiner Erfahrung eine ausgesprochen kollegiale Atmosphäre und zwar<br />

selbst zwischen Leuten, die für konkurrierende Zeitungen schreiben. (…) Weil <strong>bei</strong> Journalisten<br />

so eine Art Berufskollegialität ausgeprägt ist und weil man durch Zusammenar<strong>bei</strong>t, durch<br />

Kooperation, manchmal auch Informationsaustausch, allemal besser fährt als wenn einer<br />

versucht, nur als Eigenbrötler vor sich hin zu wurschteln. Die Konfrontation läuft nicht<br />

zwischen konkurrierenden Zeitungen und journalistischen Vertretern, sondern die<br />

Gegenüberstellung ist: Hier ist die Presse und auf der anderen Seite sind Parlament und<br />

Regierung und die sollen uns was sagen und Auskunft geben“ (J3, Z. 148-159).<br />

Von der Politik wird dieser Zusammenhalt manchmal kritisch beäugt, weiß J1:<br />

„Natürlich reden alle miteinander, es ist nicht so, als würde man nicht miteinander reden, indem<br />

man Themen miteinander diskutiert und sich darüber austauscht. Themen, die auf dem Markt<br />

sind für alle, nicht, die man selbst ausgepopelt hat. Damit kommt man natürlich oft auch zu<br />

ähnlichen Einschätzungen. Es hat da mal eine Berichterstattung gegeben, die da hieß, es finden<br />

Absprachen statt. Das ist, das sage ich ausdrücklich, erklärtermaßen übelmeinend“ (Z. 149-<br />

162).<br />

J7 erklärt, wie es zu dem guten Verhältnis kommt:<br />

„Wir sind im täglichen Wettbewerb, aber versuchen, einen freundschaftlich-kollegialen<br />

Umgang miteinander, was jetzt nicht heißt, dass wir Geschichten und Infos austauschen. Also,<br />

man ist ja als Korrespondent erst einmal einsam. Anders, als wenn man in eine Redaktion<br />

eingebunden ist. Da sucht man erst einmal ganz natürlich den Kontakt zu den Kollegen und holt<br />

sich da das Maß an Menschlichkeit, die jeder braucht, so im Tag, die man sonst nicht kriegen<br />

kann. Mit Politikern geht das nicht, das verbietet sich. Man führt mal ein nettes Gespräch mit<br />

einem Politiker, aber da sollte man keine Freundschaften schließen, meine ich“ (Z. 121-128).<br />

4.3 Die Ar<strong>bei</strong>tsebene: Zum Verhältnis von Journalisten und Politikern<br />

a die Szene in Düsseldorf überschaubarer ist, fällt eine Hierarchisierung der<br />

einzelnen Medien, ihrer Vertreter schwer. Die Landespressekonferenz ist stark<br />

darauf bedacht, dass kein Titel oder kein Sender von der Landesregierung bevorzugt<br />

wird. Auch insgesamt ist die Wahrnehmung der Journalisten durch die Politiker, so<br />

wird es jedenfalls von den Befragten empfunden, eine andere als in Berlin. Man<br />

könnte schlicht feststellen: Wer in Düsseldorf ar<strong>bei</strong>tet, wird wahrgenommen. Das ist<br />

76


anders, als wenn man wie in Berlin nur Teil einer großen Masse ist. Dies führt dazu,<br />

dass Journalisten das Verhältnis sowohl zu dem einfachen Abgeordneten, aber auch<br />

zu Ministern und dem Ministerpräsidenten positiv beurteilen. Zwei der Befragten sagen<br />

einschränkend, dass es immer auf den Charakter und die Sympathien des Einzelnen<br />

ankomme, wie das Verhältnis ausgestaltet wird.<br />

„Wir werden hier richtig ernst und wichtig genommen. Wenn ich meine Kollegen aus Berlin<br />

höre, ja - erstmal kommt Fernsehen. Dann kommt lange, lange gar nichts. Dann kommen so ein<br />

paar wichtige Hauptstadtschreiber. Mit anderen Worten - wir kriegen hier im Zweifelsfall jeden<br />

Minister sehr schnell. Den Ministerpräsident spätestens in zwei, drei <strong>Tage</strong>n“ (J1, Z. 132-136).<br />

„Wenn Sie in Bonn oder jetzt in Berlin als Regionalzeitung ar<strong>bei</strong>ten, dann werden Sie von der<br />

überwältigenden Masse überhaupt nicht wahrgenommen. Und zwar egal, ob Sie für die<br />

Südwestpresse Ulm, für die Neue Westfälische Bielefeld, für den Weserkurier Bremen ar<strong>bei</strong>ten,<br />

da ist alles wurscht. Die existieren als Meinungsträger, Informationsvermittler in Berlin nicht.<br />

Da guckt man auf die Über<strong>regionalen</strong>, da nimmt man vielleicht noch die Berliner zur Kenntnis,<br />

mehr geht zeitlich ja auch überhaupt nicht. Und, natürlich die elektronischen Medien. Hier in<br />

NRW gibt's vielleicht 15 oder 20 Zeitungen und durch die Presseschau hat man also eine sehr<br />

genaue gegenseitige Kontrolle, was hat der geschrieben, wie sieht der das. Da sind also die<br />

tatsächliche Konkurrenzsituation und die Vergleichssituation viel intensiver als in Berlin“,<br />

argumentiert J3 (Z.121-133) in die gleiche Richtung.<br />

Der gleiche Journalist sagt auch:<br />

„Ich war und bin mit einem Politiker regelrecht befreundet. Das hat sich so im Laufe der Zeit<br />

ergeben, mit einem Bundespolitiker. Insgesamt ist, glaub ich, das Verhältnis zwischen<br />

Journalisten und Politikern hier in Düsseldorf weitestgehend okay. Man kennt sich, man redet<br />

miteinander, man trifft sich, man läuft sich ja im Landtag ständig über den Weg. Da gibt's keine<br />

übermäßigen Spannungen oder Gereiztheiten oder Aversionen. Wir haben unterschiedliche<br />

Aufgaben. Dann hat man natürlich auch unterschiedliche politische Überzeugungen. Das nicht<br />

jeder jedermanns Freund sein kann, liegt auch auf der Hand. Aber insgesamt finde ich das<br />

Verhältnis hier angemessen. So wie es sein soll“, beschreibt J3 die Situation (Z. 162-171).<br />

In Berlin liegen die Dinge anders. Zwar gibt es dort immer noch eine Vielzahl von<br />

Hintergrundkreisen, doch auf Grund der Größe des politischen und journalistischen<br />

Geschäfts besteht ein großes Misstrauen zwischen den Akteursgruppen, von<br />

einzelnen Stars und Alphajournalisten, deren Strahlkraft weit über Berlin hinausreicht<br />

einmal abgesehen. Für Sophie Mützel (2007) lässt sich genau beziffern, wann die<br />

77


neue Zeitrechnung im Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten begann: mit<br />

dem Umzug von Bonn nach Berlin. Gleichzeitig rüsteten die großen über<strong>regionalen</strong><br />

Titel auf, zogen mit ihren Büros nach Berlin und hofften darauf, die Schlacht um die<br />

Meinungsführerschaft in der Berliner Republik zu gewinnen. Gleichzeitig konkurrierten<br />

hier, anders als in Bonn, mit dem Berliner <strong>Tage</strong>sspiegel, der Berliner Zeitung und der<br />

Berliner Morgenpost gleich drei Zeitungen um den Titel „Hauptstadtzeitung“. Ins<br />

Rennen geschickt wurden vorwiegend Männer, die meinungsstark waren und daran<br />

mitar<strong>bei</strong>teten, was heute unter dem Begriff „Berliner Republik“ firmiert. „Der<br />

gewachsene Hauptstadtjournalismus der so genannten ,Berliner Republik’ ist heute<br />

Nährboden für die Entstehung intimer Netzwerke zwischen Journalisten und Politikern<br />

und zugleich Bühne für viele neue Superstars des Gewerbes“ (Mützel 2007: 55).<br />

Bruns schreibt (2007a: 9): „Politiker und Medien beleuchten und beklatschen sich auf<br />

dieser Bühne gegenseitig, als Darsteller, Publikum und Kritiker.“ So etwas ist in<br />

Düsseldorf undenkbar. Alle Akteure wahren eine professionelle Distanz.<br />

4.4 Die persönliche Ebene: Zum Verhältnis von Journalisten und<br />

Politikern<br />

bwohl der Austausch zwischen Journalisten und Politikern auf der Hinterbühne<br />

im informellen Bereich relativ eng ist, beschränken sich die Begegnungen der<br />

<strong>bei</strong>den Akteursgruppen vor allem auf die Ar<strong>bei</strong>tszeit. Es gibt keine Kneipe, in der<br />

Journalisten oder Politiker nach Feierabend traditionell einkehren. So fällt ein Teil der<br />

Begegnungsmöglichkeiten in Düsseldorf weg, die in Berlin gepflegt werden. Dies liegt<br />

schon allein daran, dass Politiker während der Sitzungswochen in Berlin wohnen. In<br />

Düsseldorf reisen sie zu ihren Sitzungen an und fahren danach wieder nach Hause<br />

oder in ihren Wahlkreis.<br />

„Es gibt nicht Café Wichtig oder Café Einstein oder so“ (J1, Z.166-169).<br />

J2 bestätigt, dass die Tatsache, dass nicht alle an einem Ort wohnen, die Distanz<br />

fördert.<br />

„Wir haben hier, im Gegensatz zu damals in Bonn und auch in Berlin, sehr sehr viele Kollegen,<br />

die nicht am Ort wohnen, die also anreisen. das hat eben den Nachteil oder vielleicht auch den<br />

Vorteil, dass sie hier die Cliquenwirtschaft nach Feierabend nicht haben. Die Leute kommen<br />

hier hin, machen ihre <strong>Tage</strong>s- und Abendtermine und fahren wieder nach Hause. Das gibt es in<br />

78


dem Maße nicht, dass hier abends wie in Berlin geklüngelt würde in diversen Kneipen“ (Z.167-<br />

172).<br />

Tagsüber gebe es aber durchaus Treffpunkte, von denen man wisse, dass dort<br />

Politiker essen gehen oder sich zu Beratungsgesprächen zurückziehen.<br />

„Die meisten gastronomischen Betriebe, die im Einzugsbereich des Landtags sind, sind so<br />

Treffpunkte, je nach Neigungsgruppe. Da gibt's auch Lieblingskneipen von Ministern“ (J7, Z.<br />

167-169).<br />

Allerdings verbiete es sich, so die Meinung einiger Befragten, Minister oder Politiker<br />

außerhalb des Landtags <strong>bei</strong>m Essen anzusprechen:<br />

„Man geht nicht hin und spricht die Minister an, wenn sie gerade in der Kneipe <strong>bei</strong>m<br />

Mittagessen sind. Hier in der Landtagskantine geht das, das ist so ein offener Raum<br />

der Kommunikation. Wer hier in der Landtagskantine essen geht, weiß, dass er<br />

irgendwie auch von Journalisten angesprochen wird. Aber in Restaurants und Cafés<br />

außerhalb des Landtags, da ist es einfach tabu zu sprechen. Da geht man über den<br />

Sprecher. Das tut man nicht. Eine gewisse Grenze sollte es noch geben“ (J7, 173-<br />

179).<br />

4.5. Zwischenfazit<br />

ie Zusammenar<strong>bei</strong>t zwischen Politikern und Journalisten in Düsseldorf ist<br />

routiniert und geschieht deshalb leise und unauffällig. Den Umzug von Bonn<br />

nach Berlin kann man mit einem Schulwechsel vergleichen. Die Akteure des<br />

politischen Kommunikationssystems mussten sich in Berlin neu finden. Die Politiker<br />

sahen sich plötzlich mit einer Vielzahl von Journalisten konfrontiert, die es in diesem<br />

Maße in Bonn nicht gab. Diese Situation führte dazu, dass sich auch neue Spielregeln<br />

zum Umgang miteinander finden mussten. Beim Blick von außen kann man den<br />

Eindruck gewinnen, dass diese Umgangsformen immer noch nicht genügen eingeübt<br />

sind. In Düsseldorf kennt man sich hingegen. Die Journalisten beschreiben den<br />

Umgang mit der Konkurrenz als kollegial, mit den Politikern als freundlich und<br />

distanziert. Zwischen den Akteuren habe sich über viele Jahre ein<br />

Vertrauensverhältnis aufgebaut, das zusätzlich dazu führe, dass man sich gut kenne<br />

79


und sich nichts mehr beweisen müsse. „Junge Wilde“ finden sich in Berlin, in<br />

Düsseldorf nicht.<br />

5. Fazit<br />

iel der vorliegenden Diplomar<strong>bei</strong>t mit dem Thema „<strong>Landeskorrespondenten</strong> <strong>bei</strong><br />

<strong>regionalen</strong> <strong>Tage</strong>szeitungen in NRW: Profile, Politikvermittlung und Kontrolle“ war<br />

es, Erkenntnisse über die Berichterstatter in NRW zu sammeln und darüber, wie sie<br />

ar<strong>bei</strong>ten, wie sie landespolitische Themen für ihre Zeitung aufbereiten, wie sie mit<br />

Politikern formell und informell interagieren und die Spezifika des Berufs des<br />

<strong>Landeskorrespondenten</strong> im Vergleich zum Berichterstatter auf Bundesebene<br />

herauszuar<strong>bei</strong>ten. Dafür wurden vorliegende Studien herangezogen, die sich mit der<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t der Akteure in der „Berliner Republik“ beschäftigen. Mit Hilfe<br />

systemtheoretischer Vorüberlegungen wurden zunächst die Funktionen der<br />

Teilsysteme Politik und Journalismus beschrieben, um dann das Augenmerk auf den<br />

Interpenetrationsraum „politisches Kommunikationssystem“ zu legen. Grundsätzlich<br />

haben <strong>bei</strong>de Akteursgruppen ein Interesse an der Vermittlung von Politik. Allerdings<br />

agieren sie mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Um die verschiedenen Formen der<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t zu beleuchten, wurde das Kontinuum-Modell von Christiane<br />

Lesmeister herangezogen, das die Bereiche Formalität und Informalität in<br />

unterschiedlichen Abstufungen betrachtet sowie Hoffmanns Bühnen-Modell. Um die<br />

Forschungsfragen und Thesen zu überprüfen wurden zehn Interviews sowie<br />

Hintergrundgespräche geführt. Der explorative Charakter der Ar<strong>bei</strong>t wird durch die<br />

Wahl des Erhebungsinstruments unterstrichen. Die Interviews bestanden aus<br />

halboffenen Fragen und sollten darüber hinaus die Befragten anregen, von ihren<br />

Erfahrungen zu berichten.<br />

Um festzustellen, dass das Geschäft in Düsseldorf anders funktioniert als in Berlin,<br />

hätte es keiner Diplomar<strong>bei</strong>t bedurft. Die Frage ist allerdings, warum und in welchen<br />

Punkten sich die Ebenen unterscheiden. Beginnen wir mit dem ersten Punkt, dem<br />

Profil der Korrespondenten: Die viel zitierten Superstars und Alpha-Journalisten gibt es<br />

in Düsseldorf nicht. Stattdessen ar<strong>bei</strong>ten gut ausgebildete, erfahrene Journalisten vor<br />

Ort, die schon viele Jahre im journalistischen Geschäft sind. Die Strukturen sind über<br />

die Jahre gewachsen. Die Personalbesetzung der Büros in Düsseldorf ist konstant, der<br />

größte Teil der Korrespondenten ar<strong>bei</strong>tet schon viele Jahre dort. Die Szene ist<br />

überschaubarer, was zu einer größeren Kontrolle der Politiker über die Journalisten,<br />

80


der Journalisten über die Politiker, aber auch der Journalisten untereinander führt. Wer<br />

sich einen Fehler erlaubt, wird zur Rede gestellt. Jeder Berichterstatter ist bekannt und<br />

identifizierbar, anders als in der großen Masse in Berlin. Deshalb entfällt auch eine<br />

Inszenierung der Einzelnen. Die Korrespondenten, die hier ar<strong>bei</strong>ten, werden nicht als<br />

Experten vor die Kameras gezerrt, um das Geschehen in Düsseldorf zu bewerten.<br />

Landespolitische Themen spielen keine Rolle in Talkshows, allenfalls <strong>bei</strong>m WDR. Über<br />

Politik wird noch weitestgehend im System und nicht über die Medien debattiert. Da es<br />

sich <strong>bei</strong> den Korrespondenten vor allem um ältere Herren handelt, die schon den<br />

einen oder anderen Karriereschritt gemacht haben, müssen sich die wenigsten noch<br />

etwas beweisen. Sie sind nah dran an der landespolitischen Macht, sonnen sich aber<br />

nicht darin. Ob dies nun eine Frage des Typs ist, der in Düsseldorf ar<strong>bei</strong>tet und dieses<br />

Geschäft unaufgeregt praktiziert oder es daran liegt, dass Landesthemen nicht so eine<br />

große Aufmerksamkeit erzielen und sich den Korrespondenten deshalb keine so große<br />

Bühne für Selbstdarstellung bietet, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tsweisen der Journalisten werden zwar vom politischen System bestimmt,<br />

etwa durch die <strong>Tage</strong>sordnungen in Ausschüssen und Plenarsitzungen, hängen aber<br />

nur bedingt von der Couleur der politischen Mehrheit ab. Strukturell hat sich nach dem<br />

Wechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb wenig verändert, allenfalls am Zugang der<br />

einzelnen Berichterstatter. Die LPK tritt qua Satzung dafür ein, dass alle<br />

Korrespondenten <strong>bei</strong> der Informationsvergabe gleich behandelt werden sollen. Ebenso<br />

wie die politische Lagerbildung in der Bevölkerung und teilweise <strong>bei</strong> den Parteien<br />

aufgebrochen wurde, so gibt es auch die (Partei-)Lagerbildung zwischen den<br />

Journalisten längst nicht mehr. Dennoch wurde zu Beginn der Regierungszeit<br />

versucht, einzelne Berichterstatter gewogen zu stimmen, indem man ihnen exklusive<br />

Informationszugänge verschaffte.<br />

Bei der Politikvermittlung gehen die NRW-Korrespondenten sorgfältiger vor als in<br />

Berlin. Themen, die sich auf den zweiten Blick als Nicht-Informationen herausstellen,<br />

schaffen keine große Karriere wie man es aus Berlin kennt. Zwar entwickeln sich auch<br />

die Nachrichten aus Düsseldorf rasant weiter, aber sie entpuppen sich nicht so oft am<br />

Ende des <strong>Tage</strong>s als Schall und Rauch, wie man es aus Berlin kennt. Dass dies nicht<br />

dazu führt, dass man der Entwicklung eines Themas oder einer Reform mehr Raum<br />

gibt in einer Zeitung, hat damit zu tun, dass für die Platzierung eines Artikels noch<br />

andere Faktoren eine Rolle spielen als die erläuterten Nachrichtenwerte. Die Themen<br />

aus Düsseldorf konkurrieren jeden Tag mit dem Weltgeschehen und es hängt stark<br />

81


davon ab, was aktuell passiert. Erst danach wird entschieden, ob landespolitische<br />

Themen eine Rolle spielen. Dass Regionalzeitungen automatisch mehr Wert auf<br />

Landesberichterstattung legen, lässt sich nur insofern bestätigen, als dass die<br />

meisten, bevor sie Themen aus der Welt platzieren, dem Regionalen den Vorzug<br />

geben. Ansonsten konkurriert Landespolitik genauso wie alle anderen Themen um<br />

einen Platz in der Zeitung. Hinzu kommt, dass einige regionale <strong>Tage</strong>szeitungen in<br />

Zeiten des gesunkenen Anzeigenaufkommens ihren Umfang reduziert haben und nun<br />

insgesamt weniger Platz für die Berichterstattung vorhalten. Für die Auswahl der<br />

Themen spielt zum einen die Betroffenheit der eigenen Leserschaft eine große Rolle<br />

und, ob das Thema eine regionale oder lokale Relevanz im Erscheinungsgebiet hat.<br />

Bei der Politikvermittlung spielt die Aufbereitung der landespolitischen Themen eine<br />

große Rolle. Das Instrument der Personalisierung bietet sich nur bedingt an, da den<br />

meisten Lesern die Gesichter und Namen der Minister nicht bekannt sind. Es sei denn,<br />

sie sind durch verschiedene Pannen, wie <strong>bei</strong>spielsweise Justiz-Ministerin Roswitha<br />

Müller-Piepenkötter, bekannt geworden. Dies hat zur Folge, dass für die meisten<br />

Leser, so die Vermutung eines Großteils der Befragten, die parteipolitischen Debatten<br />

und Auseinandersetzungen kaum von Interesse sind. Stattdessen versuchen sich die<br />

Korrespondenten auf die sachliche Darstellung der politischen Inhalte zu<br />

konzentrieren. Da<strong>bei</strong> ar<strong>bei</strong>ten sie nicht nur die vorgegebene <strong>Tage</strong>sordnung ab,<br />

sondern nutzen ihre Kontakte, um eigene Themen zu setzen. In diesem<br />

Zusammenhang wird deutlich, dass nur ein Teil der Ar<strong>bei</strong>tsweise von<br />

Korrespondenten auf der Vorderbühne und für alle sichtbar stattfindet. Vielmehr macht<br />

etwa die Hälfte der Ar<strong>bei</strong>tszeit die so genannte Kontaktpflege aus, <strong>bei</strong> der sie<br />

Informationen zugesteckt bekommen, die sie in eigene Recherche einfließen lassen.<br />

Diese Zusammenar<strong>bei</strong>t auf der Hinterbühne hat Auswirkungen auf die normativ<br />

gebotene Distanz und die Kritik- und Kontrollfunktion, die man den Medien zuschreibt.<br />

Aus demokratietheoretischer Sicht ist es problematisch, dass ein Teil der Ar<strong>bei</strong>t<br />

zwischen den Akteursgruppen in Hinterzimmer verlagert wird, da für den Leser nicht<br />

ersichtlich wird, auf welche Weise der Journalist an seine Informationen gekommen ist<br />

und welche Interessen unter Umständen dahinter stecken, das heißt, von wem die<br />

Nachricht lanciert wurde. Die Aussagen der Interviewten machen deutlich, dass es<br />

großer Standhaftigkeit und Disziplin bedarf, um den schmalen Grat zwischen Nähe<br />

und Distanz zu wahren. Einerseits braucht man Nähe, um an Informationen zu<br />

kommen, darf sich aber nicht in die Abhängigkeit der politischen Akteure begeben.<br />

Laut der Befragten funktioniere der Spagat in Düsseldorf vor allem deshalb, weil die<br />

82


Korrespondenten besonders erfahren seien, aber auch weil sich die Kontakte auf die<br />

Ar<strong>bei</strong>tszeit beschränken. Da viele für ihren Ar<strong>bei</strong>tstag nach Düsseldorf anreisen, aber<br />

nicht dort wohnen, begegnen sich die Akteure nicht noch abends in der Kneipe, wie es<br />

in Berlin etwa während der Sitzungswochen üblich ist. So wird eine mögliche Kungelei<br />

nach Feierabend unterbunden.<br />

Auch hat die Ar<strong>bei</strong>t ein Stück dazu <strong>bei</strong>getragen, die sagenumwobene Welt der<br />

Hintergrundkreise auf Landesebene zu erhellen. Da<strong>bei</strong> gibt es zwei Arten von Kreisen,<br />

die von den Akteuren unterschiedlich bewertet werden. Zum einen gibt es kleine<br />

Runden, die von Journalisten initiiert wurden. Zum anderen die fast schon offiziellen<br />

Angebote des Rüttgers-Clubs und des Kraft-Raums. Da dort erfahrungsgemäß viele<br />

Personen teilnehmen, werden die Gespräche nie sonderlich vertraulich. Wirkliche<br />

Hintergrundinformationen, die unter drei gegeben werden, sind eher in den anderen<br />

Runden die Regel. Die Teilnehmer halten sich an die Absprachen. So kann man<br />

davon ausgehen, dass die journalistischen Akteure über die politischen Geschehnisse<br />

und Akteure wesentlich mehr wissen, als sie schreiben.<br />

Aufgrund der Zusicherung der Anonymisierung sind keine tief gehenden<br />

Differenzierungen der Aussagen möglich. Auf eine tiefer gehende Differenzierung der<br />

Befragten wurde zudem aufgrund der niedrigen Fallzahl verzichtet. Dies bedeutet<br />

auch, dass die Ar<strong>bei</strong>t nur ein Schlaglicht auf ein bisher wenig erforschtes<br />

Themengebiet auf NRW-Ebene werfen kann und keinen Anspruch der<br />

Repräsentativität erhebt. Kritisch anzumerken ist ebenfalls, dass die Erhebung mit<br />

Hilfe der Leitfadengespräche stark von der Kommunikationsfähigkeit und Offenheit der<br />

Befragten abhängt.<br />

Die Auswertung wurde mit Hilfe der Systemtheorie hergeleitet und erklärt. Dies<br />

erscheint sinnvoll, da nur eine Akteursgruppe in den Blick genommen wurde. Um ein<br />

umfassenderes Bild vom politischen Kommunikationssystem auf Landesebene zu<br />

erhalten, bedürfte es einer Netzwerkanalyse. Dazu müssten nicht nur Journalisten<br />

befragt werden, sondern auch Politiker, Sprecher und Lobbyisten, also alle, die an der<br />

Informationsvermittlung auf Landesebene beteiligt sind. Anhand eines thematischen<br />

Beispiels könnte nachgezeichnet werden, wie ein Thema auf die <strong>Tage</strong>sordnung<br />

kommt, wie die Karriere dieser Nachricht verläuft und inwiefern sie sich später in der<br />

Presse wiederfindet. Erst auf diese Weise ließen sich Beziehungen und<br />

Abhängigkeiten zwischen den Akteuren besser erklären. Die Befragung der<br />

83


Journalisten ist insofern eine einseitige Darstellung des Themas und kann nur ein<br />

Anfang auf einem weiten Forschungsfeld sein.<br />

Wollte man etwas über die Relevanz der Themen von Landesebene in <strong>regionalen</strong><br />

<strong>Tage</strong>szeitungen sagen und die Aussagen der Korrespondenten noch einmal<br />

überprüfen, müsste zusätzlich eine Medienanalyse angefertigt werden.<br />

Es zeigt sich, dass Nikolaus Brenders Anspruch der Neutralität nicht immer einfach<br />

umzusetzen ist. Auch verfolgen Journalisten und Politiker, obwohl sie Politik darstellen<br />

und vermitteln wollen, nicht immer die gleichen Interessen. Dies kann zu Konflikten<br />

führen. Da<strong>bei</strong> liegt dies in der Natur der Sache, dass Kontrolle nicht immer konfliktfrei<br />

verläuft. Der britische Publizist Hugh Carleton Greene (1910-1987) hat deshalb<br />

folgenden Satz geprägt: „Nennen Sie mir ein Land, in dem Journalisten und Politiker<br />

sich vertragen, und ich sage Ihnen, da ist keine Demokratie.“<br />

84


6. Literaturverzeichnis<br />

Altmeppen, Klaus-Dieter/ Löffelholz, Martin (1998): Akteure und Institutionen.<br />

Journalismus. In: Ottfried Jarren/ Ulrich Sarcinelli / Ulrich Saxer (Hrsg.), Politische<br />

Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch. Opladen/Wiesbaden:<br />

Westdeutscher Verlag. S. 415-421.<br />

Atteslander, Peter/ Kopp, Manfred (1999): Befragung. In: Erwin Roth/ Heinz Holling<br />

(Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Methoden. Lehr- und Handbuch für Forschung und Praxis.<br />

München: Oldenbourg. S. 146-174.<br />

Branahl, Udo (2009): Medienrecht. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag.<br />

Bogner, Alexander/ Menz, Wolfgang (2005): Expertenwissen und Forschungspraxis: die<br />

modernisierungstheoretische und die methodische Debatte um die Experten. Zur Einführung<br />

in ein unübersichtliches Problemfeld. In: Alexander Bogner, Beate Littig, Wolfgang Menz<br />

(Hrsg.): Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden: VS Verlag. S. 7-<br />

21.<br />

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demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. S.<br />

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6.1 Internetquellen:<br />

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(letzter Zugriff 09.02.2010)<br />

NDR-Fernsehen/Sendung „Zapp“ (2006): Geheime Gespräche. Politiker und Journalisten<br />

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RP Online (2009): Die angesehensten Berufe 2009.<br />

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(letzter Zugriff 10.02.2010)<br />

Weberling, Johannes (2010): Pressegesetz für das Land Nordrheinwestfalen.<br />

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(letzter Zugriff: 07.02.2010)<br />

90


6.2 Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Vorder- und Hinterbühne politisch-journalistischer Interaktion…………..19<br />

Abbildung 2: Bühnenmodell………………………………………………………………..20<br />

Abbildung 3: Parlamentarisches Arenenmodell………………………………………….31<br />

Abbildung 4: Varianten der Kommunikation zwischen Politikern und Journalisten…...55<br />

Abbildung 5: Formen der informellen Kommunikation nach dem Grad der<br />

Informalität…………………………………………………………………....57<br />

6.3 Quellennachweis der anderen Abbildungen<br />

Fotos Seite 1: Content-Desk: Ilja Höpping, WAZ<br />

Landtag: ddp<br />

Jürgen Rüttgers: ddp<br />

Zeichnung Seite 5: Ralf Piepiora<br />

Foto Seite 34: Jürgen Rüttgers <strong>bei</strong> der Landespressekonferenz: ddp<br />

91


7. Eidesstattliche Erklärung<br />

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Diplomar<strong>bei</strong>t verfasst und keine anderen<br />

als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, alle Ausführungen, die<br />

anderen Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wurden, kenntlich gemacht<br />

sind, und die Ar<strong>bei</strong>t in gleicher oder ähnlicher Fassung noch nicht Bestandteil einer<br />

Studien- oder Prüfungsleistung war.<br />

Duisburg, den 26. Februar 2010<br />

______________________________<br />

Fabienne Piepiora<br />

92

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