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Universität Duisburg-Essen<br />
Fakultät für Gesellschaftswissenschaften<br />
Institut für Politikwissenschaft<br />
NRW School of Governance<br />
Twitter und das Kanzlerduell 2009<br />
Ereignisorientierte Echtzeitkommunikation als neue Form der<br />
politischen Versammlung<br />
Master-Arbeit zur Erlangung des Akademischen Grad des<br />
Master of Arts (M.A.)<br />
Erstgutachter:<br />
Zweitgutachter:<br />
Prof. Dr. Dr. <strong>Karl</strong>-<strong>Rudolf</strong> <strong>Korte</strong><br />
Dr. Christoph Bieber<br />
Vorgelegt von:<br />
Isabelle Sonnenfeld<br />
Anschrift:<br />
Mauritiuswall 41, 50676 Köln<br />
Telefonnummer: 0163 1700331<br />
E-Mail:<br />
isa.sonnenfeld@gmail.com<br />
Studiengang:<br />
Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung<br />
Matrikel-Nr.: 2243386<br />
Duisburg, 22. Dezember 2010
Danksagung<br />
Ich danke meinen beiden Betreuern dieser Masterarbeit, Prof. Dr. Dr. <strong>Karl</strong>-<strong>Rudolf</strong> <strong>Korte</strong><br />
von der Universität Duisburg-Essen und Dr. Christoph Bieber von der Justus-Liebig-<br />
Universität Gießen für ihre hilfreichen Hinweise und ihre Geduld.<br />
Ein großer Dank gilt auch Dr. Andreas Jungherr M.A. von der Otto-Friedrich-Universität<br />
Bamberg und Pascal Jürgens M.A. von der Johannes Gutenberg Universität Mainz für die<br />
Bereitstellung ihrer zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten empirischen Daten.<br />
Darüber hinaus bedanke ich mich bei Matthias Bianchi M.A. und Byung-Jun Park für die<br />
aufschlussreichen Gespräche, die konstruktive Kritik zu dieser Arbeit und die technische<br />
Unterstützung bei der empirischen Untersuchung.<br />
Meiner Familie gebührt ganz besonderer Dank für ihre fortwährende Unterstützung und<br />
den Zuspruch. Ich widme diese Arbeit meinem Freund Philipp Möhring, in Dank für seine<br />
grenzenlose Unterstützung und unermüdliche Geduld über den gesamten Zeitraum.<br />
Duisburg, 22. Dezember 2010<br />
Isabelle Sonnenfeld<br />
ii
Inhaltsverzeichnis<br />
Danksagung ........................................................................................................................... ii<br />
Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................... v<br />
I Untersuchungsrahmen ............................................................................................. 1<br />
1. Einleitung ....................................................................................................................... 1<br />
1.1 Forschungsgegenstand und Forschungsfrage .......................................................... 3<br />
1.2 Forschungsstand- und Aktualität ............................................................................... 5<br />
1.3 Konzeptioneller Zugang ............................................................................................ 7<br />
1.4 Methodische Vorgehensweise und Aufbau ............................................................... 8<br />
1.5 Fallbeispiel: Das „Kanzlerduell 2009“ im Gefüge der crossmedialen Debattenwelt ..11<br />
II Untersuchungsgegenstand ....................................................................................14<br />
2. Öffentlichkeit im Wandel ................................................................................................14<br />
2.1 Das intermediäre System Öffentlichkeit ....................................................................14<br />
2.1.1 Begriffliche Eingrenzung ...................................................................................15<br />
2.1.2 Strukturmerkmale und Funktionen ....................................................................16<br />
2.1.3 Ebenen der politischen Öffentlichkeit ................................................................18<br />
2.1.3.1 Encounter-Ebene ......................................................................................19<br />
2.1.3.2 Öffentliche Veranstaltungen ......................................................................20<br />
2.1.3.3 Medienöffentlichkeit ...................................................................................21<br />
2.1.4 Der Einfluss des Internets auf das System Öffentlichkeit ...................................23<br />
2.1.4.1 Netzöffentlichkeit und das Social Web .......................................................23<br />
2.1.4.2 Politische Online-Kommunikation und Partizipation ...................................26<br />
2.1.4.3 Fragmentierung der Gesellschaft durch das Internet .................................27<br />
2.2 Politische Versammlungen .......................................................................................28<br />
2.2.1 Begriffserklärung und Historie ...........................................................................28<br />
2.2.2 Binnenstruktur: Akteure .....................................................................................31<br />
2.2.3 Binnenstruktur: Kommunikationsdisziplinen ......................................................32<br />
2.2.4 Politische Versammlungen im Internet ..............................................................34<br />
2.3 Politisches Twittern in Deutschland ..........................................................................37<br />
2.3.1 Entwicklungslinien: Reichweite, Akteure, Nutzen ..............................................39<br />
2.3.1.1 Reichweite von Twitter im deutschsprachigen Raum .................................39<br />
2.3.1.2 Reichweite der parteipolitischen Twitter-Nutzung ......................................40<br />
2.3.1.3 Akteure ......................................................................................................41<br />
2.3.1.4 Individueller und kollektiver Nutzen der Echtzeitkommunikation ................42<br />
2.3.2 Nutzungsformen des politischen Twitterns ........................................................43<br />
2.3.2.1 Lifecasting .................................................................................................44<br />
2.3.2.2 Mindcasting ...............................................................................................44<br />
iii
2.3.2.3 Community Building...................................................................................45<br />
2.3.2.4 Crowdsourcing ..........................................................................................45<br />
2.3.2.5 Community RSS ........................................................................................45<br />
2.3.2.6 Medien-Fliegenfalle ...................................................................................46<br />
2.3.3 Kommunikationsformen.....................................................................................46<br />
2.3.3.1 Hashtags ...................................................................................................47<br />
2.3.3.2 @replies....................................................................................................47<br />
2.3.3.3 Retweet .....................................................................................................47<br />
2.3.3.4 Störenpotenzial bei der 140-Zeichen Kommunikation ................................48<br />
2.3.4 Das Phänomen der ereignisorientierten politischen Twitternutzung ..................49<br />
2.4 Zwischenfazit ...........................................................................................................51<br />
III Empirische Untersuchung ......................................................................................53<br />
3. Datenanalyse ................................................................................................................53<br />
3.1 Forschungsfrage und übergeordnete Arbeitshypothesen .........................................53<br />
3.2 Methodik ..................................................................................................................54<br />
3.3 Materiallage und Untersuchungszeitraum ................................................................55<br />
IV Ergebnisse .................................................................................................................57<br />
4. Ergebnisse der Datenanalyse .......................................................................................57<br />
4.1 Fallprofil ...................................................................................................................57<br />
4.1.1 Twitterer ............................................................................................................57<br />
4.1.2 Tweets ..............................................................................................................59<br />
4.1.3 Beziehungsnetzwerk von Friends und Followern...............................................61<br />
4.2 Muster der Echtzeitkommunikation bei Twitter .........................................................67<br />
4.2.1 Sach- und Themenzentrierung der Begleitkommunikation bei Twitter ...............67<br />
4.2.2 140-Zeichen Diskurs in Echtzeit ........................................................................69<br />
4.2.3 Meinungsführerschaft ........................................................................................72<br />
4.3 Twitter als Spiegel des Kanzlerduells - Qualitative Inhaltsanalyse ............................74<br />
4.3.1 Hashtag-Gruppen als Indikator für Themen- und Sachzentrierung ....................75<br />
4.3.2 Höhepunkte der Begleitkommunikation in Echtzeit ............................................77<br />
4.3.3 Störpotenzial bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung ...............79<br />
4.4 Zwischenfazit ...........................................................................................................81<br />
4.4.1 Methodische Einschränkungen .........................................................................82<br />
V Abschluss der Untersuchung .........................................................................................84<br />
5. FAZIT ...........................................................................................................................84<br />
5.1 Schlussfolgerung .....................................................................................................84<br />
5.2 Ausblick ...................................................................................................................87<br />
5.3 Schlusswort..............................................................................................................89<br />
Literaturverzeichnis ..............................................................................................................90<br />
iv
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ 105<br />
Anhang ............................................................................................................................... 106<br />
Selbstständigkeitserklärung ................................................................................................ 121<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abb.<br />
API<br />
SNS<br />
RSS<br />
RT<br />
- Abbildung<br />
- Application Programming Interface<br />
- Social Network Sites<br />
- Really Simple Syndication<br />
- Retweet<br />
v
Einleitung<br />
I<br />
Untersuchungsrahmen<br />
1. Einleitung<br />
„PS: ohne Twitter hätte ich wohl schon lange abgeschaltet #tvduell“<br />
Twitter-Mitteilung von @zerotalent am 13.09.2010<br />
Am Abend des 13. Septembers 2009 formierte sich parallel zu den Fernsehzuschauern<br />
ein weiteres Publikum, das das Kanzlerduell 2009 zwischen Kanzlerin Angela Merkel und<br />
ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier live verfolgte. Nicht das Leitmedium<br />
Fernsehen, sondern die Microblogging-Plattform Twitter konstituierte für dieses Publikum<br />
den Ort des Meinungsaustausches und der Informationsverbreitung. Tweets mit einer<br />
maximalen Länge von 140 Zeichen lieferten für diese Art der Begleitkommunikation in<br />
Echzeit den Input.<br />
Das Phänomen der ereignisorientierten Twitter-Nutzung impliziert eine neuartige<br />
Qualität von distanzierter und niedrigschwelliger Kommunikation. Durch Twitter, das im<br />
Jahr 2006 gegründet worden ist und seitdem in Politik, Medien und Wissenschaft für<br />
Aufmerksamkeit gesorgt hat, erfährt die Echtzeitkommunikation an Präsenz und<br />
Relevanz. Twitter und das Kanzlerduell 2009 stellen ein weiteres prominentes Beispiel in<br />
Deutschland dar, bei dem die Verzahnung von alten und neuen Medien allmählich<br />
erkennbar wird. Crossmediale Veranstaltungen, das bedeutet die Kopplung von Fernseh-<br />
Formaten und Internetangeboten, gewinnen an Beliebtheit in der Medienwelt. So spielt<br />
sich „die Übertragung des offline-Ereignisses (…) im Fernsehen, die Formierung des<br />
Publikums und das Feedback im Internet“ ab (Bieber 2009: 57). Das Wahrgenommene<br />
direkt zu kommentieren und mit anderen Teilnehmern dieser Begleitkommunikation in<br />
Echtzeit Argumente und Meinungen auszutauschen, fügt im Falle des Kanzlerduells 2009<br />
ein weiteres Debattenformat hinzu – eine Art onlinebasierte Echtzeit-Debatte.<br />
Unter den Vorzeichen dieser Beschleunigung von Kommunikation und der<br />
Etablierung neuer Öffentlichkeitsräume im Internet und insbesondere auf den interaktionsund<br />
partizipationsorientierten Plattformen des Social Web 1 , ist das allgemeine System<br />
Öffentlichkeit, basierend auf einer Ebenendifferenzierung, zu überdenken. Die Tatsache,<br />
dass sich Bürger mit Hilfe des Internets stärker vernetzen und sich kommunikativ mehr<br />
und mehr emanzipieren, führt dazu, dass die Kopplung von alten und neuen<br />
Medienkanälen eine logische Konsequenz zu sein scheint. Kommunikationsprozesse<br />
1<br />
Das Social Web lässt sich an dieser Stelle vereinfacht als soziale Komponente des technisch<br />
determinierten Web 2.0 verstehen (vgl. Ebersbachet al.2008). Eine tiefgreifendere Erläuterung dieses<br />
Begriffs findet sich in Kapitel 2.1.4.1.<br />
1
Einleitung<br />
sowie die Informationsherstellung- und Verbreitung erfahren in der<br />
Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts, die von Castells auch als<br />
„Netzwerkgesellschaft“ bezeichnet wird (vgl. Castells 2001), einen deutlichen Wandel.<br />
Was zuvor erst einen Tag später in der Zeitung zu lesen war, ist nun im Echtzeit-Modus<br />
im Internet abzurufen.<br />
Dieser Strukturwandel, der das System Öffentlichkeit in seinen Grundzügen<br />
langfristig verändern wird, übt schon seit einigen Jahren einen deutlichen Einfluss auf die<br />
drei Öffentlichkeitsebenen aus. Die Grenzen zwischen episodischer Encounter-<br />
Öffentlichkeit, Versammlungsöffentlichkeit und Medienöffentlichkeit werden durchlässiger,<br />
so dass eine gegenseitige Einflussnahme die unweigerliche Folge ist. Kommunikations-,<br />
Partizipations-, sowie Meinungsbildungsprozesse finden mitunter vermehrt in offen<br />
zugänglichen Interaktionsräumen des Internets und des Social Web statt. Ad hoc können<br />
sich in diesen Interaktionsräumen Interessengemeinschaften formieren, die<br />
themenzentriert Informationen und Meinungen austauschen. Twitter als Katalysator<br />
dieser interaktiven Echtzeitkommunikation zu betrachten, wäre zu diesem Zeitpunkt zu<br />
weit gegriffen, jedoch bietet die Platattform aufgrund der verkürzten und<br />
niederschwelligen Kommunikation einen Ort, an dem sich Nutzer zu einem<br />
themenzentrierten Dialog und Meinungsaustausch versammeln können. Wie lässt sich<br />
aber diese Art der virtuellen Zusammenkunft beschreiben Welche besonderen<br />
Kommunikationsmuster offenbart die Echtzeitkommunikation bei Twitter Und welche<br />
Rolle spielen die medialen Ereignisse, die aufgrund der allmählichen Verzahnung von<br />
alten und neuen Medienkanälen immer häufiger im Internet begleitet werden<br />
In Bezug auf das Kanzlerduell 2009 scheint sich auf den ersten Blick eine<br />
thematisch zentrierte Diskussionsgemeinschaft bei Twitter geformt zu haben, die<br />
begleitend das offline-Ereignis im Fernsehen verfolgte und kommentierte. Zeichnet sich<br />
unter dem Eindruck dieses Beispiels somit eine neue Art der Versammlungsöffentlichkeit<br />
im Social Web ab, deren besondere Eigenschaft in der interaktiven Begleitkommunikation<br />
in Echtzeit besteht<br />
Die vorliegende Arbeit wird diesen Fragen nachgehen und soll versuchen die<br />
Begleitkommunikation in Echtzeit zum Kanzlerduell 2009, die sich auf der Microblogging-<br />
Plattform Twitter formiert hat, zu systematisieren und in das allgemeine System<br />
Öffentlichkeit unter den Vorzeichen des angesprochenen Strukturwandels einzuordnen.<br />
Hierfür wird das System Öffentlichkeit in seiner aktuellen Form betrachtet und unter dem<br />
Eindruck des zweiten „digitalen Strukturwandels“ (Bieber 1999: 62) diskutiert. Nach der<br />
differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Modell der politischen Versammlung, wird<br />
die Historie des politischen Twitterns in Deutschland sowie die grundsätzlichen<br />
2
Einleitung<br />
Eigenschaften von Twitter dargelegt. Die emprische Datenanalyse der<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter zum Kanzlerduell 2009 beginnt deskriptiv und nimmt<br />
anschließend Bezug auf die zuvor diskutierten Merkmale einer politischen Versammlung,<br />
indem sie in Relation zu den Kommunikationsmustern von Twitter gesetzt werden. Das<br />
Fazit bildet einen Rückblick auf die Analyse und lässt Schlüsse auf die Anwendbarkeit<br />
und Möglichkeiten weiterer Forschung zu.<br />
1.1 Forschungsgegenstand und Forschungsfrage<br />
Das Potenzial von Twitter als soziales Kommunikationsnetzwerk, das eine Möglichkeit zur<br />
Begleitkommunikation in Echtzeit zu medialen Ereignisse bietet, ist unlängst von<br />
Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen erkannt worden. Obgleich die hochaktuelle<br />
Debatte um den fortschreitenden Wandel der politischen Kommunikation und den Einfluss<br />
sozialer Netzwerke auf die Ausgestaltung der individuellen politischen Kommunikation<br />
sowie der Meinungsbildung und Partizipation ausgiebiges Interesse seitens der Politikund<br />
insbesondere der Kommunikationswissenschaft geweckt hat, greifen bisherige<br />
Arbeiten zu kurz. Bei der Thematisierung der politischen Twitter-Nutzung als digitaler<br />
backchannel 2 zu medialen Ereignissen und dem Versuch der Einordnung in ein<br />
klassisches Theorienkonstrukt 3 handelt es sich insbesondere aus politikwissenschaftlicher<br />
Perspektive um einen neuen Ansatz. Im Folgenden wird daher der Versuch<br />
unternommen, neben der Herausarbeitung eines theoretischen Rahmens eine<br />
umfassende empirische Analyse der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung zu<br />
leisten.<br />
Die vorliegende Arbeit folgt der allgemeinen Annahme, dass die ereignisorientierte<br />
politische Twitter-Nutzung zum einen den politischen Online-Diskurs im Rahmen<br />
politischer Ereignisse vitalisieren kann sowie als onlinebasiertes ‚Echtzeit-<br />
Stimmungsbarometer„ zur Entschlüsselung der öffentlichen Meinung dienen kann. Zum<br />
anderen wird vermutet, dass neben der Etablierung eines communication backchannel die<br />
politische Echtzeitkommunikation in 140 Zeichen im Rahmen medialer Ereignisse<br />
Strukturen einer politischen Versammlung gemäß dem klassischen Öffentlichkeitsmodell<br />
nach Habermas annimmt. Die forschungsleitende Fragestellung lautet demnach:<br />
2<br />
3<br />
Unter dem Begriff ‚backchannel„ lassen sich „information spaces, in which people complementand cocreate<br />
large-scale events“ verstehen (Dörk et al. 2010). Allgemein kann also von onlinebasierten<br />
Diskussionen gesprochen werden, die parallel zu medialen Offline-Ereignissen stattfinden.<br />
In der Literatur findet sich häufiger die Behauptung, dass die klassischen Öffentlichkeitsmodelle unter<br />
den Vorzeichen der Digitalisierung von Kommunikation als obsolet zu betrachten und dass demzufolge<br />
neue theoretische Modelle zu entwickeln sind, um den neusten Entwicklungen und Veränderungen<br />
gerecht zu werden (vgl. unter anderem Grunwald et al. 2006).<br />
3
Einleitung<br />
Welche Merkmale weist die Echtzeitkommunikation bei Twitter im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 auf und inwieweit lassen sich Dynamiken einer politischen<br />
Versammlung erkennen<br />
Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit wird auf der empirischen Analyse der<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter liegen. Das Kanzlerduell 2009 wird als mediales<br />
Ereignis für die empirische Analyse ausgewählt, da es sich sowohl in einen breiteren<br />
politischen Kontext einordnen lässt als auch bei näherer Betrachtung Anzeichen der<br />
Verschmelzung von alten und neuen Informations- und Kommunikationskanälen deutlich<br />
macht. Eine spezialisierte empirische Untersuchung der ereignisorientierten Twitter-<br />
Nutzung zum Kanzlerduell 2009 liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor, so dass<br />
diese Arbeit als exploratives Forschungsvorhaben einzuordnen ist.<br />
Motiviert wurde die vorliegende Arbeit durch die Beobachtung der Wahlkämpfe in<br />
den USA (Präsidentenwahl 2008), Großbritannien (Unterhauswahl 2010) und Australien<br />
(Parlamentswahl 2010). Dort wurden mediale Wahlkampfereignisse – insbesondere die<br />
Debatten zwischen den Spitzenkandidaten – nicht nur in umfassender Weise im<br />
Fernsehen übertragen, sondern in sozialen Netzwerken beobachtet, kommentiert und in<br />
Online-Diskursen erörtert. Twitter und Facebook spielten hier als backchannel zu den<br />
politischen Ereignissen eine entscheidende Rolle hinsichtlich des Online-Diskurses in<br />
Echtzeit.<br />
Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit liegt somit in der Systematisierung der<br />
Echtzeitkommunikation bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung, die in den<br />
theoretischen Rahmen einer klassischen politischen Versammlung eingebettet werden<br />
soll. Mit Blick auf nachfolgende Forschungsvorhaben soll diese Masterarbeit zudem einen<br />
Beitrag zur online-basierten real-time-response-Messung politischer Ereignisse leisten<br />
und erfragen, ob durch eine weitere Verfeinerung und Automatisierung des<br />
Analysevorgangs Twitter als Plattform der Echtzeitkommunikation zur Untersuchung von<br />
Meinungsbildungsprozessen im Internet dienen kann. Was die vorliegende Arbeit aus<br />
politikwissenschaftlicher Sicht interessant macht, ist der Ansatz, politische Online-<br />
Kommunikation im Sinne der Herstellung einer neuen Öffentlichkeitsform aus einer<br />
Perspektive zu betrachten, die neuste Entwicklungen mit klassischen theoretischen<br />
Konzepten verbindet. Somit verspricht die Auswertung der Tweets im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 und ihre Einordnung in das Konzept der politischen Versammlung<br />
neue Erkenntnisse über die politische Echtzeitkommunikation in sozialen Netzwerken<br />
sowie eine Weiterentwicklung des theoretischen Rahmens für den Bereich der Online-<br />
Kommunikation.<br />
4
Einleitung<br />
1.2 Forschungsstand- und Aktualität<br />
So jung wie der Microblogging-Dienst Twitter und das Phänomen der politischen Twitter-<br />
Nutzung selbst ist, so jung ist auch die entsprechende Forschung. Ob insgesamt bereits<br />
von einer eigenen Forschungsdisziplin zu sprechen ist, bleibt fraglich. Zweifelsohne lässt<br />
sich die Erforschung der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung in der hier<br />
vorliegenden Arbeit zum einen an der Schnittstelle von Kommunikations- und<br />
Politikwissenschaft verorten, zum anderen aber konkret in den Forschungsbereich der<br />
politischen Online-Kommunikation einordnen, der seit einigen Jahren weitreichend<br />
bearbeitet wird. 4 Obgleich der Forschungsstand zur politischen Online-Kommunikation<br />
aus interdisziplinärer Perspektive zwar deutlich an Umfang gewonnen hat und die<br />
Aktualität der Thematik der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung von<br />
Wissenschaftlern erkannt wird, beschränkt sich die Literatur hinsichtlich der Bedeutung<br />
von Twitter für den politischen Bereich zumeist auf wissenschaftliche Studien, die im<br />
Rahmen von Konferenzen entstanden sind oder über einen experimentellen Charakter<br />
verfügen. Die Twitterforschung mit Nähe zur Kommunikations- sowie Politikwissenschaft,<br />
die bisher hauptsächlich im angelsächsischen Raum zu verorten ist, befindet sich noch in<br />
der Anfangsphase. So verwundert es wenig, dass die Protagonisten dieser<br />
Forschungsrichtung unterschiedlichen Ansätzen hinsichtlich der Frage „Was ist Twitter“<br />
folgen. Ob als öffentliches Informationsmedium, technisches Kommunikationsinstrument<br />
oder soziales Netzwerk – Twitter weist vielfältige Nutzungs- und Einsatzmöglichkeiten auf,<br />
die folglich zu dieser dichotomen Debatte über die Daseinsberechtigung von Twitter in<br />
wissenschaftlichen Studien führen.<br />
Java et al. (2007) können als Pioniere auf dem Feld der empirischen Twitter-<br />
Forschung verstanden werden. Im Mittelpunkt ihrer groß angelegten Studie von<br />
öffentlichen Twitter-Nachrichten steht eine erste Kategorisierung der Nutzer und ihrer<br />
Intention zum Twittern (siehe ebenfalls Zhao und Rosson 2008). Während sie Twitter als<br />
soziales Kommunikationsnetzwerk begreifen, entwerfen sie jedoch keine Systematik zum<br />
Nutzertypus und seiner Intention. Neben Studien zur Twitter-Typologie befassen sich<br />
verschiedene Untersuchungen demgegenüber mit dem Einfluss einzelner Nutzer auf ihre<br />
Twitter-Gemeinschaft (etwa Cha et al. 2010). Als Kommunikationsnetzwerk<br />
(Krishnamurthy/Gill/Arbitt 2008) mit ungewöhnlichen Kommunikationskonventionen ist<br />
Twitter vermehrt in den Fokus der kommunikationswissenschaftlichen Forschung gerückt,<br />
indem die Syntax und die einzelnen technischen Funktionen auf ihr kommunikatives<br />
4<br />
An dieser Stelle soll nur eine Auswahl der verwendeten Veröffentlichungen genannt werden, die zur<br />
Erarbeitung des theoretisch-konzeptionellen Rahmens beigetragen haben.<br />
5
Einleitung<br />
Potenzial hinsichtlich Kollaboration und Konversation analysiert werden (etwa<br />
Boyd/Golde/Lotan 2009; Boyd et al. 2010; in ähnlicher Weise Honeycutt/Herring 2009).<br />
Ein weiterer Teilaspekt der Twitter-Forschung ist dem Bereich der Sentiment-<br />
Analyse von Online-Kommunikation zuzuordnen. 5 Die im Kontext gesellschaftlicher<br />
Ereignisse einsetzenden Meinungsbildungsprozesse können demnach nicht nur anhand<br />
von repräsentativen Meinungsumfragen, sondern auch anhand von Sentiment-Analysen<br />
öffentlicher Twitter-Nachrichten nachgezeichnet werden (etwa O‟Connor et al. 2010). Das<br />
Aggregat der öffentlichen auf Twitter geäußerten Meinungen kann diesen Studien zufolge<br />
mit Rücksicht auf analytische Einschränkungen zum einen für einen Einblick in das<br />
mediale Ereignis selbst sorgen und zum anderen einen Meinungstrend aufzeigen (etwa<br />
Shamma et al. 2010b). 6 Ein Großteil der wissenschaftlichen Studien, die zumeist<br />
analytisch-empirischer Natur sind, gehen der Frage nach, ob Twitter als soziales<br />
(Kommunikations-)Netzwerk oder nur als zusätzlicher Kanal zur Informationsverbreitung<br />
im Rahmen der Vielkanalfähigkeit des Internets zu begreifen ist (grundlegend Kwak et al.<br />
2010). Besondere Bedeutung wird ebenfalls den sozialen Beziehungen unter den Twitter-<br />
Nutzern zugemessen (u.a. Huberman/Romero/Wu 2009). Die ereignisorientierte Twitter-<br />
Nutzung und generell die Echtzeitkommunikation in sozialen Netzwerken als reaktionäre<br />
und zuweilen auch evaluative Kommunikation hat jedoch erst seit kurzer Zeit für Interesse<br />
seitens der Wissenschaft geweckt. Eine Reihe von Studien zu den US-amerikanischen<br />
Presidential Debates 2008 7 (etwa Shamma et al. 2009; Diakopoulos/Shamma 2010;<br />
Shamma et al. 2010a; Tamasjan et al. 2010), den Unterhauswahlen in Großbritannien im<br />
Frühjahr 2010 (vgl. Erhebung von Tweetminster 2010) sowie den Parlamentswahlen in<br />
Australien im August 2010 8 (Beiträge von Bruns aus 2010) haben dokumentiert, dass<br />
Twitter als live backchannel im Rahmen diverser medialer Ereignisse, die von<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Mittels einer Sentiment-Analyse bei Twitter wird versucht Stimmungen innerhalb der einzelnen Tweets<br />
aufzuspüren, das heißt es werden anhand der 140 Zeichen positive oder negative Meinungen<br />
hinsichtlich eines Objektes abgebildet (vgl. O‟Connor et al. 2010).<br />
Shamma et al. (2010b) weisen im Rahmen ihrer Studie darauf hin, dass politische TV-Debatten<br />
besonders für die Analyse der Echtzeitkommunikation bei Twitter als soziales<br />
Kommunikationsnetzwerk geeignet sind. Denn neben dem festgelegten Sendeformat und dem<br />
zeitlichen Rahmen der politischen TV-Debatten, stellt auch die Twitter-Syntax ein systematisiertes<br />
Instrumentarium für die Analyse dar.<br />
Das US-amerikanische TV-Kanal Current TV hat im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfes<br />
begonnen einen live Twitter-Stream in das allgemeine Fersehprogramm zu integrieren. Dieser<br />
Kampagne unter dem Namen Hack the debate wurde sehr viel Aufmerksamkeit zuteil. Auch CNN und<br />
Facebook setzten auf diese Möglichkeit der begleitenden Echtzeitkommunikation während der<br />
Inauguration von Barack Obama (vgl. Shamma et al. 2010a). Die Plattform Tweetminster hat in<br />
großem Umfang die Twitteraktivitäten der britischen Parlamentsmitglieder aufgezeichnet. Für einen<br />
Blick in den aufschlussreichen Report vgl. Tweetminster 2010. In der britischen Presse wurde die Wahl<br />
bereits als „first social media election” bezeichnet, vgl. exemplarisch Reportr.net 2010. Noch nie wurde<br />
zu einem politischen Ereignis so aktiv getwittert, vgl. Cellan-Jones 2010.<br />
Eine eindrucksvolle Analyse der Twitter-Aktivitäten bei den Parlamentswahlen in Australien 2010 liefert<br />
Axel Bruns, dessen Erkenntnisse umfassend in die Erarbeitung der empirischen Analyse dieser Arbeit<br />
eingeflossen sind.<br />
6
Einleitung<br />
öffentlichem Interesse sind, genutzt wird. Diese Erkenntnisse wurden von<br />
Wissenschaftlern zum Anlass genommen, diese Form der onlinebasierten<br />
Echtzeitkommunikation einer näheren Analyse zu unterziehen. Im deutschsprachigen<br />
Raum hat Twitter nicht nur im Rahmen des Superwahljahres 2009 (etwa Bieber 2010b;<br />
Albers 2010), sondern auch hinsichtlich politischer Kampagnen (grundlegend Beiträge<br />
von Pfeiffer 2009/2010; Bieber 2010b) und großangelegten Protestaktionen<br />
wissenschaftliches Interesse geweckt. 9 Eine grundlegende Betrachtung der Potenziale<br />
von Twitter für den politischen Bereich liefert Andreas Jungherr (vgl. Jungherr 2009).<br />
Wissenschaftliche Impulse im Bereich der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung<br />
wurden zweifelsohne seit der Gründung im Jahr 2006 gesetzt; auch empirische Analysen<br />
widmen sich sukzessive der Thematik, dennoch besitzt das Forschungsdesign der<br />
vorliegenden Arbeit für den politikwissenschaftlichen Forschungsbereich explorativen<br />
Chrakter. Demnach wird versucht sie, angedeutete Lücken zu füllen und den jungen<br />
Untersuchungsstand der ereignisorientierten politischen Twitternutzung aus<br />
politikwissenschaftlicher Perspektive theoretisch und empirisch zu erschließen.<br />
1.3 Konzeptioneller Zugang<br />
Für einen grundlegenden Zugang zur empirischen Analyse und Erschließung des<br />
Bedeutungszusammenhangs zwischen ereignisorientierter politischer Twitter-Nutzung<br />
und den Veränderungen im Bereich der politischen Kommunikation wird das System<br />
Öffentlichkeit 10 als theoretisch-konzeptioneller Ausgangspunkt gewählt. Im Zentrum der<br />
Forschung zur politischen Kommunikation steht häufig das Phänomen der<br />
„fortschreitenden Medialisierung der Gesellschaft“ (Schulz 2008: 13). Anhand des Modells<br />
der Ebenendifferenzierung von Öffentlichkeit nach Habermas, modifiziert durch<br />
Gerhards/Neidhardt (1990) sowie Jarren/Donges (2006), lässt sich dieses Phänomen, das<br />
in den letzten Jahren zu einem deutlichen Strukturwandel von Öffentlichkeit geführt hat,<br />
am deutlichsten zum Ausdruck bringen. Nicht nur das Verhältnis der einzelnen<br />
Öffentlichkeitsebenen zueinander wird durch den postulierten „digitalen Strukturwandel“<br />
(Bieber 1999: 62) beeinflusst, die Grenzen zwischen den Ebenen verschmelzen ebenfalls<br />
kontinuierlich. Mit Blick auf den digitalen Strukturwandel von Öffentlichkeit wird zumeist<br />
die Medienöffentlichkeit in den Mittelpunkt der Forschung gestellt. Jedoch lässt sich die<br />
strukturelle Konvergenz zwischen dem Kommunikationsraum der allgemeinen<br />
Öffentlichkeit und dem online-basierten Kommunikationsraum sozialer Netzwerke, der<br />
9<br />
10<br />
Weitere Studien zur Thematik finden sich u.a. hier: http://digiom.wordpress.com/2009/07/30/acollection-of-<strong>download</strong>able-twitter-papers/.<br />
Die folgenden Ausführungen sind als verkürzte Skizze zu verstehen, die in Kapitel 2.1 und Kapitel 2.2<br />
tiefgehender thematisiert werden.<br />
7
Einleitung<br />
eine neue Form der Öffentlichkeit bildet, am besten auf der zweiten Ebene des<br />
Öffentlichkeitsmodells darstellen. Die Kommunikationsplattform Twitter stellt in diesem<br />
Zusammenhang ein Beispiel für die Ausdifferenzierung des Systems Öffentlichkeit dar.<br />
1.4 Methodische Vorgehensweise und Aufbau<br />
Das Internet stellt für die Wissenschaft ein ergiebiges Datenreservoir dar. Internetdaten 11<br />
als Grundlage für eine qualitative oder quantitative Forschung können „hervorragende<br />
Zugänge zu sozialen Beziehungen und Deutungen“ (Kuckartz et al. 2007: 144) aufzeigen.<br />
Insbesondere die zunehmende Nutzung sozialer Netzwerke als Kommunikationskanal<br />
bedeutet für die Sozialwissenschaft einen Zuwachs an Datenmengen, die menschliches<br />
Verhalten dokumentieren. Die erkenntnistheoretische Orientierung der vorliegenden<br />
Arbeit folgt dementsprechend einem empirisch-analytischen Ansatz.<br />
Die Inhaltsanalyse von Internetdaten dient der Arbeit als Methode (vgl. Kuckartz et<br />
al. 2007). Die Inhaltsanalyse wird im Bereich der Kommunikationswissenschaft aber auch<br />
für die gesamte Sozialforschung verwendet. Sie bietet sich, allgemein gesprochen,<br />
„hervorragend für die Analyse der öffentlichen Kommunikation“ (Westle 2009: 336) an und<br />
hat eine „systemische, regelgeleitete und intersubjektiv nachvollziehbare Beschreibung<br />
von Kommunikationsverhalten“ (Westle 2009: 334) zum Ziel. Aufgrund des divergierenden<br />
Forschungsanspruches – zum einen eine generelle Systematisierung des<br />
ereignisorientierten Kommunikationsverhaltens bei Twitter und zum anderen die<br />
Darstellung der Feinheiten des Online-Diskurses – scheint jeweils eine rein qualitativorientierte<br />
oder eine rein quantitativ-orientierte Inhaltsanalyse der Internetdaten für die<br />
vorliegende Arbeit zu kurz gefasst. Um demnach der Komplexität und Neuartigkeit des<br />
Forschungsvorhabens gerecht zu werden, bietet sich der „Mixed-Method“ Ansatz (ebd.<br />
353) aus qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse als die geeigneteste<br />
Vorgehensweise an. Da beide Forschungstraditionen Vor- und Nachteile im Hinblick auf<br />
die Inhaltsanalyse manifestieren, ermöglicht eine Kombination der selbigen eine<br />
umfassende Bearbeitung der zugrundeliegenden Forschungsfrage. 12<br />
Die qualitative Inhaltsanalyse stellt zum einen „[…] einen Ansatz empirischer,<br />
methodisch kontrollierter Auswertung auch größerer Textcorpora dar, wobei das Material,<br />
in seinen Kommunikationszusammenhang eingebettet, nach inhaltsanalytischen Regeln<br />
ausgewertet wird, ohne dabei in vorschnelle Quantifizierungen zu verfallen“ (Mayring<br />
2000: 5). Das „Verstehen und Erklären subjektiver oder kollektiver Sinn- und<br />
11<br />
12<br />
Als Internetdaten können beispielsweise Beiträge in Chats, Foren oder Mailinglisten ausgemacht<br />
werden (Kuckartz et al. 2007).<br />
Der Mixed Method Ansatz folgt generell dem Modell der Methodenintegration, das zwei<br />
unterschiedliche Konzepte kennt: das Phasemodell und den so genannten Triangulation Ansatz; vgl.<br />
Kuckartz et al. 2007.<br />
8
Einleitung<br />
Erlebniszusammenhänge“ lässt sich als Grundanliegen der qualitativen Inhaltsanalyse<br />
begreifen (Westle 2009: 96), so dass die Untersuchung der kausalen Zusammenhänge in<br />
ihren Feinstrukturen vordergründig ist (vgl. Behnke et al. 2006). Im Gegensatz ist die<br />
quantitative Inhaltsanalyse als „research technique for the objective, systematic, and<br />
quantitative description of the manifest content of communication“ (Berelson 1952, zitiert<br />
n. Westle 2009: 335) zu begreifen. Das Aufspüren von Regelmäßigkeiten sowie die<br />
Erläuterung sozialer Phänome und damit verbundener Prognosen, lässt sich allgemein als<br />
Zielvorstellung der quantitativen Inhaltsanalyse festlegen (vgl. Westle 2009: 75). Auch<br />
wenn in der Literatur vornehmlich eine strikte Trennung der beiden Forschungstraditionen<br />
gefordert wird, zeigt die Forschungspraxis, dass qualitative und quantitative<br />
Forschungsvorhaben zweifelsohne kombinierbar sind. Diese Verknüpfung aus<br />
Tiefgründigkeit bei der qualitiativen und Generalisierbarkeit der Ergebnisse bei der<br />
quantitativen Forschung lässt sich somit als Chance für eine genauere Analyse sozialer<br />
Phänomene begreifen (Behnke et al. 2006: 17). Beide Forschungstraditionen<br />
unterscheiden sich lediglich in ihrer Schwerpunktsetzung, nicht aber in der prinzipiellen<br />
Zielvorstellung, Erkenntnisse über gesellschaftliche Strukturen und Handlungen zu<br />
generieren. Der Mixed-Method-Ansatz 13 , wie bereits angedeutet, stellt eine Kombination<br />
aus qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse dar und sorgt demzufolge mit Hilfe<br />
zusätzlicher Analysemöglichkeiten für einen erweiterten Blickwinkel auf die<br />
Kommunikationsinhalte des vorliegenden Datenmaterials (vgl. Behnke et al. 2006: 20).<br />
Um dem umfangreichen Datenkorpus und der forschungsleitenden Fragestellung in<br />
angemessener Weise gerecht zu werden, erscheint die Inhaltsanalyse der Internetdaten<br />
gemäß des Mixed-Method-Ansatzes durchaus gerechtfertigt. Auf diese Weise können<br />
zum einen Regel- und Gesetzmäßigkeiten in der ereignisorientierten politischen<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter mit Hilfe einer automatisierten quantitativen<br />
Inhaltsanalyse festgestellt werden. Zum anderen ermöglicht die qualitative Inhaltsanalyse<br />
das Betrachtung von ausgewählten Sequenzen dieser Echtzeitkommunikation, indem<br />
zusätzlich auf die angesprochenen Themen in diesen Sequenzen eingegangen werden<br />
kann.<br />
Die Inhaltsanalyse der vorliegenden Arbeit nach dem Mixed-Method-Ansatz ist<br />
gemäß einem „sequenziellen, erklärenden Design[s]“ (Westle 2009: 357) aufgebaut. 14 Der<br />
quantitativen Erhebung und der statistischen Analyse der erhobenen Daten folgt die<br />
qualitative Auswertung einzelner Kommunikationssequenzen. Bei diesem Designtyp liegt<br />
13<br />
14<br />
Mit der Methodenkombination ist allgemein gemeint, dass beide Analysearten – quantitative und<br />
qualitative - im Forschungsprojekt miteinander verbunden werden (Westle 2009). Creswell ordnet dem<br />
Mixed Method Ansatz zudem unterschiedliche Designtypen zu, die verschiedene Kombinationen aus<br />
quantitativen und qualitativen Methoden vorsehen (Creswell 2003, vgl. Westle 2009: 356).<br />
Vgl. hierzu Schaubild 12.4/2a, in: Westle 2009: 357.<br />
9
Einleitung<br />
die Priorität auf der quantitativen Inhaltsanalyse, die lediglich durch die Erkenntnisse der<br />
qualitativen Inhaltsanalyse ergänzt wird (vgl. Crewell 2003: 211f., zitiert n. Westle 2009:<br />
357). Die gesamte Inhaltsanalyse soll wie bereits angedeutet am Beispiel des<br />
Kanzlerduells 2009 operationalisiert werden. Ein Datenset von Tweets, die am 13.<br />
September 2009 im Zeitraum von 20.30:00 Uhr bis 22:30:02 Uhr im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 versendet wurden, bildet die empirische Grundlage. 15<br />
Die übergeordnete Fragestellung der vorliegenden Arbeit wird in zwei Arbeitsschritten<br />
erschlossen:<br />
Teil 1: In Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit wird der Untersuchungsgegenstand auf<br />
deskriptive Weise näher beleuchtet. Eine schrittweise Annährung erfolgt über das Modell<br />
der politischen Öffentlichkeit. Kapitel 2.1 befasst sich zunächst mit dem intermediären<br />
System Öffentlichkeit und der dreistufigen Ebenendifferenzierung von Öffentlichkeit. Die<br />
Ebene der Versammlungsöffentlichkeit soll in Kapitel 2.2 besondere Beachtung finden, da<br />
auch auf dieser Ebene neue Formen der Kommunikation, Partizipation und<br />
Meinungsbildung zu finden sind, die sich durch die dezentralen und interaktiven<br />
Strukturen des Internets der zweiten Generation etabliert haben. Kapitel 2.3 beschreibt in<br />
Anlehnung an die im Vorfeld getroffenen Aussagen das Phänomen der politischen<br />
Twitter-Nutzung und widmet sich dieser neuen Form von Öffentlichkeit, in der sich<br />
politische Kommunikation und Meinungsbildung deutlich anders verhält als in anderen<br />
Online-Netzwerken. Twitter als Hybridmedium zwischen Encounterebene, Versammlungsund<br />
Medienöffentlichkeit wird an dieser Stelle exemplarisch für die Verschiebung der<br />
Öffentlichkeitsebenen betrachtet. Bereits in Kapitel 2 wird somit die Auswahl der<br />
Analysekategorien für die quantitative Inhaltsanalyse konkretisiert.<br />
Teil 2: Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf der empirischen<br />
Untersuchung in Kapitel 3 und 4. Kapitel 3 nähert sich zunächst dem konkreten Aufbau<br />
der Datenanalyse hinsichtlich Methodik, Untersuchungszeitraum und Materiallage. Hierzu<br />
werden zunächst eine Reihe von Arbeitshypothesen unter Einbezug der<br />
forschungsleitenden Fragestellung und auf Basis der Erkenntnisse aus Kapitel 2<br />
formuliert. Hierauf aufbauend werden die Ergebnisse der Inhaltsanalyse in Kapitel 4 in<br />
zwei Schritten vorgestellt. Zunächst wird in Kapitel 4.1 die Begleitkommunikation zum<br />
Kanzlerduell 2009 in Form eines Fallprofils umschrieben; Teilnehmeranzahl und Aktivität<br />
spielen hier eine Rolle. Analog hierzu werden die zuvor herausgearbeiteten Kategorien<br />
auf die Muster der ereignisorientierten politischen Echtzeitkommunikation bei Twitter<br />
15<br />
Konstituierend für die gesamte Analyse ist die Feststellung, dass die computergestützte Inhaltsanalyse<br />
die „Kombination von qualitativen und quantitativen Auswertungsprozeduren auf verschiedenen<br />
Ebenen (…)“ (Behnke et al. 2006) zudem allgemein erleichtert.<br />
10
Einleitung<br />
angewendet und in Kapitel 4.2 empirisch überprüft. In Kapitel 4.3 wird der Blick auf die<br />
Feinheiten der begleitenden Echtzeitkommunikation gelegt, indem mit Hilfe der<br />
qualitativen Inhaltsanalyse thematische Korrelationen zwischen der Kommunikation bei<br />
Twitter und dem im Fernsehen übertragenen Kanzlerduell 2009 dargelegt werden sollen.<br />
Ein Zwischenfazit zur empirischen Analyse, unter Berücksichtigung der methodischen<br />
Einschränkungen, wird in Kapitel 4.4 gezogen. Kapitel 5 fasst schließlich die wichtigsten<br />
Ergebnisse der Analyse zusammen und gibt einen Ausblick für nachfolgende<br />
Forschungsvorhaben.<br />
1.5 Fallbeispiel: Das „Kanzlerduell 2009“ im Gefüge der crossmedialen<br />
Debattenwelt<br />
In der vorliegenden Arbeit stellt das Kanzlerduell 2009 das rahmenbedingende Objekt der<br />
empirischen Untersuchung dar. An dieser Stelle sollen demnach die Grundzüge des<br />
Kanzlerduells 2009, das sich in eine gewandelte crossmediale Debattenwelt des<br />
Medienwahlkampfes 2009 einbetten lässt, nachgezeichnet werden. 16<br />
Das Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer,<br />
Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier, das am 13. September 2009 ab 20:30 Uhr auf ARD,<br />
ZDF, RTL und Sat.1 ausgestrahlt wurde, markierte den Höhepunkt in einem von<br />
öffentlichkeitswirksamen politischen Gesprächsrunden, Bürgersprechstunden und<br />
täglichen Polit-Talkshows charakterisierten Medienwahlkampf 2009. 17 Auch wenn nur ca.<br />
14 Millionen Zuschauer den Schlagabtausch zwischen Merkel und Steinmeier verfolgten –<br />
beim TV-Duell zur Bundestagswahl 2005 waren es ca. 20 Millionen Zuschauer (vgl.<br />
Hanfeld et al. 2009) – formierte er „die größte medial hergestellte Teilöffentlichkeit“ des<br />
Superwahljahres 2009 (Bieber 2010a: 239). Bereits im Vorfeld wurden jedoch Zweifel an<br />
der Bedeutungs- und Aussagekraft des Duells seitens der Massenmedien und den<br />
politischen Akteuren laut. Die gemeinsame vierjährige Regierungsverantwortung in der<br />
Großen Koalition, die fehlenden Streitpunkte in Grundsatzfragen und dem „quasi<br />
präsidentiellen Gestus“ der Kanzlerin (Bieber 2010a: 245, zitiert n. Blätte i.d.B) sowie ihre<br />
defensive Strategie im Wahlkampf führten zu der Annahme, dass aus dem angekündigten<br />
16<br />
17<br />
Die Entwicklungslinien der politischen Debattenkultur in Deutschland, die ihren Ursprung in der USamerikanischen<br />
great debate hat, können im Rahmen dieser Masterarbeit nicht thematisiert werden;<br />
vgl. hierzu Maurer et al. 2007, sowie Maurer/Reinemann 2003. Für eine nähere Betrachtung zur<br />
Messung von Wahrnehmung im Rahmen von TV-Duellen bieten sich die Beiträge von Thorsten Faas<br />
an; vgl. u.a. Faas 2004<br />
Die unterschiedlichen Debattenformate im Vorfeld des Kanzlerduells verdeutlichen, dass der<br />
Medienwahlkampf 2009 in Deutschland keineswegs unter Innovationsmüdigkeit im Sinne neuer<br />
Gesprächsformate litt. Als Beispiele wären an dieser Stelle 2009 – wir wählen. Zuschauer fragen –<br />
Angela Merkel anwortet (17.05.2009, RTL), Ihre Wahl! (ab dem 23.08.2009, SAT 1.), oder das<br />
Wahlforum (3. Und 15.09.2009, ZDF) zu nennen. Die so genannte „Trielle“ – ein Aufeinandertreffen der<br />
Vertreter der Oppositionsparteien – wurde von ARD, ZDF und RTL ausgestrahlt und kann als<br />
konkreteste Form einer „Debatte-vor-der-Debatte“ verstanden werden; vgl. hierzu Bieber 2010a: 243f.<br />
11
Einleitung<br />
Duell eher ein „Selbstgespräch unter Kabinettsmitgliedern“ (<strong>Korte</strong> 2010: 23) resultieren<br />
würde. Kaum überraschend war daher der Umstand, dass während des gesamten Duells<br />
„eine grundsätzliche Rollenverteilung in defensiv-zurückhaltende Amtsinhaberin und<br />
offensiv-angriffslustigen Herausforderer“ erkennbar war (Bieber 2010a: 246). Von einem<br />
deutlichen Duell-Charakter konnte bei diesem Argumentationsaustausch dennoch nur<br />
bedingt die Rede sein. Neben den beiden Kandidaten, deren Meinungen hinsichtlich der<br />
einzelnen Themenkomplexe nur rudimentäre Differenzen aufwiesen und diese nur<br />
beiläufig angesprochen wurden, machten auch die Themengewichtung sowie die<br />
dominante Rolle der vier Moderatoren – Peter Limbourg, Frank Plasberg, Maybrit Illner<br />
und Peter Kloeppel – aus dem Duell zwischen Merkel und Steinmeier, ein Duett Merkel-<br />
Steinmeier gegen das Moderatorenteam (vgl. Spiegel Online 2009). Die Tatsache, dass<br />
das Kanzlerduell 2009 eher als Duett bewertet werden kann und der Umstand, dass kein<br />
Live-Stream zur Debatte verfügbar war, 18 überraschte nicht, da die Experimentierfreude<br />
von Fernsehanstalten und Parteien hinsichtlich einer Digitalisierung unterschiedlicher<br />
Debatten-Formate während des tatsächlichen Schlagabtausches am 13. September 2009<br />
nicht zu erkennen war. Nichtsdestotrotz entwickelte sich auf vielen Kanälen des Internets<br />
und „im Rücken des Leitmediums Fernsehen“ eine angeregte Debatte (Bieber 2010a:<br />
254). Bieber hält in diesem Zusammenhang fest, dass sich „[o]hne Steuerung und<br />
Koordination (…) ein Online-Mosaik aus kleinen Versatzstücken der digitalen<br />
Echtzeitkommunikation gebildet [hat]“. Hierbei spielten insbesondere das Live-Transkript<br />
der Online-Plattform wahl.de, Live-Blogs, Chats aber auch Facebook und Twitter eine<br />
bedeutende Rolle für die Verlagerung der Begleitkommentierung ins Netz. 19 Die<br />
Wahrnehmung des Kanzlerduells wurde von dem heimischen Sofa in die sozialen<br />
Netzwerke getragen und eröffnete somit einem breiteren Netz-affinen Publikum einen<br />
Einblick in die online-basierte „Echtzeit-Debatte zum Kanzlerduell“ (ebd. 545). Wie bereits<br />
die Beispiele aus den USA, Großbritannien und Australien gezeigt haben, bei denen die<br />
begleitende Online-Debatte über Live-Blogs, Facebook oder Twitter sehr viel<br />
umfangreicher ausfiel, etablierte sich im Rahmen dieses für den Wahlkampf weiterhin als<br />
relevant postulierten Ereignisses eine neue Form von Öffentlichkeit, die am ehesten auf<br />
18<br />
19<br />
Allein der Sender Phoenix entschied sich entgegen aller Abmachungen kurzfristig für einen Live<br />
Stream. Den „Medienbruch“, von dem Bieber in diesem Zusammenhang spricht, konnte diese<br />
Übertragung im Internet jedoch nicht kompensieren (Bieber 201a: 253).<br />
Das Live-Transkript zum Kanzlerduell 2009 findet sich unter: http://www.wahl.de/kanzlerduell.<br />
Unzählige persönliche Live-Blogs, bspw. die Einschätzung von Christian Jung unter<br />
http://www.homopoliticus.de/2009/09/14/live-in-getrennten-welten/ ist zu nennen, aber auch Online-<br />
Formate bei Spiegel Online (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,648018,00.html, Stand<br />
13.09.2009 ) oder ZDF begleiteten das Kanzlerduell im Netz.Georg Watzlawek vom Handelsblatt bietet<br />
eine Übersicht der Live-Blogs an und verweist auf seine eigene Wahrnehmung des Duells, die er auf<br />
seinem Twitter-Account mitteilt; vgl. hierzu http://blog.handelsblatt.com/madagaskar/2009/09/13/keinlive-blog-zum-tv-duell/<br />
(Stand 13.09.2009) und http://gwatzlawek.tumblr.com/post/187143472/livetweet-zum-tvduell<br />
(Stand 13.09.2009).<br />
12
Einleitung<br />
der Ebene einer Versammlung mit undefinierbarem Zielpublikum zu verorten ist (vgl.<br />
Bieber 2010a: 256). Die Verlagerung der ereignisorientierten Echtzeit-Kommunikation auf<br />
Weblogs oder Social Network Sites (SNS) eröffnet demnach neue mediale<br />
Resonanzräume, die von einer undefinierbaren Masse an Nutzern ohne Zugangshürden<br />
genutzt werden können. Die Übertragung des Kanzlerduells 2009 stellte nicht nur ein<br />
weiteres Mal den Höhepunkt des Bundestagswahlkampfes dar, sondern lenkte den Blick<br />
auf eine neue Art der begleitenden, berichtenden Kommunikation: die ereignisorientierte<br />
Echtzeitkommunikation in sozialen Netzwerken.<br />
13
Öffentlichkeit im Wandel<br />
II<br />
Untersuchungsgegenstand<br />
2. Öffentlichkeit im Wandel<br />
Die Herausbildung einer politischen Öffentlichkeit ist demokratiepolitisch von höchster<br />
Relevanz, wenngleich sie nicht der alleinige Garant für Demokratie ist (Grunwald 2006:<br />
69). Die Kommunikation in einer Gesellschaft ist strukturbildend für die allgemeine<br />
Öffentlichkeit, die demzufolge als Kommunikationssystem begriffen werden kann, deren<br />
Zugang prinzipiell für jedermann frei ist (vgl. Strohmeier 2004: 76). Eine begriffliche<br />
Eingrenzung von Öffentlichkeit scheint jedoch schwierig, da sie keine definierbare Größe<br />
darstellt, sondern vielmehr eine „Vielzahl – teilweise miteinander vernetzter – kleinerer<br />
und größerer Kommunikationsforen (...), in denen Informationen und Meinungen<br />
ausgetauscht werden“ (ebd.), umspannt. Öffentlichkeit und Kommunikation sind in der<br />
modernen Gesellschaft 20 unter „neuen Vorzeichen“ (Weidenfeld 2008: 7) zu betrachten.<br />
Die „Medienevolution“ (Leggewie 2003: 116) der letzten Jahre und die mit ihr in<br />
Verbindung stehenden Modifikationen der Informations- und Kommunikations-<br />
Technologien, haben das System Öffentlichkeit und das Kommunikationshandeln<br />
innerhalb einer modernen Gesellschaft maßgeblich beeinflusst (vgl. ebd.). In diesem<br />
Wandel von Öffentlichkeit nimmt das Internet eine bedeutende Rolle ein. Es handelt sich<br />
zwar nicht um „ein brandneues Medium als vielmehr um eine kumulative, multimediale<br />
Evolution, die alles leistet, was alte Medien je für sich zu leisten im Stande [waren, I.S.],<br />
aber vor allem eine Eigenheit aufweist: das interaktive Potenzial“ (Leggewie 2003: 116).<br />
Die Veränderungen verlangen somit nach einer differenzierten Betrachtung von<br />
Öffentlichkeit.<br />
2.1 Das intermediäre System Öffentlichkeit<br />
Idealtypisch sorgt ‚Öffentlichkeit„ im Rahmen von demokratischen Entscheidungs- und<br />
Willensbildungsprozessen für Legitimation und Transparenz. Ein dauerhafter<br />
Kommunikationsprozess zwischen Repräsentanten und Bürgern innerhalb einer Vielzahl<br />
unterschiedlicher Kommunikationsforen 21 bildet die Grundlage für die Öffentlichkeit einer<br />
20<br />
21<br />
Die moderne Gesellschaft kann an dieser Stelle als ein „funktional differenzierte(s)“ System verstanden<br />
werden, dessen Teilsysteme jeweils unterschiedlichen Sinnrationalitäten folgen und unterscheidbare<br />
Funktionen erfüllen (vgl. Gerhards/Neidhardt 1990: 7). Das politische System als Teilsystem einer<br />
modernen Gesellschaft erfährt im Rahmen dieser Arbeit die umfassenste Aufmerksamkeit.<br />
Ist heute von Foren die Rede, dann sind in diesem Zusammenhang “kommunikative Strukturen<br />
gemeint, innerhalb derer sich (...) Interessierte gleichermaßen austauschen” (Plake et al. 2001: 29).<br />
Foren sind von Sachlichkeit, der Möglichkeit des Rollenwechsels, aber auch der Spontanität<br />
gekennzeichnet (vgl. ebd.).<br />
14
Öffentlichkeit im Wandel<br />
demokratischen Gesellschaft. Als „intermediäres System, das sich durch Austausch von<br />
Informationen und Meinungen durch Personen, Gruppen und Organisationen konstituiert“<br />
(Jarren/Donges 2006: 103), vermittelt Öffentlichkeit zwischen dem politischen System und<br />
der Gesellschaft. Der prinzipiell freie Zugang zu diesem Kommunikationssystem ist die<br />
allgemeine Zielvorstellung politischer Kommunikation (vgl. Imhof et al. 2006: 12). Ohne<br />
eine gewisse Vermittlungsleistung kann politische Kommunikation zwischen den<br />
unterschiedlichen Öffentlichkeitsakteuren jedoch nicht realisiert werden. In modernen<br />
Gesellschaften übernehmen daher die Massenmedien diese vermittelnde Funktion.<br />
Neben den etablierten Massenmedien wie Hörfunk, Fernsehen und Presse tritt seit<br />
einigen Jahren verstärkt das Internet als Kommunikationssystem und Verbreitungskanal<br />
von Informationen hervor. Die Möglichkeiten der direkten Kommunikation zwischen<br />
Akteuren des politischen Systems und den Bürgern vervielfältigen sich hierdurch, so dass<br />
die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -verbreitung neue Dimensionen erfährt.<br />
2.1.1 Begriffliche Eingrenzung<br />
Das moderne Verständnis von Öffentlichkeit ist ein Produkt der Aufklärung 22 . Mit<br />
Öffentlichkeit sind Angelegenheiten des Staates gemeint, die für die Bürger offen und<br />
zugänglich sein sollten. Das politische Handeln sollte demnach „an das Räsonnement der<br />
Bürger, an deren Meinungen gebunden werden“ 23 (Gerhards/Neidhardt 1990: 4; vgl.<br />
Schaffhauser 1997). Auch in modernen Gesellschaften bildet Öffentlichkeit eine<br />
dauerhafte und wichtige Bezugsgröße, mit der eine „elementar-demokratische Qualität“<br />
(Gerhards/Neidhardt 1990: 3) assoziiert wird. Als verfassungsrechtliche Grundausstattung<br />
von demokratisch-legitimierten politischen Systemen (vgl. Neidhardt 1994: 8) schafft<br />
Öffentlichkeit durch einen auf Dauer angelegten Kommunikationsprozess innerhalb des<br />
politischen Systems und zwischen demselbigen und der Gesellschaft Transparenz und<br />
Legitimation (vgl. Kamps 1999: 9). Die Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen<br />
als herausragende Funktion des politischen Systems in modernen Gesellschaften wird<br />
demnach durch die Öffentlichkeit im Sinne eines Kommunikationssystem und sozialen<br />
Raumes, in dem Öffentlichkeitsakteure miteinander kommunikativ agieren, kontrolliert<br />
(vgl. Gerhards/Neidhardt 1990: 8 / Grunwald et al. 2006: 70). 24 Die Intermediarität dieses<br />
22<br />
23<br />
24<br />
Gleichzeitig wurde mit Öffentlichkeit auch die Absage des Privaten gegenüber dem Öffentlichen<br />
verbunden. Die gesellschaftlichen Akteure treten aus ihrer Privatsphäre heraus und verlagern ihr<br />
Kommunikationshandeln auf eine der im nachfolgenden thematisierten Öffentlichkeitsebenen (Kapitel<br />
2.1.3; vgl. Neidhardt 1994: 7).<br />
Jürgen Gerhards spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Art volonté general“<br />
(Gerhards/Neidhardt 1990: 3). Diesbezüglich kann festgestellt werden, dass dem Öffentlichkeitsbegriff<br />
zwischenzeitlich immer auch ein moralischer Impetus angehaftet wird<br />
Diese Funktionsbestimmung, die dem politischen System im Allgemeinen zukommt, ist in der<br />
Wissenschaft als common sense zu betrachten.<br />
15
Öffentlichkeit im Wandel<br />
ausdifferenzierten „Kommunikationssystem[s] Öffentlichkeit“ (ebd.: 9f.) ermöglicht eine<br />
Rückkopplungsschleife zwischen kollektiv verbindlichen Entscheidungen und den<br />
Meinungen der Bürger. Öffentlichkeit in modernen Gesellschaften trägt demzufolge dafür<br />
Sorge, dass Informationen, Meinungen und Interessen aufgenommen, verarbeitet und<br />
artikuliert werden. „Eine Öffentlichkeit, von der angebbare Gruppen eo ipso<br />
ausgeschlossen wären, ist nicht etwa nur unvollständig, sie ist vielmehr gar keine<br />
Öffentlichkeit“, so Jürgen Habermas in seinem wegweisenden Werk Strukturwandel der<br />
Öffentlichkeit (Habermas 1990: 156). Der relativ freie Zugang zur Öffentlichkeit bedeutet<br />
demzufolge, dass ein Sprecher vor einem Publikum kommuniziert, dessen Größe er nicht<br />
bestimmen kann (vgl. Habermas 1990: 98; vgl. auch Neidhardt 1994: 10). Werden<br />
Informationen und Meinungen über Angelegenheiten der res publica ausgetauscht so<br />
spricht die Literatur oft von politischer Öffentlichkeit (vgl. Sarcinelli 2009: 57). Auch in<br />
diesem gemeinsamen kommunikativen (Ver-) Handlungsraum stellt das Publikum eine<br />
diffuse Größe dar. Der soziale Raum Öffentlichkeit, durch Kommunikationshandlungen<br />
konstituiert, charakterisiert sich demnach im politischen wie auch im allgemein<br />
gesellschaftlichen Bereich durch unstetige Beziehungen unter den<br />
Öffentlichkeitsakteuren, die je nach Öffentlichkeitsebene und Thematik zu differenzieren<br />
sind (vgl. Schulz 2008: 114 ff.; vgl. Perlot 2008: 20). 25<br />
Im intermediären System Öffentlichkeit nehmen die Massenmedien die<br />
Vermittlerrolle zwischen politischem System und Gesellschaft ein (vgl. Jarren/Donges<br />
2006: 103) und beeinflussen, wie sich später zeigen wird, maßgeblich die Meinungs- und<br />
Willensbildungsprozesse innerhalb einer Gesellschaft. Ziel ist die Erzeugung einer<br />
öffentlichen Meinung, „das heißt eine Meinung, die sich in den Arenen öffentlicher<br />
Meinungsbildung weitgehend durchzusetzen vermag“ (Jarren/Donges 2006: 103) und aus<br />
der Fokussierung auf bestimmte Sachverhalte oder Konsens über ein Thema entsteht<br />
(Neidhardt 1994: 7). 26<br />
2.1.2 Strukturmerkmale und Funktionen<br />
Aus einem normativen Verständnis heraus ist Öffentlichkeit als konstituierende Variable<br />
für die Betrachtung der modernen Gesellschaft von hoher Relevanz. Die Funktionen, die<br />
Öffentlichkeit idealtypisch erfüllen soll, werden sowohl anhand der zwei dominierenden<br />
Öffentlichkeitsmodelle – Spiegelmodell (nach Niklas Luhmann) und Diskursmodell (nach<br />
Jürgen Habermas) – als auch unter Bezugnahme der unterschiedlichen<br />
25<br />
26<br />
Zur näheren Betrachtung der Öffentlichkeitsakteure dienen die Ausführungen von Neidhardt (1994)<br />
sowie Gerhards/Neidhardt (1990), Jarren/Donges 2006: 105, sowie Peters 1993.<br />
Inwieweit und unter welchen Bedingungen die öffentliche Meinung auch der Meinung des Publikums<br />
beziehungsweise derer, die am öffentlichen Kommunikationsprozess nicht teilgenommen haben,<br />
entspricht, ist Teil empirischer Untersuchungen.<br />
16
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Demokratietheorien 27 überprüft. Geht man bei der Entstehung von Öffentlichkeit von<br />
einem dreistufigen Prozess aus – Input, Throughout, Output 28 – so lassen sich die<br />
normativen Ansprüche an die (politische) Öffentlichkeit gemäß dreier Prinzipien<br />
überprüfen (vgl. Gerhards/Neidhardt 1990: 13ff.):<br />
1. Transparenzfunktion: „Öffentlichkeit soll offen sein für alle gesellschaftlichen<br />
Gruppen sowie für alle Themen und Meinungen von kollektiver Bedeutung“<br />
(Neidhardt 1994: 8f.)<br />
2. Validierungsfunktion: „Öffentlichkeitsakteure sollen mit den Themen und<br />
Meinungen anderer diskursiv umgehen und ihre eigenen Themen und<br />
Meinungen unter dem Druck der Argumente gegebenenfalls revidieren“ (ebd.).<br />
3. Orientierungsfunktionen: „Öffentliche Kommunikation, die von den<br />
Öffentlichkeitsakteuren diskursiv betrieben wird, erzeugt öffentliche Meinungen,<br />
die das Publikum als überzeugend wahrnehmen und akzeptieren kann“ (ebd..).<br />
Resümierend sind demzufolge drei Gütekriterien von Öffentlichkeit wahrzunehmen: a)<br />
Offenheit des Zugangs, b) Diskursivität der öffentlichen Kommunikation, c)<br />
Legitimitätsleistung der Öffentlichkeit für die Politik (vgl. Schulz 2008: 334; vgl. Habermas<br />
1990). Sowohl das Spiegelmodell als auch das Diskursmodell thematisieren die Erfüllung<br />
dieser Funktionen entlang des Prozessverlaufs zur Generierung von Öffentlichkeit. Der<br />
Komplexität dieser beiden Öffentlichkeitsmodelle geschuldet, wird an dieser Stelle nicht<br />
näher auf sie eingegangen. 29 Grundsätzlich unterscheiden sich beide Modelle jedoch<br />
darin, welchen Funktionen sie im öffentlichkeitgenerierenden Prozess die größte<br />
Leistungsfähigkeit zurechnen. Das Potenzial der Funktionserfüllung von Öffentlichkeit<br />
hängt, wie in den folgenden Abschnitten aufgezeigt werden soll, von der jeweiligen Ebene<br />
ab.<br />
27<br />
28<br />
29<br />
Die unterschiedlichen Demokratiemodelle werden aufgrund ihrer Komplexität in dieser Arbeit erwähnt,<br />
jedoch nicht näher bestimmt. Lediglich das deliberative Demokartiemodell findet in Kapitel 2.1.4 in<br />
Ansätzen Verwendung.<br />
Der dreistufige Prozesse zur Bildung von Öffentlichkeit umfasst folgende Schritte: Themen und<br />
Meinungen werden gesammelt (Input), Themen und Meinunungen werden verarbeitet (Throughout),<br />
Themen und Meinungen werden weitergegeben (Output); vgl. hierzu Gerhards/Neidhardt 1991: 42;<br />
Neidhardt 1994: 8.<br />
Da die vorliegende Arbeit eine ausführliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen<br />
Öffentlichkeitstheorien- und Modellen aufgrund des eingeschränkten Rahmens nicht leisten kann, vgl.<br />
hierzu Marcinkowski 1993: 118, Gerhards 1994: 87, sowie Jarren/Donges 2006: 98ff.. Generell kann<br />
jedoch festgehalten werden, dass Niklas Luhmann sowie Frank Marcinkowski, einem<br />
systemtheoretischen Ansatz folgend, der Auffassung sind, dass die Massenmedien unter den<br />
Vorzeichen einer Differenzierung der modernen Gesellschaft und der Öffentlichkeit zu einem<br />
eigenständigen Funktionssystem der Gesellschaft avancieren (vgl. Luhmann 1996; Marcinkowski<br />
1993). Demgegenüber wird die gesellschaftstheoretische Perspektive vom liberalen Modell der<br />
politischen (Medien-)Öffentlichkeit geprägt, welches auf die Diskurstheorie und die damit verbundene<br />
Vorstellung einer deliberativen Demokratie nach Jürgen Habermas zurückgeht (Rhomberg 2009: 61).<br />
17
Öffentlichkeit im Wandel<br />
2.1.3 Ebenen der politischen Öffentlichkeit<br />
Wie bereits angedeutet, stellt die politische Öffentlichkeit im Sinne eines offenen<br />
Kommunikationssystems „eine weitgespannte und diffuse Größe dar“<br />
(Gerhards/Neidhardt 1990: 19). Die Differenzierung in mehrere Ebenen gibt Auskunft über<br />
den Grad der strukturellen Verankerung im politischen System. Im Vorfeld lässt sich<br />
bereits anmerken, dass die Anzahl der Kommunikationsteilnehmer steigt, der Grad der<br />
strukturellen Verankerung sowie die Selektion von Themen und die Professionalität der<br />
Leistungsrollen (Sprecher und Vermittler) mit zunehmender Ebene verstärkt wird. Die<br />
Publikumsrolle wird distanzierter, indirekter und passiver, so dass die Öffentlichkeit durch<br />
das politische System oder die etablierten Massenmedien kontrollierbarer und die<br />
Informationsgenerierung, -Verarbeitung, und -Anwendung einfacher wird (Strohmeier<br />
2004: 79). Die verfassungsrechtliche Verankerung der politischen Öffentlichkeit im<br />
demokratischen System rechtfertigt die einzelnen Schritte zu dieser Ausdifferenzierung<br />
(vgl. (Gerhards/Neidhardt 1990: 19). 30<br />
Das idealtypische Modell der differenzierbaren Öffentlichkeitsebenen vom Jürgen<br />
Habermas‟schen Ideenkonstrukt 31 geprägt (vgl. Habermas 1992), durch Friedhelm<br />
Neidhardt argumentativ fortgeführt (vgl. Neidhardt 1994) und in einem Pyramidenmodell<br />
von Jarren und Donges in der Folge zusammengefasst, bildet die Grundlage für die<br />
Betrachtung von Öffentlichkeit unter den Vorzeichen des Strukturwandels (Jarren/Donges<br />
2006: 103 f.). Demzufolge soll nachstehend auf die drei unterschiedlichen Ebenen des<br />
Systems Öffentlichkeit eingegangen werden, um im weiteren Argumentationsverlauf eine<br />
Einordnung der neuen durch das Internet hervorgerufenen Öffentlichkeitsebenen bzw.<br />
Teil- und Gegenöffentlichkeiten zu ermöglichen.<br />
30<br />
Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit manifestieren, wie bereits zu Beginn des Kapitels<br />
erwähnt, diese demokratische Grundvoraussetzung (vgl. ebd.). Siehe hierzu desweiteren Artikel §5<br />
und §8 des deutschen Grundgesetzes unter http://www.bundestag.de/dokumente/ rechtsgrundlagen/<br />
grundgesetz/gg_01.html .<br />
31 In seinem Werk Faktizität und Geltung fasst Habermas seine Idee der Öffentlichkeitsebenen<br />
folgendermaßen zusammen: „Sie [die Öffentlichkeit] stellt ein hochkomplexe Netzwerk dar, das sich<br />
räumlich in eine Vielzahl von überlappenden internationalen, nationalen, regionalen, kommunalen,<br />
subkulturellen Arenen verzweigt; das sich sachlich nach funktionalen Gesichtspunkten,<br />
Themenschwerpunkten, Politikbereichen usw. in mehr oder weniger spezialisierte, aber für ein<br />
Laienpublikum noch zugängliche Öffentlichkeiten gliedert; und das sich nach Kommunikationsdichte,<br />
Organisationskomplexität und Reichweite nach Ebenen differenziert – von der episodischen Kneipen, -<br />
Kaffeehaus- oder Straßenöffentlichkeit über die veranstaltete Präsenzöffentlichkeit von<br />
Theateraufführungen, Elternabenden, Rockkonzerten, Parteiversammlungen oder Kirchentagen bis zu<br />
der abstrakten, über Massenmedien hergestellten Öffentlichkeit von vereinzelten und global<br />
verstreuten Lesern, Zuhörern und Zuschauern“ (Habermas 1992: 425).<br />
18
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Abb. 1: Öffentlichkeitsmodell im Wandel<br />
Leit-<br />
Medien<br />
Medien-<br />
Öffentlichkeit<br />
Folgemedien<br />
Organisationsöffentlichkeit<br />
Selektion<br />
Versammlungs-<br />
Öffentlichkeit<br />
Spontanöffentlichkeit<br />
Quartier – und Betriebsöffentlichkeit<br />
Selektion<br />
Encounter<br />
Spontanöffentlichkeit<br />
Quelle: nach Jarren/Donges 2006: 105<br />
2.1.3.1 Encounter-Ebene<br />
Einfache Interaktionssysteme lassen sich auf der sogenannten Encounter-Ebene<br />
verorten, die den geringsten Grad der strukturellen Verfestigung mit dem politischen<br />
System aufweisen und meist dann entstehen, wenn Menschen an einem Ort<br />
zusammenkommen und kommunizieren. 32 Solche Formen von „kleinen Öffentlichkeiten“ 33<br />
entstehen fast zwangsläufig und sind zeitlich kaum eingrenzbar, sie „bilden die<br />
elementarste Form“ innerhalb des Systems Öffentlichkeit (Gerhards/Neidhardt 1990: 20).<br />
Auf der Encounter-Ebene lässt sich prinzipiell keine „Regelmäßigkeit von Begegnungen<br />
und damit ein Mindestmaß an kommunikativer Kontinuität [sowie] thematischer<br />
Zentrierung“ erkennen (Gerhards/Neidhardt 1990: 20), so dass man von<br />
„Episodencharakter“ für diese einfachen kommunikativen Interaktionssysteme spechen<br />
kann (ebd. 21). Auf Grund der fehlenden Synergieeffekte bezüglich der<br />
Meinungsgenerierung und der geringen Anzahl der dauerhaft partizipierenden<br />
32<br />
33<br />
Die Kommunikationsteilnehmer der einfachsten Interaktionsebene haben meist einen heterogenen<br />
Hintergrund und treffen sich zufällig auf der Straße oder im Café. Diese Orte bilden für Habermas den<br />
„örtlich zentrierten Kommunikationsrahmen“, der für die Etablierung kleiner Öffentlichkeiten sorgt<br />
(Gerhards/Neidhardt 1990: 20; vgl. Habermas 1962: 46 ff.). Die dort entstandene Kommunikation<br />
umschreibt Niklas Luhmann widerum mit „Kommunikation au troittoir“ (vgl. Gerhards/Neidhardt 1990:<br />
20).<br />
Diese Form von „kleiner Öffentlichkeit“ wird an dieser Stelle möglicherweise irreführend zur<br />
Beschreibung der Encounterebene benutzt, da mit einer kleinen Form von Öffentlichkeit in dieser<br />
Arbeit hauptsächlich die Ebene der Versammlungsöffentlichkeit gemeint ist, vgl. hierzu Kapitel 2.1.3.1<br />
19
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Kommunikationsteilnehmer ist der Einfluss auf die öffentliche Meinung demnach gering.<br />
Machtpolitisch ist die Encounter-Ebene daher relativ wirkungslos, jedoch keinesfalls<br />
bedeutungslos für die allgemeine Öffentlichkeit.<br />
Der offene Zugang und die Möglichkeit der grenzenlosen Informationsbeschaffung<br />
erleichtern ‚einfachen Öffentlichkeitsakteuren„ 34 die Kommunikation, erschweren unter<br />
dem Gesichtspunkt der „Unbestimmtheit (der) Entstehung“ dieser Interaktionsräume<br />
wiederum die Kontrolle durch das politische System (Gerhards/Neidhardt 1990: 22).<br />
2.1.3.2 Öffentliche Veranstaltungen<br />
Unter dieser Ebene sind „thematisch zentrierte Interaktions- oder Handlungssysteme zu<br />
verstehen, bspw. in Form von Veranstaltungen oder Demonstrationen“ (Jarren/Donges<br />
2006: 104). 35 Neben möglicher Spontanität der Zusammenkunft lässt sich dieser<br />
Öffentlichkeitsebene ein höherer Organisationsgrad zuschreiben. Öffentliche<br />
Veranstaltungen sind im Unterschied zur Kommunikation auf der Ecounter-Ebene<br />
demnach an soziale Voraussetzungen gebunden (Neidhardt 1990: 22). Das heißt, es<br />
bedarf der Organisation und Planung von Veranstaltungsort, Experten, Teilnehmern sowie<br />
der Bestimmung des Publikums. Durch den höheren Organisationsgrad vollzieht sich<br />
zusätzlich eine Differenzierung in Leitungs- und Publikumsrollen.<br />
Der Öffentlichkeitstypus ‚Veranstaltung‟ wird in der Literatur prinzipiell auch als<br />
Themenöffentlichkeit oder Versammlungsöffentlichkeit bezeichnet, da diese Form von<br />
Öffentlichkeit themenzentriert und ortsgebunden ist. 36 Eine thematische Festlegung<br />
ebenso wie eine deutliche Ausdifferenzierung zwischen Leistungs- und Publikumsrollen<br />
steigern die Chance der Synthetisierung von Meinungen und in der Folge somit die<br />
Herstellung einer öffentlichen Meinung, auch wenn beim angesprochenen Publikum<br />
Grenzen der Reichweite erkennbar werden (vgl. Neidhardt 1990: 22f.). Je größer die<br />
Stabilität dieser Öffentlichkeitsform ist, desto einfacher gelangen Themen aus der<br />
öffentlichen Versammlung an die Medienöffentlichkeit und erzielen somit allgemeine<br />
Aufmerksamkeit. 37 Nicht nur die Tatsache, dass thematische Fragmente von den<br />
34<br />
35<br />
36<br />
37<br />
Als Akteure der Peripherie lassen sich allgemein gesprochen Bürger und Personen der<br />
Zivilgesellschaft bezeichnen (Organisationen, Vebänder oder Parteien), jedoch unterscheidet Peters<br />
zusätzlich zwischen innerer und äußerer Peripherie abhängig von der Poisitionierung zum Zentrum;<br />
vgl. Peters 1993.<br />
Die Versammlungsfreiheit nach Artikel §8 GG verankert die Ebene der Veranstaltung bzw.<br />
Versammlung im Rechtssystem (vgl. http://www.bundestag.de/dokumente/ rechtsgrundlagen/<br />
grundgesetz/gg_01.html).<br />
Die Gebundenheit an einen Ort im räumlichen Sinne wird im weiteren Verlauf der Argumentation zu<br />
relativieren sein, da die digitale Form der politischen Versammlung an einen virtuellen Raum gebunden<br />
ist, der aus empirischer Sicht nur schwer einzugrenzen ist.<br />
Journalisten als externe Beobachter von Veranstaltungen/Versammlungen verhelfen Themen durch<br />
Selektion oder detaillierte Aufarbeitung auf die Ebene der Medienöffentlichkeit.<br />
20
Öffentlichkeit im Wandel<br />
etablierten Massenmedien aufgenommen werden, sondern dass diese Ebene von<br />
Meinungsführern ebenfalls häufig „als Testbühne für ein breiteres Publikum“ genutzt wird<br />
(ebd. 23), unterstreicht, dass bereits die Versammlungsöffentlichkeit durchaus<br />
machtpolitische Wirkung erzeugen kann.<br />
2.1.3.3 Medienöffentlichkeit<br />
Die Ebene der Medienöffentlichkeit erzeugt in modernen Gesellschaften die<br />
größtmögliche politische Wirkung (vgl. Strohmeier 2004: 81). Aufgrund der Reichweite der<br />
etablierten Massenmedien und ihrer verfestigten technischen Infrastruktur sorgen sie für<br />
eine dauerhafte und breitflächige Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Die<br />
Öffentlichkeit moderner Gesellschaften ist mit anderen Worten „insbesondere [eine]<br />
massenmedial vermittelte Öffentlichkeit“ (Gerhards/Neidhardt 1990: 23f.). Charakteristisch<br />
für diese Ebene ist die größere, aber auch abstraktere Anzahl von<br />
Kommunikationsteilnehmern, der hohe Grad an institutioneller Regelung von<br />
Kommunikation, beispielsweise durch Rundfunkanstalten, sowie die unbegrenzte<br />
Reichweite: grundsätzlich erreichen die etablierten Massenmedien jeden Bürger (vgl.<br />
Strohmeier 2004: 81). 38 Für die Konstituierung eines öffentlichen Raumes im politischen<br />
System und die Generierung von öffentlicher Meinung, ist es von Bedeutung, dass<br />
Themen und Meinungen die Ebene der Medienöffentlichkeit erreichen (vgl. ebd. 72).<br />
Sowohl Neidhardt als auch Jarren und Donges sehen in den etablierten Massenmedien<br />
auch unter dem Eindruck des umfassenden Einflusses durch das Internet weiterhin den<br />
Garant für die Verbreitung von Informationen und die Herstellung von öffentlicher Meinung<br />
(vgl. Gerhards/Neidhardt 1990: 24; Jarren/Donges 2006). Neben dieser Dominanz, die<br />
sich in der Ausdifferenzierung von Leitmedien zeigt, 39 schränkt die starke<br />
Institutionalisierung auf der dritten Ebene den kommunikativen Gestaltungsraum eines<br />
"mehr oder minder dauerhaft vorhandenen Publikum[s]“ deutlich ein (Jarren/Donges 2006:<br />
104). Insbesondere die Kanalisierung des freien Zugangs zur Öffentlichkeit und der<br />
fehlende Rückkanal seitens der etablierten Massenmedien verringern die Chance der<br />
aktiven Teilnahme am politischen Meinungsbildungsprozess für den einzelnen Bürger. 40<br />
Die hier angesprochenen Defizite der allgemeinen, massenmedial vermittelten<br />
38<br />
39<br />
40<br />
Die gesamte Bevölkerung einer Gesellschaft kann an dieser Stelle idealtypisch als Publikum begriffen<br />
werden, da die etablierten Massenmedien prinzipiell jeden Bürger erreichen können.<br />
Münkler definiert „Leitmedium‟ wie folgt: “Ein Leitmedium wird ein Medium, weil es zu einer bestimmten<br />
Zeit einige Ideen repräsentiert und spezifische Perspektiven auf die Welt eröffnet, welche der<br />
gesellschaftlichen Umgebung angemessen sind – kulturell ebenso wie technisch (...)” (Münkler 2009:<br />
46).<br />
Mitunter geht der kommunikativ-interaktive Zusammenhang zwischen Sprechern und Publikum auf der<br />
Ebene der Medienöffentlichkeit verloren (vgl. hierzu Habermas 1990).<br />
21
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Öffentlichkeit treten im Lichte des Internets als neuen Öffentlichkeitsraum deutlich hervor.<br />
Infolgedessen erfährt das Konzept der Teil- und Gegenöffentlichkeit erneut an Bedeutung.<br />
Mit dem Begriff ‚Gegenöffentlichkeit‟ ist „eine gegen eine hegemoniale Öffentlichkeit<br />
gerichtete Teilöffentlichkeit, die um einen spezifischen gesellschaftlichen Diskurs oder<br />
Standpunkt herum strukturiert ist“ (Zerfaß et al. 2008a: 213) gemeint. Die Aufmerksamkeit<br />
wird auf Themen gerichtet, die von der Bevölkerung oberflächlich unbeachtet bleiben,<br />
jedoch für die Allgemeinheit nichtsdestoweniger von Bedeutung sind. In diesem Sinne<br />
werden Informationen und Meinungen in Umgehung der Massenmedien verbreitet (vgl.<br />
Plake et al. 2001). Indikatoren für die Etablierung von Teil- und Gegenöffentlichkeiten<br />
können einem politökonomischen, gesellschaftlichen und medientechnischen Wandel<br />
zugrunde liegen. Das Internet bietet den Teil- und Gegenöffentlichkeiten in der komplexen<br />
Situation des Strukturwandels und der Verschiebung der Ebenen eine „zusätzliche<br />
öffentliche Bühne“ (Grunwald et al. 2006: 72). Demzufolge lässt sich nicht von einer<br />
radikalen Fragmentierung der Öffentlichkeit in Teil- und Gegenöffentlichkeiten sprechen,<br />
sondern vielmehr von einer „Renaissance von Gegenöffentlichkeiten und eine(r)<br />
digitale(n) Fortführung alternativer Kommunikation“ (Zerfaß et al. 2008a: 210). 41 In diesem<br />
Kontex bleibt festzuhalten, dass ein gegenseitiger Anpassungsprozess erkennbar ist, in<br />
dem sich die alternativen digitalen Teil- und Gegenöffentlichkeiten komplementär zur<br />
massenmedial vermittelten Öffentlichkeit verhalten und somit eine weitere Bühne für<br />
Kommunikation und Meinungsbildung eröffnen.<br />
Die vorgestellte Ebenendifferenzierung zeigt, dass alle drei Ebenen besondere<br />
Stufen im Ausdifferenzierungsprozess eines autonomen Öffentlichkeitssystems darstellen<br />
(vgl. ebd.). Die Annahme, dass mit jeder weiteren Ebene auch die Leistungsfähigkeit<br />
hinsichtlich des Prozesses von Informationssammlung, -verarbeitung, und -anwendung<br />
steigt, ist unter aktuellen Voraussetzungen nicht mehr zu halten. Denn aufgrund der<br />
intermediären Funktionen von Öffentlichkeit und der Etablierung einer neuen Öffentlichkeit<br />
– der Netzöffentlichkeit – kann vielmehr von einer „prinzipielle(n) Gleichrangigkeit“ (ebd.)<br />
gesprochen werden. Anstatt von einer strikten Differenzierung in Ebenen zu sprechen, ist<br />
daher einerseits eine Verschmelzung der klassischen Öffentlichkeitsebenen und<br />
andererseits eine Ausweitung des Systems Öffentlichkeit mit Hilfe von Netzöffentlichkeit<br />
und der aus ihr resultierenden neuen Teil- und Gegenöffentlichkeiten zu beobachten.<br />
41<br />
Bereits mit der Etablierung des Fernsehens als Leitmedium wurde von Teil- und Gegenöffentlichkeiten<br />
gesprochen. Das Konzept ist demnach nicht ausschließlich auf die Nutzung des Internet als<br />
zusätzliches Informations- und Kommunikationsmedium zurückzuführen (gl. Grunwald et al. 2006).<br />
22
Öffentlichkeit im Wandel<br />
2.1.4 Der Einfluss des Internets auf das System Öffentlichkeit<br />
In Anlehnung an das Werk Strukturwandel der Öffentlichkeit von Jürgen Habermas<br />
(Habermas 1990) wird in der Literatur seit vielen Jahren von einem zweiten, einem<br />
„digitalen Strukturwandel“ (Bieber 1999: 62) der Öffentlichkeit gesprochen. Die<br />
Neugestaltung des Systems ‚Öffentlichkeit„ in modernen Gesellschaften stellt die Validität<br />
der klassischen Öffentlichkeitstheorien gewissermaßen in Frage. 42 Zum einen kann das<br />
Internet aufgrund seiner dezentral organisierten Kommunikations- und<br />
Beteiligungsstruktur auf den ersten Blick nur schwer einer der klassischen<br />
Öffentlichkeitsebenen zugeordnet werden. 43 Zum anderen führt genau diese Eigenschaft<br />
des Internets zu einer Verschmelzung der netzbasierten mit der konventionell<br />
massenmedienorientierten politischen Öffentlichkeit sowie zu einer Vermischung<br />
unterschiedlicher Kommunikationsmodi. Um kommunikative Anschlussfähigkeit unter dem<br />
Eindruck des Wandels zu gewährleisten, ist eine Infrastruktur notwendig, bei der die<br />
Selektionsgrenzen der Öffentlichkeitsebenen durchlässiger für Themen und Meinungen<br />
sind (vgl. Plake et al. 2001). Obwohl die etablierten Massenmedien, insbesondere das<br />
Fernsehen, auch weiterhin die öffentliche Themenagenda und den öffentlichen<br />
Meinungsbildungsprozess bestimmen werden, ergänzt das Internet die alten Strukturen<br />
und fügt neue, zu meist koppelbare öffentliche Kommunikationsräume und<br />
Öffentlichkeitsebenen hinzu. 44 Die Verknüpfung alter und neuer Kommunikationskanäle<br />
beschleunigt die Kommunikation und erhöht Reichweite und Umfang des<br />
Informationsflusses. In diesem Sinne lässt sich von einer neuen „Vielkanalöffentlichkeit“<br />
sprechen, innerhalb derer das Internet als Meta-Medium oder auch „Hybrid-Medium“<br />
gesehen werden kann (Perlot 2007: 35). 45<br />
2.1.4.1 Netzöffentlichkeit und das Social Web<br />
Die Netzöffentlichkeit als neue Ausdifferenzierung im Öffentlichkeitsmodell kann als<br />
„komplexes Netzwerk aus miteinander vernetzten Teilöffentlichkeiten gesehen werden,<br />
die in ihrer Gesamtheit zur Entstehung einer Gegenöffentlichkeit beitragen“ (vgl. Bieber<br />
1999: 200). Wie bereits erwähnt, ist die Netzöffentlichkeit nicht von den klassischen<br />
42<br />
43<br />
44<br />
45<br />
Nichtsdestotrotz dienen die klassischen Theorien als Ausgangspunkt für die Konzeptionalisierung<br />
neuer Ansätze.<br />
Für eine nähere Betrachtung hinsichtlich der allgemeinen kommunikativen Potenziale des Internets,<br />
vgl. Plake et al. 2001;<br />
Es zeichnet sich ein Trend der gleichzeitigen und konvergenten Mediennutzung ab. Obwohl der Nutzer<br />
weiterhin der professionellen Vorselektion und Aufarbeitung durch die etablierten Massenmedien<br />
vertraut, wird er in der Informationsbeschaffung und der Kommunikation mit Hilfe des Internets<br />
souveräner und aktiver.<br />
Mit dem Ausdruck „Hybridmedium” ist die Annahme verbunden, dass das Internet sowohl bilaterale als<br />
auch multilaterale Kontakte ermöglicht. Zusätzlich fungiert es als “Sender für ein disperses<br />
Massenpublikum (vgl. Plake et al. 2001: 49).<br />
23
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Öffentlichkeitsebenen zu trennen, vielmehr kann sie als neuer Bestandteil im komplexen<br />
System Öffentlichkeit verstanden werden (vgl. Grunwald et al. 2006: 72). Die<br />
Netzöffentlichkeit bietet einen alternativen Ort, an dem Bürger in Online-Diskurse<br />
eingebunden werden und zu verstärkter Partizipation am politischen Geschehen angeregt<br />
werden sollen (ebd. 83). Mit der Verfestigung der politischen Netzöffentlichkeit für das<br />
alltägliche Kommunikationshandeln, etabliert sich nach und nach eine neue „architecture<br />
of participation“ (O‟Reilly 2004) im Internet bzw. im Web 2.0. Jedoch ist nicht die<br />
technische Determinante des Web 2.0 an dieser Stelle von Bedeutung, sondern das<br />
soziale Phänomen des Social Web. Stanoevska-Slabeva spricht von einer<br />
„Metamorphose des Internets von einem globalen Informationsmedium zu einem globalen<br />
Mit-Mach-Medium“ (Stanoevska-Slabeva 2008: 36). Die Ausdifferenzierung des Social<br />
Web in einzelne Anwendungen, die sich aus Social Network Sites (SNS) bzw. aus<br />
„Online-Communities oder Soziale(n) Online-Netzwerke(n)“ (Bieber et al. 2009: 54)<br />
konstituieren, verändern neben dem Partizipationsverhalten auch die politische – ob von<br />
etablierten Massenmedien oder Individuen geführte - Kommunikation. Wie in Abbildung 2<br />
darstellt, vernetzt das Social Web Kommunikation und Partizipation, indem Informationen<br />
ausgetauscht sowie Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden, um die kollaborative<br />
Zusammenarbeit und Kommunikation im gesellschaftlichen Kontext zu unterstützen (vgl.<br />
Ebersbach et al. 2008: 31). Gleichermaßen dazu erkennen Dana Boyd und Nicole Ellison<br />
drei wesentliche Merkmale bei Social Network Sites (SNS): „die Konstruktion eines<br />
öffentlichen oder halb-öffentlichen Profils innerhalb eines begrenzten Systems (1), die<br />
Darstellung einer Liste mit Kontakten beziehungsweise Verbindungen zu anderen<br />
Personen innerhalb eines Netzwerkes (2) sowie die Möglichkeit, sich die Kontakte<br />
anderer Personen anzusehen und als Verbindung zu Dritten zu nutzen (3)“ (Boyd/Ellison<br />
2007, zitiert nach Bieber et al. 2009: 55). 46 Sowohl für die gesamtgesellschaftliche als<br />
auch für die persönliche politische Kommunikation im Netz nimmt das Social Web somit<br />
eine Katalysator-Funktion ein (vgl. Bräuer et al. 2008). 47<br />
46<br />
47<br />
Beispielhaft für SNS sind hier u.a. Facebook.com, Studivz.net oder Twitter.com zu nennen<br />
Die Alltäglichkeit der Nutzung von Social Media Angeboten macht das Internet zu einem zentralen<br />
Medium der Persönlichkeitsentfaltung, weit über die politische Kommunikation, Partizipation oder<br />
Meinungsbildung hinaus.<br />
24
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Abb. 2: Dreiecksmodell des Social Web<br />
Quelle: nach Ebersbach et al. 2008: 35<br />
Weblogs, Microblogs wie beispielsweise Twitter oder die andere SNS – wie<br />
Facebook.com, Studivz.net oder myspace.com – zählen mittlerweile zum<br />
Standardrepertoire des Social Web. 48 Neben der einschlägigen<br />
„Empfehlungskommunikation“ (vgl. Bieber et al. 2009: 13) und der Möglichkeit zur<br />
Echtzeitkommunikation als Reaktion auf massenmediale Ereignisse, die dank der<br />
dezentralen und auf Interaktion ausgerichteten Struktur des Social Web möglich ist,<br />
unterstützen die individuellen Nutzerprofile als kommunikative Knoten die<br />
personenzentrierte Kommunikation (vgl. ebd. 56). 49<br />
Allgemein bietet die Netzöffentlichkeit und im Speziellen das Social Web Akteuren,<br />
deren Zugang zur politischen Öffentlichkeit im Vorfeld relativ eingeschränkt war, einen<br />
erleichterten Eintritt in eine neue, virtuelle Sprecherarena. Hier können sie als Sender und<br />
Empfänger, bzw. als Produzent und Konsument von Informationen agieren. Durch die<br />
Detailtiefe und -vielfalt der Netzöffentlichkeit unterscheiden sich die Online-Medien und<br />
Angebote des Social Web deutlich von den etablierten Massenmedien. Denn das „Internet<br />
als Social Web (…) bietet seinen Nutzern eine Plattform grenzenloser Meinungsbildung“<br />
(Zerfaß et al. 2008b: 210), 50 die vermehrt von weiten Teilen der Bevölkerung und<br />
politischen Akteuren im Alltag genutzt wird. In der gesamten Debatte um den digitalen<br />
Strukturwandel von Öffentlichkeit und die Verbreitung der politischen Kommunikation im<br />
48<br />
49<br />
50<br />
An dieser Stelle können der Vielfältigkeit der SNS und ihrer Spielereien geschuldet nur einige Beispiele<br />
exemplarisch genannt werden.<br />
Vgl. hierzu weiterführend Wehner 2008: 202 ff.<br />
Die aktuelle ARD/ZDF Online-Studie 2010 attestiert der Online-Nutzung in Deutschland einen<br />
deutlichen Anstieg. Auch die Anwendungen des Web 2.0 bzw. Social Web erfahren gesteigerten<br />
Zuspruch, obwohl der Zuwachs an Aktivität im Vergleich zum Vorjahr etwas gesunken ist. Das<br />
„Mitmach-Netz“ ist der Online-Studie zufolge weiterhin beschränkt eine kleine Gruppe von aktiven<br />
Nutzern; vgl. hierzu ARD/ZDF Online-Studie 2010.<br />
25
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Netz, ist zu berücksichtigen, dass nicht die Rolle der medialen Artefakte, sondern die<br />
Charakteristika ihrer Nutzung zu analysieren sind.<br />
2.1.4.2 Politische Online-Kommunikation und Partizipation<br />
Jede historische Medienevolution impliziert erhebliche Modifikationen der politischen<br />
Kommunikation. Die Vervielfältigung der Kommunikationsarenen und somit die bereits<br />
erwähnte Segmentierung von Öffentlichkeit, spiegelt gleichzeitig die „Individualisierung<br />
und Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Teilsystem(e)“ einer modernen Gesellschaft<br />
wieder (vgl. Schulz 2008: 132f.; Bieber et al. 2009: 89), die im Zuge der Globalisierung<br />
stetig zunimmt. An die Stelle der one-to-many-Kommunikation etablierter Massenmedien<br />
oder einfacher Websites, tritt die meist dezentral organisierte many-to-many oder manyto-some-Kommunikation<br />
(vgl. Kamps 2007: 311). Basierend auf der Annahme, dass<br />
politische Kommunikation seit der umfassenden Nutzung des Internet nicht mehr nur dem<br />
Top-down-Prinzip folgt, sondern auch Bottom-up-Kommunikation ermöglicht, deutet sich<br />
eine starke Veränderung des Denken und Handelns an (vgl. Bieber 2010c).<br />
In den sehr spezifischen Teil- und Gegenöffentlichkeiten des Internets wird die<br />
Aufmerksamkeit für Informationen gebündelt. Rezipienten schaffen sich mit Hilfe<br />
technischer Infrastrukturen im Netz ein themenspezifisches Informationsrepertoire (vgl.<br />
Schmidt 2006: 138). Obgleich der dezentrale Nutzungscharakter von Online-Medien<br />
häufig dem Vorwurf der kommunikativen Beliebigkeit unterliegt, scheinen Online-Medien<br />
und Angebote im Social Web der „Schlüssel zur Enthierarchisierung der politischen<br />
Kommunikation und Partizipation“ (Kamps 2007: 310) zu sein. Ihnen wird ein<br />
unbestreitbar großes Potenzial zugesprochen, den Sprecherraum der politischen<br />
Öffentlichkeit zu erweitern und Bürgern größere Partizipationsmöglichkeiten<br />
zuzusprechen (vgl. Zerfaß et al. 2008: 190). Die Integrationsleistung des Systems<br />
Öffentlichkeit, unterschiedlichsten Akteuren ein Forum der Kommunikation, Partizipation<br />
und Meinungsbildung zu bieten, wird mit Hilfe des Internets verstärkt. Unterstützt wird<br />
diese Entwicklung zudem durch den allmählichen Wegfall der Gatekeeper-Funktion<br />
etablierter Massenmedien. Unter den Vorzeichen des digitalen Strukturwandels von<br />
Öffentlichkeit wird somit jeder Bürger zu „einem Mitbeobachter, Mitjournalisten,<br />
Mitmoderator und Mitaktivisten in öffentlichen Angelegenheiten“ (Rolke 2002: 20, zitiert in<br />
Perlot 2007: 31). Getragen durch die Möglichkeiten des Social Web stehen Interaktivität,<br />
Vernetzung sowie das neue Konzept der „Produtzung“ 51 , die gemeinschaftliche Schaffung<br />
von Inhalten, im Mittelpunkt dieser Entwicklungen (Bruns 2009: 67f.).<br />
51<br />
Produtzung beschreibt die Verschränkung von Produktion und Nutzung geschaffener Inhalte.<br />
„Produtzung erfolgt in einem Umfeld, in dem die Gemeinschaft als Grundlage für die verteilte, vernetzte<br />
Schöpfung von Werten durch inkrementelle, iterative, und evolutionäre Prozesse fungiert“ (Bruns 2009:<br />
69).<br />
26
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Die Niederschwelligkeit der Zugangshürden sowie die relative Anonymität innerhalb der<br />
Netzöffentlichkeit bieten diesbezüglich einen strukturellen Vorteil (vgl. Kamps 1999: 36).<br />
In diesem digitalen Öffentlichkeitsraum ist demnach eine kontinuierliche Verlagerung von<br />
Passivität zu Aktivität hinsichtlich der politischen Kommunikation und Beteiligung zu<br />
erkennen.<br />
2.1.4.3 Fragmentierung der Gesellschaft durch das Internet<br />
Das „Schlagwort der Fragmentierung von Öffentlichkeit“ (Rhomberg 2009: 231), wie<br />
bereits angesprochen, nimmt für die Debatte um den Einfluss des Internets auf Politik und<br />
Gesellschaft eine wichtige Rolle ein. Die dichotome Debatte über die Ausdifferenzierung<br />
und Vernetzung der Informations- und Kommunikationssysteme sowie deren Einfluss auf<br />
das Handeln und Denken der Menschen bewegt sich insofern zwischen Faszination und<br />
Zweifel (vgl. Kamps 1999: 11). Auf der einen Seite wird von einer Revitalisierung der<br />
Demokratie durch vermehrte Partizipationsmöglichkeiten und vielseitige<br />
Kommunikationsräume für die Bürger gesprochen. Auf der anderen Seite postulieren<br />
Kritiker eine Fragmentierung der Gesellschaft. Fragmentierung, die die „Zersplitterung des<br />
Publikums in viele Zielpublika“ sowie die „Fragmentierung der politischen Öffentlichkeit in<br />
aufgefächerte, unstete Teilöffentlichkeiten“ meint (Rössler 2000, zitiert von Perlot 2007:<br />
26). Eine Verschärfung des Wettbewerbs um Aufmerksamkeit sowie die Ausweitung der<br />
gesellschaftlichen Kluft zwischen Informierten und nicht-Informierten, d.h. der „digital<br />
divide“ (Plaser/Ulram 2004: 93), wäre die unmittelbare Folge.<br />
Der Gefahr einer Fragmentierung von Öffentlichkeit und Gesellschaft im Zuge des<br />
digitalen Strukturwandels kann entgegnet werden, dass die Öffentlichkeit moderner<br />
Gesellschaften von Beginn an nicht homogen, sondern bereits seit der Etablierung des<br />
Fernsehens als Massenmedium in Gegen- und Teilöffentlichkeiten differenziert war (vgl.<br />
Grunwald et al. 2006). Dieser ‚neue‟ Pluralismus von unterschiedlichen Segmenten im<br />
System Öffentlichkeit bietet respektive vielmehr eine Chance für die Vielfalt und die<br />
Erweiterung von Kommunikations- und Partizipationsräumen (vgl. Perlot 2007: 32 f.). 52 In<br />
diesem Sinne schaffen neue Orte im Netz Raum für den schnelleren, direkteren und<br />
interaktiveren Austausch von Informationen und Meinungen. Die Nutzung des Internets<br />
und insbesondere von Social Network Sites oder anderen Online-Angeboten ist jedoch in<br />
keinem Fall als Königsweg für mehr bürgerliche Partizipation, direktere Kommunikation<br />
oder Meinungsbildungsprozesse nach deliberativem Ideal zu begreifen. Vielmehr<br />
ergänzen die onlinebasierten Angebote die politische Kommunikation und schaffen neue<br />
politische Teil- und Gegenöffentlichkeiten.<br />
52<br />
Kamps (2007) sowie Jarren/Donges (2006) machen im Zuge der Debatte auf die Risiken und Gefahren<br />
der Ausweitung des Internets auf Gesellschaft und politisches System aufmerksam.<br />
27
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Grundsätzlich bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die Komposition des<br />
intermediären Öffentlichkeitssystems sich im Sinne einer Verschmelzung der Ebenen,<br />
einer Vervielfältigung der Kommunikationsmodi und einer Vereinfachung der Partizipation<br />
an Meinungsbildungsprozessen verändert. Das Internet sowie die multiplen Möglichkeiten<br />
im Social Web scheinen dieser Entwicklung als Motor zu dienen.<br />
2.2 Politische Versammlungen<br />
Gewissermaßen als Prototyp politischer Veranstaltungen gelten Versammlungen 53 , die<br />
rechtswissenschaftlich als „Zusammenkunft von mindestens drei Personen an einem<br />
bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu dem gemeinsamen Zweck, bestimmte<br />
Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu erörtern, kundzugeben oder zu<br />
entscheiden“ verstanden werden (Hurrelmann et al. 2002: 549, vgl. Bieber et al. 2009:<br />
56). Die Kommunikation unter Anwesenden erschließt sich als zentrale Ressource für die<br />
Verständigung innerhalb politischer Versammlungen.<br />
Im Gegensatz zur Dominanz etablierter Massenmedien in modernen<br />
Gesellschaften sorgen öffentliche Veranstaltungen für die Verfestigung eines autonomen<br />
Öffentlichkeitssystems (vgl. Gerhards 1992: 765). Insbesondere für nicht-etablierte<br />
Öffentlichkeitsakteure bietet diese Ebene prinzipiell einen Zugang zur allgemeinen<br />
Medienöffentlichkeit (vgl. Neidhardt 1994: 10). Die Versammlung eröffnet Akteuren der<br />
Peripherie ein Forum, in dem sie erstmals zu Sprechern in der politischen Öffentlichkeit<br />
werden (vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998: 35).<br />
Netzbasierte Versammlungsöffentlichkeiten als eine neue Form des<br />
themenzentrierten Austauschs von Argumenten unterstützen diese kommunikative<br />
Ermächtigung der Akteure und fördern die Deliberation, wie in den nachfolgenden<br />
Abschnitten erläutert werden soll.<br />
2.2.1 Begriffserklärung und Historie<br />
Die politische Forderung nach Versammlungsfreiheit hat den Weg für die öffentliche<br />
Versammlung geebnet. Auch wenn das Grundgesetz in Artikel §8 54 keine genaue<br />
Begriffserklärung von ‚öffentlich„ angibt, ist „eine örtliche Zusammenkunft mehrerer<br />
Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung<br />
gerichteten Erörterung oder Kundgebung“ (Halberstadt/Hensel 1990: 90) als öffentliche<br />
Versammlung zu verstehen. Hierbei ist der Teilnehmerkreis, der unter Einsatz von<br />
53<br />
54<br />
Trotz Differenzierung folgt die Arbeit der ihr zugrunde liegenden Literatur und verwendet den Begriff<br />
„politische Veranstaltung‟ synonym mit „politische Versammlung‟.<br />
Vgl. hierzu http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01.html.<br />
28
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Diskussion oder Demonstration eine gemeinsame Aussage zum Ziel hat, nicht<br />
eingrenzbar. Trotz der unbestimmten Teilnehmeranzahl dient die verbindliche<br />
Willensbildung im Rahmen einer öffentlichen Angelegenheit als übergeordnetes Ziel (vgl.<br />
ebd.). Neben einer öffentlichen Versammlung sind jedoch auch nicht-öffentliche, geplante,<br />
spontane, in geschlossenen Räumen oder unter freiem Himmel stattfindende politische<br />
Veranstaltungen in dieses Konzept einzubeziehen, so zum Beispiel Parteitage,<br />
Mitgliederversammlungen von Bürgerinitiativen, Demonstrationen oder auch politische<br />
Online-Diskurse (vgl. Halberstadt/Hensel 1990: 151; vgl. Bieber 2003).<br />
Aus einer verstärkt politikorientierten Perspektive lassen sich politische<br />
Versammlungen zum einen grundsätzlich als kleine Form von Öffentlichkeit im Sinne<br />
eines Kommunikationssystems beschreiben. Zum anderen sind Versammlungen auf der<br />
Ebene der Mikropolitik zu klassifizieren (vgl. Gerhards 1992: 767; Hurrelmann et al. 2002:<br />
549). Beide Definitionen sind nicht trennscharf voneinander zu betrachten, sondern<br />
beanspruchen im Hinblick auf die Frage nach dem Deliberationspotenzial gleichermaßen<br />
Relevanz. Die politische Versammlung als Öffentlichkeitsform beruht einerseits auf einer<br />
Kommunikationsform, die sich durch nicht-technikvermittelte Multimedialität, Interaktivität<br />
und den Austausch von Argumenten auszeichnet. 55 Die Anwesenheit der<br />
Kommunikationsakteure sowie die thematische Zentrierung des Kommunikationshandelns<br />
sind strukturbildend für die Versammlung (vgl. ebd. 548), die sich als Ort eines oft<br />
diskursgeleiteten Meinungsaustauschs konstituiert. In diesem Sinne definiert Jürgen<br />
Gerhards politische Versammlungen als „kleine Öffentlichkeiten“ (Gerhards 1992: 767),<br />
da sie im Gegensatz zum System Öffentlichkeit keine Plattform für eine Vielzahl von<br />
Meinungen bieten, aus der eine öffentliche Meinung generiert wird. Ausgehend von einem<br />
relativ homogenen Teilnehmerkreis bei politischen Versammlungen, hat deren<br />
Zusammenkunft somit nicht das Räsonnement mehrerer Meinungen, sondern die<br />
Mobilisierung einer bestimmten öffentlichen Meinung zum Ziel (vgl. ebd.). 56<br />
Betrachtet man politische Versammlungen andererseits aus einer mikropolitischen<br />
Perspketive, handelt es sich um „zeitlich begrenzte Interaktionssysteme (…), die in eine<br />
organisatorische und institutionelle Umwelt eingebettet sind“ (Hurrelmann et al. 2002:<br />
549) und in einem relativ begrenzten Personenkreises stattfinden. Die Effektivität der<br />
öffentlichen Meinungsgenerierung bei politischen Versammlungen ist grundsätzlich jedoch<br />
von der Tatsache abhängig, inwieweit die diskutierten Themen auf die Ebene der<br />
Medienöffentlichkeit gelangen und dort von der Gesellschaft und dem politischen System<br />
55<br />
56<br />
Vgl. Kapitel 2.1.3.2<br />
In diesem Zusammenhang attestiert Habermas der politischen Versammlungsöffentlichkeit Merkmale,<br />
die er eigentlich den Massenmedien zuschreibt. Er bezeichnet diese Öffentlichkeitsebene als „eine<br />
vermachtete Ebene von Öffentlichkeit, die von den Parteien und Interessengruppen penetriert ist“ (vgl.<br />
hierzu Gerhards 1992: 778).<br />
29
Öffentlichkeit im Wandel<br />
wahrgenommen werden. „Die politische Versammlung braucht und sucht [daher]<br />
Öffentlichkeit“ (Halberstadt/Hensel 1990: 136).<br />
Beide Erklärungen von politischer Versammlung verweisen auf ein hohes<br />
Potenzial zur Deliberation in Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozessen. Mitunter<br />
steht diese Form der kleinen Öffentlichkeit somit häufig im Fokus demokratietheoretischer<br />
Forschung. 57 Im Sinne der deliberativen Demokratietheorie wird angenommen, dass<br />
politische Versammlungen aufgrund des diskursiven Kommunikationsverhaltens der<br />
Teilnehmer einen Beitrag zur Deliberation einer Gesellschaft leisten können, jedoch nur<br />
unter der Voraussetzung, dass sie allein durch Sozialdisziplinierung zustande kommen<br />
(vgl. Hurrelmann et al. 2002). Deliberation soll hier „als Erzeugung eines kollektiven<br />
Willens durch Äußerung und Austausch von Argumenten, die sich an Kriterien der<br />
Validität und Unparteilichkeit messen lassen müssen“ (ebd. 546), verstanden werden. 58<br />
Um generell von einer deliberativen Praxis im Rahmen einer politischen Versammlung<br />
sprechen zu können, sind jedoch idealtypische „Minimalbedingungen“ (Hurrelmann et al.<br />
2002: 547) zu erfüllen, die im Folgenden kurz skizziert werden:<br />
1. Zugangsfreiheit ist gesichert. Jeder Teilnehmer besitzt die Möglichkeit seine<br />
Argumente ohne Einschränkung zu äußern.<br />
2. Nichtbehinderung ist garantiert. Die Beteiligten dürfen sich nicht gegenseitig an<br />
der kommunikativen Partizipation hindern.<br />
3. Sachzentrierung ist sichergestellt. Der Diskurs soll sach- und themenorientiert<br />
verlaufen.<br />
4. Argumentativität ist gewährleistet. Alle eingebrachten Argumente können auf<br />
Nachfrage begründet werden.<br />
5. Aufmerksamkeit ist sichergestellt. Die Diskussionsteilnehmer sollen allen<br />
Beiträgen die nötige Aufmerksamkeit schenken, um dem Verlauf der<br />
Versammlung folgen zu können.<br />
6. Zurückhaltungsverbot ist umgesetzt. Relevante Argumente, insbesondere<br />
Gegenargumente, sollen von den Diskutanten nicht zurückgehalten werden.<br />
7. Reaktionsgebot gilt. Durch argumentative, aber auch Ja/Nein- Stellungnahmen<br />
zu einzelnen Beiträgen ist eine konsensorientierte Entscheidungsfindung und<br />
57<br />
58<br />
Dieser Aspekt der konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Deliberationspotenzial politischer<br />
Versammlungen erfährt an dieser Stelle nur eingeschränkte Aufmerksamkeit, da nicht das<br />
Deliberationspotenzial im Fokus steht, sondern die Frage, ob sich das Modell in die Online-Welt<br />
übertragen lässt und ob Dynamiken erkennbar sind; hierzu vertiefend vgl. Hurrelmann et al. 2002.<br />
Nach Habermas stellt Deliberation den Modus dar, der mit Hilfe eines rationalen Diskurses kollektiv<br />
verbindliche Entscheidungen zum Ziel hat (Habermas 1992: 138). Der Begriff ‚rationaler Diskurs„ kann<br />
auch als ‚argumentative Diskussion‟ bezeichnet werden, bei der nicht die Abgleichung der eigenen<br />
Präferenzen im Vordergrund, sondern vielmehr der Austausch unterschiedlicher Argumente im Fokus<br />
der Diskussion steht, um im Anschluss die eigenen Ansichten weiterzuentwickeln gemäß eines<br />
‚kognitiven Lernens„. Idealtypisch verlaufen deliberative Diskurse „frei, egalitär, rational und<br />
konsensorientiert“ ab (vgl. Hurrelmann et al. 2002: 546).<br />
30
Öffentlichkeit im Wandel<br />
idealerweise auch eine repräsentative Meinungsbildung möglich (vgl. Hurrelmann<br />
et al. 2002: 547).<br />
Der Output politischer Versammlungen hängt neben der Einhaltung der<br />
Minimalbedingungen in großem Maße von der Beschaffenheit der Akteursstruktur ab,<br />
die je nach Versammlungstypus und Thematik unterschiedlich determiniert sein kann.<br />
2.2.2 Binnenstruktur: Akteure<br />
Aus einer akteursspezifischen Perspektive ist die Beschaffenheit des Teilnehmerkreises<br />
einer öffentlichen politischen Versammlung strukturbildend für den Verlauf der<br />
Veranstaltung und spielt zusätzlich eine maßgebliche Rolle für den Entscheidungs- und<br />
Meinungsbildungsprozess. Die Versammlungsforschung spricht in diesem<br />
Zusammenhang von der sogenannten „attentive public“ 59 (Gerhards 1992: 768). Eine<br />
Differenzierung der attentive public in unterschiedliche Subgruppen kann einerseits durch<br />
eine soziostrukurelle Bestimmung und andererseit gemäß der politischen und<br />
wertmäßigen Orientierung der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen geleistet werden.<br />
Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Einkommen und die Erwerbsklasse dienen u.a. der<br />
strukturellen Bestimmung nach soziodemografischen Aspekten (Gerhards 1992: 768).<br />
Anhand dieser Variablen können erste Aussagen über die Hierarchiebildung dieser<br />
divergenten gesellschaftlichen Gruppen getroffen werden (ebd.). Die Kriterien<br />
Parteipräferenz, Werteorientierung und allgemeine politische Orientierung ermöglichen<br />
wiederum Rückschlüsse auf die Repräsentanz politischer Interessengruppenanhänger in<br />
politischen Versammlungen (ebd.). 60 Unterschiedliche wissenschaftliche Arbeiten,<br />
beispielsweise von Lipset und Rokkan (Lipset/Rokkan 1967, zitiert in Gerhards 1992:<br />
768), haben gezeigt, dass der Prozess der politischen Willens- und Meinungsbildung „ein<br />
nach Konfliktlinien strukturierter Prozess ist“ (Gerhards 1992: 773). 61 Dieses Merkmal ist<br />
auch politischen Versammlungen inhärent, indem ihre Akteursstruktur ein sozialstrukturell<br />
und/oder ideologisch relativ homogenes Bürgersegment repräsentiert (vgl. ebd.).<br />
Bestimmte gesellschaftliche Gruppen sind demnach unter- oder überrepräsentiert, sodass<br />
die Generierung einer öffentlichen Meinung dem Anspruch der Repräsentativität nicht<br />
59<br />
60<br />
61<br />
Mit „attentive public“ sind jene Bürger gemeint, die politische Versammlungen verfolgen und aktiv an<br />
ihnen teilhaben (vgl. hierzu Devine 1970: 64, zitiert in: Gerhards 1992: 768).<br />
Für eine tiefgehendere Auseinandersetzung mit der Struktur und Zusammensetzung des<br />
Teilnehmerkreises von politischen Versammlungen, vgl. die Untersuchung von Gerhards (Gerhards<br />
1992). Sie dient als adäquate Grundlage für weitere Analysen der Binnenstruktur politischer<br />
Versammlungen.<br />
Mit dem Begriff ‚Konfliktlinie‟ ist in diesem Zusammenhang die unter Akteuren divergierende Meinung<br />
hinsichtlich politischer Fragestellungen gemeint.<br />
31
Öffentlichkeit im Wandel<br />
vollends entsprechen kann. Ein so genannter bias 62 im Meinungsbildungsprozess kann<br />
eine Verzerrung der in Versammlungen generierten Meinung zur Folge haben (vgl.<br />
Noelle-Neumann 1982, zitiert in: Gerhards 1992: 767). Politische Versammlungen<br />
spiegeln demnach nur das Aggregat von Meinungen einer relativ homogenen<br />
Teilöffentlichkeit wieder. Erreichen die Themen der Versammlungsöffentlichkeit die Ebene<br />
der Medienöffentlichkeit, kann der allgemeine Meinungs- und<br />
Entscheidungsfindungsprozess aufgrund des bias nur in begrenztem Maße beeinflusst<br />
werden.<br />
Wie jede Öffentlichkeitsform folgt auch eine politische Versammlung - ob als<br />
Kommunikationssystem im Sinne einer ‚kleinen Öffentlichkeit„ oder als mikropolitische<br />
Praktik verstanden - Einzelregeln und Erwartungen, die ihren Ablauf strukturieren. Neben<br />
den sieben angeführten Minimalbedingungen sorgen die anschließend skizzierten<br />
„Kommunikationsdisziplinen“ (Hurrelmann et al. 2002: 550) sowohl für ein geordnetes<br />
Kommunikationshandeln unter den Teilnehmern als auch für die Förderung von<br />
Deliberation.<br />
2.2.3 Binnenstruktur: Kommunikationsdisziplinen<br />
Kommunikationsdisziplinen in Form von Ordnungen oder Konventionen regeln die Redeund<br />
Handlungspraxis der Versammlungsteilnehmer und schüren zudem Erwartungen<br />
hinsichtlich Verlauf und Output im Sinne der öffentlichen Meinungsgenerierung. Sie<br />
verweilen zumeist auf einer Meta-Ebene, wohingegen Kommunikationsdisziplinen den<br />
kommunikativen Akt des Verständigens und Verstehens auf der Mikro-Ebene<br />
systematisch konkretisieren. „[I]ndividuelle Selbstdisziplin“ und „zwischen den Subjekten<br />
wirksame Sozialdisziplin“ (Hurrelmann et al. 2002: 550f.) lassen sich als zwei<br />
Grundformen der Kommunikationsdisziplin bei politischen Versammlungen determinieren.<br />
Hurrelmann, Liebsch und Nullmeier entwickeln eine typologisierte Darstellung der<br />
Kommunikationsdisziplinen für politische Versammlungen, die im Folgenden in gekürzter<br />
Form dargestellt werden soll:<br />
62<br />
Gerhards schlussfolgert aus der Über- bzw. Unterrepräsentation bestimmter geselleschaftlicher<br />
Gruppen, dass die in öffentlichen Veranstaltungen generierte Meinungen eine besondere Gewichtung<br />
einer Meinung aufweist (vgl. Gerhards 1992: 771).<br />
32
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Abb. 3: 10 Kommunikationsdisziplinen in politischen Versammlungen<br />
1. Disziplin der zeiträumlichen Koordinierung: Die potenziellen Teilnehmer müssen über Ort und Zeit der<br />
Versammlung Bescheid wissen, damit eine Zusammenkunft von Personen überhaupt gewährleistet wird.<br />
2. Zugangsdisziplin: Für Organisationsmitglieder, ernannte Vertreter oder spezielle Personengruppen kann eine<br />
Zugangsregelung gelten. Nichtsdestotrotz können jedoch auch Spontanversammlungen mit freiem Zugang<br />
zustande kommen.<br />
3. Raum-, Körper- und Medienordnung: Die interne Struktur des Raumes wird festgelegt. Gleichzeitig werden<br />
Handlungsnormen bestimmt, die das Verlassen der Versammlung von Einzelpersonen erkennbar machen<br />
(z.B. Protest, Schweigen).<br />
4. Zeitstrukturierungsdisziplin: Die zeitliche Einheit (Beginn und Ende) soll mit Hilfe von Ritualen festgelegt<br />
werden.<br />
5. Disziplin des Gewaltaustausches: Die Störung der Versammlung in Form von physischer Gewalt soll durch<br />
ausgewählte Ordnungshüter verhindert werden.<br />
6. Disziplin der Aufmerksamkeitsregulierung: Die Entscheidung zur Teilnahme und die Konzentration auf<br />
einzelne Redebeiträge kann als „focused interaction“ bezeichnet werden und wird verfehlt, wenn die<br />
Versammlung in kleine Interaktionssysteme zerfällt oder der erhöhte Geräuschpegel die Unaufmerksamkeit<br />
der Teilnehmer ausdrückt.<br />
7. Disziplin der sachlich-thematischen Zentrierung: Der Diskurs über gemeinsame Angelegenheiten ist die<br />
Zweckbestimmung einer Versammlung. Die Themenzentrierung kann durch ‚Pfeifen, Buhen, Schreien‟<br />
verloren gehen und muss bspw. mit Hilfe von Tagesordnungen gesichert werden.<br />
8. Disziplin der Redesequenzierung: Eine Reihenfolge der Diskussionsbeiträge ist in vielen Fällen notwendig,<br />
um das allgemeine „Rauschen“ zu verhindern.<br />
9. Disziplin der Verbindlichkeitserzeugung: Verbindliche Beschlussverfahren sollen die effektive<br />
Entscheidungsfindung in politischen Versammlungen garantieren.<br />
10. Die Dokumentation bindender Entscheidungen ist für weitere Beschlüsse notwendig.<br />
Quelle: vgl. Hurrelmann et al. 2002: 551f.<br />
Die Wirksamkeit dieser Kommunikationsdisziplinen kann neben der Bestimmung des<br />
Teilnehmerkreises und mit Hilfe einer Rollendifferenzierung gesichert werden. Eine<br />
Klassifizierung der Versammlungsteilnehmer nach aktiven, passiven oder störenden<br />
Teilnehmern, einem Versammlungsleiter oder Wortführer trägt demnach ebenfalls zur<br />
spezifischen Gestaltung einer Versammlung bei und vereinfacht die Disziplinierung von<br />
Kommunikation (vgl. Hurrelmann et al. 2002: 553). In Weiterführung der anfangs<br />
aufgezeigten Minimalbedingungen hinsichtlich Deliberation bei politischen<br />
Versammlungen, die nur gewährleistet ist, wenn sie allein durch die Sozialdisziplin<br />
sichergestellt wird, werden die zehn Kommunikationsdisziplinen anhand der<br />
Unterscheidung zwischen Selbstdisziplin und Sozialdisziplin kategorisiert. Hurrelmann,<br />
Liebsch und Nullmeier stellen in ihrer Analyse fest, dass ausschließlich die ersten drei<br />
Bedingungen durch Sozialdisziplin und die restlichen Konventionen nur mit Hilfe von<br />
33
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Selbstdisziplinierung der Versammlungsteilnehmer umsetzbar sind. Demzufolge ist<br />
festzuhalten, dass eine politische Versammlung trotz entsprechender Ausgestaltung der<br />
Kommunikationsdisziplinen nicht maßgeblich zu Deliberation führt (vgl. ebd. 555). 63<br />
Dennoch scheint eine politische Versammlung einen Beitrag zur Deliberation zu leisten,<br />
da sie gerade nicht-etablierten Öffentlichkeitsakteuren eine kommunikative Plattform zum<br />
diskursiven Austausch und zur Meinungs- und Entscheidungsbildung bietet. Auch wenn<br />
diese ‚kleine Form von Öffentlichkeit„, wie Gerhards die politische Versammlung<br />
beschreibt, nicht den Ansprüchen einer deliberativen Praktik entspricht, so stellt sich doch<br />
die Frage, ob es andere themenzentrierte Kommunikationsgemeinschaften gibt, die<br />
diesem Ideal näher kommen. Im Rahmen des digitalen Strukturwandels von Öffentlichkeit<br />
hat die Versammlungsforschung Internetforen und Online-Versammlungen als Idealtypen<br />
angesichts der Deliberation des Meinungsbildungsprozesses entdeckt und ihr Potenzial<br />
untersucht.<br />
2.2.4 Politische Versammlungen im Internet<br />
Unter den Vorzeichen der vermehrten Verlagerung von Kommunikations- und<br />
Meinungsbildungsprozessen ins Internet und im Speziellen in die interaktiven Räume des<br />
Social Web, sind neue Formen der Versammlungsöffentlichkeit entstanden, bei der<br />
jedoch weder eine physische Anwesenheit der Versammlungsteilnehmer noch ein<br />
simultaner Kommunikationsvorgang erforderlich ist.<br />
Eine virtuelle Versammlungsöffentlichkeit kann „(…) ein Platz sein, an dem<br />
politische Partizipation durch die Einbindung von Bürgern in Online-Diskurse stattfindet<br />
und sich vor allem in der Mitgestaltung der öffentlichen Agenden und der<br />
gesellschaftlichen Problemwahrnehmung äußert“ (Grunwald et al. 2006: 83). Diese<br />
Online-Diskurse finden zumeist zwischen „entfernten und diachron kommunizierenden<br />
Teilnehmern“ (Leggewie 2003: 8f.) statt. Um das Potenzial der Deliberation von<br />
politischen Online-Versammlungen erschließen zu können, müssen zunächst die<br />
Unterschiede zwischen der klassischen und der onlinebasierten Versammlungsform<br />
dargestellt und im Folgenden auf ihre Fähigkeit der Selbst- bzw. Sozialdisziplinierung<br />
untersucht werden.<br />
Der diskursive Austausch von Argumenten sowie die Meinungs- und<br />
Entscheidungsbildung in Online-Foren setzen im Allgemeinen voraus, dass die<br />
potenziellen Teilnehmer über Ort und Zeit der virtuellen Zusammenkunft informiert sind.<br />
Unter Einbeziehung technischer Hilfsmittel (z.B. Passwort oder Einladung über<br />
63<br />
Deliberation ist potenziell nur möglich, indem Sozialdisziplin und Selbstdisziplin wechselseitig<br />
stabilisiert werden und wenn vom strikten Verständnis der Deliberation abrückt wird und mithin die<br />
Argumentativität innerhalb einer politischen Versammlung als sozialen Prozess versteht (vgl.<br />
Hurrelmann et al. 2002: 562).<br />
34
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Mitgliedschaft) lassen sich diese Veranstaltungen zeitlich, thematisch und strukturell im<br />
Sinne eines ausgewählten Teilnehmerkreises organisieren (vgl. Hurrelmann et al. 2002:<br />
555). Bestimmte Zugangsdisziplinen können somit den Teilnehmerkreis virtuell<br />
abgrenzen. Die Raumordnung entfällt bei Online-Versammlungen, da die synchrone<br />
Anwesenheit der Teilnehmer durch den dezentralen Charakter der Kommunikationsräume<br />
im Netz nicht zu realisieren ist. Es entstehen flexiblere Anfangs- und Beendigungsrituale,<br />
die oft nur unzureichend nachvollziehbar sind. Auch der Ausschluss von<br />
Gewaltanwendung entfällt aufgrund der fehlenden ortsgebundenen Anwesenheit der<br />
Teilnehmer. Obgleich Online-Versammlungen nicht vor externem Einwirken,<br />
beispielsweise in Form von einem ‚Hackerangriff‟ gewahrt sind, der das<br />
Kommunikationshandeln der gesamten Plattform gefährden kann. Mitunter kann<br />
Kommunikatonshandeln im Sinne beleidigender, unsachlicher oder provozierender<br />
Äußerungen einzelner Teilnehmer auch in virtuellen Versammlungen als Störung<br />
betrachtet werden. Sowohl die Vermeidung von Störungen als auch die Gewährleistung<br />
der thematisch-sachlichen Zentrierung kann, wie auch bei klassischen politischen<br />
Versammlungen, in Online-Versammlungen mit Hilfe einer Rollendifferenzierung<br />
ermöglicht werden (vgl. Hurrelmann et al. 2002: 555). Die Rolle des Moderators, die zwar<br />
nicht in jedem Internet-Forum bzw. jeder Online-Versammlung Verwendung findet, kann<br />
die Redebeiträge in der Form auswählen, dass sie dem (thematischen) Zweck der<br />
virtuellen Zusammenkunft entsprechen. Trotz Moderator stellt eine Online-Versammlung<br />
dennoch kein Instrumentarium bereit, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zu<br />
regulieren. Die zu jeder Zeit mögliche Exit-Option 64 verhindert somit eine soziale<br />
Disziplinierung der Aufmerksamkeit und eine Verbindlichkeit im Sinne der<br />
Entscheidungsfindung, sollte die virtuelle Zusammenkunft diesem Zwecke dienen (vgl.<br />
ebd. 555f.).<br />
„Die wesentlichen Unterschiede liegen folglich in der Abwesenheit von Raum- und<br />
Körperdisziplinen, in den veränderten zeitlichen Strukturierungen, in der nicht zu<br />
sichernden Aufmerksamkeit der Teilnehmer und in der fehlenden Verbindlichkeit der<br />
Beschlüsse - aber auch in der (…) sachlichen Zentrierung der Diskussion“, so Hurrelmann<br />
et al. (vgl. ebd. 556). Nur bei einer entsprechend strengen Ausformung der<br />
Kommunikationsdisziplinen können die wichtigsten Voraussetzungen für die Deliberation<br />
in politischen Online-Versammlungen – Sach- und Themenzentrierung, Argumentativität,<br />
und Verbindlichkeit von Entscheidungen – realisiert werden. 65 Eine Überlegenheit von<br />
64<br />
65<br />
Mit Exit-Option ist der zeitlich-ungebundene Ausstieg aus der argumentativen Diskussion gemeint.<br />
Das deliberative Potenzial von Online-Versammlungen wird an dieser Stelle in Verbindung mit<br />
Entscheidungsprozessen gesehen, die meist nur in institutionalisierten u.a. von Parteien oder<br />
Verbänden organisierten netzbasierten Veranstaltungen von Bedeutung sind. Der allgemeine<br />
Meinungsbildungsprozess verlangt jedoch nur eine auf den Diskurs gerichtete Auseinandersetzung.<br />
35
Öffentlichkeit im Wandel<br />
(politischen) Online-Versammlungen gegenüber dem klassischen Versammlungsmodell<br />
ist nicht festzustellen, da auch im virtuellen Raum der Diskurs ein großes Maß an<br />
Selbstdisziplin der Teilnehmer verlangt und Deliberation nur in manchen Fällen eher<br />
möglich ist als bei einer ‚Zusammenkunft unter Anwesenden„. Politische Versammlungen<br />
im Netz sind somit vielmehr als Ergänzung und neue Form des Diskurses unter ‚virtuell„<br />
anwesenden Versammlungsteilnehmern zu verstehen. Sie können aufgrund der<br />
Interaktivität, Responsivität und des depersonalisierten Argumentierens der Teilnehmer<br />
sowohl deliberationsfördernd- als auch hinderlich sein, je nachdem wie die<br />
Minimalbedingungen umgesetzt und die Kommunikationsdisziplinen eingehalten<br />
werden. 66 Hurrelmann, Liebsch und Nullmeier resümieren daher, dass „Deliberation (…)<br />
Versammlungen [benötigt], weil nur sie in der Lage sind, jene Verpflichtungen zu<br />
erzeugen, die eine Gruppe von Personen auf Argumentation und die Einhaltung der<br />
argumentativ getroffenen Entscheidungen festlegt“ (Hurrelmann et al. 2002: 562). Aus<br />
ihrer Perspektive weisen nur Versammlungen unter Anwesenden die notwendige<br />
Sozialdisziplin auf, die für deliberative Praktiken unerlässlich ist.<br />
Nichtsdestotrotz sollte das Potenzial von politischen Online-Versammlungen<br />
hinsichtlich der Deliberation und der im Vorfeld bereits erläuterten kommunikativen<br />
Ermächtigung nicht unterschätzt werden. Mit zunehmender Verlagerung der politischen<br />
Kommunikation sowie der Meinungsbildung und Partizipation ins Internet gewinnen die<br />
Netzöffentlichkeit und im speziellen die onlinebasierten Teil- und Gegenöffentlichkeiten an<br />
Bedeutung, insbesondere, da die „technische Hemmschwelle(n) für die<br />
Teilnahmebeteiligung“ (Wehner 2008: 201) gering ist. Ungeachtet der Euphorie<br />
hinsichtlich kommunikativer Ermächtigungen in themenzentrierten Online-Foren, Chats<br />
oder offenen Kommunikationsplattformen, ist zu bedenken, dass die many-to-many-<br />
Kommunikation besser als few-to-few-Kommunikation zu verstehen ist, so dass das<br />
mögliche Deliberationspotenzial nur einer ausgewählten Gruppe von aktiven Nutzern<br />
zugute kommt (vgl. Strohmeier 2004: 61). Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass die<br />
strukturbildenden Elemente einer klassischen politischen Versammlung – unter anderem<br />
die Sach- und Themenzentrierung als Voraussetzung für die Zusammenkunft, die<br />
Diskursivität des Argumentationsaustauschs und die Herausbildung von<br />
Meinungsführerschaften – ebenfalls bei politischen Online-Versammlung Anklang finde.<br />
Unter dem Eindruck deutlicher Einschränkungen bezüglich dieser Annahme soll das<br />
folgende Kapitel eine grundlegende Phänomenbeschreibung der politischen Twitter-<br />
Nutzung in Deutschland vornehmen, um im Zwischenfazit die grundlegenden<br />
Analysekriterien für die empirische Untersuchung zu abstrahieren.<br />
66<br />
Der Grad der Einhaltung der aufgeführten Konventionen hängt selbstverständlich auch von der<br />
technischen Infrastruktur der netzbasierten Versammlungsplattform ab.<br />
36
Öffentlichkeit im Wandel<br />
2.3 Politisches Twittern in Deutschland<br />
Als Barack Obama mit seinem Online-Wahlkampf die Amerikaner mobilisierte und die<br />
Wahlkampfstrategen in Deutschland begeisterte, war der Kurznachrichten-Dienst Twitter<br />
im politischen Alltagsgeschäft hierzulande noch bedeutungslos. Doch mit dem Wahlerfolg<br />
Barack Obamas und der Annahme sein Wahlkampf wäre „die perfekte Realisierung eines<br />
dezentralen Netzwerkes mit einem wirkungsvollen Kernbereich gewesen“ (Bieber 2010b:<br />
24), wurden das Internet und insbesondere die sozialen Netzwerke auch von deutschen<br />
Parteien, Politikern und Wahlkampfstrategen sowie ihren Teams ernster genommen. Die<br />
hessische Landtagswahl im Januar 2009, in unmittelbarer zeitlicher Abfolge zum USamerikanischen<br />
Präsidentschaftswahlkampf, brachte den sogenannten „Obama Effekt“<br />
(Bieber 2010b: 32) nach Deutschland. Sie wird zudem oft als Startschuss für das<br />
politische Twittern 67 in Deutschland angesehen, so dass neben Facebook, StudiVZ oder<br />
YouTube insbesondere Twitter zum Inbegriff des modernen Online-Wahlkampfes in<br />
Deutschland avancierte (vgl. Jungherr 2009). Twitterten bis zum September 2008 nur die<br />
wenigsten deutschen Politiker, so nahm ihre Zahl in den darauffolgenden Monaten<br />
drastisch zu. Um die politische Twitter-Nutzung nachhaltigkeit unter den politischen<br />
Akteuren zu etablieren, half nicht allein Obamas Umgang mit den sozialen Netzwerken als<br />
Vorbild. 68 Vielmehr führten parteiinterne Lernprozesse dazu, dass der Umgang mit Twitter<br />
seit der hessischen Landtagswahl 2008 professioneller und beständiger wurde (vgl.<br />
Jungherr 2009: 113). Für diesen Landtagswahlkampf lässt sich zweifelsohne konstatieren,<br />
dass die Parteien mit Twitter als Wahlkampfinstrument erste Versuche unternahmen. Eine<br />
deutliche Unterscheidung hinsichtlich des Umganges mit Twitter ist zwischen<br />
persönlichen Kampagnen der einzelnen Kandidaten und den gesteuerten Kampagnen der<br />
Parteizentralen zu treffen. Insbesondere für vormals eher unbekannte Politiker sowie für<br />
die kleinen Parteien ergab sich mit Twitter eine Möglichkeit, über die Selektionsgrenzen<br />
der etablierten Massenmedien hinaus politische Kommunikation zu lancieren. 69 Erst mit<br />
dem Ende des Wahlkampfes in Hessen entwickelte sich eine intensive Diskussion rund<br />
um die politische Nutzung von Twitter. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen<br />
erkannten die etablierten Massenmedien die Relevanz von Twitter für den Online-<br />
Wahlkampf in Deutschland erst spät und schenkten der Plattform erst im weiteren Verlauf<br />
67<br />
68<br />
69<br />
Durch die technische Infrastruktur und die kommunikativen Konventionen, sind drei wesentliche<br />
Eigenschaften zu erkennen, die allgemein zum Erfolg von Twitter beigetragen haben: 1) Bildung der<br />
Community of Interest um Personen und Themen herum, 2) schwache Bindung („weak ties“) zwischen<br />
verschiedenen Twitter-Feeds, und 3) die „Aysmmetrie des Folgens“ (Jungherr 2009: 102).<br />
An dieser Stelle ist anzumerken, dass Barack Obama Twitter eher als Instrument für die<br />
Informationsverbreitung genutzt hat als für den direkten und reziproken Dialog mit den Bürgern (vgl.<br />
hierzu Jungherr 2010).<br />
Im Gegensatz zu allen vertretenen Parteien besaß Die LINKE im hessischen Landtagswahlkampf kein<br />
Twitter-Profil.<br />
37
Öffentlichkeit im Wandel<br />
des ‚Superwahljahres„ gesteigerte Aufmerksamkeit (vgl. Bieber 2010b: 49). Die etablierten<br />
Massenmedien standen dem neuen Wahlkampfinstrument Twitter jedoch von Beginn an<br />
nicht nur positiv gegenüber, so dass twitternde Politiker bis in die heiße Phase des<br />
Bundestagswahlkampfes hinein „reichlich Spott und Häme“ (ebd.) ertragen mussten.<br />
Zumeist wurden die getwitterten Alltagsbanalitäten der Politiker als Aufhänger für die eher<br />
einseitige Berichterstattung genutzt; die Bedeutungslosigkeit von Twitter für die politische<br />
Kommunikation stand zunächst im medialen Fokus. Der erste richtige Twitter-Skandal,<br />
der im Zusammenhang „mit dem vorab verkündeten Auszählungsergebnis der<br />
Bundespräsidentenwahl“ (Bieber 2010b: 50; Jungherr 2009) für Diskussion sorgte, verhalf<br />
Twitter somit nur begrenzt zu einer Image-Verbesserung.<br />
Nach sogenannten Startproblemen in der Aufwärmphase, richteten mit Beginn des<br />
Superwahljahres 2009 jedoch alle Parteien ihre Aufmerksamkeit im Online-Wahlkampf auf<br />
die sozialen Netzwerke, so dass Twitter als Plattform für Echtzeitkommunikation endgültig<br />
zum relevanten Politikum wurde. Die zeitlich nah aufeinander folgenden Wahlen auf<br />
Kommunal, -Landes, -Bundes,- und Europaebene haben politische Akteure – seien es<br />
einzelne Politiker, Parteizentralen oder die jeweiligen Wahlkampfteams – schnell zur<br />
Nutzung dieser Kommunikationsplattform bewegt. Mit der zunehmenden ‚Politisierung‟ der<br />
sozialen Netzwerke verzeichnete aber auch die Twitternutzung unter ‚Otto-Normal-<br />
Twitterern‟ einen stetigen Zuwachs.<br />
Grundsätzlich sind die Nutzung sozialer Netzwerke als „Schlüsselformat der<br />
Online-Kampagne zur Bundestagswahl“ (Bieber 2010b: 45) und die neuen Ansätze zur<br />
politischen Kommunikation aller Parteien rückblickend als Experiment zu bewerten, da die<br />
Parteien größtenteils an ihren innerparteilichen Organisationsstrukturen gescheitert sind. 70<br />
Die hohen Erwartungen an einen „Mit-Mach-Wahlkampf“ (ebd.) nach US-amerikanischen<br />
Vorbild wurden im deutschen Superwahljahr 2009 nicht erfüllt. Dennoch unterstreichen<br />
vereinzelte Online-Aktivitäten sowie die allmähliche Öffnung der hierarchischen<br />
Kommunikationsstrukturen der Parteien, dass ein Umdenken hinsichtlich der politischen<br />
Kommunikation zwischen politischen Akteuren und Bürgern einsetzt. Mit etwas Abstand<br />
zur Twitter-Rezeption zu Beginn des Superwahljahres 2009 und unter Berücksichtigung<br />
des anfänglichen Gegenwindes seitens der etablierten Massenmedien und einer Art<br />
„digitale[n] Enthaltsamkeit“ (Bieber 2010b: 46) nach der Bundestagswahl, scheint die<br />
Politik nichtsdestoweniger „eine Vorreiter-Rolle für die Nutzung und Verbreitung des<br />
Dienstes gespielt zu haben“ (Bieber 2010b: 50). Als „Twitter-affinste Branche in<br />
Deutschland“ (Pfeiffer 2010d) hat die Politik weit über die Wahlkampfphasen hinaus den<br />
70<br />
Die Piraten Partei stellt im Superwahljahr eine Ausnahme dar. Eine Studie zur Piratenpartei liefert die<br />
Konrad-Adenauer-Stiftung. Zur tieferen Auseinandersetzung vgl. KAS 2010 unter<br />
http://www.kas.de/wf/doc/kas_18785-544-1-30.pdf101007130323; für eine politikwissenschaftliche<br />
Annäherung vgl. Bieber 2010b / Albers 2010: 233.<br />
38
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Mehrwert der Twitter-Nutzung für die politische Kommunikation zwar erkannt, jedoch nur<br />
in Ansätzen in das alttägliche Kommunikationshandeln integriert (vgl. Jungherr 2009:<br />
116).<br />
Die Zuwendung bzw. Ausrichtung des Online-Wahlkampfes aller Parteien im Jahr<br />
2009 hat sowohl zur sukzessiven Etablierung sozialer Netzwerke und anderer<br />
‚Spielereien„ des Social Web im politischen Bereich geführt, als auch zur weiteren<br />
Ausdifferenzierung der allgemeinen politischen Öffentlichkeit in onlinebasierte Teil- und<br />
Gegenöffentlichkeiten. Twitter stellt in diesem Zusammenhang einen völlig neuen<br />
Öffentlichkeitstypus dar, der sowohl Spontankommunikation in Echtzeit, Diskussionsforum<br />
oder reichweitenstarkes Informationsmedium unter Umgehung der Massenmedien sein<br />
kann.<br />
2.3.1 Entwicklungslinien: Reichweite, Akteure, Nutzen<br />
Wie bei den meisten Social Media Anwendungen bewegt sich die Debatte um das<br />
Potenzial von Twitter für die politische Kommunikation auch hier zwischen Euphorie und<br />
Skepsis. Für die einen bedeutet Twitter der ‚direkte Draht‟ zwischen Politikern und<br />
Bürgern, für die anderen ist es nur ein weiteres interaktives Instrumentarium, das zum<br />
‚bunten Informationsrauschen„ des Netzes beiträgt (vgl. Jungherr 2009). Auch wenn sich<br />
das Denken und Handeln von politischen Akteuren durch die Nutzung von Twitter im<br />
politischen Bereich noch nicht radikal verändert hat, zeigen sich dennoch Veränderungen<br />
in der öffentlichen politischen Kommunikation. Echtzeitkommunikation und die<br />
Rückkanalfähigkeit derselbigen fungieren in diesem Zusammenhang als<br />
Schlüsselbegriffe. Die Entwicklungslinien der politischen Twitter-Nutzung in Deutschland<br />
lassen sich unter dem Eindruck der Reichweite dieser neuen Kommunikationsplattform<br />
und mit Bezug auf die Akteure in den nachfolgenden Abschnitten am deutlichsten<br />
nachzeichnen.<br />
2.3.1.1 Reichweite von Twitter im deutschsprachigen Raum<br />
Seit den Anfängen der politischen Twitter-Nutzung in Deutschland ist eine kontinuierliche<br />
Vergrößerung der Reichweite erkennbar, die jedoch bisher nur in wenigen empirischen<br />
Untersuchungen analysiert wurde. Diesen kontinuierlichen Zuwachs an Aktivität zeigt ein<br />
von Thomas Pfeiffer im Oktober 2010 veröffentlichter Twitter-Zensus hinsichtlich der<br />
Twitter-Nutzerzahlen im deutschsprachigen Raum. 71 Im Oktober 2010 haben ca. 350.000<br />
71<br />
Der deutschsprachige Raum umfasst Deutschland, Österreich, die deutschsprachige Schweiz, und<br />
Lichtenstein (vgl. Pfeiffer 201a). Ausschließlich aktive Nutzer, die mindestens einmal pro Woche einen<br />
Tweet absetzen, finden in der Studie Erwähnung. In einer weiterführenden Twitterumfrage fand Pfeiffer<br />
heraus, dass 7,2% weniger als einmal pro Woche twittern und weitere 11,7% ihren Account geschützt<br />
haben, so dass diese Accounts nicht in der Untersuchung erfasst werden (vgl. Pfeiffer 2009).<br />
39
Öffentlichkeit im Wandel<br />
aktive Accounts auf Deutsch getwittert, basierend auf einer Erhebung von 11,1 Mio.<br />
Tweets. Ein Jahr zuvor waren es erst 185.000 aktive Accounts, so dass von einer<br />
jährlichen Wachstumsrate von 89% gesprochen werden. Doch der Vergleich mit der<br />
Twitter-Aktivität vor einem Vierteljahr zeigt demgegenüber eine Wachstumsrate von 1,8%.<br />
Somit kann nur von einer sukzessiven Steigerung der aktiven Twitter-Nutzung im<br />
deutschsprachigen Raum gesprochen werden (vgl. Pfeiffer 2010e).<br />
Das Wachstum der allgemeinen Reichweite der Twitter-Nutzung im<br />
deutschsprachigen Raum lässt darauf schließen, dass die Kommunikationsplattform nicht<br />
nur für den Bereich der politischen Kommunikation, sondern auch für andere<br />
gesellschaftliche Bereiche einen Mehrwert schafft. Nichtsdestoweniger scheint die<br />
dezentrale Struktur und der Rückkanal bei Twitter für die politische Kommunikation und<br />
die Partizipation an politischen Online-Diskursen die erkennbarsten Potenziale zu<br />
implizieren. Gemeinhin weist die Ausbreitung der parteipolitischen Twitter-Nutzung in<br />
Deutschland auf die Tatsache hin, dass Twitter allmählich im politischen Berufsalltag<br />
Anwendung findet.<br />
2.3.1.2 Reichweite der parteipolitischen Twitter-Nutzung<br />
Spätestens seit der Bundestagswahl 2009 verfügen alle im Bundestag vertretenen<br />
Parteien über aktive Twitter-Accounts. Das Online-Portal Wahl.de hat im Oktober 2010<br />
die Twitter-Aktivität von Politikern seit der Bundestagswahl 2009 in einer Vergleichsstudie<br />
untersucht. 72 Dieser Vergleich der Tweet-Anzahl in der Woche vor der Bundestagswahl<br />
2009 und in der entsprechenden Woche ein Jahr später lässt erahnen, wer Twitter als<br />
ernsthaftes Instrument der politischen Kommunikation gebraucht. Die Zahlen<br />
verdeutlichen zudem die Differenzen in der Nutzung entlang parteipolitischer Linien.<br />
Durchschnittlich 118 Tweets pro Mandat hat Bündnis90/Grüne seit der Bundestagswahl<br />
2009 versendet und nimmt somit die Spitzenreiterposition unter den fünf<br />
Bundestagsparteien ein. Gefolgt werden die Grünen von der FDP mit 105 Tweets und der<br />
SPD mit 87 Tweets pro Bundestagsmandat. Die CSU liegt mit 77 Tweets pro Sitz im<br />
Mittelfeld. Die Abgeordneten der Fraktion Die LINKE twitterten noch seltener, nur 62<br />
Tweets pro Mandat. Das Schlusslicht der parteipolitischen Twitterer pro<br />
Bundestagsmandat ist die CDU mit 51 Tweets seit der Bundestagswahl 2009 (vgl.<br />
Wahl.de 2010). Analog hierzu führen SPD und Grüne die Liste der ‚Top 10 der aktivsten<br />
Twitterer‟ mit drei Nennungen an, gefolgt von der FDP mit zwei aktiv twitternden MdBs.<br />
Jeweils ein MdB von Die LINKE und der CSU befindet sich unter den Top Ten der aktiven<br />
parteipolitischen Twitterer. Das erste twitternde CDU-Mitglied findet sich erst auf Platz 14<br />
72<br />
In der Untersuchung wurden die Twitter-Aktivitäten der aktuellen MdBs analysiert, vgl. hierzu<br />
http://politik-kommunikation.de/_files/twitter.pdf.<br />
40
Öffentlichkeit im Wandel<br />
der Auflistung. Die aktivsten Politiker haben seit der Bundestagswahl 2009 größtenteils<br />
mehr als 2.000 Tweets versendet. 73 Diese hohe Frequenz an Tweets zeigt, dass die<br />
Mandatsträger Twitter kontinuierlich als Informationskanal und Kommunikationsnetzwerk<br />
nutzen, wenn sie Themen, Ideen und programmatische Vorstellungen mit ihrer<br />
Community of Interest teilen und hinterfragen möchten. Zum einen sagen Zahlen allein<br />
wenig über die Qualität der einzelnen Tweets aus, so dass nicht alle Tweets der<br />
twitternden Politiker politisch relevante Informationen enthalten – doch gerade die<br />
Mischung aus persönlichen und politisch informativen Nachrichten scheint für den<br />
Mehrwert zu sorgen, der wiederum den Erfolg von Twitter im politischen Bereich<br />
ausmacht. Zum anderen sind viele Twitter-Accounts von politischen Akteuren unmittelbar<br />
nach der Bundestagswahl 2009 verstummt (vgl. Bieber 2010c), demzufolge die<br />
Vermutung naheliegt, dass die Nutzung von Twitter im politischen Bereich<br />
phasenabhängig ist.<br />
2.3.1.3 Akteure<br />
Für den Bereich der politischen Twitter-Nutzung lassen sich Aussagen über die Nutzer<br />
und ihre Einordnung in soziokulturelle Gruppen relativ mühelos treffen, jedoch ist eine<br />
Charakterisierung des durchschnittlichen Twitterers nur in groben Zügen möglich.<br />
Zusätzlich zur monatlichen Erhebung des Twitter-Zensus für den<br />
deutschsprachigen Raum hat Pfeiffer im November 2009 daher eine Twitterumfrage mit<br />
1.707 Teilnehmern durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen ein ähnliches<br />
Bild wie die ARD/ZDF Online-Studie 2010 (vgl. ARD/ZDF Online-Studie 2010). Der<br />
Umfrage von Pfeiffer zufolge ist der durchschnittliche Twitterer jung, männlich und<br />
gebildet. Sein Durchschnittsalter liegt bei 31 Jahren; er verfügt über einen akademischen<br />
Abschluss oder befindet sich zum Zeitpunkt der Erhebung noch im Studium (65%). Zwei<br />
von drei Twitterern führen zusätzlich zu ihrem Twitter-Account ein eigenes Blog. Themen<br />
wie Web 2.0 und Technik dominieren in den 140-Zeichen-Nachrichten, aber auch Kunst,<br />
Literatur und Politik werden in den Tweets aufgegriffen. 74 Als Grund für die Twitter-<br />
Nutzung gab mehr als die Hälfte der Befragten das ‚Phänomen Twitter‟ selbst an. Der<br />
hohe Grad an Neugierde kann allgemein eine Erklärung dafür sein, dass die<br />
Neuanmeldungen im deutschsprachigen Raum zwar konstant steigen, nichtsdestotrotz<br />
nur ein Teil der angemeldeten Nutzer auch nachhaltig aktiv twittert. Zwar geben vier von<br />
73<br />
74<br />
Halina Wawzyniak (Die LINKE) mit 2.617 Tweets, Gabriele Hiller-Ohm von der SPD mit 2.497 Tweets,<br />
gefolgt von Sven-Christian Kindler von den GRÜNEN mit 2.127 Tweets, Klaus Kelber (SPD) mit 2.023<br />
und Volker Beck (GRÜNE) mit 1.610 Tweets zählen im Oktobert 2010 zu den fünf aktivsten Twitterern<br />
unter den Abgeordneten des Bundestages (vgl. Wahl.de 2010).<br />
Interessenverteilung bei der Twitter-Nutzung: Web 2.0 (30,8%), Musik, Film, Literatur (26,2%), Technik<br />
(24,8%), Politik/Gesellschaft (23,7%), Lifestyle (17%), Fotografie (11,5%), Wirtschaft (8,4%); vgl. hierzu<br />
Pfeiffer 2009).<br />
41
Öffentlichkeit im Wandel<br />
fünf Nutzern an, neben dem Lesen auch selbst zu schreiben. Allerdings geben etwa 14<br />
Prozent der Befragten zu, Twitter eher passiv und als reines Informationsmedium zu<br />
nutzen (vgl. Pfeiffer 2009a).<br />
Ein Blick auf die Liste der 100 reichweitenstärksten aktiven Twitter-Accounts im<br />
deutschsprachigen Raum, gemessen an der Follower-Anzahl, zeigt eine Mischung aus<br />
Online-Medien, Größen der Blogosphäre, Vertretern der Unterhaltungsbranche, Social<br />
Media Experten und politischen Parteien. 75 Erst auf Platz 11 findet sich als einziger<br />
Twitter-Nutzer aus dem politischen Bereich, die Piraten Partei mit ihrem offiziellen<br />
Account (vgl. Pfeiffer 2010f). Grundsätzlich lässt sich daher festhalten, dass eine<br />
Bestimmung des durchschnittlichen Twitter-Nutzers nur schemenhaft möglich ist und dass<br />
die politische Nutzung der Plattform zweifelsohne Grenzen der Reichweite aufweist, trotz<br />
genereller Ausbreitung der Aktivitäten im politischen Bereich.<br />
2.3.1.4 Individueller und kollektiver Nutzen der Echtzeitkommunikation<br />
Neue Kommunikations- und Informationsinstrumente werden in der Regel nach ihrem<br />
Nutzen beurteilt. Der individuelle Nutzen mag hierbei deutlich vom gesellschaftlichen<br />
Nutzen divergieren, doch insbesondere mit Blick auf die erkennbaren generellen<br />
Veränderungen der politischen Kommunikation im Rahmen des digitalen Strukturwandels,<br />
hängt der Nutzen maßgeblich von der Art und Weise der Nutzung ab, die nachfolgend<br />
thematisiert wird.<br />
Im Bezug auf Twitter ist die punktuelle und schnelle Kommunikation für politische<br />
Akteure von besonderer Bedeutung; eine Kommunikation auf Augenhöhe mit den eigenen<br />
Followern ist hier die Zielvorstellung. Insbesondere Berufspolitiker agieren nicht länger im<br />
Schatten ihrer eigenen Partei oder sind angewiesen auf die Gatekeeper-Funktion der<br />
etablierten Massenmedien. Vielmehr können sie die eigenen Parteimitglieder sowie ihre<br />
potenziellen Wähler direkt ansprechen, Diskurse entstehen lassen und Meinungsbilder<br />
über ihr Handeln einholen. Die einfache Kommunikationsstruktur von Twitter ermöglicht<br />
beispielsweise das Aufgreifen von Partizipationsangeboten in Echtzeit, die in der Offline-<br />
Welt Anwendung finden (vgl. Bieber 2010c). Twitter als Medium für direkte<br />
Kommunikation, erweiterte Form von Öffentlichkeitsarbeit, die in Kombination steht mit<br />
anderen onlinebasierten Plattformen, oder als Instrument für die einfache<br />
Informationsgewinnung – in jedem Fall lässt sich der Nutzen nur eingeschränkt<br />
kategorisieren. Mitunter spiegelt die Heterogenität der Twittersphäre die Flexibilität der<br />
Twitter-Nutzung wieder. Ob als persönliches Marketinginstrument, Wissensreservoir,<br />
75<br />
Die Messgröße ‚Follower-Anzahl„ vermittelt zwar einen Eindruck über die Reichweite und Popularität<br />
spezieller Twitter-Accounts, jedoch kann nur ein relativer Wert aufgezeigt, wie sich in Kapitel 4<br />
herauskristallisieren wird.<br />
42
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Informationsquelle, sowie als soziales Netzwerk, um mit Bekannten in Kontakt zu bleiben,<br />
oder zur Multiplikation für das eigene Netzwerk – Twitter lässt sich im politischen Bereich<br />
auf manigfaltige Weise verwenden vgl. Jungherr 2009: 110).<br />
Ein Nutzen für die Gesellschaft entsteht in diesem Zusammenhang nicht<br />
notwendiger Weise. Twitter wird gesellschaftlich erst dann interessant, wenn das<br />
Aggregat aller Tweets in den Fokus gerückt wird. „Jeder Twitterer wird [prinzipiell, I.S.] zu<br />
einem Sensor, der Signale über seinen Zustand und den Zustand der direkten Umwelt<br />
sendet“ (Jungherr 2009: 111). Die Potenziale dieses „Echtzeitsensoren-Netzwerkes“<br />
(ebd.) für die Kommunikation innerhalb einer Gesellschaft werden insbesondere unter<br />
dem Eindruck der politischen Twitter-Nutzung im Rahmen politischer Entscheidungen<br />
oder Ereignisse deutlich (vgl. Kapitel 2.3.4).<br />
Der politische und gesellschaftliche Nutzen dieser Kommunikationsplattform und<br />
die Frage, inwieweit Twitter neue Formen der politischen Kommunikation sowie<br />
Partizipation unterstützt und folglich einen neuen Öffentlichkeitstypus konstituiert, lassen<br />
sich jedoch nicht umfassend ohne Bezug auf die unterschiedlichen Nutzungsformen zu<br />
nehmen, erläutern.<br />
2.3.2 Nutzungsformen des politischen Twitterns<br />
Eine offzielle „Gebrauchsanweisung“ (Bieber 2010c: 51) für die Twitter-Nutzung gibt es<br />
nicht, da die Offenheit der Plattform die Wahl der richtigen Anwendung von jedem Nutzer<br />
selbst getroffen wird. 76 Die politische Echtzeitkommunikation bei Twitter lässt sich auf den<br />
ersten Blick nicht kategorisieren, obgleich sich bestimmte Nutzungsformen für die<br />
öffentliche politische Kommunikation herauskristallisieren. Grundsätzlich ist die<br />
Kommunikation bei Twitter als „öffentlicher Dialog“ (Jungherr 2009: 108) zu begreifen. In<br />
Anlehnung an die Kategorisierung der Nutzungsformen nach Java et al. (2007) lassen<br />
sich gerade für die politische Twitter-Nutzung weitaus differenziertere Nutzungsformen<br />
erkennen. Nichtsdestotrotz kann auch an dieser Stelle nur von Idealtypen ausgegangen<br />
werden, die bei der Umsetzung in die Praxis zumeist jedoch als Mischform auftauchen.<br />
Indem Jungherr zwischen twittern als Lifecasting, Mindcasting, Community Building,<br />
Crowdsourcing, Community RSS, und twittern als Medien-Fliegenfalle“ (Jungherr 2009:<br />
116) unterscheidet, nimmt er eine erste Kategorisierung der Twitternutzung im politischen<br />
Bereich vor. 77<br />
76<br />
77<br />
Die offene API (Application Programming Interface) ermöglicht Drittanbietern Twitter stetig um neue<br />
Anwendungen zu erweitern.<br />
Eine einheitliche Kategorisierung der Nutzungsformen bei Twitter lässt sich in der Literatur nicht finden,<br />
dennoch ist die Annäherung nach Jungherr eine relevante Basis für die empirische Untersuchung der<br />
vorliegenden Arbeit.<br />
43
Öffentlichkeit im Wandel<br />
2.3.2.1 Lifecasting<br />
Der einschlägige Erfolg von Twitter begann mit 140-Zeichen langen Nachrichten über<br />
alltägliche Geschehnisse, die mit Blick auf den öffentlichen Twitter-Feed einen Eindruck<br />
darüber vermittelten, was den Nutzer bewegt. „Was gibt‟s Neues“ – diese Frage spielt<br />
beim Twittern als Lifecasting eine herausragende Rolle. 78 Gerade Politiker haben in der<br />
Frühphase der politischen Twitternutzung diese Form adaptiert und so Einblicke in ihr<br />
Privatleben oder den beruflichen Alltag gewährt. Wie bereits angedeutet, sind genau<br />
diese Lifecasting-Tweets von Politikern oft als „Belege für die scheinbare Infantilität und<br />
den unbegrenzten Hedonismus“ (Jungherr 2009: 109) unter den Twitter-Nutzern von<br />
Kritikern aufgegriffen worden, um Twitter mögliches Potenzial für einen Wandel der<br />
politischen Kommunikation abzuschreiben. Für viele Nutzer, aber auch Beobachter, ist<br />
jedoch gerade politisches Twittern als Lifecasting ein Signal für eine „Enthierarchisierung<br />
der politischen Kommunikation“ zwischen Politikern und Bürgern (ebd.). In diesem Fall<br />
wird versucht, Nähe zum und direkte Kommunikation mit den Bürgern herzustellen. Ob<br />
die politische Kommunikation bei Twitter in Form von Lifecasting-Nachrichten zu einer<br />
größeren Bürgernähe beiträgt „oder bloß zu einer neuen, anderen Form der politischen<br />
Inszenierung führt“, ist jedoch fraglich (Jungherr 2009: 117).<br />
2.3.2.2 Mindcasting<br />
Substantieller ist im politischen Bereich das Twittern als Mindcasting. Der Twitter-Feed<br />
wird von Politikern, aber auch von Akademikern, Journalisten oder<br />
Kommunikationsberatern, als Ergänzung zu ihrer Persona genutzt. Informationen aus<br />
dem beruflichen Alltag in Form von Artikeln, Aufsätzen oder Veranstaltungshinweisen<br />
werden gezielt an die Community of Interest weitergleitet. „[F]ür Mindcaster ist das<br />
Twitter-Netzwerk ein Netz aus Sensoren, auf das sie editierend Einfluss nehmen“ können<br />
(Jungherr 2009: 117). Mit Mindcasting-Tweets weist der Nutzer seine Community of<br />
Interest nicht nur auf wichtige Ereignisse hin; gerade der einzelne Politiker erschafft sich<br />
so einen individuellen politischen Nachrichten- und Ereignisstrom, um zu verdeutlichen,<br />
„vor welchem Wirklichkeitshintergrund seine politischen Handlungen zu verstehen sind“<br />
(ebd.). Im Berufsalltag dient Twitter als bespielbare Plattform, mit der ein Politiker<br />
Aufmerksamkeit erzeugen, lenken und wichtige Informationen an bestimmte Personen<br />
vermitteln kann.<br />
78<br />
Beim Aufrufen der Plattform wird jedem Nutzer diese Frage gestellt, vgl. www.twitter.com.<br />
44
Öffentlichkeit im Wandel<br />
2.3.2.3 Community Building<br />
Das Beziehungsnetzwerk aus Followern und Friends lässt sich als Community of Interest<br />
bezeichnen. Jungherr versteht unter Community Building den „aktiven Versuch (...), sein<br />
persönliches Netzwerk und seine Community of Interest zu erweitern“ (Jungherr 2009:<br />
118). 79 Durch ein gezieltes Retweeten von Nachrichten interessanter Nutzer oder die<br />
Teilnahme an On- und Offline Twitter-Veranstaltungen, wie beispielsweise Twittwochs<br />
oder Followfridays 80 , lässt sich das Community Building verstärken. In den jeweiligen<br />
Twitter-Netzwerken setzen politische Akteure in diesem Zusammenhang gezielt ihre<br />
Multiplikatorenfunktion ein, indem sie die Aufmerksamkeit auf interessante Community-<br />
Mitglieder lenken, um so die internen Verknüpfungen ihres persönlichen Twitter-<br />
Netzwerkes zu vervielfältigen. Das Community Buildung fördert die Etablierung von<br />
effektiveren Kanälen der Informationsverbreitung und liefert twitternden Politikern neue<br />
Quellen für die politische Unterstützung (vgl. ebd.).<br />
2.3.2.4 Crowdsourcing<br />
Die Community of Interest ist für politische Akteure von besonderer Bedeutung, denn<br />
neben der Kommunikation mit Kollegen sowie den Bürgern, dient Twitter auch als<br />
Plattform für Mobilisierungsvorhaben. In Form von Hinweisen zu Unterschriftenaktionen,<br />
Wahlkampfveranstaltungen oder als einfacher Aufruf zum Mitmachen, weist das Twittern<br />
als Crowdsourcing auf „die Schnittstelle zwischen Online-Kommunikation und kollektiver<br />
Handlung“ (Jungherr 2009: 119) hin. Damit Twitter jedoch zu einem effektiven<br />
Mobilisierungsinstrument avancieren kann, ist eine Übertragung der politischen Aktivität<br />
und Unterstützung vom virtuellen Raum auf die Straße erforderlich. Die Online-<br />
Mobilisierung sollte demnach in offline Aktivismus umgesetzt werden. Die Twitter-<br />
Nachrichten fungieren in dieser Hinsicht wie eine Art Gruppen-SMS an einen virtuellen<br />
Unterstützerkreis (vgl. ebd.).<br />
2.3.2.5 Community RSS<br />
Barack Obama ist wohl der bekannteste politische Twitterer, der die 140-Zeichen als<br />
reines RSS-Feed 81 genutzt hat. Aber auch andere politische Twitter-Feeds beinhalten<br />
79<br />
80<br />
81<br />
Der Versuch die bestehende Community of Interest und insbesondere einzelne Mitglieder derselbigen<br />
zu halten und aktiv einzubinden, lässt sich mit Community Grooming beschreiben (vgl. Jungherr 2009:<br />
118).<br />
Der Twittwoch hat sich als Veranstaltungsform in Großstädten bereits etabliert. Hier treffen sich aktive<br />
Twitter-Nutzer und diskutieren face-to-face über einschlägige Themen rund um Entwicklungen im Netz.<br />
Followfridays (#ff) dienen dazu, dass sich Nutzer gegenseitig empfehlen können und somit ihre<br />
Community of Interest erweitern können; eine Konvention, die sich in der Anfangsphase etabliert hat.<br />
RSS steht für Really Simple Syndication und beschreibt Webformate, die das Abonnieren von Inhalten<br />
unterschiedlicher Webseiten ermöglicht (vgl. Jungherr 2009: 119f).<br />
45
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Links zu Pressemitteilungen oder neuen Einträgen auf der eigenen Webseite. Diese eher<br />
unattraktive Form der Twitter-Nutzung wird äußerst kritisch beäugt, gerade weil sie bei<br />
vielen Politikern noch Anwendung findet. Gegen eine eingeschränkte Nutzung von Twitter<br />
als RSS-Feed im Sinne der reinen Informationsverbreitung ist nichts entgegenzubringen,<br />
doch als alleinige Nutzungsform spricht sie der Plattform jeglichen kommunikativen<br />
Mehrwert ab (vgl. Jungherr 2009: 119).<br />
2.3.2.6 Medien-Fliegenfalle<br />
Insbesondere aus dem Grund, dass die politische Kommunikation in sozialen Netzwerken<br />
noch nicht durchgängig zum Standard der politischen Kommunikation geworden ist,<br />
haben Tweets von Politikern mit hohem Unterhaltungs- und Nachrichtenwert zumeist in<br />
Wahlkampfphasen den Weg auf die Ebene der Medienöffentlichkeit geschafft. Für<br />
Politiker ist die politische Kommunikation in sozialen Netzwerken, neben dem direkten<br />
Draht zum Bürger, daher auch von kurzfristigem aufmerksamkeitserzielenden Nutzen (vgl.<br />
Jungerherr 2009: 120f.)<br />
Die Art und Weise wie Twitter im politischen Bereich genutzt wird und ob Politiker durch<br />
ihre 140-Zeichen Nachrichten das ‚bunte Rauschen‟ in sozialen Netzwerken noch<br />
vergrößern oder ob sie, meist aus einer exklusiven Teilnehmer-Perspektive, ihre<br />
Community of Interest mit Informationen hinsichtlich politischer Entscheidungen oder<br />
Ereignissen versorgen, unterliegt grundlegend normativen Bewertung. Festzuhalten ist<br />
jedoch, dass zum einen oder anderen Zeitpunkt fast alle Twitter-Feeds von Politikern<br />
mehrere Elemente der von Jungherr gebildeten Kategorien aufweisen (vgl. Jungherr<br />
2009: 112). Die Formen der politischen Twitter-Nutzung in ihrer Gesamtheit machen<br />
deutlich, dass die politische Kommunikation einem deutlichen Wandel unterliegt. Inwieweit<br />
eine 140-Zeichen Nachricht bei Twitter explizit zur ‚Enthierarchisierung der politischen<br />
Kommunikation„ und zur Verringerung der kommunikativen Kluft zwischen Bürgern und<br />
Politikern beiträgt, ist fraglich. Der persönliche Charakter vieler Politiker-Tweets sowie die<br />
Neuheit eines Rückkanals senkt im Allgemeinen jedoch die Kommunikationshürden. Die<br />
Differenzierung der unterschiedlichen Nutzungformen, die an dieser Stelle auf die<br />
politische Kommunikation von Politikern eingeht, lässt sich unweigerlich auch auf die<br />
Twitter-Nutzung aller gesellschaftlicher Akteure übertragen.<br />
2.3.3 Kommunikationsformen<br />
Das spezifische Nutzungsverhalten bei Twitter ist nicht ohne Blick auf die Konventionen,<br />
die für die Kommunikation bei Twitter gelten, sowie die ungewöhnliche Syntax<br />
nachzuvollziehen. Die festgelegten Nutzungs-Konventionen geben der<br />
46
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Informationsverbreitung und Echtzeitkommunikation die notwendige Struktur. Zu den<br />
wichtigsten Elementen der Twitter-Syntax zählen Hashtags, @replies und Retweets. 82<br />
2.3.3.1 Hashtags<br />
Hashtags können als Metabegriff für ein bestimmtes Thema oder ein Schlagwort<br />
bezeichnet werden und sind mit dem Rautezeichen (#) gekennzeichnet. Bei der<br />
unübersichtlichen öffentlichen Timeline von Twitter ermöglichen Hashtags neben einer<br />
Sach- und Themenzentrierung zusätzlich die „Einordnung oder Archivierung des<br />
übermittelten Textes” Bieber 2010b: 56). In der Vergangheit politischer Twitter-Nutzung<br />
hat sich gezeigt, dass sich bestimmte Schlagworte in kürzester Zeit sowohl innerhalb der<br />
Twitter-Gemeinschaft etablierten als auch zu weiterer themen- und personenbezogener<br />
Netzwerkbildung beitrugen (vgl. Jungherr 2009: 104).<br />
2.3.3.2 @replies<br />
Twitter im Sinne eines öffentlichen Dialogs zeichnet auf den ersten Blick ein<br />
unübersichtliches Bild der Kommunikation ab. Die @-Zeichen fokussieren die<br />
Kommunikation auf einen oder mehrere Adressaten. “In this noisy environment, use of the<br />
@sign is a useful strategy for relating one tweet to another and indeed for making<br />
coherent exchanges possible” (Honeycutt/Herring 2009: 3). Die Frequenz der<br />
verwendeten @Zeichen gibt demnach Auskunft über den Grad des auf Twitter geführten<br />
Diskurses. Insbesondere für politische Akteure, die den direkten Kontakt mit den Bürgern<br />
suchen, markiert das @Zeichen die Bereitschaft zum unmittelbaren öffentlichen Diskurs,<br />
da ihr Tweet sich an eine Person richtet (vgl. Jungherr 2009: 108f.).<br />
2.3.3.3 Retweet<br />
Die Retweet-Funktion, mit einem RT gekennzeichnet, kommt dem Weiterleiten einer<br />
Email gleich. Diese Funktion hat dazu beigetragen, dass Twitter hinsichtlich der reinen<br />
Informationsverbreitung in Echtzeit eine Besonderheit unter den sozialen Netzwerken<br />
darstellt. Nicht nur das einfache kopieren oder weiterleiten von Nachrichten ist von<br />
Bedeutung, sondern “the practice [also] contributes to a conversational ecology in which<br />
conversations are composed of a public interplay of voices that give rise to an emotional<br />
sense of shared conversational context“ (Boyd 2010: 1).<br />
Durch die Zeichenbegrenzung werden Retweet-Nachrichten oft gekürzt oder<br />
paraphrasiert; die Rückverfolgung des originalen Tweets ist somit in vielen Fällen<br />
82<br />
An dieser Stelle sind unter anderem auch die Funktionen Direct Message oder Listings zu nennen, die<br />
jedoch nicht weiter erläutert werden sollen, vgl. hierzu www.twitter.com.<br />
47
Öffentlichkeit im Wandel<br />
kompliziert (Boyed et al. 2010: 3). Viele Informationen, die über Twitter verbreitet werden,<br />
werden demnach nur als Retweet-Nachricht rezipiert (vgl. Kwak et al. 2010: 6). Bei der<br />
Auswertung von Kommunikationsvorgängen kann die Häufigkeit und die Verteilung der<br />
Retweets auf die Twitter-Nutzer, Auskunft darüber geben, wessen Meinung und<br />
Informationen von der Community of Interest und darüber hinaus besonders hoch<br />
bewertet werden. Somit können sich bei Twitter Meinungsführerschaften etablieren.<br />
2.3.3.4 Störenpotenzial bei der 140-Zeichen Kommunikation<br />
Die Kommunikation auf Twitter verläuft auf den ersten Blick mit Hilfe der zuletzt<br />
aufgeführten Koventionen zumeist geordnet. Dennoch kann sich auch in 140-Zeichen<br />
Störpotentzial zeigen, das den Informationsstrom sowie den Kommunikationsablauf<br />
beeinträchtigen kann – zumindest würde im Rahmen von Analysen zu Twitter ein<br />
verzerrtes Bild entstehen. Störenfriede oder Provokateure, die durch provozierendes oder<br />
normenverletzendes Verhalten große Aufmerksamkeit anstreben, bedienen sich zumeist<br />
zusätzlicher Hilfsmittel.<br />
Kwak et al. deuten in ihrer Untersuchung unter anderem an, dass Störenfriede<br />
“add as many trending topics as possible to appear in the top results for any search in<br />
Twitter” (Kwak et al. 2010: 2). 83 Neben der unverhältnismäßig häufigen Verwendung von<br />
Hashtags innerhalb eines Tweets, lancieren Provokateure auch mit Hilfe der Retweet-<br />
Funktion Nachrichten in hoher Frequenz, die in der Folge ein falsches Meinungsbild<br />
ergibt. Zusätzlich können @-Replies genutzt werden, um bestimmte Nutzer mit<br />
Informationen zu beeinflussen, beispielsweise in Form von Spam-Nachrichten.<br />
Eine eindeutige Defintion im Bezug auf die Kommunikation bei Twitter liegt bislang<br />
nicht vor, obgleich das Kommunikationsverhalten keineswegs frei von Provokation und<br />
Störung ist. 84 Die Plattform selbst hat daher Verhaltensregeln für die Kommunikation in<br />
140 Zeichen aufgestellt, die eine erste Charakterisierung provozierender und störender<br />
Twitterer zulässt; sie umfasst unter anderem folgende Verstöße: 1. ein oder mehrere<br />
Themen mit Hashtags anreichern, obwohl der Tweet sich nicht thematisch damit<br />
auseinandersetzt; Ziel ist die Aufmerksamkeitsgenerierung. 2. Tweets, die jedes Trending<br />
Topic 85 aufgreifen, um mehr Verkehr für den eigenen Twitter-Feed zu bekommen. 3.<br />
Mehrfacher Versand von @-Replies und Retweet-Nachrichten, um öfter auf der<br />
öffentlichen Twitter-Timeline aufzutauchen (vgl. Twitter 2010). Inwieweit dieses Verhalten<br />
83<br />
84<br />
85<br />
Mit “trending topics“ sind Themen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die öffentliche Timeline<br />
dominieren.<br />
Provokateure und Störenfriede der Echtzeitkommunikation auf Twitter im Rahmen des Kanzlerduells<br />
2009 finden innerhalb der qualitativen Analyse erneut Erwähnung (vgl. Kapitel 4.3.3).<br />
Mit trending topics sind jene Wörter, die durch häufiges twittern oder in Folge eines Ereignisses die<br />
Kommunikation bei Twitter dominieren, siehe hierzu ‚Twitter auf einen Blick„ im Anhang.<br />
48
Öffentlichkeit im Wandel<br />
unter dem Eindruck des dezentral organisierten öffentlichen Informations- und<br />
Meinungsaustausches auf der Plattform zu identifizieren ist, kann nur mit Hilfe konkreter<br />
Kriterien aufgezeigt werden.<br />
2.3.4 Das Phänomen der ereignisorientierten politischen Twitternutzung<br />
Obgleich der Mehrwert der Twitter-Nutzung für den Bereich der politischen<br />
Kommunikation unlängst erkannt worden ist, gewinnt die ereigniorientierte Twitter-<br />
Nutzung einen neuen Stellenwert in der Debatte um das Potenzial von Twitter für<br />
Kommunikation, Partizipation und Meinungsbildung. „Twitterer [haben] die Möglichkeit, in<br />
Echtzeit die Reaktionen ihrer persönlichen Community of Interest zu noch ablaufenden<br />
gesellschaftlichen Ereignissen abzurufen und zu beeinflussen“ (Jungherr 2009: 108).<br />
Unzählige Beispiele der letzten zwei Jahre verdeutlichen die wachsende Bedeutung der<br />
funktionellen Weiterentwicklung bei der Twitter-Nutzung. Zu unterscheiden ist an dieser<br />
Stelle zwischen einer reinen Begleitkommunikation beispielsweise im Rahmen von<br />
Konferenzen oder Fernsehereignissen und einer neuen Form von Protestkommunikation<br />
in Echtzeit. Beide Formen der ereignisorientierten Twitter-Nutzung besitzen das Potenzial<br />
bei angemessener Reichweite eine alternative Öffentlichkeit im Internet zu schaffen, die<br />
sich durch Umgehung der etablierten Massenmedien formiert.<br />
Als „communication backchannel to social events“ (Jungherr 2010: 3) wurde<br />
Twitter anfangs „zunehmend bei Tagungen, Kongressen oder Podiumsdiskussionenn als<br />
Medium zur Live-Kommentierung der Vorträge und Gespräche [eingesetzt]“ (Münkler<br />
2009: 11). Der realen Kommunikationssituation fügt Twitter eine zweite, virtuelle Ebene<br />
hinzu, auf der das Geschehen kommentiert und diskursiv aufgearbeitet wird.<br />
Insbesondere bei Konferenzen – exemplarisch lassen sich das Politcamp 2010 86 oder<br />
ähnliche Barcamp-Veranstaltungen nennen – entsteht sowohl auf der Bühne als auch in<br />
den die Veranstaltung begleitenden Online-Diskursen eine hektische<br />
Kommunikationssituation. Bei diesen Online-Diskursen dienen die Hashtags als<br />
Markierung, anhand derer die Diskussionsstränge systematisiert werden. Unter dem<br />
Eindruck einer retrospektiven Betrachtung dieser begleitenden Diskurse dienen<br />
insbesondere die Hashtags der Rekonstruktion.<br />
Ereignisse, die von hoher politischer Relevanz sind, werden ebenfalls in großem<br />
Umfang auf Twitter begleitet. Die Bundespräsidentenwahl 2009 und 2010, der Prozess<br />
der Koalitionsverhandlung zwischen CDU/CSU und FDP nach der Bundestagswahl 2009<br />
86<br />
Insbesondere im Rahmen der beiden Politcamps 2009 und 2010 spielte Twitter und die<br />
Nachvollziehbarkeit der Veranstaltungsthemen über die so genannte Twitterwall eine wichtige Rolle,<br />
vgl. hierzu Politcamp 2010 unter http://politcamp.org/.<br />
49
Öffentlichkeit im Wandel<br />
sowie die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 lassen sich exemplarisch<br />
nennen.<br />
Weitere Ausprägung findet die ereignisorientierte Twitter-Nutzung im Bereich der<br />
Protestkommunikation, die zwar bereits seit einigen Jahren auch online geführt wird,<br />
durch die denzentrale Struktur der sozialen Netzwerken jedoch einem Wandel unterliegt,<br />
wie Beispiele der letzten eineinhalb Jahre verdeutlichen. An dieser Stelle sind unter<br />
anderem die #zensursula-Kampagne Anfang des Jahres 2009, die „neue Maßstäbe für<br />
die digitale Kampagnenführung“ setzte und „inzwischen als eines der erfolgreichsten<br />
dieser kleinteiligen Internet-Phänomene“ gilt (Bieber 2010c: 56), oder die bundesweiten<br />
Studentenproteste nach österreichischem Vorbild im Herbst 2009 zu nennen. Und auch<br />
die Debatte um den Bahnhofsbau in Stuttgart im Herbst 2010, auf Twitter markiert mit<br />
dem Hashtag #s21, zeigt, wie onlinebasierte Protestkommunikation zur umfangreichen<br />
und in manchen Fällen überregionalen Mobilisierung beitragen kann. Die politische<br />
Online-Kommunikation und Beteiligung im Netz sind unter dem Eindruck der<br />
Protestkommunikation in Echtzeit über Twitter, Facebook oder themenspezifische Blogs<br />
an einem Wendepunkt angelangt. Bieber spricht in diesem Zusammenhang von einer<br />
Entwicklung hin zu einer neuen politischen Kommunikationskultur (vgl. Bieber 2010c).<br />
Eine explizite Auseinandersetzung mit diesem Phänomen, das sich auch auf<br />
anderen Plattformen des Social Web zeigt, deckt Gesetzmäßigkeiten in der Art und Weise<br />
der Echtzeitkommunikation auf. Zum einen werden wichtige Informationen mit Hilfe von<br />
Retweets lanciert, um somit die Reichweite zu erhöhen und die Informationsverbreitung<br />
zu beschleunigen. Die @reply-Funktion dient zudem sowohl der direkten Kommunikation<br />
als auch der weiteren Vernetzung, die wiederum ein hohes Potenzial an Spontanaktivität<br />
in sich birgt. Die breite Mobilisierung in sozialen Netzwerken hat sich bereits beispielhaft<br />
in Demonstrationen zur #zensursula-Kampagne oder zu Stuttgart21 wiedergespiegelt. Es<br />
zeigt „wie sich eine breite Kampagne aus Online-Medien heraus entwickelt hat“ ( Bieber<br />
2010b: 15). Der bundesweite Hochschulstreik hat zudem neue Maßstäbe in der<br />
Echtzeitübertragung politischer Veranstaltungen ins Internet und der<br />
grenzüberschreitenden Vernetzung synchroner Protestkampagnen gesetzt (Bieber 2010b:<br />
62f.) Mit Twitter konnte eine Binnenkommunikation unter den Protestierenden ermöglicht<br />
werden, die sich auch bei #s21 als wirkungsvoll gezeigt hat. An diesen Beispielen wird<br />
deutlich, dass die politische Echtzeitkommunikation nicht von politischen Amtsträgern<br />
gesteuert wurde, sondern von Aktivisten, die sich mit Hilfe von #zensursula, #unibrennt<br />
oder #s21 als Sympathisanten der Protestbewegung identifizierten (vgl. Bieber 2010b:<br />
54). Folglich findet in Ansätzen politisches Handeln außerhalb klassischer<br />
Beteiligungsmuster statt, so dass Bürger zu Akteuren einer neuen politischen<br />
Öffentlichkeit werden. Twitter fungiert in manchen Fällen daher als Knotenpunkt für<br />
50
Öffentlichkeit im Wandel<br />
Kommunikation, Mobilisierung und den Informationsausstausch. In Echtzeit entsteht<br />
daher eine ‚Begleitöffentlichkeit„.<br />
2.4 Zwischenfazit<br />
Unter dem Eindruck der technologie-orientierten Entwicklungen in Gestalt des Web 2.0<br />
und dem Social Web hat sich seit einigen Jahren ein neues Verständnis vom System<br />
Öffentlichkeit etabliert. Die Verschmelzung der unterschiedlichen Kommunikationsmodi<br />
lässt keine trennscharfe Differenzierung der drei Öffentlichkeitsebenen mehr zu. Das<br />
Social Web und die immanenten Angebote liefern unter den Vorzeichen des „digitalen<br />
Strukturwandel[s]“ (Bieber 1999: 62) neue Impulse für politische Kommunikations- und<br />
Partizipationsprozesse, bei denen die Bürger die Rolle des passiven Konsumenten gegen<br />
den aktiven Produzenten von Inhalten und Meinungen eintauschen können. Hierbei<br />
spielen die Grenzen der Öffentlichkeitsebenen nur noch eine untergeordnete Rolle. Der<br />
attestierte Wandel der Öffentlichkeit scheint somit einen „Wandel von einer medialen zu<br />
einer politischen Beteiligungskultur“ (Bieber et al. 2009: 53), die anhand von<br />
„gemeinschaftliche[r] Inhaltserstellung“ (Bruns 2009: 70) charakterisiert ist, zu implizieren.<br />
Politische Verssammlungen, von Gerhards als kleine Form von Öffentlichkeit<br />
bezeichnet, erfahren als Ort des diskursgleiteten Meinungsaustausches mit Hilfe des<br />
interaktionsorientierten und partizipationsfördernden Social Web neue Beachtung. Die<br />
zentralen Merkmale der klassischen politischen Versammlung – Themen-und<br />
Sachzentrierung, Diskurs und Meinungsführerschaft – zeichnen sich bereits schemenhaft<br />
in konventionellen digitalen Versammlungsöffentlichkeiten, wie beispielsweise in Chats<br />
oder Online-Diskursplattformen, ab. An dieser Stelle bleibt jedoch die Frage offen,<br />
inwieweit das Gelingen der Versammlung im Internet von der Sozial- bzw. der<br />
Selbstdisziplin abhängt.<br />
Die Kommunikationsplattform Twitter als Hybrid-Medium zwischen<br />
Kommunikationssystem, Informationskanal und sozialem Netzwerk, scheint einen neuen<br />
Öffentlichkeitstypus darzustellen. Die dezentrale Struktur, die vielfältigen Nutzungsformen<br />
und die eingängigen Kommunikationsmuster ermöglichen Kommunikation und<br />
Meinungsbildung sowohl auf der Encounterebene als Spontankommunikation als auch auf<br />
Ebene der Versammlungsöffentlichkeit im Sinne eines Dialogs, sowie als Medium der<br />
Informationsverbreitung und Nachrichtenberichterstattung auf der Ebene der<br />
Medienöffentlichkeit, wenn Twitter-Nachrichten von den etablierten Massenmedien<br />
aufgegriffen werden. Insbesondere unter dem Eindruck der ereignisorientierten politischen<br />
Twitter-Nutzung konnte festgestellt werden, dass sich durch Twitter eine alternative bzw.<br />
begleitende Öffentlichkeit manifestiert. Abschließend kann nach genauerer Betrachtung<br />
des Untersuchungsgegenstandes festgehalten werden, dass das Öffentlichkeitskonzept<br />
51
Öffentlichkeit im Wandel<br />
der politischen Versammlung als geeignete theoretische Grundlage respektive eine<br />
geeignete Analyseperspektive für die Forschungsfrage darstellt. Dies ist einerseits damit<br />
zu begründen, dass sich die Ebenen des Systems Öffentlichkeit unter dem Eindruck des<br />
Internets und dem immanenten Social Web wandeln und dass sich Interaktivität und<br />
Partizipation am deutlichsten in einer digitalen Versammlungsform realisieren lassen.<br />
Für die nachfolgende Analyse werden somit folgende Kategorien zur Untersuchung der<br />
Dynamiken einer politischen Versammlung bei Twitter formuliert:<br />
Themen- und Sachzentrierung der Begleitkommunikation<br />
diskursgeleiteter Argumentations- und Meinungsaustausch<br />
Meinungsführerschaft.<br />
52
Datenanalyse<br />
III<br />
Empirische Untersuchung<br />
3. Datenanalyse<br />
Die nachfolgenden Abschnitte dienen der Annäherung an die empirische Untersuchung.<br />
Hier sollen grundlegende Informationen hinsichtlich des Datenmaterials, seiner Auswahl<br />
sowie des Untersuchungszeitraumes dargelegt werden. Zusätzlich wird erneut<br />
schemenhaft auf die Methodik eingegangen, um die einzelnen Schritte der empirischen<br />
Untersuchung transparent und nachvollziehbar zu machen.<br />
3.1 Forschungsfrage und übergeordnete Arbeitshypothesen<br />
Aufgrund der bisher sehr eingeschränkten theoretischen Auseinandersetzung mit dem<br />
Phänomen der politischen Twitter-Nutzung und der begleitenden Echtzeitkommunikation<br />
im Rahmen von medialen Ereignissen, dient das sich unter den Vorzeichen des<br />
postulierten digitalen Strukturwandels verändernde Öffentlichkeitsmodell nach Habermas<br />
und Gerhards/Neidhardt der theoretisch-konzeptionellen Annäherung. Mit besonderem<br />
Fokus auf die Ebene der Versammlungsöffentlichkeit sollte der Versuch unternommen<br />
werden, bereits im Vorfeld eine inhaltliche Verzahnung zwischen dem klassischen Modell<br />
der politischen Versammlung und der politischen Twitter-Nutzung als neue Form einer<br />
online-basierten Versammlungöffentlichkeit anzudeuten, die in den folgenden Kapiteln<br />
einer empirischen Überprüfung unterliegt. Das Interesse an den kommunikativen<br />
Eigenheiten der politischen Twitter-Nutzung und der theoretischen Verortung auf der<br />
Ebene der Versammlungsöffentlichkeit führt zu der folgenden forschungsleitenden<br />
Fragestellung für die empirische Untersuchung: Welche Merkmale weist die<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter im Rahmen des Kanzlerduells 2009 auf und inwieweit<br />
lassen sich Dynamiken einer politischen Versammlung erkennen<br />
Die Arbeitshypothesen für die nachfolgende quantitative Inhaltsanalyse<br />
erschließen sich auf Grundlage der theoretisch-konzeptionellen Annahmen wie folgt:<br />
Arbeitshypothesen zur quantitativen Inhaltsanalyse:<br />
H1: Die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung im Rahmen des Kanzlerduells<br />
2009 findet in Form einer aktiv begleitenden Echtzeitkommunikation statt.<br />
H2: Die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung im Rahmen des Kanzlerduells<br />
2009 ist sach- und themenzentriert.<br />
H3: Bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung sind diskursive Elemente in<br />
der Echtzeitkommunikation zu erkennen. Der Diskurs findet in einem begrenzten<br />
Nutzerkreis statt.<br />
53
Datenanalyse<br />
H4: Bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung etabliert sich eine<br />
Meinungsführerschaft.<br />
3.2 Methodik<br />
Zur Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellung wird das erhobene<br />
Datenmaterial sowohl einer quantitativen als auch einer qualitativen Inhaltsanalyse<br />
unterzogen und folgt wie bereits in Kapitel 1.4 ausführlich beschrieben dem Mixed-<br />
Method-Ansatz der Inhaltsanalyse. Der Fokus der vorliegenden empirischen<br />
Untersuchung liegt, bedingt durch das umfangreiche Datenmaterial, deutlich auf der<br />
quantitativen Inhaltsanalyse. Die qualitative Inhaltsanalyse dient anschließend der<br />
verfeinerten Betrachtung einzelner Elemente der ereignisorientierten politischen<br />
Twitternutzung beim Kanzlerduell 2009. Demzufolge soll sie relevante Aspekte<br />
aufdecken, die mit einer quantitativen Inhaltsanalyse nicht entschlüsselbar sind. Die<br />
Kategorienbildung der quantitativen Inhaltsanalyse erfolgt auf deduktive (theoriegeleitete)<br />
Weise und nimmt demnach Bezug auf die Ausführungen im Untersuchungsgegenstand.<br />
Demgegenüber sieht die qualitative Inhaltsanalyse mit meist explorativem<br />
Forschungscharakter eine induktive Kategorienbildung vor, so dass die Analysekategorien<br />
am Datenmaterial geprüft, erweitert und dementsprechend konzipiert werden (vgl. Westle<br />
2009: 98, 340). An dieser Stelle wird ein Kategoriensystem auf Basis der im Rahmen der<br />
quantitativen Analyse erarbeiteten Ergebnisse Anwendung finden, so dass die<br />
Formulierung der Kategorien für die qualitative Inhaltsanalyse entsprechend offen<br />
gestaltet wird. Ziel dieser methodischen Vorgehensweise ist sowohl die Erhöhung der<br />
Validität der Ergebnisse als auch der generellen Aussagekraft. Voraussetzung für den<br />
Erkenntnisgewinn ist, dass sich beide Methoden auf denselben Gegenstand beziehen, um<br />
in der Folge zur wechselseitigen Validierung ihrer Ergebnisse eingesetzt werden zu<br />
können. 87<br />
Die quantitative Analyse beruht hauptsächlich auf einer Häufigkeitszählung<br />
hinsichtlich der unterschiedlichen Kommunikationsmuster bei Twitter, so dass Gesetzund<br />
Regelmäßigkeiten fest gestellt werden können. Im Rahmen der qualititativen<br />
Inhaltsanalyse, die einzelne Aspekte vertiefend thematisieren soll, werden die Twitter-<br />
Nachrichten anhand ihres Inhalts kodiert. An dieser Stelle wird geprüft, ob eine<br />
Ausprägung vorliegt oder nicht. Die Verarbeitung und Dokumentation der Erhebungsdaten<br />
87<br />
Die Konstruktion und Anwendung eines multimethodischen Designs, bei dem qualitative und<br />
quantitative Verfahren parallel eingesetzt und die Ergebnisse aufeinander bezogen werden, verlangt,<br />
dass die Wahl der methodischen Instrumente in Beziehung zu den theoretischen Annahmen gesetzt<br />
wird. Ziel sollte demnach in der theoretischen Konvergenz qualitativer und quantitativer<br />
Forschungsergebnisse bestehen (vgl. Kuckartz et al. 2007: 50ff.).<br />
54
Datenanalyse<br />
wird anhand der jeweiligen Analyseraster mit Hilfe eines computergestützten Verfahrens<br />
realisiert. 88<br />
3.3 Materiallage und Untersuchungszeitraum<br />
Das Datenmaterial, das für die empirische Untersuchung der vorliegenden Masterarbeit<br />
genutzt wird, entstammt einer groß angelegten Twitter-Erhebung im Rahmen der<br />
Bundestagswahl 2009. Dr. Andreas Jungherr und Pascal Jürgens haben im Zeitraum vom<br />
18.06.2009 bis zum 30.09.2009 Tweets mit politischen Hashtags von ca. 32.000<br />
deutschen Twitter-Nutzern erfasst und für die wissenschaftliche Weiterverwendung<br />
archiviert (vgl. Jungher/Jürgens 2011). Für die empirische Untersuchung der<br />
ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung im Rahmen des Kanzlerduells 2009<br />
wurden zunächst alle Tweets ausgewählt, die im Zeitraum vom 12.09.2009 (0Uhr) bis<br />
zum 14.09.2009 (0Uhr) versendet wurden und die entweder ein #-Hashtag oder einen @-<br />
Reply beinhalteten. Der zunächst sehr weitgefasste Untersuchungszeitraum wurde<br />
gewählt, um die ereignisorientierte politische Echtzeitkommunikation bei Twitter sowohl im<br />
Sinne einer „Netzdebatte vor der Debatte“ (Bieber 2010b: 253) als auch hinsichtlich einer<br />
digitalen Nachberichterstattung gänzlich zu erfassen. Das Datenset von 264.075 Tweets<br />
und die darin enthaltenen 46.288 verschiedenen #-Hashtags erschienen für das<br />
empirische Vorhaben dieser Masterarbeit jedoch als nicht erfassbar. Um dem<br />
umfassenden Datenmaterial Rechnung zu tragen, wurden daher unterschiedliche<br />
Einschränkungen vorgenommen. Für die gänzliche Erfassung der Dynamiken der<br />
politischen Echtzeitkommunikation bei Twitter unter dem Eindruck eines medialen<br />
Ereignisses, wurde zum einen der Untersuchungszeitraum an die Sendezeit des<br />
Kanzlerduells angepasst, so dass das vorliegende Datenset nur Tweets beeinhaltet, die<br />
am 13.09.2009 zwischen 20:30:00 Uhr und 22:30:02 Uhr abgesetzt wurden. Das<br />
zusätzliche Zeitfenster nach offizieller Beendigung des Kanzlerduells 2009 wurde<br />
eingeräumt, da der Annahme gefolgt wurde, dass besonders die Kommentierung nach<br />
dem medialen Ereignis bei Twitter deutlich zunimmt (vgl. Shamma et al. 2009;<br />
Diakopoulos/Shamma 2010). Die Tweets wurden sekündlich erfasst und abgebildet. Zum<br />
anderen wurde in der Phase der Datensortierung eine Hashtag-Familie definiert, die<br />
vornehmlich der Minimierung des Datenmaterials diente, aber zusätzlich für eine erste<br />
thematische Zentrierung der Tweets sorgen sollte. In einem Pre-Test wurde geprüft,<br />
welche Hashtags die Begleitkommunikation auf Twitter sowohl dominieren als auch<br />
thematische Analogien zum medialen Ereignis an sich aufweisen. Aufgrund des<br />
88<br />
Die gesamte Dokumentation der Vorgehensweise bei der quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse<br />
wird in einem Kodierleitfaden zusammengefasst und gemeinsam mit den Ergebnissen in digitalisierter<br />
Form auf einem CD-ROM Datenträger der Arbeit beigefügt.<br />
55
Datenanalyse<br />
umfangreichen Datenmaterials wurden somit folgende Hashtags ausgewählt: #cdu,<br />
#CDU, #spd, #SPD, #merkel, #Merkel, #steinmeier, #Steinmeier, #btw09, #kanzlerduell,<br />
#Kanzlerduell, #duell09, #tvduell. Es lässt sich daher anmerken, dass alle Tweets des in<br />
der vorliegenden Arbeit verwendeten Samples mindestens eines dieser Hashtags<br />
beinhalten. Generell umfasst das Sample die Twitter-ID der Nutzer, Autorenname, Anzahl<br />
der Friends und Follower, Datum und Uhrzeit des Tweets sowie den Tweet-Text.<br />
56
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
IV<br />
Ergebnisse<br />
4. Ergebnisse der Datenanalyse<br />
4.1 Fallprofil<br />
Für die Analyse der politischen Twitter-Nutzung im Rahmen des Kanzlerduells 2009 und<br />
den Versuch, die ereignisorientierte Echtzeikommunikation im Sinne einer neuen Form<br />
der Online-Versammlungsöffentlichkeit zu systematisieren, dient eine deskriptive<br />
Beschreibung des Datenmaterials an dieser Stelle als argumentatives Grundgerüst für die<br />
Analyse.<br />
Alle hier abgebildeten Ergebnisse sind unter Vorbehalt zu betrachten, da die<br />
Auswahl des Datenmaterials auf der Grundlage von bestimmten Hashtags vorgenommen<br />
wurde. So fallen Tweets, die sich zwar inhaltlich mit dem Kanzlerduell 2009 befasssen,<br />
jedoch nicht eines der ausgewählten Hashtags enthalten, aus diesem Sample<br />
möglicherweise heraus. Ebenfalls sind die Angaben zu Friends- und Follower-Zahlen als<br />
relative Werte zu betrachten, da sie sich seit dem 13. September 2009 mit aller<br />
Wahrscheinlichkeit verändert haben. Zusätzlich fallen Nachrichten, die @replies oder<br />
Retweets beinhalten, aus dem Sample, sobald sich diese Nachrichten an Twitterer<br />
richten, die im Antwort-Tweet nicht eines der ausgewählten Hashtags eingesetzt haben.<br />
Die Darstellung der Ergebnisse unterliegt demzufolge einer stetigen Reflektion über die<br />
empirischen Hürden hinsichtlich späterer Generalisierbarkeit.<br />
4.1.1 Twitterer<br />
Das Kanzlerduell 2009 zwischen Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Steinmeier schauten<br />
neben den ca. 14 Millionen Menschen vor den Fernsehern ebenfalls 3.507 Twitterer<br />
(identifiziert durch die genannten Auswahlkriterien), die auf der Plattform zu dem<br />
Geschehen in Echtzeit Stellung nahmen. Aufgrund der Vorauswahl von Tweets anhand<br />
der Hashtag-Familie kann die reale Anzahl der an der Begleitkommunikation in Echtzeit<br />
partizipierenden Twitter-Nutzer deutlich höher ausfallen, gesetzt dem Fall, dass diese<br />
Nutzer keines der ausgewählten Hashtags bei der Kommentierung des Kanzlerduells<br />
2009 verwendet haben.<br />
Unter den 3.507 Twitterern, die zwischen 20:30:00 Uhr und 22:00:02 Uhr das Duell<br />
kommentiert haben, zeichnet sich eine Unterscheidung gemäß der Aktivität der einzelnen<br />
Twitterer ab, so dass eine kleine Nutzergruppe überdurchschnittlich viele Kommentare in<br />
140-Zeichen abgesendet hat und der Großteil jedoch nur unregelmäßig über die Plattform<br />
kommuniziert hat. Abbildung 3 zeigt die 30 aktivsten Twitterati, die die begleitende<br />
57
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Echtzeitkommunikation dominiert haben. 89 Sofern die Namen der nachfolgend<br />
aufgeführten Twitterati keine unmittelbare Auskunft über die Person hinter dem Account<br />
geben, ist eine soziokulturelle Einordnung in Subgruppen sowie eine Einschätzung über<br />
die politische und wertmäßige Orientierung dieser attentive public nur in wenigen Fällen<br />
möglich. Nichtsdestoweniger kann hinsichtlich dieser Gruppe, die im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 aktiv getwittert hat, in gewissem Maße von Repräsentativität<br />
gesprochen werden, da einerseits für die Vorsortierung der ereignisorientierten Tweets<br />
generalistische Hashtags ausgwählt wurden und andererseits die ausgewählte<br />
Nutzergruppe in ihrer Diversität Ähnlichkeiten mit anderen Untersuchungen aufweist.<br />
Mitunter befinden sich unter den 3.507 Twitterern beispielsweise politische Akteure,<br />
(politische) Blogger, Online-Formate klassischer Medien(kanäle), politische Online-<br />
Plattformen oder politisch-interessierte Twitter-affine Personen.<br />
Abb. 4: Tweet-Verteilung (Top 30)<br />
Twitterer<br />
Anzahl Tweets<br />
1 @andremoch 93<br />
2 @tagesschau 87<br />
3 @wahlenrt 85<br />
4 @MH120480 83<br />
5 @Wahlergebnis09 78<br />
6 @sternde 73<br />
7 @chris_politicus 68<br />
8 @merkelnein 61<br />
9 @ralf_tannert 55<br />
10 @Wahlkampfarena 52<br />
11 @Guenther0815 51<br />
12 @MariVicto 50<br />
13 @Nordhessische 49<br />
14 @justusmarten 47<br />
15 @yathina 46<br />
16 @DerBruesseler 46<br />
17 @SteffiLemke 44<br />
18 @hansfritz 44<br />
19 @zeitjung_news 44<br />
20 @JonathansTV 43<br />
21 @HannesGrosch 41<br />
22 @Cleanthinking 41<br />
23 @hauptstadtgoere 41<br />
24 @TC_Stahl 41<br />
25 @jenswf 40<br />
26 @alleswasbewegt 40<br />
27 @spdhannover 39<br />
28 @henrikMS 39<br />
29 @jrutzen09 39<br />
30 @danieljohnr 38<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
89<br />
Der Begriff Twitterati umschreibt jene Twitter-Nutzer, die zum einen die Plattform sehr aktiv nutzen und<br />
zum anderen von überdurchschnittlich vielen Personen gelesen werden, da ihre Tweets mehr<br />
Aufmerksamkeit erfahren als Tweets eines „Otto-Normal-Twitterers“ (vgl. Urban Dictionary 2009). In<br />
diesem Kontext wird der Begriff jedoch synonym für diejenigen Nutzer verwendet, die im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 die Begleitkommunikation in Echtzeit dominiert haben.<br />
58
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Bei der Analyse des Kommunikationsverhaltens einzelner Personen wird oft die Frage<br />
nach ihrem Einfluss auf die öffentliche sich bei Twitter entwickelte Meinung gestellt.<br />
Jedoch lässt sich der Einfluss der Twitterer, die das Kanzlerduell 2009 in 140 Zeichen<br />
kommentiert haben, nur unter Vorbehalt bestimmen. Wie sich in den nachfolgenden<br />
Kapiteln zeigen wird, ist die reine Aktivität – das häufige Versenden von Tweets – keine<br />
zufriedenstellende Messgröße, sondern kann nur als zusätzliche Variable in Betracht<br />
gezogen werden. Dennoch ist festzuhalten, dass die 30 aktivsten Twitterati ein hohes<br />
Interesse an dem Kanzlerduell bzw. an der Online-Diskussion auf Twitter zeigen. Zudem<br />
veranschaulicht die Verteilung der Tweets auf die einzelnen Twitterer, dass neben einigen<br />
wenigen heavy usern der Großteil der Teilnehmer an der Online-Begleitkommunikation in<br />
Echtzeit eher das mediale Ereignis am Fernsehbildschirm und nur nebenbei die<br />
Diskussion auf Twitter verfolgt.<br />
4.1.2 Tweets<br />
Die Anzahl der Tweets, die parallel zum Kanzlerduell 2009 versendet worden sind, lässt<br />
erahnen, in welchem Umfang eine begleitende Online-Debatte in Echtzeit stattgefunden<br />
hat. Von den 3.507 Twitter-Nutzern wurden zwischen 20:30:00 Uhr und 22:30:02<br />
insgesamt 17.932 Tweets versendet. Konkret im Zeitraum des Kanzlerduells von<br />
20:30:00Uhr bis 22:00:00Uhr wurden mit 14.904 Tweets 83 % der insgesamt 17.932<br />
Tweets verschickt. Die verbleibenden 3.028 Twitter-Nachrichten wurden erst nach der<br />
offziellen Beendigung des Kanzlerduells abgesendet. Abbildung 5 zeitgt die Aktivität bei<br />
Twitter und veranschaulicht analog dazu die Schwankungen hinsichtlich des Interesses<br />
der Twitterer am Duell. Deutlich werden an dieser Stelle Abschnitte mit sehr hoher<br />
beziehungsweise sehr niedriger Aktivität. Trotz Ausschlägen ist festzuhalten, dass sich für<br />
das Kanzlerduell 2009 eine konstante Begleitkommunikation bei Twitter attestieren lässt,<br />
die zum Ende des Duells gegen 22:00:00 Uhr noch einmal deutlich ansteigt, um<br />
vermutlich die Schlussstatements beider Kandidaten zu kommentieren und um zusätzlich<br />
ein persönliches Fazit zum Duellverlauf zu ziehen. Der deutliche Anstieg der Aktivität bei<br />
Twitter zum Ende des medialen Ereignisses wurde bereits in anderen Studien beobachtet<br />
(vgl. Beiträge von Shamma et al.). Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Aktivitätsanstieg<br />
damit zu erklären ist, dass die Twitter-Nutzer nach offizieller Beendigung des<br />
Kanzlerduelle 2009 ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Diskussion bei Twitter lenken<br />
konnten und demzufolge mehr getwitterert haben als während des Duells selbst.<br />
59
Anzahl Tweets<br />
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Abb. 5: Aktivität<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
+ 1 St.Abw.<br />
Durchschnitt<br />
100<br />
50<br />
- 1 St.Abw.<br />
0<br />
20:30h 20:40h 20:50h 21:00h 21:10h 21:20h 21:30h 21:40h 21:50h 22:00h 22:10h 22:20h 22:30h<br />
Anzahl Tweets pro Minute<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Im gesamten Zeitraum setzt durchschnittlich jeder Twitterer 5,11 Tweets ab. Diese sehr<br />
hohe Tweet-Dichte kommt durch die ungleichmäßige Verteilung der Aktivität einzelner<br />
Twitterer zustande, die überdurchschnittlich viel getwittert haben. Dieses<br />
Kommunikationsverhalten der so genannten Outlier 90 führt folglich zu einer gewissen<br />
Verzerrung des Bildes. Um das Gleichgewicht zwischen den Outliern und den ‚Normal-<br />
Twitterern„ herzustellen und um eine erwartbare Tweet-Dichte abzeichnen zu können,<br />
wird der Median 91 gebildet. Entsprechend liegt der Median-Wert bei zwei Tweets pro<br />
Twitterer, so dass die eine Hälfte der 3.507 Online-Diskussions-Teilnehmer mehr als zwei<br />
Tweets und die andere Hälfte weniger als zwei der 140-Zeichen Nachrichten versendet<br />
hat. Somit ist auch mit Blick auf die Anzahl der abgesetzten Tweets im Rahmen des<br />
Kanzlerduells folglich eine Power Law Verteilung erkennbar. 92 2.405 Tweets wurden von<br />
insgesamt 1.826 Twitterern abgesendet, die entweder nur einen oder zwei Tweets<br />
während der Übertragung des Rededuells zwischen Merkel und Steinmeier verschickt<br />
haben. Diese ‚Wenig-Twitterer„ machen mit ihren 1-2 Tweets 13% aller Tweets aus und<br />
90<br />
91<br />
92<br />
In der Statistik wird mit Outlier u.a. ein Messwert gemeint, der zum einen nicht den Erwartungen<br />
entspricht und zum anderen sich nicht in eine erwartete Messreihe einfügt. Hinsichtlich die Twitter-<br />
Nutzung lassen sich Outlier als Twitterer bezeichnen, die entgegen der Erwartungen mehr twittern als<br />
andere und somit das Bild der durchschnittlichen Nutzung verzerren, vgl. http://en.wikipedia.org/<br />
wiki/Outlier.<br />
Der Median wird gegenüber dem Durchschnitt - dem arithmetischen Mittel - bevorzugt, da er<br />
resistenter gegenüber extrem abweichenden Werten ist. Da er die gesamte Stichprobe in zwei<br />
identische Hälften teilt, ergibt sich ein nachvollziehbarer Wert. Der Median wird in der gesamten hier<br />
dargestellten empirischen Untersuchung zum Zweck einer anschaulichen Darstellung der Verteilung<br />
verwendet.<br />
„A power law applies to a system when large is rare and small is common“ (Findlay 2010) und stellt<br />
somit eine nicht-linerare Regression dar. EIne Power Law Verteilung stellt bei der Analyse von sozialen<br />
Netzwerken keine Seltenheit dar.<br />
60
Anzahl der Tweets pro Nutzer<br />
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
stellen 52% aller an der Online-Kommunikation bei Twitter partizipierenden Teilnehmer<br />
dar (1.826 Nutzer). Analog hierzu machen die Tweets der Top 30 Twitterati ganze 8% der<br />
insgesamt 17.932 versendeten Nachrichten aus. Ihr Anteil gemessen an allen 3.507<br />
Teilnehmern liegt dabei bei nur 0,86%. Obgleich die Gruppe der Top 30 Twitterati nur<br />
einen kleinen Teil der Gesamtteilnehmerzahl einnimmt, ist ihre Teilnahme an der<br />
begleitenden Online-Diskussion in Echtzeit geprägt von einer hohen Aktivität. In der<br />
nachfolgenden Grafik ist der Long Tail der vielen ‚Wenig-Twitterer„ im Unterschied zu den<br />
wenigen Outliern deutlich zu erkennen.<br />
Abb. 6: Verteilung Tweets auf Nutzer<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Anzahl der Nutzer mit X Tweets<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
4.1.3 Beziehungsnetzwerk von Friends und Followern<br />
Das persönliche Beziehungsnetzwerk zwischen den Twitter-Nutzern beruht auf dem<br />
technischen Design und den gesellschaftlichen Konventionen, die für die Kommunikation<br />
auf dieser Plattform gelten. Über die Netzwerkeffekte im Rahmen des Kanzlerduells 2009<br />
können zwar nur begrenzt Aussagen getroffen werden, nichtsdestoweniger ermöglicht ein<br />
Blick auf die Verteilung der Friends und Follower Vermutungen über die Reichweite der<br />
online-basierten Begleitkommunikation und die Relevanz einzelner Twitterer zu treffen.<br />
Die insgesamt 3.507 Twitterer besitzen durchschnittlich 281 Follower und folgen<br />
demgegenüber selbst im Durchschnitt 228 Accounts (Friends). Der Median liegt jedoch<br />
nur bei 99 Followern, das bedeutet die Hälfte der 3.507 Twitterer hat mehr als 99<br />
Follower, die andere weniger. Der Median der Friends, also derjenigen, denen der<br />
einzelne Twitterer individuell folgt liegt bei 94. Die Wahl des Median als Messgröße ist<br />
besonders hinsichtlich der Followerzahlen relevant, da es einige wenige Twitterer unter<br />
61
Anzahl Fiends<br />
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
den 3.507 Teilnehmern gibt – bspw. @TorstenNeumann oder @wildwasser 93 – die<br />
auffallend viele Follower haben und somit die Verteilung deutlich verschieben (vgl. Abb.<br />
7); diese Verzerrung könnte zu Missdeutungen führen (vgl. Pfeiffer 2010b). Beim<br />
Ausschluss der zwei exemplarisch genannten Accounts aus der Analyse, wird eine<br />
deutliche Diskrepanz zum Durchschnitt sichtbar. Die durchschnittliche Anzahl der<br />
Follower nach neuer Berechnung liegt insofern bei 262 Followern (im Vgl. 281 Follower<br />
mit Outliern) und bei 208 Friends (im vgl. 228) – ein nicht trivialer Einfluss, wenn man<br />
bedenkt, dass es sich um weniger als 0,03 Prozent der Twitterer insgesamt handelt. Der<br />
Median beider Größen verändert sich unter dem Eindruck der neuen Berechnung jedoch<br />
nicht. Abbildung 7 zeigt analog zu Abbildung 6, dass auch hinsichtlich der Friends- und<br />
Followerzahlen eine Power Law Verteilung zutrifft, erkennbar am Long Tail. 94<br />
Abb. 7: Power Law Verteilung der Friends<br />
9000<br />
8000<br />
7000<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
Friends<br />
Durchschnitt Friends<br />
Median Friends<br />
2000<br />
1000<br />
0<br />
1 3500<br />
Twitter-Nutzer<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
93<br />
94<br />
Vollständiges Nutzerprofil, vgl. hierzu http://twitter.com/torstenneumann; http://twitter.com/wildwasser.<br />
Der Begriff beschreibt eine Häufigkeitsverteilung in der Statistik, bei der auf der rechten Seite der long<br />
tail und auf der linken Seite sind wenige Personen zu sehen die jedoch dominieren. Prägend für den<br />
Begriff ist die Long-Tail-Theorie im Jahr 2004 von Chris Anderson, obgleich Clay Shirky 2003 bereits<br />
auf seinem Blog vom Long Tail gesprochen hat; vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Long_Tail.<br />
62
Anzahl Follower<br />
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Abb. 8: Power Law Verteilung der Follower<br />
12000<br />
10000<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
Follower<br />
Durchschnitt Follower<br />
Median Follower<br />
2000<br />
0<br />
1 3500<br />
Twitter-Nutzer<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Der Median von Friends und Followern offenbart ein geringes Übergewicht der Follower-<br />
Anzahl gegenüber der Friends-Anzahl. Es lässt vermuten, dass sich unter den 3.507<br />
Twitterern einige reichweitenstarke Accounts befinden, die beispielsweise im Bereich der<br />
Medien anzusiedeln sind oder bekannte deutsche Blogs betreiben bzw. bekannte<br />
Netizens sind (vgl. etwa Beispiele aus dem Sample: @tagesschau, @prosieben,<br />
@saschalobo, @tauss, @netzpolitik) und somit einen großen Leserkreis haben. Die im<br />
Folgenden dargestellte Tabelle (Abb. 8) veranschaulicht die Verteilung der Friends und<br />
Follower auf 30 Twitterer, die die meisten Friends bzw. Follower aufweisen:<br />
63
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Abb. 9: Liste Top 30 Friends/Follower-Verteilung<br />
Twitterer Anzahl Friends Twitterer Anzahl Follower<br />
1 @TorstenNeumann 40081 @TorstenNeumann 38059<br />
2 @wildwasser 29868 @wildwasser 28859<br />
3 @ProSieben 8428 @saschalobo 19476<br />
4 @qintermac 8257 @tauss 10534<br />
5 @BMOnline 5410 @netzpolitik 9448<br />
6 @Abendzeitung 4475 @sixtus 8904<br />
7 @Die_Gruenen 4057 @tagesschau 8267<br />
8 @DerWesten 3901 @Die_Gruenen 8096<br />
9 @mark_henckel 3711 @ProSieben 7721<br />
10 @Hochbahnopfer 3569 @intermac 7523<br />
11 @RobVegas 3450 @klauseck 6778<br />
12 @derfreitag 3350 @BMOnline 6129<br />
13 @qweinvkn 3289 @DerWesten 5845<br />
14 @Ibo 3131 @Ibo 5505<br />
15 @Nico 3049 @sternde 5103<br />
16 @dwitter_com 2861 @cdu_news 4686<br />
17 @DocSibylle 2443 @Abendzeitung 4533<br />
18 @farbwolke 2295 @derfreitag 4410<br />
19 @daniellegrossi 2286 @Nico 4360<br />
20 @Hoertrich 2153 @spdde 4289<br />
21 @f_schaeffler 2067 @csommer 4139<br />
22 @germanstudent 2014 @damitdasklaas 4004<br />
23 @wahljahr09 2005 @PickiHH 3991<br />
24 @Stecki 2003 @dwitter_com 3648<br />
25 @thomasabecker 2001 @weltonline 3587<br />
26 @klingbeil09 2000 @manniac 3491<br />
27 @Boomel 2000 @weinvkn 3482<br />
28 Michi_cooly 2000 @Hochbahnopfer 3477<br />
29 sozendissen 2000 @RobVegas 3476<br />
30 bernhardjenny 1995 @mark_henckel 3475<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Obgleich diverse wissenschaftliche Studien eine theoretische Reichweite anhand der<br />
Summe der Followerzahl von partizipierenden Twitterern errechneten, wird hierbei der<br />
Anschein erweckt, der einzelne Twitterer hätte nur Unique Follower 95 (in diesem Fall lässt<br />
sich auch von einem theoretischen Publikum der begleitenden Online-Diskussion bei<br />
Twitter sprechen). Für das Kanzlerduell 2009 ergäbe sich unter dem Eindruck dieser<br />
deutlichen Einschränkungen der Messmethode eine theoretische Reichweite von<br />
6.290.564 Twitterern. Da jedoch viele Twitterer den selben Accounts folgen, würde die<br />
Summe der Followerzahl von 3.507 Twitterern eine größere theoretische Reichweite<br />
ergeben als dies in der Realität für Twitter der Fall ist. Nichtsdestoweniger sind zu den<br />
Lesern der Tweets im Rahmen des Kanzlerduells 2009, die über die Plattform direkt<br />
rezipiert werden, ebenfalls Leser einzubeziehen, die beispielsweise die Tweets zum<br />
95<br />
Mit Unique Followern sind eindeutige Nutzer gemeint. Für die Berechnung wird eine TwitterAPI<br />
benötigt, die alle Follower der einzelnen Sender läd und abfragt. Die technischen Möglichkeiten der<br />
vorliegenden Arbeit waren diesbezüglich jedoch nicht gegeben.<br />
64
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Kanzlerduell 2009 durch eine automatisierte Weiterleitung auf Facebook oder Blogs<br />
lesen. Die Followerzahl zur Errechnung der theoretischen Reichweite ist grundsätzlich<br />
somit eine eher irrelevante Größe. 96 Nichtsdestotrotz wird in einem anderen Kontext<br />
erneut auf die Followerzahl Bezug genommen – bei der Berechnung der Relevanz<br />
einzelner Twitterer (vgl. Kapitel 2.1.3.2).<br />
Anhand zweier Beispiele aus dem vorliegenden Sample zeigt sich diese attestierte<br />
Ungenauigkeit, die die Messgröße Follower-Anzahl aufweist (vgl. hierzu Abbildung 8). Der<br />
Blogger Sascha Lobo 97 befindet sich aktuell auf Platz 2 der Liste der reichweitenstärksten<br />
deutschsprachigen Twitter-Accounts (vgl. Pfeiffer 2010f). Mit 19.476 Followern zum<br />
Zeitpunkt der Datenerhebung rangiert er im vorliegenden Sample auf Rang 3. Mit zwei<br />
Tweets gehört Sascha Lobo im Rahmen des Kanzlerduells jedoch zu den ‚Wenig-<br />
Twitterern„:<br />
@saschalobo: „Celebrity Dös Match. #tvduell“ (21:44:28)<br />
@saschalobob: „Zuschauer, die diese Sendung gesehen haben, kauften auch:<br />
Kuschelrock 27/9. #tvduell“ (22:08:56)<br />
Nichtsdestotrotz werden seine zwei Tweets 42 Mal geretweetet. Diese exponentielle<br />
Weiterleitung verdeutlicht zum einen die große Reichweite seiner Tweets und zum<br />
anderen die ihnen zugesprochene Relevanz – sieht man vom inhaltichen Gehalt dieser<br />
Tweets erst einmal ab. Im Vergleich wird der Account von @TorstenNeumann 98 ,<br />
Schatzmeister der Jungen Liberalen in Schleswig-Holstein, von 38.509 Followern<br />
gelesen; er führt die Rangliste der Twitterer gemessen an der Anzahl der Follower. Auch<br />
er hat während des Kanzlerduells nur zwei Tweets abgesendet:<br />
@TorstenNeumann: „#tvduell Sieger unbekannt Verlierer sind die Zuschauer nix<br />
neues und langweile pur... da kann man lieber DFB vs Asabeidjan anschauen...“<br />
96<br />
97<br />
Gerald Bäck hat zusammen mit Max Kuckartz im Rahmen einer Twitter-Analyse zu den<br />
österreichischen Studentenprotesten 2009 die theoretische Reichweite wie errechnet, indem die<br />
Summe aller Follower pro Tweet wurde ermittelt wurde. Bei den erfassten 66.329 Tweets ergibt das<br />
eine durchschnittliche Reichweite pro Tweet von 323 Followern und insgesamt eine theoretische<br />
Reichweite von 21.425.836 Nutzern, vgl. hierzu Gerald/Kuckartz 2009. Anhand der der neuen Funktion<br />
Listings wäre möglicherweise eine aussagekräftigere Reichweite zu berechnen, dieser Ansatz soll hier<br />
jedoch nicht weiter thematisiert werden, bietet jedoch einen interessanten Analysepunkt für weitere<br />
Studien, die nach der wirklichen Reichweite von ereignisorientierter Echtzeitkommunikation in sozialen<br />
Netzwerken fragen.<br />
Die Persona ‚Sascha Lobo„ wird in der deutschen Blogosphäre und im Bereich Social Media, aber<br />
insbesonders in den Massenmedien als Web-Promi dargestellt; mehr zur Persona vgl.<br />
http://saschalobo.com/ und das vollständige Twitter-Profil, vgl. www.twitter.com/saschalobo.<br />
98 Vgl. hierzu den Twitter-Account von @TorstenNeumann: http://twitter.com/TorstenNeumann; die<br />
Angaben im Profil können eine mögliche Erklärung für die überdurchschnittlich hohe Anzahl an<br />
Followern sein.<br />
65
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
@TorstenNeumann: „RT @johannesvogel Nachtrag: Wo war eigentlich die<br />
Innenpolitik Schade, dass sie nie zur Lage der Bürgerfreiheiten gefragt<br />
wurden.#tvduell“<br />
Im Unterschied zu @saschalobo wurde @TorstenNeumann im Rahmen des vorliegenden<br />
Samples überhaupt nicht geretweetet.<br />
Wie in Kapitel 4.2.3 vertiefend dargestellt werden soll, besitzt die Häufigkeit der<br />
Retweets eine höhere Relevanz im Sinne von Einfluss auf die Meinung der Twitterer als<br />
die Anzahl der Follower eines Twitterers; in manchen Fällen können beide Werte jedoch<br />
gleichermaßen Relevanz ausdrücken. Im Bereich der Social Media Forschung wird auf<br />
Grundlage einer hohen Followerzahl von Relevanz gesprochen, da davon ausgegangen<br />
wird, dass ein Twitter-Account, der von vielen Personen gelesen wird, relevante<br />
Informationen twittert. Fälschlicherweiser spielt der Inhalt des Tweets demnach kein Rolle.<br />
Festzuhalten ist daher, dass Relevanz und Einfluss von Twitterern als normative Werte<br />
begriffen werden müssen, deren Berechnung durch viele Einschränkungen fast unmöglich<br />
ist. Der Inhalt der Tweets, die weitergeleitet werden, spielt in diesem Zusammenhang eine<br />
untergeordnete Rolle, da eine objektive Einschätzung des inhaltlichen Gehalts der Tweets<br />
nicht machbar ist.<br />
Grundsätzlich ist unter dem Eindruck der generellen Analyse des Fallprofils eine<br />
aktive Begleitkommunikation in Echtzeit zu identifizieren. Die ereignisorientierte politische<br />
Twitter-Nutzung zeigt im Rahmen des Kanzlerduells 2009 zwischen Angela Merkel und<br />
Frank-Walter Steinmeier neben einer konstanten Aktivität, die zweifelsohne auch<br />
Einschnitte im Kommunikationablauf verzeichnet, einen beachtlichen Teilnehmerkreis. Auf<br />
den ersten Blick wird deutlich, dass bezüglich des Engagements zur begleitenden<br />
Echtzeikommunikation eine kleine Gruppe von Twitterern, die so genannten Outlier, durch<br />
ihre hohe Tweet-Frequenz auffällt. Die Hypothese (H1) hinsichtlich einer aktiv<br />
begleitenden Echtzeitkommunikation bei Twitter lässt sich im Wesentlichen mit Hilfe der<br />
Ergebniss aus dem ersten Teil der quantitativen Analyse bestätigen.<br />
66
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
4.2 Muster der Echtzeitkommunikation bei Twitter<br />
Auf Grundlage des erarbeiteten Fallprofils, das Auskunft über die Teilnehmer und den<br />
Umfang der ereignisorientierten Begleitkommunikation bei Twitter gibt, sollen im<br />
Folgenden die strukturbildenden Elemente einer klassischen politischen Versammlung –<br />
Themen- und Sachzentrierung, Diskursivität und Meinungsführerschaft – anhand der<br />
Muster der Echzeitkommunikation bei Twitter thematisiert und empirisch überprüft<br />
werden.<br />
4.2.1 Sach- und Themenzentrierung der Begleitkommunikation bei Twitter<br />
Hashtags sind ein zentrales Identifikationsmerkmal sowohl für eine sachorientierte als<br />
auch in manchen Fällen für eine personenorientierte Kommunikation bei Twitter. Sie<br />
ermöglichen eine Kategorisierung der Tweets und erleichtern die Analyse des Tweet-<br />
Inhaltes. Aufgrund der Vorauswahl der Tweets anhand von acht Hashtags wurde eine<br />
Themen- und Sachzentrierung der archivierten Tweets in gewisser Weise<br />
vorweggenommen. Dennoch zeigt die quantitative Analyse an dieser Stelle, dass trotz der<br />
Vorauswahl sowohl eine breite Varianz an verwendeten Hashtags als auch divergente<br />
Hashtags zu erkennen sind, die die Begleitkommunikation in Echtzeit bei Twitter während<br />
des Kanzlerduells dominieren.<br />
Im Hinblick auf das Sample lässt sich feststellen, dass alle 17.932 Tweets<br />
mindestens ein Hashtag beinhalten, so dass sich eine Hashtag-Dichte von 1,58 Hashtags<br />
pro Tweet ergibt. Verteilt auf die Gesamtanzahl an Tweets wurden im<br />
Untersuchungszeitraum insgesamt 28.296 Hashtags verwendet. 99 Aus diesen 28.296<br />
Hashtags konnten 1.452 unterschiedliche Hashtags herausgefiltert werden; ohne die im<br />
Vorfeld ausgewählten Hashtags ergibt sich eine entsprechende Gesamtzahl von 1.444<br />
unterschiedlichen Hashtags. Die ausgewählten Hashtags 100 finden insgesamt 20.348 Mal<br />
Anwendung und bilden somit einen Anteil von 72% bezogen auf alle verwendeten<br />
Hashtags. Ohne die Auswahl ergibt sich entsprechend ein Anteil von 28%. An dieser<br />
Stelle ist bereits festzuhalten, dass die ausgewählten Hashtags die Begleitkommunikation<br />
im Rahmen des Kanzlerduells umfangreich abdecken. Abbildung 10 veranschaulicht die<br />
meistverwendeten Hashtags zum Kanzlerduell 2009, ausgenommen der Auswahl-<br />
Hashtags. Obgleich sich in dieser Hinsicht bereits im Vorfeld eine thematische<br />
Zentrierung der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung attestieren lässt, wird bei<br />
99 Die Summe der verwendeten Hashtags umfasst alle Hashtags samt Dopplung und fehlerhafter<br />
Schreibweise. Diese Anzahl ist deutlich von den 1.452 Hashtags zu differenzieren, da diese von<br />
Dopplungen bereinigt sind.<br />
100<br />
Der Auswahl liegen folgende Hashtags zugrunde: #cdu/#CDU, #spd/#SPD, #merkel/#Merkel,<br />
#steinmeier/#Steinmeier, #btw09, #kanzlerduell/#Kanzlerduell, #duell09, #tvduell.<br />
67
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
näherer Betrachtung der untschiedlichen Hashtags deutlich, dass sich thematische<br />
Analogien unter den Hashtags abzeichnen. Eine Einteilung der 1.452 unterschiedlichen<br />
Hashtags in Themengruppen soll in der nachfolgenden qualitativen Inhaltsanylse<br />
Anwendung finden, um somit das Merkmal der Sach- und Themenzentrierung der<br />
ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung differenzierter zu betrachten. Mitunter<br />
zeigt jedoch bereits die Varianz der 1.452 Hashtags, dass sich die meisten Tweets mit<br />
dem Kanzlerduell in deskripitver Weise auseinandesetzen. Hier spielen folglich Themen<br />
wie die Bundestagswahl, das Duell oder der Wahlkampf eine Rolle. Aber auch<br />
unerwartete Themenkomplexe werden mit Hashtags angesprochen, wie beispielsweise<br />
‚#simpsons„ oder ‚#piraten+„.<br />
Abb. 10: Verwendete Hashtags ohne Auswahl<br />
68<br />
Quelle: Eigene Darstellung
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Eine Sach- und Themenzentrierung der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung in<br />
Gestalt von Begleitkommunikation in Echtzeit ist mit Hilfe einer Vorauswahl von Hashtags<br />
bereits teilweise determiniert worden. Nichtsdestoweniger offenbart Abbildung 10 101 , dass<br />
neben der allgemeinen thematischen Fokussierung der Kommunikationsinhalte (Tweets)<br />
auf das Kanzlerduell und die beiden Duellkandidaten, weitere Themen in den Mittelpunkt<br />
der Begleitkommunikation gerückt werden. Unter Berücksichtigung der formalen<br />
Einschränkungen kann Hypothese H2 102 daher nicht vollständig verifiziert werden. Eine<br />
verfeinerte Analyse ist an dieser Stelle notwendig.<br />
4.2.2 140-Zeichen Diskurs in Echtzeit<br />
Der öffentliche Dialog zählt, wie bereits im Vorfeld der empirischen Untersuchung<br />
erwähnt, zu den wichtigsten Charakteristika der Kommunikation bei Twitter. Mit der<br />
Verwendung des @-Zeichen zur Markierung eines Tweets, dessen Information sich an<br />
eine Person richtet, findet der öffentliche Dialog seine funktionale Verfestigung. Im<br />
Rahmen der ereignisorientierten Twitter-Nutzung wird darüber hinaus angenommen, dass<br />
das @-Zeichen zur Ausweitung des Dialogs mit diskursiven Elementen beiträgt, auch<br />
wenn sich dieser Diskurs als Austausch von Argumenten und ‚Konversation im Kleinen„<br />
interpretieren lässt.<br />
Im Untersuchungszeitraum zwischen 20:30:00 Uhr und 22:30:02 Uhr wurden 940 @-<br />
Replies abgesetzt. Von den insgesamt 3.507 Twitterern haben 595 Twitterer eine @-<br />
Nachricht erhalten und 589 Twitterer einen @-Reply versendet. Für das Empfangen eines<br />
@-Replies ergibt sich bei einem Durchschnitt von 1,58 @-Replies pro Nutzer eine Dichte<br />
von 0,17. Der Median der emfangenen @-Replies liegt bei 1. In Bezug auf das Absenden<br />
von @-Replies lässt sich ein Durchschnitt von 1,60 @-Replies und ein Median-Wert von<br />
ebenfalls 1 feststellen; auch hier ergibt sich eine Dichte von 0,17 @-Replies. Folglich<br />
haben 17% der insgesamt 3.507 Twitterer dieses Samples eine direkte @-Reply<br />
Nachricht erhalten, ebenso wie 17% aller Twitterer einen @-Reply abgesetzt haben. Die<br />
identische @-Reply-Dichte scheint zunächst zu überraschen, da eine Differenz zwischen<br />
der Anzahl der Sender (589) und der Anzahl der Empfänger (595) der 940 @-Reply-<br />
Nachrichten auszumachen ist. Überdies wirkt die Vorauswahl der anfangs aufgezeigten<br />
Hashtag-Familie prinzipiell limitierend auf die Aussagekraft einiger Ergebnisse. Allerdings<br />
ist die Diskrepanz zwischen Sender- und Emfängeranzahl derart gering, dass die<br />
101 Abb. 10 wird in Form einer Word Cloud dargestellt, einer Art ‚Schlagwortwolke„, die Worte nach<br />
unterschiedlicher Gewichtung darstellt. Als Methode zur so genannten Informationsvisualisierung wird<br />
die Schlagwortwolke im Social Media Bereich häufig eingesetzt; vgl. http://www.wordle.net/.<br />
102 Zur Erinnerung, Hypothese H2: Die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 ist sach- und themenzentriert.<br />
69
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
vorgestellten Ergebnisse durchaus mit der Wirklichkeit einer öffentlichen, nicht<br />
vorsortierten Twitter-Timeline übereinstimmen, bei der die Summe der @-Reply-Sender<br />
und Emfänger absolut identisch ist. Dieser Beobachtung liegt der Dialog zwischen zwei<br />
Twitterern zugrunde.<br />
In Anbetracht dessen kann von einer gewissen Repräsentativität des Samples<br />
dieser vorliegenden Arbeit ausgegangen werden – trotz einschränkender<br />
Auswahlkriterien. Eine Illustration des Interaktionsnetzwerkes hinsichtlich der<br />
Dialogführung zwischen den 589 Sendern und 595 Emfängern ist an dieser Stelle nicht<br />
möglich, da auf der Grundlage der vorhandenen Daten keine direktionale Bestimmung<br />
des Diskurses getroffen werden kann. 103 Nichtsdestoweniger verdeutlicht die Identifikation<br />
der aktivsten @-Reply-Sender zum einen die Bereitschaft, Argumente im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 in diskursiver Weise mit einem anderen Twitterer auszutauschen; zum<br />
anderen formen jene Twitterer, die häufig eine @-Reply-Nachricht erhalten haben eine<br />
Gruppe, deren abgesetzte Tweets für Redebedarf sorgen und deren Umgang mit dem<br />
ereignisorientierten Twittern vom Dialog geprägt ist. Die Verteilung der @-Replies auf<br />
Sender und Emfänger, wie tabellarisch in Abbildung 11 dargestellt, veranschaulicht, dass<br />
einige wenige Twitterer sowohl überdurchschnittlich viele @-Replies versenden als auch<br />
empfangen (bspw. @DerBruesseler 104 ).<br />
103 Die Bestimmung der Interaktivität basierend auf der Verteilung der @-Reply-Nachrichten im Rahmen<br />
eines medialen Ereignisses kann mit entsprechenden technischen Mittel Gegenstand weiterer<br />
Untersuchungen sein, mit dem Ziel den öffentlichen Dialog innerhalb der Begleitkommunikation in<br />
Echtzeit bei Twitter aufzuzeigen.<br />
104 @DerBruesseler ist laut seinem Twitter-Profil „Koffeinsüchtiger Paneuropäer, der im Norden gestrandet<br />
ist...“, vgl. hierzu http://twitter.com/DerBruesseler.<br />
70
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Abb. 11: @-Reply Verteilung (Emfänger / Sender)<br />
Emfänger Anzahl @ Sender Anzahl @<br />
1 @tagesschau 21 DerBruesseler 18<br />
2 @ihrewahl 14 andremoch 11<br />
3 @tauss 14 yathina 11<br />
4 @DWDL 11 Lichtmalerin 9<br />
5 @sternde 11 chris_politicus 8<br />
6 @Scherzinfarkt 9 Del_Pierro 7<br />
7 @SteffiLemke 8 Gorion_X 7<br />
8 @weltkompakt 8 hmjahnel 7<br />
9 @BoehningB 7 jaekaebee 7<br />
10 @Chikatze 7 dodomedia 6<br />
11 @frederics 7 neubauerlaw 6<br />
12 @henrikMS 7 spic 6<br />
13 @Stecki 6 m0d3 5<br />
14 @teamdeutschland 6 _free_and_easy_ 5<br />
15 @343max 5 68miT 5<br />
16 @cdu_news 5 alleswasbewegt 5<br />
17 @DerBruesseler 5 DSuelberg 5<br />
18 @her_life 5 nielsbock 5<br />
19 @Ibo 5 Scholle10719 5<br />
20 @imbatman 5 Spoonator 5<br />
21 @JuLisThueringen 5 sternde 5<br />
22 @Junge_Union 5 brabies 4<br />
23 @MissBeehaving 5 Cappellmeister 4<br />
24 @muentefering 5 Joachim_Joe 4<br />
25 @RobVegas 5 justusmarten 4<br />
26 @wahlimweb 5 kceid 4<br />
27 @_Saraaah 4 MrWheel 4<br />
28 @Abendzeitung 4 mufflkuchen 4<br />
29 @berlinIntern 4 pramesan 4<br />
30 @derfreitag 4 problemkerze 4<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Gemäß Hypothese H3 sind bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung im<br />
Rahmen des Kanzlerduells 2009 diskursive Elemente in der Echtzeitkommunikation zu<br />
erkennen, obgleich keine Aussage über die Netzwerkstrukturen dieser Interaktivität<br />
getroffen werden können. Zudem liefert das vorliegende Sample nur Aussagen über das<br />
Versenden und Emfangen von @Reply-Nachrichten, die mindestens ein Auswahl-<br />
Hashtag beinhalteten. In summa ist der Austausch von Argumenten und Meinungen im<br />
Sinne der hier aufgezeichneten Twitter-Nutzung als ‚Diskurs im Kleinen„ zu begreifen.<br />
Offen bleibt an dieser Stelle die Frage, ob sich der ‚Diskurs im Kleinen‟ als multipler<br />
Monolog mit sporadischen, unstetigen und loseverbundenen Dialogstücken zwischen<br />
vielen unterschiedlichen Nutzern oder als ein reger, interaktiver Argumentationsaustausch<br />
innerhalb einer begrenzten Nutzer-Gruppe manifestiert. 105<br />
105 Aufgrund technischer sowie methodischer Eischränkungen an dieser Stelle kann zu dieser Frage keine<br />
Aussage im Rahmen dieser Arbeit getroffen werden und obliegt somit weiterführender<br />
Untersuchungen.<br />
71
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
4.2.3 Meinungsführerschaft<br />
Der Begriff ‚Meinungsführerschaft„ im Zusammenhang mit der dezentral organisierten<br />
Online-Kommunikation bezieht sich auf Personen, die im Falle von Twitter die öffentliche<br />
Kommunikation auf der Plattform beeinflussen, entweder aufgrund brisanter Informationen<br />
und polarisierenden Meinungsäußerungen oder dank ihrer hohen Twitter-Aktivität. Wie<br />
bereits angesprochen, gibt es in der Twitterforschung mehrere Zugänge, Meinungsführer<br />
bzw. Meinungsmacher zu bestimmen. Anstatt anhand der Follower-Anzahl eines<br />
Twitterers den Einfluss zu messen, ermöglicht die Analyse der Retweet-Funktion bei<br />
Twitter hier eine Bestimmung der Meinungsführer im Rahmen des Kanzlerduells 2009.<br />
Der Fokus liegt diesbezüglich allein auf der Verteilung der Retweet-Nachrichten auf die<br />
insgesamt 3.507 Twitterer und nicht auf dem Inhalt dieser Retweets.<br />
Im Verlauf der ereignisorientierten Twitter-Nutzung zum Kanzlerduell 2009 wurden<br />
insgesamt 2.353 Retweet-Nachrichten von insgesamt 1.037 Personen versendet. Die<br />
2.353 Retweets verteilen sich auf 971 Twitterer (Emfänger), deren Tweets weitergeleitet<br />
wurden. In Bezug auf alle Teilnehmer der Online-Begleitkommunikation bei Twitter zum<br />
Duell ergibt sich eine Retweet-Dichte von 0,67. 106 Die durchschnittliche Anzahl liegt bei<br />
2,42 empfangenen und bei 2,27 versendeten Retweets pro Twitterer, jedoch befindet sich<br />
der Median-Wert in beiden Fällen bei 1, demnach hat die Hälfte der 3.507 Twitterer mehr<br />
und die andere Hälfte weniger als eine Retweet-Nachricht emfangen beziehungsweise<br />
versendet. Einen gewissen Einfluss auf die Verteilung der abgesendeten Retweets<br />
beanspruchen auch in dieser Stelle zwei Outlier – @tagesschau und @Wahlenrt. Beide<br />
Accounts haben zusammen 152 Retweet-Nachrichten, das heißt 6% der 2.353 Retweets,<br />
abgesendet und lassen sich aufgrund der Annahme, dass beide Accounts die Retweet-<br />
Funktion eher als Multiplikator zur Informationsverbreitung denn als Möglichkeit der<br />
Bewertung eines Tweets nutzen, aus dem Sample separieren. Mitunter ergibt sich<br />
demnach eine Gesamtsumme von 2.201 Retweets im Rahmen der Begleitkommunikation<br />
zum Kanzlerduell 2009 bei Twitter. Sowohl die Word Cloud in Abbildung 12 als auch die<br />
Tabelle der Abbildung 13, die die Namen in Relation zur Anzahl der emfangenen<br />
Retweet-Nachrichten setzt, zeigt eine deutliche Verteilung der Retweets auf einige wenige<br />
Twitterer, deren Tweets aufgrund der darin enthaltenen Informationen<br />
überdurchschnittlich häufig weitergeleitet worden sind. Im Sinne des Verständnisses von<br />
Meinungsführerschaft lassen sich demzufolge einige Meinungsführer bei der<br />
ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung im Rahmen des Kanzlerduells 2009<br />
ausmachen.<br />
106 Die Dichte der Retweets, das heißt wie häufig wurden Tweets eines Nutzers aus Gründen eines hohen<br />
Informations- oder Nachrichtengehalts weitergeleitet, scheint eine größere Aussagekraft zu besitzen.<br />
Pfeiffer nennt diese Form der Relevanz „themeninduzierte Relevanz“ (Pfeiffer 2010c).<br />
72
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Abb. 12: Meinungsführerschaft bei der ereignisorientierten Twitter-Nutzung<br />
Quelle:Eigene Darstellung<br />
Bei einem Vergleich der Twitter-Aktivität dieser häufig geretweeteten Accounts, zeigt sich<br />
beispielsweise unter den 10 meist geretweeteten Accounts eine deutliche Diskrepanz zu<br />
ihrer allgemeinen Akvitiät während des Kanzlerduells 2009. Beispielsweise rangieren<br />
@saschalobo und @sixtus auf Platz 2 und 4 (Abb. 12), obgleich sie nur jeweils zwei<br />
Tweets im gesamten Untersuchungszeitraum abgesetzt haben. Wie das Beispiel in<br />
Kapitel 4.1.3 unlängst verdeutlicht hat, besitzen ihre (wenigen) Tweets für einen<br />
bestimmten Kreis von Twitterern eine hohe Relevanz, die somit zu einer großen Retweet-<br />
Frequenz führt. Inwieweit dabei der Inhalt der Tweets für die Relevanz und das<br />
Retweeten eine Rolle spielt unterliegt einer normativen Bewertung. Zudem lässt sich<br />
keine Kopplung zwischen einer hohen oder niedrigen Twitter-Aktivität und der Retweet-<br />
Frequenz feststellen, wie das Beispiel des Twitter-Nutzer @TorstenNeumann aus Kapitel<br />
4.1.3 verdeutlicht hat. Anzumerken bleibt an dieser Stelle daher, dass bei der<br />
ereignisorientierten Twitter-Nutzung im Rahmen des Kanzlerduells eine deutliche<br />
Meinungsführerschaft erkennbar ist, die sich jedoch nur aus einer kleinen Gruppe von<br />
Twitterern heraus konstituiert. Hypothese H4 107 kann diesbezüglich verfiziert werden,<br />
jedoch nur unter der Prämisse, dass die Erkenntnisse allein auf Basis der erhaltenen<br />
Retweet-Nachrichten erlangt werden.<br />
107 Wie in Kapitel 3.1 ausgeführt, lautet die Hypothese H4 wie folgt: Bei der ereignisorientierten politischen<br />
Twitter-Nutzung etabliert sich eine Meinungsführerschaft.<br />
73
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Abb. 13: Meinungsführerschaft bei der ereignisorientierten Twitter-Nutzung (Top 30)<br />
extra3<br />
jungeliberale<br />
Stecki<br />
turbotommi<br />
Agent_Dexter<br />
RobVegas<br />
SPIEGEL_live<br />
teamdeutschland<br />
frederics<br />
JuLisThueringen<br />
henrikMS<br />
cdu_news<br />
jkleske<br />
nordkurve09<br />
Nadim_A<br />
spreeblick<br />
Nico<br />
tomaschek<br />
mneisen<br />
tauss<br />
Die_Gruenen<br />
DWDL<br />
Scherzinfarkt<br />
11<br />
11<br />
11<br />
11<br />
11<br />
12<br />
12<br />
12<br />
13<br />
13<br />
13<br />
14<br />
14<br />
15<br />
16<br />
16<br />
16<br />
16<br />
18<br />
18<br />
19<br />
19<br />
19<br />
derfreitag<br />
SteffiLemke<br />
BoehningB<br />
24<br />
26<br />
27<br />
sixtus<br />
33<br />
sternde<br />
saschalobo<br />
40<br />
42<br />
tagesschau<br />
50<br />
Quelle:Eigene Darstellung<br />
4.3 Twitter als Spiegel des Kanzlerduells - Qualitative Inhaltsanalyse<br />
Die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung im Sinne einer Begleitkommunikation in<br />
Echtzeit wurde mit Hilfe der quantitativen Inhaltsanalyse auf ihre Eigenarten überprüft.<br />
Hierbei standen die Kategorien Themen- und Sachzentrierung, Diskurs und<br />
Meinungsführerschaft als Hauptelemente für eine politische Versammlung im Mittelpunkt<br />
der Analyse. Um jedoch einem ganzheitlichen Bild der Echtzeitkommunikation bei Twitter<br />
näher zu kommen und um der Frage nachzugehen, inwieweit die Tweets, d.h. die<br />
Kommunikationsinhalte der Begleitkommunikation, das mediale Geschehen im Fernsehen<br />
konkret widerspiegeln, werden zwei Analysekategorien im Rahmen einer qualitativen<br />
Inhaltsanalyse vertiefend thematisiert. Hierzu werden anhand der gesammelten<br />
Erkenntnisse aus der quantitativen Inhaltsanalyse folgende Arbeitshypothesen konzipiert:<br />
74
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Arbeitshypothesen zur qualitativen Inhaltsanalyse:<br />
H5: Sachpolitisch-orientierte Hashtags stellen eine Ausnahme bei der ereignisorientierten<br />
Twitter-Nutzung dar.<br />
H6: Die Twitter-Nachrichten der Echtzeitkommunikation orientiertieren sich thematisch am<br />
medialen Ereignis.<br />
H7: Der öffentliche Diskurs bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung im Rahmen<br />
des Kanzlerduells weist Störpotenzial auf.<br />
4.3.1 Hashtag-Gruppen als Indikator für Themen- und Sachzentrierung<br />
Die Themen- und Sachzentrierung der ereignisorientierten Twitter-Nutzung wurde bereits<br />
in Kapitel 4.2.1 anhand der Verteilung und Varianz der verwendeten Hashtags geprüft. An<br />
dieser Stelle zeigte sich, dass einerseits die Vorauswahl von Hashtags eine erste<br />
inhaltliche Zentrierung ergab. Andererseits konnte festgestellt werden, dass die 1.452<br />
unterschiedlichen Hashtags untereinander gewisse thematische Parallelen aufzeigten, so<br />
dass angenommen wurde, dass sich diese verschiedenen Hashtags in Hashtag-<br />
Themengruppen einteilen lassen würden. Auf Basis dieser Ergebnisse aus der<br />
quantitativen Inhaltsanalyse der 17.932 Tweets wird daher geschlussfolgert, dass neben<br />
einer generellen thematischen Zentrierung bezüglich des Kanzlerduells 2009 spezifische<br />
Themenkomplexe in den Tweets Erwähnung finden und mit einem entsprechenenden<br />
Hashtag markiert sind.<br />
In diesem Kontext zeigt Abbildung 10 die meistgenutzten der 1.452 verschiedenen<br />
Hashtags (mit Auswahl-Hashtags), die während des gesamten Untersuchungszeitraumes<br />
Verwendung fanden. Für eine verfeinerte Analyse werden jene acht Auswahl-Hashtags<br />
sowie Hashtags, die nur eine Nennung während des Kanzlerduells aufweisen, bei dieser<br />
qualitativen Analyse hinsichtlich der Themen- und Sachzentrierung der<br />
Begleitkommunikation aussortiert. 108 Somit ergibt sich eine Gesamtsumme von 450<br />
Hashtags, die in folgende Kategorien eingeteilt werden sollen: Deskriptiv, Partei, Politiker,<br />
Moderatoren, Sendeformat, Sachpolitisch, Wertung deskripitv, Wertung politisch, Nicht<br />
bestimmbar. 109 Diese Kategorienbildung wird auf Basis einer ersten Prüfung von 100<br />
Hashtags vorgenommen. Wiederkehrende Sinnzusammenhänge zwischen<br />
unterschiedlichen Hashtags wurden demnach zum Anlass für die Gruppenbildung<br />
genommen und in einem zweiten Schritt modifziert. Für die Einordnung der Hashtags in<br />
108 Hashtags mit nur einer Nennung entfallen an dieser Stelle, da sie entweder Rechtschreibfehler,<br />
Wortfehler oder im Allgemeinen als bedeutungslos eingestuft werden.<br />
109 Deskriptiv = D, Partei = P, Politiker = O, Moderatoren = M, Sendeformat = F, Sachpolitisch = SP,<br />
Wertung deskripitv = W, Wertung politisch = WP, Irrelevant = X. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der<br />
Analyse werden die jeweiligen Hashtag-Gruppen im Kodierleitfaden erläutert und mit Beispielen<br />
angereichert, siehe Anhang.<br />
75
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
die neun Kategorien wird die so genannte Dummy-Variable (binäre Variable) verwendet,<br />
die anzeigt, ob eine Ausprägung vorliegt (1) oder nicht (0). Zur übersichtlichen Darstellung<br />
wurde die Kodierung mit dem Wert 0 an dieser Stelle nicht kenntlich gemacht. Folgende<br />
Abbildung 14 gibt ausschnittsweise einen Einblick in diese Kategorisierung der Hashtags.<br />
Abb. 14: Hashtag-Gruppen<br />
Hashtags Deskriptiv (D) Partei (P) Politiker (O) Moderatoren (M) Sendeformat (F) Sachpolitisch (SP) Wertung Deskripitv (W) Wertung politisch (WP) Nicht bestimmbar (X)<br />
0 1 1<br />
CDU- 1<br />
spd- 1<br />
spd+ 1<br />
fail 1<br />
fws 1<br />
cdu+ 1<br />
ard 1<br />
simpsons 1<br />
fb 1<br />
Piraten+ 1<br />
wahl 1<br />
Merkel- 1<br />
rzduell 1<br />
tvduell09 1<br />
piraten 1<br />
zdf 1<br />
RTL 1<br />
0vs0 1<br />
fdp 1<br />
FDP+ 1<br />
annewill 1<br />
Piratenpartei 1<br />
plasberg 1<br />
tvduett 1<br />
sat1 1<br />
illner 1<br />
Frank 1<br />
fsa09 1<br />
opel 1<br />
tvmuell 1<br />
duell 1<br />
hassmartin 1<br />
steinmeier+ 1<br />
Bundestagswahl 1<br />
sdr 1<br />
FDP- 1<br />
tv 1<br />
wahlkampf 1<br />
fw 1<br />
Angela 1<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Nach vollständiger Kodierung zeigt sich auf der Grundlage von Häufigkeitszählungen der<br />
Ausprägungen, verteilt auf die neun Kategorien, ein deutliches Übergewicht der<br />
Kategorien Deskriptiv (56), Sachpolitisch (92) und Wertung deskriptiv (64), wobei<br />
‚sachpolitisch„ geprägte Hashtags als größte einzelne Gruppe aus der Analyse<br />
hervorgehen, wie in Abbildung 14 dargestellt ist. 110 Exemplarisch lassen sich als<br />
sachpolitische Hashtags unter anderem #opel, #Afghanistan, #mindestlohn oder<br />
#atomausstieg nennen.<br />
Obgleich jene Hashtags, die deskriptiv oder wertend für einen Tweet verwendet<br />
wurden, einen nennenswerten Anteil ausmachen und in ihrer Gesamtheit zweifelsohne<br />
die Begleitkommunikation in Echtzeit bei Twitter dominieren, verdeutlicht die hohe Anzahl<br />
sachpolitischer Hashtags, dass neben der im Vorfeld allgemein attestierten Themen- und<br />
110 Deskriptive Hashtags markieren einen Tweet, der im Allgemeinen das Duell oder die Bundestagswahl<br />
thematisieren. Unter der Kategorie ‚Wertung deskriptiv„ lassen sich Gefühlsbekundungen oder<br />
Zustimmung bzw. Ablehnung fassen. Sachpolitische Hashtags kennzeichnen Tweets, die auf die<br />
besprochenen Themen während des Kanzlerduells 2009 eingehen. Zu berücksichtigen ist an dieser<br />
Stelle, dass einige Twitter-Nutzer Hashtags sehr willkürlich und ohne thematische Zentrierung<br />
verwenden. die als ‚Nicht bestimmbar„ kategorisierten Hashtags können insichtlich der Auswertung<br />
vernachlässigt werden, vgl. hierzu Kodierleitfaden.<br />
76
Anzahl Ausprägung<br />
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Sachzentrierung eine kleinteiligere Zentrierung auf die konkreten Themen des<br />
Kanzlerduells zu erkennen ist. Nichtsdestoweniger zeigt Abbildung 14, dass die 92<br />
sachpolitischen Hashtags nicht das Übergewicht jener Hashtags ausbalancieren können,<br />
die Bezug auf die Rahmenbedingungen des Duells, der Bundetagswahl, der Sendung und<br />
ihrer Moderatoren aber auch auf persönliche Empfindungen nehmen.<br />
Abb. 15: Hashtag-Gruppenbildung<br />
140<br />
Deskriptiv (D)<br />
Partei (P)<br />
122<br />
120<br />
Politiker (O)<br />
Moderatoren (M)<br />
Sendeformat (F)<br />
100<br />
Sachpolitisch (SP)<br />
Wertung Deskripitv (W)<br />
92<br />
Wertung politisch (WP)<br />
80<br />
Nicht bestimmbar (X)<br />
64<br />
60<br />
56<br />
40<br />
32<br />
30<br />
19<br />
23<br />
20<br />
12<br />
0<br />
Deskriptiv (D) Partei (P) Politiker (O) Moderatoren<br />
(M)<br />
Sendeformat<br />
(F)<br />
Hashtag-Gruppen<br />
Sachpolitisch<br />
(SP)<br />
Wertung<br />
Deskripitv (W)<br />
Wertung<br />
politisch (WP)<br />
Nicht<br />
bestimmbar<br />
(X)<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Die Annahme, dass sachpolitisch-orientierte Hashtags nur eine Ausnahme bei der<br />
ereignisorientierten Twitter-Nutzung darstellen (H5), lässt sich folglich nur teilweise<br />
bestätigen. Obwohl die abgesendeten Tweets zum Kanzlerduell mit vornehmlich<br />
deskriptiven Hashtags versehen wurden, ist eine Auseinandersetzung mit den<br />
sachpolitischen Themen des Duells nicht von der Hand zu weisen. Inwieweit die<br />
Begleitkommunikation bei Twitter konkret auf die einzelnen Themenkomplexe des Duells<br />
eingeht und ob die 3.507 Twitterer in Echtzeit Stellung zu den Argumenten der Duellanten<br />
Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier nehmen, lässt sich am deutlichsten an einer<br />
einzelnen Sequenz dieser Begleitkommunikation zeigen.<br />
4.3.2 Höhepunkte der Begleitkommunikation in Echtzeit<br />
Die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung zum Kanzlerduell wird charakterisiert<br />
durch eine konstante Begleitkommunikation, die zusätzlich jedoch markante Höhe- und<br />
Tiefpunkte in der Aktivität aufweist (vgl. Abb.16; Kapitel 4.1). Durch die im Vorfeld<br />
77
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
gemachte Beobachtung, dass die Twitterer zwar größtenteils das Duell in deskriptiver<br />
Weise kommentiert haben, die sachpolitische Auseinandersetzung dennoch einen<br />
beachtlichen Anteil bei der Begleitkommunikation einnimmt, wird in diesem Kapitel<br />
folgende Hypothese geprüft: Die Twitter-Nachrichten der Echtzeitkommunikation<br />
orientieren sich thematisch am medialen Ereignis (H6). Im Mittelpunkt steht demnach die<br />
Frage, in welchem Umfang die zu analysierenden Tweets auf die Argumentation der<br />
Kandidaten eingehen. Hierfür wurde die Aktivität der ereignisorientierten politischen<br />
Twitter-Nutzung mit den im Kanzlerduell 2009 angesprochenenen Themenkomplexen<br />
verglichen, um die Höchstwerte der Twitter-Aktivität mit den Inhalten des Duells in<br />
Relation zu setzen. Eine Aufzeichnung des Kanzlerduells diente an dieser Stelle als<br />
Grundlage zur Bestimmung der einzelnen Themenkomplexe (vgl. Kanzlerduell 09„).<br />
Abbildung 16 verbindet somit einzelne Höhepunkte der Kommunikation auf Twitter mit<br />
den im Duell angesprochenen Themen.<br />
Abb. 16: Thematische Höhepunkte der Echtzeitkommunikation bei Twitter<br />
Quelle:Eigene Darstellung<br />
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus Kapitel 4.2.1 und 4.3.1 befasst sich der dritte Teil<br />
der qualitiativen Inhaltsanalyse einer dreiminütigen Sequenz der Begleitkommunikation im<br />
Zeitraum von ca. 21:00:11 Uhr bis 21:03:00 Uhr. 111 Das Thema dieser Sequenz ist<br />
‚Atomenergie„. In einem ersten Schritt wurde die dreiminütige Sequenz aus dem<br />
gesamten Sample (n=17.932) separiert, so dass ingesamt 793 Tweets für die Analyse<br />
zurückblieben. In einem zweiten Schritt wurden die ersten 150 Tweets auf<br />
111<br />
Dieser Zeitraum kann aufgrund der fließenden Übergänge zwischen einzelnen Themenkomplexen<br />
beim Kanzlerduell 2009 nur mit einem ungefähren Wert eingegrenzt werden.<br />
78
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
wiederkehrende Wortnennungen überprüft, auf Basis dessen folgende Regel aufgestellt<br />
wurde: Wenn ein Tweet eines der entsprechenden Worte enthält, wird er als<br />
themenzentriert eingestuft. Beispielhaft lassen sich Atomenergie, Atomkraft,<br />
Energiepolitik, Atom, Kernenergie, Atomfrage oder Brücken-Kernkraft als wiederkehrende<br />
Wortnennungen aufführen; mit Hilfe der Dummy-Variable werden die Ausprägungen<br />
entsprechend kodiert. 112<br />
Unter dem Eindruck dieser verfeinerten Analyse ist festzuhalten, dass von den 793<br />
Tweets, die innerhalb der ausgewählten Sequenz abgesetzt wurden nur 30% den<br />
Themenkomplex ‚Atomenergie„ zur Sprache bringen. Hingegen sind diese 240 Tweets mit<br />
nur 34 themenspezifischen Hashtags versehen. 113 Eine konkrete Orientierung der<br />
Begleitkommunikation bei Twitter an den Argumenten bzw. an den einzelnen<br />
Themenkomplexen des Kanzlerduells ist zwar in Ansätzen erkennbar, jedoch zu<br />
geringfügig ausgeprägt, um an dieser Stelle davon sprechen zu können, dass die Höhe<br />
der Aktivität bei Twitter auf das Interesse am jeweiligen Themenkomplex zurückzuführen<br />
ist. Die Ergebnisse des vorherigen sowie dieses Kapitels verdeutlichen, dass eine<br />
thematische Zentrierung im Bezug auf das Kanzlerduell 2009 mit Hilfe der Analyse von<br />
verwendeten Hashtags im Allgemeinen aber auch sehr spezifisch anhand von Hashtag-<br />
Gruppen erkennbar ist. Hinsichtlich der sequentiellen Analyse von Tweets zum Thema<br />
‚Atomenergie„ hat sich jedoch gezeigt, dass nur 30% der in diesem Zeitraum abgesetzten<br />
Tweets konkret Bezug zum Themenkomplex ‚Atomenergie„ und den Argumenten der<br />
Duellanten nahmen. Zusätzlich fällt die Verwendung der als sachpolitisch-definierten<br />
Hashtags in diesem Beispiel mit nur 4% äußerst gering aus. Festzuhalten ist somit, dass<br />
die Höhepunkte der Twitter-Aktivität aufgrund der hohen Tweetanzahl in gewisser Weise<br />
großes Interesse am Duell widerspiegeln, obwohl nur weniger als die Hälfte der Tweets<br />
dieser Sequenz thematisch auf den Themenkomplex und die vorgebrachten Argumente<br />
der Duellkandidaten eingeht. Die zugrundeliegende Hypothese (H6) ist insofern zu<br />
widerlegen.<br />
4.3.3 Störpotenzial bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung<br />
Jeder Kommunikationsprozess, an dem eine Vielzahl unterschiedlicher Teilnehmer mit<br />
divergenten Meinungen beteiligt ist, kann neben einem oftmals funktionierenden und<br />
geordneten Kommunikationsverhalten auch Störungen und Provokationen seitens einiger<br />
Teilnehmer aufweisen. So wie politische Versammlungen im Ablauf durch ‚Buhrufe„ oder<br />
112 Nach weiterer Durchsicht der Tweets wurden Brückentechnologie, Krümmel, Asse, Ausstieg und<br />
Abschalten zur Kategorie hinzugefügt.<br />
113 Die Hashtags, die sich am Thema ‚Atomenergie„ orientierten wurde mit dem Wert 2 kodiert. Die<br />
gesamte Kodierung ist dem Kodierleitfaden zur qualitativen Inhaltsanalyse im Anhang zu entnehmen.<br />
79
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Gewaltanwendungen beeinträchtigt werden können, so ist auch die ereignisorientierte<br />
Begleitkommunikation bei Twitter, insbesondere aufgrund des offenen Zugangs und der<br />
dezentralen Struktur, vor Störungen nicht geschützt (vgl. Hurrelmann et al. 2002; Kapitel<br />
2.2.3). Da eine Auseinandersetzung mit Störungen in der ereignisorientierten politischen<br />
Twitter-Nutzung bisher noch nicht empirisch untersucht worden ist, wird mit Hilfe einer<br />
einfachen Regel und in explorativer Weise versucht, Störungen und Provokationen für die<br />
Echtzeikommunikation bei Twitter zu identifizieren. Inwieweit diese störenden Elemente<br />
konkrete Auswirkungen auf die Kommunikation bei Twitter haben, soll zunächst außer<br />
Acht gelassen werden. Vielmehr steht der Versuch, diese Elemente aufzuspüren, im<br />
Vordergrund.<br />
Die in Kapitel 4.2.3 bereits analysierte dreiminütige Sequenz zum Thema<br />
‚Atomenergie„ dient an dieser Stelle erneut als Datengrundlage. Rückbeziehend auf die<br />
Erkenntnisse von Kwak et al. (2002), die eine Störung der Kommunikation bei Twitter von<br />
einer unverhältnismäßig häufigen Verwendung von Hashtags abhängig machen, ergibt<br />
sich für diesen Versuch der Erkennung von Störung und Provokation folgende Regel:<br />
Wenn in einem Tweet mehr als drei Hashtags vorkommen, wird dieser Tweet als Störung<br />
bzw. Provokation für die Begleitkommunikation bei Twitter verstanden. Grundsätzlich wird<br />
der Annahme gefolgt, dass der öffentliche Diskurs der ereignisorientierten politischen<br />
Twitter-Nutzung im Rahmen des Kanzlerduells 2009 Störpotenzial erkennen lässt (H7).<br />
Wie bereits anlässlich der vorangegangenen Analysen, wird auch an dieser Stelle mit der<br />
Ziffer 1 kodiert, wenn die Ausprägung vorliegt, dass heißt wenn ein Tweet drei oder mehr<br />
Hashtags beinhaltet. Die Ziffer 0 wird gewählt, wenn die Ausprägung nicht vor liegt (< 3<br />
Hashtags). Zudem werden Tweets mit der Ziffer 2 kodiert, die mehr als drei Hashtags<br />
aufweisen, um ein differenzierteres Bild der Hashtag-Verwendung zu erhalten. 114<br />
Bei der Analyse der 793 Tweets aus der Kommunikationssequenz zum Thema<br />
‚Atomenergie von ca. 21:00:11 Uhr bis 21:03:00 Uhr weisen 47 Tweets (6%) drei<br />
Hashtags auf, weitere 37 Tweets (5%) enthalten mehr als drei Hashtags. Insgesamt weist<br />
die ausgewählte Sequenz somit 84 (11%) Tweets auf, die mit drei oder mehr Hashtags<br />
‚markiert„ sind. Obgleich der Anteil jener Tweets mit drei oder mehr Hashtags relativ<br />
gering ist, überrascht die Tatsache, dass die höchste Frequenz von verwendeten<br />
Hashtags verteilt auf maximal 140 bei 7 Hashtags liegt, wie folgende Beispiele<br />
verdeutlichen: (1) „Steinmeier: Es muss beim Atomausstieg bleiben! #fw #fws #spd #jusos<br />
#spddee #tvduell #steinmeier (21:03:36),“ (2) „#TV-Duell 2009: Mit Verlaub. Frau Merkel<br />
sieht heute wie #Graf #Zahl aus der #Sesamstraße aus. Sympathisch! #Merkel #Frank<br />
#Steinmeier (21:03:38).“ Beide Beispiele lassen darauf schließen, dass die vielfache<br />
114 Das Kodierschema zum Versuch Störfaktoren bei Twitter aufzuzeigen ist ebenfalls im Kodierleitfaden<br />
erläutert und dargestellt, vgl. hierzu Anhang.<br />
80
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Verwendung der Hashtags nicht dem Ziel dient, besonders wichtige Informationen zu<br />
lancieren, sondern vielmehr entsteht der Eindruck, dass möglichst viele Hashtags benutzt<br />
wurden, um Einfluss auf die Trending Topics 115 auszüben. Eine andere Erklärung für die<br />
ungezielte Hashtag-Nutzung kann auch Unvermögen der Nutzer hinsichtlich der<br />
Kommunikationskonventionen bei Twitter sein.<br />
Obgleich diese komprimierte qualitative Analyse hinsichtlich des Störpotenzials bei<br />
der Begleitkommunikation auf Twitter deutlich explorativen Charakter besitzt und im<br />
Rahmen weiterer Analysen vertieft werden sollte, lässt sich grundsätzlich festhalten, dass<br />
der unverhältnismäßige Gebrauch von Hashtags ein Störfaktor für die Kommunikation bei<br />
Twitter ist. Der Inhaltsgehalt wird auf ein Minimum verringert und für eine<br />
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der ereignisorientierten politischen Twitter-<br />
Nutzung bedeuten diese Nachrichten eine potenzielle Fehlerquelle für spätere<br />
Forschungsergebnisse. Für die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung kann dieses<br />
Kommunikationsverhalten zudem eine Verringerung des Informationswertes und eine<br />
Beeinträchtigung für den Ablauf des Diskurses bedeuten. Obgleich der Anteil von Tweets<br />
mit drei oder mehr Hashtags im Verhältnis zur ganzen Sequenz relativ gering ausfällt, ist<br />
Störpotenzial hinsichtlich des Kommunikationsprozesses bei Twitter in Ansätzen zu<br />
erkennen, so dass Hypothese 7 unter Vorbehalt bestätigt werden kann.<br />
4.4 Zwischenfazit<br />
17.932 Tweets, die von 3.507 Twitterern versendet wurden und 1.452 unterschiedliche<br />
Hashtags bei insgesamt 28.296 verwendeten Hashtags, sowie 940 @-Replies und 2.353<br />
Retweets aufwiesen – das ist die Bilanz der empirischen Untersuchung in Zahlen. Doch<br />
Zahlen allein können den auf den ersten Blick den unübersichtlichen<br />
Kommunikationsprozess bei der ereignisorientierten Twitter-Nutzung im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 nur unzureichend erklären, auch wenn ihnen die Erkenntnis zu<br />
Grunde liegt, dass die Begleitkommunikation in Echzeit deutliche Gesetz- und<br />
Regelmäßigkeiten impliziert.<br />
Für das Aufspüren dieser Gesetz- und Regelmäßigkeiten sowie der Dynamiken<br />
der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung wurde in Kapitel 4 der theoretische<br />
Bezugrahmen mit den Ergebnissen aus der empirischen Datenanalyse abgeglichen. Die<br />
für die vorliegende Arbeit als relevant betrachteten strukturbildenden Merkmale einer<br />
politischen Versammlung wurden somit in Beziehung zu den Kommunikationsmustern bei<br />
115 Im Rahmen dieser explorativen Analyse wird hauptsächlich Bezug auf die Studie von Kwak et al.<br />
(2010) genommen, die einen ersten Versuch unternommen haben, Störpotenzial in der Kommunikation<br />
bei Twitter zu identifizieren. Die Beeinflussung der Trending Topics steht im Fokus der Studie von<br />
Kwak et al.. Somit stellt dieser Teil der Analyse ebenfalls nur einen Versuch dar, dieses Phänomen zu<br />
erkennen (vgl. Kwak et al. 2010).<br />
81
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Twitter gesetzt. Die Kategorien Sach- und Themenzentrierung, Diskurs und<br />
Meinungsführerschaft standen somit im Fokus der quantitativen und der anschließenden,<br />
vertiefenden qualitativen Inhaltsanalyse der Begleitkommunikation.<br />
Der deskriptive Analyseteil in Kapitel 4.1 zeigte, dass die Begleitkommunikation<br />
bei Twitter deutliche Schwankungen in der Aktivität aufwies, insbesondere zum Ende<br />
steigt die Aktivität drastisch an. Wie bereits andere Studien zu Twitter gezeigt haben, ist<br />
der Anstieg darauf zurückzuführen, dass einerseits die Nutzer ein Reümee des<br />
Kanzlerduells 2009 ziehen und zum anderen können sie ihre Aufmerksamkeit verstärkt<br />
dem Echtzeit-Diskurs bei Twitter widmen. Grundsätzlich konnte sowohl die quantitative<br />
als auch die qualitative Analyse zeigen, dass alle gewählten Kategorien, die auf Basis der<br />
wichtigsten Merkmale einer klassischen politischen Versammlung formuliert wurden, bei<br />
der ereignisorientierten Echtzeitkommunikation über Twitter ihre Anwendungen während<br />
des Kanzlerduells 2009 gefunden haben. Technische und methodische Einschränkungen<br />
im Rahmen der Analyse implizieren jedoch eine ständige Reflexion über die Aussagekraft.<br />
Somit konnte die empirische Untersuchung sehr deutliche Gesetz- und Regelmäßigkeiten<br />
für die ereignisorientierte Echtzeitkommunikation im Rahmen des Kanzlerduells 2009 bei<br />
Twitter feststellen: Ein kleiner Kreis von sehr aktiven Nutzern kommuniziert sach- und<br />
themenzentriert. Dabei bilden sich deutliche Meinungsführerschaften unter den<br />
Diskussionsteilnehmern heraus. Obgleich die begleitende Echtzeitkommunikation ein<br />
hohes Maß an Aktivität aufgezeigt hat, wurde Störpotenzial innerhalb der derselbigen<br />
ermittelt.<br />
Das Kanzlerduell 2009 zeichnete für das Publikum somit eine rege, jedoch<br />
zwischenzeitlich eher deskriptive Begleitung des medialen Ereignisses auf.<br />
4.4.1 Methodische Einschränkungen<br />
Das explorative Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit unterliegt insbesondere in<br />
Bezug auf die empirische Untersuchung drei grundlegenden Limitationen, die nachfolgend<br />
kurz erläutert werden sollen.<br />
Die erste Einschränkung besteht darin, dass das Datenmaterial der vorliegenden<br />
Arbeit Teil einer großangelegten Datenerhebung zur Nutzung von Twitter im Rahmen der<br />
Bundestagswahl 2009 ist. Ohne die Bereitstellung der Daten wäre dieses<br />
Forschungsvorhaben nicht möglich gewesen, nichtsdestotrotz ergeben sich durch diesen<br />
Umstand Grenzen bezüglich der Kategorienbildung für die Analyse, da das Sample<br />
bestimmte Daten nicht aufführt. Unter anderem zeigt sich dieser Umstand bei der<br />
Bestimmung der theoretischen Reichweite der Begleitkommunikation in Echtzeit sowie bei<br />
der Frage nach dem Grad des Diskurses, d.h. welche Nutzer untereinander diskursiv<br />
kommunizieren.<br />
82
Ergebnisse der Datenanalyse<br />
Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Archivierung<br />
der Twitter-Nachrichten im Rahmen des Kanzlerduells 2009 einen sehr umfangreichen<br />
Datenkorpus ergeben hat, der einerseits nur mit Hilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse<br />
bewältigt werden konnte, so dass beispielsweise auf die Inhalte der Tweets sowie die<br />
Profile der einzelnen Twitterer für eine soziografische Bestimmung des Teilnehmerkreises<br />
nicht explizit eingegangen werden konnte. Andererseits wurde das Datenmaterial anhand<br />
von im Vorfeld definierten Hashtags eingegrenzt, das heißt, es wurden für den<br />
Untersuchungszeitraum nur Tweets ausgewählt, die mindestens ein Auswahl-Hashtag<br />
aufwiesen. Alle Ergebnisse der Frequenzanalyse von Hashtags, @-Replies und Retweets<br />
mussten diesbezüglich konsequent reflektiert werden. In diesem Kontext ist ebenfalls die<br />
Anwendung einer qualitativen Analysemethode zu sehen. Sie wurde aufgrund des<br />
umfangreichen Datenmaterials nur als zusätzliches methodisches Werkzeug zur<br />
Erfassung der Kommunikationsabläufe eingesetzt, um Aspekte der quantitativen Analyse<br />
vertiefend zu untersuchen.<br />
Die dritte Limitation bezieht sich ebenfalls auf das explorative Forschungsdesign<br />
der vorliegenden Arbeit sowie den Umfang des Datenmaterials. Die ereignisorientierte<br />
Twitter-Nutzung in Form einer begleitenden Echtzeitkommunikation konnte diesbezüglich<br />
nur anhand jener Gesichtspunkte analysiert werden, die in Bezug auf die strukturellen<br />
Parallelen zur politischen Versammlung von Bedeutung waren. Diese punktuelle Analyse<br />
liefert grundsätzlich jedoch unzählige Anknüpfungspunkte, die jeweils Potenzial für eine<br />
eigenständige empirische Untersuchung aufweisen.<br />
83
FAZIT<br />
V<br />
Abschluss der Untersuchung<br />
5. FAZIT<br />
5.1 Schlussfolgerung<br />
Das System Öffentlichkeit ist ebenso wie die Kommunikation einer modernen Gesellschaft<br />
unter neuen Vorzeichen zu betrachten. Das Internet hat das Denken und Handeln der<br />
‚Netzwerkgesellschaft„ des 21. Jahrhunderts verändert.<br />
Der theoretische Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte aufzeigen, dass das Internet<br />
und insbesondere das interaktionsorientierte und partizipationsfördernde Social Web<br />
deutliche Modifikationen für das System Öffentlichkeit impliziert. Für Kommunikations-,<br />
Partizipations-, und Meinungsbildungsprozesse ergeben sich neue Impluse, die<br />
herkömmlichen Kommunikationsmodi mit neuen Formen verschmelzen lassen. Zudem<br />
konnte deutlich gemacht werden, dass unter dem Eindruck des digitalen Strukturwandels<br />
eine klassische dreistufige Ebenendifferenzierung von Öffentlichkeit nicht mehr zu tragen<br />
ist. Medienöffentlichkeit, Versammlungsöffentlichkeit und die Spontanöffentlichkeit auf der<br />
untersten Ebene werden durch die neuen digitalen Öffentlichkeitsräume beeinflusst und<br />
ergänzt.<br />
In Kapitel 2.2 wurde das Interesse auf die Ebene der Versammlungsöffentlichkeit<br />
gelenkt. Die politische Versammlung, in dieser Arbeit synonym mit dem Begriff<br />
Versammlungsöffentlichkeit verwendet, ist für das Öffentlichkeitssystem einer modernen<br />
Gesellschaft von besonderer Relevanz, da nicht-etablierten Öffentlichkeitsakteuren hier<br />
eine Sprecharena geboten wird. Im klassischen Sinne wird sie als Zusammenkunft von<br />
mindestens drei Personen an einem bestimmten Ort zum Zwecke des diskursgeleiteten<br />
Argumentations- und Meinungsaustausches definiert. Gerhards spricht an dieser Stelle<br />
daher von einer ‚kleinen Form von Öffentlichkeit„. Neben dem auf Diskurs ausgerichteten<br />
Argumentationsaustausch beruht die politische Versammlung auf einer Sach- und<br />
Themenzentrierung des selbigen. Obleich eine politische Versammlung aus einem relativ<br />
homogenen Teilnehmerkreis konstitutiert ist, kristallisieren sich Meinungsführerschaften<br />
heraus, die erheblichen Einfluss auf den generellen Meinunungsbildungsprozess ausüben<br />
können. Dieser themenzentrierte Austausch unter Anwesenden zeigt sich nach und nach<br />
in ähnlicher Weise auch in unterschiedlichen Öffentlichkeitsräumen des Internets. Am<br />
Beispiel der Microblogging-Plattform Twitter sollte diese Entwicklung dargestellt werden.<br />
Twitter, wie in Kapitel 2.3 verdeutlicht, kann sowohl als ein öffentlicher<br />
Informationskanal, ein Kommunikationssystem und als ein soziales Netzwerk begriffen<br />
werden, in dem die Nutzer-Profile die sozialen Knotenpunkte bilden. Nach den<br />
Erkenntnissen dieser Arbeit etabliert sich mit Twitter ein neuer Öffentlichkeitstyp.<br />
84
FAZIT<br />
Aufgrund der vielfältigen Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten, den eingängigen<br />
Kommunikationsmustern sowie der dezentralen Struktur wurde daher der Annahme<br />
gefolgt, dass Twitter als Teil des digitalen Strukturwandels prinzipiell auf allen Ebenen des<br />
klassischen Öffentlichkeitsmodells Anwendung finden kann, jedoch größte Ähnlichkeiten<br />
mit dem themenzentrierten Zusammentreffen einer politischen Versammlung aufweist.<br />
Twitter avancierte in Deutschland mit der hessischen Landtagswahl und verstärkt<br />
mit der Bundestagswahl 2009 zu einem Politikum und relevanten<br />
Kommunikationsinstrument. Auch wenn die Verbreitung der Twitter-Nutzung in<br />
Deutschland insbesondere hinsichtlich der direkten Kommunikation zwischen politischen<br />
Akteuren und Bürgern nur allmählich voranschreitet, offenbart sich das Potenzial der 140-<br />
Zeichen-Kommunikation ganz besonders im Rahmen medialer Ereignisse. So verhalf die<br />
Echtzeitkommunikation über Twitter beispielsweise Protestkampagnen zu gestalten,<br />
darunter die Zensursula-Debatte, die landesweiten Studentenproteste oder die Diskussion<br />
um Stuttgart 21. Der Informations- und Meinungsaustausch in Echtzeit führte in diesem<br />
Zusammenhang zu spontanen Mobilisierungs- und Meinungsbildungsprozessen, die in<br />
manchen Fällen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung hatten. Zudem konnte<br />
verdeutlicht werden, dass die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung einen so<br />
genannten ‚social communication backchannel„ zu den jeweiligen medialen Ereignissen<br />
etablierte. Ereignisse von öffentlichem Interesse konnten über Twitter nachvollzogen und<br />
begleitet werden. Im Lichte dieser besonderen Form der politischen Twitter-Nutzung<br />
konnten Eigenschaften hervorgehoben werden, die bereits im Rahmen der Betrachtung<br />
klassischer politischer Versammlungen in den Mittelpunkt gerückt waren.<br />
Auf Grundlage dieser Parallelen zwischen einer klassischen politischen<br />
Versammlung unter Anwesenden und der ereignisorientierten Echtzeitkommunikation bei<br />
Twitter wurde die Twitter-Nutzung während des Kanzlerduells 2009 anhand von drei<br />
Hauptkriterien empirisch analysiert: Sach- und Themenzentrierung der Kommunikation,<br />
Diskurs und Meinungsführerschaft.<br />
Als Ergebnis der Analyse kann grundsätzlich festgehalten werden, dass die<br />
ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung sich durch eine konstante, mit vereinzelten<br />
Hoch- und Tiefpunkten in der Aktivität geführte Begleitkommunikation in Echtzeit<br />
konstituiert, die zudem einen Teilnehmerkreis mit beachtlicher Größe aufweist. Das<br />
beständige Engagement zur begleitenden Kommunikation im Rahmen des Kanzlerduells<br />
2009 beschränkt sich zwar auf eine kleine Gruppe von sehr aktiven Nutzern, die<br />
überdurchschnittlich viele Beiträge absetzten, dennoch verdeutlichen die insgesamt<br />
17.932 versendenten Tweets, dass das Kanzlerduell 2009 von einem aktiv-twitternden<br />
Publikum online begleitet worden ist.<br />
85
FAZIT<br />
Zusätzlich zu einer prinzipiellen Sach- und Themenzentrierung konnten diskursive<br />
Elemente herausgarbeitet werden, obgleich die ereignisorientierte politische Twitter-<br />
Nutzung auf den ersten Blick eher reaktionäre oder evaluative Kommentare zum<br />
Kanzlerduell 2009 aufzuzeigen scheint. Neben der Dominanz der Begleitkommunikation<br />
durch Twitterer, die überdurchschnittlich viel getwittert haben, ließ sich anhand einer<br />
Frequenzanalyse von Retweet-Nachrichten eine weitere Eigenheit aufzeigen: die<br />
Meinungsführerschaft einzelner Twitterer. Ihre Nachrichten zum Kanzlerduell wurden von<br />
vielen Teilnehmern für den Kommunikationsablauf als relevant eingestuft und daher als<br />
Retweet-Nachrichten an die unterschiedlichen Communities of Interest weitergeleitet.<br />
Die qualitative Analyse zeigte unter dem Eindruck der bereits<br />
zusammengetragenen Ergebnisse zusätzliche Aspekte der Echtzeitkommunikation bei<br />
Twitter. So verdeutlichte die Einteilung der verschiedenen Hashtags in Themen-Gruppen,<br />
dass die allgemeine Sach- und Themenzentrierung auf enger fokussierte<br />
Themenkomplexe reduziert werden kann, die in den Tweets Erwähnung finden. Die<br />
sequenzielle Analyse der Kommunikationseinheit zum Themenkomplex ‚Atomenergie„<br />
unterstrich zusätzlich die Erkenntnis, dass die getwitterten Kommunikationsinhalte zwar<br />
Bezug auf die angesprochenen Themen und Argumente während des Kanzlerduells 2009<br />
nehmen, eine sachpolitische Diskussion unter Twitterern jedoch nur im Ansatz zu<br />
erkennen ist. So zeigte sich am Beispiel des Themenkomplexes ‚Atomenergie„, dass nur<br />
30% der Tweets, die zu dieser Sequenz erfasst wurden, thematisch in den Kontext<br />
einzubetten sind.<br />
Ein Aspekt, der bisher noch kaum im Umfeld der ereignisorientierten<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter untersucht worden ist, ist das Störpotenzial innerhalb<br />
einzelner Tweets für den Kommunikationsablauf. Der Versuch, dieses Störpotenzial<br />
anhand einer überdurchschnittlichen Verwendung von Hashtags in einem Tweet<br />
aufzuzeichnen, verdeutlichte, dass die Begleitkommunikation bei Twitter in Ansätzen<br />
durchaus durch Störungen und provokantes Kommunikationsverhalten beeinträchtigt<br />
werden kann.<br />
Hinsichtlich des ersten Teils der forschungsleitenden Fragestellung, welche<br />
Merkmale die ereignisorientierte Echtzeitkommunikation bei Twitter im Rahmen des<br />
Kanzlerduells 2009 aufweist, kann geschlussfolgert werden, dass die Merkmale Sachund<br />
Themenzentrierung, Diskurs sowie Meinungsführerschaft auf Basis des hier<br />
analysierten Datenmaterials bei Twitter zu erkennen waren. Jede Merkmalsausprägung<br />
konnte jedoch nur unter deutlichen methodischen Einschränkungen aufgezeigt werden, so<br />
dass hier nur von Ansätzen die Rede sein kann. Eine tiefgehendere Analyse der<br />
jeweiligen Merkmale ist daher notwendig.<br />
86
FAZIT<br />
In Bezug auf den zweiten Teil der Forschungsfrage ist festzustellen, dass sich Dynamiken<br />
einer politischen Versammlung nur auf Grundlage der drei definierten Merkmale bei der<br />
ereignisorientierten Echtzeitkommunikation bei Twitter erkennen lassen. Diese Erkenntnis<br />
bestätigt jedoch nicht abschliessend das Zustandekommen einer politischen<br />
Versammlung, da dies von mehr als diesen drei Kriterien abhängt. Die<br />
Begleitkommunikation bei Twitter zeigt beispielsweise keinen Start- und keinen Endpunkt,<br />
es ist vielmehr ein fortlaufender Kommunikationsprozess, der nur im Rahmen medialer<br />
Ereignisse an Reichweite und Intensität gewinnt. Mitunter bezieht sich auch die<br />
thematische Zentrierung des Argumentationsaustausches nur begrenzt auf das<br />
Wahrgenommene, vielmehr steht ein reaktionäres und evaluatives<br />
Kommunikationsverhalten im Vordergrund.<br />
Grundsätzlich konnte diese Arbeit verdeutlichen, dass klar Parallelen zwischen<br />
einer klassischen politischen Versammlung und der ereignisorientierten<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter sichtbar sind. Um jedoch ein neues Modell einer<br />
„politischen Online-Versammlung in Echtzeit“ konzipieren zu können, sind weiterführende<br />
Analysen von Twitter notwendig, die insbesondere die detailierte Textanalyse der Tweets<br />
in den Fokus stellen sollten, um einerseits ein klares Bild der Kommunikationsinhalte<br />
aufzuzeigen. Andererseits könnten mit einer dieser Vorgehensweise inhaltliche Parallelen<br />
zwischen der Echtzeitkommunikation bei Twitter und dem medialen Ereignis noch<br />
deutlicher hervorgehoben werden.<br />
5.2 Ausblick<br />
Für eine dezidiert politikwissenschaftliche Analyse der Twitter-Nutzung lassen sich<br />
abschließend zwei Bereiche aufdecken, die für weiterführende Studien von Interesse sein<br />
können.<br />
1. Parteipolitische Twitter-Nutzung im Rahmen medialer Ereignisse<br />
Mediale Großereignisse wie beispielsweise das Kanzlerduell 2009 stellen für politische<br />
Parteien und Wahlkampfteams eine große Herausforderung dar. Auf möglichst vielen<br />
Kanälen soll der eigene Spitzenkandidat gepriesen und für die Stimme am Wahltag<br />
geworben werden. Twitter als communication backchannel zum medialen Ereignis könnte<br />
in diesem Zusammenhang zur direkten Kommunikation mit twitternden Bürgern eingesetzt<br />
werden. Ein direkter Argumentations- und Meinungsaustausch auf Augenhöhe wäre das<br />
Ziel. Aus politikwissenschaftlicher Sicht stellt sich jedoch die Frage, wie diese<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter zu kontrollieren bzw. in der Weise zu steuern ist, dass<br />
der Spitzenkandidat, die Partei oder bestimmte parteipolitische Aussagen im richtigen<br />
Lichte stehen. Sollte die Begleitkommunikation in Echtzeit unmittelbar in das Sendeformat<br />
der jeweiligen Fernsehanstalt eingebunden werden, dann stellt sich zudem die Frage<br />
87
FAZIT<br />
nach der redaktionellen Moderation dieser Form der Online-Versammlung in Echtzeit. Es<br />
wäre daher zu klären, wie zum einen Fernsehanstalten die Echtzeitkommunikation auf<br />
Twitter und anderen Social Web Plattformen steuern und inwieweit die politischen<br />
Parteien Einfluss auf den Inhalt dieser Kommunikation nehmen können. Idealerweise<br />
würden diese crossmedialen Veranstaltungen bspw. im Rahmen von Wahlkämpfen zu<br />
einer interaktiveren Diskussionskultur zwischen Politikern und Bürgern im Internet<br />
beitragen.<br />
2. Twitter als digitales Abbild der öffentlichen Meinung<br />
Begreift man die ereignisorientierte Echtzeitkommunikation bei Twitter als digitalisierte<br />
Form einer politischen Versammlung, so steht am Ende die Generierung einer<br />
öffentlichen Meinung. Die öffentliche getwitterte Meinung ist keineswegs repräsentativ und<br />
würde im Rahmen einer Bewertung des Kanzlerduells 2009 ein unscharfes Bild abgeben.<br />
Nichtsdestotrotz bieten sich soziale Netzwerke als Stimmungbarometer an. In diesen<br />
interaktiven Kommunikationsräumen wird diskutiert, Meinungen etablieren sich. Im<br />
Rahmen von politischen Ereignissen könnte Twitter in naher Zukunft als nützliches<br />
Instrument zur Abbildung von Meinungsbildungsprozessen in sozialen Netzwerken<br />
dienen. Unterschiedliche Studien haben sich bereits diesem Feld der so genannten<br />
Sentiment-Analyse im Umfeld von Twitter genähert, jedoch den politischen<br />
Meinungsbildungsprozess bisher außer Acht gelasssen.<br />
Bei einer Verfeinerung der Analysetechnik und mit verbesserten technischen<br />
Möglichkeiten könnte die ereignisorientierte Twitter-Nutzung in Echtzeit Auskunft über das<br />
Meinungsbild eines bestimmten Bevölkerungsanteils geben. Obgleich es bereits im<br />
Umfeld der Bundestagswahl verschiedene Meinungsumfragen gab, die über Twitter<br />
lanciert wurden, würde eine gezielte Nutzung von Twitter durch Fernsehanstalten oder<br />
Meinungsforschungsinstitute einen neuen Aspekt der Meinungsforschung offenbaren. Die<br />
Hürden liegen hier jedoch deutlich auf Seiten der technischen Machbarkeit. Die<br />
Schwierigkeit besteht in einer Sentiment-Analyse eines sich stetig verändernden<br />
Datenstroms; neue Analysemethoden, die die Beschleunigung der Online-Kommunikation<br />
erfassen können, sind daher zu modifizieren.<br />
Die Visualisierung der ereignisorientierten Echtzeitkommunikation bei Twitter<br />
wurde in der vorliegenden Arbeit auf der Grundlage der vorhandenen Daten durchgeführt<br />
und weist daher Grenzen auf. Ein weiterführendes Forschungsvorhaben könnte<br />
beispielsweise die Visualisierung der Netzwerkeffekte einerseits in Bezug auf die Friendsund<br />
Followerbeziehung und andererseits hinsichtlich der Dialogführung unter einzelnen<br />
Twitterern in den Fokus stellen.<br />
88
Abschließend ist anzumerken, dass bei aller Hektik und Unsicherheit über die Potenziale<br />
des Social Web und insbesondere von Twitter für die politische Kommunikation, ein Blick<br />
auf die politikwissenschaftlichen Debatten der Vergangenheit durchaus erhellend sein<br />
kann. Die Erschließung neuer Kommunikationsräume und die Erweiterung der<br />
allgemeinen Öffentlichkeit durch das Internet haben in der Vergangenheit stets dazu<br />
geführt, dass klassische Theoriemodelle für nichtig erklärt wurden und die<br />
Konzeptionalisierung neuer Modelle Wissenschaftler der unterschiedlichen<br />
Fachrichtungen für Jahre beschäftigt hat. Die Realtität zeigt indes, dass sich die<br />
technischen und sozialen Entwicklungen durchaus anhand bekannter Modelle deuten<br />
lassen. Die ereignisorientierte Echtzeitkommunikation bei Twitter ist zwar nicht das<br />
digitalisierte Pendant zur politischen Versammlung, dennoch lässt sich dieses neuartige<br />
Phänomen in Ansätzen mit dem klassischen Modell systematisieren.<br />
5.3 Schlusswort<br />
Obwohl Twitter erst seit wenigen Jahren existiert und seit noch kürzerer Zeit als wichtiges<br />
Medium wahgrenommen wird, ließ sich in dieser Analyse eine deutliche Entwicklung zu<br />
einer neuen Öffenltichkeitsform feststellen. Das schnelle Wachstum der Plattform und<br />
ihrer Akzeptanz in Medien und im Bereich politischer Kommunikation sollte somit noch<br />
reichlich Stoff für zukünftige Untersuchungen und Analysen bringen, bevor das Phänomen<br />
ausreichend verstanden ist. Die vorliegende Arbeit gibt einen ersten Ausblick auf die<br />
Bedeutung der Echtzeitkommunikation und die Möglichkeiten der Analyse zum<br />
Verständnis der zugrunde liegenden Dynamiken. Wie aus internen Dokumenten im<br />
Sommer 2009 bekannt wurde, möchte Twitter in Zukunft den „pulse of the planet“<br />
abbilden (TechCrunch 2009). Zumindest im Rahmen des Kanzlerduells 2009 scheint<br />
diese Vision nicht allzu weit hergeholt.<br />
89
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f.<br />
104
Abbildungsverzeichnis<br />
Soweit nicht anders vermerkt waren alle Online-Dokumente am 21. Dezember 2010<br />
abrufbar.<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1: Öffentlichkeitsmodell im Wandel ......................................................................... 19<br />
Abb. 2: Dreiecksmodell des Social Web .......................................................................... 25<br />
Abb. 3: 10 Kommunikationsdisziplinen in politischen Versammlungen ............................ 33<br />
Abb. 4: Tweet-Verteilung (Top 30) ................................................................................... 58<br />
Abb. 5: Aktivität ............................................................................................................... 60<br />
Abb. 6: Verteilung Tweets auf Nutzer .............................................................................. 61<br />
Abb. 7: Power Law Verteilung der Friends....................................................................... 62<br />
Abb. 8: Power Law Verteilung der Follower ..................................................................... 63<br />
Abb. 9: Liste Top 30 Friends/Follower-Verteilung ............................................................ 64<br />
Abb. 10: Verwendete Hashtags ohne Auswahl ................................................................ 68<br />
Abb. 11: @-Reply Verteilung (Emfänger / Sender) .......................................................... 71<br />
Abb. 12: Meinungsführerschaft bei der ereignisorientierten Twitter-Nutzung ................... 73<br />
Abb. 13: Meinungsführerschaft bei der ereignisorientierten Twitter-Nutzung (Top 30) ..... 74<br />
Abb. 14: Hashtag-Gruppen .............................................................................................. 76<br />
Abb. 15: Hashtag-Gruppenbildung .................................................................................. 77<br />
Abb. 16: Thematische Höhepunkte der Echtzeitkommunikation bei Twitter ..................... 78<br />
Abb. 17: Twitter auf einen Blick ..................................................................................... 107<br />
Abb. 18: Beispielausschnitt 1 zum quantitativen Analyseraster ..................................... 114<br />
Abb. 19: Beispielausschnitt 2 zum quantitativen Analyseraster ..................................... 115<br />
Abb. 20: Beispielausschnitt 1 zum qualitativen Analyseraster ........................................ 119<br />
Abb. 21: Beispielausschnitt 2 zum qualitativen Analyseraster ........................................ 120<br />
105
Anhang<br />
Anhang<br />
Der explorative Charakter der vorliegenden Arbeit verlangt insbesondere hinsichtlich der<br />
quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse Transparenz, um die empirische Analyse<br />
sowie das generelle Forschungsdesign nachvollziehbar zu gestalten.<br />
Demzufolge enthält der Anhang einen Kodierleitfaden, der einerseits die quantitative und<br />
andererseits die qualitative Analyse näher erläutert. Zusätzlich umfasst er Ausschnitte<br />
einzelner Kodierschemata. In Rücksprache mit dem Erstprüfer dieser Arbeit werden die<br />
Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Analyse in PDF-Form auf einem CD-ROM-<br />
Datenträger angehängt.<br />
Zunächst wird das Interface von Twitter unter dem Eindruck seiner unterschiedlichen<br />
Funktionen und Spezifika vorgestellt und anhand von kurzen Erklärungen erläutert.<br />
106
Anhang<br />
Twitter auf einen Blick<br />
An dieser Stelle werden in verkürzter Form ausgewählte Funktionalitäten von Twitter<br />
erklärt, um ein besseres Verständnis der Nutzungsmöglichkeiten von Twitter und der im<br />
Vorfeld erläuterten Kommunikationsmuster zu erhalten.<br />
Abb. 17: Twitter auf einen Blick<br />
Quelle: Screenshot www.twitter.com (19.12.2010)<br />
# Begriff Bedeutung Erklärung<br />
1 Twitter Online-Plattform, die die „Gezwitscher“ im Englischen<br />
Nachrichten-Kommunikation<br />
revolutioniert hat<br />
2 Twittern Aus dem Englischen „to in 140 Zeichen kommunizieren<br />
tweet“ bedeutet „zwitschern“<br />
2 Tweet Kurznachricht mit maximal 140<br />
Zeichen<br />
3 Tweeter /<br />
Twitterer<br />
Twitter-Nutzer<br />
107
Anhang<br />
# Begriff Bedeutung Erklärung<br />
4 Timeline Zeitleiste Öffentliche Timeline = alle<br />
Nachrichten aller Twitter-Nutzer<br />
5 Following Jemandem folgen Tweets eines bestimmten Nutzers<br />
lesen bzw. abonnieren<br />
5 Follower Ein „Folgender“ Nutzer, der einem anderen<br />
Twitterer folgt (Empfänger von<br />
Tweets)<br />
6 Friend Ein Nutzer, dem gefolgt wird. Nutzer, dem ein anderer Twitterer<br />
folgt (Sender von Tweets)<br />
Unfollow Jemandem „ent-folgen“ Die Tweets eines bestimmten<br />
Nutzers nicht weiter lesen<br />
7 Retweet /<br />
RT<br />
Eine Nachricht, die weitergeleitet<br />
wurde<br />
8 DM Direct Message Direkte Nachricht, die nur der<br />
einzelne Twitter-Nutzer lesen<br />
kann an den sie adressiert ist<br />
9 # Rautezeichen steht für<br />
Hashtag (Raute=hash)<br />
10 @ Mit dem @-Zeichen kann<br />
jemand direkt und öffentlich<br />
angesprochen werden<br />
11 Trending<br />
Topics<br />
Momentan oft benutzte<br />
Wörter/Themen<br />
Wird zur Verschlagwortung von<br />
Tweets genutzt; Hashtags dienen<br />
im klassischen Sinne dazu,<br />
Tweets von verschiedenen Usern<br />
zu einem gemeinsamen Thema<br />
zu bündeln, um die Suche nach<br />
diesen Nachrichten zu erleichtern<br />
(bsp. #tvduell)<br />
Alle Tweets mit @Nutzer<br />
erreichen diesen Twitter-Nutzer<br />
und sind im Twitterprofil sichtbar<br />
Die Twitter-Website zeigt<br />
momentan viel besprochene<br />
Themen an.<br />
108
Anhang<br />
Kodierleitfaden und Analyseraster zur quantitativen Analyse<br />
Unter den Vorzeichen eines zweiten (digitalen) Strukturwandels von Öffentlichkeit<br />
verschmelzen die Ebenen von Öffentlichkeit, alternative Öffentlichkeiten etablieren sich.<br />
Die allgemeine Kommunikation fungiert als strukturbildendes Element von Öffentlichkeit in<br />
einer modernen Gesellschaft. So ist auch die Kommunikation deutlichen Veränderungen<br />
ausgesetzt, die insbesondere im Umfeld des interaktiven und partizipationsorientierten<br />
Social Web zum Tragen kommen. Die Tatsache, dass sich die Öffentlichkeit und mit ihr<br />
das Kommunikationsverhalten einer Gesellschaft wandelt, verändert das Verständnis von<br />
Öffentlichkeit und Kommunikation. Parallelen zwischen klassischen<br />
Öffentlichkeitsmodellen und den neuen digitalen Kommunikationsorten, die offenkundig<br />
bisher wenig thematisiert werden, sollen daher aufgezeigt werden. Grundsätzlich wird<br />
demnach auf einen möglichen Bedeutungszusammenhang zwischen der klassischen<br />
politischen Versammlung unter Anwesenden und der ereignisorientierten politischen<br />
Twitternutzung hingewiesen. 116 Im Mittelpunkt der Analyse stehen der politischen<br />
Versammlung inhärente Merkmale, die unter Berücksichtigung technischer<br />
Besonderheiten der Kommunikationsplattform Twitter auf die ereignisorientiere<br />
Echtzeitkommunikation bei Twitter übertragen und empirisch überprüft werden. Im Vorfeld<br />
der empirischen Untersuchung wird ein theoretischer Zugang geschaffen, der eine<br />
Kategorienbildung ermöglicht. Das System Öffentlichkeit, die Ebenendifferenzierung mit<br />
Fokus auf der Ebene der Versammlungsöffentlichkeit, sowie das Phänomen der<br />
politischen Twitter-Nutzung dienten dienen der theoretischen Annäherung.<br />
Zugrundeliegende Forschungsfrage: Welche Merkmale weist die Echtzeitkommunikation<br />
bei Twitter im Rahmen des Kanzlerduells 2009 auf und inwieweit lassen sich Dynamiken<br />
einer politischen Versammlung erkennen<br />
Kodierleitfaden:<br />
Um die zentralen Dynamiken der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung im<br />
Rahmen des Kanzlerduells 2009 identifizieren zu können, wird eine Kategorienbildung<br />
von Kommunikationsmustern vorgenommen, die sich an der allgemeinen Syntax von<br />
Twitter orientiert.<br />
Dieser Kategorienbildung von Kommunikationsmustern, die im Mittelpunkt der<br />
quantitativen Analyse stehen, wird eine Kategorisierung des allgemeinen Fallsprofils<br />
vorangestellt. Auf diese Weise lässt sich der Umfang sowie der Teilnehmerkreis der<br />
Begleitkommunikation auf Twitter bereits zu Beginn bestimmen.<br />
116 Vgl. Kapitel 1.2<br />
109
Anhang<br />
Prinzipiell ist die vorliegende quantitative Analyse als Frequenzanalyse angelegt, so<br />
dass die Häufigkeit des Auftretens der entwickelten inhaltlichen Kategorien festgestellt<br />
wird. Diese Frequenzanalyse bezieht alle 17.932 Tweets (Sample) mit ein.<br />
Inhaltlich handelt es sich bei einem Tweet um eine thematische Einheit, die aus<br />
maximal 140 Zeichen besteht.<br />
Im Vorfeld der Untersuchung wurde sichergestellt, dass alle Texteinheiten thematisch<br />
an das Fallbeispiel gebunden sind. Die zeitliche Fixierung durch den festgesteckten<br />
Zeitrahmen des Kanzlerduells 2009 sowie die thematische Fixierung mit Hilfe von acht<br />
Auswahl-Hashtags grenzt das Sample ein.<br />
Kodierungsrelevant sind neben den Tweets, die Namen der Twitterer, die Anzahl ihrer<br />
Friends und Follower, sowie der Zeitpunkt des Absendens einer Twitter-Nachricht. 117<br />
Durch Beispiele aus dem Datenmaterial werden die einzelnen Kategorien<br />
veranschaulicht.<br />
Die Kodierung erfolgt wie bereits erwähnt durch eine reine Häufigkeitszählung, die mit<br />
Hilfe von Excel 2007 vorgenommen wird.<br />
Aufbau des Analyserasters:<br />
Generell (Fallprofil)<br />
1. Untersuchungszeitraum<br />
20:30:00 Uhr – 22:30:02 Uhr, 13. September 2009<br />
Das Kanzlerduell 2009 als mediales Ereignis konstitiuert den Untersuchungszeitraum,<br />
obgleich ein zusätzliches Zeitfenster eingeräumt wird, um Erkenntnisse anderer<br />
Studien zur Begleitkommunikation in Echtzeit bei Twitter von Beginn an zu<br />
berücksichtigen und in das Analysevorhaben zu integrieren.<br />
2. Teilnehmer<br />
Definition: Als Teilnehmer im Rahmen dieser Analyse werden alle Twitterer<br />
berücksichtigt, die im festgelegten Untersuchungszeitraum einen Tweet versendet<br />
haben.<br />
Für eine genaue Errechnung des Teilnehmerkreises werden alle Sender der Twitter-<br />
Nachrichten vom restlichen Material heraussortiert und in der Folge von Dopplungen<br />
bereinigt.<br />
N = 3.507 (Twitterer)<br />
117 Das gesamte Datenmaterial wird vor Beginn der Analyse von verschlüsselten Umlauten (Ü = ü)<br />
bereinigt, da sie für den Analyseprozess eine Beeinträchtigung darstellen.<br />
110
Anhang<br />
Jeder Nutzer wird in Verbindung mit seinen Tweets dargestellt, sodass sich eine<br />
Verteilung der Nachrichten pro Nutzer ausrechnen lässt.<br />
3. Kommunikationsinhalte (Tweets)<br />
Definition: Die Twitter-Nachrichten haben eine maximale Länge von 140 Zeichen und<br />
können neben einfachen Wortfolgen zusätzlich Links zu externen Webseiten<br />
behinhalten, die als verkürzte URL-Adressen auftreten.<br />
N = 17.932 (Tweets)<br />
Die Tweets werden im Sample in chronologischer Reihenfolge dargestellt, ihre simple<br />
Zählung wird ergänzt, indem die Anzahl der Tweets in Verbindung mit dem Zeitpunkt<br />
des Absendens gesetzt wird, so dass Aussagen über Schwankungen in der Aktivität<br />
bei der ereignisorientierten Twitter-Nutzung getroffen werden können.<br />
4. Friends- und Follower-Beziehung<br />
Definition: Die Information über die Anzahl der Friends (Personen, denen der Nutzer<br />
selbst folgt) und die Anzahl der Follower (Personen, die dem Nutzer folgen) lässt sich<br />
zusammen mit dem Nutzer-Namen aus dem Profil erschließen, so dass eine Erhebung<br />
dieser Zahlen ohne Weiteres technisch möglich ist. Besonders die Anzahl der Follower<br />
eines Nutzers gibt Aufschluss darüber, wie viele Twitterer theoretisch die Tweets des<br />
Nutzers lesen; somit können unter Berücksichtigung deutlicher Einschränkungen<br />
theoretische Reichweiten der Begleitkommunikation bei Twitter bestimmt werden.<br />
N = 288 (Friends)<br />
N = 281 (Follower)<br />
Neben der Häufigkeitszählung und Verteilung von Friends und Followern auf die<br />
Twitter-Nutzer, wird für eine höhere Aussagekraft zusätzlich zum Durchschnittswert der<br />
Median-Wert gebildet.<br />
Kommunikationsmuster<br />
1. Themen- und Sachzentrierung der Begleitkommunikation bei Twitter<br />
Definition: Mit der Analyse aller abgesendeten Tweets unter dem Gesichtspunkt der<br />
Themen- und Sachzentrierung soll geprüft werden, inwieweit sich die<br />
Begleitkommunikation in Echtzeit am medialen Ereignis orientiert. Neben der<br />
generellen Zentrierung durch die Vorauswahl des Datenmaterials auf der Grundlage<br />
von acht Hashtags, wird an dieser Stelle nach weiteren thematischen Fokussierungen<br />
gesucht. Zusätzlich soll geschaut werden, in welchem Umfang die kommunikativen<br />
Konventionen bei Twitter Anwendung finden, das heißt inwieweit von Hashtags<br />
Gebrauch gemacht wird. Der Aspekt Themen- und Sachzentrierung von<br />
Kommunikation nimmt bei der politischen Versammlung unter Anwesenden eine<br />
111
Anhang<br />
bedeutende Rolle ein, so dass für die Kommunikation bei Twitter dieser Aspekt erneut<br />
im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse aufgegriffen werden.<br />
Hashtags, gekennzeichnet mit einem Rautezeichen (#) bilden für diese Kategorie die<br />
Kodiereinheit. Der Tweet stellt die Kontexteinheit dar.<br />
Unterschieden wird zwischen den verwendeten Hashtags verteilt auf die Gesamtzahl<br />
der Tweets und den verwendeten Hashtags ohne Doppelnennungen.<br />
N = 8 (Auswahl-Hashtags)<br />
N = 28.296 (Verwendete Hashtags)<br />
N = 1.452 (Unterschiedliche Hashtags)<br />
Beispiel: „Zamonia: Das TV-Duell gerät zur Rechtfertigung für die letzten vier Jahre der<br />
Großen Koalition gegenüber den Journalisten. #tvduell #wahl09“ (21:30:08,<br />
13.09.2009).<br />
Neben der Häufigkeitszählung wird eine Word Cloud erstellt, die anhand der<br />
unterschiedlichen Hashtags einen ersten groben Eindruck über die Inhalte der<br />
ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung im Sinne einer Begleitkommunikation in<br />
Echtzeit verschaffen soll.<br />
Die Berechnung der Dichte von Hashtags verteilt auf alle versendeten Tweets gibt<br />
zudem an, wie viele Hashtags in einem Tweet vorkommen und lässt Vermutungen<br />
über den Grad der Themen- und Sachzentrierung zu.<br />
2. 140-Zeichen Diskurs in Echtzeit<br />
Definition: Die Kommunikation bei Twitter ist grundsätzlich als öffentlicher Dialog<br />
zwischen den Nutzern angelegt worden. Durch die ‚Institutionalisierung„ der<br />
Verwendung des @-Zeichen zur Kennzeichnung einer personenorientierten Twitter-<br />
Nachricht, hat sich eine Form des Diskurses bei Twitter etabliert, die unter dem<br />
Eindruck der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung stärker ausgeprägt zu<br />
sein scheint. Da für eine politische Versammlung der Diskurs unter Anwesenden<br />
strukturbildenden Charakter besitzt, soll an dieser Stelle zum einen die Häufigkeit der<br />
@-Reply-Nachrichten als Merkmal für Dialog und zum anderen die Verteilung auf<br />
Sender und Emfänger dieser direkten Nachrichten errechnet werden.<br />
N = 940 (@-replies)<br />
Beispiel: „DerBruesseler @henrikms Der Wahlkampf ist lahm, aber das #TVDuell<br />
macht es nicht besser sondern ist ein gutes Beispiel für das aktuelle politische Niveau“<br />
(21:10:27, 13.09.2009)<br />
Eine Bestimmung der Richtung des Diskurses in 140-Zeichen, das heißt welche Nutzer<br />
untereinander Argumente austauschen, kann aufgrund der eingeschränkten<br />
technischen Möglichkeiten im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden.<br />
112
Anhang<br />
Neben der Häufigkeitszählung, werden zusätzlich der Durchschnittswert sowie der<br />
Median-Wert berechnet, um die Verteilung der @-Reply-Nachrichten auf die<br />
Gesamtzahl der Twitterer aufzuzeigen.<br />
3. Meinungsführerschaft<br />
Definition: Öffentliche Kommunikation in einem definierten Teilnehmerkreis unterliegt<br />
der Annahme, dass die kommunikative Beteiligung auf Gleichberechtigung basiert.<br />
Demzufolge können alle Teilnehmer in gleichem Umfang an der Kommunikation<br />
partizipieren. Mitunter zeigt sich jedoch in den meisten Fällen, dass der Austausch von<br />
Meinungen und Informationen von einer kleinen Teilnehmergruppe dominiert wird.<br />
Abgesehen von ihrem aktiveren Kommunikationsverhalten, spielt insbesondere die<br />
Wiedergabe ihrer Argumente durch andere Teilnehmer eine wichtige Rolle. Durch<br />
diese Wiedergabe etabliert sich im Verlauf eine von Teilen des Teilnehmerkreises<br />
akzeptierte Meinung. Diese so genannten ‚Meinungsmacher„ oder Meinungsführer<br />
beeinflussen somit grundlegend den Ablauf der Kommunikation sowie die aggregierte<br />
Meinung. Die in politischen Versammlungen zumeist ausgeprägte<br />
Meinungsführerschaft, soll für die ereignisorientierte Twitter-Nutzung mit Hilfe der<br />
Retweet-Funktion untersucht werden. Diese Funktion dient der unmittelbaren<br />
Weitergabe von Tweets, die vom jeweiligen Nutzer als ‚wichtig„ eingestuft werden. Als<br />
Meinungsführer der Begleitkommunikation bei Twitter sollen Nutzer bezeichnet<br />
werden, deren Tweets überdurchschnittlich häufig weitergeleitet wurden.<br />
N = 2.353 (Retweet-Nachrichten)<br />
Beispiel: „LiterallySimon: RT @SteffiLemke: Merkel verspricht, Gesundheitsfonds<br />
aufrecht zu halten. Garantie zum Geldverbrennen und Zweiklassenmedizin. #tvduell“<br />
(21:35:07, 13.09.2009)<br />
Differenziert wird in diesem Zusammenhang deutlich zwischen Sendern und<br />
Emfängern eines Retweets, obgleich die Retweet-Emfänger für die Frage nach einer<br />
Meinungsführerschaft im Fokus der Analyse stehen. Die Häufigkeitszählung der<br />
Retweets wird ergänzt durch den Durchschnittswert und den Median-Wert im Bezug<br />
auf die Verteilung der Retweets auf alle Nutzer.<br />
Augenmerk soll unter dem Eindruck anderer Studien zur Kommunikation bei Twitter auf<br />
so genannte Outlier gelegt werden. Twitterer, die überdurchschnittlich häufig Tweets<br />
anderer retweeten, können das Bild der Meinungsführerschaft verfälschen. An dieser<br />
Stelle lohnt ein tieferer Blick in die das Profil dieser Twitterer, um die Intention dieses<br />
Verhaltens zu erschließen.<br />
Hinsichtlich der Kodierregeln für die drei Kategorien der quantitativen Analyse ist<br />
festzuhalten, dass die jeweilige Kodiereinheit kodiert wird, sobald eine Ausprägung (z.B.<br />
ein @-Reply-Zeichen im Tweet) vorliegt. Für die gesamte quantitative Inhaltsanalyse gilt,<br />
113
Anhang<br />
dass aufgrund technischer Einschränkungen und fehlender Informationen zum<br />
Datenmaterial jeder Analyseschritt einer stetigen Reflexion hinsichtlich der Grenzen der<br />
Generalisierbarkeit unterliegt.<br />
Abb. 18: Beispielausschnitt 1 zum quantitativen Analyseraster<br />
At Reply Emfänger<br />
Tweets mit @reply (gekürzt) Reply to (ungeordnet) Reply to (geordnet nach Freq) Freq<br />
.@DerBruesseler http://twittbee.com/tvduell/ #twitterwall #tvduell .@DerBruesseler @tagesschau 21<br />
.@Guenther0815 kleiner Tipp, sehr interessant: http://bit.ly/5QwVG FDP Ortsgruppe Gö .@Guenther0815 @ihrewahl 14<br />
twittert .@silkchen79 auch… @sebastianroming #tvduell @mellowtraxer #tvduell #Simpsons sind eine adäquate .@silkchen79 @tauss 14<br />
Alternative .@tagesschau ) Hier im Schwarzwald gab's bisher noch kein schwarzes Bild. (ZDF/Sat) .@tagesschau @DWDL 11<br />
#tvduell @ lutschbirne, ne die is eingeschlafen...#tvduell @ @sternde 11<br />
@_free_and_easy_ hab ich beides schon gesehen. denke #musik wirds wohl werden. das @_free_and_easy_ @Scherzinfarkt 9<br />
#tvduell @_Saraaah ist nicht Aber gerade Angie der hat eine beste ganz kreative andere background. Gewichtsklasse. Die boxt dem gleich eine! @_Saraaah @SteffiLemke 8<br />
#kanzlerduell<br />
@_Saraaah Guck doch mal Angie ins Gesicht. Die hat Kampferfahrung ôo #kanzlerduell @_Saraaah @weltkompakt 8<br />
@_Saraaah Wetten wir wem als erstes die Hand ausrutscht XD #kanzlerduell @_Saraaah @BoehningB 7<br />
@_Saraaah Woher weiß sie wasein Friseurbesuch kostet XD #kanzlerduell #fies @_Saraaah @Chikatze 7<br />
@10jin Guido ist dann der Willi Von dem ich ja auch glaube, das der mehr auf Jungs steht @10jin @frederics 7<br />
#tvduell @343max da bringste dir mal besser die ganze Flasche mit. #schön #steinmeier #wodka @343max @henrikMS 7<br />
#tvduell @343max Die Sendung #tvduell + #Twitter war sogar fast unterhaltsam ... @343max @Stecki 6<br />
@343max Eigentlich gucke ich immer Frauentausch aber das Format #tvduell hat ja so fast @343max @teamdeutschland 6<br />
das @343max selbe Niveau Gute Idee! #tvduell @343max @343max 5<br />
@343max Pulle schon leer -)) #tvduell @343max @cdu_news 5<br />
@415s Bisher ist für mich aber noch nicht viel entscheidendes passiert. Ich finde es werden @415s @DerBruesseler 5<br />
nur @46149Oberhausen bekannte Programme danke runtergeredet. für den Link zu #tvduell Phoenix/TV-Duell, läuft bestens!<br />
@46149Oberhausen @her_life 5<br />
http://www.phoenix.de/livestream/ @50hz Juhuuhh! Ich followe eine Berühmtheit #tvduell #phoenix :D #tvduell @50hz @Ibo 5<br />
@50hz wir brauchen es keine weiteren vier Jahre aushalten, da wir ab dem 27. einen neuen @50hz @imbatman 5<br />
Kanzler @90elf_Kuepper haben. #duell09 Ist sie noch da Ich höre nur den Ton! :o) #illner #tvduell @90elf_Kuepper @JuLisThueringen 5<br />
@Abendzeitung #tvduell: Und sie lieben sich doch @Abendzeitung @Junge_Union 5<br />
@Abendzeitung Duell Duett! #tvduell @Abendzeitung @MissBeehaving 5<br />
@Abendzeitung Ein #tvduell zwischen Horst Schlämmer & Martin Sonneborn von Die @Abendzeitung @muentefering 5<br />
PARTEI @Abendzeitung wäre wesentlich Kanzlerkuscheln sinnvoller für als Millionen das hier. #tvduell @Abendzeitung @RobVegas 5<br />
@achim naja, die bilder dazu kann ich mir spaeter anschauen. dafuer refreshe ich das @achim @wahlimweb 5<br />
#tvduell @Agent_Dexter im sekundentakt Carneol. und Und amuesiere nein, dass mich sind keine praechtig. Fleischstücke. #kette #tvduell @Agent_Dexter @_Saraaah 4<br />
@agent_dexter plasberg ist auch der einzige ohne krawatte da - bleibt sich treu! :-)<br />
kloeppels krawatte ist ja wohl ein fehlgriff #tvduell<br />
@agent_dexter @Abendzeitung 4<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
114
Anhang<br />
Abb. 19: Beispielausschnitt 2 zum quantitativen Analyseraster<br />
Friends- und Follower-Beziehung<br />
Nutzer Friends Follower<br />
TorstenNeumann 40081 38059<br />
wildwasser 29868 28859<br />
saschalobo 1805 19476<br />
tauss 443 10534<br />
netzpolitik 432 9448<br />
sixtus 261 8904<br />
tagesschau 2 8267<br />
Die_Gruenen 4057 8096<br />
ProSieben 8428 7721<br />
intermac 8257 7523<br />
klauseck 1194 6778<br />
BMOnline 5410 6129<br />
DerWesten 3901 5845<br />
Ibo 3131 5505<br />
sternde 872 5103<br />
cdu_news 1503 4686<br />
Abendzeitung 4475 4533<br />
derfreitag 3350 4410<br />
Nico 3049 4360<br />
spdde 1688 4289<br />
csommer 1517 4139<br />
damitdasklaas 168 4004<br />
PickiHH 1442 3991<br />
dwitter_com 2861 3648<br />
weltonline 1520 3587<br />
manniac 1928 3491<br />
weinvkn 3289 3482<br />
Hochbahnopfer 3569 3477<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
115
Anhang<br />
Kodierleitfaden und Analyseraster zur qualitativen Analyse<br />
Die qualitative Inhaltsanalyse dient der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit<br />
als unterstützende Methode für die Analyse der Kommunikationsmuster und Eigenarten<br />
der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung im Sinne einer Begleitkommunikation<br />
in Echtzeit. Somit werden die Kategorien für die qualitative Analyse auf induktive Weise<br />
anhand des bereits verwendeten Datenmaterials sowie im Bezug auf die bereits<br />
gebildeten Kategorien (Themen- und Sachzentrierung, Diskurs, Meinungsführerschaft)<br />
formuliert. Die Verfeinerung dient dazu, Aspekte aus der der quantitativen Untersuchung<br />
zu vertiefen, die mit ausschließlich quantitativen Methoden nicht aufzuzeigen sind.<br />
Kodierleitfaden:<br />
Die Kategorien der quantitativen Analyse Themen- und Sachzentrierung und Diskurs<br />
sollen tiefgehender analysiert werden.<br />
Zu jeder Kategorie wird ein Bezug zu Ergebnissen der quantitativen Analyse<br />
hergestellt, um den Kontext zu verdeutlichen.<br />
Die Kategorieregeln divergieren hinsichtlich der zu analysierenden Kategorien,<br />
obgleich für die gesamte qualitative Analyse gilt, dass die Kodierung mit Hilfe der<br />
‚Dummy-Variable„ also einer numerischen Kodierung durch die Ziffer 1 (= Ausgrägung<br />
vorhanden) und die Ziffer 0 (= Ausprägung nicht vorhanden) erfolgt.<br />
Die Kodierung mit der Ziffer 0, wenn eine Ausprägung nicht zu erkennen ist, wird zur<br />
besseren Darstellung mit einem leeren Feld illustriert.<br />
Aufbau des Analyserasters:<br />
1. Themen- und Sachzentrierung: Hashtag-Gruppen<br />
Definition: Die Hashtags stellen für die Kommunikation bei Twitter ein Instrument dar,<br />
um den Inhalt der Tweets zu markieren und sie in einen thematischen Kontext – ein<br />
Metathema – einzubetten. Die grobe Betrachtung der Hashtags im Rahmen der<br />
quantitativen Analyse zeigt eine prinzipielle Zentrierung der Kommunikationsinhalte auf<br />
das Kanzlerduell 2009, jedoch wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass sich die<br />
verwendeten Hashtags zusätzlich in unterschiedliche ‚Themen-Gruppen„ einordnen<br />
lassen. Somit soll eine Aussage darüber getroffen, wie differenziert diese Themen- und<br />
Sachzentrierung der Begleitkommunikation in Echtzeit bei Twitter ist.<br />
N = 9 (Hashtag-Gruppen)<br />
Grundlage für diese Analyse bilden die 1.444 verschiedenen Hashtags, die zum<br />
Kanzlerduell 2009 verwendet wurden; die Hashtag-Vorauswahl wird hier nicht<br />
berücksichtigt sowie jene Hashtags, die im gesamten Zeitraum nur einmal Erwähnung<br />
finden.<br />
116
Anhang<br />
450 Hashtags unterliegen der Kodierung in thematische Hashtag-Gruppen; die<br />
Kodiereinheit bilden die Worte, die vor das Hashtag gestellt sind.<br />
Nach Prüfung der ersten 100 Hashtags führen häufig wiederkehrende<br />
Sinnzusammenhänge unter den Hashtags zur Bildung von Themen-Gruppen, die in<br />
Folge einer 2. Prüfung nach 200 Hashtags modifiziert werden sollen. Folgende<br />
Hashtag-Gruppen werden gebildet:<br />
Deskriptiv: Allgemeine Bemerkungen zum Kanzlerduell, der Bundestagswahl oder dem<br />
Wahlkampf werden mit diesen Hashtags versehen (z.B. #tvduett, #ihrewahl, #0)<br />
Partei: Da die Hashtags #SPD und #CDU Teil der Auswahl-Hashtags sind, erfahren hier<br />
auch die anderen Parteien der Bundestagswahl Nennung (z.B. #jusos, #grüne,<br />
#Piratenpartei).<br />
Politiker: Neben den Duellkandidaten Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier spielen<br />
auch andere Politiker für die Begleitkommunikation bei Twitter ein Rolle (z.B.<br />
#westerwelle, #schröder, #trittin)<br />
Moderatoren: Äußerungen hinsichtlich der Moderatoren und ihrer Leistung während des<br />
Kanzlerduells werden entsprechend markiert (z.B. #illner, #Kloepel, #moderatoren ).<br />
Sendeformat: Die Fernsehsender, die das Kanzlerduell ausstrahlen, sowie andere<br />
Sendeformate, die im Umfeld des Duells eine Rolle spielen, finden Erwähnung (z.B.<br />
#RTL, #phoenix, #zatoo, #livestream).<br />
Sachpolitisch: Hashtags, die dieser Gruppe zuzuordnen sind beziehen sich explizit auf<br />
sachpolitische Themen, die entweder während des Kanzlerduells selbst angesprochen<br />
werden oder im Bundestagswahlkampf prinzipiell von Bedeutung sind (z.B. #opel,<br />
#Afghanistan, #mindestlohn oder #atomausstieg).<br />
Wertung deskriptiv: Diese Gruppe von Hashtags umfasst Gefühlsäußerungen und die<br />
Beschreibung des Gemütszustandes eines Twitterers. Für die non-verbale nur durch<br />
Schriftsprache vermittelte Kommunikation bei Twitter fungieren diese Hashtags als grobes<br />
Stimmungsbarometer (z.B. #fail, #gähn, #peinlich, #zickig)<br />
Wertung politisch: In dieser Gruppe finden sich Äußerungen im Sinne von Zustimmung<br />
und Ablehnung gegenüber Parteien oder Politikern, die mit + oder – Zeichen kenntlich<br />
gemacht sind (z.B. #CDU+, #Merkel-, #Piraten+)<br />
Irrelevant: Diese Hashtags können nicht zugeordnet werden und entsprechen einer<br />
willkürlichen Verwendung von Hashtags (z.B. #252, #gestik, #Vodka, #blackout); sie<br />
entfallen aus der Analyse.<br />
Kodierregel: Für alle Kategorien gilt, dass Hashtags mit der Ziffer 1 kodiert werden,<br />
wenn die Ausprägung vorliegt und mit der Ziffer 0, wenn keine Einordnung in eine<br />
Gruppe möglich ist.<br />
117
Anhang<br />
2. Höhepunkte der Begleitkommunikation in Echtzeit<br />
Definition: Wird die ereignisorientierte politische Twitter-Nutzung in der vorliegenden<br />
Arbeit als Begleitkommunikation zu einem medialen Ereignis betrachtet, stellt sich die<br />
Frage, inwieweit sich die Begleitkommunikation inhaltlich am Verlauf des Duells<br />
orientiert. Mit Hilfe einer sequenziellen Betrachtung der Begleitkommunikation sollen<br />
mögliche Parallelen der Argumentationsstränge zwischen dem Kanzlerduell 2009 und<br />
der Begleitkommunikation in Echtzeit bei Twitter aufgezeigt werden.<br />
Auf Basis einer Aufzeichnung des Kanzlerduells 2009 soll ein Themenkomplex<br />
ausgewählt werden und anhand der Sendezeit eine Sequenz der Twitter-Nachrichten<br />
aus dem Datenmaterial isoliert werden.<br />
N = 793 (Tweets)<br />
Grundsätzlich bilden die Tweets der ausgewählten Sequenz die Kontexteinheit und die<br />
Worte oder Wortpaare formen die Kodiereinheit der Analyse. Auf Basis einer ersten<br />
Prüfung von 150 Tweets hinsichtlich wiederkehrender Wortnennung sollen die<br />
thematische-zentrierten Hashtag-Gruppen konzipiert.<br />
Der Themenkomplex ‚Atomenergie„ liefert die Grundlage für das Wortfeld.<br />
Kodierregel: Alle Tweets, die einen der bestimmten Begriffe enthält, wird mit 1 kodiert<br />
(= Ausprägung vorhanden); diejenigen Tweets, die keinen der Begriffe aufweisen<br />
werden mit der Ziffer 0 kodiert.<br />
3. Störpotenzial bei der ereignisorientierten politischen Twitter-Nutzung<br />
Definition: Der Austausch von Argumenten, sowohl in einer politischen Versammlung<br />
als auch bei der begleitenden Echtkommunikation bei Twitter, verläuft nicht nur<br />
geordnet. Die Produktion von Kommunikationsinhalten kann auch durch einzelne<br />
Teilnehmer gestört werden. Wie bereits erwähnt, werden Tweets durch die<br />
Verwendung von Hashtags in einen inhaltlichen Kontext gesetzt. Da die<br />
Kommunikation bei Twitter grundsätzlich mit Hilfe von Hashtags, @Replies oder<br />
Retweets strukturiert wird, soll versucht werden Störpotenzial und Provokateure der<br />
Begleitkommunikation bei Twitter anhand von überdurchschnittlich häufigem Gebrauch<br />
von Hashtags zu identifizieren. Diese Vorgehensweise erschließt sich aus einer<br />
stichprobenartigen Durchsicht aller Twitter-Nachrichten und beruht auf einer Studie von<br />
Kwak et al. (2002), die eine Obergrenze von verwendeten Hashtags auf drei pro Tweet<br />
festgesetzt haben. Anhand dieser Obergrenze identifizieren sie störende und<br />
provozierende Twitter-Nutzer, die den Kommunikationsablauf bei Twitter negativ<br />
beeinfluss können. Diesem Verfahren soll an dieser Stelle Folge geleistet werden.<br />
N = 793 Tweets (Tweets der im Vorfeld ausgewählten Sequenz)<br />
118
Anhang<br />
Das einzelne Hashtag bildet die Kodiereiheit; der zugehörige Tweet bildet die<br />
Kontexteinheit.<br />
Kodierregel: Wenn ein Tweet drei oder mehr Hashtags beinhaltet, dann wird diese<br />
Nachricht als störend für den Kommunikationsfluss bei Twitter und der Absender als<br />
‚Provokateur„ eingestuft; kodiert wird dieser Tweet mit der Ziffer 1 (= Ausprägung liegt<br />
vor). Die Kodierung mit der Ziffer 0 drückt aus, dass nur 1-2 Hashtags im Tweet<br />
erkannt werden.<br />
Abb. 20: Beispielausschnitt 1 zum qualitativen Analyseraster<br />
At Reply Emfänger<br />
Tweets mit @reply (gekürzt) Reply to (ungeordnet) Reply to (geordnet nach Freq) Freq<br />
.@DerBruesseler http://twittbee.com/tvduell/ #twitterwall #tvduell .@DerBruesseler @tagesschau 21<br />
.@Guenther0815 kleiner Tipp, sehr interessant: http://bit.ly/5QwVG FDP Ortsgruppe Gö .@Guenther0815 @ihrewahl 14<br />
twittert .@silkchen79 auch… @sebastianroming #tvduell @mellowtraxer #tvduell #Simpsons sind eine adäquate .@silkchen79 @tauss 14<br />
Alternative .@tagesschau ) Hier im Schwarzwald gab's bisher noch kein schwarzes Bild. (ZDF/Sat) .@tagesschau @DWDL 11<br />
#tvduell @ lutschbirne, ne die is eingeschlafen...#tvduell @ @sternde 11<br />
@_free_and_easy_ hab ich beides schon gesehen. denke #musik wirds wohl werden. das @_free_and_easy_ @Scherzinfarkt 9<br />
#tvduell @_Saraaah ist nicht Aber gerade Angie der hat eine beste ganz kreative andere background. Gewichtsklasse. Die boxt dem gleich eine! @_Saraaah @SteffiLemke 8<br />
#kanzlerduell<br />
@_Saraaah Guck doch mal Angie ins Gesicht. Die hat Kampferfahrung ôo #kanzlerduell @_Saraaah @weltkompakt 8<br />
@_Saraaah Wetten wir wem als erstes die Hand ausrutscht XD #kanzlerduell @_Saraaah @BoehningB 7<br />
@_Saraaah Woher weiß sie wasein Friseurbesuch kostet XD #kanzlerduell #fies @_Saraaah @Chikatze 7<br />
@10jin Guido ist dann der Willi Von dem ich ja auch glaube, das der mehr auf Jungs steht @10jin @frederics 7<br />
#tvduell @343max da bringste dir mal besser die ganze Flasche mit. #schön #steinmeier #wodka @343max @henrikMS 7<br />
#tvduell @343max Die Sendung #tvduell + #Twitter war sogar fast unterhaltsam ... @343max @Stecki 6<br />
@343max Eigentlich gucke ich immer Frauentausch aber das Format #tvduell hat ja so fast @343max @teamdeutschland 6<br />
das @343max selbe Niveau Gute Idee! #tvduell @343max @343max 5<br />
@343max Pulle schon leer -)) #tvduell @343max @cdu_news 5<br />
@415s Bisher ist für mich aber noch nicht viel entscheidendes passiert. Ich finde es werden @415s @DerBruesseler 5<br />
nur @46149Oberhausen bekannte Programme danke runtergeredet. für den Link zu #tvduell Phoenix/TV-Duell, läuft bestens!<br />
@46149Oberhausen @her_life 5<br />
http://www.phoenix.de/livestream/ @50hz Juhuuhh! Ich followe eine Berühmtheit #tvduell #phoenix :D #tvduell @50hz @Ibo 5<br />
@50hz wir brauchen es keine weiteren vier Jahre aushalten, da wir ab dem 27. einen neuen @50hz @imbatman 5<br />
Kanzler @90elf_Kuepper haben. #duell09 Ist sie noch da Ich höre nur den Ton! :o) #illner #tvduell @90elf_Kuepper @JuLisThueringen 5<br />
@Abendzeitung #tvduell: Und sie lieben sich doch @Abendzeitung @Junge_Union 5<br />
@Abendzeitung Duell Duett! #tvduell @Abendzeitung @MissBeehaving 5<br />
@Abendzeitung Ein #tvduell zwischen Horst Schlämmer & Martin Sonneborn von Die @Abendzeitung @muentefering 5<br />
PARTEI @Abendzeitung wäre wesentlich Kanzlerkuscheln sinnvoller für als Millionen das hier. #tvduell @Abendzeitung @RobVegas 5<br />
@achim naja, die bilder dazu kann ich mir spaeter anschauen. dafuer refreshe ich das @achim @wahlimweb 5<br />
#tvduell @Agent_Dexter im sekundentakt Carneol. und Und amuesiere nein, dass mich sind keine praechtig. Fleischstücke. #kette #tvduell @Agent_Dexter @_Saraaah 4<br />
@agent_dexter plasberg ist auch der einzige ohne krawatte da - bleibt sich treu! :-) @agent_dexter @Abendzeitung 4<br />
kloeppels krawatte ist ja wohl ein fehlgriff #tvduell<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
119
Anhang<br />
Abb. 21: Beispielausschnitt 2 zum qualitativen Analyseraster<br />
Störung / Provokation des 140-Zeichen Diskurses<br />
ZEIT TWEET Störung JA (< 3 #) Störung JA (= 3 #)<br />
21:01:52 Jeder Popel fährt nen Opel. Nur Merkelmeier nicht. #TVDuell #BTW09 #Duell09 1<br />
21:01:52 Das Duell ist irgenndwie komisch. #tvduell<br />
21:01:53 Spielt keine Rolle, ob Merkel oder Steinmeier die Fragen kannten, sie antworten ja sowieso nicht drauf. #tvduell<br />
21:01:53 @tauss nicht direkt ... machen die auch mal aussagen #tvduell<br />
21:01:53 #FWS über die Opel-Verhandlungen: Ich war dabei. Wie großartig, da hat er sich glatt einen Keks verdient. #tvduell<br />
21:01:53 Seit wann ist Atomkraft umweltfreundlich Fr. Merkel #tvduell<br />
21:01:53 Ich nehme an, dass sich Frank und Angela am Ende umarmen. Vielleicht küssen sie sich sogar. #tvduell<br />
21:01:53 und diese zwei Leute da im Fernseher, die sind wirklich aus zwei Parteien #00 #Kanzlerduell<br />
21:01:53 NEWS - #TVDUELL - Doppelpass-Spiel zwischen #Merkel und #Steinmeier<br />
21:01:54 Kernkraft ist NIEMALS sicher #Merkel #Fail #TVDUELL 1 2<br />
21:01:54 RT das #tvduett wird zum #tvduell aber nicht kanzler gegen kandidat sondern eher Moderator gegen Kandidaten ^^ (via @Abbelmentos)<br />
21:01:54 Energie muss sicher im Sinne von versorgungssicherheit sein - Atomkraft olé laut Merkel... eijeijei #fail #CDU- #Cleantech+ 1 2<br />
21:01:54 Zu früh gefreut. Sind sich doch wieder einig und wollen wohl doch händchenhaltend in die nächste große Koalition. #tvduell<br />
21:01:55 Das Duell lautet: Merkel u. Steinmeier VS Die Reporter #tvduell<br />
21:01:56 Wo ist der Hut aus dem die Überraschungen gezaubert werden #tvduell<br />
21:01:56 Ich trink nen Weizen, hab Hunger #tvduell<br />
21:01:56 Jetzt wirds interessant. Atomfrage #tvduell<br />
21:01:56 RT @JimmyJamaica:RT @onkelpeppy warum darf eigentlich niemand von den RTL2-Action-News Fragen stellen #tvduell<br />
21:01:57 Immer noch nicht glorios, aber: Bisher der beste TV-Auftritt von FWS in diesen Wahlkampf (rk) #tvduell<br />
21:01:57 Doppelpass #merkel #steinmeier - hallo - wir sind im Wahlkampf! Jetzt #merkel mit ihrer Brücken-Kernkraft<br />
21:01:57 Kleine Elektroschocks, wenn jemand vom Thema abschweift #tvduell<br />
21:01:57 Da haben sich Merkel und Steinmeier klar gegen die Moderatoren durchgesetzt! :D #kanzlerduell<br />
21:01:57 Schön wie die Beiden sich immer wieder einige sind. Echt spannend das Duell. #tvduell<br />
21:01:57 wieso ist merkel für atomkraft, argumentiert aber irgendwie dagegen! #duell09<br />
21:01:57 Am schlechtesten beim Duell sind die Moderatoren. So was banales ist ein Offenbarungseid des deutschen Journalismus!!! #tvduell #duell09<br />
21:01:58 #tvduell #tvduett #tvmuell eigentlich extrem guter konzentrierer, falle jetzt aber immer wieder in Sekundenschlaf. gottlob nicht auf A9! 1 2<br />
21:01:58 Hui, jetzt geht es richtig los -) #schlammschlacht #tvduell http://www.altona.info/wall #merkel #steinmeier #bundestag #wahlen 1<br />
21:01:58 Ob #zensursula auch noch Thema wird #tvduell<br />
21:01:59 ist das der Sinn des Duells, am Ende doch übereinzustimmen :p / die Moderatoren versuchen aber immernoch ihr Bestes... #tvduell<br />
21:01:59 bin eingeschlafen beim #tvduell kam schon was interesanntes geht es #Deutschland noch gut ich zahl übrigens 9,95 beim #Friseur<br />
21:02:00 also labialfaltentechnisch sind die zwei voll auf dem gleichen level. #00 #tvduell<br />
21:02:00 Neenee, @moewi, eher arbeitsintensiv so wie Götz Alsmann oder Morrissey #tvduell<br />
21:02:00 Das ist doch kein Duell.. Da fehlen die Echten Gegenkandidaten. #00 #tvduell<br />
21:02:00 #krümmel - der beste grund gegen #atomkraft #tvduell 1 2<br />
21:02:00 Wir brauchen keinen #Mindestlohn, wir brauchen #Buergergeld! #00 #tvduell #btw09 1<br />
21:02:00 HELL, was zur Hölle ist eine Brückentechnologie Frau Merkel ist gegen Krümmel, ich schmeiß mich weg #tvduell<br />
21:02:01 Warum kam von der SPD damals wo sie drann waren nichts zum Thema Mindestlohn #Steinmeier #Merkel<br />
21:02:01 Kernenergie ist nicht umweltverträglich und sicher auch nicht! #tvduell<br />
21:02:01 @Dr_Michael_Paul diskutiert mit Mitgliedern der @ju_koeln über das #tvduell . Da ist noch Luft nach oben!<br />
21:02:02 #Merkel und Steinmeier vs. Moderatoren beim Thema #Opel #tvduell<br />
21:02:02 Atomenergie sit nicht umweltfreundlich, Fr. Merkel! Ui, Krümmel also direkt abschalten. Bitte sofort! #tvduell<br />
21:02:02 Der Erfolg der #OPEL Rettung muss sich doch noch erst unter Beweis stellen. Magna wird wohl mehr Menschen entlassen als gedacht #tvduell<br />
21:02:02 @kneissler jap! da gibts wenigstens was zum lachen... #tvduell<br />
21:02:02 RT @lstrojny: Steinmeier ist ein würdiger Gegner für Frau Merkel. Und das ist kein Kompliment #tvduell #00<br />
21:02:03 Sollten die Moderatoren nicht etwas neutraler sein #tvduell #spd<br />
21:02:04 Komisches Duell: Bundeskanzler-Kanidaten gegen Moderatoren. #tvduell<br />
21:02:04 #tvduell ... Angie, nach dem Motto über Sieben Brücken musst Du gehn Politischer Nuklearabfall!<br />
21:02:04 #tvduell hin oder her, aber die Moderatoren gehen mir solangsam auf den Sack. Sind ja wie #hassmartin und fallen denen dauernd ins Wort!<br />
21:02:04 RT @dwitter_com: Die aktuellen Twitter-TopThemen (24h): #tvduell #fsa09 #hassmartin #sdr #piraten http://dwitter.com 1<br />
21:02:05 Für mich es sehr entscheidend, dass es einen #Atomausstieg gibt. Aber nicht um den Preis der Steinkohle! #tvduell<br />
21:02:05 angie und frank-walter in trauter zweisamkeit beim thema opel!selten soetwas in einem wahllampf erlebt. also doch ein traumpaar #tvduell<br />
21:02:05 RT @monimays: #Tvduell mit Twitter macht viel mehr Spaß als ohne :)<br />
21:02:06 ATOMAUSSTIEG! Uns zwar JETZT! #tvduell #kanzlerduell !<br />
21:02:06 Es ist wie bei einem Verkehrsunfall, man muss einfach hingucken... #RTL #TVDuell<br />
21:02:06 Die beiden arbeiten echt gut im Team, wollen die wirklich gegeneinander antreten #kanzlerduell<br />
21:02:07 Atomenergie, jetzt bin ich mal gespannt! Brückenenergie (#merkel) seit wann das #tvduell<br />
21:02:07 Merkel sucht ihr persönliches Endlager #tvduell<br />
21:02:07 #tvduell bereue gerade meine entscheidung gegen die #simpsons<br />
21:02:07 RT @wiespaet: Es ist Sonntag, der 13.09.2009, 21:00 Uhr #tvduell<br />
21:02:08 Atommerkel Brückenenrgie ins nächste Jahrtausend #00 #duell09<br />
21:02:08 Für Atomenergie, gegen Mindestlöhne. Das ist Angela Merkel. #tvduell #cdu-<br />
21:02:09 Pizza-Essen ist spannender! #btw09 #tvduell<br />
21:02:09 AKWs sind doch keine Brücken noch irgendwie sicher Frau Merkel #tvduell<br />
21:02:10 Merkel: Lokale Mindestlöhne. Aber: ist das praktikabel #duell09 Was denkt ihr<br />
21:02:10 Merkel: Atomkraft als Brückentechnologie ok Ja spinnt die denn #tvduell<br />
21:02:10 vaguerasAKW´s wirtschaftlich #rofl #lol #tvduell #merkel 1<br />
21:02:10 RT @SPIEGEL_live: Bildnachteil für Merkel - die Kamera zeigt sie häufig etwas missmutig http://spiegel.de/kanzlerduell #tvduell #duell09<br />
21:02:11 Merkel eröffnete Kanzlerduell mit einer Grimasse. #TV #Skandal #Kanzlerduell #TVDuell 1<br />
21:02:11 ich mach mal den abwasch #tvduell<br />
21:02:11 merkel schafft es drei lügen in einen satz zu packen #atomausstieg #tvduell<br />
21:02:12 Haben die Moderatoren eigentlich auch ne Rede-Zeit-Uhr #TVDuell<br />
21:02:12 ein bisschen süß sind Steinmeier und Merkel ja schon #TVDuell #Wahl-Frieden statt #Wahl-kampf 1<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
120
Selbstständigkeitserklärung<br />
Selbstständigkeitserklärung<br />
Hiermit versichere ich,<br />
Isabelle Sonnenfeld, geboren am 18. Januar 1985,<br />
dass ich die vorliegende Masterarbeit mit dem Thema:<br />
„Twitter und das Kanzlerduell 2009 - Ereignisorientierte Echtzeitkommunikation als neue<br />
Form der politischen Versammlung“<br />
selbstständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel<br />
benutzt, sowie Zitate kenntlich gemacht habe.<br />
Duisburg, 22. Dezember 2010<br />
Isabelle Sonnenfeld<br />
121