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Erfahrungsaustausch Soziale Stadt – Regionalkonferenz vom 26 ...

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<strong>Erfahrungsaustausch</strong> <strong>Soziale</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>–</strong> <strong>Regionalkonferenz</strong> <strong>vom</strong> <strong>26</strong>. Juni 2003<br />

Die Bedeutung des öffentlichen Raums für unsere Städte<br />

Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum<br />

Veranstaltungsort:<br />

Spiesen-Elversberg, Rathaus<br />

Referenten/Organisation:<br />

Herr Bürgermeister Karl-Friedrich Kausch<br />

Herr Müller-Zick, MfU<br />

Herr Ulrich Berding, Lehrstuhl für Planungstheorie -<br />

und <strong>Stadt</strong>planung der RWTH Aachen<br />

Herr Fred Kreutz, Ministerium für Inneres und Sport<br />

des Saarlandes, Referat D 7<br />

Herr Dr. Schreiber, ISOPLAN GmbH<br />

Herr Dipl.-Ing. Rheinheimer, Architekt<br />

Herr Vogt, GIU (Moderation)<br />

Tagesordnung:<br />

1. Begrüßung durch Bürgermeister Karl-Friedrich Kausch<br />

2. Informationen des MfU<br />

3. Informationen der GIU<br />

4. Ulrich Berding: „Was ist los im öffentlichen Raum“<br />

5. Herr Fred Kreutz: Städtebauliche Prävention - Kriminologische Aspekte<br />

6. Herr Dr. Karsten Schreiber: Vorstellung des Projektgebietes Spiesen<br />

7. Vorstellung der Baumaßnahme Festplatz und Rundgang<br />

3.41/Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

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P:\Projekte_Beratung\Saarl_Erfaustausch_Soz<strong>Stadt</strong>_3255\Praesentation\Veranstaltungen\<strong>Regionalkonferenz</strong>en_Themenworks<br />

hops_Exkursionen_ <strong>Stadt</strong>teilmanagerforen\2002-2003\<strong>26</strong>0603_Regional\Dokumentation\Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

1. Begrüßung durch Bürgermeister Karl-Friedrich Kausch<br />

Der Bürgermeister der Gemeinde Spiesen-Elversberg, Karl-Friedrich Kausch, begrüßt<br />

die anwesenden Teilnehmer und wünscht der Veranstaltung einen guten und<br />

erfolgreichen Verlauf.<br />

2. Informationen des MfU<br />

Das MfU kündigt an, dass die Programm-Mittel der <strong>Soziale</strong>n <strong>Stadt</strong> aller Voraussicht<br />

nach in der zugesagten Größenordnung bewilligt werden können. Die Zuwendungsbescheide<br />

werden den Kommunen voraussichtlich im September diesen Jahres zugehen.<br />

Derzeit läuft die Zwischenbewertung des Bund-Länder-Programms. Eine Fertigstellung<br />

der Bewertung ist für Ende 2003 zu erwarten. Als Folge der Bewertung kann es<br />

sein, dass einzelne Gemeinden aus dem Programm <strong>Soziale</strong> <strong>Stadt</strong> ausscheiden werden,<br />

sofern die Ergebnisse der Bewertung dies nahelegen.<br />

In der Richtlinie der Wohnungsmodernisierungsförderung für 2003 des Saarländischen<br />

Finanzministeriums wird erstmals ausdrücklich den Projektgebieten der <strong>Soziale</strong>n<br />

<strong>Stadt</strong> Vorrang eingeräumt. Für diese Bereiche entfällt gemäß des Leitfadens<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Stadt</strong> als Teil der Verwaltungsvereinbarung zum Bund-Länder-Programm<br />

auch die Belegungsbindung wie bisher an eine Förderung im Rahmen der Wohnungsmodernisierung<br />

geknüpft dar.<br />

3. Informationen der GIU<br />

Das Nauwieser Viertel in Saarbrücken wird aus dem Programm <strong>Soziale</strong> <strong>Stadt</strong> herausgenommen.<br />

In Saarbrücken kommt dafür das <strong>Stadt</strong>teil Burbach in das Programm<br />

hinein. Daraus ergibt sich, dass Herr Ulrich Heimann bisher Mitglied der Lenkungsrunde<br />

zum <strong>Erfahrungsaustausch</strong> <strong>Soziale</strong> <strong>Stadt</strong> dieser zukünftig nicht mehr angehören<br />

wird. Für ihn wird Frau Erika Mühlen zukünftig in der Lenkungsrunde mitarbeiten.<br />

Auf der nächsten <strong>Regionalkonferenz</strong> im September soll über eine mögliche<br />

Neuwahl der gesamten Lenkungsrunde entschieden werden.<br />

Die GIU hat die Förderfibel zum Bund-Länder-Programm <strong>Soziale</strong> <strong>Stadt</strong> fertiggestellt.<br />

Sie wird den Anwesenden als Heft ausgehändigt und kann bei der GIU bei Bedarf<br />

schriftlich bestellt werden. Darüber hinaus steht sie allen Interessierten als Datei im<br />

pdf-Format auf den Internet-Seiten www.soziale-stadt-saar.de zur Verfügung. Die<br />

GIU bittet alle Benutzer der Förderfibel um Rückmeldungen zur Verbesserungsvorschlägen<br />

oder möglichen Korrekturen, da für den Herbst/Winter eine Überarbeitung<br />

und Aktualisierung geplant ist.<br />

Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

Bi, 15.07.2003 11:05<br />

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hops_Exkursionen_ <strong>Stadt</strong>teilmanagerforen\2002-2003\<strong>26</strong>0603_Regional\Dokumentation\Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

4. Ulrich Berding: „Was ist los im öffentlichen Raum“<br />

Der öffentliche Raum ist wieder zum Thema geworden. Das findet seinen Ausdruck<br />

ebenso in Fachpublikationen wie in politischen Diskussionen, Programmen und<br />

kommunalen Handlungsansätzen. Das Interesse richtet sich dabei sowohl auf die<br />

„traditionellen“ öffentlichen Freiräume (Plätze, Parks, Straßenräume etc.) wie auch<br />

auf „neue“ öffentlich nutzbare Räume (Passagen, Malls etc.).<br />

Dass öffentliche Räume wesentlich unser Bild von den Städten prägen und von großer<br />

Bedeutung für die Lebensqualität einer <strong>Stadt</strong> sind, ist eine altbekannte Tatsache.<br />

Denn hier begegnen sich die Bewohnerinnen und Bewohner, hier findet öffentliches<br />

Leben (auch) statt und hier treffen die unterschiedlichsten Nutzungsanforderungen <strong>–</strong><br />

von Verkehr, Konsum und Unterhaltung bis zur Erholung und dem Aufenthalt an der<br />

„frischen Luft“ <strong>–</strong> durchaus nicht konfliktfrei aufeinander. Entsprechend vielfältig waren<br />

und sind auch die Problemwahrnehmungen und die Bemühungen um öffentliche<br />

Räume.<br />

Vor diesem Hintergrund entstand das Vorstudie zum ExWoSt-Forschungsfeld „Öffentlicher<br />

Raum“. Mit ihr sollten<br />

• Situationsanalysen und Problemwahrnehmungen zusammengetragen,<br />

• Handlungsbedarf aus der Sicht der Praxis umrissen,<br />

• bislang vorliegende Handlungsansätze in den Kommunen dargestellt und<br />

• Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten von Bundesseite aufgezeigt werden.<br />

Zu diesem Zweck wurden im Bearbeitungszeitraum von Ende 2000 bis Mitte 2002<br />

• eine Auswertung von neuerer Literatur und Fachbeiträgen zum Thema,<br />

• Befragungen in Planungs- und Grünflächenämtern von sechzehn Kommunen,<br />

• vertiefende Fallstudien in fünf Gemeinden,<br />

• Interviews mit Fachleuten für bestimmte Aspekte des Themas (Investoren, Polizei,<br />

Pastoren etc.) sowie<br />

• zwei Expertenhearings (mit jeweils etwa 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />

aus Forschung und Praxis) durchgeführt.<br />

Es handelte sich also um eine typische „explorative“ Studie, mit der zunächst ein<br />

Forschungs- und Handlungsfeld soweit strukturiert wird, dass Sinnhaftigkeit und<br />

Machbarkeit weiterer forschender Bemühungen erkennbar sowie nächste Schritte<br />

zielgenau planbar werden.<br />

Zentrale Ergebnisse<br />

Aus der Vielfalt von Befunden und Beobachtungen, die im Schlussbericht ausführlich<br />

dargestellt werden, sollen hier thesenhaft verkürzt einige zentrale Ergebnisse hervorgehoben<br />

werden:<br />

Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

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Bedeutung der öffentlichen Räume<br />

Öffentliche Räume sind ein, wenn nicht das zentrale Handlungsfeld des Städtebaus<br />

und diese Bedeutung wird zunehmend (wieder) erkannt.<br />

Literatur, Experten und Fachleute vor Ort bestätigen unisono die Bedeutung öffentlicher<br />

Räume <strong>–</strong> für die Städte und als zentrales Handlungsfeld des Städtebaus.<br />

Hervorgehoben werden im Rahmen unserer Interviews vor allem zwei Funktionen<br />

öffentlicher Räume: Kommunikation und Begegnung stehen unstrittig im Mittelpunkt,<br />

ergänzt durch Hinweise auf den den Lagewert mitbestimmenden Faktor, auf den insbesondere<br />

Wirtschaftsvertreter hinweisen.<br />

Zu berücksichtigen ist, dass außerhalb von Expertenkreisen zwar mit den vielfältigen<br />

Erscheinungsformen des Gegenstandes öffentlicher Raum umgegangen wird <strong>–</strong> allerdings<br />

ohne dass die Bezeichnung „öffentlicher Raum“ Verwendung findet oder<br />

auch nur Klarheit darüber besteht, was genau sich dahinter verbirgt. Für die Vermittlung<br />

des Themas in Öffentlichkeit und Politik muss also mit griffigeren Benennungen<br />

und Hinweisen auf konkrete Aufgaben gearbeitet werden.<br />

Handlungsbedarf vor Ort<br />

Es besteht Handlungsbedarf, denn Nutzung und Funktion öffentlicher Räume verändern<br />

sich auf vielfältige, z. T. krisenhafte Weise.<br />

Praktiker berichten <strong>vom</strong> „guten“ und zugleich „problematischen“ oder „unbefriedigenden“<br />

Zustand öffentlicher Räume innerhalb einer <strong>Stadt</strong>. Das verweist auf ungleichzeitige,<br />

gegenläufige Entwicklungen und eine deutliche Inselbildung (mit positiven<br />

Werten zumeist in den Citys und repräsentativen Parkanlagen). Die überall beklagte<br />

schwierige kommunale Haushaltslage führt also auch im Umgang mit den öffentlichen<br />

Räumen zu Prioritätensetzungen und Vernachlässigungen.<br />

Die These von der nachlassenden Nutzung und damit der fortschreitenden Funktionsentleerung<br />

der öffentlichen Räume wird von den Experten vor Ort nicht geteilt. Im<br />

Gegenteil, es wird allenthalben von einer Zunahme der Nutzung und neuen gesellschaftlichen<br />

Ausdrucksformen in den öffentlichen Räumen gesprochen. In diesem<br />

Zusammenhang wird jedoch der Bedarf gesehen, mehr über neue Ansprüche in Erfahrung<br />

zu bringen, um vor diesem Hintergrund neue Wege des Umgangs mit den<br />

öffentlichen Räumen zu finden bzw. zu entwickeln.<br />

Die befragten Experten berichten von einer Zunahme des Unsicherheitsgefühls in<br />

öffentlichen Räumen, das aber stark nach Räumen zu differenzieren ist und das vor<br />

allem von älteren Menschen so empfunden wird. Die Ursachen für die wachsende<br />

subjektive Unsicherheit sind vielfältig: Medienberichte, abweichendes Verhalten marginalisierter<br />

Bevölkerungsgruppen, Verschmutzungen und Spuren von Vandalismus<br />

schüren bei vielen Menschen Ängste. Dies alles steht aber im deutlichen Kontrast zur<br />

objektiven Sicherheitslage in den öffentlichen Räumen, denn eine Zunahme der die<br />

Zahl der Straftaten ist in den letzten Jahren nicht zu verzeichnen. Hier sehen die Befragten<br />

aber sowohl weiteren Informationsbedarf als auch Handlungserfordernisse<br />

abseits neuer Formen der Überwachung und Kontrolle.<br />

Eine der Ausgangsthesen des Forschungsvorhabens war, dass durch zunehmende<br />

Privatisierung die öffentlichen Räume in ihrer sozialen Funktion gefährdet seien. Versteht<br />

man unter „Privatisierung“ die Übernahme öffentlicher Flächen in private Regie,<br />

so wurde dies im Rahmen unserer Untersuchung von den Gesprächspartnern nicht<br />

als Problem benannt. Hingegen wurde durchweg ein Spannungsverhältnis zwischen<br />

Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

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den überall beschriebenen Kommerzialisierungstendenzen und den sozialen Nutzungsanforderungen<br />

beobachtet. In diesem Feld werden Regelungsbedarfe aber<br />

auch -Möglichkeiten gesehen.<br />

Handlungsansätze<br />

In der kommunalen Praxis wurde und wird ein breites Spektrum von Handlungsansätzen<br />

entwickelt, das von Konzepten für einzelne problematische Räume bis hin zu<br />

übergreifenden Strategien reicht.<br />

Ein Schwerpunkt kommunaler Aktivitäten liegt auf den Innenstädten. Aber auch die<br />

Notwendigkeit, etwas für die <strong>Stadt</strong>teile tun zu müssen, wird in Programmen umgesetzt.<br />

Ebenso erfahren die öffentlichen Räume als Teile systemischer und integrierter<br />

gesamtstädtischer Konzepte verstärkte Aufmerksamkeit. Insgesamt zeigt sich, dass<br />

öffentliche Räume nicht auf einzelne Stereotype („Quartiers-Platz“, „Markt“, „Park“<br />

etc.) reduziert werden können, sondern ein komplexes Funktions- und Raumsystem<br />

sind, das sich in dynamischem Wandel befindet <strong>–</strong> und als solches der Gestaltung<br />

bedarf.<br />

Für die Weiterentwicklung der Praxis ist außerdem von großem Interesse, mehr über<br />

Handlungsansätze in Erfahrung zu bringen, die sich diesem Wandel stellen.<br />

Die bestehenden Handlungsansätze bedürfen der Unterstützung, der (wissenschaftlichen)<br />

Förderung und der Verbreitung, zumal die kommunalpolitische Wahrnehmung<br />

des Themas noch nicht ausreichend entwickelt ist. Dazu bedarf es nach Auffassung<br />

der Gesprächspartner eines „Marketings für die öffentlichen Räume“, wobei mit den<br />

öffentlichen Räumen dann auch ein Beitrag für das <strong>Stadt</strong>marketing geleistet werden<br />

kann.<br />

Daneben ist die Koordination innerhalb der Verwaltung zu verbessern. Dies kann auf<br />

unterschiedliche Weise <strong>–</strong> z. B. durch eine Querschnittszuständigkeit für die öffentlichen<br />

Räume <strong>–</strong> erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist, ausreichende Ressourcen<br />

zuzuteilen bzw. die Effizienzsteigerung des Mitteleinsatzes für die Handlungsstrategien.<br />

Die in diesem Zusammenhang als sinnvoll und notwendig bezeichneten Partnerschaften<br />

mit Privaten bergen allerdings das Problem der Selektivität: hier werden<br />

durch Aktivitäten Privater knappe öffentliche Mittel gebunden.<br />

Durchweg Einigkeit besteht hinsichtlich der Frage, dass Maßnahmen in öffentlichen<br />

Räumen intensiver öffentlicher Vermittlung bedürfen. Dabei wird darauf hingewiesen,<br />

dass neben lokalen Interessen auch übergeordnete Belange in die Erörterungen einfließen<br />

müssen.<br />

Mehr Wissen<br />

Belastbare empirische Daten über die Entwicklungen in öffentlichen Räumen fehlen<br />

fast vollständig.<br />

Schon die aktuellen Nutzungsanforderungen unterschiedlicher Gruppen <strong>–</strong> z. B. von<br />

Jugendlichen oder Migranten <strong>–</strong> an die öffentlichen Räume sind kaum bekannt. Noch<br />

weniger Kenntnisse bestehen in Bezug auf mittelfristige Nutzungstrends um anstehende<br />

Aufgaben zukunftsfähig anzugehen. Ebenfalls wenig Klarheit herrscht bezüglich<br />

der tatsächlichen Überlagerungen von Nutzungs- und Verfügungsrechten und<br />

deren Regulierung in öffentlich nutzbaren Räumen und welche Auswirkungen aktu-<br />

Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

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elle Trends diesbezüglich haben. Zugleich deutet sich an, dass aktuelle Problemwahrnehmungen<br />

(etwa die These von der „Privatisierung öffentlicher Räume“) dringend<br />

der Differenzierung bedürfen.<br />

5. Herr Fred Kreutz: Städtebauliche Prävention - Kriminologische<br />

Aspekte<br />

1. Einführung<br />

Für die Erklärung der überproportional hohen Kriminalitätsbelastung von städtischen<br />

Gebieten wird aus kriminologische Sicht seit langem auch der Wohnumwelt Bedeutung<br />

im Sinne eines Bedingungsfaktors für Kriminalität beigemessen.<br />

Raumstruktur, Städtebau und Architektur können in dreifacher Hinsicht von Belang<br />

sein:<br />

- Sie können Sozialisationsbedingungen zusätzlich dahingehend beeinflussen,<br />

dass diese abweichendes Verhalten begünstigen (also zur „Entstehung von<br />

Straftätern“ beitragen),<br />

- sie können spezifische Gelegenheitsstrukturen schaffen, die die Begehung<br />

von Straftaten ermöglichen oder erleichtern (also zur „Entstehung von Straftaten“<br />

beitragen) und<br />

- sie können Bedingungen schaffen, die <strong>–</strong> unter Umständen völlig unabhängig<br />

von der objektiven Gefahrenlage <strong>–</strong> bei der Bevölkerung oder einzelnen Gruppen<br />

der Bevölkerung Unsicherheit hervorrufen (also zur „Entstehung von Kriminalitätsfurcht“<br />

beitragen).<br />

In polizeilicher Hinsicht können Aspekte der Wohnumwelt damit für die Primäre Prävention<br />

(Bekämpfung der „Kriminalitätsursachen“), für die Sekundäre Prävention<br />

(Beeinflussung der Tatgelegenheitsstrukturen) und für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung<br />

Bedeutung erlangen.<br />

2. Wohnumfeld, Kriminalität und Prävention<br />

2.1 Primäre Prävention<br />

Die empirische Befundlage zu den Auswirkungen der Wohnumwelt als Bedingungsfaktor<br />

für abweichendes Verhalten ist keineswegs gesichert, teilweise sogar widersprüchlich.<br />

Obwohl z. B. Hochhaussiedlungen („Betonsilos“), Trabantenstädte und<br />

Plattenbausiedlungen häufig als kriminalitätsträchtig angesehen werden und dies<br />

auch der polizeilichen Alltagserfahrung entsprechen mag, finden sich bei Untersuchungen<br />

hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Anzahl der Stockwerke, der<br />

Belegungsdichte usw. und Kriminalität durchaus widersprüchliche Ergebnisse. Dies<br />

ist freilich in erster Linie auch ein Forschungsproblem, da sich der Wirkfaktor Wohnumwelt<br />

kaum aus dem Bedingungsgeflecht anderer Einflussfaktoren herauslösen<br />

und isoliert messen lässt.<br />

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Gleichwohl dürfte in der Kriminologie ein Grundkonsens bestehen, dass der Wohnumwelt<br />

insoweit grundsätzlich Bedeutung zukommt, ungeklärt sind freilich die spezifischen<br />

Aspekte und Zusammenhänge (also was konkret unter welchen Umständen<br />

wir wirkt).<br />

Dabei kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf die Bausubstanz bzw. das<br />

Baumaterial („Betonsilo“) an, auch wenn diese sich über das subjektive Wohlbefinden<br />

mittelbar auf andere Aspekte auswirken mögen, von Bedeutung sind vielmehr<br />

die durch bestimmte städtebauliche und architektonische Maßnahmen hervorgerufen<br />

oder begünstigten sozialen Gegebenheiten.<br />

Mögliche Bedingungszusammenhänge zwischen Hochhausarchitektur und Kriminalität<br />

im Sinne einer Begünstigung von abweichendem Verhalten und des Straffälligwerdens<br />

(insbesondere bei Kindern und Jugendlichen) könnten beispielsweise sein:<br />

‣ ungünstige Sozialstruktur, u.a. durch Konzentration sozial benachteiligter, kinderreicher<br />

Familien<br />

‣ hoher Anteil von Kindern und Jugendlichen<br />

‣ hohe Belegungsdichte (keine Rückzugsmöglichkeiten, „Overcrowding“)<br />

‣ unzureichende nichtkommerzielle Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, insbesondere<br />

für ältere Kinder und Jugendliche<br />

‣ Mangel an Orientierungs- und Identifikationsmöglichkeiten durch unpersönliche,<br />

monofunktional gestaltete Wohnumwelt<br />

‣ Anonymität und Kommunikationszerfall<br />

‣ hohe Fluktuation mit sozial destabilisierender Wirkung<br />

‣ mangelhafte soziale Kontrolle<br />

‣ erhöhte Anzeigebereitschaft<br />

‣ usw.<br />

Städtebaulich orientierte Präventionsmaßnahmen im Sinne der Primären Prävention<br />

müssten sich demzufolge zum Beispiel auf folgende Aspekte ausrichten:<br />

‣ Schaffung sozialisationsgeeigneten Wohnraums (einschließlich der Beeinflussung<br />

des Wohnverhaltens)<br />

‣ kinder- und jugendfreundliche Gestaltung des unmittelbaren Wohnumfeldes<br />

(z. B. Wohnstraßen, Spiel-, Bolzplätze, Treffpunkte für Jugendliche)<br />

‣ rechtzeitige Planung und Realisierung jugendbezogener sozialstruktureller<br />

Infrastruktureinrichtungen (z. B. „unkontrollierte“, von Wohngebäuden räumlich<br />

abgesetzte Spielzonen/Treffpunkte)<br />

‣ aktive Beteiligung der Mieter an baulichen und gestalterischen Veränderungen<br />

der Wohnanlage durch den Vermieter/des Wohnumfeldes durch die Gemeinde<br />

‣ (nicht dirigistische) Belegungssteuerung im Sinne der Schaffung kleiner „Communities<br />

of Interest“ innerhalb einer baulich und sozial durchmischten erweiterten<br />

Nachbarschaft<br />

‣ sozial-kulturelle Aufbauarbeit (Animation) in Neubausiedlungen (auch durch<br />

die Bewohner selbst)<br />

‣ Erleichterung des aktiven Kontaktes durch Baugestaltung (z. B. durch verkehrsberuhigte<br />

Zonen)<br />

‣ Planung von Erlebniszonen durch bauliche Nutzungsmischung in Wohnsiedlungen<br />

und von unterschiedlichen Wohnformen in den einzelnen Wohngebieten<br />

Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

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‣ Revitalisierung der Innenstädte, u.a. durch Förderung des sogenannten <strong>Stadt</strong>haus-Modells<br />

(Schließen von Baulücken im innerstädtischen Bereich mit kleineren<br />

Wohngebäuden)<br />

‣ Verbesserung der Wohnqualität in sanierungsbedürftigen Gebieten bei gleichzeitiger<br />

Verhinderung großflächiger Luxus-Sanierung von <strong>Stadt</strong>gebieten mit<br />

gewachsener Mischbevölkerung<br />

‣ Sanierung von Problemgebieten mit sozial auffälliger Bevölkerung, gegebenenfalls<br />

auch räumlich gestreute Unterbringung solcher Personen in „normalen“<br />

Wohngebieten<br />

‣ Vermeidung zusammenhängender Wohnareale für Subkulturen (Ghettoisierung);<br />

Förderung von „Alternativmodellen“, wenn durch kaum steuerbaren Zuzug<br />

von Multiproblemgruppen die Gefahr besteht, dass alteingesessene Bevölkerungsteile<br />

abwandern<br />

‣ auch im Hinblick auf die Freizeitgestaltung sinnvolle Verkehrsanbindung<br />

(ÖPNV, Nacht-Taxis usw.) von Neubaugebieten an die üblichen Freizeiteinrichtungen<br />

außerhalb des eigenen Wohngebietes<br />

‣ usw.<br />

Die Auflistung verdeutlicht, dass die Wohnumwelt in Form von baulichen Gegebenheiten<br />

im Grunde den äußeren Rahmen für soziale Zustände und Entwicklungen angibt,<br />

die auch aus sozialpolitischer Sicht als nicht erstrebenswert angesehen werden.<br />

Sie ist insoweit beredter Ausdruck der Aussage Franz von Liszts, wonach eine gute<br />

Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik sei.<br />

2.2 Sekundäre Prävention<br />

Im Hinblick auf die Reduzierung von Tatgelegenheitsstrukturen und Tatanreizen im<br />

Rahmen der Sekundären Prävention kamen die <strong>–</strong> vergleichsweise wenigen - empirischen<br />

Untersuchungen ebenfalls zu keinen einhelligen Ergebnissen. Die entsprechenden<br />

Überlegungen gehen überwiegend zurück auf die Studien von Oscar Newman.<br />

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass sich die bevorzugten Tatorte in Wohnanlagen<br />

vor allem in nicht einsehbaren, unüberschaubaren, anonymen Bereichen<br />

und Ecken befinden, für die sich niemand zuständig fühlt und an denen demzufolge<br />

keine informelle soziale Kontrolle stattfindet. Er plädierte für die Schaffung eines „defensible<br />

space“ (verteidigungsfähiger Raum). Die physische Wohnumwelt soll so beschaffen<br />

sein, dass sie es den Bewohnern erlaubt, Funktionsträger der eigenen Sicherheit<br />

zu sein. Kernpunkt dieses Ansatzes ist die Überlegung, dass der Verteidigungsraum<br />

nicht erst an der Wohnungstür anfangen darf, sondern vorverlagert werden<br />

muss: Er unterscheidet dabei private (z. B. Wohnung), halbprivate (z. B. gemeinsamer,<br />

nach außen abgeschlossener Korridor für einige Wohnungen), halböffentliche<br />

(z. B. Vorplatz, gemeinsamer Parkplatz für die Bewohner und Besucher)<br />

und öffentliche Zonen, denen jeweils unterschiedliche Verantwortlichkeiten und unterschiedliche<br />

Kontrollintensität entspricht. (z. B. die Vorverlagerung der Verantwortlichkeit<br />

und der Kontrollintensität in den öffentlichen Straßenraum im Rahmen einer<br />

Kehrwoche!). Nicht zuletzt durch die physische und symbolische Demonstration von<br />

Territorialitätsansprüchen der Bewohner, von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten<br />

sollen potenzielle Täter von der Tatbegehung abgeschreckt werden (also <strong>vom</strong><br />

Grundgedanken her durchaus vergleichbar mit den Überlegungen der „broken windows“-Theorie).<br />

Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

Bi, 15.07.2003 11:05<br />

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Auch wenn man berücksichtigt, dass die Wirkung solcher Maßnahmen kaum messbar<br />

sein dürfte, von vornherein nur bestimmte Täter abgeschreckt werden dürften,<br />

nur bestimmte Deliktsarten insoweit präventabel sind und möglicherweise auch mit<br />

einem Verdrängungseffekt gerechnet werden muss, erscheint es sinnvoll, neben herkömmlichen<br />

technischen Präventionsmaßnahmen, wie sie die Kriminalpolizeilichen<br />

Beratungsstellen seit langem empfehlen, auch auf solche Aspekte zu achten.<br />

Im Anschluss an die Überlegungen des „defensible space“ könnten beim Bau von<br />

Wohnanlagen (die Grundgedanken sollten aber durchaus auch bei Ein- oder Zweifamilienhäusern<br />

berücksichtigt werden) zum Beispiel folgende Maßnahmen im Sinne<br />

der Sekundären Prävention von Bedeutung sein.<br />

‣ Funktionsmischung von Gebieten: Wohnen im Geschäftsviertel <strong>–</strong> Läden, Gewerbe-<br />

und Freizeiteinrichtungen in Wohngebieten<br />

‣ Verzicht auf Hochhausbau zugunsten überschaubarer Mehrfamilienhäuser<br />

oder<br />

‣ Schaffung kleinerer, überschaubarer Wohneinheiten (auch in Großwohnanlagen)<br />

mit wenigen Wohnungen pro Hauseingang/Wohnflur/Lift<br />

‣ Maßnahmen zur Belebung von Nachbarschaften und Identifikationsmöglichkeiten<br />

der Bewohner<br />

‣ Belebung wenig genutzter Bereiche durch Maßnahmen zur Gestaltung durch<br />

die Bewohner, Erhöhung der Attraktivität und dem Angebot für vielfältige Nutzungsmöglichkeiten<br />

‣ eindeutige Zuordnung von Flächen und Gebäudeteilen (Verantwortlichkeit,<br />

Zuständigkeit) sowie bauliche Demonstration von Territorialitätsansprüchen<br />

(öffentlicher Raum, halböffentlicher Bereich, halbprivater Bereich, Privatbereich)<br />

durch reale (Mauern, geschlossene Türen) und symbolische (Bepflanzung,<br />

farbliche Gestaltung, unterschiedliche Bepflasterung) Barrieren zur<br />

Kennzeichnung dieser Bereiche<br />

‣ Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen, die die territoriale Haltung der<br />

Bewohner verstärken (Spielplätze, Trockenplätze, Sitzgelegenheiten usw.)<br />

‣ Einsehbarkeit und Überschaubarkeit von Eingängen, Fluren, Parkplätzen und<br />

Tiefgaragen, Spielplätzen, Gemeinschaftseinrichtungen und Wegen; Gruppierung<br />

baulicher Anlagen so zueinander, dass Eingangsbereiche und Umfeld<br />

von den (Küchen-/Wohnzimmer-) Fenstern anderer Gebäude aus bzw. von<br />

der Straße aus einsehbar sind; Vermeidung verdeckter Zugänge, toter Winkel<br />

und Ecken sowie unüberschaubarer Durchgänge; notfalls Kameraüberwachung;<br />

auch im Kellerbereich kleine, überschaubare Einheiten mit wenigen,<br />

nicht einsehbaren (keine Lattenverschläge) Keller- und Abstellräumen; im Außenbereich<br />

keine Sichtbehinderung bzw. Versteckmöglichkeiten durch Büsche<br />

usw.<br />

‣ ausreichende Beleuchtung im Gebäude (ggf. Dauerbeleuchtung) und im Umfeld<br />

(Dämmerschalter)<br />

‣ ansprechende, wohnliche Gestaltung des Eingangsbereichs („Foyer“); <strong>vom</strong><br />

Hausmeisterzimmer aus einsehbarer Postraum mit großen Briefkästen zur Ablage<br />

von Paketen, Einkaufs- und Schultaschen; übersichtliches Klingeltableau<br />

(mit Symbolen für Kinder); Fahrstuhl mit niedrig angebrachten Knöpfen (mit<br />

Symbolen für Kinder)<br />

‣ im öffentlichen, halböffentlichen und halbprivaten Bereich Verwendung widerstandsfähiger,<br />

aber dennoch ansprechender Materialien<br />

Vermerk_<strong>26</strong>0603.doc<br />

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‣ Verwendung einbruchshemmender Materialien und sonstige Maßnahmen der<br />

technischen Prävention<br />

‣ laufende Instandhaltung und Pflege von Anlagen und Einrichtungen; sofortige<br />

Reparatur von Beschädigungen, sofortige Beseitigung von Beschmutzungen,<br />

Schmierereien usw.<br />

2.3 Sicherheitsgefühl<br />

Selbst wenn sich die Wirkung solcher Maßnahmen hinsichtlich einer Reduzierung<br />

von Straftaten letztlich kaum messen lässt, dürften sie für das subjektive Sicherheitsgefühl<br />

der Bürgerinnen und Bürger von erheblicher Bedeutung sein. Öffentliche<br />

Sicherheit zählt zu den Grundbedürfnissen und ist für das Wohlbefinden der Bürgerinnen<br />

und Bürger von großer Bedeutung. Ausschlaggebend ist dabei nicht allein die<br />

faktische Kriminalitätsbelastung <strong>–</strong> als objektives Risiko, Opfer eines Verbrechens zu<br />

werden, sondern vor allem auch das subjektive Sicherheitsempfinden.<br />

Die „gefühlte Sicherheit“ unter der Bewohnerschaft spielt daher zunehmend als Kriterium<br />

eine Rolle, an dem sich politische Programme und praktische Maßnahmen auf<br />

der kommunalen Ebene <strong>–</strong> etwa die Gestaltung öffentlicher Erneuerung einer Siedlung<br />

<strong>–</strong> orientieren. In die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der öffentlichen<br />

Sicherheit gehen als Faktoren mit ein: die persönliche Betroffenheit, die Berichterstattung<br />

der Medien über Ereignisse in der städtischen Öffentlichkeit, Unterschiede in<br />

den Sicherheitsansprüchen verschiedener Bevölkerungsgruppen und im Toleranzniveau<br />

gegenüber abweichendem Verhalten sowie Unterschiede in der Ängstlichkeit<br />

und im Selbstvertrauen, sich selbst schützen und Risiken vorbeugen zu können.<br />

Umfragen zeigen, wie die öffentliche Sicherheit in der Bevölkerung subjektiv wahrgenommen<br />

und bewertet wird. Sie genießt in den Augen der Bürger eine hohe Priorität.<br />

In Westdeutschland steht der Schutz vor Kriminalität an vierter Stelle in der<br />

Rangfolge der Wichtigkeit von Lebensbereichen, noch vor der Arbeit und dem Einkommen.<br />

58% der Westdeutschen betrachten den Schutz vor Kriminalität als „sehr<br />

wichtig“. Zugleich ist die Zufriedenheit mit der öffentlichen Sicherheit nicht stark ausgeprägt.<br />

In Westdeutschland belegt die öffentliche Sicherheit in der Rangfolge der<br />

Zufriedenheiten mit einzelnen Lebensbereichen den drittletzten Platz. Die geringe<br />

Zufriedenheit mit der öffentlichen Sicherheit bringt zum Ausdruck, wie die aktuelle<br />

Situation vor dem Hintergrund individueller Ansprüche und Wertorientieren beurteilt<br />

wird.<br />

Ein anderer Indikator bildet die Erwartung ab, persönlich Opfer kriminellen Verhaltens<br />

zu werden („Viktimisierungserwartung“). Unter der westdeutschen Bevölkerung hielten<br />

rund 44% für sehr wahrscheinlich oder für wahrscheinlich, dass sie innerhalb der<br />

nächsten Monate angepöbelt oder bedroht, bestohlen, geschlagen oder verletzt, ü-<br />

berfallen, beraubt oder Opfer eines Einbruchs werden.<br />

Subjektiv empfundene Unsicherheit bezieht sich häufig auf das unmittelbare Lebensumfeld.<br />

In einer aktuellen repräsentativen Umfrage erklärten fast ein Viertel der<br />

Befragten, dass sie sich nachts auf den Straßen der eigenen Wohngegend nicht sicher<br />

fühlen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass den Bürgerinnen und<br />

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Bürgern vor allem das tägliche Erleben von Verwahrlosung, Vandalismus und Zerstörung<br />

in ihrem Wohnquartier Angst macht.<br />

Betroffene Gruppen und Orte<br />

Das Sicherheitsempfinden ist bei einzelnen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich<br />

ausgeprägt. Frauen ist im Allgemeinen der Schutz vor Kriminalität wichtiger als Männern<br />

und älteren Menschen wichtiger als Jüngeren. Auch die Angst, Opfer kriminellen<br />

Verhaltens zu werden, ist bei Frauen höher als bei Männern. Und oft fühlen sich die<br />

unteren und oberen Altersgruppen stärker bedroht als die mittleren. Ältere Menschen<br />

schätzen sich z. B. als besonders verletzlich und wenig wehrhaft ein und Frauen haben<br />

eine ausgeprägte Angst vor der Traumatisierung durch Sexualdelikte.<br />

Deutliche Unterschiede zeigen sich auch auf der Ebene der Siedlungsstruktur: In den<br />

alten Bundesländern findet sich ein eindeutiger Zusammenhang mit der Gemeindegröße,<br />

weil die Empfindung von Unsicherheit mit zunehmender Größe des<br />

Wohnorts wächst. In der Regel wird die Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden, in kleineren<br />

Gemeinden geringer eingeschätzt als in Städten. Vor allem in Großstädten<br />

leben ein Viertel bis ein Drittel der Einwohnerschaft mit dieser Furcht. Die Verschiedenartigkeit<br />

der Bevölkerungsgruppen in der Nachbarschaft führt in den Städten zu<br />

Konflikten und zu einem geringeren sozialen Zusammenhalt. Besonders betroffen<br />

sind bestimmte Wohnformen: Denn Mieter in größeren Mietwohnanlagen sehen es<br />

als überdurchschnittlich wahrscheinlich an, z. B. Opfer von Körperverletzungsdelikten,<br />

Raubüberfällen und Diebstählen zu werden. Aus nahezu allen Untersuchungen<br />

zur Kriminalitätsfurcht aus den letzten Jahren wissen wir, dass das Sicherheitsgefühl<br />

der Bevölkerung zu einem guten Teil auch an solchen Aspekten anknüpft.<br />

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Erfahrungsberichten über konkrete Maßnahmen<br />

zur Beseitigung von „Angst-Räumen“ und zur Steigerung des Sicherheitsgefühls<br />

der Bevölkerung, insbesondere aber von Frauen in der Öffentlichkeit. Versucht<br />

man die Indikatoren für die dort angegebenen „Angst-Räume“ zu verallgemeinern,<br />

so konzentrieren sie sich im Wesentlichen auf die Wahrnehmung<br />

‣ von Zuständen sozialer Unordnung („incivilities“ i.S. der „broken windows-<br />

Theorie)<br />

‣ des Fehlens situativer formeller, insbesondere aber informeller sozialer Kontrolle<br />

‣ des Fehlens von Alternativen und Wahlmöglichkeiten zur örtlichen Zielerreichung<br />

(z. B. bei Unterführungen, Wegen in Parkanlagen usw.)<br />

‣ mangelnder Überschaubarkeit und Übersichtlichkeit sowie<br />

‣ mangelhafter Beleuchtung<br />

Sensibilität für solche Gegebenheiten und deren Beseitigung im Rahmen der <strong>Stadt</strong>planung<br />

und der Gestaltung des öffentlichen Raumes können sicher nicht die Ursachen<br />

von Kriminalität beseitigen, sie können aber Gelegenheitsstrukturen reduzieren,<br />

indem sie dazu beitragen, dass Menschen sich aufeinander beziehen, das Empfindungen<br />

von Zugehörigkeit und Geborgenheit vermittelt und so der Kriminalität Hindernisse<br />

entgegengesetzt werden. Ganz unabhängig von der objektiven Gefährdungslage<br />

kann auf diese Weise aber vor allem Kriminalitätsfurcht verringert und das<br />

subjektive Sicherheitsgefühl erhöht werden.<br />

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2.4 Was kann der Beitrag der Städte und Gemeinden zur Prävention sein<br />

Zusammenfassung der wesentlichen Gedanken<br />

‣ Es besteht eine vorrangige staatliche Verantwortung für die Kriminalitätsbekämpfung.<br />

In den Städten und Gemeinden ist sie aber auch eine kommunale<br />

Aufgabe, da die Sicherheit für die Lebensqualität der Einwohnerschaft und die<br />

Standortfrage der Wirtschaft wichtig ist.<br />

‣ Im repressiven Bereich können die Städte und Gemeinden lediglich in dem<br />

eng gesteckten Rahmen ihrer Aufgabe als Ordnungsbehörde tätig werden.<br />

‣ Im Bereich der Kriminalprävention kann auf der örtlichen Ebene ein nicht unerhebliches<br />

Potenzial aktiviert werden. Dazu ist es notwendig, die Einwohner,<br />

die gesellschaftlichen Gruppen und die staatlichen Organe in ihren Bemühungen<br />

zu bündeln. Dabei sollten die Städte und Gemeinden eine Moderatorenfunktion<br />

einnehmen. Eine gute Möglichkeit sind kommunale Präventionsräte.<br />

In Deutschland haben sich verschiedene Formen der Zusammenarbeit entwickelt,<br />

um mehr Sicherheit und Ordnung in den Städten und Gemeinden und damit mehr<br />

Lebensqualität für die Menschen zu schaffen. Begriffe wie Runde Tische, Kriminalpräventive<br />

Räte, Sicherheitspartnerschaften, Sicherheitsnetzwerke oder Ordnungspartnerschaften<br />

umschreiben die Vielfalt der möglichen Kooperationsformen. Im<br />

Saarland sind es 17 kriminalpräventive Gremien, die verschiedene Ansätze und Projekte<br />

zur Vorbeugung von Kriminalität auf kommunaler Ebene koordinieren, neue<br />

Projekte anregen und für einen kontinuierlichen Informationsaustausch sorgen. Die<br />

Polizei unterstützt die Gründung von örtlichen und regionalen Präventionsräten.<br />

Der Schlüssel liegt im netzwerkartigen Zusammenwirken von lokalen Akteuren. Auf<br />

freiwilliger Basis werden alle relevanten staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte einbezogen;<br />

angesprochen sind: Bürgerinnen und Bürger, Kommunalpolitikerinnen und<br />

Kommunalpolitiker, städtische Ämter, die Oberstaatsanwaltschaft, die Polizei, die<br />

Gleichstellungsbeauftragte, der Ausländerbeirat, das Ausländerreferat, der <strong>Stadt</strong>jugendring,<br />

die Wohnungswirtschaft, Gemeinschaften des Handels, Handwerksunternehmen,<br />

Gewerbetreibende, Verkehrsunternehmen, Kirchengemeinden,<br />

Kinder- und Jugendeinrichtungen, Schulen, Schülervertretungen und Arbeitsgemeinschaften<br />

der örtlichen Vereine. Ein wichtiger Kooperationspartner sind die Wohnungsunternehmen,<br />

damit vermehrt auch Projekte zur Erhöhung der Sicherheit in<br />

Wohnquartieren durchgeführt werden können.<br />

Sicherheit ist eine kommunalpolitische Querschnittsaufgabe. Unterschiedliche Politikfelder<br />

und Aufgaben der Verwaltung müssen verknüpft werden. Dies macht die<br />

kommunale Kriminalprävention zur „Chefsache“.<br />

Kriminalprävention kostet Geld. Die Kostenfrage darf aber nicht dazu führen, dass<br />

die Städte und Gemeinden trotz des bestehenden Bedarfs untätig bleiben.<br />

3. Schlussbetrachtung<br />

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Die hier beispielhaft aufgeführten kriminalpräventiven Gesichtspunkte werden oftmals<br />

im Widerstreit untereinander und mit anderen Aspekten stehen: Vielen Überlegungen<br />

werden wirtschaftliche Erwägungen entgegenstehen, Abenteuerzonen ohne informelle<br />

Kontrolle können mit dem Sicherheitsgefühl der Anwohner kollidieren, die Überschaubarkeit<br />

der Außenanlagen kann dem Bedürfnis nach Geborgenheit und Intimität<br />

bei der Freizeitgestaltung im häuslichen Garten widersprechen, aus Gründen der<br />

Verkehrssicherheit notwendige Unterführungen können gleichzeitig Angsträume darstellen,<br />

usw..<br />

Hinzu kommt, dass <strong>–</strong> wie so häufig in der Kriminologie und in den Sozialwissenschaften<br />

(und nicht nur dort!) <strong>–</strong> vielfach der empirische Nachweis für die Bedeutsamkeit<br />

der verschiedenen Faktoren letztlich fehlt. Dennoch spricht eine hohe Plausibilität<br />

für ihre Relevanz. Dies muss zunächst genügen, da wir es uns hier wie in anderen<br />

Bereichen nicht leisten können, mit Maßnahmen erst dann zu beginnen, wenn der<br />

letzte wissenschaftliche Nachweis geführt worden ist. Hier gilt es, auch aus polizeilicher<br />

Sicht, Erfahrungen zu sammeln und diese auszutauschen, um so letztlich<br />

einen Erkenntnisgewinn zu erzielen.<br />

Die hier dargelegten Faktoren mögen insoweit Anhaltspunkte für eigene Überlegungen<br />

und konkrete Vorschläge geben, die stets in Kenntnis der örtlichen Kriminalitätslage<br />

(über die nur die Polizei verfügt!) an den Gegebenheiten vor Ort zu entwickeln<br />

sind und keinesfalls allgemeingültig etwa in Form eines „Merkblattes für <strong>Stadt</strong>planer<br />

und Architekten“ festgeschrieben werden können.<br />

Es muss ein zentrales Anliegen der Polizei sein, nicht erst dann gerufen zu werden<br />

und in Aktion zu treten, wenn örtliche Kriminalitätsherde entstanden sind (also „das<br />

Kind schon in den Brunnen gefallen ist“), sondern bereits im Rahmen von <strong>Stadt</strong>- und<br />

Bauplanung entsprechende Sachkunde einzubringen und auf kriminalpräventive und<br />

sicherheitsrelevante Gesichtspunkte aufmerksam zu machen. Dies muss ebenso<br />

Standard werden wie die Einbeziehung der Polizei im Rahmen der Verkehrsplanung<br />

oder die Berücksichtigung feuerpolizeilicher Vorgaben. Gerade in Zeiten „Kommunaler<br />

Kriminalprävention“ muss die Polizei auch in dieser Richtung Anstöße geben,<br />

und wenn sie dabei nicht als „Oberstadtplaner“ auftritt, sondern sich mit ihren Vorschlägen<br />

und Anregungen auf ihr Fachgebiet konzentriert, hat sie auch gute Chancen,<br />

Gehör und Akzeptanz zu finden.<br />

(Quelle: Fachhochschule Villingen-Schwenningen <strong>–</strong> Hochschule für Polizei)<br />

6. Herr Dr. Karsten Schreiber: Vorstellung des Projektgebietes<br />

Spiesen<br />

Herr Dr. Schreiber stellt das Projekgebiet in Spiesen vor. Die <strong>Soziale</strong> <strong>Stadt</strong> Maßnahmen<br />

sind in der Dokumentation Nr. 4 "Zwischenbilanzkonferenz am 20.11.02 in<br />

St. Ingbert - Berichte aus den Gemeinden" nachzulesen.<br />

7. Vorstellung der Baumaßnahme Festplatz und Rundgang<br />

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Herr Dipl.-Ing. Reinheimer stellt die Baumaßnahme Festplatz vor. Alle Anwesenden<br />

begeben sich auf einen Rundgang über das Gelände der Maßnahme. (siehe o. g.<br />

Dokumentation).<br />

Saarbrücken, den 14. Juli 2003<br />

gez. Christoph Vogt<br />

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