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Wandel deutsch-türkischer Konstellationen im ... - GFL-Journal

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<strong>Wandel</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>türkischer</strong> <strong>Konstellationen</strong> <strong>im</strong> filmischen Migrationsdiskurs<br />

allerdings, dass die Lebensumstände von Meryem, Chiko und Tibet Resultat ihres<br />

Lebens in Deutschland sind. Die konkreten Gründe werden zwar nicht explizit erwähnt,<br />

sind aber ergänzbar: Das soziale Umfeld, schlechtere Bildungschancen, fehlende<br />

Ausbildung und Arbeitsplätze etc. dürften die Figuren geprägt haben. Der Film befasst<br />

sich also nicht mehr mit Voraussetzungen oder Prozessen des interkulturellen Kontakts,<br />

sondern inszeniert lediglich die soziale Benachteiligung eines best<strong>im</strong>mten Milieus.<br />

Keine der türkischstämmigen Figuren 17 kann ein lebenswertes Leben realisieren, ein<br />

Determinismus, der von der Tragödienstruktur begünstigt wird.<br />

Knallhart (Buck, D 2005/2006) spielt in Berlin und führt Migranten wie <strong>deutsch</strong>es<br />

‚Prekariat„ gleichermaßen als Ausgestoßene vor, die sich durchs Leben kämpfen<br />

müssen. Insbesondere das Schicksal von Jugendlichen jeglicher Herkunft, denen durch<br />

ihre Familien nicht die notwendigen Startbedingungen geboten werden konnten, ist<br />

Gegenstand des Films. Der Film fokussiert mehr auf ein best<strong>im</strong>mtes Milieu, dem<br />

Deutsche wie Migranten gleichermaßen angehören, als auf konkrete kulturelle<br />

<strong>Konstellationen</strong>: Er führt gescheiterte und kr<strong>im</strong>inelle Existenzen nicht als Resultat<br />

gescheiterter kultureller Interaktion (Integration), sondern vielmehr als sozial bedingt<br />

vor. Bezeichnend ist allerdings, dass der Dealer Hamal nicht Deutscher ist und in einem<br />

musl<strong>im</strong>ischen bzw. stereotyp orientalischen Familienumfeld inszeniert wird, das als<br />

Kontrastbild zu Michaels dysfunktionaler Familiensituation fungiert. Diese Familie<br />

wird jedoch dadurch desavouiert, dass Hamal als Verführer und sukzessive als massive<br />

Bedrohung etabliert wird, wozu physiognomische Stereotype, direkte Kamerablicke und<br />

sein Ausspruch „Wir sind unsichtbar“ genutzt werden (00:49:10/01:28:30). Weiterhin<br />

eröffnet der Film Michael in der letzten Szene die Möglichkeit eines Ausbruchs aus der<br />

Gewaltspirale und dem kr<strong>im</strong>inellen Drogenmilieu, die an die Kooperation mit dem<br />

Polizisten Gerber gebunden ist – eine Möglichkeit, die anderen Figuren nicht geboten<br />

wird.<br />

Die Betrachtung der obigen Filme lässt den Schluss zu, dass interkulturelle<br />

<strong>Konstellationen</strong> nicht nur zugunsten von intrakulturellen <strong>Konstellationen</strong> in Form von<br />

intergenerationellen Konflikten, sondern auch in Form von Milieus und subkulturellen<br />

Lebensstilen relativiert werden. Die Filme präsentieren ein multiethnisches Milieu, das<br />

aus der gescheiterten strukturellen und sozialen Integration resultiert und „cultural<br />

17 Eine Ausnahme bildet der türkischstämmige Curly, sich von Chikos Geschäften und auch<br />

von Tibet distanziert. Er ist aber von seinem Vater abhängig.<br />

� gfl-journal, No. 3/2010<br />

17

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