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Wandel deutsch-türkischer Konstellationen im ... - GFL-Journal

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<strong>Wandel</strong> <strong>deutsch</strong>-<strong>türkischer</strong> <strong>Konstellationen</strong> <strong>im</strong> filmischen Migrationsdiskurs<br />

Augenschein nehmen und zurückweisen. Anstatt Kommunikationsversuche zu<br />

unternehmen, weist man Turna mit der Begründung zurück, man sei zu alt, könne sie<br />

nicht verstehen und wohne auch erst seit kurzem <strong>im</strong> Haus. Die Ausreden machen klar,<br />

dass die türkische Frau als störend, vielleicht auch als bedrohlich wahrgenommen wird.<br />

Zwar fehlt es hier offensichtlich an Interaktionsvoraussetzungen auf beiden Seiten<br />

(Sprache, kulturelle Kenntnisse etc.), allerdings werden insbesondere die Deutschen in<br />

einer verweigernden Haltung präsentiert. Eine Ausnahme bildet ein <strong>deutsch</strong>es Mädchen,<br />

das regelmäßig in Turnas Wohnung herüberschaut. Es führt seine Puppe vor und<br />

verständigt sich mit Turna durch M<strong>im</strong>ik und Gesten über die anderen Nachbarn. Im<br />

Zuge der Kommunikation mit Händen und Füßen lernt Turna z.B. die Bedeutung des<br />

an-den-Kopf-Tippens, was einem interkulturellen Lernprozess gleichkommt<br />

(00:44:00). 10 Schließlich unterbindet die Mutter des Mädchens die Kommunikation.<br />

Das/Die Fremde wird <strong>im</strong> Film so nicht nur räumlich, sondern auch durch das ihm/ihr<br />

aufgezwungene Fremdbild metaphorisch eingehegt. Dieses dient vor allem dazu, die<br />

Vorzüge einer Integration in das <strong>deutsch</strong>e Wert- und Normensystem zu unterstreichen.<br />

Diese betreffen insbesondere die Befreiung der ausländischen Frau aus ihrer kulturell<br />

gedeuteten Gefangenschaft (vgl. Halft 2010).<br />

Der emanzipatorische Anspruch wird jedoch durch eine darunterliegende ideologische<br />

Prägung relativiert, die vor allem in Abschied vom falschen Paradies (Başer, BRD<br />

1988/1989) offenbar wird: Der Film erzwingt eine interkulturelle Begegnungssituation<br />

dadurch, dass die Hauptfigur Elif sich an die Umstände <strong>im</strong> <strong>deutsch</strong>en Frauengefängnis<br />

anpassen muss. Der Film konzentriert sich dabei vor allem auf ihren sprachlichen<br />

Lernprozess, dem ihre Akkulturation folgt (00:31:10): Am Ende ist sie von der<br />

zerrütteten türkischen Frau zu einer <strong>deutsch</strong>en Dame geworden und hat sich von ihrer<br />

türkischen Familie emanzipiert (00:49:00). Das Frauengefängnis wird hier zum Idyll<br />

(Paradies) stilisiert, in dem weibliche Solidarität, Verständnis und Hilfsbereitschaft<br />

unter den Insassinnen bestehen. Voraussetzung hierfür und für die weitere Interaktion<br />

ist allerdings der Wille, sich (hier sprachlich und habituell) ins Kollektiv zu integrieren.<br />

Der Film hält sich nicht damit auf, zwei divergierende Kulturen aufeinandertreffen zu<br />

lassen und Aushandlungsprozesse zu inszenieren. Das ‚Paradies„ ist eben gerade keine<br />

Kontaktzone, sondern der Ort, an dem Elif ihre kulturelle Identität weitestgehend<br />

10 Einerseits birgt die vorurteilsfreie Wahrnehmung des Mädchens großes Potenzial für die<br />

interkulturelle Verständigung. Andererseits jedoch ist die metaphorische Infantilisierung<br />

Turnas ein Klischee interkultureller Kommunikation.<br />

� gfl-journal, No. 3/2010<br />

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