Skript Exponentialfunktion und Logarithmus.pdf - Goethe Oberschule
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A. Mentzendorff<br />
Geändert: September 2008<br />
Exponentalfunktion <strong>und</strong> <strong>Logarithmus</strong><br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Wachstum <strong>und</strong> Zerfall 2<br />
2 Der <strong>Logarithmus</strong> als Stammfunktion 4<br />
3 <strong>Exponentialfunktion</strong>en 8<br />
3.1 Die natürliche <strong>Exponentialfunktion</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
3.2 Verallgemeinerung von e x auf a x . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
4 Funktionsuntersuchungen 12<br />
4.1 <strong>Exponentialfunktion</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
4.2 <strong>Logarithmus</strong>funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
4.3 Grenzwertbestimmungen* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
4.4 Partielle Integration beim Lograrithmus* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Hinweis: Die mit * gekennzeichneten Abschnitte <strong>und</strong> Absätze sind nur für den Leistungskurs<br />
relevant.<br />
1
1 Wachstum <strong>und</strong> Zerfall<br />
Beispiel 1.1: Eine Seerose auf einem Teich, die heute eine Fläche von 0,6 m 2 bedeckt,<br />
verdoppelt ihre Fläche jeden Tag. Ist t die Zahl der vergangenen Tage (seit heute) <strong>und</strong> A die<br />
Fläche der Seerose in m 2 , so ist A(t) die Flächenfunktion nach der Zeit:<br />
A(0) = 0, 6,<br />
A(1) = 2 · 0, 6,<br />
A(2) = 2 · 2 · 0, 6,<br />
A(3) = 2 · 2 · 2 · 0, 6,<br />
.<br />
A(n) = 2 · 2 · . . . · 2 · 0, 6.<br />
Statt 2 · . . . · 2 mit n Faktoren wird bekanntlich auch 2 n geschrieben. Geht man davon aus,<br />
dass die Seerose auch schon in der Vergangenheit ein entsprechendes Wachstum hatte, war<br />
sie gestern nur 1 2 -mal <strong>und</strong> vorgestern nur 1 4-mal so groß wie heute, d. h. es gilt:<br />
A(−1) = 1 2 · 0, 6 = 2−1 · 0, 6,<br />
A(−2) = 1 4 · 0, 6 = 2−2 · 0, 6.<br />
Hat die Fläche nach einem halben Tag etwa das k-fache erreicht (A( 1 2<br />
) = k · 0, 6), so müsste<br />
sie nach einem weiteren halben Tag wiederum um das k-fache zugenommen haben (A(1) =<br />
k · k · 0, 6). Daraus folgt k · k = 2, also k = √ 2. Daher setzen wir √ 2 = 2 1 2 <strong>und</strong> allgemeiner<br />
n√<br />
2 m = 2 m n . Damit gilt<br />
A(q) = 2 q · 0, 6<br />
für alle rationalen Zahlen q.<br />
Definition 1.1: Es sei a ∈ R >0 <strong>und</strong> x ∈ R. Die Potenz a x ist folgendermaßen definiert:<br />
a) a 0 := 1, a 1 := a, a 2 := a · a, a n := a } · .{{ . . · a}<br />
(n ∈ N);<br />
n<br />
b) a −n := 1<br />
a n<br />
(n ∈ N);<br />
c) Für m ∈ Z, n ∈ N ≥2 ist a m n := ( n√ a) m , wobei<br />
n √ a die eindeutig bestimmte positive<br />
Lösung von x n = a ist.<br />
Bemerkung 1.1*: Der Ausdruck a x ist damit noch unvollständig definiert, da er für<br />
irrationale x nicht bestimmt ist. Dabei müsste es aber in Beispiel 1.1 zu ”<br />
jedem“ Zeitpunkt<br />
eine Flächengröße geben. Um die Lücken im Definitionsbereich zu schließen, wird die Funktion<br />
stetig fortgesetzt. Dies wird durchgeführt, indem irrationale Zahlen durch eine Folge rationaler<br />
Folgen angenähert werden. Beispiel:<br />
x 3 3,1 3,14 3,141 → π<br />
2 x 2 3 2 31<br />
10 2 314<br />
100 2 3141<br />
1000 → 2 π<br />
Die Konvergenz der zweiten Folge folgt aus der Stetigkeit der Funktion f(x) = 2 x (x ∈ Q),<br />
die hier jedoch nicht gezeigt werden soll.<br />
Definition 1.1 (Fortsetzung): d) Für x ∈ R \ Q setzen wir a x := lim a q .<br />
2<br />
q→x<br />
q∈Q
Definition 1.2: a heißt Basis, x heißt Exponent der Potenz a x .<br />
Definition 1.3: Es sei a ∈ R >0 . Die Funktion f : R → R mit f(x) = a x heißt <strong>Exponentialfunktion</strong><br />
zur Basis a.<br />
Die Graphen der <strong>Exponentialfunktion</strong>en f(x) = 2 x <strong>und</strong> g(x) = 0,8 x .<br />
Beispiel 1.2: Plutonium 243 ist radioaktiv, d. h. ständig zerfallen Atome des Elements.<br />
Angenommen, zu Beginn der Beobachtungszeit läge eine Probe von 10 mg vor. Könnte man<br />
in den folgenden Tagen die Masse des noch übrigen Plutoniums bestimmen, so ergäbe sich<br />
folgende Tabelle:<br />
Zeit t in Tagen 0 1 2 3 4 5 6 7<br />
Masse m 10 8,69 7,56 6,57 5,71 4,97 4,32 3,76<br />
Man stellt fest, dass der Anteil der Masse im Vergleich zur Vortagesmasse (im Rahmen<br />
der R<strong>und</strong>ungsgenauigkeit) immer dieselbe ist, d. h. es gilt 8,69<br />
10<br />
≈ 7,56<br />
8,69 ≈ 6,57<br />
7,56<br />
≈ · · · ≈ 0, 87.<br />
Es zerfallen damit jeden Tag 13 % des Stoffes, während 87 % übrig bleiben. Daher kann<br />
man den Zerfallsprozess mit einer <strong>Exponentialfunktion</strong> der Form m(t) = ca t beschreiben. m<br />
ist dabei die zeitabhängige Masse in g, t die Zeit in Tagen. Der nach einer Zeiteinheit noch<br />
übrige Anteil (0,87) wird als Basis a verwendet, der Anfangswert zur Zeit t = 0, m 0 = 10,<br />
als Faktor c. Es ist also m(t) = 10 · 0,87 t . 1<br />
Beispiel 1.1 (Fortsetzung): Bei der Seerose soll festgestellt werden, nach welcher Zeit die<br />
Fläche auf das Zehnfache, also auf 6 m 2 angewachsen ist. Dies führt auf die Gleichung<br />
A(x) = 6, d. h. 0, 6 · 2 x = 6.<br />
Division durch 0,6 führt auf 2 x = 10. Durch Probieren mit dem Taschenrechner erhalten wir<br />
die Annäherung:<br />
x 2 3 4 3,5 3,3 3,35 3,32<br />
2 x 4 8 16 11,31 9,85 10,20 9,99<br />
Die Lösung müsste also bei etwa 3,32 liegen. Um ohne Probieren zur Lösung zu kommen,<br />
müsste man die Gleichnug 2 x = 10 nach x auflösen. Dies ist uns jedoch nicht möglich, da<br />
uns eine entsprechende Umformungsregel fehlt. Diese erhalten wir jedoch, wenn wir eine neue<br />
Funktion einführen: die <strong>Logarithmus</strong>funktion.<br />
1 Zur Halbwertszeit vgl. unten 4.2 Beispiel 3.<br />
3
2 Der <strong>Logarithmus</strong> als Stammfunktion<br />
Bemerkung 2.1: Es sei x > 0. Wir kennen die Potenzregel für die Integration,<br />
∫<br />
x n dx = 1<br />
n + 1 xn+1 + c.<br />
Sie gilt auch für negative Exponenten. So erhalten wir etwa für n = −2:<br />
∫ ∫ dx<br />
x 2 = x −2 1<br />
dx =<br />
−2 + 1 x−2+1 + c = − 1 x + c.<br />
∫<br />
Für n = −1 versagt die Methode, denn wir würden rechnerisch dx<br />
” x<br />
= 1 0 x0 +c“ herausbekommen,<br />
was aber keinen Sinn ergibt. Andererseits muss 1 x<br />
(x > 0) eine Stammfunktion besitzen,<br />
da es sich um eine stetige Funktion handelt (vgl. Satz 2.7 vom <strong>Skript</strong> Integralrechnung). Man<br />
kann aber beweisen, dass es sich dabei nicht um das Vielfache einer Potenzfunktion handelt:<br />
Satz 2.1: Es gibt keine Funktion der Form f(x) = kx n mit f ′ (x) = 1 x .<br />
Beweis: Angenommen, es gäbe eine solche Funktion. Dann wäre<br />
einerseits f ′ (x) = knx n−1 <strong>und</strong> andererseits f ′ (x) = 1 x = x−1 .<br />
Durch Vergleich der Exponenten erhält man n − 1 = −1, also n = 0. Andererseits ist kn = 1<br />
(Koeffizientenvergleich), also k · 0 = 1, was nicht möglich ist.<br />
Beispiel 2.1: Wir berechnen A :=<br />
∫ 2<br />
1<br />
(<br />
O 10 = 1 1<br />
10 1 + 1<br />
U 10 = 1<br />
10<br />
dx<br />
x<br />
näherungsweise mit der Streifenmethode. Es ist<br />
1,1 + · · · + 1<br />
1,9<br />
(<br />
1<br />
1,1 + 1<br />
1,2 + · · · + 1 2<br />
)<br />
≤ 0, 719,<br />
)<br />
≥ 0, 668,<br />
also 0,668 ≤ A ≤ 0,719.<br />
Bessere Ergebnisse liefert das Trapezverfahren, bei dem die Fläche nicht durch Rechtecke,<br />
sondern durch Trapeze angenähert wird, deren oberen Ecken auf dem Graphen liegen.<br />
Bei Einteilung des Intervalls [1; 2] in fünf Streifen ergibt sich etwa<br />
( )<br />
A ≈ 1 f(1)+f(1,2)<br />
5 2<br />
+ f(1,2)+f(1,4)<br />
2<br />
+ f(1,4)+f(1,6)<br />
2<br />
+ f(1,6)+f(1,8)<br />
2<br />
+ f(1,8)+f(2)<br />
2<br />
= 1 5 ( 1 2 f(1) + f(1, 2) + f(1, 4) + f(1, 6) + f(1, 8) + 1 2 f(2))<br />
= 1 5 ( 1 2 · 1 + 1<br />
1,2 + 1<br />
1,4 + 1<br />
1,6 + 1<br />
1,8 + 1 2 · 1<br />
2 )<br />
≈ 0, 6956.<br />
Bei zehn Streifen erhalten wir entsprechend:<br />
A ≈ 1<br />
10 ( 1 2 · 1 + 1<br />
1,1 + 1<br />
1,2 + 1<br />
1,3 + · · · + 1<br />
1,9 + 1 2 · 1<br />
2<br />
) ≈ 0, 6938.<br />
Definition 2.1: Die Funktion ln : R >0 → R, definiert durch<br />
ln x :=<br />
∫ x<br />
1<br />
dt<br />
t =<br />
4<br />
∫x<br />
1<br />
1<br />
t dt,
heißt (natürliche) <strong>Logarithmus</strong>funktion. 2<br />
Beispiel 2.1 (Fortsetzung): Nach der Definition ist A =<br />
∫ 2<br />
dx<br />
x<br />
= ln 2. Die durch das<br />
1<br />
Trapezverfahren bestimmten Werte kommen dem Taschenrechner-Ergebnis ln 2 ≈ 0, 6931<br />
schon sehr nahe. 3 Fläche unter dem Graphen von f(x) = 1 x<br />
mit dem Inhalt ln 2.<br />
Satz 2.2: a) ln ist stetig <strong>und</strong> differenzierbar, <strong>und</strong> es gilt [ln x] ′ = 1 x<br />
b) ln ist streng monoton steigend.<br />
c) Es gilt ln x = 0 ⇔ x = 1.<br />
(x > 0).<br />
Beweis*: Zu a) Folgt aus der Definition (mit <strong>Skript</strong> Integralrechnung, Satz 2.7).<br />
Zu b) Monotoniekriterium ([ln x] ′ > 0 für x > 0).<br />
Zu c) ln 1 =<br />
∫ 1<br />
ln x > 0 für x > 1.<br />
1<br />
dt<br />
t<br />
= 0. Da ln streng monoton steigend ist, ist ln x < 0 für x < 1 <strong>und</strong><br />
2 ln = logarithmus naturalis (lat.)<br />
3 Es gilt übrigens ln 2 ∉ Q.<br />
Graph der ln-Funktion.<br />
5
Satz 2.3: Sind x, y ∈ R >0 <strong>und</strong> ist q ∈ Q, so gelten:<br />
a) ln(xy) = ln x + ln y,<br />
b) ln 1 x<br />
= − ln x,<br />
c) ln x y<br />
= ln x − ln y,<br />
d) ln(x q ) = q ln x.<br />
Beweis: Zu a): Ableitung nach x ergibt mit der Kettenregel<br />
[ln(xy)] ′ = 1<br />
xy · y = 1 x = [ln x]′ .<br />
Aus [ln(xy)] ′ = [ln x] ′ folgt nach <strong>Skript</strong> Integralrechnung, Satz 2.1 jedoch ln(xy) = ln x + c<br />
für ein c ∈ R. Setzen wir x = 1, so folgt insbesondere ln(1y) = ln 1 + c = 0 + c, also c = ln y,<br />
woraus die Behauptung folgt.<br />
Zu b): 0 = ln 1 = ln(x · 1<br />
x ) a)<br />
Zu c): ln(x · 1<br />
y ) a)<br />
= ln x + ln 1 y<br />
= ln x + ln 1 x<br />
⇒ ln 1 x<br />
= − ln x.<br />
b)<br />
= ln x − ln y.<br />
Aufgabe 2.1: Beweisen Sie Teil d) von Satz 2.3 analog zu Teil a). Wie könnte man auch<br />
bei ganzzahligen Exponenten vorgehen<br />
Beispiel 2.2: Aus ln 2 ≈ 0,69 <strong>und</strong> ln 3 ≈1,10 folgt:<br />
ˆ ln 6 = ln 2 + ln 3 ≈ 1,8;<br />
ˆ ln 81 = ln(3 4 ) = 4 ln 3 ≈ 4,4;<br />
ˆ ln 432 = ln(2 4 3 3 ) = 4 ln 2 + 3 ln 3 ≈ 6,1;<br />
ˆ ln 1 2<br />
= − ln 2 ≈ −0,69;<br />
ˆ ln √ 3 = 1 2<br />
ln 3 ≈ 0,55.<br />
Satz 2.4: Es gibt genau eine Zahl e ∈ R >0 mit ln e = 1.<br />
Beweis: Wegen ln 2 < 1 < ln 3 <strong>und</strong> der Stetigkeit von ln gibt es nach dem Zwischenwertsatz<br />
ein e ∈ [2; 3] mit ln e = 1. Die Eindeutigkeit folgt aus der strengen Monotonie der<br />
<strong>Logarithmus</strong>funktion.<br />
Definition 2.2: Die Zahl e aus Satz 2.4 heißt Euler’sche Zahl 4 .<br />
Die Euler’sche Zahl e ist bestimmt durch<br />
4 Leonhard Euler, 1707–1783.<br />
∫ e<br />
1<br />
dx<br />
x<br />
= 1 (links) bzw. ln x = 1 (rechts).<br />
6
Bemerkung 2.2: Für die Euler’sche Zahl gilt: e ≈ 2,718, e ∉ Q, e = lim<br />
n→∞ (1 + 1 n )n .<br />
Satz 2.5: Für x ∈ R gilt ln e x = x.<br />
Beweis: ln(e x Satz 2.3 d)<br />
) = x ln e = x · 1 = x.<br />
Beispiel 2.3: ln(e 7 ) = 7, ln 1 e = −1, ln 4√ e = 1 4 .<br />
Satz 2.6: Der Wertebereich von ln ist gleich R; insbesondere gilt ln x → −∞ für x ↘ 0<br />
<strong>und</strong> ln x → ∞ für x → ∞.<br />
Beweis: Es sei y eine reelle Zahl. Dann ist ln(e y ) = y, d. h. y ist Funktionswert der ln-<br />
Funktion.<br />
Die zweite Behauptung folgt daraus, dass ln streng monoton steigend ist. Anschaulich wird<br />
das aus folgenden Tabellen deutlich:<br />
x e e 2 e 3 e 4 e 5 → ∞<br />
ln x 1 2 3 4 5 → ∞<br />
x e −1 e −2 e −3 e −4 e −5 → 0<br />
ln x −1 −2 −3 −4 −5 → −∞<br />
Bemerkung 2.3: Wie ”<br />
langsam“ der <strong>Logarithmus</strong> für große x-Werte wächst, kann man<br />
sich durch folgendes Gedankenexperiment veranschaulichen: Angenommen, man zeichnet den<br />
Graph der ln-Funktion auf eine Schultafel, wobei für das Koordinatensystem 10 cm für eine<br />
Längeneinheit gewählt werden. Stellen wir uns weiter vor, die Tafel würde 1 km nach rechts<br />
in die Breite gehen. Dann könnte man den Graphen noch für x-Werte bis 10.000 einzeichnen.<br />
Wegen ln(10.000) ≈ 9, 2 ist hierfür eine Höhe der Tafel von nicht einmal 1 Meter über der<br />
x-Achse erforderlich.<br />
Würde die Tafel gar ganz um die Erde (Umfang 40.000 km) reichen, so hätte der Graph<br />
nach einer Erdumdrehung gerade mal die Höhe von ln(400.000.000) ≈ 19, 8 Einheiten (1,98<br />
m) erreicht, nach der zweiten Umdrehung (ln(800.000.000) = ln(400.000.000) + ln 2 ≈ 19, 8 +<br />
0, 7 = 20, 5 nach Satz 2.3 b)) würde es gerade mal einen Zuwachs von 7 cm geben!<br />
Graph der <strong>Logarithmus</strong>funktion unter Berücksichtiung von zwei ”<br />
Erdumdrehungen“.<br />
Bemerkung 2.4*: Aus Satz 2.6 folgt, dass die uneigentlichen Integrale<br />
nicht existieren.<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx<br />
x<br />
<strong>und</strong> ∞∫<br />
1<br />
dx<br />
x<br />
7
3 <strong>Exponentialfunktion</strong>en<br />
3.1 Die natürliche <strong>Exponentialfunktion</strong><br />
Satz 3.1: Für x, y > 0 gilt<br />
x = y ⇔ ln x = ln y.<br />
Beweis: ”<br />
⇒“ ist klar. ”<br />
⇐“: Angenommen, es gäbe x, y > 0 mit ln x = ln y. Aus x < y<br />
würde wegen der strengen Monotonie (Satz 2.2 b)) ln x < ln y folgen. Ebenso ist y < x nicht<br />
möglich. Also ist x = y.<br />
Satz 3.2: Die natürliche <strong>Logarithmus</strong>funktion besitzt eine Umkehrfunktion 5 ln −1 :<br />
R → R >0 . Es ist ln −1 (x) = e x , d. h. die Umkehrfunktion ist die <strong>Exponentialfunktion</strong> mit<br />
der Euler’schen Zahl als Basis.<br />
Beweis*: Da ln streng monoton ist, folgt die Umkehrbarkeit aus Satz 4.3 (<strong>Skript</strong> Integralrechnung).<br />
Für x ∈ R >0 <strong>und</strong> y ∈ R gilt<br />
ln x = y<br />
Satz 2.5<br />
⇔ ln x = ln(e y )<br />
Satz 3.1<br />
⇔ x = e y .<br />
Mit Definition 4.1 a) (<strong>Skript</strong> Integralrechnung) folgt die Behauptung.<br />
Definition 3.1: Die <strong>Exponentialfunktion</strong> zur Basis e,<br />
exp(x) := e x ,<br />
heißt natürliche <strong>Exponentialfunktion</strong> oder kurz e-Funktion.<br />
Bemerkung 3.1: Die Schreibweise exp wird zuweilen bei komplizierten Funktionsargumenten<br />
benutzt, also z. B. exp(− 1 ) statt e − 1<br />
x 2 x 2 .<br />
Satz 3.3: a) Für x ∈ R >0 gilt e ln x = x.<br />
b) Für x, y ∈ R gilt:<br />
Beweis*: Zu a): ln(e ln x )<br />
e x e y = e x+y , e −x = 1 e x , (ex ) y = (e y ) x = e xy .<br />
Satz 2.5<br />
= ln x. Mis Satz 3.1 folgt die Behauptung.<br />
Zu b): Nach den Rechenregeln des <strong>Logarithmus</strong> gelten:<br />
Mit Satz 3.1 folgt e x e y = e x+y .<br />
ln(e x e y ) = ln e x + ln e y = x + y = ln(e x+y ).<br />
Aufgabe 3.1: Beweisen Sie entsprechend die anderen Gleichungen zu Satz 3.3 b).<br />
Satz 3.4: a) Für alle x ∈ R gilt e x > 0.<br />
b) Die e-Funktion ist differenzierbar, <strong>und</strong> es gilt<br />
[e x ] ′ = e x .<br />
5 Zu Umkehrfunktionen vgl. <strong>Skript</strong> Integralrechnung, Kapitel 4.<br />
8
c) Die e-Funktion ist streng monoton steigend.<br />
d) ∫ e x dx = e x + c.<br />
Beweis: Zu a) Es gilt exp −1 = ln : R >0 → R, also exp : R → R >0 .<br />
Zu b) Die Umkehrfunktion ln ist differenzierbar <strong>und</strong> es gilt [ln x] ′ = 1 x ≠ 0. Nach der<br />
Umkehrregel (<strong>Skript</strong> Integralrechnung, Satz 4.5) ist daher die e-Funktion differenzierbar,<br />
<strong>und</strong> es gilt (mit f −1 (x) = ln x)<br />
[e x ] ′ =<br />
1<br />
(f −1 ) ′ (e x ) = 1 1<br />
e x = e x .<br />
Zu c)* Folgt mit dem Monotoniekriterium aus a) <strong>und</strong> b).<br />
Zu d) Folgt aus b).<br />
Bemerkung 3.2: Die Ableitung zu e x kann man sich auch wie folgt klarmachen: Nach<br />
Satz 2.5 gilt ln(e x ) = x. Leitet man beide Seiten der Gleichung ab, so erhält man 1<br />
e<br />
·[e x ] ′ = 1,<br />
x<br />
wobei links die Kettenregel benutzt wurde. Multipliziert man mit e x , so erhält man [e x ] ′ = e x . 6<br />
Aufgabe 3.2: Für eine Funktion f : R → R gelte f ′ = f. Beweisen Sie: Dann gibt es ein<br />
c ∈ R mit f(x) = ce x .<br />
Hinweis: Betrachten Sie g(x) := f(x) · e x <strong>und</strong> dessen Ableitung.<br />
Beispiel 3.1: ∫ e 4x = 1 4 e4x + c, denn nach der Kettenregel gilt: [ 1 4 e4x ] ′ = 1 4 · 4e4x = e 4x .<br />
Beispiel 3.2*: ∫ xe x dx wird mit partieller Integration berechnet. Wir setzen u ′ (x) = e x ,<br />
v(x) = x <strong>und</strong> damit u(x) = e x <strong>und</strong> v ′ (x) = 1. Damit ist<br />
∫<br />
∫<br />
xe x dx = xe x − e x dx = xe x − e x + c = (x − 1)e x + c.<br />
3.2 Verallgemeinerung von e x auf a x<br />
Satz 3.5: Für a > 0 gilt<br />
a x = e x ln a .<br />
Beweis: Nach Satz 3.3 a) <strong>und</strong> b) gilt a x = (e ln a ) x = e x ln a .<br />
Bemerkung 3.3: Für jede Funktion der Form f(x) = ca x gibt es d, k ∈ R mit f(x) = de kx<br />
(x ∈ R). Man braucht nur d = c <strong>und</strong> k = ln a zu setzen. So lassen sich Berechnungen bei<br />
allgemeinen <strong>Exponentialfunktion</strong>en immer auf die e-Funktion zurückführen. In der wissenschaftlichen<br />
Anwendung (z. B. radioaktiver Zerfall, Newton’sches Abkühlungsgesetz) werden<br />
nur Funktionen mit e als Basis benutzt.<br />
Satz 3.6: Für a > 0 <strong>und</strong> x ∈ R gilt<br />
a) [a x ] ′ = ln a · a x ,<br />
b) a ≠ 1 ⇒ ∫ a x dx = ax<br />
ln a + c.<br />
6 Hierbei wurde die Existenz der Ableitung [e x ] ′ vorausgesetzt.<br />
9
c) f(x) = a x ist streng monoton steigend im Falle a > 1 <strong>und</strong> streng monoton fallend im<br />
Falle 0 < a < 1.<br />
Beweis: Zu a), b): Folgt aus Satz 3.5.<br />
Zu c)*: Ist a > 1, so folgt ln a > 0 <strong>und</strong> damit [a x ] ′ = ln a · a x > 0. Ist 0 < a < 1, so folgt<br />
entsprechend [a x ] ′ = ln a · a x < 0. Mit dem Monotoniekriterium folgt jeweils die Behauptung.<br />
Beispiel 3.3: Für die Funktion f(x) = 0, 6 · 2 x aus Beispiel 1.1 gelten:<br />
∫<br />
f ′ (x) = ln 2 · 0, 6 · 2 x ≈ 0, 42 · 2 x 0, 6 · 2x<br />
, f(x) dx = + c ≈ 0, 87 · 2 x + c.<br />
ln 2<br />
Satz 3.7: a) Für a, b > 0 <strong>und</strong> x, y ∈ R gelten<br />
a x+y = a x a y , a −x = 1 a x = ( 1<br />
a) x<br />
, (a x ) y = (a y ) x = a xy , a x b x = (ab) x ,<br />
( a<br />
b<br />
) x<br />
=<br />
a x<br />
b x .<br />
b) Für x ∈ R gilt 1 x = 1.<br />
Beweis: Zu a): a x+y = e (x+y) ln a = ex ln a+y ln a<br />
Satz 3.2 b)<br />
= e x ln a e y ln a = a x a y , womit die<br />
erste Gleichung bewiesen ist.<br />
Aufgabe 3.3: Beweisen Sie die übrigen Gleichungen von Satz 3.7.<br />
Satz 3.8 (Auflösung von Exponentialgleichungen): Für a, b > 0 <strong>und</strong> a ≠ 1 gilt<br />
a x = b ⇔ x = ln b<br />
ln a .<br />
Beweis: a x = b<br />
Satz 3.1<br />
⇔ ln(a x ) = ln b<br />
Satz 2.3 d)<br />
⇔<br />
x ln a = ln b ⇔ x = ln b<br />
ln a .<br />
Beispiel 3.4: Wir wenden uns erneut der Frage zu, nach welcher Zeit die Seerose aus<br />
Beispiel 1.1 auf das Zehnfache angewachsen ist. Wie wir im 1. Kapitel gesehen haben, ist<br />
hierfür die Gleichung 2 x ln 10<br />
= 10 zu lösen. Mit Satz 4 folgt x =<br />
ln 2<br />
≈ 3,322. Nach etwa 3,3<br />
Tagen bedeckt die Seerose also eine Fläche von 6 m 2 .<br />
Beispiel 3.5 (Halbwertszeit): Der Zerfall eines radioaktiven Stoffes lässt sich mit der<br />
<strong>Exponentialfunktion</strong> m(t) = m 0 a t beschreiben. Dabei ist m(t) die nach t Zeiteinheiten noch<br />
übrige Masse, m 0 die Masse zur Anfangszeit t = 0 <strong>und</strong> a (0 < a < 1) der Anteil des Stoffes,<br />
der nach Ablauf einer Zeiteinheit noch übrig ist. Als Halbwertszeit T bezeichnet man die<br />
Zeit, nach deren Ablauf noch genau die Hälfte des Stoffes vorhanden ist. Man berechnet:<br />
m 0 a T = m 0<br />
2<br />
⇔ a T = 1 2<br />
Satz 3.8<br />
⇔ T = ln 1 2<br />
ln a .<br />
Beispiel 3.6 (Schnittstellenberechnung): Die Funktionen<br />
f(x) = 3 · 0,7 x <strong>und</strong> g(x) = 2 · 4 x<br />
sollen auf Schnittstellen untersucht werden. Wir erhalten:<br />
f(x) = g(x) ⇔ 3 · 0, 7 x = 2 · 4 x ⇔<br />
0, 7x<br />
4 x = 2 3<br />
Satz 3.7<br />
⇔<br />
( ) 0, 7 x<br />
= 2 4 3<br />
Satz 3.8<br />
⇔ x = ln 2 3<br />
ln 7<br />
40<br />
≈ 0, 23.<br />
10
Satz 3.9: Ist f(x) = a x mit a ∈ R >0 \ {1}, so ist f umkehrbar mit<br />
f −1 (x) = ln x<br />
ln a .<br />
Beweis: Satz 3.8 in Verbindung mit Definition 4.1 (<strong>Skript</strong> Integralrechnung).<br />
Definition 3.2: Für a ∈ R >0 \ {1} setzt man auch ln x<br />
ln a =: log a x. Die Funktion log a :<br />
R >0 → R wird auch <strong>Logarithmus</strong>(funktion) zur Basis a genannt.<br />
11
4 Funktionsuntersuchungen<br />
4.1 <strong>Exponentialfunktion</strong><br />
Beispiel 4.1 (Nullstellenberechnung): Die folgenden Funktionen werden auf Nullstellen<br />
untersucht: a) f(x) = e x + e −x , b) f(x) = e x − 2e −x , c) f(x) = (x 2 − 4)e 3x .<br />
Zu a): f(x) = }{{} e x + }{{} e −x > 0. Die Funktion besitzt keine Nullstellen, da beide Summanden<br />
stets positiv<br />
>0 >0<br />
sind.<br />
Zu b): e x −2e −x = 0 ⇔ e x = 2e −x |·e x ⇔ e 2x = 2 | ln ⇔ 2x = ln 2 ⇔ x = ln 2<br />
2 .<br />
Die Multiplikation mit e x ist eine Äquivalenzumformung, da e x niemals gleich 0 ist.<br />
Zu c):<br />
(x 2 − 4) }{{} e 3x = 0 ⇔ x 2 − 4 = 0 ⇔ x = −2 oder x = 2.<br />
>0<br />
Beispiel 4.2 (Extrem- <strong>und</strong> Wendepunkte): Die Funktion f mit<br />
f(x) = xe 2x (x ∈ R)<br />
wird auf Extrem- <strong>und</strong> Wendepunkte untersucht. Hierzu werden zunächst die ersten drei Ableitungen<br />
mit der Produktregel bestimmt:<br />
ˆ Extrempunkte:<br />
f ′ (x) = e 2x + x · 2e 2x = (1 + 2x)e 2x ,<br />
f ′′ (x) = 2e 2x + (1 + 2x) · 2e 2x = (4 + 4x)e 2x ,<br />
f ′′′ (x) = 4e 2x + (4 + 4x) · 2e 2x = (12 + 8x)e 2x .<br />
f ′ (x) = 0 ⇔ (1 + 2x) }{{} e 2x = 0 ⇔ 1 + 2x = 0 ⇔ x = − 1 2 .<br />
>0<br />
f ′′ (− 1 2 ) = (4 − 2)e−1 = 2e −1 > 0, daher liegt ein relatives Minimum vor. Mit f(− 1 2 ) =<br />
− 1 2 e−1 = − 1 2e erhalten wir T (− 1 2 | − 1 2e<br />
) als Tiefpunkt.<br />
ˆ Wendepunkte: Ähnlich wie oben erhalten wir f ′′ (x) = 0 ⇔ 4+4x = 0 ⇔ x = −1 <strong>und</strong><br />
f ′′′ (−1) = 4e −2 ≠ 0. −1 ist also eine Wendestelle von f. Mit f(−1) = −e −2 erhalten<br />
wir W (−1| − e −2 ) als Wendepunkt.<br />
12
Graph zu f aus Beispiel 4.2.<br />
Beispiel 4.3 (Tangentengleichung): Zu f(x) = e 1 2 x soll die Gleichung der Tangente<br />
bestimmt werden, die den Graphen von f an der Stelle x 0 = 1 berührt.<br />
Die Tangente t hat als Gerade die Funktionsgleichung t(x) = mx + n. Die Steigung m ist<br />
gleich der Ableitung von f bei 1, es ist also m = f ′ (1) = 1 2 e 1 2 . Außerdem geht t durch den<br />
Punkt (1|f(1)), es ist also<br />
m · 1 + n = f(1) = e 1 2 ⇒ n = e 1 2 − m = e<br />
1<br />
2 −<br />
1<br />
2 e 1 2 =<br />
1<br />
2 e 1 2 .<br />
Damit ist<br />
t(x) = 1 2 e 1 2 x +<br />
1<br />
2 e 1 2 ≈ 0, 82x + 0, 82.<br />
Bemerkung 4.1: Dasselbe Ergebnis erhält man mit Benutzung der allgemeinen Formel<br />
t(x) = f ′ (x 0 )(x − x 0 ) + f(x 0 )<br />
für die Tangente, die an der Stelle x 0 den Graphen von f berührt.<br />
Graph mit Tangente zu f aus Beispiel 4.3.<br />
Beispiel 4.4 (Funktionenschar): Gegeben ist für a ∈ R \ {0} die Funktionenschar f a<br />
mit<br />
f a (x) = e x − e2x<br />
(x ∈ R).<br />
a<br />
Die Schar wird auf Nullstellen <strong>und</strong> Extrempunkte untersucht:<br />
ˆ Nullstellen:<br />
)<br />
e x −<br />
(1 e2x<br />
a = 0 ⇔ ex − ex = 0 ⇔ e x = a.<br />
a<br />
Für a > 0 gibt es jeweils die Nullstelle x = ln a. Für a < 0 gibt es keine Nullstelle.<br />
13
ˆ Extrempunkte: Es gilt<br />
( )<br />
f ′ (x) = 0 ⇔ e x − 2e2x<br />
a = 0 ⇔ ex 1 − 2ex = 0<br />
a<br />
⇔ 2e x = a.<br />
Für a > 0 gibt es die Lösung x = ln a 2<br />
. Für a < 0 gibt es keine Lösung <strong>und</strong> damit keine<br />
Extrempunkte.<br />
Es ist f ′′ (x) = e x − 4e2x<br />
a<br />
. Für a > 0 ergibt sich somit<br />
f ′′ (ln a 2 ) = eln a 2 −<br />
4e 2 ln a 2<br />
a<br />
es liegt also in jedem Fall ein Maximum vor. Es ist<br />
= a 2 − 4 · ( a 2 )2<br />
a<br />
= − a 2 ,<br />
f(ln a 2 ) = eln a 2 −<br />
e 2 ln a 2<br />
a<br />
es gibt also für jedes a > 0 den Hochpunkt H a (ln a 2 | a 4 ).<br />
= a 2 − ( a 2 )2<br />
a = a 2 − a 4 = a 4 ,<br />
Graphen der Funktionenschar f a zu a = 1; 2; . . . ; 15. Die Ortskurve der Extrempunkte ist dick<br />
eingezeichnet.<br />
In der Abbildung ist erkennbar, dass die Extrempunkte der Graphen auf einer Kurve<br />
liegen, der so genannten Ortskurve. Offenbar ist diese wiederum der Graph einer Funktion<br />
g. Deren Gleichung lässt sich ermitteln, indem man die Koordinaten von H a verknüpft: Mit<br />
x = ln a 2 ist a 2 = ex <strong>und</strong> somit<br />
g(x) = y = a 4 = 1 2 · a<br />
2 = 1 2 ex .<br />
4.2 <strong>Logarithmus</strong>funktion<br />
Satz 4.1: Gegeben ist die Funktion g : D g → R <strong>und</strong> die Funktion f mit f(x) = ln(g(x)).<br />
a) Für die maximale Definitionsmenge D f von f gilt: x ∈ D f ⇔ x ∈ D g <strong>und</strong> g(x) > 0.<br />
14
) Nullstellen: Für x ∈ D f gilt f(x) = 0 ⇔ g(x) = 1.<br />
c) Ist g in x ∈ D f differenzierbar, so auch f, <strong>und</strong> es gilt f ′ (x) = g′ (x)<br />
g(x) .<br />
Beweis: Zu a): Nach Definition 1.1 ist ln genau für positive Argumente definiert.<br />
Zu b): Satz 2.2 c).<br />
Zu c): Nach der Kettenregel gilt f ′ (x) = f ′ (g(x)) · g ′ (x) [ln x]′ = 1 x 1<br />
=<br />
g(x) · g′ (x) = g′ (x)<br />
g(x) .<br />
Beispiel 4.5: Es sei f(x) = ln(3x − 5) auf der maximalen Definitionsmenge D.<br />
ˆ Definitionsmenge: x ∈ D<br />
Satz 4.1a)<br />
⇔ 3x − 5 > 0 ⇔ x > 5 3 . Also ist D = R > 5 .<br />
3<br />
ˆ Nullstellen: f(x) = 0<br />
Satz 4.1b)<br />
⇔ 3x − 5 = 1 ⇔ 3x = 6 ⇔ x = 2.<br />
ˆ 1. Ableitung: f ′ (x)<br />
Satz 4.1c)<br />
=<br />
3<br />
3x−5<br />
(x > 5 3 ).<br />
ˆ Extrempunkte: f ′ (x) = 0 ⇔ 3<br />
3x−5 = 0. Da dies für alle x > 5 3<br />
kein Extrempunkt.<br />
nicht zutrifft, existiert<br />
Beispiel 4.6: Es sei f(x) = x ln x auf der maximalen Definitionsmenge D.<br />
ˆ Definitionsmenge: D = R >0 .<br />
ˆ Nullstellen: x ln x = 0 ⇔ x = 0 oder ln x = 0 ⇔ x = 0 oder x = 1. Da 0 nicht zur<br />
Definitionsmenge gehört, ist die einzige Nullstelle x = 1.<br />
ˆ Ableitungen: Für x > 0 gilt f ′ (x) = 1 · ln x + x · 1<br />
x = ln x + 1 (Produktregel), f ′′ (x) = 1 x .<br />
ˆ Extrempunkte: f ′ (x) = 0 ⇔ ln x = −1 ⇔ x = e −1 . Wegen f ′′ (e −1 ) = e > 0 liegt<br />
bei e −1 ein Minimum vor. Mit f(e −1 ) = e −1 · (−1) lauten de Tiefpunktkoordinaten<br />
T (e −1 | − e −1 ).<br />
ˆ Es gibt keinen Wendepunkt, da für alle x > 0 gilt f ′′ (x) = 1 x ≠ 0.<br />
ˆ Grenzverhalten: Für → ∞ gehen beide Faktoren von f(x) gegen unendlich, also gilt<br />
auch f(x) → ∞. Für x → 0 ist der Fall schwieriger, denn der eine Faktor (x) geht gegen<br />
0, der andere Faktor (ln x) gegen −∞. Der Ausdruck ”<br />
0·(−∞)“ ergibt aber keinen Sinn.<br />
Sicher ist aber Folgendes: Für 0 < x < 1 ist:<br />
– f(x) ≥ −e −1 , weil dies die y-Koordinate des Tiefpunktes ist, <strong>und</strong><br />
– f(x) < 0, weil f(e −1 ) < 0 ist <strong>und</strong> 1 die einzige Nullstelle ist.<br />
f(x) → ±∞ für x → 0 ist also nicht möglich. Durch Einsetzen kleiner Werte (etwa<br />
f(0, 01) ≈ −0, 046) kommt man zur Vermutung limf(x) = 0. Dass dies wirklich so ist,<br />
x→0<br />
wird im nächsten Kapitel gezeigt (Beispiel 4.9).<br />
15
4.3 Grenzwertbestimmungen*<br />
Beispiel 4.7: Die Funktionen f 1 : R \ {1} → R <strong>und</strong> f 2 : R \ {0} → R mit<br />
f 1 (x) = x2 − 1<br />
x − 1<br />
<strong>und</strong> f 2 (x) = ex − 1<br />
x<br />
haben je eine Definitionslücke. Würde man diese in die Funktionsterme einsetzen, so würde<br />
sich formal ergeben<br />
” f 1(1) = 12 − 1<br />
1 − 1 = 0 0 “ <strong>und</strong> ” f 2(0) = e0 − 1<br />
= 0 0 0 “.<br />
Dies ergibt aber keinen Sinn, da 0 0 nicht definiert ist. Im Falle der Funktion f 1 können wir<br />
immerhin den Grenzwert lim<br />
x→1<br />
f 1 (x) angeben, denn durch Kürzen ergibt sich<br />
lim f (x + 1)(x − 1)<br />
1(x) = lim<br />
= lim(x + 1) = 2<br />
x→1 x→1 x − 1 x→1<br />
(vgl. <strong>Skript</strong> Differentialrechnung, Beispiel 1.4). Bei f 2 kann man den Grenzwert jedoch nicht<br />
durch Kürzen bestimmen. Eine Möglichkeit der Berechnung liefert aber der Satz von de<br />
l’Hospital.<br />
Satz 4.2 (de l’Hospital 7 für ”<br />
0<br />
0 “): a) Sind f <strong>und</strong> g an der Stelle x 0 differenzierbar<br />
<strong>und</strong> gilt<br />
f(x 0 ) = g(x 0 ) = 0 <strong>und</strong> g ′ (x 0 ) ≠ 0,<br />
so folgt<br />
f(x)<br />
lim<br />
x→x 0 g(x) = f ′ (x 0 )<br />
g ′ (x 0 ) .<br />
b) Sind f <strong>und</strong> g n-mal differenzierbar <strong>und</strong> gilt<br />
so folgt<br />
f(x 0 ) = f ′ (x 0 ) = · · · = f (n−1) (x 0 ) = 0,<br />
g(x 0 ) = g ′ (x 0 ) = · · · = g (n−1) (x 0 ) = 0 <strong>und</strong> g (n) (x 0 ) ≠ 0,<br />
f(x)<br />
lim<br />
x→x 0 g(x) = lim f ′ (x)<br />
x→x 0 g ′ (x) = · · · = lim f (n−1) (x)<br />
x→x 0 g (n−1) (x) = f (n) (x 0 )<br />
g (n) (x 0 ) .<br />
c) Ist R >a ⊆ D für ein a ∈ R, f, g : D → R n-mal differenzierbar <strong>und</strong> gilt<br />
so folgt<br />
lim f(x) = lim f ′ (x) = · · · = lim f (n−1) (x) = 0,<br />
x→∞ x→∞ x→∞<br />
lim g(x) = lim<br />
x→∞ x→∞ g′ (x) = · · · = lim<br />
x→∞ g(n−1) (x) = 0 <strong>und</strong> lim<br />
x→∞ g(n) (x) ≠ 0,<br />
f(x)<br />
lim<br />
g(x) = lim f ′ (x)<br />
x→∞ g ′ (x) = · · · = lim f (n−1) (x)<br />
lim f (n) (x)<br />
x→∞ g (n−1) (x) = x→∞<br />
lim<br />
x→∞ g(n) (x) .<br />
x→∞<br />
Entsprechendes gilt für x → −∞.<br />
Beweis: Zu a) Nach der Definition der Ableitung gilt<br />
7 Guillaume François Antoine de l’Hospital (sprich: Lopital), 1661–1704.<br />
16
f ′ lim<br />
(x 0 )<br />
g ′ (x 0 ) =<br />
f(x)−f(x 0 )<br />
x→x 0<br />
x−x 0<br />
g(x)−g(x<br />
lim<br />
0 )<br />
x→x 0<br />
x−x 0<br />
f(x)−f(x 0 )<br />
x−x 0<br />
x→x 0 g(x)−g(x 0 )<br />
x−x 0<br />
= lim<br />
0<br />
{ }} {<br />
f(x) − f(x 0 )<br />
= lim<br />
x→x 0 g(x) − g(x 0 )<br />
Zu b) Vollständige Induktion über n mit dem Beweis zu a.<br />
Beispiel 4.7 (Fortsetzung): Es gilt<br />
lim f e x − 1 e x<br />
2(x) = lim = lim<br />
x→0 x→0 x x→0 1 = e0 = 1.<br />
} {{ }<br />
0<br />
f(x)<br />
= lim<br />
x→x 0 g(x) .<br />
Beispiel 4.8: Mit f(x) = e x − x − 1 <strong>und</strong> g(x) = x 2 gilt f(0) = 0 <strong>und</strong> g(0) = 0. Also lässt<br />
e<br />
sich für lim<br />
x −x−1<br />
der Satz von de l’Hospital anwenden, <strong>und</strong> es gilt<br />
x→0 x 2<br />
f(x)<br />
lim<br />
x→0 g(x) = lim f ′ (x)<br />
x→0<br />
g ′ (x) = lim<br />
x→0<br />
e x − 1<br />
2x .<br />
Allerdings ist auch f ′ (0) = g ′ (0) = 0. Nach Satz 4.1 b) können wir dann die zweiten Ableitungen<br />
berechnen:<br />
f(x)<br />
lim<br />
x→0 g(x) = lim f ′′ (x)<br />
x→0 g ′′ (x) = lim e x<br />
x→0 2 = 1 2 .<br />
Beispiel 4.9: Gesucht ist lim<br />
x→0<br />
f(x) mit f(x) = x ln x (vgl. Beispiel 4.6). Um den Satz von<br />
de l’Hospital anwenden zu können, muss f als Bruch notiert werden, etwa:<br />
limf(x) = lim<br />
x→0 x→0<br />
x<br />
1<br />
ln x<br />
= lim<br />
−<br />
1<br />
x→0 1 x<br />
(ln x) 2<br />
= −lim<br />
x→0<br />
(x(ln x) 2 ).<br />
Dies führt jedoch nicht weiter. Jedoch können wir auch mit dem Kehrbruch<br />
der nächste Satz zeigt.<br />
1 x<br />
ln x<br />
rechnen, wie<br />
∞<br />
Satz 4.3 (de L’Hospital für ” ∞ “): Es seien f, g : D → R (mit R ≥a ⊆ D für ein<br />
a ∈ R) n-mal differenzierbar. Für x → ∞ streben f, f ′ , . . . , f (n−1) <strong>und</strong> g, g ′ , . . . , g (n−1) gegen<br />
unendlich oder minus unendlich. Existieren lim f (n) (x) <strong>und</strong> lim<br />
x→∞ x→∞ g(n) (x) <strong>und</strong> ist lim<br />
x→∞ g(n) (x) ≠<br />
0, so folgt<br />
f(x)<br />
lim<br />
x→∞ g(x) = lim f ′ (x)<br />
x→∞ g ′ (x) = · · · = lim f (n) (x)<br />
x→∞ g (n) (x) .<br />
Entsprechendes gilt für x → −∞ <strong>und</strong> x → x 0 .<br />
Beweisskizze für x → ∞: Existiert lim<br />
f(x)<br />
lim<br />
g(x)<br />
x→∞<br />
f(x)<br />
x→∞ g(x)<br />
g(x)(f(x)) 2<br />
= lim<br />
x→∞f(x)(g(x)) 2 = lim g(x)<br />
x→∞f(x) · lim (f(x)) 2<br />
x→∞ (g(x)) 2<br />
= lim<br />
x→∞<br />
= lim<br />
x→∞<br />
1<br />
f(x)<br />
1<br />
g(x)<br />
<strong>und</strong> ist dieser Grenzwert ≠ 0, so folgt:<br />
[ ] ′ 1<br />
(f(x)) 2 Satz 5.2 f(x)<br />
· lim<br />
x→∞ (g(x)) 2 = lim [<br />
x→∞ 1<br />
g(x)<br />
− f ′ (x)<br />
(f(x)) 2<br />
− g′ (x)<br />
(g(x)) 2<br />
(f(x)) 2<br />
] ′ · lim<br />
x→∞ (g(x)) 2<br />
(f(x)) 2<br />
· lim<br />
x→∞ (g(x)) 2 = lim f ′ (x) · (g(x)) 2<br />
x→∞g ′ (x) · (f(x)) 2 · lim (f(x)) 2<br />
x→∞ (g(x)) 2<br />
f ′ (x) · (g(x)) 2 · (f(x)) 2<br />
= lim<br />
x→∞ g ′ (x) · (f(x)) 2 · (g(x)) 2 = lim f ′ (x)<br />
x→∞ g ′ (x) .<br />
17
Beispiel 4.9 (Fortsetzung): Wegen 1 x<br />
→ ∞ <strong>und</strong> − ln → ∞ für x ↘ 0 gilt<br />
lim<br />
x→0<br />
(x ln x) = −lim<br />
x→0<br />
− ln x<br />
1<br />
x<br />
Satz 5.3<br />
= lim<br />
x→0<br />
− 1 x<br />
− 1 x 2<br />
= lim<br />
x→0<br />
x = 0.<br />
Beispiel 4.10: a) Gesucht ist lim<br />
x→∞ f 1(x) mit f 1 (x) = xe −x . Es gilt<br />
lim f 1(x) = lim<br />
x→∞ x→∞<br />
x<br />
e x<br />
x, e x → ∞<br />
= lim<br />
x→∞<br />
1<br />
e x = 0.<br />
b) Satz 5.3 mit n = 2 ergibt für f 2 (x) = x 2 e −x :<br />
lim f 2(x) = lim<br />
x→∞ x→∞ e x = lim 2x<br />
x→∞ e x = lim 2<br />
x→∞e x = 0.<br />
c) Es sei nun f n (x) = x n e −x für n > 0. Satz 5.3 liefert schließlich:<br />
x n<br />
lim f n(x) = lim<br />
x→∞ x→∞ e x = lim<br />
x→∞<br />
nx n−1<br />
e x<br />
x 2<br />
n(n−1)x n−2<br />
= lim<br />
x→∞ e x<br />
n(n−1) · . . . · 2 · 1<br />
= · · · = lim<br />
x→∞ e x = 0.<br />
Hieraus folgt insbesondere, dass e x für genügend große x stärker ansteigt als jede Potenzfunktion<br />
x n bei noch so großem n ∈ N.<br />
4.4 Partielle Integration beim Lograrithmus*<br />
Bemerkung 4.2: Stammfunktionen von Funktionen der Form u ′ (x) · ln x können unter<br />
Umständen mit partieller Integration berechnet werden (mit v(x) = ln x, v ′ (x) = 1 x<br />
), sofern<br />
u(x) den Faktor x enthält, durch den man u(x) · 1<br />
x<br />
kürzen kann:<br />
Beispiel 4.11: Es gilt<br />
Beweis:<br />
∫<br />
ln x dx = x ln x − x + c.<br />
∫<br />
1 · ln x dx<br />
u ′ (x) = 1<br />
u(x) = x<br />
v(x) = ln x<br />
v ′ (x) = 1 x<br />
= x ln x −<br />
∫<br />
x · 1<br />
x dx = x ln x − ∫<br />
1 dx = x ln x − x + c.<br />
Beispiel 4.12: Für n ∈ N gilt<br />
∫<br />
x n ln x dx = xn+1<br />
n + 1 ln x − ∫<br />
= xn+1<br />
n + 1 ln x −<br />
xn+1<br />
(n + 1) 2 + c.<br />
x n+1 (n + 1)x dx = xn+1<br />
n + 1 ln x − ∫<br />
x n n + 1 dx<br />
18