September 2013 - Nr. 158 - Evangelische Kirchengemeinde Ruit
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Interview zum Bau der Auferstehungskirche<br />
„Wir haben eine neue Kirche!“,<br />
durfte die <strong>Ruit</strong>er Gemeinde 1963<br />
ausrufen. Wir sprachen mit einem,<br />
der damals dabei war.<br />
Lieber Hans Sachs, Sie sind 75 Jahre<br />
alt, und 50 Jahre ist unsere <strong>Ruit</strong>er<br />
Auferstehungskirche...<br />
Ja, ich war in der Gemeinde aktiv,<br />
in Kirchenchor und Posaunenchor,<br />
war aber noch nicht <strong>Kirchengemeinde</strong>rat.<br />
Als <strong>Kirchengemeinde</strong>rat<br />
bin ich ein bisschen später zur<br />
Truppe gestoßen. 1963 wurde die<br />
Kirche ja eingeweiht, 1964 oder 65<br />
bin ich als Nächster dazu gewählt<br />
worden. Da ging die damalige Gemeindehelferin<br />
Maria Schmied,<br />
weil sie heiratete, dafür bin ich<br />
nachgerückt.<br />
1963 Einweihung der Kirche: kriegen<br />
Sie noch die Namen des damaligen<br />
Landesbischofs, von Pfarrer<br />
und Bürgermeister zusammen<br />
Ja, ohne mich zu loben: Eichele war<br />
Landesbischof, der <strong>Ruit</strong>er Pfarrer<br />
war Roller und der Bürgermeister<br />
hieß Vatter. Und einen muss ich<br />
noch nennen, einen von uns, der<br />
immer bescheiden blieb, der damalige<br />
Vorsitzende Erich Schröm.<br />
Der hat den Bau begleitet, als wenn<br />
es sein eigener wäre.<br />
Das hätten wir nie geschafft ohne<br />
ihn, mit seinen unternehmerischen<br />
und kaufmännischen Fähigkeiten.<br />
Wie erinnern Sie sich an die frühen<br />
Anfänge, als alles erst in Planung<br />
war<br />
Die Vorbereitungen begannen<br />
1954. Es ging zuerst mal nur um<br />
den Glockenturm, der nur ein Dachreiter<br />
war, noch von der ganz alten<br />
Kirche von 1817. Damals war <strong>Ruit</strong><br />
klein, Kirche und Brunnen dabei,<br />
das war die Dorfzelle. Es ging also<br />
zuerst um einen neuen Glockenturm,<br />
weiter ist man erst mal nicht<br />
gekommen. Dann ist ein einzelner,<br />
zusätzlicher Glockenturm in Südrichtung<br />
in der Diskussion gewesen.<br />
Dann kam aber der Oberbaurat<br />
Ehrlich, das war ein ganz kompetenter<br />
Mann. Der sagte: ‚Leut‘, <strong>Ruit</strong><br />
wächst. <strong>Ruit</strong> hat jetzt 3000 <strong>Evangelische</strong>,<br />
wir erreichen schnell die<br />
4000 Einwohner, bei den neuen<br />
Baugebieten; stellt euch drauf ein!<br />
Ich weise euch zwei Richtungen:<br />
Ihr könnt am Alten rummachen,<br />
das bleibt eine Notlösung. Wenn<br />
ihr euch um eine Gesamtlösung<br />
kümmert, bleibt euch die Ortsmitte<br />
bewahrt, auch als Kirchenzentrum.“<br />
Dann war sehr schnell klar:<br />
man kann sich eigentlich in <strong>Ruit</strong><br />
die Kirche aus dem Ortszentrum<br />
herausgenommen nicht vorstellen.<br />
Und dann kam sehr schnell eine Einigkeit.<br />
Die Frage war dann, macht<br />
man eine „schöne Kirche“ oder<br />
macht man etwas ganz Einfaches.<br />
Dann hat sich die Tatsache durchgesetzt,<br />
dass Kirchenchor und Posaunenchor<br />
Platz brauchten. In<br />
der alten Kirche war ja drangvolle<br />
Enge, man saß sich vorher im Bass<br />
des Posaunenchors mit zwei Tuben<br />
und den Notenständern fast auf<br />
dem Schoß!<br />
War es schmerzhaft, die alte Kirche<br />
abzubrechen<br />
Für viele, ja. Ich verstehe, dass man<br />
an der Kirche hängen kann. Wenn<br />
man dran denkt, dass es das Zentrum<br />
war, für die Großeltern schon,<br />
und alle sind drin gewesen. Aber<br />
dann war doch der Gedanke stärker:<br />
wir wollen eine Kirche, mit einer<br />
gescheiten Empore, in der man<br />
auch was machen kann, in dem der<br />
Chor zur Geltung kommt, in der<br />
auch Aufführungen möglich sind.<br />
Entschied sich denn die „Linie“ der<br />
Befürworter und Skeptiker der Idee<br />
eines Neubaus entlang der Generationen<br />
Die Jungen dafür, die Alten<br />
dagegen<br />
Auf jeden Fall, das hat eine wichtige<br />
Rolle gespielt. Auch der Gedanke,<br />
eine schöne lichte Kirche zu<br />
bekommen. Die geistige Arbeit, die<br />
Leute umzustimmen, dass sie auf<br />
die neue Kirche zugegangen sind,<br />
das war eine riesige Meinungsbildung<br />
im ganzen <strong>Kirchengemeinde</strong>rat.<br />
Das hat der Pfarrer müssen, und<br />
der Dekan. Der Erich Schröm hatte<br />
nach dem Bau zu schauen und dem<br />
Finanziellen. Er war auch ein Befürworter.<br />
Sobald fest stand, man<br />
kann mit dem alten Bau nichts Befriedigendes<br />
machen, war Schröm<br />
insofern ein ganz wichtiger Mann,<br />
weil er sagte, als erster, es kann<br />
nicht alles an der Finanzierung aufgehängt<br />
werden. Er hat die Schneise<br />
geschlagen: <strong>Ruit</strong> schafft das finanziell.<br />
Die erlösende Sicherheit<br />
kam dann auch vom Rathaus: Bürgermeister<br />
Vatter hat mit seinen<br />
Gemeinderäten durchblicken lassen,<br />
wir stehen auch dahinter.<br />
Es waren wohl alle vom bürgerlichen<br />
Gemeinderat Original-<strong>Ruit</strong>er,<br />
und Protestanten auch, da war doch<br />
sicher eine große Schnittmenge.<br />
Ja, richtig. Und noch etwas: <strong>Ruit</strong><br />
hatte immer eine relativ gute ökumenische<br />
Verbindung, es war auch<br />
so, dass zum Beispiel Oskar Schuster<br />
– der war bürgerlicher Gemeinderat<br />
– nie in die Kerbe gehauen<br />
und gesagt hätte: eine neue Kirche,<br />
da bin ich stur dagegen. Also, selbst<br />
die Katholischen hatten nichts dagegen,<br />
die sagten: „Machet des!“<br />
Und dann eben die Überzeugungsarbeit<br />
vom Pfarrer Roller und dem<br />
übrigen <strong>Kirchengemeinde</strong>rat mit<br />
dem Argument, dass alles andere<br />
eben nur eine halbe Geschichte<br />
gibt, dass man sich, wenn es auch<br />
schmerzhaft ist, gescheiterweise<br />
vom Alten trennen muss.<br />
Gab es denn eine Form, mit der man<br />
sich sozusagen in aller Form von<br />
der alten Kirche verabschiedete und<br />
die neue willkommen hieß<br />
Ja, es gab eine Abschiedsfeier,<br />
mit Chor und Bläsern. Pfarrer Roller<br />
sprach noch Segens- und Abschiedsworte,<br />
und dann ging ein<br />
festlicher Zug hinüber in die neue<br />
Kirche mit der Schlüsselübergabe.<br />
Und erst danach wurde die alte<br />
Kirche vollends abgebaut, alte und<br />
neue Kirche standen da ja noch nebeneinander.<br />
Warum hat man das alte Kreuz, das<br />
Kruzifix, mitgenommen<br />
Man konnte es wohl von seiner<br />
Aussage her nicht übergehen. Man<br />
wollte vielleicht sagen, dass ist der<br />
Kern der evangelischen Botschaft,<br />
und das schmeißen wird nicht raus.<br />
Es war auch so, dass die Kreuzesbalken<br />
neu angefertigt werden<br />
mussten. Ich kann mir vorstellen,<br />
dass die Höhe des alten Kreuzes<br />
etwas zu kurz war, und man es deshalb<br />
machte, auch aus optischen<br />
Gründen. Es hat ja auch zum Altar<br />
und zu den Türen passen müssen.<br />
Konnte sich überhaupt das alte<br />
Kirchgefühl im neuen Kirchenraum<br />
einstellen<br />
Die Wehmut war lange zu spüren,<br />
auf jeden Fall. Das war bei denen<br />
so, die viel in der Kirche waren,<br />
aber selbst bei solchen, von denen<br />
man es nicht gedacht hätte, und<br />
die man nur ganz selten in der Kirche<br />
sah. Auch von denen hat man<br />
immer wieder gehört: in der alten<br />
Kirche habe ich mich heimeliger<br />
gefühlt.<br />
Ist eine Kirche, auch unsere Auferstehungskirche,<br />
eigentlich ein heiliger<br />
Ort<br />
Für mich schon. Ich tue mich auch<br />
schwer, wenn beim Gottesdienst in<br />
der Kirche etwas von banalen Dingen<br />
übertönt wird. Ja, die Kirche<br />
ist ein Ort, wo ich Gott suchen und<br />
finden kann. Also, wo ich das Wort<br />
Gottes hören kann, wo ich beten<br />
kann. Und wo ja auch die Sakramente<br />
gefeiert werden, Abendmahl<br />
und Taufe. Vielleicht muss man bei<br />
der Frage auch beachten, dass Gott<br />
nicht an Raum und Zeit hängt.<br />
Könnte die Kirche auch ein Ort sein,<br />
den man mal „nur so“ aufsucht<br />
Auf jeden Fall ist es ein solcher Ort.<br />
Da finde ich jetzt unsere moderne<br />
Kirche eine Chance, also besonders<br />
gut. Mir sagt die Plastik vom<br />
Auferstandenen besonders viel.<br />
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