Die faszinierende Evolution der Insekten - Staatliches Museum fuer ...
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18<br />
<strong>Die</strong> Tausendfüßer (Abb. 9) haben zwar<br />
ebenfalls einen klar abgegrenzten Kopf,<br />
jedoch fehlt eine Unterteilung in Bruststück<br />
und Hinterleib. Auf den Kopf folgt<br />
bei ihnen nur eine mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> lange<br />
Reihe gleich gebauter Segmente, von<br />
denen jedes ein o<strong>der</strong> zwei Beinpaare trägt.<br />
Wie die <strong>Insekten</strong> besitzen die Tausendfüßer,<br />
im Unterschied zu den Krebstieren,<br />
nur ein einziges Paar langer, einästiger<br />
Fühler. <strong>Die</strong> <strong>Insekten</strong> unterscheiden sich<br />
von den Krebstieren zudem dadurch, dass<br />
am Hinterleibsende nur zwei Anhänge<br />
statt eines dreiteiligen Schwanzfächers<br />
sitzen. Auf Grund <strong>der</strong> engen Verwandtschaft<br />
<strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> mit den Krebsen und<br />
Tausendfüßern wäre allerdings zu erwarten,<br />
dass frühe Ahnen <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> wie<br />
diese auch noch Beine an den Hinterleibssegmenten<br />
trugen.<br />
Zusammenfassend kann man also feststellen,<br />
dass <strong>der</strong> gesuchte Urahne aller<br />
<strong>Insekten</strong>, neben den allgemeinen Glie<strong>der</strong>tiermerkmalen<br />
(z.B. Komplexaugen),<br />
folgende Merkmale aufweisen müsste: Ein<br />
deutlich abgegrenzter Kopf mit nur einem<br />
Fühlerpaar, ein dreigliedriger Brustabschnitt<br />
mit drei Laufbeinpaaren und ein<br />
längerer Hinterleib mit zahlreicheren<br />
(vermutlich verkleinerten) Beinpaaren und<br />
zwei Schwanzanhängen.<br />
Es ist ein wirklicher Glücksfall, dass<br />
kürzlich in <strong>der</strong> Tat ein fossiler Organismus<br />
in den unterdevonischen Hunsrückschiefern<br />
entdeckt wurde, <strong>der</strong> genau diese beschriebene<br />
Merkmalskombination zeigt<br />
(Abb. 10). Auf den Kopf, mit nur einem<br />
Fühlerpaar, folgt ein Bruststück, das drei<br />
Paar lange, recht dünne Beine trägt.<br />
Darauf folgt <strong>der</strong> Hinterleib mit etwa 30<br />
Segmenten, <strong>der</strong> ähnlich wie bei den<br />
heutigen Tausendfüßern je ein kurzes<br />
Beinpaar trägt. Am Hinterleibsende finden<br />
sich zwei merkwürdig geformte Schwanzanhänge.<br />
Zur Zeit wird dieses hochinteressante<br />
Fossil noch wissenschaftlich beschrieben.<br />
Da die neue Tierart somit noch nicht wissenschaftlich<br />
benannt wurde (wofür es<br />
feste Regeln gibt), sei sie hier vorläufig<br />
nur als Devon-Hexapode bezeichnet.<br />
<strong>Die</strong> enge Verwandtschaft dieses Devon-<br />
Hexapoden mit den tausendfüßerähnlichen<br />
Vorfahren zeigt u.a. das Vorhandensein<br />
von kurzen, aber wohl definierten Beinen<br />
am Hinterleib. <strong>Die</strong>se Beine sind bei den<br />
heutigen Tausendfüßern genauso gebaut<br />
wie die ersten drei Beinpaare. Bei den<br />
rezenten (das heißt den heute lebenden)<br />
<strong>Insekten</strong> sind sie in aller Regel stark<br />
reduziert und abgeän<strong>der</strong>t, so dass sie gar<br />
nicht mehr als Beine erkennbar sind und<br />
völlig fehlen. Tatsächlich sind die<br />
Schwanzfäden (Cerci) <strong>der</strong> Heuschrecken<br />
o<strong>der</strong> die Zangen <strong>der</strong> Ohrwürmer nichts<br />
an<strong>der</strong>es als abgewandelte Beinpaare,<br />
ebenso wie die Sprunggabel <strong>der</strong> Springschwänze.<br />
Allerdings ist <strong>der</strong> Devon-<br />
Hexapode nicht das einzige Insekt, bei<br />
dem die Beine am Hinterleib noch als<br />
solche erkennbar sind. Aus den viel späteren<br />
Ablagerungen <strong>der</strong> nordamerikanischen<br />
Steinkohlezeit von Mazon Creek sind bereits<br />
vor einigen Jahren Doppelschwänze,<br />
Felsenspringer und „Silberfischchen“<br />
bekannt geworden, die zwar drei starke<br />
Laufbeinpaare am Bruststück haben, aber<br />
überraschen<strong>der</strong>weise keinen beinlosen<br />
Hinterleib, son<strong>der</strong>n acht weitere kurze und<br />
recht dünne Beinpaare, die allesamt auch<br />
noch paarige Klauen besitzen (Abb. 11).<br />
Auch die ganz am Hinterende liegenden<br />
Genital- und Schwanzanhänge, welche<br />
beide aus Beinen entstanden sind, weisen<br />
noch Segmentierung und Krallen auf.<br />
Einen schlagen<strong>der</strong>en Beweis dafür, dass<br />
sich <strong>Insekten</strong> aus tausendfüßerähnlichen<br />
Vorfahren entwickelt haben, kann man sich<br />
kaum vorstellen.<br />
Der Devon-Hexapode entstammt einer<br />
rein marinen Ablagerung, könnte aber<br />
theoretisch auch ins Meer gespült worden