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Fünf Freunde erforschen die Schatzinsel - Buchhandel.de

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<strong>Fünf</strong> <strong>Freun<strong>de</strong></strong>


Alle Bän<strong>de</strong> auf einen Blick<br />

<strong>Fünf</strong> <strong>Freun<strong>de</strong></strong><br />

… <strong>erforschen</strong> <strong>die</strong> <strong>Schatzinsel</strong> (Band 1)<br />

… auf neuen Abenteuern (Band 2)<br />

… auf geheimnisvollen Spuren (Band 3)<br />

… auf Schmugglerjagd (Band 4)<br />

… beim Wan<strong>de</strong>rzirkus (Band 5)<br />

… auf <strong>de</strong>r Felseninsel (Band 6)<br />

… im Zeltlager (Band 7)<br />

… geraten in Schwierigkeiten (Band 8)<br />

… helfen ihren Kamera<strong>de</strong>n (Band 9)<br />

… auf großer Fahrt (Band 10)<br />

… als Retter in <strong>de</strong>r Not (Band 11)<br />

… im alten Turm (Band 12)<br />

… jagen <strong>die</strong> Entführer (Band 13)<br />

… verfolgen <strong>die</strong> Strandräuber (Band 14)<br />

… wittern ein Geheimnis (Band 15)<br />

… auf <strong>de</strong>m Leuchtturm (Band 16)<br />

… im Nebel (Band 17)<br />

… und das Burgverlies (Band 18)<br />

… und <strong>die</strong> wil<strong>de</strong> Jo (Band 19)<br />

… und <strong>de</strong>r Zauberer Wu (Band 20)<br />

… machen eine Ent<strong>de</strong>ckung (Band 21)<br />

… meistern je<strong>de</strong> Gefahr (Band 22)<br />

… und das Höhlengeheimnis (Band 23)<br />

… und <strong>die</strong> Juwelen<strong>die</strong>be (Band 24)<br />

… und <strong>die</strong> geheimnisvolle Formel (Band 25)<br />

… und <strong>die</strong> Entführung (Band 26)<br />

… und das versunkene Schiff (Band 27)<br />

… und <strong>die</strong> schwarze Maske (Band 28)<br />

… jagen <strong>die</strong> Spione (Band 29)<br />

… auf Expedition (Band 30)<br />

… und das Geheimnis <strong>de</strong>r Statue (Band 31)<br />

… und <strong>die</strong> geheimnisvolle Schatztruhe (Band 32)<br />

… und <strong>die</strong> seltsame Erbschaft (Band 33)<br />

… suchen <strong>de</strong>n verschollenen Goldschatz (Band 34)<br />

… im Dschungel (Band 35)<br />

… und <strong>de</strong>r verdächtige Professor (Band 36)<br />

… entlarven <strong>de</strong>n Betrüger (Band 37)<br />

… und <strong>de</strong>r Schatz <strong>de</strong>s Ritters (Band 38)<br />

… und <strong>die</strong> verschwun<strong>de</strong>ne Erfindung (Band 39)<br />

… und <strong>die</strong> versteckten Perlen (Band 40)<br />

… und <strong>de</strong>r geheimnisvolle Schneemensch (Band 41)<br />

… und <strong>de</strong>r rätselhafte Friedhof (Band 42)<br />

… und <strong>de</strong>r gefährliche Wassermann (Band 43)<br />

… und <strong>die</strong> geheimnisvolle Burgruine (Band 44)<br />

… retten <strong>die</strong> Felseninsel (Band 45)<br />

… und <strong>die</strong> Wahrsagerin (Band 46)


Foto: © cbj, München<br />

Enid Blyton, 1897 in London<br />

geboren, begann im Alter von<br />

14 Jahren, Gedichte zu schreiben. Bis zu ihrem Tod im<br />

Jahre 1968 verfasste sie über 700 Bücher und mehr als<br />

10 000 Kurzgeschichten. Bis heute gehört Enid Blyton<br />

zu <strong>de</strong>n meistgelesenen Kin<strong>de</strong>rbuchautoren <strong>de</strong>r Welt.<br />

Ihre Bücher wur<strong>de</strong>n in über 40 Sprachen übersetzt.<br />

Von Enid Blyton sind bei cbj und bei OMNIBUS<br />

folgen<strong>de</strong> Serien erschienen:<br />

»<strong>Fünf</strong> <strong>Freun<strong>de</strong></strong>« (46 Bän<strong>de</strong>)<br />

»<strong>Fünf</strong> <strong>Freun<strong>de</strong></strong> und du« (11 Bän<strong>de</strong>)<br />

»Die Schwarze 7« (15 Bän<strong>de</strong>)<br />

und »Lissy im Internat« (2 Bän<strong>de</strong>)


<strong>Fünf</strong> <strong>Freun<strong>de</strong></strong><br />

<strong>erforschen</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Schatzinsel</strong><br />

Illustriert von Eileen A. Soper


cbj ist <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r- und Jugendbuchverlag<br />

in <strong>de</strong>r Verlagsgruppe Random House<br />

Umwelthinweis:<br />

Dieses Buch wur<strong>de</strong> auf<br />

chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.<br />

Gesetzt nach <strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>r Rechtschreibreform<br />

63. Auflage<br />

© 1953, 1997 für <strong>die</strong> <strong>de</strong>utschsprachige Ausgabe<br />

cbj, München<br />

Neubearbeitung 1997<br />

Alle <strong>de</strong>utschsprachigen Rechte vorbehalten<br />

Kein Teil <strong>die</strong>ses Werkes darf ohne Genehmigung<br />

<strong>de</strong>s Verlages nachgedruckt, in Datenverarbeitungsanlagen<br />

gespeichert o<strong>de</strong>r durch Fernsehsendungen, auf elektronischem,<br />

mechanischem, photomechanischem o<strong>de</strong>r ähnlichem Weg<br />

sowie durch Tonbandaufzeichnungen wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Originalausgabe erschien 1942<br />

unter <strong>de</strong>m Titel »Five on a Treasure Island«<br />

bei Hod<strong>de</strong>r & Stoughton Ltd., London<br />

© Enid Blyton Limited, London<br />

Enid Blytons Unterschrift und »<strong>Fünf</strong> <strong>Freun<strong>de</strong></strong>« sind<br />

eingetragene Warenzeichen von Enid Blyton Limited.<br />

Aus <strong>de</strong>m Englischen von Dr. Werner Lincke<br />

Umschlagbild und Innenillustrationen:<br />

© Hod<strong>de</strong>r & Stoughton Ltd., London<br />

Umschlagkonzeption: Atelier Langenfass, Ismaning<br />

Herstellung: Papenbrok/Strohkendl<br />

Druck: GGP Media GMBH, Pößneck<br />

ISBN-10: 3-570-03311-2<br />

ISBN-13: 978-3-570-03311-1<br />

Printed in Germany<br />

www.cbj-verlag.<strong>de</strong>


Eine große Überraschung<br />

»Mutter, was machen wir in <strong>de</strong>n Sommerferien?«, fragte<br />

Julius am Frühstückstisch. »Fahren wir wie<strong>de</strong>r nach<br />

Maareningen?«<br />

»Ich fürchte, nein«, entgegnete <strong>die</strong> Mutter. »Dort ist in<br />

<strong>die</strong>sem Jahr schon alles ausgebucht.«<br />

Die drei Kin<strong>de</strong>r am Frühstückstisch sahen einan<strong>de</strong>r<br />

enttäuscht an. Sie hingen doch so sehr an ihrem Ferienhaus<br />

in Maareningen. Der Strand war dort begeisternd<br />

schön und ba<strong>de</strong>n konnte man wie bestimmt nirgends<br />

sonst.<br />

»Na, lasst nicht gleich <strong>de</strong>n Kopf hängen«, mischte sich<br />

Vater ins Gespräch, »wir wer<strong>de</strong>n schon einen an<strong>de</strong>ren<br />

schönen Platz für euch ausfindig machen. – Übrigens,<br />

Mutter und ich wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong>ses Jahr nicht mitfahren können.<br />

Hat sie schon etwas davon gesagt?«<br />

»Nein!«, rief Anne. »Ist das wahr? Könnt ihr wirklich<br />

nicht mit? Ihr wart doch sonst immer dabei.«<br />

»Ja, doch <strong>die</strong>ses Mal wollen Vater und ich miteinan<strong>de</strong>r<br />

in <strong>die</strong> Berge gehen«, sagte <strong>die</strong> Mutter. »Und zwar ganz<br />

allein! Ihr seid wirklich groß genug, um auf euch selbst<br />

zu achten. Bestimmt macht es euch Freu<strong>de</strong>, einmal ganz<br />

ohne Aufsicht zu sein. Die Frage ist nur, wo? Ich weiß<br />

wirklich nicht recht, wohin mit euch.«<br />

»Was haltet ihr von einem Besuch bei Onkel Quentin?«,<br />

fragte Vater plötzlich. Quentin war sein Bru<strong>de</strong>r. Die Kin<strong>de</strong>r<br />

hatten ihn nur einmal gesehen und sie fürchteten ihn<br />

7


eigentlich ein bisschen. Er war sehr groß, etwas verdrossen,<br />

doch ein kluger Gelehrter.<br />

Seine Zeit war mit Forschungsarbeiten ausgefüllt.<br />

Onkel Quentin lebte an <strong>de</strong>r See. Das war ungefähr alles,<br />

was <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r von ihm wussten.<br />

»Quentin?«, sagte <strong>die</strong> Mutter ge<strong>de</strong>hnt und verzog<br />

dabei ein wenig <strong>de</strong>n Mund. »Wie kommst du gera<strong>de</strong> auf<br />

ihn? Ich kann mir nicht <strong>de</strong>nken, dass er einverstan<strong>de</strong>n<br />

ist, wenn <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r Unruhe in sein Haus bringen.«<br />

»Du irrst dich«, beschwichtigte Vater sie. »Ich habe<br />

neulich mit Quentins Frau länger telefoniert – in einer<br />

geschäftlichen Angelegenheit –, und ich hatte <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

dass ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht allzu<br />

rosig sind. Fanny ließ durchblicken, dass sie recht froh<br />

wäre, wenn sie durch Feriengäste etwas Geld ver<strong>die</strong>nen<br />

könnte. Ihr Haus liegt unmittelbar am Strand. Außer<strong>de</strong>m<br />

ist Fanny sehr nett – sie wür<strong>de</strong> <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r sicherlich<br />

gut betreuen.«<br />

»Ja, davon bin ich überzeugt«, sagte <strong>die</strong> Mutter. »Sie<br />

hat auch eine Tochter. Wie heißt sie doch gleich …<br />

irgen<strong>de</strong>twas Lustiges – ja, richtig: Georgina! Ich glaube,<br />

sie ist ungefähr elf Jahre alt.«<br />

»Genauso alt wie ich«, sagte Richard. »Komisch, eine<br />

Kusine zu haben, <strong>die</strong> wir noch nicht kennen. Hoffentlich<br />

kann man mit ihr etwas anfangen. Das wäre nichts für<br />

mich, so ganz allein. Ich habe doch wenigstens Julius<br />

und Anne, mit <strong>de</strong>nen ich spielen kann. Georgina hat nieman<strong>de</strong>n.<br />

Sie wür<strong>de</strong> sich bestimmt über eine Abwechslung<br />

freuen.«<br />

»Ja, Tante Fanny hat gesagt, dass sich Georgina ein<br />

bisschen Gesellschaft wünscht«, sagte <strong>de</strong>r Vater. »Und<br />

ich <strong>de</strong>nke, es ist am besten, wenn wir anrufen und euren<br />

8


Besuch ankündigen. Tante Fanny kann einen Zuschuss<br />

zum Haushaltsgeld gut gebrauchen, das weiß ich, und<br />

Georgina wird glücklich sein, in <strong>de</strong>n Ferien Spielkamera<strong>de</strong>n<br />

zu haben. Und wir – wir wüssten, dass unsere drei<br />

gut untergebracht sind«, fügte er, zu seiner Frau gewandt,<br />

lächelnd hinzu.<br />

Die Spannung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r wuchs zusehends. »Sind<br />

dort auch Klippen und Felsen und Sand?«, fragte Anne.<br />

»Ist es da auch wirklich schön?«<br />

»Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern«,<br />

sagte <strong>de</strong>r Vater. »Aber ich habe das ganz bestimmte Gefühl,<br />

dass es irgendwie sehr romantisch und aufregend<br />

sein wird. Je<strong>de</strong>nfalls wer<strong>de</strong>t ihr euch dort sehr wohl<br />

fühlen. Der Flecken heißt ›Felsenbucht‹. Eure Tante<br />

Fanny hat ihr ganzes Leben dort verbracht. Sie wür<strong>de</strong> ihr<br />

Haus um nichts in <strong>de</strong>r Welt hergeben.«<br />

»Ruf doch bitte Tante Fanny gleich mal an und frage<br />

sie, ob wir kommen dürfen!«, rief Richard. »Ich wette, es<br />

ist <strong>de</strong>r richtige Ort für uns. Der Name klingt schon so<br />

abenteuerlich!«<br />

»Na, das sagst du immer, wohin du auch fährst«,<br />

meinte Vater lachend. »Also, in Ordnung, ich wer<strong>de</strong><br />

Tante Fanny anrufen und mal hören, was zu machen ist.«<br />

Sie hatten alle ihr Frühstück been<strong>de</strong>t und stan<strong>de</strong>n auf.<br />

Der Vater ging ins Nebenzimmer, wo das Telefon stand,<br />

und <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r warteten gespannt auf seine Rückkehr.<br />

»Hoffen wir, dass es klappt«, sagte Julius. »Ich bin<br />

neugierig, wie Georgina aussieht. Ulkiger Name, nicht?<br />

Er klingt mehr nach einem Jungen- als nach einem<br />

Mädchennamen. So – elf Jahre ist sie also – ein Jahr jünger<br />

als ich – so alt wie du, Richard – und ein Jahr älter als<br />

Anne. Da sollte sie eigentlich gut zu uns passen. Wenn<br />

9


ich mich nicht sehr täusche, wer<strong>de</strong>n unsere Ferien herrlich.«<br />

Der Vater kam nach etwa zehn Minuten zurück. Als<br />

<strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r sein heiteres Gesicht sahen, wussten sie sofort,<br />

dass alles in ihrem Sinne geregelt war.<br />

»Nun, das wäre also in Ordnung«, begann er. »Tante<br />

Fanny ist von unserem Plan begeistert. Sie meinte auch,<br />

dass es Georgina sehr gut tun wür<strong>de</strong>, mal jeman<strong>de</strong>n um<br />

sich zu haben. Sie sei ein einsames Mädchen, immer nur<br />

sich selbst überlassen. Und Tante Fanny freut sich schon<br />

darauf, euch alle zu bemuttern. Nur müsst ihr darauf<br />

achten, dass Onkel Quentin nicht gestört wird. Er arbeitet<br />

sehr viel und wird nicht gera<strong>de</strong> gut gelaunt sein,<br />

wenn ihr wie <strong>die</strong> Wil<strong>de</strong>n durch das Haus tobt.«<br />

»Wir wer<strong>de</strong>n so leise wie <strong>die</strong> Mäuschen sein«, versprach<br />

Richard, »das ist Ehrensache. – Toll, wann geht’s<br />

los?«<br />

»Nächste Woche, wenn Mutter es einrichten kann.«<br />

Die Mutter nickte zustimmend. »Ja, gut«, sagte sie,<br />

»zu richten ist nicht allzu viel – nur eben Ba<strong>de</strong>anzüge,<br />

Jacken, Hosen, Pullover, viel mehr braucht ihr nicht.«<br />

»Ach, wie freue ich mich darauf«, jubelte Anne und<br />

vollführte einen Freu<strong>de</strong>ntanz. »Ich hab’s satt, Schulklei<strong>de</strong>r<br />

zu tragen. Shorts o<strong>de</strong>r einen Ba<strong>de</strong>anzug und dann<br />

ba<strong>de</strong>n gehen o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Jungen klettern.«<br />

»Schön, bald ist es so weit«, sagte lächelnd <strong>die</strong> Mutter.<br />

»Vergiss nicht, etwas Spielzeug und ein paar Bücher mitzunehmen.<br />

Aber nicht zu viel, <strong>de</strong>nn überflüssigen Platz<br />

habt ihr keinen.«<br />

»Und keine fünfzehn Puppen wie im letzten Jahr!«,<br />

rief <strong>de</strong>r boshafte Richard scheinheilig. »Weißt du noch –<br />

wir haben uns halb totgelacht.«<br />

10


Anne wur<strong>de</strong> rot. »Hör bloß auf. Denk dran, was du<br />

alles mitnehmen wolltest. Dafür hätten wir einen Laster<br />

gebraucht!«<br />

»Und das Jahr vorher wolltest du das Schaukelpferd<br />

dabeihaben!«, fuhr Richard kichernd fort.<br />

Jetzt mischte sich <strong>die</strong> Mutter ein: »Und ich erinnere<br />

mich an einen Jungen namens Richard, <strong>de</strong>r schon ein<br />

halbes Jahr vorher zwei Riesenpuppen, einen Teddybär,<br />

drei Spielhun<strong>de</strong>, zwei Stoffkatzen und seinen alten<br />

Affen beiseite getan hat, um sie nach Maareningen mitzunehmen.«<br />

Jetzt war Richard an <strong>de</strong>r Reihe, rot zu wer<strong>de</strong>n. Er<br />

wechselte sofort das Thema. »Fahren wir mit <strong>de</strong>m Zug<br />

o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Auto?«, fragte er.<br />

»Mit <strong>de</strong>m Auto. Wir können dann alles hinten im Kofferraum<br />

verstauen. Wie wär’s mit Dienstag?«<br />

»Das wür<strong>de</strong> mir gut passen«, sagte Mutter. »Wir können<br />

<strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r hinbringen, zurückkommen, unsere Sachen<br />

in Ruhe packen und am Freitag in <strong>die</strong> Berge fahren.«<br />

So blieb es also bei Dienstag. Die Kin<strong>de</strong>r zählten ungeduldig<br />

<strong>die</strong> Tage und Anne strich je<strong>de</strong>n Abend <strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>r<br />

ab. Die Woche schien sich endlos zu <strong>de</strong>hnen. Aber<br />

schließlich war es Dienstag. Richard und Julius, <strong>die</strong> in<br />

einem Zimmer schliefen, wachten fast zur gleichen Zeit<br />

auf. Ihr Blick ging zum Fenster.<br />

»Es ist ein herrlicher Tag, hurra!«, schrie Julius und<br />

sprang mit einem Satz aus <strong>de</strong>m Bett. »Ich weiß nicht,<br />

warum, aber alle sagen, es ist sehr wichtig, dass am<br />

ersten Ferientag <strong>die</strong> Sonne scheint. Los, wir wecken<br />

Anne!«<br />

Die Schwester schlief im angrenzen<strong>de</strong>n Zimmer. Julius<br />

schlich hinein und rüttelte sie kräftig. »Wach auf! Es ist<br />

11


Dienstag! Und <strong>die</strong> Sonne scheint!«, rief er, so laut er<br />

konnte.<br />

Anne fuhr hoch und wäre Julius am liebsten ins Gesicht<br />

gesprungen. »Bist du verrückt?«, fauchte sie. »Mich<br />

so zu erschrecken. Und das am frühen Morgen.«<br />

Gleich nach <strong>de</strong>m Frühstück brachen sie auf. Der geräumige<br />

Wagen stand schon bereit. Mutter saß vorn beim<br />

Vater, <strong>die</strong> drei Kin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Rückbank. Unter ihren<br />

Füßen stan<strong>de</strong>n zwei kleine Koffer, alles an<strong>de</strong>re war im<br />

Kofferraum untergebracht. Mutter überlegte immer wie<strong>de</strong>r,<br />

ob sie auch an alles gedacht hatte.<br />

Im Verkehrsgewühl kamen sie nur langsam voran. Erst<br />

als sie <strong>die</strong> Stadt hinter sich gelassen hatten, gab Vater Gas.<br />

Sie fuhren durch eine weite, sonnenüberflutete Ebene. Im<br />

Auto wur<strong>de</strong> es heiß. Die Kin<strong>de</strong>r schwitzten.<br />

»Machen wir bald Picknick?«, fragte Anne. Sie stellte<br />

sich <strong>de</strong>n Schatten unter einem Baum vor und kühlen<br />

Wind, <strong>de</strong>r vom Meer her wehte.<br />

»Ja«, antwortete Mutter, »aber jetzt noch nicht. Es ist<br />

erst elf Uhr. Wir wollen noch bis halb eins warten.«<br />

»Du meine Güte!«, rief Anne. »So lange halte ich es bestimmt<br />

nicht aus.«<br />

Da reichte ihr <strong>die</strong> Mutter eine Limodose und <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r<br />

tranken sie leer.<br />

Endlich lenkte <strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>n Wagen von <strong>de</strong>r Straße. Sie<br />

hielten neben einem Hügel und rasteten auf einer sanft<br />

abfallen<strong>de</strong>n Wiese. Ein weites, sonniges Tal öffnete sich<br />

vor ihre Blicken. Zwischen hohen Bäumen lag ein Dorf.<br />

Ein Fluss schlängelte sich glitzernd durch <strong>die</strong> Landschaft.<br />

Die Kin<strong>de</strong>r aßen, als wären sie am Verhungern,<br />

und Mutter erklärte, dass sie anstelle <strong>de</strong>s für halb vier<br />

geplanten zweiten Picknicks irgendwo in einem Gast-<br />

12


haus einkehren müssten, weil alle belegten Brote aufgegessen<br />

wor<strong>de</strong>n waren.<br />

»Um wie viel Uhr wer<strong>de</strong>n wir bei Tante Fanny sein?«,<br />

fragte Julius und stopfte <strong>de</strong>n letzten Bissen in <strong>de</strong>n Mund.<br />

»Ungefähr um sechs, wenn wir Glück haben«, sagte<br />

Vater und fügte hinzu: »Jetzt wollen wir uns ein wenig<br />

<strong>die</strong> Beine vertreten. Wir haben noch eine lange Fahrt vor<br />

uns.«<br />

Schließlich ging es weiter. Der große Wagen schien <strong>die</strong><br />

Kilometer zu fressen, so sauste er dahin. Der Nachmittag<br />

rückte heran. Die Kin<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n immer aufgeregter.<br />

»Wir müssen nach <strong>de</strong>m Meer Ausschau halten«, sagte<br />

Richard. »Ich glaube, ich rieche schon <strong>die</strong> See.«<br />

Er hatte Recht. Der Wagen nahm einen Hügel – und<br />

da, auf <strong>de</strong>r rechten Seite, tauchte plötzlich <strong>die</strong> blaue See<br />

vor ihnen auf. Ruhig und glatt lag sie vor ihnen, im<br />

Schimmer <strong>de</strong>r späten Nachmittagssonne. Die drei Kin<strong>de</strong>r<br />

stießen einen Jubelschrei aus.<br />

»Da ist das Meer!«<br />

»Ist es nicht fantastisch?«<br />

»Ich möchte am liebsten gleich hineinspringen!«<br />

»In knapp zwanzig Minuten haben wir’s geschafft«,<br />

sagte Vater. »Wir sind ganz or<strong>de</strong>ntlich gefahren. Gleich<br />

wer<strong>de</strong>t ihr <strong>die</strong> Bucht sehen. Sie ist ziemlich groß, mit<br />

einer merkwürdigen Insel vor <strong>de</strong>r Einfahrt.«<br />

Die Kin<strong>de</strong>r hielten danach Ausschau, während sie <strong>die</strong><br />

Küste entlangfuhren. Julius ent<strong>de</strong>ckte sie als Erster. Mit<br />

einem Freu<strong>de</strong>nschrei wäre er beinahe aufgesprungen.<br />

»Dort, dort, das muss <strong>die</strong> Bucht sein. Seht nur, ist sie<br />

nicht herrlich blau?«<br />

»Und da drüben liegt <strong>die</strong> kleine felsige Insel, am Eingang<br />

<strong>de</strong>r Bucht!«, rief Richard. »Da möchte ich mal hin!«<br />

13


»Ich zweifle nicht daran, dass du ihr bald einen Besuch<br />

abstatten wirst.« Die Mutter lachte. »Aber jetzt wollen<br />

wir erst mal Tante Fannys ›Felsenhaus‹ suchen.«<br />

Es dauerte nicht lange und sie waren an Ort und Stelle.<br />

Das Haus stand an einer kleinen Klippe und ließ <strong>de</strong>n<br />

Blick über <strong>die</strong> ganze Bucht frei. Es war ein sehr altes,<br />

recht großes Haus, aus inzwischen verwitterten weißen<br />

Steinen gebaut. Rosen rankten an <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rseite empor<br />

und im Garten blühten je<strong>de</strong> Menge Blumen.<br />

»Das ist also das ›Felsenhaus‹«, sagte Vater und<br />

stoppte genau vor <strong>de</strong>m Hauseingang. »Das Haus soll<br />

dreihun<strong>de</strong>rt Jahre alt sein. Wo ist Quentin? – Hallo, dort<br />

kommt ja Fanny!«


Die frem<strong>de</strong> Kusine<br />

Tante Fanny hatte das Auto vorfahren sehen. Eilig lief sie<br />

<strong>de</strong>n Besuchern entgegen. Die Kin<strong>de</strong>r gefielen ihr auf <strong>de</strong>n<br />

ersten Blick.<br />

»Willkommen im Felsenhaus!«, rief sie. »Alle miteinan<strong>de</strong>r!<br />

Ich freue mich, euch zu sehen. Und wie groß ihr<br />

gewor<strong>de</strong>n seid, Kin<strong>de</strong>r!«<br />

Sie umarmten und begrüßten sich herzlich und dann<br />

betraten <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r das Haus. Es gefiel ihnen. Die uralten,<br />

schönen Möbel übten auf sie sogleich einen geheimnisvollen<br />

Zauber aus.<br />

»Wo ist Georgina?«, fragte Anne und schaute sich<br />

überall nach <strong>de</strong>r unbekannten Kusine um.<br />

»Ach, das unartige Mädchen. Ich sagte ihr noch, sie<br />

soll im Garten auf euch warten«, antwortete <strong>die</strong> Tante.<br />

»Nun ist sie irgendwohin gelaufen. Ich muss euch gleich<br />

warnen, Kin<strong>de</strong>r. Ihr wer<strong>de</strong>t Georg vielleicht ein bisschen<br />

komisch fin<strong>de</strong>n. Sie ist schon immer etwas merkwürdig<br />

gewesen. Und zunächst wird sie es durchaus nicht schön<br />

fin<strong>de</strong>n, dass ihr da seid. Aber ihr müsst das gar nicht beachten,<br />

sie wird in kurzer Zeit schon Zutrauen gewinnen.<br />

Ich bin so froh, dass ihr kommen konntet. Georgs<br />

wegen. Sie braucht dringend an<strong>de</strong>re Kin<strong>de</strong>r, mit <strong>de</strong>nen<br />

sie spielen kann.«<br />

»Ihr nennt sie Georg?«, fragte Anne überrascht. »Ich<br />

dachte, sie heißt Georgina?«<br />

»Ganz recht«, entgegnete Tante Fanny. »Aber Geor-<br />

15


gina hasst es, ein Mädchen zu sein. Wir müssen sie<br />

Georg rufen. Sie hört einfach nicht auf Georgina.«<br />

Die Kin<strong>de</strong>r fan<strong>de</strong>n, dass »Georgina« eine ziemlich aufregen<strong>de</strong><br />

Kusine sein müsse, und wünschten, sie wür<strong>de</strong><br />

recht bald auftauchen. Statt<strong>de</strong>ssen erschien plötzlich<br />

Onkel Quentin. Er sah ein bisschen eigenartig aus, war<br />

sehr groß und hatte dunkle Haare. Tiefe Falten durchfurchten<br />

seine Stirn. Er schien an etwas ganz an<strong>de</strong>res zu<br />

<strong>de</strong>nken.<br />

»Hallo, Quentin!«, begrüßte ihn Vater. »Wie geht’s dir?<br />

Es ist lange her, dass wir uns gesehen haben. Ich hoffe,<br />

<strong>die</strong> drei Rangen wer<strong>de</strong>n dich nicht allzu sehr bei <strong>de</strong>iner<br />

Arbeit stören.«<br />

»Quentin arbeitet an einem sehr schwierigen Buch«,<br />

antwortete Tante Fanny. »Ich habe ihm ein Zimmer auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s Hauses eingerichtet und glaube,<br />

dass er dort ruhig arbeiten kann.«<br />

Onkel Quentin sah auf <strong>die</strong> drei Kin<strong>de</strong>r und nickte<br />

ihnen freundlich zu. Aber <strong>die</strong> Falten wichen nicht von<br />

seiner Stirn. Die Kin<strong>de</strong>r fühlten sich ein wenig eingeschüchtert<br />

und waren froh, dass er seinen Arbeitsplatz<br />

in einem an<strong>de</strong>ren Teil <strong>de</strong>s Hauses hatte.<br />

»Wo ist Georg?«, fragte er mit tiefer Stimme.<br />

»Auf und davon«, sagte Tante Fanny ärgerlich. »Ich<br />

habe ihr gesagt, sie soll hier bleiben, um ihre Verwandten<br />

zu begrüßen.«<br />

»Sie sehnt sich wohl nach einer Tracht Prügel«, sagte<br />

Onkel Quentin, und <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r konnten nicht feststellen,<br />

ob er es im Ernst o<strong>de</strong>r Spaß meinte. »Nun, Kin<strong>de</strong>r,<br />

ich hoffe, ihr verlebt hier eine schöne Zeit – und vielleicht<br />

könnt ihr Georg ein bisschen zur Vernunft bringen.«<br />

16


Für Vater und Mutter gab es lei<strong>de</strong>r keine Übernachtungsmöglichkeit<br />

im Felsenhaus. Sie fuhren <strong>de</strong>shalb<br />

nach <strong>de</strong>m Abendbrot gleich weg, um sich ein Hotel in<br />

<strong>de</strong>r Stadt zu suchen. Von dort aus wollten sie am nächsten<br />

Morgen nach Hause fahren. Und so nahmen sie<br />

schon jetzt von ihren Kin<strong>de</strong>rn Abschied.<br />

Georgina war noch immer nicht erschienen. »Scha<strong>de</strong>,<br />

dass wir Georgina nicht gesehen haben«, sagte Mutter.<br />

»Grüße sie herzlich von uns, Fanny. Wir hoffen, dass sie<br />

sich mit Richard, Julius und Anne gut anfreun<strong>de</strong>n wird.«<br />

Dann brachen Vater und Mutter auf. Die Kin<strong>de</strong>r fühlten<br />

sich zunächst etwas verlassen, als sie <strong>de</strong>n großen<br />

schwarzen Wagen verschwin<strong>de</strong>n sahen. Aber Tante<br />

Fanny nahm sie gleich mit nach oben, um ihnen ihre<br />

Schlafzimmer zu zeigen, und so vergaßen sie bald ihren<br />

Kummer.<br />

Die bei<strong>de</strong>n Jungen schliefen in einem Zimmer mit<br />

schrägen Wän<strong>de</strong>n, unmittelbar unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>s<br />

Hauses. Sie hatten eine wun<strong>de</strong>rbare Aussicht auf <strong>die</strong><br />

Bucht. Richard und Julius waren begeistert. Anne sollte<br />

mit Georgina ein an <strong>de</strong>r Rückseite gelegenes kleines<br />

Zimmer teilen, von <strong>de</strong>ssen Fenster aus man über das<br />

weite Moor sehen konnte. Aber ein Seitenfenster gab<br />

auch <strong>de</strong>n Blick über <strong>die</strong> See frei. Das gefiel Anne beson<strong>de</strong>rs.<br />

Es war ein sehr freundliches Zimmer und rote<br />

Rosen blickten mit ihren Köpfchen in <strong>de</strong>n Raum hinein.<br />

»Ich hoffe, dass Georgina bald kommt«, sagte Anne zu<br />

ihrer Tante. »Ich möchte doch endlich wissen, wie sie<br />

aussieht.«<br />

»Nun, sie ist ein lustiges Mädchen«, sagte Tante Fanny.<br />

»Sie kann zwar sehr grob und ungezogen sein, aber im<br />

Herzen ist sie freundlich und aufrichtig und ehrlich.<br />

17


Wenn sie erst einmal mit dir Freundschaft geschlossen<br />

hat, wird sie dir immer eine treue Freundin sein – aber<br />

<strong>die</strong>ser Schritt fällt ihr zunächst schwer und das ist sehr<br />

scha<strong>de</strong>.«<br />

Anne fing plötzlich an zu gähnen. Die Jungen blickten<br />

sie böse an, weil sie ahnten, was jetzt geschehen wür<strong>de</strong>.<br />

Und richtig – Tante Fanny sagte: »Arme Anne! Wie<br />

mü<strong>de</strong> du bist! Ihr solltet jetzt alle gleich ins Bett gehen<br />

und euch ausschlafen. Dann seid ihr morgen ganz frisch<br />

und munter. Ich bringe euch nach oben.«<br />

»Anne, du bist ein Idiot«, sagte Richard wütend, als<br />

<strong>die</strong> Tante aus <strong>de</strong>m Zimmer gegangen war. »Du weißt<br />

doch ganz genau, was Erwachsene <strong>de</strong>nken, wenn Kin<strong>de</strong>r<br />

gähnen. Ich hatte mir so sehr gewünscht, noch auf<br />

einen Sprung hinunter an <strong>de</strong>n Strand gehen zu können.«<br />

»Es tut mir Leid«, sagte Anne, »ich konnte aber nicht<br />

an<strong>de</strong>rs. Und überhaupt – du gähnst jetzt, Richard, und<br />

du auch, Julius!«<br />

Tatsächlich. Auch <strong>die</strong> Jungen waren nach <strong>de</strong>r langen<br />

Fahrt mü<strong>de</strong> und sehnten sich danach, ins Bett zu hüpfen<br />

und <strong>die</strong> Augen zu schließen.<br />

»Ich möchte nur wissen, wo Georgina steckt«, sagte<br />

Anne, als sie ihren Brü<strong>de</strong>rn Gute Nacht sagte. »Ist sie<br />

nicht komisch – wartet nicht, um uns zu begrüßen,<br />

kommt nicht zum Abendbrot, und jetzt ist sie immer<br />

noch nicht da. Schließlich schläft sie doch mit mir in<br />

einem Zimmer. Wer weiß, wann sie wie<strong>de</strong>r auftaucht.«<br />

Sie ging hinüber in ihr Zimmer.<br />

Die drei Kin<strong>de</strong>r schliefen schon fest, als Georgina zu<br />

Bett ging. Sie hörten nicht, wie sie <strong>die</strong> Tür zu Annes Zimmer<br />

öffnete. Sie hörten nicht, wie sie sich auszog und<br />

ihre Zähne putzte. Sie hörten auch nicht das Knarren <strong>de</strong>s<br />

18


Bettes, als sie sich hineinlegte. Sie waren so mü<strong>de</strong>, dass<br />

sie überhaupt nichts hörten, bis <strong>die</strong> Sonne sie am nächsten<br />

Morgen weckte.<br />

Als Anne aufwachte, wusste sie zunächst nicht, wo sie<br />

war. Sie lag in einem frem<strong>de</strong>n Bett. Ihr Blick fiel auf <strong>die</strong><br />

schrägen Wän<strong>de</strong> und <strong>die</strong> roten Rosen, <strong>die</strong> in das offene<br />

Fenster nickten – und plötzlich kam ihr <strong>die</strong> Erinnerung,<br />

wo sie sich befand. Ich bin im Felsenhaus – und es sind<br />

Ferien, sagte sie zu sich selbst und kniff sich vor Freu<strong>de</strong><br />

in <strong>die</strong> Beine. Dann schaute sie hinüber zum an<strong>de</strong>ren Bett.<br />

Sie sah <strong>die</strong> Umrisse eines Kin<strong>de</strong>s, das zusammengekuschelt<br />

unter <strong>de</strong>r Bett<strong>de</strong>cke lag. Sie konnte gera<strong>de</strong> noch<br />

<strong>die</strong> Haarspitzen eines wil<strong>de</strong>n Lockenkopfes sehen, das<br />

war aber auch alles. Als sich <strong>die</strong> Bett<strong>de</strong>cke drüben ein<br />

wenig bewegte, fragte Anne: »Hallo – bist du Georgina?«<br />

Das Mädchen im gegenüberliegen<strong>de</strong>n Bett setzte sich<br />

auf und sah zu Anne herüber. Es hatte sehr kurzes, lockiges<br />

Haar. Ihr Gesicht war von <strong>de</strong>r Sonne dunkelbraun<br />

gebrannt und aus <strong>die</strong>sem Gesicht leuchteten zwei auffallend<br />

blaue Augen – Augen so hell wie Vergißmeinnicht.<br />

Aber <strong>de</strong>r Mund war trotzig aufgeworfen und sie<br />

hatte <strong>die</strong> Stirn in Falten gezogen – wie ihr Vater.<br />

»Nein«, sagte das Kind, »ich bin nicht Georgina.«<br />

»Wer bist du dann?«<br />

»Ich bin Georg«, sagte das Mädchen. »Ich wer<strong>de</strong> nur<br />

antworten, wenn du Georg zu mir sagst. Ich find’s blöd,<br />

ein Mädchen zu sein. Mädchen sind zickig und albern<br />

und müssen dauernd Sachen im Haushalt machen. Je<strong>de</strong>nfalls<br />

fin<strong>de</strong>n das <strong>die</strong> meisten Leute. Ich wollte, ich<br />

wäre ein Junge! Ich kann besser klettern als je<strong>de</strong>r Junge,<br />

schwimmen, segeln, so gut wie je<strong>de</strong>r Fischer. Wenn du<br />

19


mich Georg nennst, wer<strong>de</strong> ich mit dir re<strong>de</strong>n. Sonst<br />

nicht.«<br />

»Aha«, sagte Anne und dachte bei sich, dass ihre Kusine<br />

doch reichlich beknackt sei. »Nun gut, mir ist es<br />

egal, wie ich dich nenne. Georg ist ein hübscher Name,<br />

fin<strong>de</strong> ich. Georgina gefällt mir nicht so gut. Einerlei – du<br />

siehst wie ein Junge aus.«<br />

»Ist das wahr?«, rief Georg und vergaß einen Augenblick,<br />

<strong>die</strong> Stirn zu runzeln. »Mutter war sehr böse auf<br />

mich, als ich mein Haar gestutzt habe. Meine Haare<br />

fielen früher bis auf <strong>die</strong> Schultern. Es war eklig.«<br />

Einen Moment lang blickten sich <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Mädchen<br />

schweigend an. »Hasst du es nicht auch, ein Mädchen zu<br />

sein?«, fragte Georg.<br />

»Nein – warum auch? Ich fin<strong>de</strong>, es muss auch<br />

Mädchen geben. Und Puppen find ich einfach süß. Sogar<br />

Erwachsene sammeln Puppen. Auch Jungen spielen<br />

manchmal damit.«<br />

»Puuh!«, sagte Georg mit verächtlicher Stimme. »Puppen!<br />

Du bist das reinste Baby. Mehr habe ich dazu nicht<br />

zu sagen.«<br />

Anne fühlte sich verletzt. »Ein bisschen netter könntest<br />

du schon sein«, sagte sie. »Und du wirst nicht erwarten<br />

können, dass meine Brü<strong>de</strong>r Notiz von dir nehmen,<br />

wenn du so hochnäsig tust. Sie sind wirkliche Jungen,<br />

keine, <strong>die</strong> es sich bloß einbil<strong>de</strong>n – wie du.«<br />

»Auch gut. Wenn sie eklig zu mir sind, nehme ich<br />

keine Notiz von ihnen«, erklärte Georg und hüpfte aus<br />

<strong>de</strong>m Bett. »Ich wollte sowieso keinen von euch hier<br />

haben. Ihr stört hier nur. Ich bin mit mir allein ganz zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Wie komme ich dazu, mich mit einem dummen<br />

Mädchen abzugeben und zwei langweiligen Vettern.«<br />

20


Na, das kann ja heiter wer<strong>de</strong>n, dachte Anne. Aber sie<br />

sagte nichts mehr und fing an sich anzuziehen. Sie<br />

schlüpfte in ihre grauen, kurzen Hosen und in einen<br />

roten Pullover. Georg zog auch kurze Hosen an, dazu<br />

einen Jungenpullover. Gera<strong>de</strong> waren sie mit Anklei<strong>de</strong>n<br />

fertig, da hämmerten <strong>die</strong> Jungen schon an <strong>die</strong> Tür.<br />

21


»Seid ihr Langweiler noch nicht fertig? Ist Georgina da?<br />

Kusine Georgina, komm heraus und gib schön Pfötchen.«<br />

Georg riss <strong>die</strong> Tür auf und marschierte hoch erhobenen<br />

Hauptes hinaus. Von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Jungen nahm sie überhaupt<br />

keine Notiz. Sie schritt an ihnen vorbei und <strong>die</strong><br />

Treppe hinunter. Verblüfft sahen <strong>die</strong> drei einan<strong>de</strong>r an.<br />

»Sie antwortet nicht, wenn ihr sie Georgina ruft«, erklärte<br />

Anne. »Sie hat ‘nen richtigen Tick, glaube ich. Sie<br />

wollte auch nicht, dass wir kommen. Wir stören sie nur.<br />

Dann hat sie mich ausgelacht und war richtig gemein zu<br />

mir.«<br />

Julius legte seinen Arm um Anne, <strong>die</strong> etwas unglücklich<br />

dreinschaute. »Kopf hoch«, sagte er. »Du hast ja uns.<br />

Keine Angst, <strong>die</strong> biegen wir schon um. Komm, wir<br />

gehen jetzt zum Frühstück.«<br />

Sie waren alle sehr hungrig. Der Geruch von Schinken<br />

und Eiern stieg ihnen in <strong>die</strong> Nase. Sie liefen <strong>die</strong> Treppe<br />

hinunter und wünschten Tante Fanny Guten Morgen.<br />

Onkel Quentin saß an <strong>de</strong>r oberen Tischseite, in <strong>die</strong><br />

Zeitung vertieft. Er blickte kurz auf und nickte <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn<br />

zu. Sie setzten sich ohne ein Wort hin und warteten<br />

ab, ob es erlaubt war, bei Tisch zu sprechen. Zu<br />

Hause durften sie es immer, aber ihr Onkel blickte so<br />

ernst drein.<br />

Georg saß schon am Tisch und schmierte sich gera<strong>de</strong><br />

ein Butterbrötchen. Mürrisch blickte sie <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r an.<br />

»Schau nicht so böse, Georg«, sagte ihre Mutter. »Habt<br />

ihr euch noch nicht beschnuppert? Ich hoffe, ihr vertragt<br />

euch gut. Du wirst <strong>die</strong> drei heute mitnehmen und<br />

ihnen <strong>die</strong> Bucht zeigen und auch <strong>die</strong> schönsten Ba<strong>de</strong>plätze.«<br />

»Ich wer<strong>de</strong> fischen gehen«, sagte Georg patzig.<br />

22


UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE<br />

Enid Blyton<br />

<strong>Fünf</strong> <strong>Freun<strong>de</strong></strong> <strong>erforschen</strong> <strong>die</strong> <strong>Schatzinsel</strong><br />

Gebun<strong>de</strong>nes Buch, Pappband, 192 Seiten, 13,5 x 21,5 cm<br />

ISBN: 978-3-570-03311-1<br />

cbj<br />

Erscheinungstermin: September 1997<br />

Die weltberühmten fünf <strong>Freun<strong>de</strong></strong>: Anne, Georg (<strong>die</strong> eigentlich Georgina heißt), Richard, Julius<br />

und Tim, <strong>de</strong>r Hund. Alle 21 Bän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r erfolgreichsten Serie von Enid Blyton, neu bearbeitet von<br />

Elisabeth Lang. Ihr erstes Abenteuer, bei <strong>de</strong>m sie sich kennenlernen, hat es in sich. Es geht um<br />

<strong>die</strong> verfallene Burg auf <strong>de</strong>r Felseninsel, um ein versunkenes Wrack und vergrabene Schätze.<br />

Finstere Gestalten tauchen auf, es kommt zu einer Entführung, und schließlich ist es Tim, <strong>de</strong>r<br />

Hund, <strong>de</strong>r alles zu einem guten En<strong>de</strong> bringt.

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