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Joachim Söder-Mahlmann - Institut für Soziologie

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110 Tausch und Eigeninteresse<br />

»Der einzige Zweck all dieses Aufwands und all dieser Anstrengungen <strong>für</strong> die Zurschaustellung<br />

der Nahrung ist es, den Ehrgeiz des Gärtners zu befriedigen... Ein großer Stapel verkündet, in<br />

den Worten meines Informanten: "Schaut, was ich <strong>für</strong> meine Schwester und ihre Familie getan<br />

habe. Ich bin ein guter Gärtner, und meine engsten Verwandten, meine Schwester und ihre<br />

Kinder, werden niemals unter Nahrungsmangel leiden." [...] Diese ganze zeremonielle Seite<br />

der Handlung hat eine verbindliche Kraft ... Die Zurschaustellung, die Vergleiche, die öffentliche<br />

Bewertung erlegen dem Gebenden einen bestimmten psychologischen Zwang auf — sie<br />

befriedigen und belohnen ihn, wenn die erfolgreiche Arbeit es ihm ermöglicht, ein großzügiges<br />

Geschenk zu machen, und sie strafen und demütigen ihn <strong>für</strong> Unfähigkeit, Geiz oder Glücklosigkeit.«<br />

(Ibid.: 142)<br />

Man könnte also sagen: Die Eingeborenen strengen sich an, um ihr Streben nach Anerkennung,<br />

nach Prestige zu befriedigen, und sie tauschen unter dem Zwang der<br />

Obligation. Der Gärtner würde demnach am liebsten seine Yamsknollen <strong>für</strong> sich behalten,<br />

muß sie aber geben, weil nur dies ihm das erstrebte Ansehen erschafft. —<br />

Diese vermeintliche Diskrepanz zwischen Behalten-Wollen und Geben-Müssen ist<br />

scheinbar auch <strong>für</strong> das Kula charakteristisch, dem ich mich im folgenden erneut zuwenden<br />

will.<br />

DER WERT DER VAYGU'A<br />

Die Diskussion, die von Malinowskis Beschreibung des Kula-Tauschs ausgelöst wurde,<br />

dauert bis heute an. Das liegt nach Jerry W. Leach nicht zuletzt daran, daß Malinowski<br />

nur unzureichend erklären konnte, warum die <strong>Institut</strong>ion des Kula existiert:<br />

»Auch wenn man ein umfassendes Verständnis der Regeln und Muster des Kula genannten<br />

Komplexes von Transaktionen hat, bleibt die Frage nach der allem zugrunde<br />

liegenden Triebkraft. Was bringt das Kula den Menschen, die ihm ihre Zeit, Energie,<br />

Ressourcen und Reputation widmen? Wie und warum entstand es? Warum dauert<br />

es an?« (J.W. Leach in Leach & Leach 1983: 5) Derartige Fragen wurden zum<br />

Ausgangspunkt zahlloser ethnographischer und theoretischer Arbeiten, 185 die nach<br />

Leach in drei interpretativen Hauptsträngen mündeten. Der erste läuft darauf hinaus,<br />

im Kula lediglich das Mittel zu sehen, welches als eigentlichen Zweck den notwendigen<br />

"Nebenhandel" zwischen ansonsten (potentiell) feindlichen Ethnien ermöglicht;<br />

der zweite begreift das Ringen um Prestige als Daseinszweck des Kula; der<br />

dritte schließlich sieht im Kula-Tausch ein Medium, welches keinen "externen"<br />

Zweck verfolgt, sondern das soziale Band zwischen den Kula-Partnern (und –Gemeinschaften)<br />

festigen soll. Alle drei Ansätze sind <strong>für</strong> Leach defizitär. Das erste Ar-<br />

ordentlichen, kegelförmigen Haufen unter dem Schutz von Dächern aus Yamsreben aufgeschichtet. Die<br />

Ernte jedes einzelnen wird so auf seinem eigenen Grundstück zur Kritik ausgestellt, und die Eingeborenen<br />

gehen in Gruppen von Garten zu Garten, bewundern, vergleichen und loben die besten Ernteresultate.<br />

Man mag die Bedeutung der Präsentation der Feldfrüchte daran ermessen, daß es in alter Zeit, als<br />

die Macht des Häuptlings noch weit beachtlicher war als heute, <strong>für</strong> den, der nicht selbst von Rang war<br />

oder in den Diensten eines Mannes von Rang stand, gefährlich war, Früchte zu zeigen, die im Vergleich<br />

mit denen des Häuptlings zu vorteilhaft abgeschnitten hätten.« (Ibid.: 89, vgl. auch Malinowski 1935)<br />

185 Eine Übersicht des Forschungs– und Diskussionsstands findet sich in der eben zitierten<br />

Zusammenstellung von Leach & Leach.

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