Davert Depesche - NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V.
Davert Depesche - NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V.
Davert Depesche - NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Venner Moor<br />
DIE DAVERT – eine Waldlandschaft von europäischer Bedeutung LEBEN IM MUSEUM – das Mühlenmuseum in Rinkerode<br />
Waldrand mit Fingerhut<br />
Teufelsabbiss<br />
Mittelspecht<br />
Davensberg<br />
Amelsbüren<br />
Hiltrup<br />
NSG<br />
<strong>Davert</strong><br />
Rinkerode<br />
Die <strong>Davert</strong> ist etwas ganz Besonderes: mit ca. 44 qkm ist sie das größte zusammenhängende<br />
Waldgebiet im <strong>Münsterland</strong> und ein Naturerbe von europäischer Bedeutung! Sie be herbergt<br />
nicht nur eine große Fülle seltener Pflanzen- und Tierarten, sondern bietet auch Wohn- und<br />
Erholungsraum für zahlreiche Menschen der umliegenden Gemeinden und ist Lebensgrundlage<br />
für Land- und Forstwirtschaft.<br />
Das Besondere an der <strong>Davert</strong> sind die großflächigen und in weiten Teilen naturnahen Wälder.<br />
Wegen der überragenden Ausstattung mit gefährdeten Biotopen und Arten ist die <strong>Davert</strong> auf<br />
etwa der Hälfte der Fläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen und in den gleichen Grenzen als<br />
FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) Bestandteil des Europäischen Schutzgebietssystems NA-<br />
TURA 2000.<br />
Besonders bedeutend sind die Eichenwälder, die je nach Bodenverhältnissen in verschiedenen<br />
Typen vorkommen. So stellen die Bestände des Stieleichen-Hainbuchenwaldes auf<br />
staunassen Böden das fünftgrößte zusammenhängende Vorkommen in ganz Deutschland<br />
dar. Neben der Größe der Fläche sind vor allem auch die gute Ausprägung und der hohe<br />
Vollständigkeitsgrad der Lebensgemeinschaften, zum Beispiel mit charakteristischen Arten<br />
wie dem Mittelspecht, von herausragender Bedeutung. Weitere bedeutende Waldtypen in<br />
der <strong>Davert</strong> sind alte bodensaure Eichenwälder auf ärmeren Sandböden und Restbestände von<br />
Moorwäldern auf nassen Torfen. In den Wäldern finden sich bedeutende Vorkommen der<br />
gefährdeten Flatter-Ulme und ein hoher Anteil totholzreicher Altholzbestände.<br />
Auch mit ihrer Ausstattung an seltenen Tierarten kann sich die <strong>Davert</strong> sehen lassen. Eine Reihe<br />
von gefährdeten Vogelarten ist hier noch als Brutvogel zu finden wie Schwarzspecht, Wespenbussard,<br />
Rotmilan und Baumfalke. Gelegentlich dreht der Schwarzstorch seine Run den, und<br />
vielleicht zählt auch dieser eindrucksvolle Großvogel bei uns schon bald zu den Brutvögeln.<br />
Eine besonders charakteristische Art ist der Mittelspecht, eine typische Art alter Eichenwälder.<br />
Das Vorkommen in der <strong>Davert</strong> von mehr als 120 Brutpaaren stellt das größte in NRW dar.<br />
Zahlreiche Fledermausarten finden in der <strong>Davert</strong> einen geeigneten Lebensraum, und<br />
mit der Kreuzotter und der Ringelnatter leben sogar zwei Schlangenarten bei uns.<br />
Seinen Ruf als „Schmetterlingswald“ verdankt die <strong>Davert</strong> dem Vorkommen von 36 Tagfalter-<br />
Arten, darunter Seltenheiten wie Kaisermantel, Kleiner Eisvogel und Schillerfalter. Eine Besonderheit<br />
der <strong>Davert</strong> ist das größte Vorkommen der Helm-Azurjungfer in NRW. Diese Libellenart<br />
kommt am Emmerbach in großer Zahl vor.<br />
Man kann also mit Fug und Recht stolz auf unsere <strong>Davert</strong> sein und sich glücklich schätzen,<br />
eine solche Perle der Natur vor der Haustür zu haben. Der Erhalt und der Schutz dieses Naturerbes<br />
ist aber auch eine große Verantwortung für uns alle, der wir jetzt und in Zukunft gerecht<br />
werden müssen.<br />
Wir in der <strong>Davert</strong><br />
Käte u. Dr. Horst Merten vor Ihrem Museum<br />
Das Ehepaar Käte und Dr. Horst Merten hat die alte<br />
Rinkeroder Dampfmühle und vormalige Kornwindmühle<br />
direkt an der B 54 vor 30 Jahren bezogen und<br />
lebt seitdem Tür an Tür mit Maschinen und Geräten<br />
einer anderen Zeit. Im nächsten Jahr wird die Mühle<br />
200 Jahre alt. Sie zu erhalten und zu pflegen, ist für<br />
die Eheleute Merten so etwas wie eine Lebensaufgabe<br />
geworden.<br />
„Wir waren gar nicht auf der Suche nach einer neuen<br />
Bleibe, als uns ein Freund, der bereits hier im alten<br />
Müllerhaus wohnte, die Mühle 1978 zeigte“, erzählt<br />
Käte Merten. Der Anblick war eher traurig: Seit langem<br />
nicht mehr in Betrieb, das Dach kaputt, überall<br />
Staub und Spinnweben, und die Säcke noch so,<br />
wie der letzte Müller sie hinterlassen hatte. Aber der<br />
Funke sprang über. Ein Jahr später zogen die Architektin<br />
und der Chemiker ein. Die Mühle selbst kam<br />
wegen ihrer Eigenart und fehlender Dämmmöglichkeit<br />
fürs Wohnen nicht in Frage. Deshalb richteten<br />
sie für sich und die beiden Kinder im 150 m² großen<br />
ehemaligen Dampfkesselhaus eine Wohnung ein, bis<br />
die Mühle selbst nach und nach gesäubert, in Schuss<br />
gebracht und am 1. Mai 1995 als Rinkeroder Mühlen-<br />
und Gerätemuseum eingeweiht wurde. Seitdem<br />
haben knapp 22.000 Besucher gesehen, wie vormals<br />
Korn gemahlen wurde.<br />
Heute ist die 15,40 m hohe Mühle ein Schmuckstück,<br />
das seinesgleichen sucht. Auf fünf Etagen laufen die<br />
Maschinen – jetzt nicht mehr mit Dampfbetrieb,<br />
sondern von einem Elektromotor angetrieben. Im<br />
Schneckentempo allerdings, damit die Besucher genau<br />
sehen können, wie sich der Mühlstein dreht, wie<br />
Kornelevator, Mehlelevator, Siebtrommel und „Plansichter“,<br />
also die Maschine zum Sieben des Mehls,<br />
funktionieren. Eine Schemazeichnung an der Wand<br />
zeigt die Funktionsweise. Die ursprüngliche Technik<br />
von 1935 ist so nachvollziehbar. „Man könnte auf jeden<br />
Fall mit der Mühle arbeiten. Eine Tonne Korn<br />
am Tag schaffte der Müller damals“, erklären Käte<br />
Eindrucksvolle historische Mühlentechnik in der knapp 200 Jahre alten Mühle<br />
und Horst Merten. Und weiter: „Alles was zur Technik<br />
gehört, bewegt sich und ist zu sehen.“<br />
Spannend und interessant ist das alles für die vielen<br />
Kinder, die jedes Jahr die Mühle besuchen und<br />
sich von den auf den Wänden aufgemalten Mühlengeistern<br />
über den Kopf pusten lassen, und auch für<br />
die Erwachsenen. Viele sind erstaunt ob der hohen<br />
Handwerkskunst des Müllers. „Man kann sehen, wie<br />
auch ein kleiner Müller mit der Zeit ging und die<br />
Technik laufend weiterentwickelt wurde“, sagt Horst<br />
Merten. Der letzte Müller Bernhard Wünnemann hat<br />
in die alte Windmühle 1936 die damals neue Technik<br />
des Dampfbetriebs eingebaut. Damit hat er bis zum<br />
Schluss gearbeitet, als andere schon auf den Antrieb<br />
durch Dieselmotoren umgestellt hatten. Ein Zufall<br />
wollte es, dass zur vorhandenen Mahltechnik das<br />
gesamte Inventar einer anderen Mühle in Gütersloh<br />
abgebaut und übernommen werden konnte. Auch sie<br />
steht gesäubert, fein und flott gemacht im Rinkeroder<br />
Mühlen- und Gerätemuseum:<br />
Heute ist das gesamte Anwesen unter Denkmalschutz<br />
gestellt. Die Rinkeroder Mühle ist als technisches Industriedenkmal<br />
eingestuft und gehört zur Industriekultur<br />
Westfalens<br />
Luise Richard, freie Journalistin, Drensteinfurt<br />
MÜHLEN- U. GERÄTEMUSEUM RINKERODE<br />
Eickenbeck 44 (An der B 54)<br />
48317 Drensteinfurt-Rinkerode<br />
Telefon: 0 25 38 -756<br />
www.Muehlenmuseum-Rinkerode.de<br />
Besichtigung nach Vereinbarung<br />
DAVERTNICKEL – eine ausgestorbene Pferderasse<br />
Die Dülmener Wildbahn im Merfelder Bruch kennt jeder. Was kaum jemand weiß: Noch vor<br />
200 Jahren gab es auch in der <strong>Davert</strong> eine solche Wildbahn. Dort wurde eine heute ausgestorbene<br />
Pferderasse gezüchtet – die <strong>Davert</strong>nickel.<br />
Die <strong>Davert</strong> war früher unwirtlich, schwer zugänglich, teilweise sumpfig und daher nicht gut<br />
für landwirtschaftliche Zwecke zu gebrauchen. Holznutzung und Hudewirtschaft waren jedoch<br />
möglich und so entwickelten sich im Mittelalter großflächige Heideflächen, die sich gut<br />
für die Pferdehaltung eigneten. Wann genau die 3.400 ha große Wildbahn und die damit verbundene<br />
Zucht der <strong>Davert</strong>nickel entstanden, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass die Wildbahn<br />
bereits 1339 bestand.<br />
Die Häuser Davensberg, Romberg, Byink, Kakesbeck und Borg hatten das „Recht auf Wildbahn“,<br />
das heißt auf die Zucht der ganzjährig in der Wildbahn lebenden <strong>Davert</strong>nickel. Nur<br />
die Familie Freiherr von Kerkering-Borg durfte einen Hengst halten. Das Haus Davensberg<br />
führte die Aufsicht über die Wildbahn und beschäftigte zwei Wildbahnmeister, die u.a. für die<br />
Instandhaltung der Umzäunung zuständig waren.<br />
Viel weiß man nicht über die <strong>Davert</strong>nickel, denn es gibt keine Bilder oder Urkunden zu ihrer<br />
Zucht. Nachgewiesenerweise wurde der <strong>Davert</strong>nickel nicht größer als 1,52 m Stockmaß. Der<br />
Name gibt weitere Aufschlüsse über ihr Äußeres und ihren Charakter. Die Gebrüder Grimm<br />
beispielsweise verwendeten das Wort „Nickel“ in ihren Märchen als Namen für kleine, unansehnliche<br />
Pferde. Auch im heutigen Sprachgebrauch wird ein etwas kleinlicher und bösartiger<br />
Mensch noch als „nickelig“ bezeichnet. Diese Eigenschaft mag auch auf die <strong>Davert</strong>nickel zugetroffen<br />
haben.<br />
Trotz ihrer vermuteten Eigenwilligkeit – wem ist es nach einer Jugend in „freier Wildbahn“ zu<br />
verdenken – waren die <strong>Davert</strong>nickel mit ihren harten Hufen beliebte Arbeits- und Zugpferde.<br />
Sie wurden mit „Regen“, in Kopfhöhe der Pferde angebrachten starken Stricken, von Bäumen<br />
aus oder bei Futterscheunen, in denen im Winter eine Zufütterung erfolgte, einzeln gefangen<br />
und auf dem Pferdemarkt in Coesfeld verkauft.<br />
1812 versteigerte Freiherr von Elverfeld von Haus Byink 18 in der Wildbahn gezogene Pferde<br />
und leitete damit das Ende der Zucht und auch das Aussterben der <strong>Davert</strong>nickel ein. Anschließend<br />
wurde das Gelände für die Unterstellung von Arbeitspferden in den Wintermonaten<br />
genutzt, Stück für Stück aufgeforstet oder in landwirtschaftliche Nutzung genommen. Das<br />
endgültige Ende der wild lebenden Pferde kam mit der Teilung der <strong>Davert</strong> 1841.<br />
Heute leben die <strong>Davert</strong>nickel nur noch in den alten Sagen und Mythen fort, zum Beispiel in<br />
der Geschichte des grausamen Rentmeisters Schenkewald, der, aus dem Schloss Nordkirchen<br />
vertrieben, noch heute in einer Kutsche – gezogen von vier schwarzen <strong>Davert</strong>nickeln – durch<br />
die <strong>Davert</strong> rumpeln soll...<br />
Friederike Stelzner, Studentin, Münster<br />
Heckrinder in der Emsaue bei Telgte<br />
Konikpferde in den Emsauen<br />
Feuchtwiesen am Emmerbach<br />
RÜCKKEHR DER WILDBAHN<br />
Die <strong>NABU</strong>-<strong>Naturschutzstation</strong> <strong>Münsterland</strong><br />
plant in der <strong>Davert</strong> ein großflächiges<br />
Beweidungsprojekt mit Heckrindern und<br />
Konikpferden. Mehr dazu in der nächsten<br />
Ausgabe der <strong>Davert</strong>-<strong>Depesche</strong>.