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Verstöße gegen Arbeitsschutzrecht: Sanktionsmöglichkeiten des ...

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Verstöße <strong>gegen</strong> <strong>Arbeitsschutzrecht</strong>: Sanktionsmöglichkeiten <strong>des</strong> Arbeitgebers (HaufeIndex 1837207)<br />

Verstöße <strong>gegen</strong> <strong>Arbeitsschutzrecht</strong>: Sanktionsmöglichkeiten <strong>des</strong><br />

Arbeitgebers (HaufeIndex: 1837207)<br />

Zusammenfassung<br />

Wer kennt das nicht: Die Mitarbeiter tragen keine PSA oder befolgen trotz Unterweisung einfachste<br />

Sicherheitsregelungen nicht. Viele Arbeitnehmer sind einsichtig, wenn sie darauf hingewiesen werden,<br />

andere sind resistent <strong>gegen</strong> alle Mahnungen. Was tun Von ersten Gesprächen über Betriebsbußen,<br />

Abmahnungen bis hin zur "fristlosen" Kündigung ist es wichtig, das jeweils angemessene und rechtlich<br />

einwandfreie Mittel zu kennen und rechtssicher zu verwenden. Dazu gehört auch eine saubere<br />

Dokumentation. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die arbeitsrechtlichen Sanktionsmittel, die dem<br />

Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um Arbeitsschutzmaßnahmen wirkungsvoll und rechtssicher<br />

durchzusetzen. Arbeitgeber und betroffene Kollegen können zudem erwägen, unter den gegebenen<br />

rechtlichen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche <strong>gegen</strong> den rechtswidrig handelnden Arbeitnehmer<br />

geltend zu machen. Daher enthält der Beitrag auch dazu Erläuterungen.<br />

1 Einleitung (HaufeIndex: 1847611)<br />

Wie groß die praktische Relevanz dieses Themas ist, zeigt eine Entscheidung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>arbeitsgerichts<br />

(LAG) Schleswig-Holstein vom 14.8.2007 (Az. 5 Sa 150/07): Ein 50-jähriger Maschinenführer, der seit<br />

rund 20 Jahren bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist, hatte beim Reinigen einer industriellen Presse<br />

diese von Hand wieder angefahren und dadurch die schwere Verletzung eines Kollegen verursacht. Er<br />

wurde fristlos gekündigt. Das LAG hielt die fristlose, wie auch eine hilfsweise ordentliche Kündigung aus<br />

mehreren Gründen für rechtswidrig:<br />

1. Die Sicherheitsvorschriften <strong>des</strong> Betriebs hätten die Inbetriebnahme der Maschine während<br />

der Reinigung nicht ausdrücklich ausgeschlossen;<br />

2. der Arbeitgeber habe solches Verhalten zumin<strong>des</strong>t in der Vergangenheit geduldet;<br />

3. der Arbeitgeber hatte keine Abmahnung erteilt.<br />

Arbeitgeber müssen jedoch solche Verstöße sanktionieren können, um den Gesundheitsschutz im Betrieb<br />

gewährleisten zu können, wozu sie nach § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet sind.<br />

2 Verstöße <strong>gegen</strong> Arbeitsschutzvorschriften: Verletzung <strong>des</strong><br />

Arbeitsvertrags (HaufeIndex: 1847612)<br />

§ 611 BGB "Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag", der die Grundpflichten der<br />

Arbeitsvertragsparteien regelt, sagt nichts zum Thema "Arbeitsschutz". Die Rechtsprechung hat jedoch<br />

neben den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten (Arbeitsleistung, Vergütung) eine große Zahl von<br />

"Nebenpflichten" definiert, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. So hat der Arbeitgeber z. B. die<br />

Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer. Im Gegenzug müssen Arbeitnehmer alles unterlassen, was dem<br />

Arbeitgeber - u. a. wirtschaftlich - schaden könnte.<br />

Aus dieser Fürsorgepflicht heraus muss der Arbeitgeber die Gesundheit <strong>des</strong> Arbeitnehmers schützen.<br />

Dem entspricht die Pflicht <strong>des</strong> Arbeitnehmers, sich und andere nicht unnötig zu gefährden. Die<br />

Schutzverpflichtung <strong>des</strong> Arbeitgebers ist in § 3 ArbSchG geregelt, die Verpflichtung <strong>des</strong> Arbeitnehmers,<br />

ihn dabei zu unterstützen, in § 15 ArbSchG.<br />

Vorschriften, die dem Gesundheitsschutz dienen, müssen konsequent eingehalten werden. Verstößt ein<br />

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Stand: 06.02.2008, Ausdruck vom 09.04.2008<br />

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Arbeitnehmer <strong>gegen</strong> diese Vorschriften und gefährdet dadurch sich und/oder andere Mitarbeiter, verletzt<br />

er seine vertraglichen Pflichten. Als Folge dieser Pflichtverletzung sieht das BGB im Arbeitsrecht vor, dass<br />

der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis im äußersten Fall sogar fristlos kündigen kann (vgl. Abschn. 6). Die<br />

Entscheidung <strong>des</strong> LAG Schleswig-Holstein stellt klar, dass sich der Arbeitgeber mit der Sanktionierung<br />

solcher Verstöße sehr schwer tut, wenn er selbst den Arbeitsschutz nicht ernst nimmt. Dazu gehören<br />

• unklare Sicherheitsvorschriften,<br />

• nicht ausreichende Unterweisungen oder<br />

• die stillschweigende Duldung von Verstößen.<br />

So etwas schwächt die Position eindeutig. Will der Arbeitgeber im Fall eines Verstoßes angemessen<br />

reagieren, muss er sich nicht wundern, wenn ihm dies ggf. ent<strong>gegen</strong> gehalten wird.<br />

Leiharbeitnehmer im Betrieb<br />

Zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher-Arbeitgeber besteht kein direktes<br />

Vertragsverhältnis. Dennoch nimmt die Rechtsprechung hier ein Schutz- und Fürsorgeverhältnis an:<br />

Es verpflichtet den Arbeitgeber, die Gesundheit <strong>des</strong> Arbeitnehmers zu schützen und zwingt den<br />

Arbeitnehmer, sich an vorgegebene Regeln zu halten. Da Leiharbeitnehmer häufig ihre<br />

Einsatzbereiche wechseln, bedürfen sie besonders guter An- und Unterweisung, auch hinsichtlich der<br />

im Betrieb herrschenden Sicherheitsstandards.<br />

Der Wille <strong>des</strong> Arbeitgebers, Verstöße <strong>gegen</strong> Arbeitsschutzvorschriften nicht hinzunehmen, sollte im<br />

Unternehmen bekannt sein. So wissen die Arbeitnehmer, mit welchen Folgen zu rechnen ist, und haben<br />

die Sicherheit, dass das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb ernst genommen wird.<br />

3 Verstöße zutreffend dokumentieren (HaufeIndex: 1847613)<br />

Immer, wenn es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen kann, ist es wichtig, den dieser<br />

Auseinandersetzung zugrunde liegenden Sachverhalt zutreffend zu dokumentieren und Zeugen benennen<br />

zu können. Die Checkliste in Tab. 1 kann dabei helfen.<br />

Checkliste "Unfalldokumentation"<br />

1. Was ist passiert Klare und eindeutige Schilderung <strong>des</strong> Geschehens, ggf. mit<br />

Skizze oder Fotos. Bei voneinander abweichenden<br />

Schilderungen <strong>des</strong> Vorgangs müssen die abweichenden<br />

Aussagen aufgenommen werden.<br />

2. Wann ist es passiert Datum, Uhrzeit, welche Schicht. Bei Unfällen im Freien -<br />

wie war die Sicht<br />

3. Wer hat es gesehen Zeugen benennen. Aufnehmen, was diese Zeugen gesehen<br />

haben.<br />

4. Wer wurde verletzt Name <strong>des</strong> Opfers (wenn kein Mitarbeiter: Warum war<br />

dieser auf dem Betriebsgelände). Art und Schwere der<br />

Verletzung (soweit für einen Laien feststellbar).<br />

5. Meldung an BG erfolgt Ggf. Kopie der Meldung beifügen.<br />

6. Gegen welche<br />

Arbeitsschutzvorgaben wurde konkret<br />

verstoßen<br />

7. Wann wurde der Verursacher<br />

letztmalig geschult/unterwiesen<br />

Auflistung der geltenden Regelungen im Betrieb.<br />

Nachweis beifügen.<br />

Tab. 1: Checkliste "Unfalldokumentation"<br />

Die Checkliste ist zudem hilfreich, wenn es um die Dokumentation <strong>des</strong> Vorgangs für die BG geht. Sie<br />

muss, wie alle personenbezogenen Unterlagen im Betrieb, unter Wahrung <strong>des</strong> Datenschutzes aufgehoben<br />

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werden.<br />

4 Milde Mittel: Gespräch/Belehrung, Betriebsbuße und Abmahnung<br />

(HaufeIndex: 1847614)<br />

4.1 Das Gespräch mit dem Mitarbeiter (HaufeIndex: 1847615)<br />

Das mil<strong>des</strong>te Mittel ist das Gespräch mit dem Arbeitnehmer. Bei kleineren, erstmaligen Verstößen sollte<br />

ihm hier vom Arbeitgeber - ggf. unter Zeugen - erklärt werden, dass ein solches Verhalten nicht gebilligt<br />

wird. Der Arbeitnehmer sollte nochmals in geeigneter Form unterwiesen werden. Termin, Anlass und<br />

Inhalt <strong>des</strong> Gesprächs, sowie Zeugen, sollten in einer kurzen Notiz dokumentiert werden.<br />

Wer ist eigentlich der "Arbeitgeber"<br />

Der "Arbeitgeber" ist der Unternehmer selbst oder von ihm beauftragte Personen, z. B. Prokuristen,<br />

Abteilungsleiter, usw. Wichtig ist, dass diese Personen zu allen von ihnen ausgeübten Handlungen<br />

vom Arbeitgeber auch bevollmächtigt sind.<br />

4.2 Die Betriebsbuße (HaufeIndex: 1847616)<br />

Gerade größere Unternehmen haben (noch) umfangreiche Betriebsordnungen (auch:<br />

"Arbeitsordnungen"), die auch Betriebsbußen vorsehen können. Diese Betriebsordnungen werden als<br />

Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart. Das<br />

Zustandekommen der Betriebsordnung ist ein mitbestimmungspflichtiger Akt. Alle Maßnahmen, die<br />

darauf beruhen, sind daher nur dann wirksam, wenn der Betriebsrat ihnen zustimmt. Das bedeutet, dass<br />

eine Betriebsbuße nur ausgesprochen werden kann, wenn der Betriebsrat zustimmt. Verweigert dieser die<br />

Zustimmung, muss ein arbeitsgerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren durchgeführt werden.<br />

Betriebsbußen können sein:<br />

• angemessene Geldstrafe (max. ein Tagesverdienst),<br />

• der Entzug bestimmter Vorteile,<br />

• Verwarnung,<br />

• Verweis.<br />

Sie müssen in einem Katalog der Betriebsordnung hinsichtlich der Art der Buße und dem dieser Buße<br />

zugrunde liegenden Vergehen klar und eindeutig geregelt sein und kommen nur infrage, wenn es sich um<br />

ein gemeinschaftswidriges Vergehen handelt.<br />

Praxis-Beispiel<br />

Eine Betriebsbuße kann verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer <strong>gegen</strong> wichtige<br />

Sicherheitsvorschriften verstößt, z. B. gefährliche Stoffe nicht ordnungsgemäß im Betrieb deponiert.<br />

Sie kann nicht verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer z. B. ständig zu spät kommt, weil dieses<br />

Verhalten nur das direkte Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber betrifft.<br />

4.3 Richtig abmahnen (HaufeIndex: 1847617)<br />

Will der Arbeitgeber wegen eines Verstoßes <strong>gegen</strong> Arbeitsschutzvorschriften eine Abmahnung erteilen,<br />

muss sie auf einem abmahnfähigen Sachverhalt beruhen und es müssen alle Formalitäten beachtet<br />

werden. Abmahnfähig ist natürlich nur ein Verhalten, zu dem der Arbeitnehmer auch konkret verpflichtet<br />

ist.<br />

Bestandteile der Abmahnung<br />

Die Abmahnung besteht immer aus den drei Teilen Beanstandung, Hinweis und Ankündigung:<br />

1. Der Arbeitgeber muss ein vertragswidriges Verhalten beanstanden, d. h. genau<br />

beschreiben und klar stellen, dass dieses <strong>gegen</strong> arbeitsvertragliche Verpflichtungen<br />

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verstößt.<br />

2. Es muss der Hinweis erfolgen, dass dieses Fehlverhalten zukünftig nicht mehr geduldet<br />

wird.<br />

3. Der Arbeitgeber muss konkrete, arbeitsrechtliche Maßnahmen benennen, die für den<br />

Wiederholungsfall vorgesehen sind.<br />

Die Abmahnung<br />

• muss immer schriftlich erfolgen,<br />

• muss von jemandem unterzeichnet sein, der dazu bevollmächtigt ist und<br />

• muss dem Arbeitnehmer ordnungsgemäß zugehen.<br />

Sie sollte eindeutig als solche bezeichnet werden, um Missverständnissen vorzubeugen. Sie ist auch ohne<br />

Zustimmung durch den Betriebsrat wirksam. Dieser muss auch über den Umstand, dass eine Abmahnung<br />

erteilt wurde, nicht informiert werden, weder vorher noch nachher.<br />

Ausländische Arbeitnehmer<br />

Ausländische Arbeitnehmer müssen in ihrer Lan<strong>des</strong>sprache angesprochen werden, wenn ihr<br />

Verständnis der deutschen Sprache so weit eingeschränkt ist, dass eine "normale Kommunikation"<br />

nicht möglich ist. Das gilt auch für Unterweisungen usw.<br />

Ist der Arbeitnehmer mit der Abmahnung nicht einverstanden, kann er auf Entfernung aus seiner<br />

Personalakte beim Arbeitsgericht klagen oder sich darauf beschränken, eine Gegendarstellung zu<br />

verfassen, die - unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt - zur Personalakte zu nehmen ist.<br />

Die Abmahnung ist mit ganz wenigen Ausnahmen eine unbedingte Voraussetzung dafür, dass einem<br />

Arbeitnehmer überhaupt aus Verhaltensgründen gekündigt werden kann (vgl. Abschn. 5). Wenn bereits<br />

abgemahnt wurde, muss der Arbeitgeber bei erneuten Verstößen den nächsten Schritt in Angriff nehmen,<br />

den er angedroht hat. Wiederholte Abmahnungen in derselben Angelegenheit verschlechtern die Position<br />

<strong>des</strong> Arbeitgebers in einem möglicherweise folgenden Kündigungsschutzprozess. Arbeitsrichter tendieren<br />

in diesen Fällen dazu, die mangelnde Nachhaltigkeit zulasten <strong>des</strong> Arbeitgebers auszulegen.<br />

Verstoß ist nicht gleich Verstoß!<br />

Wird ein Arbeitnehmer trotz Helmtragepflicht häufiger ohne Helm am Arbeitsplatz angetroffen und<br />

wird <strong>des</strong>wegen abgemahnt, kann ihm nun nicht sofort gekündigt werden, weil er ohne die<br />

erforderlichen Sicherheitsschuhe angetroffen wurde.<br />

Gilt in einem Unternehmen eine Betriebsordnung, kann der Arbeitgeber selbstverständlich anstelle der<br />

Betriebsbuße eine Abmahnung erteilen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Schreiben an den<br />

betroffenen Arbeitnehmer genannt wird, sondern nur auf den Inhalt. Werden für den Wiederholungsfall<br />

weitergehende arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht, liegt immer eine Abmahnung vor.<br />

5 Die ordentliche Kündigung (HaufeIndex: 1847618)<br />

Helfen Gespräche, wiederholte Unterweisungen, Abmahnungen oder Betriebsbußen nicht weiter, wird der<br />

Arbeitgeber eine Kündigung ins Auge fassen müssen. Auch hier gilt: Das angemessene Mittel muss zuerst<br />

zur Anwendung kommen, in diesem Fall also die ordentliche Kündigung nach §§ 620 ff. Bürgerliches<br />

Gesetzbuch (BGB).<br />

Um diese wirksam rechtssicher auszugestalten, muss der Arbeitgeber erneut formelle und inhaltliche<br />

Aspekte beachten.<br />

Nach § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das nur in Betrieben ab 10 Mitarbeitern anwendbar<br />

ist, muss ein Kündigungsgrund vorliegen. Bei Verstößen <strong>gegen</strong> Arbeitsschutzbestimmungen liegt der<br />

Grund im Verhalten <strong>des</strong> Arbeitnehmers, es handelt sich also um eine verhaltensbedingte Kündigung. Der<br />

Grund muss tatsächlich vorliegen, muss aber in der Kündigungserklärung nicht ausdrücklich erwähnt<br />

werden. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.<br />

Einem Mitarbeiter kann nur dann verhaltensbedingt gekündigt werden, wenn das betreffende Verhalten<br />

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im Vorhinein abgemahnt wurde (vgl. Abschn. 4). Die Kündigungsfrist <strong>des</strong> § 622 BGB, die abhängig von<br />

der Zeit der Betriebszugehörigkeit ist, oder arbeitsvertraglich abweichend geregelte Kündigungsfristen<br />

sind einzuhalten.<br />

Die Kündigungserklärung muss von einem dazu bevollmächtigen Mitarbeiter unterzeichnet sein. Die<br />

Kündigung muss dem Arbeitnehmer zugehen, also ihm am besten persönlich übergeben werden.<br />

Hat der Betrieb einen Betriebsrat, muss dieser nach § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu<br />

der Kündigung angehört werden. Dafür müssen ihm die der Kündigung zugrunde liegenden Gründe<br />

mitgeteilt werden. Wird diese Anhörung nicht durchgeführt, ist die Kündigung bereits formell unwirksam!<br />

Der Betriebsrat muss der Kündigung zu ihrer Wirksamkeit zwar nicht ausdrücklich zustimmen: Wenn er<br />

innerhalb einer angemessenen Frist gar nicht reagiert (weil es z. B. viele Gremien mit ihrem<br />

Selbstverständnis für unvereinbar halten, Kündigungen aktiv zu unterstützen), gilt auch dies als<br />

Zustimmung. Widerspricht er der Kündigung allerdings ausdrücklich, muss der Arbeitgeber eine Kopie<br />

dieses Widerspruchs der Kündigung beifügen.<br />

Gegen diese Kündigung kann der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.<br />

Sind die Verstöße schwerwiegend genug und wurden alle Formalien korrekt eingehalten, dürfte diese<br />

aber aussichtslos sein.<br />

6 Das letzte Mittel: Die fristlose Kündigung (HaufeIndex: 1847619)<br />

Die im allgemeinen Sprachgebrauch auch als "fristlos" bezeichnete außerordentliche Kündigung kann bei<br />

schweren, wiederholten oder nachhaltigen Verstößen <strong>gegen</strong> Arbeitsschutzvorschriften als letztes Mittel<br />

eingesetzt werden. Der anfangs erwähnte Fall <strong>des</strong> LAG Schleswig-Holstein kann als ein solcher wichtiger<br />

Grund angesehen werden. Das Urteil zeigt aber auch, wie hoch die Anforderungen sind, die die<br />

Rechtsprechung an das Vorliegen eines "wichtigen" Grun<strong>des</strong> legt, der eine außerordentliche Kündigung<br />

rechtfertigt.<br />

Auch die fristlose Kündigung nach § 626 BGB muss schriftlich erfolgen, dem Arbeitnehmer zugehen und<br />

bedarf einer vorausgehenden Abmahnung. Letztere ist nur entbehrlich, wenn außerordentlich schwere<br />

Verstöße <strong>gegen</strong> Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag vorliegen.<br />

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis <strong>des</strong><br />

Kündigungsgrunds aussprechen muss (§ 626 Abs. 2 BGB). Zudem ist auch hier der Betriebsrat nach<br />

§ 102 BetrVG anzuhören. Er kann jedoch nur innerhalb von drei Tagen "Bedenken erheben". Wird ein<br />

Mitglied <strong>des</strong> Betriebsrats gekündigt, greift der Kündigungsschutz <strong>des</strong> § 15 KSchG, d. h., der Betriebsrat<br />

muss der Kündigung ausdrücklich zustimmen. Liegt diese Zustimmung nicht vor, muss sie der<br />

Arbeitgeber im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens einholen.<br />

Wegen der hohen Anforderungen an die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung empfiehlt es<br />

sich immer, hilfsweise das Arbeitsverhältnis ordentlich, also fristgerecht zu kündigen. Auch zu dieser<br />

hilfsweisen Kündigung muss ggf. der Betriebsrat angehört werden.<br />

Arbeitnehmer, denen so schwere Verstöße <strong>gegen</strong> Arbeitsschutzbestimmungen vorgeworfen werden, dass<br />

der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung in Erwägung zieht, sollten sofort von der Arbeit<br />

freigestellt werden. Alles andere wäre - auch wegen <strong>des</strong> drohenden Kündigungsschutzprozesses -<br />

kontraproduktiv. Selbst wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhebt, sollte eine<br />

Weiterbeschäftigung durch Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung vermieden werden.<br />

Auch <strong>gegen</strong> diese Kündigung kann der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht<br />

erheben.<br />

7 <strong>Arbeitsschutzrecht</strong>liche Verstöße von Leiharbeitnehmern (HaufeIndex:<br />

1847620)<br />

Leiharbeitnehmer unterliegen dem Direktionsrecht <strong>des</strong> entleihenden Arbeitgebers und müssen sich<br />

selbstverständlich an die im Entleiherbetrieb geltenden Regeln halten. Verstoßen sie <strong>gegen</strong> diese, sollten<br />

sie ermahnt und ggf. erneut unterwiesen werden.<br />

Bei wiederholten Verstößen muss der Verleiher aufgefordert werden, den entsprechenden Arbeitnehmer<br />

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Verstöße <strong>gegen</strong> <strong>Arbeitsschutzrecht</strong>: Sanktionsmöglichkeiten <strong>des</strong> Arbeitgebers (HaufeIndex 1837207)<br />

aus dem Entleihbetrieb abzuziehen und für geeigneten Ersatz zu sorgen. Verursacht der Arbeitnehmer<br />

einen Schaden im Betrieb oder entsteht aufgrund der erforderlich werdenden Abberufung <strong>des</strong><br />

Arbeitnehmers dem Entleiher ein Schaden, so hat dieser möglicherweise <strong>gegen</strong> das Verleihunternehmen<br />

einen Schadensersatzanspruch aus Schlechterfüllung <strong>des</strong> Überlassungsvertrags.<br />

8 Verpflichtung zum Schadensersatz (HaufeIndex: 1847621)<br />

Entsteht dem Arbeitgeber oder Arbeitskollegen durch den Verstoß <strong>gegen</strong> Arbeitsschutzvorschriften ein<br />

Schaden, so kann der Schadensverursacher verpflichtet sein, diesen zu ersetzen. Im Arbeitsverhältnis gilt<br />

jedoch nach der Rechtsprechung ein Haftungsprivileg, nach dem der Arbeitnehmer nur Schäden zu<br />

ersetzen hat, die er grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeiführt.<br />

Bei Personenschäden tritt <strong>gegen</strong>über dem geschädigten Arbeitnehmer auf alle Fälle die zuständige<br />

Berufsgenossenschaft ein und leistet den entsprechenden Schadensersatz in Form der Heilbehandlung<br />

und ggf. weiterer finanzieller Leistungen wie Verletztengeld oder Renten. Der Geschädigte hat so stets<br />

einen zahlungskräftigen Schuldner und damit eine zuverlässige Absicherung. Darüber hinausgehende<br />

Schäden, wie z. B. ein Schmerzensgeld (das im Leistungskatalog der Berufsgenossenschaft nicht<br />

vorgesehen ist), kann der Geschädigte ggf. direkt <strong>gegen</strong> den Schadensverursacher auf dem<br />

Zivilrechtsweg vor den ordentlichen Gerichten geltend machen.<br />

Musste die Berufsgenossenschaft eintreten, kann sie sich unter Beachtung <strong>des</strong> o. g. Haftungsprivilegs am<br />

Schädiger schadlos halten und Leistungen der Heilbehandlung sowie weitere sozialrechtliche Leistungen,<br />

wie z. B. Verletztengeld nach § 110 Sozialgesetzbuch (SGB) VII, § 116 SGB X, im Rahmen eines<br />

Regresses vom Schadensverursacher zurückfordern.<br />

Autor/in<br />

• Rechtsanwalt Joachim Schwede, Aichach<br />

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