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Erster Facettgelenksersatz in Norddeutschland

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<strong>Erster</strong> <strong>Facettgelenksersatz</strong> <strong>in</strong> <strong>Norddeutschland</strong><br />

erfolgreich <strong>in</strong> der Neurochirurgie des Johannes Wesl<strong>in</strong>g Kl<strong>in</strong>ikums M<strong>in</strong>den durchgeführt<br />

Priv. Doz. Dr. med. Ulrich J. Knappe<br />

Chefarzt der Neurochirurgischen Kl<strong>in</strong>ik, JWK M<strong>in</strong>den<br />

In der Neurochirurgischen Kl<strong>in</strong>ik des Johannes Wesl<strong>in</strong>g Kl<strong>in</strong>ikums M<strong>in</strong>den ist erstmalig und<br />

erfolgreich der Ersatz von kle<strong>in</strong>en Wirbelgelenken (Facettgelenken) <strong>in</strong> der Behandlung der<br />

Enge des Wirbelkanals im Lendenbereich (lumbale Sp<strong>in</strong>alkanalstenose) durchgeführt<br />

worden. Damit ist die Neurochirurgische Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> M<strong>in</strong>den nach der <strong>in</strong> Wiesbaden die zweite<br />

<strong>in</strong> Deutschland und die erste im Norddeutschen Raum, die dieses <strong>in</strong>novative<br />

Operationsverfahren anbieten kann.<br />

Die Enge des lumbalen Sp<strong>in</strong>alkanals kann e<strong>in</strong>erseits zu Schmerzen und neurologischen<br />

Ausfällen wie Taubheitsgefühlen und Lähmungen (muskuläre Schwächen) im Bereich der<br />

Be<strong>in</strong>e führen, <strong>in</strong>sbesondere beim Gehen (sog. Claudicatio sp<strong>in</strong>alis). Typischerweise wird<br />

dabei im Verlauf von Monaten die beschwerdefreie Gehstrecke der Betroffenen immer<br />

kürzer. Die operative Behandlung besteht <strong>in</strong> diesen Fällen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mikrochirurgisch<br />

durchgeführten Erweiterung (Dekompression) des Sp<strong>in</strong>alkanals. Weil bei dieser die<br />

Strukturen, die die seitliche Verschiebung der Wirbel zue<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>schränken (Bänder,<br />

kle<strong>in</strong>e Wirbelgelenke), geschwächt werden, besteht die Möglichkeit, daß es zu e<strong>in</strong>em<br />

Wirbelgleiten (sog. Instabilität) kommt.<br />

Diese kann aber auch spontan durch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule auftreten<br />

und dann se<strong>in</strong>erseits durch den Versatz der den Sp<strong>in</strong>alkanal umgebenden Strukturen zu<br />

dessen Enge beitragen, typischerweise wiederum bei Belastung (Stehen, Gehen). Selbst<br />

wenn <strong>in</strong> Röntgenaufnahmen noch ke<strong>in</strong> Gleiten der Wirbel zue<strong>in</strong>ander sichtbar se<strong>in</strong> sollte,<br />

kann e<strong>in</strong>e Gefügelockerung (sog. Mikro<strong>in</strong>stabilität) zu Rückenschmerzen führen. Hierbei s<strong>in</strong>d<br />

die Kapseln der kle<strong>in</strong>en Wirbelgelenke (Facettgelenke) verantwortlich für den<br />

Rückenschmerz, beispielsweise beim Aufstehen aus dem Sitzen und beim Aufrichten aus<br />

vornüber gebeugter Haltung.<br />

Die sich hieraus ergebenden Behandlungsansätze umfassen die Betäubung dieser Gelenke<br />

(Facettenblockade) mit meist nur kurzer Beschwerdebesserung und die Verkochung bzw.<br />

Vereisung der Nervenendigungen <strong>in</strong> den betreffenden Gelenkskapseln<br />

(Facettendenervation), welche mitunter für Monate den Rückenschmerz mildern. Muss aber


wegen der sp<strong>in</strong>alen Enge auch e<strong>in</strong>e Dekompression erfolgen, wird versucht mit Implantaten,<br />

die zwischen die Dornfortsätze e<strong>in</strong>gebracht werden oder mit anderen sogenannten<br />

dynamische Implantaten, die Stabilität zu verbessern und gleichzeitig e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Beweglichkeit des betroffenen Wirbelsäulensegmentes zu erhalten.<br />

In vielen Fällen mit e<strong>in</strong>er Enge <strong>in</strong> den seitlich gelegenen Anteilen des Wirbelkanals (sog.<br />

laterale Sp<strong>in</strong>alkanalstenose, bzw. Foramenstenose), müssen größere Anteile der<br />

Facettgelenke mit entfernt werden. In diesen Fällen musste bisher regelhaft e<strong>in</strong>e<br />

Verblockungsoperation der beiden benachbarten Wirbel (sog. Spondylodese) durchgeführt<br />

werden. Dazu wird das entsprechende Bandscheibenfach komplett ausgeräumt und mit<br />

Körbchen gefüllt, durch die h<strong>in</strong>durch dann der Knochen zwischen den Wirbeln verwächst<br />

und so zu e<strong>in</strong>er Versteifung des Segmentes führt (sog. Blockwirbelbildung). In der Regel wird<br />

durch e<strong>in</strong> Schrauben-Stab-System (sog. Fixateur <strong>in</strong>terne) die sofortige Stabilität hergestellt.<br />

Bisher gab es <strong>in</strong> Fällen, <strong>in</strong> denen die Bandscheibe des betroffenen Segmentes noch gut<br />

erhalten und funktionstüchtig war, ke<strong>in</strong>e Alternative zu diesen, die Beweglichkeit im<br />

Segment und die Bandscheibe zerstörenden Operationen. E<strong>in</strong> Ersatz der kle<strong>in</strong>en<br />

Wirbelgelenke durch entsprechende Prothesen war bisher nur <strong>in</strong> Form von wenigen Studien<br />

möglich. Das jetzt <strong>in</strong> M<strong>in</strong>den erstmals und erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzte Implantat ist <strong>in</strong> den U.S.A.<br />

entwickelt worden und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorläufer-Version <strong>in</strong> über 100 Patienten verwendet worden.<br />

In Europa waren 2 Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> Wiesbaden und Budapest an der ersten Studie beteiligt. Hier<br />

wurden zunächst 12 Patienten operiert und dann vor weiteren Anwendungen zunächst e<strong>in</strong><br />

Jahr gewartet. Die Ergebnisse waren sehr überzeugend: deutliche Beschwerdebesserung <strong>in</strong><br />

allen Patienten, ke<strong>in</strong>e unerwünschten Implantat-bezogenen Nebenwirkungen, die sich<br />

nachteilig auf die Behandelten ausgewirkt hätten.<br />

Bei dem ersten <strong>in</strong> M<strong>in</strong>den mit dieser Prothese Versorgten handelt es sich um e<strong>in</strong>en 61jährigen<br />

Mann mit ausgeprägter Enge des Sp<strong>in</strong>alkanals im vorletzten Segment (L4/5),<br />

verursacht durch e<strong>in</strong>e Verdickung der degenerierten Facettgelenke. Hierdurch war e<strong>in</strong> rechts<br />

bis zum Fuß ziehender, nach Gehstrecken von 500 m deutlich verstärkter Schmerz bed<strong>in</strong>gt,<br />

der mit kribbelnden Mißempf<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>g. Nach aufwendigen Untersuchungen, die<br />

e<strong>in</strong>e ausreichend gute Qualität der entsprechenden Bandscheibe zeigten (siehe Abbildung),<br />

wurde die Entscheidung zum <strong>Facettgelenksersatz</strong> gefällt. Der Patient willigte nach Erklärung<br />

<strong>in</strong> die therapeutischen Optionen <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>griff e<strong>in</strong>. Die Operation verlief ohne<br />

Komplikationen, die Wunde verheilte ohne Probleme. Nach wenigen Tagen konnte der<br />

Patient die Kl<strong>in</strong>ik beschwerdefrei verlassen. Die Beweglichkeit des operierten Segmentes ist<br />

erhalten.<br />

Dieser überaus erfreuliche Verlauf ermutigt das Team um Chefarzt Priv. Doz. Dr. Ulrich<br />

Knappe, diese <strong>in</strong>novative Technik auch anderen Patienten anzubieten. Endlich gibt es für<br />

e<strong>in</strong>e Untergruppe von Patienten die Möglichkeit, die kle<strong>in</strong>en Wirbelgelenke mit e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>dividuell e<strong>in</strong>stellbaren und robusten Prothese zu ersetzen und die Operateure s<strong>in</strong>d bei<br />

diesen Betroffenen nicht mehr gezwungen, e<strong>in</strong>e an sich funktionierende Bandscheibe der<br />

Stabilisierung zu opfern. Dabei ist die genaue Wertung aller verfügbaren kl<strong>in</strong>ischen und


adiologischen Daten notwendig, damit im Falle e<strong>in</strong>er Operation an der Wirbelsäule für den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Patienten genau die Technik angeboten wird, die für den Betroffenen das<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich beste Ergebnis gewährleistet. Wie bei allen neuen Operationsverfahren<br />

üblich wird der Patient <strong>in</strong> zunächst engen Zeit<strong>in</strong>tervallen umfassend <strong>in</strong> der<br />

Neurochirurgischen Kl<strong>in</strong>ik nachuntersucht. Diese Untersuchungen werden von Dr. med.<br />

Michael Flörke systematisch durchgeführt.<br />

Bildgebung vor der Operation (obere Reihe) und nach der Operation (untere Reihe).<br />

L<strong>in</strong>ks oben erkennt man im seitlichen Bild der Myelographie die deutliche Enge des Sp<strong>in</strong>alkanals (rotes Kreis)<br />

mit fehlender Füllung des Rückenmarkssackes durch das schwarz sich abbildende Kontrastmittel. Daneben<br />

f<strong>in</strong>det man das entsprechende Computertomogramm (CT) und rechts der Mitte das entsprechende<br />

Kernsp<strong>in</strong>tomogramm, welche die Enge der seitlichen Anteile des Sp<strong>in</strong>alkanals und des Nervenaustrittskanals<br />

(sog. Neuroforamen) illustrieren (rote Kreise). Rechts erkennt man im seitlichen MRT den noch guten Erhalt der<br />

vorletzten Bandscheibe (gelber Pfeil).<br />

Unten l<strong>in</strong>ks erkennt man im seitlichen Röntgenbild und daneben im CT die deutliche Entlastung der zuvor<br />

e<strong>in</strong>geengten Strukturen (grüne Kreise) sowie das e<strong>in</strong>gebrachte Implantat. Rechts daneben erkennt man im 3D-<br />

CT das e<strong>in</strong>gebrachte Implantat (violett) sowohl beim Blick von h<strong>in</strong>ten (rechts der Mitte) und von schräg seitlich<br />

(ganz rechts).<br />

Kontakt: Neurochirurgische Geme<strong>in</strong>schaftspraxis<br />

am Johannes Wesl<strong>in</strong>g Kl<strong>in</strong>ikum, Hans-Nolte-Str. 1, 32429 M<strong>in</strong>den<br />

J. Rolfes, PD Dr. U.J. Knappe<br />

Tel.: 0571 790 1670, neurochirurgie@kl<strong>in</strong>ikum-m<strong>in</strong>den.de

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