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Februar 2013 - Lions Distrikt Sachsen (111-OS)

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inside<br />

Unser Nachbarkontinent <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />

<strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />

Unser Nachbarkontinent<br />

inside<br />

„Ein Land,<br />

dem ein großes<br />

Stück meines<br />

Herzens gehört“<br />

Von PDG Dr. Axel Turra, KIR<br />

Zunächst kam ich mir ein wenig vor wie Grigori<br />

Kossonossow, der Wächter der Fliegerschule,<br />

der auf Urlaub in sein Heimatdorf fuhr, aus<br />

Michail Sostschenkos „Die Kuh im Propeller“<br />

als die Frage an mich herangetragen wurde: Sag<br />

mal, Du warst doch im letzten Jahr drei Mal in<br />

Afrika, da kannst Du doch einmal was schreiben,<br />

sozusagen hinter die Kulissen blicken. Bei<br />

Sostschenko heißt das: „Nun, was ist, Genosse<br />

Kossonossow,“ sagten die Kollegen beim Abschied,<br />

„da ihr schon hinfahrt, könnt ihr vielleicht<br />

ein bisschen agitieren dort im Dorf, wie<br />

Sagt den Bäuerlein so und so, das Flugwesen<br />

entwickelt sich bei uns, vielleicht tragen sie etwas<br />

Geld zusammen für ein neues Flugzeug!“<br />

Der Fort- und Ausgang der Geschichte ist bekannt.<br />

Wenn nicht zum Lesen empfohlen oder<br />

zum Hören mit Manfred Krug.<br />

Zurück zum Thema! Da muss ich zunächst korrigieren,<br />

ich war in Kenia, nicht schlechthin<br />

in Afrika. Das sagt sich immer so leicht, Afrika,<br />

Hilfe für Afrika, aber der Riesenkontinent<br />

muss differenzierter betrachtet werden, als es<br />

gemeinhin üblich ist. Die wirtschaftlichen, sozialen<br />

und politischen Bedingungen sind in den<br />

einzelnen Ländern oftmals ebenso unterschiedlich<br />

wie die geografischen und klimatischen<br />

Verhältnisse. Kenia ist ein wichtiger Staat in<br />

Ostafrika. In der von den Vereinten Nationen<br />

geführten Liste der Staaten und Regionen gehören<br />

19 Länder zu Ostafrika. Ein kleiner Teil von<br />

ihnen – Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda und<br />

Burundi – bilden die zwischenstaatliche Organisation<br />

der Ostafrikanischen Gemeinschaft<br />

(East African Community EAC). Kenias Landfläche<br />

ist fast doppelt so groß wie die Deutschlands,<br />

während die Einwohnerzahl knapp die<br />

Hälfte der deutschen beträgt. In Kenia kommen<br />

68,5 Einwohner auf den Quadratkilometer,<br />

in Deutschland teilen sich 229 Menschen<br />

den gleichen Raum.<br />

Als ich am 28. Dezember morgens um 6 Uhr<br />

von Mombasa die Rückreise nach Deutschland<br />

antrat, waren es vor Ort 36° C, bei der Ankunft<br />

17 Uhr in Frankfurt/Main -5° C.<br />

Bestätigen muss ich die unendliche Schönheit<br />

des Landes, sei es an der türkisblauen Küste<br />

des Indischen Ozeans unter Palmen und anderer<br />

üppiger tropischer Vegetation oder in<br />

der kargen Savanne mit tausenden Tieren.<br />

Out of Africa –<br />

Eindrücke aus Kenia<br />

Fotos: AT<br />

Da wird tatsächlich jedes Klischee erfüllt.<br />

Aber wenn man aus den Hotelanlagen und<br />

Lodges hinausgeht auf die Straße, kann man<br />

die Augen nicht verschließen vor der Wirklichkeit<br />

des alltäglichen Lebens. Im Grunde gibt es<br />

alles und für die Touristen auch eine Fülle an<br />

Schnitzereien, Bilder, Tücher, Ketten, Bänder –<br />

alles Dinge, die ich selten oder gar nicht in den<br />

bescheidenen Hütten der Einheimischen gefunden<br />

habe. Und im NAKUMAT (kenianische<br />

Handelskette) kannst du alles kaufen, was dein<br />

Herz begehrt, auch europäische, deutsche und<br />

japanische Produkte, wenn es dein Geldbeutel<br />

hergibt. Einheimische Produkte, vor allem<br />

Nahrungsmittel sind preiswert, alles andere<br />

hat vergleichbare Preise wie bei uns oder ist<br />

teurer.<br />

Eine Animateurin in einem renommierten<br />

Hotel, zuständig für die permanente Beschäftigung<br />

der Gäste mit Sport, Spiel und Dancing,<br />

erhält in einem vertragslosen Zustand umgerechnet<br />

3 Euro am Tag, 6-Tage-Woche, täglich<br />

12 bis 16 Stunden Arbeitszeit mit Pausen von<br />

3 bis 4 Stunden. Das Salär einer Unterstufenlehrerin<br />

beträgt 200 Euro im Monat. Es gibt wenige<br />

besser bezahlte Managerjobs oder Ärzte,<br />

Hochschullehrer, Ingenieure, höhere Beamte,<br />

die ein deutlich besseres Gehalt haben. Eine<br />

gut ausgebildete deutsche Sekretärin wäre mit<br />

ihrem Gehalt hier eine konkurrenzlose Spitzenverdienerin.<br />

Eine einfache Wohnung ohne<br />

Wasser und Strom kostet im Monat 40 bis 60<br />

Euro; eine geräumige 3-Zimmer-Reihenhauswohnung<br />

mit Küche, Dusche und Strom, Wasser<br />

und Security in einer abgeschlossenen Anlage<br />

liegt bei 300 Euro all inclusive. Jetzt kann<br />

jeder rechnen! Weiter auf Seite 21<br />

Fortsetzung von Seite 20<br />

Man muss wirklich nicht weit gehen, um sozialer<br />

Not zu begegnen. Familien, die in aus einigen<br />

Pfählen gebauten, mit Lappen notdürftig<br />

behangenen Hütten direkt neben modernen<br />

Betonneubauten „wohnen“ oder einfach eine<br />

Blätterhütte am Rand vom Busch. Keine Straßennamen,<br />

keine Hausnummer. Auf einem<br />

Holzkohleofen kocht einfacher Haferbrei oder<br />

Ugali (weißer Maisbrei). Diese Beschreibungen<br />

lassen sich ebenso fortsetzen wie die von den<br />

Schönheiten des Landes.<br />

Wichtig, überall freundliche Menschen, für die<br />

es ausschließlich die beiden Lebensmottos zu<br />

geben scheint „Hakuna matata!“ (Es gibt keine<br />

Probleme!) und „Pole, pole“ (Langsam. Langsam).<br />

Und was sich bei Tageslicht als lässliche<br />

Kleinkriminalität vergessen lässt, schlägt in der<br />

Dunkelheit allzu oft in bedrohliche Situationen<br />

um. Dazu kommt eine allgegenwärtige Korruption.<br />

Da geht es nicht darum, dass man aufgefordert<br />

ist, für eine erbrachte freundliche Leistung<br />

ein Trinkgeld zu geben, sondern da muss<br />

man sich jede Verbesserung seines Lebens erkaufen.<br />

Und an solchen Stellen sind dann wir<br />

Touristen schnell bereit, die Nase zu rümpfen<br />

und abschätzige Wertungen von uns zu geben.<br />

Aber, und das ist eine erste Erkenntnis der Wochen<br />

in Kenia, jeder ist bei Strafe seines Untergangs<br />

gezwungen, auch die kleinste Aktion mit<br />

der Frage zu verbinden, wenn ich das jetzt tue,<br />

geht es mir danach auch ökonomisch besser<br />

oder nicht.<br />

Und wir dürfen nicht vergessen, dass dieser ausgeblutete<br />

Kontinent – an dieser Stelle will ich<br />

einmal verallgemeinernd von Afrika sprechen<br />

– den Reichtum seiner Böden, die Fülle seiner<br />

Natur, seiner Tier- und Pflanzenwelt nicht<br />

selbst nutzen konnte und seine Menschen als<br />

Sklaven gefangen und verkauft wurden. Hier<br />

hat die Welt eine Schuld gegenüber Afrika abzutragen!<br />

Aber im Gegenteil tun global arbeitende<br />

Konzerne alles, um durch Monokulturen<br />

die Länder in Abhängigkeit zu halten, haben sie<br />

die Kolonialherren von einst nicht verdrängt,<br />

sondern nur ersetzt. An ihrer Seite finden wir<br />

häufig einheimische Politiker, deren „strategische“<br />

Programme im eigenen Stamm und der<br />

eigenen Brieftasche enden. Die ausländischen<br />

Global-Player zahlen nur geringe Steuern und<br />

die großzügigen „Fördermittel“ betragen nur<br />

einen verschwindenden Bruchteil der exorbitanten<br />

Gewinne.<br />

Natürlich gibt es politische Parteien und in<br />

wachsendem Maße auch Gewerkschaften,<br />

aber dauerhafte demokratische Veränderungen<br />

setzen sich nur in einem zählebigen Prozess<br />

durch. Dabei dürfen wir aber nicht mit dem Anspruch<br />

auftreten, einfach unsere Verhältnisse,<br />

unsere Systeme dem traditionell gewachsenen<br />

sozialen Gefügen überstülpen zu wollen. Hier<br />

sind Einfühlungsvermögen und subtile Kenntnisse<br />

der Geschichte und Kultur des Landes<br />

erforderlich. Der heilsbringende Hut westeuropäisch-US-amerikanischer<br />

Segnungen passt nur<br />

selten auf afrikanische Köpfe!<br />

In Kenia, dass seit Dezember 1963 unabhängig<br />

ist (ehemaliges Protektorat Britisch-Ostafrika),<br />

gibt es allein 40 verschiedene Volksgruppen,<br />

die über 50 Sprachen und Dialekte sprechen<br />

– offizielle Landessprachen sind Swahili und<br />

Englisch. Landesgrenzen wurden von den ehemaligen<br />

Kolonialmächten wie überall auf der<br />

Landkarte mit dem Lineal gezogen, was u. a. zu<br />

bis heute anhaltenden ethnischen Konflikten<br />

führt.<br />

In Kenia herrscht Schulpflicht in einem System,<br />

dass uns Ostdeutschen sehr bekannt ist – acht<br />

Jahre „Grundschule“, vier Jahre Gymnasium,<br />

vier Jahre Hochschule. In den zurückliegenden<br />

zwanzig Jahren wurde in einer beispiellosen<br />

Kampagne das Analphabetentum wirksam<br />

zurückgedrängt, wozu auch seit 2003 die<br />

Schulgeldfreiheit an den Primary Schools entscheidend<br />

beitrug. Zahlreiche Schulen werden<br />

auch von ausländischen Hilfsorganisationen<br />

aufgebaut, unterstützt und betrieben, darunter<br />

auch von LCI. Zur Realität gehört aber auch,<br />

dass mancherorts nur noch ein windschiefes<br />

Pappschild an den einstigen Sponsor erinnert.<br />

Das ist eine weitere wichtige Erkenntnis: Hilfsprojekte<br />

sind gefragt, sind unverzichtbar, aber<br />

sie müssen von Dauer sein. Sie müssen wirklich<br />

Hilfe zur Selbsthilfe werden, und dazu gehört<br />

dann zuweilen auch ein strenges Controlling<br />

als wichtiger Bestandteil der „Hilfe“. Unsere Hilfe<br />

muss dauerhafte Veränderungen bewirken,<br />

muss Quelle und nicht nur Tropfen auf den heißen<br />

Stein sein. In diesem Zusammenhang habe<br />

ich z. B. auch festgestellt, dass es eine geradezu<br />

unübersichtliche Zahl von Projekten und Programmen<br />

staatlicher Einrichtungen, weltweit<br />

tätiger Hilfsorganisationen ebenso wie kleinster<br />

Familienvereine gibt. Deren Tätigkeit in<br />

einem vertretbaren Maße zu koordinieren,<br />

wäre segensreich für die Unterstützungsempfänger.<br />

Spender und Sponsoren sind jederzeit<br />

willkommen, aber auch aufgerufen, möglichst<br />

im direkten Kontakt Hilfe zu leisten. So habe<br />

ich, gemeinsam mit weiteren <strong>Lions</strong>freunden<br />

meines Clubs, Kinderbekleidung, Schulmaterialien,<br />

technische Kleingeräte und sogar Fußbälle<br />

direkt an Ort und Stelle übergeben. Natürlich<br />

könnte es immer mehr sein, aber das Limit der<br />

Fluggesellschaften ist begrenzt.<br />

Foto: djd/Müllers Mühle<br />

In der gegenwärtigen Lage ist auch die Frage<br />

nach islamischen Fundamentalisten von Interesse.<br />

Für Kenia ist man versucht rein statistisch<br />

mit den Schultern zu zucken und sich zurück<br />

zu lehnen – 82,6 % der Bevölkerung sind Christen<br />

(26 % Anglikaner, 23,3 % Katholiken, 2,5 %<br />

Orthodoxe und 47,4 % Protestanten). Lediglich<br />

11,1 % der Bevölkerung sind zumeist sunitische<br />

Muslime. Allerdings nimmt die Zahl besonders<br />

durch somalische Flüchtlinge deutlich zu. Vor<br />

allem im Küstenbereich nördlich und südlich<br />

von Mombasa fällt die Deutlichkeit auf, mit der<br />

Moslems in der Öffentlichkeit in Erscheinung<br />

treten, durch Kleidung und die allgegenwärtigen<br />

Rufe der Muezzins, aber ebenso durch<br />

wirtschaftliches Engagement.<br />

Damit es mir am Ende nicht doch noch so wie<br />

Grigori Kossonossow ergeht, schließe ich an<br />

dieser Stelle meinen Afrika-Bericht. Bei wem<br />

Interesse zur Vertiefung geweckt wurde, Fragen<br />

entstanden sind oder Widerspruch angeregt<br />

worden ist, dem bin ich gern bereit, Rede<br />

und Antwort zu stehen. Auch wer vielleicht<br />

konkret etwas tun möchte, ist herzlich zur<br />

Kontaktaufnahme aufgefordert. Im August bin<br />

ich wieder in Kenia, dem Land, dem ein großes<br />

Stück meines Herzens gehört.<br />

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