Untitled - Urban Interior
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Er selbst wohnt über dem U-Bahn-Zugang<br />
an der Rosa-Luxemburg-Straße im<br />
6. Stock. Wie durch einen Trichter werde<br />
der Theaterlärm vervielfacht, heißt es.<br />
Entsprechende Mitteilungen an das<br />
Amt für Umwelt und Natur in Mitte<br />
hätten wenig Erfolg gezeigt.<br />
Berliner Morgenpost - 27.05.2009<br />
Konflikt<br />
Volksbühne im Freien stört Ruhe der<br />
Anwohner<br />
In diesen Tagen sorgt die Volksbühne<br />
in Mitte nicht mit ihren ungewöhnlichen<br />
Inszenierungen für Aufregung,<br />
diesmal geht es ganz profan um Ruhestörung.<br />
Zahlreiche Anwohner rund<br />
um den Rosa-Luxemburg-Platz beklagen<br />
seit Tagen „Schreie von Schauspielern“<br />
und „Getöse durch Musiker“.<br />
Tatsächlich finden Proben und Vorstellungen<br />
des Theaters bis zur Sommerpause<br />
unter freien Himmel statt - in der Agora,<br />
dem hölzernen Bauwerk vor dem Hauptportal.<br />
Wie berichtet, wird die Volksbühne<br />
für zwölf Millionen Euro saniert.<br />
Seit die Künstler mit den Open-Air-<br />
Proben für „Prometheus“, „Vögel ohne<br />
Grenzen“ und „Die Geschichten des Julius<br />
Caesar“ auf dem Theater-Vorplatz<br />
begonnen haben, ist bei Anwohnern<br />
Unmut über den Lärm angesagt. „Morgens<br />
um 10 Uhr geht es los“, schimpft<br />
Bernd Schütze, „und dann geht es bis<br />
in den Abend.“ Inzwischen hat er eine<br />
Mieterinitiative gegründet, um gegen<br />
die tägliche Ruhestörung vorzugehen.<br />
„Die Chancen schätze ich eher gering<br />
ein, denn das Freilufttheater wurde<br />
vom Senat genehmigt. Angeblich würden<br />
sämtliche Umweltauflagen eingehalten“,<br />
sagt Bernd Schütze. Er selbst<br />
wohnt über dem U-Bahn-Zugang an<br />
der Rosa-Luxemburg-Straße im 6.<br />
Stock. Wie durch einen Trichter werde<br />
der Theaterlärm vervielfacht, heißt es.<br />
Entsprechende Mitteilungen an das<br />
Amt für Umwelt und Natur in Mitte<br />
hätten wenig Erfolg gezeigt.<br />
Damit ist auch nicht zu rechnen,<br />
denn die Behörde hatte nach sorgfältigen<br />
Lärm-Messungen der<br />
Volksbühne „grünes Licht“ für den<br />
Theaterbetrieb bis zum Beginn der Sommerpause<br />
(12. Juli) gegeben. Nach Auskunft<br />
der Behörde gelte ab 22 Uhr Nachtruhe.<br />
„Die wird jeden Tag eingehalten“, versichert<br />
Stefan Pelz, Technischer Direktor<br />
der Volksbühne, der Berliner Morgenpost.<br />
Messungen hätten ohnehin ergeben,<br />
dass die Geräusche aus dem Agora-<br />
Theater nicht lauter als der Straßenlärm<br />
seien. „Laute Stimmen während einer<br />
Aufführung sind für die Anwohner ungewohnt.<br />
Daher werden sie wahrgenommen.“<br />
An den üblichen Lärm der Großstadt<br />
habe man sich bereits gewöhnt.<br />
„Er wird daher nicht mehr als störend<br />
empfunden.“ Die Volksbühne halte sich<br />
an die behördlichen Auflagen. „Im Übrigen<br />
wurde eine Notnummer eingerichtet“,<br />
so Stefan Pelz, „damit sich Anwohner<br />
bei Störungen melden können.“<br />
Jungle World - 26.06.2009<br />
Die Berliner Partylinke besetzt den<br />
öffentlichen Raum – unterstützt von<br />
Touristen und Trommlern.<br />
Berlin ist eine laute Stadt. Vor allem<br />
in den angesagten Alternativkiezen in<br />
Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer<br />
Berg, wo Verkehrsberuhi gungsprojekte<br />
bis heute als Maßnahmen im Kampf gegen<br />
Umweltzerstörung und Kommerz<br />
verteidigt werden, können die Anwohner<br />
kaum mehr eine Nacht durchschlafen.<br />
Insbesondere am Wochenende und<br />
in den Sommermonaten sorgt hier eine<br />
ununterbrochene Abfolge nächtlicher<br />
Spontanpartys, Freiluftveranstaltungen<br />
und amtlich genehmigter »Kulturevents«<br />
für Dauerberieselung oft weit<br />
jenseits der akustischen Schmerzgrenze.<br />
Seit Frühjahr dieses Jahres werden<br />
aber auch die Stimmen der genervten<br />
Anwohner lauter. Nachdem die Volksbühne<br />
am Rosa-Luxemburg-Platz mit<br />
Genehmigung des Bezirks im Mai ihre<br />
Freiluftbühne »Agora« eingeweiht hatte,<br />
wo seither bis in die Nacht rezitiert<br />
und musiziert wird, hat sich innerhalb<br />
weniger Wochen eine Initiative »Contra<br />
Ruhestörungen durch die Open-Air-<br />
Spielstätte der Volksbühne« formiert,<br />
die erreichen konnte, dass<br />
dort nach 22 Uhr für das Publikum<br />
Kopfhörer ausgeteilt werden.<br />
Für den Görlitzer Park, wo regelmäßig<br />
Technopartys stattfinden und Gruppen<br />
von Lateinamerikanern sich mit spirituell<br />
immunisierten Linken bis in die<br />
Morgenstunden in monotonem Permanenztrommeln<br />
üben, hat das Ordnungsamt<br />
eine eigene Abteilung eingerichtet.<br />
Diese kann allerdings nicht viel erreichen,<br />
weil die Trommler nach jeder Abmahnung<br />
mit Gandhischer Beharrlichkeit aufs<br />
Neue auftauchen. Auch die Anwohner<br />
der Admiralsbrücke am Landwehrkanal,<br />
die in Reiseführern als »Partybrücke«<br />
beworben wird, wehren sich gegen die<br />
Lärmbelästigung durch Trommler, Gitarristen,<br />
Kofferradios und Bierflaschendemolierer.<br />
Einige fordern vom Bezirk gar<br />
die Aufhebung der Verkehrsberuhigung,<br />
um die Lärmtouristen loszuwerden – für<br />
Kreuzberger Verhältnisse ein Novum.<br />
Hält nun also, wie die mit Indignation reagierenden<br />
Geräuschproduzenten nahe<br />
legen, auch in linken Berliner Kiezen das<br />
Spießertum Einzug? Die Antwort dürfte<br />
den Lärmanwälten nicht gefallen: Es hält<br />
tatsächlich Einzug, nur sind die Spießer<br />
längst keine Leisetreter mehr, sondern<br />
machen selbst am meisten Krach. Keine<br />
einzige der Reportagen, die die bürgerliche<br />
Presse in den vergangenen Wochen<br />
aus den akustischen Epizentren der<br />
Hauptstadt abgedruckt hat, übte sich in<br />
kleingeistiger Empörung. Im Gegenteil:<br />
Lärm, darin sind sich die Kulturexperten<br />
von Taz bis Morgenpost einig, ist geil.<br />
»Rom hat seine spanische Treppe, und wir<br />
haben unsere Admiralsbrücke«, zitiert der<br />
Tagesspiegel zustimmend das Appeasement<br />
eines Anwohners, der »seine« Brücke<br />
»liebt«, und weist mit Genugtuung<br />
darauf hin, dass die vom Stadtrat aufgestellten<br />
Schilder mit Ermahnungen zu<br />
akustischer Rücksicht mit der Aufschrift<br />
»Spießer« übermalt worden seien. Die<br />
Zeit mokiert sich zwar über die »Eventisierung<br />
des Viertels«, beschreibt aber<br />
mit geradezu großbürgerlichem Kunstsinn<br />
das »babylonische Sprachengewirr«<br />
und die Flaschenscherben, die »im Teer<br />
zwischen dem Pflaster ein künstlerisches<br />
Muster bilden«. Den Vogel schoss das<br />
Stadtmagazin Tip ab, das dem Thema ein<br />
Spezial widmete, um unterstützt von peinlichem<br />
Gestammel des Sängers Campino<br />
den Krach als »Kulturfaktor« zu feiern.<br />
Die Sache ist also klar: Lärmbelästigung<br />
ist Teil des Mainstreams und aus der frechfröhlichen<br />
Hauptstadt schon aus Gründen<br />
gesamtdeutscher Gefühlsertüchtigung<br />
nicht mehr wegzudenken. Nicht wer sie<br />
ausübt, sondern wer unter ihr leidet, gilt<br />
als Spielverderber und wird mit amtlicher<br />
und medialer Unterstützung aus der multikulturellen<br />
Großfamilie ausgeschlossen.