Amts- und Mitteilungsblatt der Stadt Schleiz 9 ... - Rennstadt Schleiz
Amts- und Mitteilungsblatt der Stadt Schleiz 9 ... - Rennstadt Schleiz
Amts- und Mitteilungsblatt der Stadt Schleiz 9 ... - Rennstadt Schleiz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
KASTANIEN BRAUCHEN UNSERE HILFE!<br />
Die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum),<br />
ein auch in Deutschland weit verbreiteter<br />
Allee- <strong>und</strong> Parkbaum, hat ihre<br />
Heimat auf dem Balkan (Nordgriechenland).<br />
Um 1570 wurde sie in Wien erstmals<br />
in Europa aus Samen gezogen. Bereits<br />
im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert war diese Baum -<br />
art in Europa weit verbreitet. Heute ca.<br />
250 Jahre alte Exemplare sollen dies bezeugen.<br />
Sie liebt lockere, feuchte <strong>und</strong> nährstoffreiche<br />
Böden, kommt jedoch auch mit gemischten<br />
Aufschüttungssubstraten gut<br />
zurecht. Nach i. d. R. raschem Jugendwachstum<br />
wird sie mit 10 bis 15 Jahren<br />
mannbar, d. h. beginnt zu blühen. Als<br />
schöner, mittelgroßer Baum mit kurzem,<br />
starkem, meist drehwüchsigem Stamm<br />
mit weitstreichendem Wurzelwerk sowie<br />
r<strong>und</strong>er, reich belaubter Krone ist sie als<br />
städtisches Großgrün beliebt. In ungüns -<br />
tigen Lagen leidet sie unter Umständen<br />
im Herbst unter Frühfrösten.<br />
Wertvoll ist die Kastanie, weil schattenertragend<br />
<strong>und</strong> -spendend <strong>und</strong> weil sie auch<br />
relativ stabil gegenüber Luftverschmutzung<br />
(Schadgasemissionen) ist sowie viel<br />
Staub bindet. Wie alle grünen Pflanzen<br />
gilt sie natürlich ebenfalls als Sauerstoff<strong>und</strong><br />
Feuchtigkeitsspen<strong>der</strong>.<br />
Ein rotblühen<strong>der</strong> Bastard (Aesculus hippocast.<br />
carnea) ist als Alleebaum deshalb<br />
von Bedeutung, weil er etwas später<br />
blüht, kleinere <strong>und</strong> vor allem weniger<br />
Früchte ausbildet (Verkehrssicherheit).<br />
Geschätzt wird die Rosskastanie auch<br />
weil sie wirksame Bestandteile (Rinde<br />
<strong>und</strong> Samen) für die medizinische Hautpflege<br />
<strong>und</strong> Kosmetik liefert, die adstringierend,<br />
gefäßverengend, blutstillend <strong>und</strong><br />
entzündungshemmend wirken. Sie ist<br />
also gewissermaßen Rohstoff <strong>und</strong> letztendlich<br />
als Energiespen<strong>der</strong> einsetzbar.<br />
Seit ca. 20 Jahren werden auch in<br />
Deutschland die Kastanien durch ein Insekt,<br />
die Kastanienminiermotte (Cameraria<br />
ohridella), zunehmend geschädigt.<br />
Die Weibchen des etwa 5 mm großen, aus<br />
SO-Europa (Mazedonien) über Österreich<br />
eingewan<strong>der</strong>ten, Falters legen etwa<br />
ab <strong>der</strong> Blütezeit 40 bis 70 Eier auf die<br />
Oberseite <strong>der</strong> Laubblätter ab. Die nach 2<br />
bis 3 Wochen geschlüpften winzigen Larven<br />
bohren sich in das Blattgewebe <strong>und</strong><br />
fressen / zerstören es (sogen. Minen entstehen).<br />
Die Blätter werden ab Juni / Juli<br />
gelblich-braun <strong>und</strong> fallen bald ab, oft bereits<br />
im August. In <strong>Schleiz</strong> bzw. dessen<br />
Umland sind <strong>der</strong>artige Schäden seit Jahren<br />
festzustellen, z. B. Oettersdorfer- <strong>und</strong><br />
Nordstraße o<strong>der</strong> Straßenbäume zwischen<br />
Neustadt <strong>und</strong> Lichtenau. Da diese Motte<br />
3 bis 4 Generationen pro Jahr hervorbringt,<br />
hat <strong>der</strong> Baum kaum Zeit für Erholungsphasen,<br />
etwa Johannistriebe. Die<br />
Fraßschäden führen in <strong>der</strong> Regel noch<br />
nicht zum Absterben <strong>der</strong> Bäume, wohl<br />
aber zu erheblichem Vitalitäts- <strong>und</strong> Zuwachsverlust<br />
(geringere Fruchtbildung<br />
<strong>und</strong> unschönes Aussehen). Nach jahrelanger<br />
Schädigung <strong>und</strong> durch an<strong>der</strong>e negative<br />
Einwirkungen wie Trockenheit,<br />
Sek<strong>und</strong>ärschädlinge u.a. kann <strong>der</strong> Tod<br />
des Baumes die Folge sein.<br />
Was ist zu tun? Vorrangig sollten in Siedlungsgebieten<br />
biologische Gegenmaßnahmen<br />
ergriffen werden. Da vor allem<br />
Meisenarten eifrige Vertilger von Motten,<br />
Larven <strong>und</strong> z. T. von Eiern sind, ist das<br />
Aufhängen <strong>und</strong> die Pflege von Nistkästen<br />
eine wichtige Abwehrmaßnahme. Die<br />
letzte Jahresgeneration dieser Miniermotte<br />
überwintert als Puppe im abgefallenen<br />
Laub. Im kommenden Frühjahr entwickelt<br />
sich diese zur fertigen Motte (Imago)<br />
<strong>und</strong> das zerstörerische Werk beginnt<br />
von vorn. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen,<br />
ist beson<strong>der</strong>s in Siedlungsgebieten<br />
das mehrmalige Aufsammeln des gefallenen<br />
Laubes <strong>und</strong> dessen Verbrennen<br />
dringend angeraten. Dieses Verbrennen<br />
ist als phytosanitäre Maßnahme erlaubt!<br />
Keinesfalls darf das eingesammelte Laub<br />
auf den Gartenkomposthaufen o<strong>der</strong> zum<br />
Kompostplatz gegeben werden. Zur Anwendung<br />
<strong>der</strong>artiger biologischer Verfahren<br />
sind vorrangig alle Eigentümer von<br />
Kastanien <strong>und</strong> von Gr<strong>und</strong>stücken sowie<br />
zur Sauberhaltung von Bürgersteigen u.ä.<br />
Verpflichtete aufgerufen. Der Griff zur<br />
sogenannten chemischen Keule, d. h. Begiftung<br />
ab Frühjahr (z. B. mit Dimilin), ist<br />
allenfalls bei wertvollen außerörtlichen<br />
Alleen sinnvoll <strong>und</strong> darf dann ausschließlich<br />
von berechtigten Personen durchgeführt<br />
werden.<br />
Günther Hoffmann<br />
Dipl.-Forsting. / Naturschutzbeauftragter<br />
Anzeige<br />
Ausgabe 09/2012 – <strong>Amts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Schleiz</strong> – Seite 14