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KAPITEL 5 Der Erste Gödelsche Unvollständigkeitssatz - Fakultät für ...

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<strong>KAPITEL</strong> 5<br />

<strong>Der</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong><br />

Unvollständigkeit und Unentscheidbarkeit<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 1 / 128


Übersicht<br />

1 <strong>Der</strong> 1. <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>:<br />

Informelle Formulierung und Beweisidee<br />

2 Formalisierung des Berechnungsbegriffs:<br />

Primitiv rekursive und partiell rekursive Funktionen<br />

3 Arithmetische Relationen und Repräsentierbarkeit rekursiver<br />

Relationen<br />

4 Gödelisierung und die formale Fassung des <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es<br />

5 Beweis des 1. <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es<br />

6 <strong>Der</strong> 2. <strong>Unvollständigkeitssatz</strong> und Unentscheidbarkeit in der<br />

Prädikatenlogik<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 2 / 128


5.1 Überblick<br />

<strong>Der</strong> 1. <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>:<br />

Informelle Formulierung und Beweisidee<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 3 / 128


Vorläufige Formulierung des UVS<br />

Sei L = L(


Bemerkungen (1)<br />

Die Formulierungen von UVS und UVS’ sind vorläufig, da diese den<br />

intuitiven Begriff der Entscheidbarkeit enthalten.<br />

Um die Aussagen zu präzisieren, müssen wir daher diesen Begriff<br />

formalisieren (mathematisieren). Hierzu werden wir in Kapitel 5.2 den<br />

formalen Begriff der rekursiven Menge (natürlicher Zahlen) definieren,<br />

von dem man allgemein annimmt, dass er den Begriff der entscheidbaren<br />

Menge präzisiert (Church-Turing-These).<br />

Ordnet man dann jeder L-Formel σ effektiv eine Codenummer, die<br />

Gödelnummer σ von σ zu, so kann man argumentieren, dass eine Theorie<br />

T genau dann entscheidbar ist, wenn die Menge der Gödelnummern der<br />

Sätze in T rekursiv ist.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 5 / 128


Bemerkungen (2)<br />

Man kann die semantische Version UVS’ des <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es so<br />

interpretieren, dass es keinen Kalkül K (über der Sprache L) gibt, in dem<br />

genau die Sätze beweisbar sind, die in N gelten.<br />

Dies folgt aus der Adäquatheit des Shoenfield-Kalküls:<br />

Würde<br />

gelten, so auch<br />

⊢ K σ ⇔ N σ<br />

T ⊢ σ ⇔ N σ,<br />

wobei T die Menge ist, die die Axiome von K und die den Regeln von K<br />

entsprechenden Axiome enthält. Da die Menge der Axiome und Regeln eines<br />

Kalküls entscheidbar ist, wäre dann aber auch T entscheidbar (im Wdspr. zu<br />

UVS’).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 6 / 128


Bemerkungen (3)<br />

Wir werden hier aus Zeitgründen nur die semantische Version UVS’ des<br />

<strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es beweisen. <strong>Der</strong> Beweis der allgemeineren<br />

syntaktischen Version ist jedoch ähnlich (s. Skript).<br />

In UVS’ kann man wegen der Adäquatheit des Shoenfieldkalküls (∗) durch<br />

ersetzen, da T σ ⇔ T ⊢ σ.<br />

(∗∗) T σ ⇔ N σ<br />

Den <strong>Unvollständigkeitssatz</strong> kann man auch rein berechenbarkeitstheoretisch<br />

formulieren (s. Kapitel 5.2). UVS’ ist äquivalent zu:<br />

Die Theorie Th(N ) ist unentscheidbar. D.h. es gibt keinen Algorithmus, der<br />

<strong>für</strong> beliebige L-Sätze σ feststellt, ob diese in N gelten.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 7 / 128


Beweisidee von UVS (und UVS’): Kern des Beweises (1)<br />

Wir skizzieren nun den Beweis von UVS’ und isolieren dabei die erforderlichen<br />

technischen Resultate und Begriffe, die dann in den folgenden Abschnitten<br />

nachgeliefert werden.<br />

Sei T eine entscheidbare Theorie mit T ⊆ Th(N ). Zu zeigen ist dann, dass<br />

Th(N ) ⊈ C ⊢ (T ) gilt, d.h. dass es einen Satz σ ∈ Th(N ) gibt mit T ⊬ σ.<br />

Gödel gibt hierzu einen (von T abhängenden) in N geltenden L-Satz σ an, der<br />

intuitiv und korrekterweise von sich behauptet<br />

“Ich bin nicht aus T beweisbar!”<br />

<strong>Der</strong> Satz σ gilt dann in N aber - wegen der Korrektheit von σ - ist σ nicht aus T<br />

beweisbar, d.h. σ ∈ Th(N ) \ C(T ).<br />

BEMERKUNG. Ein entsprechender Satz “Ich bin nicht wahr!” (vgl. Paradoxie des<br />

Lügners) ist dagegen paradox.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 8 / 128


Beweisidee von UVS (und UVS’): Kern des Beweises (2)<br />

ABER wie kann ein L-Satz σ von sich sagen “Ich bin nicht aus T<br />

beweisbar!”<br />

L-Sätze machen Aussagen über Zahlen und nicht über Theorien, Sätze,<br />

Beweisbarkeit etc.!<br />

LÖSUNG: Gödel kodiert ( “gödelisiert”) Formeln ϕ durch Zahlen, nämlich<br />

deren “Gödelnummern” ϕ, und endliche Zahlfolgen durch einzelne Zahlen.<br />

<strong>Der</strong> Satz σ besagt dann genauer “Es gibt keine Zahl x, die eine Folge<br />

x 1 , . . . , x m von Zahlen kodiert, sodass diese Gödelnummern von Formeln<br />

ϕ 1 , . . . , ϕ m sind, die einen T -Beweis der Formel mit Gödelnummer n bilden.”<br />

Durch ein Diagonalargument ist dabei die Zahl n so gewählt, dass diese<br />

Gödelnummer einer Formel τ ist, die T -beweisbar zu σ äquivalent ist (d.h.<br />

T ⊢ τ ↔ σ).<br />

Aus der T -Unbeweisbarkeit von τ folgt also die T -Unbeweisbarkeit von σ,<br />

weshalb der Satz σ gedeutet werden kann, dass er (implizit) sagt “Ich bin<br />

nicht aus T beweisbar!”<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 9 / 128


Beweisidee von UVS (und UVS’): Kern des Beweises (3)<br />

<strong>Der</strong> aufwändigste Schritt im Beweis von UVS bzw. UVS’ ist zu zeigen, dass<br />

sich das (gödelisierte) Beweisprädikat durch eine Formel in der Sprache L<br />

der Arithmetik beschreiben lässt.<br />

Das gödelisierte Wahrheitsprädikat “n ist die Gödelnummer eines Satzes, der<br />

in N gilt” ist dagegen nicht durch einen L-Satz beschreibbar. <strong>Der</strong> Satz “Ich<br />

bin nicht wahr!” lässt sich also ebenfalls nicht durch einen L-Satz<br />

beschreiben. Hier können daher im Gegensatz zum Gödelsatz die<br />

Sprachebenen nicht “vermengt” werden: <strong>Der</strong> Satz “Ich bin nicht wahr!”<br />

lässt sich nicht via Gödelisierung durch einen Satz der Arithmetik<br />

umschreiben, ist also in seiner Vermischung der Sprachebenen sinnlos.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 10 / 128


Beweisidee von UVS’: Erläuterung der einzelnen<br />

Beweisschritte<br />

Im Folgenden werden wir die einzelnen Schritte des gerade skizzierten Beweises<br />

etwas näher erläutern.<br />

Hierbei werden wir uns allerdings auf den Beweis von UVS’ beschränken.<br />

Dies führt zu folgender Vereinfachung: Es genügt den oben beschriebenen Satz σ<br />

so zu konstruieren, dass dieser (wie oben) <strong>für</strong> einen Satz τ besagt “τ ist nicht<br />

T -beweisbar”, wobei aber nun lediglich N τ ↔ σ (und nicht notwendigerweise<br />

T ⊢ τ ↔ σ) gelten muss.<br />

Man kann dann folgern, dass der Satz τ nicht aus T -beweisbar ist, aber in N<br />

wahr ist, also <strong>für</strong> diesen Satz τ ∈ Th(N ) \ C ⊢ (T ) gilt. Dies beweist aber gerade<br />

die schwache Version UVS’ des <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 11 / 128


Beweisidee von UVS’: Schritt 1 - Gödelisierung<br />

Durch Induktion ordnen wir jedem (L-)Term t und jeder (L-)Formel ϕ eine<br />

Gödelnummer t bzw. ϕ zu.<br />

Dies geschieht effektiv, sodass wir aus der Formel ϕ die Gödelnummer ϕ<br />

berechnen können und umgekehrt <strong>für</strong> eine Zahl n entscheiden können, ob<br />

diese Gödelnummer einer Formel ist und gegebenenfalls diese berechnen<br />

können (und entsprechend <strong>für</strong> Terme).<br />

Weiter ordnen wir jeder endlichen Folge n 0 , . . . , n k von Zahlen eine Zahl<br />

〈n 0 , . . . , n k 〉 zu. (Wegen der eindeutigen Zerlegbarkeit von Zahlen in deren<br />

Primfaktoren können wir z.B. definieren<br />

wobei p m die m-te Primzahl ist.)<br />

〈n 0 , . . . , n k 〉 := p n0+1<br />

0 · · · · · p n k +1<br />

k<br />

,<br />

Wichtig ist hierbei wiederum, dass Kodierung und Dekodierung effektiv<br />

durchführbar sind.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 12 / 128


Beweisidee von UVS’: Schritt 2 - Das gödelisierte<br />

Beweisprädikat Bew<br />

Definiere die 2-st. Relation Bew ⊆ N × N durch<br />

(q, r) ∈ Bew ⇔ q ist die Gödelnummer einer Zahlenfolge<br />

q = 〈m 1 , . . . , m n 〉, wobei m n = r und<br />

m 1 , . . . m n Gödelnummern von Formeln<br />

ϕ 1 , . . . , ϕ n sind und ϕ 1 , . . . , ϕ n ein T -Beweis ist<br />

Es gilt dann<br />

ϕ n , . . . , ϕ n T -Beweis von ϕ ⇔ (〈ϕ 1 , . . . ϕ n 〉, ϕ) ∈ Bew (1)<br />

D.h. die 2-stellige Relation Bew auf N beschreibt das Beweisprädikat<br />

(modulo Gödelisierung).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 13 / 128


Beweisidee von UVS’: Schritt 3 - Repräsentation von Bew<br />

in L<br />

Zeige, dass es eine L-Formel β ≡ β(v 1 , v 2 ) gibt mit<br />

(q, r) ∈ Bew ⇔ N β[q/v 1 , r/v 2 ] (2)<br />

Hierbei ist die Ziffer n die kanonische Darstellung der Zahl n als<br />

geschlossener L-Term: 0 + 1 + · · · + 1.<br />

} {{ }<br />

n-mal<br />

Hierzu werden wir 1) beobachten, dass wegen der Entscheidbarkeit von T auch das Beweisprädikat Bew entscheidbar<br />

ist, und 2) zeigen, dass jede entscheidbare Relation durch eine L-Formel repräsentierbar ist. (NB Hierbei werden wir mit<br />

der mathematischen Präzisierung des Entscheidbarkeitsbegriffs arbeiten.)<br />

NB: Da (<strong>für</strong> jeden L-Satz τ) T ⊢ τ genau dann gilt, wenn es einen<br />

T -Beweis von τ gibt, folgt aus (1) und (2):<br />

T ⊢ τ ⇔ N ∃v 1 β[τ/v 2 ] (3)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 14 / 128


Beweisidee von UVS’: Schritt 4 - Diagonalisierungslemma<br />

Im nächsten Beweisschritt zeigen wir dann (durch eine trickreiche<br />

Diagonalisierung):<br />

DIAGONALISIERUNGSLEMMA Zu jeder Formel ϕ ≡ ϕ(v 2 ) (in der nur die<br />

Variable v 2 frei vorkommt) gibt es einen Satz τ mit<br />

N τ ↔ ϕ[τ/v 2 ] (4)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 15 / 128


Beweisidee von UVS’: Schritt 5 - <strong>Der</strong> nichtbeweisbare aber<br />

wahre Satz τ<br />

Schließlich wenden wir das Diagonalisierungslemma auf die Formel ϕ :≡ ¬∃v 1 β<br />

an. Für den aus (9) erhaltenen Satz τ gilt dann:<br />

Setze nun (<strong>für</strong> diesen Satz τ): σ :≡ ¬∃v 1 β[τ/v 2 ].<br />

N τ ↔ ¬∃v 1 β[τ/v 2 ] (5)<br />

Dann besagt σ gerade “Es gibt keinen T -Beweis des Satzes τ”, und wegen (5) ist<br />

in N der Satz σ zu dem Satz τ äquivalent.<br />

Dass hieraus folgt, dass der Satz τ die gewünschten Eigenschaften hat, d.h. dass<br />

T ⊬ τ aber N τ gilt, zeigt man wie folgt:<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 16 / 128


Beweisidee von UVS’: Schritt 5 - <strong>Der</strong> nichtbeweisbare aber<br />

wahre Satz τ (Fortsetzung)<br />

1. T ⊬ τ: Indirekter Beweis:<br />

T ⊢ τ ⇒ N ∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach (3))<br />

⇒ N ̸ ¬∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach Definition von )<br />

⇒ N ̸ τ (nach (5))<br />

⇒ T ̸ τ (da T ⊆ Th(N ))<br />

⇒ T ⊬ τ (Korrektheitssatz)<br />

Widerspruch (da T wegen T ⊆ Th(N ) konsistent ist)!<br />

2. N τ: Dies ergibt sich aus T ⊬ τ wie folgt:<br />

T ⊬ τ ⇒ N ̸ ∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach (3))<br />

⇒ N ¬∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach Definition von )<br />

⇒ N τ (nach (5))<br />

Damit ist die Beweisskizze abgeschlossen.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 17 / 128


In den folgenden Abschnitten werden wir die Begriffe und Ergebnisse<br />

bereitstellen, die zur Ausführung des Beweises von UVS’ erforderlich sind:<br />

Formalisierung des Berechnungsbegriffs durch den Begriff der<br />

Rekursiven Funktion (Kapitel 5.2)<br />

Repräsentierbarkeit rekursiver und rekursiv aufzählbarer Mengen<br />

(Kapitel 5.3)<br />

Gödelisierung (Kapitel 5.4)<br />

Das Diagonalisierungslemma (Kapitel 5.5)<br />

<strong>Der</strong> 1. <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong> (Kapitel 5.6)<br />

In Kapitel 5.7 werden wir kurz auf den 2. <strong>Gödelsche</strong>n <strong>Unvollständigkeitssatz</strong><br />

eingehen und auf Unentscheidbarkeit in der Logik.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 18 / 128


5.2 Grundlagen der Berechenbarkeitstheorie<br />

1 Die intuitiven Grundbegriffe der Berechenbarkeitstheorie<br />

2 Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit in der Logik<br />

3 Formalisierung des Berechenbarkeitsbegriffs<br />

4 Primitiv rekursive Funktionen<br />

5 Beispiele primitiv rekursiver Funktionen<br />

6 Rekursive Funktionen und rekursiv aufzählbare Mengen<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 19 / 128


5.2.1<br />

Die intuitiven Grundbegriffe der<br />

Berechenbarkeitstheorie<br />

Hier werden im Wesentlichen die bereits im Teil zur Aussagenlogik vorgestellten<br />

Konzepte der Berechenbarkeit, Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit nochmals<br />

eingeführt (Wiederholung).<br />

Neu ist lediglich das Projektionslemma.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 20 / 128


Algorithmen und deren Aufgabenstellung<br />

Ein Algorithmus (Rechenvorschrift) ist eine Vorschrift zur Lösung eines<br />

Problems.<br />

Aufgrund der Aufgabenstellung unterscheiden wir verschiedene Typen von<br />

Algorithmen.<br />

Typen von Problemen / Algorithmen:<br />

Entscheidungsprobleme / Entscheidungsverfahren<br />

Aufzählungsprobleme / Aufzählungsverfahren<br />

Berechnungsprobleme / Berechnungsverfahren<br />

Bei der Diskussion dieser Konzepte beschränken wir uns auf den Fall, dass Ein-<br />

(und Ausgabe-)daten (einzelne) natürliche Zahlen sind. (Die Verallgemeinerung<br />

auf andere Daten und auf den mehrstelligen Fall ist eine einfache Übung.)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 21 / 128


Entscheidbarkeit<br />

Entscheidungsproblem: Stelle fest, ob eine natürliche Zahl eine gewisse<br />

Eigenschaft E hat.<br />

Solch ein Problem kann durch eine Menge M beschrieben werden:<br />

M = {x ∈ N : E(x)}<br />

Entscheidungsverfahren (EV): Algorithmus zur Lösung eines<br />

Entscheidungsproblems M = {x ∈ N : E(x)}<br />

• Eingabe: x ∈ N<br />

• Ausgabe: JA (oder 1), falls E(x) und NEIN (oder 0), falls ¬E(x)<br />

M ist entscheidbar, wenn es ein Entscheidungsverfahren <strong>für</strong> M gibt.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 22 / 128


Aufzählbarkeit<br />

Aufzählungsproblem: Liste alle Zahlen mit einer gewissen Eigenschaft E<br />

auf (in beliebiger Reihenfolge; Wiederholungen zugelassen).<br />

Solch ein Problem kann (wie ein Entscheidungsproblem) durch eine Menge<br />

M beschrieben werden: M = {x ∈ N : E(x)}<br />

Aufzählungsverfahren (AV): Algorithmus zur Lösung eines<br />

Aufzählungsproblems M = {x ∈ N : E(x)}<br />

• Eingabe: keine<br />

• Ausgabe: Alle Zahlen mit Eigenschaft E, aufgelistet in<br />

beliebiger Reihenfolge (und evtl. mit Wiederholungen).<br />

M ist aufzählbar, wenn es ein Aufzählungsverfahren <strong>für</strong> M gibt.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 23 / 128


Berechenbarkeit<br />

Berechnungsproblem: Ordne einer Zahl n eine andere Zahl (mit einer i.a.<br />

von n abhängenden Eigenschaft) zu.<br />

Solch ein Problem kann durch eine Funktion beschrieben werden:<br />

f : N → N<br />

Berechnungsverfahren (BV): Algorithmus zur Lösung eines<br />

Berechnungsproblems f : N → N<br />

• Eingabe: x ∈ N<br />

• Ausgabe: f (x)<br />

f ist berechenbar, wenn es ein Berechnungsverfahren <strong>für</strong> f gibt.<br />

Nachdem wir die Grundbegriffe der Berechenbarkeit, Entscheidbarkeit und<br />

Aufzählbarkeit eingeführt haben, diskutieren wir kurz die Beziehungen<br />

zwischen diesen Konzepten.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 24 / 128


Entscheidbarkeit vs. Aufzählbarkeit<br />

M entscheidbar ⇒ M aufzählbar.<br />

(Die Umkehrung gilt i.a. nicht!)<br />

M entscheidbar ⇔ M monoton aufzählbar.<br />

M, M ′ entscheidbar ⇒ M, M ∩ M ′ , M ∪ M ′ entscheidbar.<br />

M, M ′ aufzählbar ⇒ M ∩ M ′ , M ∪ M ′ (aber i.a. nicht M) aufzählbar.<br />

M entscheidbar ⇔ M und M aufzählbar.<br />

(KOMPLEMENTLEMMA)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 25 / 128


Berechenbarkeit vs. Entscheidbarkeit/Aufzählbarkeit<br />

M entscheidbar ⇔ c M berechenbar.<br />

Hierbei ist c M : N → N die charakteristische Funktion von M:<br />

{<br />

1 falls x ∈ M<br />

c M (x) =<br />

0 falls x ∉ M<br />

M aufzählbar ⇔ M = ∅ oder M ist der Wertebereich einer<br />

berechenbaren Funktion f .<br />

f ist berechenbar ⇔ G f entscheidbar ⇔ G f aufzählbar.<br />

Hierbei ist G f der Graph von f :<br />

G f = Graph(f ) = {(x, f (x)) : x ∈ N}<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 26 / 128


Aufzählbarkeit und Suchprobleme<br />

PROJEKTIONSLEMMA Eine Menge A ist genau dann aufzählbar, wenn<br />

sie Projektion einer (2-dim.) entscheidbaren Menge B ist, d.h.<br />

gilt.<br />

x ∈ A ⇔ ∃y[(x, y) ∈ B]<br />

BEWEISIDEE. O.B.d.A. A ≠ ∅, also etwa x 0 ∈ A.<br />

“⇒” Ist A Wertebereich der berechenbaren Funktion, so setze<br />

B = {(f (x), x) : x ≥ 0}.<br />

“⇒” Ist A Projektion der entscheidbaren Menge B, so ist A Wertebereich der<br />

folgenden berechenbaren Funktion f :<br />

{<br />

x falls z = 2 x · 3 y und (x, y) ∈ B<br />

f (z) =<br />

sonst<br />

x 0<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 27 / 128


5.2.2<br />

Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit<br />

in der Logik<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 28 / 128


Beweise und Beweisbarkeit<br />

<strong>Der</strong> Beweisbegriff ist entscheidbar. D.h. man kann effektiv feststellen, ob<br />

eine Formelfolge ϕ 1 , . . . ϕ n ein Beweis (im Shoenfield-Kalkül) ist.<br />

Allgemeiner: Ist T eine entscheidbare Theorie, so ist auch die Menge der<br />

Beweise aus T entscheidbar.<br />

<strong>Der</strong> Beweisbarkeitsbegriff ist aufzählbar: Da eine Formel ϕ genau dann<br />

beweisbar ist, wenn es einen Beweis ϕ 1 , . . . ϕ n von ϕ gibt, folgt dies aus (i)<br />

mit dem Projektionslemma. Allgemeiner gilt dies wiederum <strong>für</strong> die<br />

Beweisbarkeit aus einer entscheidbaren Theorie T :<br />

AUFZÄHLBARKEITSLEMMA. Ist eine Theorie T entscheidbar, so ist der<br />

deduktive Abschluss C ⊢ (T ) = {σ : T ⊢ σ} aufzählbar. Insbesondere ist die Menge<br />

C ⊢ (∅) = {σ : ⊢ σ} aufzählbar.<br />

BEWEIS. Ist T entscheidbar, so ist auch die Menge der T -Beweise, d.h.<br />

B = {(ϕ, ⃗ ψ) : ⃗ ψ ist Beweis von ϕ aus T }<br />

entscheidbar, und C ⊢ (T ) ist die Projektion von B.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 29 / 128


Umgekehrt lässt sich jede aufzählbare Theorie T effektiv axiomatisieren:<br />

AXIOMATISIERBARKEITSLEMMA. Sei T eine aufzählbare Theorie.<br />

Dann gibt es eine entscheidbare Theorie T ′ mit T ⊆ C ⊢ (T ′ ).<br />

BEWEISIDEE. Ist T endlich, so ist T entscheidbar und man kann<br />

T ′ := T setzen. Für unendliches T sei σ 1 , σ 2 , . . . eine Aufzählung von T .<br />

Sei nun τ n die n-fache Konjunktion von σ n . Dann gilt τ n äq σ n , weshalb<br />

<strong>für</strong> T ′ := {τ n : n ≥ 1} gilt: T ⊆ C ⊢ (T ′ ). T ′ ist aber entscheidbar, da ein<br />

Satz σ der Länge n genau dann in T ′ ist, wenn σ mit einem der Sätze<br />

τ 1 , . . . , τ n übereinstimmt.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 30 / 128


Folgerungen aus dem Aufzählbarkeitslemma (1)<br />

WAHRHEITSLEMMA. Die Menge {σ : σ} der allgemeingültigen Sätze<br />

ist aufzählbar.<br />

BEWEIS. Nach dem Aufzählbarkeitslemma ist<br />

C(∅) = {σ : ⊢ σ}<br />

aufzählbar und nach dem Adäquatheitssatz gilt<br />

{σ : ⊢ σ} = {σ : σ}.<br />

BEMERKUNG. Da nach dem Adäquatsheitssatz ⊢ und übereinstimmen, also<br />

C(T ) = {σ : T σ} und C ⊢ (T ) = {σ : T ⊢ σ} übereinstimmen, schreiben wir<br />

im Folgenden meist kurz C(T ) statt C ⊢ (T ).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 31 / 128


Folgerungen aus dem Aufzählbarkeitslemma (2)<br />

KOROLLAR. Ist T vollständig und entscheidbar, so ist auch C(T ) entscheidbar.<br />

BEWEIS. O.B.d.A. ist T konsistent (sonst ist C(T ) trivialerweise entscheidbar).<br />

Nach dem Aufzählbarkeitslemma ist C(T ) aufzählbar. Offensichtlich ist dann auch<br />

A = {¬σ : σ ∈ C(T )} ∪ {σ : ¬σ ∈ C(T )}<br />

aufzählbar. Wegen der Vollständigkeit und Konsistenz von T gilt aber A = C(T ).<br />

Die Behauptung folgt mit dem Komplementlemma.<br />

Mit dem Axiomatisierbarkeitslemma folgt hieraus:<br />

LEMMA ÜBER DIE ENTSCHEIDBARKEIT VOLLSTÄNDIGER THEORIEN. Für<br />

eine vollständige Theorie T sind folgende Aussagen äquivalent:<br />

C(T ) ist aufzählbar.<br />

C(T ) ist entscheidbar.<br />

Es gibt eine entscheidbare Theorie T ′ mit T = C(T ′ ).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 32 / 128


Folgerungen aus dem Aufzählbarkeitslemma (3)<br />

Da <strong>für</strong> eine Struktur A, Th(A) vollständig ist und C(Th(A)) = Th(A)<br />

gilt, folgt insbesondere:<br />

LEMMA ÜBER DIE ENTSCHEIDBARKEIT DER THEORIEN VON<br />

STRUKTUREN. Für eine Struktur A sind folgende Aussagen äquivalent:<br />

Th(A) ist aufzählbar.<br />

Th(A) ist entscheidbar.<br />

Es gibt eine entscheidbare Theorie T mit C(T ) = Th(A).<br />

Die semantische Version UVS’ des <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es (in der<br />

vorläufigen Fassung) ist also (wie bereits früher erwähnt) äquivalent zu der<br />

Aussage, dass Th(N ) nicht entscheidbar ist.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 33 / 128


5.2.3<br />

Formalisierung des Berechenbarkeitsbegriffs<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 34 / 128


Formalisierungen des Berechenbarkeitsbegriffs<br />

<strong>Der</strong> Begriff der berechenbaren Funktion wurde auf zahlreiche<br />

unterschiedliche Arten formalisiert (s. Vorlesung “Theoretische<br />

Informatik”). Beispiele:<br />

Turing-Maschinen<br />

Register-Maschinen<br />

Rekursive Funktionen<br />

Markov-Algorithmen<br />

Es wurde gezeigt, dass alle diese Konzepte äquivalent sind. Dies hat zu<br />

folgender Überzeugung geführt:<br />

CHURCH-TURING-THESE Eine Funktion ist genau dann im intuitiven<br />

Sinn berechenbar, wenn diese im Sinne eines der obigen formalen<br />

Konzepte berechnet werden kann.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 35 / 128


Rekursive und primitiv rekursive Funktionen<br />

Hier werden wir das formale Konzept der rekursiven Funktion einführen.<br />

Zunächst betrachten wir die primitiv rekursiven Funktionen, die von Gödel<br />

eingeführt wurden. Diese erfassen noch nicht alle berechenbaren<br />

Funktionen (aber die typischen, in der Praxis verwendeten berechenbaren<br />

Funktionen sind primitiv rekursiv).<br />

Später werden wir dann das Konzept der primitiv rekursiven Funktion zu<br />

dem Begriff der rekursiven Funktion erweitern, der nach der<br />

Church-Turing-These den intuitiven Berechenbarkeitsbegriff erfasst.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 36 / 128


5.2.4<br />

Primitiv rekursive Funktionen<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 37 / 128


Definition der primitiv rekursiven Funktionen: Idee<br />

Definiere eine Klasse von berechenbaren Funktionen über N induktiv durch<br />

Festlegung<br />

einer Ausgangsmenge einfacher berechenbarer Funktion<br />

von Operatoren, die berechenbare Funktionen in berechenbare<br />

Funktionen überführen.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 38 / 128


Definition der primitiv rekursiven Funktionen:<br />

Ausgangsfunktionen<br />

Ausgangsfunktionen<br />

S(x) = x + 1<br />

U n i (x 1, . . . , x n ) = x i<br />

C n<br />

i<br />

(x 1 , . . . , x n ) = i<br />

Nachfolger<br />

n-stellige Projektion auf die<br />

i-te Komponente<br />

(n ≥ 1, 1 ≤ i ≤ n)<br />

n-stellige konstante Funktion<br />

mit Wert i<br />

(n, i ≥ 0)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 39 / 128


Definition der primitiv rekursiven Funktionen:<br />

Abschlussoperationen<br />

Abschlussoperationen<br />

Simultane Substitution (Explizite Definitionen)<br />

Primitive Rekursion (Einfache Implizite Definitionen)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 40 / 128


Definition der primitiv rekursiven Funktionen: Substitution<br />

Simultane Substitution<br />

Seien g : N m → N und h 1 , . . . , h m : N n → N m- bzw. n-stellige<br />

Funktionen. Die aus g durch simultane Substitution von h 1 , . . . , h m<br />

entstehende n-stellige Funktion<br />

ist definiert durch<br />

f = g(h 1 , . . . , h m )<br />

∀⃗x ∈ N n (f (⃗x) = g(h 1 (⃗x), . . . , h m (⃗x)))<br />

NB: g, h 1 , . . . , h m berechenbar ⇒ g(h 1 , . . . , h m ) berechenbar<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 41 / 128


Definition der primitiv rekursiven Funktionen: Primitive<br />

Rekursion<br />

Primitive Rekursion<br />

Seien g : N n → N und h : N n+2 → N Funktionen. Die durch primitive<br />

Rekursion über g und h definierte Funktion<br />

ist definiert durch<br />

f (n+1) = PR(g, h)<br />

∀⃗x ∈ N n (f (⃗x, 0) = g(⃗x))<br />

∀⃗x ∈ N n ∀y ∈ N (f (⃗x, y + 1) = h(⃗x, y, f (⃗x, y)))<br />

NB: g, h berechenbar ⇒ f = PR(g, h) berechenbar.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 42 / 128


Beispiele von primitiven Rekursionen (1)<br />

BEISPIEL 1: Addition f + (x, y) = x + y<br />

Rekursionsgleichungen:<br />

x + 0 = x (d.h. f + (x, 0) = x)<br />

x + (y + 1) = (x + y) + 1 (d.h. f + (x, y + 1) = f + (x, y) + 1 = S(f + (x, y)))<br />

Es gilt also f (2)<br />

+ = PR(g (1) , h (3) ) <strong>für</strong><br />

g(x) = x, d.h. g = U 1 1<br />

h(x, y, z) = z + 1, d.h. h = S(U 3 3 )<br />

Es gilt also: + = f + = PR(U 1 1 , S(U3 3 ))<br />

Die Addition lässt sich also mit Hilfe der primitiven Rekursion und simultaner<br />

Substitution aus den Ausgangsfunktionen gewinnen!<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 43 / 128


Beispiele von primitiven Rekursionen (2)<br />

BEISPIEL 2: Multiplikation f·(x, y) = x · y<br />

Rekursionsgleichungen:<br />

x · 0 = 0 (d.h. f·(x, 0) = 0)<br />

x · (y + 1) = (x · y) + x (d.h. f·(x, y + 1) = f·(x, y) + x)<br />

Es gilt also f (2)<br />

· = PR(g (1) , h (3) ) <strong>für</strong><br />

g(x) = 0, d.h. g = C 1 0<br />

h(x, y, z) = z + x, d.h. h = f + (U 3 3 , U3 1 )<br />

Es gilt also: · = f· = PR(C 1 0 , f +(U 3 3 , U3 1 ))<br />

Die Multiplikation lässt sich also mit Hilfe der primitiven Rekursion und<br />

simultaner Substitution aus den Ausgangsfunktionen und der Addition gewinnen!<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 44 / 128


Definition der primitiv rekursiven Funktionen<br />

DEFINITION. Die Klasse PRIM der primitiv rekursiven Funktionen ist die<br />

kleinste Funktionsklasse, die<br />

die Ausgangsfunktionen S, Ui<br />

n und Ci<br />

n enthält und<br />

gegen simultane Substitution und primitive Rekursion abgeschlossen<br />

ist.<br />

Weiter legen wir fest:<br />

DEFINITION Eine Relation R ⊆ N n ist primitiv rekursiv, falls die<br />

charakteristische Funktion c R von R primitiv rekursiv ist.<br />

NB: Primitiv rekursive Funktionen sind berechenbar und primitiv rekursive<br />

Relationen und Mengen sind entscheidbar.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 45 / 128


5.2.5<br />

Beispiele primitiv rekursiver Funktionen<br />

Hier geben wir<br />

Beispiele primitiv rekursiver Funktionen<br />

weitere Abschlusseigenschaften von PRIM<br />

an, die wir im Folgenden benötigen werden.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 46 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

BEWEIS: f 1 , f 2<br />

Siehe Beispiele 1 und 2 im Abschnitt 5.2.4<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 47 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

BEWEIS: f 3<br />

f 3 (x, 0) = x 0 = 1 ⇒ g(x) = C 1 1 (x) = 1<br />

f 3 (x, y + 1) = x y+1 = x y · x = f 2 (f 3 (x, y), x)<br />

⇒ h(x, y, z) = f 2 (U 3 1 , U1 1 )(x, y, z) = f 2(z, x)<br />

Also: f 3 = PR(C 1 1 , f 2(U 3 1 , U1 1 ))<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 48 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

BEWEIS: f 4 (x) = x ˙−1 =<br />

{<br />

x − 1 x > 0<br />

0 sonst.<br />

f 4 (0) = 0 ˙−1 = 0 ⇒ g() = C 0 0 (0) = 0<br />

f 4 (y + 1) = y ⇒ h(y, z) = U1 1 (y, z) = y<br />

Also: f 4 = PR(C 0 0 , U1 1 )<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 49 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

BEWEIS: f 5 (x) = x ˙−y =<br />

{<br />

x − y<br />

x ≥ y<br />

0 sonst.<br />

f 5 (x, 0) = x ˙−0 = x ⇒ g(x) = U 1 1 (x) = x<br />

f 5 (x, y + 1) = (x ˙−y)˙1 = f 4 (f 5 (x, y))<br />

⇒ h(x, y, z) = f 4 (U3 3)(x, y, z) = z ˙−1<br />

Also: f 5 = PR(U 1 1 , f 4(U 3 3 ))<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 50 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

f 6 (x, y) = |x − y|<br />

= (x ˙−y) + (y ˙−x)<br />

= f 1 (f 5 (x, y), f 5 (y, x))<br />

= f 1 (f 5 , f 5 (U2 2, U2 1 ))(x, y)<br />

Also: f 6 = f 1 (f 5 , f 5 (U 2 2 , U2 1 ))<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 51 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

f 7 (x, y) = max(x, y)<br />

= x + |x − y|<br />

= f 1 (x, f 6 (x, y))<br />

= f 1 (U1 2, f 6)(x, y)<br />

Also: f 7 = f 1 (U 2 1 , f 6)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 52 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

f 8 (x, y) = min(x, y)<br />

= x − |x − y|<br />

= x ˙−|x − y|<br />

= f 5 (x, f 6 (x, y))<br />

= f 5 (U1 2, f 6)(x, y)<br />

Also: f 8 = f 5 (U 2 1 , f 6)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 53 / 128


Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)<br />

SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

f 1 (x, y) = x + y (Summe)<br />

f 3 (x, y) = x y (Potenz)<br />

f 5 (x, y) = x ˙−y (Differenz auf N)<br />

f 7 (x, y) = max(x, y) (Maximum)<br />

f 9 (x) = sg(x) (Signum/Vorz.)<br />

BEWEIS: f 9 (x) =<br />

{<br />

0 falls x = 0<br />

1 sonst<br />

f 2 (x, y) = x · y (Produkt)<br />

f 4 (x, y) = x ˙−1 (Vorgänger)<br />

f 6 (x, y) = |x − y| (Absolute Differenz)<br />

f 8 (x, y) = min(x, y) (Minimum)<br />

f 10 (x) = sg(x) (Antisignum/neg.Vorz.))<br />

und f 10 (x) =<br />

{<br />

1 falls x = 0<br />

0 sonst<br />

f 10 (x) = 1 ˙−x<br />

= f 5 (1, x)<br />

= f 5 (C1 1, U1 1 )(x) Also: f 10 = f 5 (C1 1, U1 1 )<br />

f 9 (x) = 1 ˙−f 10 (x)<br />

= f 5 (1, f 10 (x))<br />

= f 5 (C1 1, f 10)(x) Also: f 9 = f 5 (C1 1, f 10)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 54 / 128


Abschlusseigenschaften von PRIM<br />

SATZ 2. Die Klasse PRIM der primitiv rekursiven Funktionen ist<br />

abgeschlossen gegen<br />

(endliche) Fallunterscheidungen<br />

Beschränkte Summation<br />

Beschränkter µ-Operator<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 55 / 128


Abschluss von PRIM gegen Fallunterscheidungen<br />

Abschluss gegen Fallunterscheidungen: Sind g (n) , f (n)<br />

0<br />

, . . . , f (n)<br />

k<br />

rekursiv, so auch<br />

⎧<br />

f 0 (⃗x) falls g(⃗x) = 0<br />

⎪⎨<br />

f (n) . . .<br />

(⃗x) =<br />

f k−1 (⃗x) falls g(⃗x) = k − 1<br />

⎪⎩<br />

f k (⃗x) falls g(⃗x) ≥ k.<br />

primitiv<br />

BEWEIS:<br />

f (⃗x) = f 0 (⃗x) · sg(|g(⃗x) − C0 n(⃗x)|)<br />

+ f 1 (⃗x) · sg(|g(⃗x) − C1 n(⃗x)|)<br />

+ . . .<br />

+ f k−1 (⃗x) · sg(|g(⃗x) − Ck−1 n (⃗x)|)<br />

+ f k (⃗x) · sg(g(⃗x) ˙−C<br />

k−1 n (⃗x))<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 56 / 128


Abschluss von PRIM gegen beschränkte Summation<br />

Abschluss gegen beschränkte Summation: Ist g (n+1) primitiv rekursiv, so<br />

auch<br />

f (n+1) (⃗x, y) = ∑ z


Abschluss von PRIM gegen den beschränkten µ-Operator<br />

Abschluss gegen den beschränkten µ-Operator (beschr. Minimalisierungsoperator):<br />

Ist g (n+1) primitiv rekursiv, so auch<br />

wobei<br />

µz < y(R(⃗x, z)) :=<br />

f (n+1) (⃗x, y) = µz < y(g(⃗x, z) = 0)<br />

{<br />

kleinstes z < y mit (⃗x, y) ∈ R falls solch ein z ex.<br />

0 sonst.<br />

BEWEISIDEE: Man zeigt zunächst, dass die 0-1-wertige Funktion g ′ mit<br />

g ′ (⃗x, y) = 1 ⇔ g(⃗x, y) = 0 & ∀ z < y (g(⃗x, z) ≠ 0)<br />

primitiv rekursiv ist. Dann ist auch f (n+1) (⃗x, y) primitiv rekursiv, da<br />

f (n+1) (⃗x, y) = ∑ z · g ′ (⃗x, z).<br />

z


Nachweis der primitiven Rekursivität von<br />

g ′ (⃗x, y) = 1 ⇔ g(⃗x, y) = 0 & ∀ z < y (g(⃗x, z) ≠ 0)<br />

Für die 0-1-wertige primitiv rekursive Funktion<br />

g 0 (⃗x, y) = sg(y ˙− ∑ y


5.2.6<br />

Rekursive Funktionen und rekursiv aufzählbare<br />

Mengen<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 60 / 128


Obwohl die primitiv rekursiven Funktionen die gängigen berechenbaren<br />

Funktionen umfassen, hat man Beispiele von berechenbaren Funktionen<br />

angegeben, die nicht primitiv rekursiv sind (z.B. die Ackermann-Funktion).<br />

Wir erweitern daher die induktive Definition der primitiv rekursiven<br />

Funktionen um eine weitere Abschlusseigenschaft nämlich um den<br />

(unbeschränkten) µ-Operator, den man auch als den (unbeschränkten)<br />

Minimalisierungsoperator bezeichnet.<br />

<strong>Der</strong> µ-Operator berechnet die kleinste Nullstelle einer Funktion. Im<br />

Gegensatz zu dem beschränkten µ-Operator (gegen den, wie wir gezeigt<br />

haben, die primitiv rekursiven Funktionen abgeschlossen sind), ist hier die<br />

Suche nach der Nullstelle jedoch unbeschränkt.<br />

Gibt es die gesuchte Nullstelle nicht, so ist die durch Anwendung des<br />

µ-Operators bestimmte Funktion an der entsprechenden Stelle undefiniert.<br />

Die Anwendung des µ-Operators auf eine totale Funktion kann daher zu<br />

einer partiellen Funktion führen.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 61 / 128


Die Ackermann-Funktion<br />

Die Ackermann-Funktion α : N 2 → N ist durch folgende geschachtelte Rekursion<br />

definiert:<br />

• α(0, y) = y + 1<br />

• α(x + 1, 0) = α(x, 1)<br />

• α(x + 1, y + 1) = α(x, α(x + 1, y))<br />

Während bei einer primitiven Rekursion, die letzte Variable die Rekursionsvariable<br />

ist, sind hier beide Variablen x und y Rekursionsvariablen.<br />

Durch Hauptinduktion nach x und Nebeninduktion nach y zeigt man, dass die<br />

Ackermann-Funktion wohldefiniert, total und berechenbar ist. Weiter kann man<br />

leicht (durch Induktion nach x) zeigen, dass jeder Zweig α x (y) := α(x, y) von α<br />

primitiv rekursiv ist. Um zu zeigen, dass jedoch α selbst nicht primitiv rekursiv ist,<br />

zeigt man, dass die Diagonale ˆα(x) := α(x, x) schneller anwächst als alle primitiv<br />

rekursiven Funktionen.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 62 / 128


<strong>Der</strong> Minimalisierungsoperator (µ-Operator)<br />

Sei g : N n+1 → N eine (möglicherweise partielle) Funktion. Die aus g<br />

durch Anwendung des µ- Operators entstehende partielle Funktion<br />

ist definiert durch<br />

f (n) = µ(g)<br />

∀⃗x ∈ N n (f (⃗x) = µy [g(⃗x, y) = 0 & ∀z < y(g(⃗x, z)↓])<br />

wobei min ∅ ≡↑.<br />

= min{y : g(⃗x, y) = 0 & ∀z < y [g(⃗x, z)↓]}),<br />

<strong>Der</strong> µ-Operator wird auch (wie bereits erwähnt) Minimalisierungs-Operator<br />

genannt. Man spricht auch von einem Suchoperator, da ja die kleinste Nullstelle<br />

gesucht wird.<br />

Man beachte, dass <strong>für</strong> (totales) berechenbares g, das <strong>für</strong> jedes ⃗x eine Nullstelle<br />

(⃗x, y) besitzt, die Funktion f = µ(g) wiederum total und berechenbar ist.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 63 / 128


Definition der (partiell) rekursiven Funktionen<br />

DEFINITION Die Klasse PREK der partiell rekursiven Funktionen ist die<br />

kleinste Klasse (möglicherweise partieller) Funktionen, die<br />

die Ausgangsfunktionen S, Ui<br />

n und Ci<br />

n enthält und<br />

gegen simultane Substitution,primitive Rekursion und Minimalisierung<br />

abgeschlossen ist.<br />

Weiter legen wir fest:<br />

DEFINITION Eine totale Funktion ist rekursiv, falls diese partiell rekursiv<br />

ist. (Die Klasse der rekursiven Funktionen bezeichnen wir mit REK.)<br />

NB: Rekursive Funktionen sind berechenbar.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 64 / 128


Abschlusseigenschaften der rekursiven Funktionen<br />

Da jede primitiv rekursive Funktion insbesondere rekursiv ist, kann man<br />

wie im Falle der Klasse PRIM der primitiv rekursiven Funktionen folgende<br />

Abschlusseigenschaften der Klasse REK der rekursiven Funktionen zeigen.<br />

SATZ 3. Die Klasse REK der rekursiven Funktionen ist abgeschlossen<br />

gegen<br />

(endliche) Fallunterscheidungen<br />

Beschränkte Summation<br />

Beschränkter µ-Operator<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 65 / 128


Die Church-Turing-These<br />

Die Church-Turing-These besagt, dass die rekursiven Funktionen gerade<br />

die berechenbaren Funktionen sind.<br />

BEMERKUNGEN:<br />

Die Church-Turing-These ist kein mathematischer Satz sondern eine<br />

Hypothese. Sie ist nicht beweisbar, da hier ein intuitives (nicht formal<br />

mathematisch definiertes) Konzept - nämlich die Berechenbarkeit -<br />

einem formalen, mathematischen Konzept - nämlich der Rekursivität -<br />

gegenübergestellt wird.<br />

Die meisten Mathematiker akzeptieren diese These.<br />

Mehr hierzu: Vorlesung “Theoretische Informatik”<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 66 / 128


Rekursive und rekursiv aufzählbare Relationen<br />

DEFINITION Eine Relation R ist rekursiv, falls deren charakteristische<br />

Funktion c R rekursiv ist.<br />

NB: Nach der Church-Turing-These sind die rekursiven Relationen gerade<br />

die entscheidbaren Relationen. (Hierzu erinnere man sich, dass eine<br />

Relation genau dann entscheidbar ist, wenn deren charakteristische<br />

Funktion berechenbar ist.)<br />

DEFINITION Eine Relation R ist rekursiv aufzählbar (r.a.), falls R die<br />

Projektion einer rekursive Relation ist.<br />

NB: Nach der Church-Turing-These sind die r.a. Relationen gerade die<br />

aufzählbaren Relationen. (Hierzu erinnere man sich, dass nach dem<br />

Projektionslemma eine Relation genau dann aufzählbar ist, wenn diese<br />

Projektion einer entscheidbaren Relation ist.)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 67 / 128


Eine Abschlusseigenschaft der Klasse der (primitiv)<br />

rekursiven Relationen<br />

Im Folgenden bezeichnen wir die Klasse der (primitiv) rekursiven Relationen (wie<br />

zuvor schon die Klasse der (primitiv) rekursiven Funktionen) mit REK (PRIM).<br />

(Da es aus dem Kontext klar sein wird, ob wir Funktionen oder Relationen<br />

betrachten, sollte diese Mehrdeutigkeit in der Notation keine Verwirrung stiften.)<br />

SATZ 4. Die Klasse REK (PRIM) der (primitiv) rekursiven Relationen ist<br />

abgeschlossen gegen die Einsetzung (primitiv) rekursiver Funktionen. D.h. ist<br />

R(y,⃗z) eine (primitiv) rekursive Relation und f (⃗x) eine (primitiv) rekursive<br />

Funktion, so ist die Relation<br />

ebenfalls (primitiv) rekursiv.<br />

R ′ (⃗x,⃗z) :⇔ R(f (⃗x),⃗z)<br />

BEWEIS. Für ⃗x = (x 1 , . . . , x n ) und ⃗z = (z 1 , . . . , z m ) gilt:<br />

c R ′<br />

= c R (f (U1 n+m , . . . , Un<br />

n+m ), Un+1 n+m , . . . , Un+m<br />

)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 68 / 128


5.3 Repräsentierbarkeit<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 69 / 128


In diesem Abschnitt führen wir zunächst eine Hierarchie der<br />

L-Formeln ein, nämlich die arithmetische Hierarchie. Diese besteht<br />

aus den Formelklassen Σ 1 ⊂ Σ 2 ⊂ Σ 3 ⊂ . . . .<br />

Dies führt zu einer entsprechenden arithmetischen Hierarchie <strong>für</strong><br />

Relationen und Funktionen über N. Hierzu legt man fest, dass eine<br />

Relation R (bzw. Funktion f ) einer gegebenen Stufe Σ n dieser<br />

Hierarchie angehört, wenn diese Relation R (bzw. der Graph dieser<br />

Funktion f ) durch eine Formel der entsprechenden Klasse Σ n von<br />

Formeln definiert werden kann.<br />

Wir zeigen dann, dass die rekursiv aufzähbaren Mengen genau die<br />

Mengen der ersten Stufe Σ 1 dieser Hierarchie sind.<br />

Insbesondere folgt hieraus, dass rekursive Funktionen und rekursive<br />

und rekursiv aufzählbare Relationen in der Sprache L der Arithmetik<br />

durch Formeln definierbar sind (Repräsentierbarkeitslemma).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 70 / 128


5.3.1 Die arithmetische Hierarchie<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 71 / 128


Beschränkte Quantoren und die Formelklasse ∆ 0<br />

Die beschränkten Quantoren sind definiert durch:<br />

∃ x < t ϕ :≡ ∃ x (x < t ∧ ϕ)<br />

∀ x < t ϕ :≡ ¬ ∃ x < t ¬ϕ äq ∀ x (x < t → ϕ<br />

DEFINITION Eine L-Formel ϕ, in der alle Quantoren beschränkt sind, ist<br />

eine ∆ 0 -Formel.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 72 / 128


Σ n - und Π n -Formeln<br />

Σ n - und Π n -Formeln werden durch Ind(n) definiert:<br />

ϕ ist eine Σ 0 - und Π 0 -Formel, wenn ϕ eine ∆ 0 -Formel ist.<br />

ϕ ist eine Σ n+1 -Formel, wenn ϕ ≡ ∃ x 1 . . . ∃ x m ψ, wobei ψ eine<br />

Π n -Formel ist.<br />

ϕ ist eine Π n+1 -Formel, wenn ϕ ≡ ∀ x 1 . . . ∀ x m ψ, wobei ψ eine<br />

Σ n -Formel ist.<br />

Eine Σ 1 -Formel ϕ hat also die Gestalt<br />

∃ x 1 . . . ∃ x m ψ<br />

wobei ψ eine ∆ 0 -Formel ist, und eine Π 1 -Formel ϕ hat die Gestalt<br />

∀ x 1 . . . ∀ x m ψ<br />

wobei ψ wiederum eine ∆ 0 -Formel ist.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 73 / 128


Die arithmetische Hierarchie<br />

Wir erweitern die Definition der oben eingeführten Formelklassen,<br />

indem wir eine Formel auch dann eine ∆ 0 - (Σ n -, Π n -)Formel nennen,<br />

wenn diese äquivalent zu einer ∆ 0 - (Σ n -, Π n -)Formel (im obigen<br />

engen Sinne) ist. Weiter bezeichnen wir mit ∆ 0 (Σ n , Π n ) auch die<br />

Klasse aller ∆ 0 - (Σ n -, Π n -)Formeln (im weiten Sinne).<br />

Da nach dem Satz über die Pränexnormalform jede Formel ϕ<br />

äquivalent ist zu einer Σ n -Formel und einer Π n -Formel (<strong>für</strong> geeignetes<br />

n), gehört also jede Formel einer der Klassen Σ n und einer der<br />

Klassen Π n an.<br />

Es gilt also Σ 0 ⊂ Σ 1 ⊂ Σ 2 ⊂ . . . und Π 0 ⊂ Π 1 ⊂ Π 2 ⊂ . . . und<br />

⋃<br />

n≥0 Σ n = ⋃ n≥0 Π n ist die Menge aller Formeln in der Sprache L der<br />

Arithmetik.<br />

Man nennt diese Hierarchie daher auch die arithmetische Hierarchie.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 74 / 128


Die arithmetische Hierarchie (2)<br />

Wie man leicht einsieht, gelten folgende Beziehungen zwischen den Klassen der<br />

arithmetischen Hierarchie:<br />

ϕ ∈ Σ n ⇔ ¬ϕ ∈ Π n<br />

∆ 0 ⊂ Σ 1 ∩ Π 1<br />

Σ n ∪ Π n ⊂ Σ n+1 ∩ Π n+1<br />

Im Folgenden werden wir nur die Formelklassen ∆ 0 , Σ 1 und Π 1 benötigen und<br />

uns daher auf diese Klassen beschränken. Für diese beobachten wir folgende<br />

Abschlusseigenschaften:<br />

Die Klasse ∆ 0 ist gegen beschränkte Quantoren und alle Junktoren<br />

abgeschlossen.<br />

Die Klasse Σ 1 ist gegen den Existenzquantor und gegen die Junktoren ∨ und<br />

∧ abgeschlossen (aber nicht gegen den Allquantor und die Negation).<br />

Die Klasse Π 1 ist gegen den Allquantor und gegen die Junktoren ∨ und ∧<br />

abgeschlossen (aber nicht gegen den Existenzquantor und die Negation).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 75 / 128


∆ 0 -, Σ 1 - und Π 1 -Funktionen<br />

Die Stufen der arithmetischen Formelhierarchie lassen sich auf die Relationen über<br />

N übertragen, indem man festlegt, dass eine Relation R eine ∆ 0 -Relation (etc.)<br />

ist, wenn diese durch eine ∆ 0 -Formel (etc.) in N definiert wird.<br />

DEFINITION Eine n-stellige Relation ist eine ∆ 0 (Σ n , Π n ) - Relation, wenn es eine<br />

∆ 0 (Σ n , Π n ) - Formel ϕ ≡ ϕ(x 1 , . . . , x n ) gibt, sodass <strong>für</strong> alle a 1 , . . . , a n ∈ N gilt<br />

(a 1 , . . . , a n ) ∈ R ⇔ N ϕ[a 1 , . . . , a n ] ( ⇔ N ϕ[a 1 /x 1 , . . . , a n /x n ])<br />

Eine Funktion ist eine ∆ 0 (Σ n , Π n ) - Funktion, wenn deren Graph eine ∆ 0 (Σ n ,<br />

Π n ) - Relation ist.<br />

R ist arithmetisch, wenn R durch irgendeine Formel definiert wird.<br />

NB Da es nur abzählbare viele L-Formeln aber überabzählbar viele Relationen<br />

gibt, gibt es nicht-arithmetische Relationen.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 76 / 128


5.3.2 ∆ 0 -Relationen sind primitiv rekursiv<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 77 / 128


Satz über die primitive Rekursivität von ∆ 0 -Relationen<br />

SATZ 5. Sei R ⊆ N n eine ∆ 0 -Relation. Dann ist R primitiv rekursiv.<br />

Zum Beweis des Satzes zeigen wir zunächst, dass die von L-Termen<br />

definierten Funktionen primitiv rekursiv sind.<br />

HILFSSATZ Sei t ≡ t(x 1 , . . . , x n ) ein L-Term (in dem höchstens die<br />

Variablen x 1 , . . . , x n vorkommen). Dann ist die von t und ⃗x = (x 1 , . . . , x n )<br />

in N definierte Funktion f = f t,⃗x , d.h.<br />

primitiv rekursiv.<br />

f (⃗a) = t N [⃗a]<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 78 / 128


Beweis des Hilfssatzes durch Ind(t)<br />

1 t ≡ x i (1 ≤ i ≤ n): Dann gilt f (⃗a) = a i , d.h. f = U n i<br />

∈ PRIM.<br />

2 t ≡ i (i = 0, 1): Dann gilt f (⃗a) = i, d.h. f = C n<br />

i<br />

3 t ≡ t 1 ∗ t 2 (∗ = +, ·): Dann gilt<br />

f (⃗a) = f t1 ,⃗x(⃗a) ∗ f t1 ,⃗x(⃗a).<br />

∈ PRIM.<br />

Also f = ∗(f t1 ,⃗x, f t2 ,⃗x). Da, wie früher gezeigt, ∗ ∈ PRIM und da nach<br />

I.V. f t1 ,⃗x, f t2 ,⃗x ∈ PRIM, folgt mit dem Abschluss von PRIM gegen<br />

simultane Substitution, dass auch f ∈ PRIM.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 79 / 128


Beweis des Satzes<br />

Gegeben eine ∆ 0 -Formel ϕ ≡ ϕ(⃗x) (⃗x = (x 1 , . . . , x n )) genügt es zu zeigen,<br />

dass die von ϕ(⃗x) in N definierte Relation R = R ϕ,⃗x , d.h. deren<br />

charakteristische Funktion c R , primitiv rekursiv ist. Wir zeigen dies durch<br />

Induktion nach dem Aufbau von ϕ:<br />

1. ϕ ≡ t 1 = t 2 : Dann gilt<br />

Es ist also<br />

⃗a ∈ R ⇔ N t 1 = t 2 [⃗a] (Definition von R ϕ,⃗x )<br />

⇔ t1 N [⃗a] = tN 2 [⃗a] (Definition von )<br />

⇔ f t1 ,⃗x(⃗a) = f t2 ,⃗x(⃗a) (Definition von f ti ,⃗x)<br />

⇔ |f t1 ,⃗x(⃗a) − f t2 ,⃗x(⃗a)| = 0<br />

c R = sg(f | − | (f t1 ,⃗x, f t2 ,⃗x)).<br />

Da - wie früher gezeigt - sg und f | − | primitiv rekursiv sind und f t1,⃗x und<br />

f t2,⃗x nach dem Hilfssatz ebenfalls primitiv rekursiv sind, folgt die primitive<br />

Rekursivität von c R aus dem Abschluss von PRIM gegen Substitution.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 80 / 128


Beweis des Satzes (Fortsetzung)<br />

2. ϕ ≡ t 1 < t 2 : Dies zeigt man ähnlich zum Fall 1, wobei man statt der<br />

absoluten Differenz | − | nun die Differenz ˙− verwendet.<br />

3. ϕ ≡ ¬ψ: Dann gilt<br />

Also:<br />

⃗a ∈ R ⇔ ⃗a ∉ R ψ,⃗x .<br />

c R = sg(c Rψ,⃗x ).<br />

Da - wie früher gezeigt - sg und - nach I.V. - c Rψ,⃗x primitiv rekursiv<br />

sind, folgt c R ∈ PRIM wiederum aus dem Abschluss von PRIM<br />

gegen Substitutiton.<br />

4. ϕ ≡ ψ 1 ∨ ψ 2 : Dann gilt<br />

c R = max(c Rψ1 ,⃗x , c R ψ2 ,⃗x )<br />

Da max ∈ PRIM, folgt die Behauptung wie zuvor aus der I.V.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 81 / 128


Beweis des Satzes (Abschluss)<br />

5. ϕ ≡ ∃ y < t ψ: Dann gilt<br />

⃗a ∈ R ⇔ ∃ b < f t (⃗a)((⃗a, b) ∈ R ψ,⃗x )<br />

Hieraus erhält man<br />

c R (⃗a) = sg( ∑<br />

b


Abschlusseigenschaften der Klassen der primitiv rekursiven<br />

und rekursiven Relationen<br />

Bevor wir uns Anwendungsbeispiele von Satz 5 ansehen, bemerken wir, dass die<br />

den Definitionsklauseln der ∆ 0 -Relationen entsprechenden Abschlusseigenschaften<br />

auch <strong>für</strong> die Klassen der primitiv rekursiven und rekursiven Relationen gelten.<br />

Dies ergibt sich aus einfachen Modifizierungen der entsprechenden Schritte im<br />

Beweis von Satz 4.<br />

SATZ 6. Die Klasse REK (PRIM) der (primitiv) rekursiven Relationen ist<br />

abgeschlossen gegen<br />

die Junktoren ¬ und ∨ (und damit gegen alle Junktoren)<br />

den beschränkten Existenzquantor (und damit wegen<br />

∀x < y R(y,⃗z) ⇔ ¬(∃x < y(¬R(y,⃗z)))<br />

auch gegen den beschränkten Allquantor)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 83 / 128


Beispiele 1: Teilbarkeit und Primzahlen<br />

Die Teilbarkeitsrelation “a|b ⇔ a teilt b” wird durch folgende<br />

∆ 0 -Formel ϕ | (x 1 , x 2 ) definiert (ist also primitiv rekursiv):<br />

ϕ | :≡ x 1 ≠ 0 ∧ ∃ y < x 2 + 1 (x 1 · y = x 2 )<br />

<strong>Der</strong> Graph der Restfunktion bei der ganzzahligen Division<br />

rest(a, b) := Rest(a : b) wird durch die ∆ 0 -Formel<br />

ϕ rest (x, y, z) :≡ ∃ u < x + 1 (x = u · y + z)<br />

beschrieben. D.h. rest ist eine ∆ 0 -Funktion und der Graph G rest von<br />

rest ist primitiv rekursiv. Damit ist aber auch die Funktion rest<br />

primitiv rekursiv, da rest(a, b) = µ x < a (c Grest (a, b, x) = 1).<br />

Die Menge PZ der Primzahlen wird durch folgende ∆ 0 -Formel<br />

ϕ PZ (x 2 ) definiert (ist also primitiv rekursiv):<br />

ϕ PZ :≡ 1 < x 2 ∧ ∀z < x 2 + 1 (ϕ | [z/x 1 ] → z = 1 ∨ z = x 2 )<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 84 / 128


Beispiele 2: Kodierung von Zahlenpaaren<br />

Als weiteres Anwendungsbeispiel zeigen wir, dass es Bijektionen N n → N (<strong>für</strong> alle<br />

n ≥ 1) gibt, die ∆ 0 und primitiv rekursiv sind.<br />

Man erhält eine bijektive Abbildung τ : N × N → N, d.h. eine Nummerierung der<br />

Zahlenpaare, indem man – anschaulich gesprochen – den rechten oberen<br />

Quadranten der (diskreten) Zahlenebene vollständig durchläuft, wobei man alle<br />

Nebendiagonalen der Reihe nach jeweils von (rechts) unten nach (links) oben<br />

durchläuft (Diagramm: s. Tafel).<br />

Diese Bijektion τ lässt sich wie folgt explizit definieren (Übung!):<br />

τ(a, b) =<br />

(a + b)(a + b + 1)<br />

2<br />

Mit Hilfe dieser Darstellung können wir zeigen, dass der Graph von τ eine<br />

∆ 0 -Relation ist, und hiermit dann weiter zeigen, dass τ primitiv rekursiv ist.<br />

+ b<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 85 / 128


Beispiele 2: Kodierung von Zahlenpaaren (Forts.)<br />

LEMMA. (a) Die Funktion<br />

τ(a, b) =<br />

(a + b)(a + b + 1)<br />

2<br />

+ b<br />

ist eine ∆ 0 -Funktion, weshalb der Graph von τ primitiv rekursiv ist.<br />

(b) Die Funktion τ ist primitiv rekursiv.<br />

(c) Die Umkehrfunktionen von τ, d.h. die Funktionen π i : N → N mit<br />

π i (τ(a 1 , a 2 )) = a i (i=1,2) sind ∆ 0 und primitiv rekursiv.<br />

BEWEIS (a) Es gilt<br />

τ(a, b) = c ⇔ ∃ d (2 · d = (a + b) · (a + b + 1) & c = b + d)<br />

wobei d < (a + b) · (a + b + 1) + 1 gilt. <strong>Der</strong> Graph G τ von τ wird also durch<br />

folgende ∆ 0 -Formel definiert:<br />

∃ u < (x + y) · (x + y + 1) + 1 (2 · u = (x + y) · (x + y + 1) ∧ z = y + u)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 86 / 128


Beispiele 2: Kodierung von Zahlenpaaren (Forts.)<br />

LEMMA. (a) Die Funktion<br />

τ(a, b) =<br />

(a + b)(a + b + 1)<br />

2<br />

+ b<br />

ist eine ∆ 0 -Funktion, weshalb der Graph von τ primitiv rekursiv ist.<br />

(b) Die Funktion τ ist primitiv rekursiv.<br />

(c) Die Umkehrfunktionen von τ, d.h. die Funktionen π i : N → N mit<br />

π i (τ(a 1 , a 2 )) = a i (i=1,2) sind ∆ 0 und primitiv rekursiv.<br />

BEWEIS (b) Da τ(a, b) = µz [(a, b, z) ∈ G τ ] und da PRIM gegen den<br />

beschränkten µ-Operator abgeschlossen ist, genügt es eine prim. rek. Fkt. f<br />

anzugeben, sodass z durch f (a, b) beschränkt werden kann. Offensichtlich hat<br />

f (a, b) = (a + b) · (a + b + 1) + 1 + b diese Eigenschaft.<br />

(c) Da der Graph von τ ∆ 0 ist, folgt der 2. Teil von (c) mit zuvor gezeigten<br />

Abschlusseigenschaften von PRIM aus folgender Charaktersierung von π 1 (<strong>für</strong> π 2<br />

analog): π 1 (c) = µ z < c + 1 (∃ u < c + 1 (τ(z, u) = c))<br />

Beweis des 1. Teiles analog (mit ∃z < . . . statt µ z < . . . ).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 87 / 128


Beispiele 3: Prim. rek. Kodierung von Zahlentupeln fester<br />

Länge<br />

SATZ. (a) Die durch<br />

τ 1 (a 1 ) := a 1<br />

τ 2 (a 1 , a 2 ) := τ(a 1 , a 2 )<br />

τ n+1 (a 1 , . . . , a n+1 ) = τ(a 1 , τ n (a 2 , . . . , a n+1 )) (n ≥ 2)<br />

definierten Funktionen τ n : N n → N (n ≥ 1) sind bijektiv und primitiv<br />

rekursiv.<br />

(b) Die Umkehrfunktionen π n,i von τ n mit π n,i (τ n (a 1 , . . . , a n )) = a i sind<br />

ebenfalls primitiv rekursiv (1 ≤ i ≤ n).<br />

BEWEISIDEE (a) Dies folgt durch eine einfache Induktion nach n aus<br />

Bijektivität und primitiver Rekursivität von τ. (b) zeigt man, wie die<br />

entsprechende Aussage <strong>für</strong> τ.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 88 / 128


∆ 0 vs. primitive Rekursivität<br />

Als Randbemerkung sei angefügt (wir werden das im Folgenden nicht<br />

benötigen), dass ∆ 0 -Funktionen i.a. nicht primitiv rekursiv sind. Es gibt<br />

Funktionen, deren Graph primitiv rekursiv (und ∆ 0 ) ist, die aber nicht<br />

primitiv rekursiv sind (Die Ackermann-Funktion ist hier<strong>für</strong> eine Beispiel).<br />

Aus dem Satz über die primitive Rekursivität von ∆ 0 -Relationen können<br />

wir jedoch mit Hilfe der primitiv rekursiven Bijektionen τ n : N n → N<br />

schließen, dass (partielle) Σ 1 -Funktionen (partiell) rekursiv und<br />

Σ 1 -Relationen rekursiv aufzählbar sind.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 89 / 128


Satz über die Rekursivität von Σ 1 -Funktionen<br />

SATZ 7. Sei f eine (partielle) Σ 1 -Funktion. Dann ist f (partiell) rekursiv.<br />

BEWEIS. Nach Annahme ist der Graph von f : N n → N eine Σ 1 -Relation. Es gibt<br />

also <strong>für</strong> geeignetes m ≥ 1 eine ∆ 0 -Formel ϕ ≡ ϕ(x 1 , . . . , x n , y, z 1 , . . . , z m ) sodass<br />

f (a 1 , . . . , a n ) = b ⇔ N ∃ z 1 . . . ∃ z m ϕ[a 1 , . . . , a n , b]<br />

Ist nun R die von ϕ definierte primitiv rekursive Relation, so gilt<br />

f (a 1 , . . . , a n ) = µ b [∃ z 1 . . . ∃ z m ((a 1 , . . . , a n , b, z 1 , . . . , z m ) ∈ R)]<br />

Kodieren wir die Zeugen z 1 , . . . , z m und b mit Hilfe von τ m+1 durch eine Zahl z,<br />

so folgt: f (a 1 , . . . , a n ) =<br />

= π m+1,m+1 (µ z [(a 1 , . . . , a n , π m+1,m+1 (z), π m+1,1 (z), . . . , π m+1,m (z)) ∈ R])<br />

= π m+1,m+1 (µ z sg(c R (a 1 , . . . , a n , π m+1,m+1 (z), π m+1,1 (z), . . . , π m+1,m (z))))<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 90 / 128


Satz über die rekursive Aufzählbarkeit von Σ 1 -Relationen<br />

SATZ 8. Sei R ⊆ N n eine Σ 1 -Relation. Dann ist R rekursiv aufzählbar.<br />

BEWEISIDEE. Nach dem Satz über die primitive Rekursivität der<br />

∆ 0 -Relationen ist R die mehrfache Projektion einer primitiv rekursiven<br />

Relation P:<br />

(a 1 , . . . , a n ) ∈ R ⇔ ∃x 1 . . . ∃x m [(a 1 , . . . , a n , x 1 , . . . , x m ) ∈ P]<br />

Diese Projektionen kann man mit Hilfe der primitiv rekursiven Funktion τ m<br />

in eine einfache Projektion über eine (primitiv) rekursive Relation P ′<br />

zusammenfassen:<br />

(a 1 , . . . , a n ) ∈ R ⇔ ∃x [(a 1 , . . . , a n , π m,1 (x), . . . , π m,m (x)) ∈ P]<br />

R ist daher r.a.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 91 / 128


Im den ersten beiden Teilen des Abschnitts 5.3 haben wir die arithmetische<br />

Hierarchie von Formeln bzw. Relationen und Funktionen eingeführt und<br />

haben gezeigt:<br />

∆ 0 -Relationen sind primitiv rekursiv.<br />

Σ 1 -Relationen sind rekursiv aufzählbar.<br />

Σ 1 -Funktionen (und damit auch ∆ 0 -Funktionen) sind rekursiv.<br />

In den beiden weiteren Teilen des Abschnitts 5.3 wollen wir nun zeigen,<br />

dass <strong>für</strong> die beiden letzten Aussagen auch die Umkehrung gilt. Es lassen<br />

sich also alle (primitiv) rekursiven Funktionen und alle rekursiv<br />

aufzählbaren (und daher auch alle (primitiv) rekursiven) Mengen durch<br />

(Σ 1 -)Formeln der Sprache L definieren.<br />

Um dies zu zeigen benötigen wir zunächst die Beobachtung, dass sich<br />

endliche Zahlenfolgen mit Hilfe einer ∆ 0 -Formel beschreiben lassen.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 92 / 128


5.3.3 Das <strong>Gödelsche</strong> Lemma<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 93 / 128


Das <strong>Gödelsche</strong> Lemma<br />

LEMMA Es gibt eine ∆ 0 -Funktion π : N 2 → N mit der folgenden<br />

Eigenschaft: Für jedes k ≥ 1 und <strong>für</strong> jede Folge a 0 , . . . , a k−1 von k<br />

natürlichen Zahlen gibt es eine Zahl b ≥ k, sodass<br />

∀ i < k (π(b, i) = a i ).<br />

Zum Beweis greifen wir auf die ∆ 0 -Paarfunktion τ und deren<br />

∆ 0 -Umkehrfunktionen π i zurück. Weiter verwenden wir den Chinesischen<br />

Restsatz aus der Zahlentheorie, den wir hier ohne Beweis vorstellen.<br />

CHINESISCHER RESTSATZ. Seien a i , d i (i < k) natürliche Zahlen mit<br />

a i < d i , wobei d 0 , . . . , d k−1 teilerfremd seien. Dann gibt es eine Zahl a,<br />

sodass <strong>für</strong> i < k<br />

gilt.<br />

rest(a, d i ) = a i (d.h. a ≡ a i mod d i )<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 94 / 128


Beweisidee<br />

Gesucht ist eine ∆ 0 -Funktion π, die aus dem geeignet gewählten Code b einer<br />

beliebigen, gegebenen endlichen Folge a 0 , . . . , a k−1 die einzelnen Folgenglieder<br />

berechnet: π(b, i) = a i .<br />

Setze c := max(k, a 0 , . . . , a k−1 ) und m := c!.<br />

Dann sind m + 1, 2m + 1, . . . , km + 1 paarweise teilerfremd.<br />

<strong>Der</strong> Chinesische Restsatz (angewandt auf die Folgenglieder a i und<br />

d i := (i + 1)m + 1) zeigt die Existenz einer Zahl a mit<br />

a ≡ a i mod(i + 1)m + 1.<br />

Für b := τ(a, m) gilt dann a i = rest(π 1 (b), (i + 1)π 2 (b) + 1).<br />

Also hat π(b, i) := rest(π 1 (b), (i + 1)π 2 (b) + 1) die gewünschte Eigenschaft.<br />

Es bleibt zu zeigen, dass der Graph von π eine ∆ 0 -Relation ist!<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 95 / 128


Beweisidee (Fortsetzung und Abschluss)<br />

Es bleibt zu zeigen, dass der Graph von<br />

π(b, i) := rest(π 1 (b), (i + 1)π 2 (b) + 1)<br />

eine ∆ 0 -Relation ist: Seien ϕ rest (x,y,z), ϕ π1 (x, y) und ϕ π2 (x, y) ∆ 0 -Formeln, die<br />

die Graphen von rest, π 1 und π 2 beschreiben. Dann wird der Graph von π durch<br />

die Formel<br />

ϕ(x, y, z) :≡ ∃ x 1 < x + 1 ∃ x 2 < x + 1 ∃ u < (y + 1) · x + 1 + 1<br />

(ϕ π1 (x, x 1 ) ∧ ϕ π2 (x, x 2 ) ∧ u = (y + 1) · x 2 + 1 ∧ ϕ rest (x 1 , u, z)))<br />

beschrieben.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 96 / 128


5.3.4<br />

Repräsentierbarkeit von rekursiven Relationen und<br />

Funktionen<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 97 / 128


Repräsentierbarkeitssatz <strong>für</strong> die rekursiven Funktionen<br />

SATZ 9. Sei f : N n → N (partiell) rekursiv. Dann ist f eine Σ 1 -Funktion<br />

(d.h. der Graph von f durch eine Σ 1 -Formel definierbar).<br />

BEWEIS. Es genügt zu zeigen, dass<br />

1 die primitiv rekursiven Ausgangsfunktionen S, U n i<br />

und C n<br />

i<br />

Σ 1 -Funktionen sind und<br />

2 die Klasse der Σ 1 -Funktionen gegen Substitution, primitive Rekursion<br />

und den µ-Operator abgeschlossen ist.<br />

<strong>Der</strong> erste Teil der Behauptung ist trivial:<br />

ϕ S (x, y) :≡ y = x + 1<br />

ϕ U n<br />

i<br />

(x 1 , . . . , x n , y) :≡ y = x i<br />

ϕ C n<br />

i<br />

(x 1 , . . . , x n , y) :≡ y = i<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 98 / 128


Beweis (Fortsetzung und Abschluss)<br />

Von den nachzuweisenden Abschlusseigenschaften der Σ 1 -Funktionen zeigen wir<br />

nur den Abschluss gegen primitive Rekursion, der am interessantesten ist.<br />

Seien g (n) und h (n+2) Σ 1 -Funktionen und entstehe f (n+1) aus g und h durch<br />

primitive Rekursion: f (⃗x, 0) = g(⃗x) & f (⃗x, y + 1) = h(⃗x, y, f (⃗x, y))<br />

Nach dem <strong>Gödelsche</strong>n Lemma gibt es dann zu gegebenem ⃗x und y eine Zahl v<br />

mit f (⃗x, 0), . . . , f (⃗x, y) = π(v, 0), . . . , π(v, y)<br />

Diese Zahl v lässt sich durch folgende Relation R beschreiben:<br />

(⃗x, y, v) ∈ R :⇔ π(v, 0) = g(⃗x) ∧ ∀ z < y + 1 [π(v, z + 1) = h(⃗x, z, π(v, z))]<br />

Also: f (⃗x, y) = z ⇔ ∃ v (R(⃗x, y, v) ∧ π(v, y) = z)<br />

Überführt man diese Beschreibung des Graphen von f mit Hilfe der ∆ 0 -Formel <strong>für</strong><br />

den Graphen von π und der Σ 1 -Formeln <strong>für</strong> die Graphen von g und h in eine<br />

Formel, so ist diese Σ 1 .<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 99 / 128


Repräsentierbarkeitssatz <strong>für</strong> die r.a. Relationen<br />

KOROLLAR 1. Sei R ⊆ N n r.a. Dann ist R eine Σ 1 -Relation.<br />

BEWEIS<br />

Sei R die Projektion der rekursiven Relation R ′ .<br />

Nach Definition ist dann die charakteristische Funktion c R ′ von R ′ ebenfalls<br />

rekursiv.<br />

Nach dem Repräsentierbarkeitssatz <strong>für</strong> rekursive Funktionen gibt es also eine<br />

Σ 1 -Formel ϕ mit<br />

(⃗x, y) ∈ R ′ ⇔ c R ′(⃗x, y) = 1 ⇔ N ϕ[⃗x, y, 1]<br />

Für die Projektion R von R ′ folgt:<br />

⃗x ∈ R ⇔ ∃ y : (⃗x, y) ∈ R ′ ⇔ ∃ y : c R ′(⃗x, y) = 1 ⇔ N ∃ y ϕ[⃗x, y, 1]<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 100 / 128


Zusammenfassung Repräsentierbarkeitssatz<br />

Die früheren Ergebnisse, dass (partielle) Σ 1 -Funktionen (partiell) rekursiv<br />

sind (Satz 7) und dass Σ 1 -Relationen r.a. sind (Satz 8), ergeben<br />

zusammen mit den Repräsentierbarkeitssätzen (Satz 9 und Korollar 1):<br />

SATZ 10 (CHARAKTERISIERUNGSSATZ)<br />

(i) Eine (partielle) Funktion f ist genau dann (partiell) rekursiv, wenn f<br />

eine (partielle) Σ 1 -Funktion ist.<br />

(ii) Eine Relation R ist genau dann rekursiv aufzählbar, wenn R eine<br />

Σ 1 -Relation ist.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 101 / 128


5.4<br />

Gödelisierung und die Präzisierung des 1.<br />

<strong>Gödelsche</strong>n <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 102 / 128


Gödelnummern von Termen und Formeln<br />

Wir ordnen nun induktiv jedem L-Term t und jeder L-Formel ϕ eine<br />

Gödelnummer t bzw. ϕ zu:<br />

0 := 3 0 = 1<br />

1 := 3 1 = 3<br />

v i := 3 2 · 5 i<br />

s + t := 3 3 · 5 s · 7 t<br />

s · t := 3 4 · 5 s · 7 t<br />

s = t := 2 · 3 0 · 5 s · 7 t<br />

s < t := 2 · 3 1 · 5 s · 7 t<br />

¬ϕ := 2 · 3 2 · 5 ϕ<br />

ϕ ∨ ψ := 2 · 3 3 · 5 ϕ · 7 ψ<br />

∃ v i ϕ := 2 · 3 4 · 5 i · 7 ϕ<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 103 / 128


Primitiv rekursive Relationen auf den Gödelnummern<br />

Wie die Gödelnummern definiert werden ist weitgehend belanglos. Wichtig ist,<br />

dass die Gödelsierung effektiv und (natürlich) eindeutig ist. Entscheidbare<br />

Relationen und Funktionen auf den Termen und Formeln werden dann (primitiv)<br />

rekursive Relationen und Funktionen auf den Gödelnummern.<br />

So kann man z.B. leicht zeigen:<br />

LEMMA. Folgende Relationen und Funktionen sind primitiv rekursiv:<br />

T = {t : t Term}<br />

F = {ϕ : ϕ Formel}<br />

F x = {ϕ : ϕ Formel mit FV (ϕ) = {x}}<br />

num(n) = n<br />

sub mit sub(ϕ, n) = ϕ[n/v 0 ], falls v 0 ∈ FV (ϕ)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 104 / 128


Formale Fassung von UVS’<br />

Wir können nun die Aussage der semantischen Version des 1.<br />

<strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es präzisieren:<br />

ERSTER UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (GÖDEL) Die Theorie Th(N )<br />

der natürlichen Zahlen ist nicht rekursiv axiomatisierbar.<br />

DEFINITION Eine Theorie T ist rekursiv, wenn die Menge<br />

ˆT := {σ : σ ∈ T }<br />

der Gödelnummern der Sätze aus T rekursiv ist. Eine Theorie T heißt<br />

rekursiv axiomatisierbar, wenn es eine rekursive Theorie T ′ mit C(T ′ ) = T<br />

gibt.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 105 / 128


5.5<br />

<strong>Der</strong> Beweis des<br />

1. <strong>Gödelsche</strong>n <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 106 / 128


Das gödelisierte Beweisprädikat: Vorbemerkungen<br />

Wir haben nun alle erforderlichen Hilfsmittel bereitgestellt, um den - bereits in<br />

Abschnitt 5.1. skizzierten - Beweis des <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es auszuführen.<br />

Wir betrachten zuerst das gödelisierte Beweisprädikat Bew. Hierzu beobachten<br />

wir zunächst, dass man mit Hilfe der von uns gezeigten Abschlusseigenschaften<br />

der primitiv rekursiven Funktionen und Relationen leicht zeigen kann, dass die<br />

gödelierten Axiomenmenge und Regelrelation <strong>für</strong> den Shoenfieldkalkül primitiv<br />

rekursiv sind (Übung):<br />

HILFSSATZ. Folgende Mengen und Relationen sind primitiv rekursiv:<br />

A = {ϕ : ϕ Axiom}<br />

R 1 = {(ψ, ϕ) : ϕ folgt mit einer Regel (mit 1 Prämisse) aus ψ}<br />

R 2 = {(ψ 1 , ψ 2 , ϕ) : ϕ folgt mit einer Regel (mit 2 Prämissen)<br />

aus ψ 1 und ψ 2 }<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 107 / 128


Das gödelisierte Beweisprädikat: Definition<br />

Mit Hilfe der π-Funktion aus dem <strong>Gödelsche</strong>n Lemma und von A, R 1 , R 2 und ˆT<br />

definiert man die 2-st. gödelisierte Beweisrelation Bew ⊆ N 2 durch<br />

Bew(y, x) :⇔ ∃k < y [π(y, k) = x∧<br />

∀ i < k + 1 (π(y, i) ∈ A ∨ π(y, i) ∈ ˆT ∨<br />

∃ i ′ < i ((π(y, i ′ ), π(y, i)) ∈ R 1 )∨<br />

∃ i ′ , i ′′ < i ((π(y, i ′ ), π(y, i ′′ ), π(y, i)) ∈ R 2 )]<br />

Hier<strong>für</strong> gilt offensichtlich:<br />

Also:<br />

(q, r) ∈ Bew ⇔ q ist die Gödelnummer einer Zahlenfolge<br />

m 1 , . . . , m n , wobei m n = r und<br />

m 1 , . . . , m n Gödelnummern von Formeln<br />

ϕ 1 , . . . , ϕ n sind und ϕ 1 , . . . , ϕ n ein T -Beweis ist<br />

ϕ n , . . . , ϕ n T -Beweis von ϕ ⇔ (〈ϕ 1 , . . . ϕ n 〉, ϕ) ∈ Bew (6)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 108 / 128


Das gödelisierte Beweisprädikat: Rekursivität<br />

LEMMA. Das gödelisierte Beweisprädikat<br />

ist rekursiv.<br />

Bew(y, x) :⇔ ∃k < y [π(y, k) = x∧<br />

∀ i < k + 1 (π(y, i) ∈ A ∨ π(y, i) ∈ ˆT ∨<br />

∃ i ′ < i ((π(y, i ′ ), π(y, i)) ∈ R 1 )∨<br />

∃ i ′ , i ′′ < i ((π(y, i ′ ), π(y, i ′′ ), π(y, i)) ∈ R 2 )]<br />

BEWEIS. Da die π-Funktion nach dem <strong>Gödelsche</strong>n Lemma ∆ 0 ist und die<br />

Gleichheitsrelation trivialerweise diese Eigenschaft hat, sind nach Satz 5 π und =<br />

(primitiv) rekursiv. Weiter sind nach dem Hilfssatz A, R 1 , R 2 ebenfalls (primitiv)<br />

rekursiv und nach Annahme ist ˆT rekursiv. Da die rekursiven Relationen gegen<br />

Einsetzung rekursiver Funktionen, gegen Junktoren und gegen beschränkte<br />

Quantoren abgeschlossen sind (Satz 4 und 6), folgt hieraus die Behauptung.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 109 / 128


Das gödelisierte Beweisprädikat: Repräsentierbarkeit<br />

Da - wie gerade gezeigt - das Beweisprädikat Bew rekursiv, also<br />

insbesondere rekursiv aufzählbar ist, folgt mit dem Repräsentierbarkeitssatz<br />

(Satz 10), dass es eine Σ 1 -Formel β ≡ β(v 1 , v 2 ) gibt mit<br />

(q, r) ∈ Bew ⇔ N β[q/v 1 , r/v 2 ] (7)<br />

Man beachte, dass aus (6) und (7)<br />

folgt. Nämlich:<br />

T ⊢ τ ⇔ N ∃v 1 β[τ/v 2 ] (8)<br />

T ⊢ τ ⇔ Es gibt einen T -Beweis ϕ 1 , . . . , ϕ n von τ (Def. ⊢)<br />

⇔ Es gibt eine Zahl q mit Bew(q, τ) ((6))<br />

⇔ Es gibt eine Zahl q mit N β[q/v 1 , τ/v 2 ] ((7))<br />

⇔ N ∃v 1 β[τ/v 2 ] (Def. )<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 110 / 128


Das Diagonalisierungslemma<br />

Als nächstes zeigen wir das Diagonalisierungslemma:<br />

LEMMA Sei ϕ eine (Π 1 -)Formel der Sprache L mit FV (ϕ) = {v 2 }. Dann<br />

gibt es einen (Π 1 -)Satz τ aus L, sodass gilt:<br />

N τ ↔ ϕ[τ/v 2 ] (9)<br />

Zum Beweis benötigen wir folgenden Hilfssatz (Beweis: Übung!):<br />

HILFSSATZ Die durch<br />

⎧<br />

⎪⎨ ∀y(y = n → ψ[y/v 2 ]) falls n = ψ <strong>für</strong> eine L-Formel<br />

d(n) =<br />

ψ mit FV (ψ) = {v 2 },<br />

⎪⎩<br />

0 sonst<br />

definierte (Diagonal-)Funktion d : N → N ist (primitiv) rekursiv, also eine<br />

Σ 1 -Funktion. Hierbei wird die Variable y so gewählt, dass y ∉ V (ϕ) (<strong>für</strong> die<br />

Formel ϕ aus dem Diagonalisierungslemma).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 111 / 128


Beweis des Diagonalisierungslemmas<br />

Sei ϕ d ≡ ϕ d (x, y) eine Σ 1 -Formel, die den Graphen von d definiert<br />

(wobei o.B.d.A. x, y ∉ V (ϕ)).<br />

Definiere:<br />

ψ ≡ ψ(v 2 ) :≡ ∀y(ϕ d [v 2 /x, y/y] → ϕ[y/v 2 ])<br />

n := ψ<br />

τ :≡ ∀y(y = n → ψ[y/v 2 ]) NB τ ist Π 1 -Satz, falls ϕ Π 1 -Satz.<br />

Nach Definition von d und Wahl von ϕ d gilt dann, dass<br />

τ = d(ψ) = d(n) und daher (da ϕ d (x, y) den Graphen von d<br />

beschreibt)<br />

(∗) N ϕ d [n/x, τ/y].<br />

Es folgt<br />

N τ ↔ ψ[n/v 2 ] (nach Def. von τ)<br />

⇒ N τ ↔ ∀y(ϕ d [n/x, y/y] → ϕ[y/v 2 ]) (nach Def. von ψ)<br />

⇒ N τ ↔ ∀y(y = τ → ϕ[y/v 2 ]) (wegen (∗))<br />

⇒ N τ ↔ ϕ[τ/v 2 ] (da äquivalent)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 112 / 128


<strong>Der</strong> nichtbeweisbare aber wahre Satz τ<br />

Wir wenden nun das Diagonalisierungslemma auf die Formel<br />

ϕ(v 2 ) :≡ ¬∃v 1 β(v 1 , v 2 )<br />

an (wobei β die Σ 1 -Formel ist, die das gödelisierte Beweisprädikat Bew<br />

repräsentiert). Dies liefert uns einen Satz τ mit der Eigenschaft<br />

N τ ↔ ¬∃v 1 β[τ/v 2 ] (10)<br />

Weiter ist τ ein Π 1 -Satz, da ¬∃v 1 β(v 1 , v 2 ) eine Π 1 -Formel ist.<br />

Es bleibt zu zeigen, dass τ nicht aus T beweisbar aber wahr ist:<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 113 / 128


Korrektheit der Wahl von τ<br />

1. T ⊬ τ: Indirekter Beweis:<br />

T ⊢ τ ⇒ N ∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach (8))<br />

⇒ N ̸ ¬∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach Definition von )<br />

⇒ N ̸ τ (nach (10))<br />

⇒ T ̸ τ (da T ⊆ Th(N ))<br />

⇒ T ⊬ τ (Korrektheitssatz)<br />

Widerspruch (da T wegen T ⊆ Th(N ) konsistent ist)!<br />

2. N τ: Dies ergibt sich aus T ⊬ τ wie folgt:<br />

T ⊬ τ ⇒ N ̸ ∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach (8))<br />

⇒ N ¬∃v 1 β[τ/v 2 ] (nach Definition von )<br />

⇒ N τ (nach (10))<br />

Damit ist der <strong>Unvollständigkeitssatz</strong> bewiesen!<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 114 / 128


Anmerkungen zum <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>:<br />

Peano-Arithmetik (1)<br />

Das wohl am häufigsten benutzte rekursive Axiomensystem der Arithmetik ist die<br />

Peano Arithmetik PA.<br />

Die Axiome von PA beschreiben die grundlegenden Eigenschaften der<br />

Nachfolgerfunktion +1 (P1 - P2), die Rekursionsgleichungen der Additon + und<br />

Multiplikation · (P3 - P6) sowie das Induktionsprinzip, soweit sich dieses in der<br />

ersten Stufe ausdrücken lässt (IND = Schema):<br />

P1 x + 1 ≠ 0<br />

P2 x + 1 = y + 1 → x = y<br />

P3 x + 0 = x<br />

P4 x + (y + 1) = (x + y) + 1<br />

P5 x · 0 = 0<br />

P6 x · (y + 1) = (x · y) + x<br />

IND ϕ[0/x] ∧ ∀x(ϕ → ϕ[x + 1/x]) → ∀xϕ (<strong>für</strong> jede Formel ϕ ≡ ϕ(x))<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 115 / 128


Anmerkungen zum <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>:<br />

Peano-Arithmetik (2)<br />

Das endlich axiomatisierte Fragment PA − der Peano-Arithmetik PA enthält die<br />

folgenden Axiome, die die grundlegenden algebraischen Eigenschaften von + und<br />

· (A1 - A7), die Ordnungsaxiome <strong>für</strong> < (A8 - A10), sowie die Verträglichkeit von<br />

< mit + und · (A11 - A12) beschreiben. Weiter wird sichergestellt, dass 0 die<br />

kleinste Zahl (A15) und 1 der Nachfolger von 0 bzgl. < (A14) ist und dass jede<br />

Zahl mit Hilfe von + von jeder kleineren Zahl erreichbar ist (A13):<br />

A1 (x + y) + z = x + (y + z) A2 (x · y) · z = x · (y · z)<br />

A3 x + y = y + x A4 x · y = y · x<br />

A5 x · (y + z) = (x · y) + (x · z) A6 x + 0 = x ∧ x · 0 = 0<br />

A7 x · 1 = 1 A8 ¬x < x<br />

A9 x < y ∧ y < z → x < z A10 x < y ∨ x = y ∨ y < x<br />

A11 x < y → x + z < y + z A12 0 < z ∧ x < y → x · z < y · z<br />

A13 x < y → ∃z(x + z = y) A14 0 < 1 ∧ ∀x(0 < x → 1 = x ∨ 1 < x)<br />

A15 ∀x(0 = x ∨ 0 < x)<br />

BEMERKUNG. Man zeigt leicht, dass PA ⊢ PA − gilt. PA − ist eine echte<br />

Teiltheorie von PA (dh. Th(PA − ) ⊂ Th(PA)). Es gilt sogar, dass PA generell<br />

nicht endlich axiomatisierbar ist.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 116 / 128


Anmerkungen zum <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>: Syntaktische<br />

Formulierung<br />

Die syntaktische Form des <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es lässt sich mit Hilfe von<br />

PA − wie folgt formulieren:<br />

ERSTER UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (GÖDEL; syntaktische Form)<br />

Sei T eine rekursiv axiomatisierbare konsistente Erweiterung von PA − .<br />

Dann ist T unvollständig. (Insbesondere ist PA unvollständig.)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 117 / 128


Anmerkungen zum <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>: Syntaktische<br />

Formulierung: Beweisidee<br />

<strong>Der</strong> wesentliche Unterschied zum Beweis der von uns bewiesenen semantischen Version des UVS ist, dass man hier den Begriff<br />

der Repräsentierbarkeit verschärft muss. So reicht es nun zur Repräsentation einer Relation R(a 1 , . . . , a n) nicht mehr aus, eine<br />

Formel ϕ(x 1 , . . . , x n) mit<br />

(a 1 , . . . , a n) ∈ R ⇔ N ϕ[a 1 /x 1 , . . . , a n/x n]<br />

anzugeben, sondern man benötigt nun<br />

(a 1 , . . . , a n) ∈ R ⇔ PA − ⊢ ϕ[a 1 /x 1 , . . . , a n/x n].<br />

Hierdurch wird der Beweis des entsprechend verschärften Repräsentierbarkeitssatzes - der nun besagt, dass jede r.a. Relation auf<br />

die beschriebene Art in PA − repräsentierbar ist - komplizierter. Da die Diagonalfunktion primitiv rekursiv, also deren Graph r.a.<br />

ist, kann man dann im Diagonalisierungslemma Wahrheit in N durch Beweisbarkeit aus PA − ersetzen, d.h. erhält zu der Formel<br />

ϕ nun einen Satz τ mit<br />

PA − ⊢ τ ↔ ϕ[τ/v 2 ]<br />

Hiermit kann man dann im Wesentlichen wie im Beweis der semantischen Version argumentieren (s. auch Beweiskizze in 5.1).<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 118 / 128


Anmerkungen zum <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>:<br />

Π 1 -Unvollständigkeit<br />

Wir wir gesehen haben, gibt es zu jeder rekursiv axiomatisierbaren<br />

L-Theorie T , in der nur wahre Sätze über N beweisbar sind, einen<br />

Π 1 -Satz τ, der aus T nicht beweisbar ist (wir sagen auch: T is<br />

Π 1 -unvollständig).<br />

Dagegen lässt sich jeder in N wahre Σ 1 -Satz aus PA − beweisen. D.h.<br />

die rekursiven Theorien PA − und PA sind Σ 1 -vollständig.<br />

Insbesondere gibt es also eine Allaussage ∀xϕ, sodass <strong>für</strong> jede Zahl n<br />

ϕ[n/x] aus PA beweisbar ist aber nicht ∀xϕ. (Dies lässt sich so<br />

erklären, dass es keinen einheitlichen Beweis gibt, der auf jede Zahl n<br />

angewendet werden kann.)<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 119 / 128


5.6<br />

<strong>Der</strong> 2. <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>, der Satz von Tarski<br />

und die Unentscheidbarkeit der Prädikatenlogik<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 120 / 128


<strong>Der</strong> 2. <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>: Idee<br />

Gödel hat nicht nur gezeigt, dass es keinen Kalkül gibt, in dem gerade die wahren<br />

Sätze aus N beweisbar sind (1. <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>), sondern auch, dass <strong>für</strong><br />

jeden hinreichend beweisstarken widerspruchsfreien Kalkül K der Arithmetik die<br />

Widerspruchsfreiheit nicht mit Mitteln des Kalküls allein gezeigt werden kann (2.<br />

<strong>Unvollständigkeitssatz</strong>).<br />

Zur Rechtfertigung eines solchen Kalküls müssen daher Methoden verwendet<br />

werden, die über die von dem Kalkül bereitgestellten Methoden hinausgehen,<br />

deren Rechtfertigung also noch schwieriger ist.<br />

Man kann dies so interpretieren, dass das Hilbertsche Programm nicht ausführbar<br />

ist. Dessen Idee war, immer mächtigere Kalküle der Mathematik einzuführen und<br />

deren Konsistenz wie folgt zu rechtfertigen. Für den ersten Kalkül sollte die<br />

Konsistenz evident sein, da dieser nur sehr einfache, unproblematische (finitäre)<br />

Methoden bereitstellt. Die Konsistenz des nächsten Kalküls sollte dann allein mit<br />

Methoden des ersten Kalküls beweisbar sein, usw.<br />

Zur Formalisierung der Aussage des 2. <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es definieren wir<br />

zunächst die Konsistenzformel.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 121 / 128


<strong>Der</strong> 2. <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>: die<br />

Konsistenzformel (1)<br />

In der endlich axiomatisierten Theorie PA − der Arithmetik lässt sich jeder<br />

Satz σ aus 0 = 1 herleiten: PA − ∪ {0 = 1} ⊢ σ.<br />

Eine hinreichend starke Theorie T der Arithmetik (d.h. eine Theorie T mit<br />

PA − ⊆ C(T )) ist also genau dann konsistent, wenn der Satz 0 = 1 nicht aus<br />

T beweisbar ist: T konsistent ⇔ T ⊬ 0 = 1.<br />

Für rekursives T können wir nun die Aussage T ⊬ 0 = 1 mit Hilfe des im<br />

Beweises des 1. UVS eingeführten gödelisierten Beweisprädikats Bew <strong>für</strong> T<br />

durch ¬∃y Bew(y, 0 = 1) ausdrücken.<br />

Da wir das Prädikat Bew durch die Formel β repräsentieren können, folgt<br />

¬∃y Bew(y, 0 = 1) ⇔ N ¬∃v 1 β[0 = 1/v 2 ]<br />

Für eine rekursiv axiomatisierte Erweiterung T von PA − gilt daher:<br />

T konsistent ⇔ N ¬∃v 1 β[0 = 1/v 2 ]<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 122 / 128


<strong>Der</strong> 2. <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>: die<br />

Konsistenzformel (2)<br />

Wie wir gesehen haben, gilt <strong>für</strong> eine rekursiv axiomatisierte Erweiterung T<br />

von PA − :<br />

T konsistent ⇔ N ¬∃v 1 β[0 = 1/v 2 ]<br />

Die Formel<br />

Con T :≡ ¬∃v 1 β[0 = 1/v 2 ]<br />

drückt daher die Konsistenz von T aus, weshalb wir diese als<br />

Konsistenzformel (<strong>für</strong> T ) bezeichnen.<br />

(Wir sehen also, dass <strong>für</strong> rekursives T nicht nur die Beweisbarkeit aus T<br />

durch eine L-Formel beschrieben werden kann sondern auch die Konsistenz<br />

von T . Die metamathematische Aussage der Konsistenz lässt sich also<br />

wiederum durch ein mathematische Aussage ersetzen, d.h. eine Aussage<br />

über das System der Arithmetik durch eine Aussage innerhalb des Systems<br />

ersetzen.)<br />

Mit Hilfe der Konsistenzformel lässt sich der 2. UVS wie folgt präzisieren:<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 123 / 128


<strong>Der</strong> 2. <strong>Gödelsche</strong> <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>: präzise<br />

Formulierung<br />

2. UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ VON GÖDEL. Sei T eine konsistente<br />

rekursive Theorie der Arithmetik mit PA ⊆ C(T ). Dann gilt T ⊬ Cons T .<br />

Wir verzichten auf den Beweis hier. Eine Beweisskizze findet sich im Skript<br />

von Herrn Gloede.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 124 / 128


<strong>Der</strong> Satz von Tarski<br />

Die Beweise der beiden <strong>Gödelsche</strong>n Unvollständigkeitssätze basieren auf der<br />

Beobachtung, dass sich der (gödelisierte) Beweisbarkeitsbegriff <strong>für</strong> eine rekursive<br />

Theorie T der Arithmetik durch eine Formel der Arithmetik repräsentieren lässt:<br />

T ⊢ σ ⇔ ∃x Bew(x, σ) ⇔ ∃v 1 β[σ/v 2 ]<br />

Tarski hat dagegen gezeigt, dass der Wahrheitsbegriff der Arithmetik sich nicht<br />

derart darstellen lässt:<br />

SATZ VON TARSKI Es gibt keine L-Formel γ ≡ γ(x), sodass <strong>für</strong> alle L-Sätze σ<br />

gilt:<br />

N σ ⇔ N γ[σ/x]<br />

<strong>Der</strong> Satz von Tarski besagt gerade, dass die Menge Th(N ) = {σ : N σ} der<br />

wahren Sätze der Arithmetik nicht arithmetisch ist. Da (nach dem<br />

Repräsentierbarkeitssatz) jede r.a. Menge arithmetisch ist, bedeutet dies<br />

insbesondere, dass Th(N ) nicht r.a. ist. Da andererseits, <strong>für</strong> eine rekursive Theorie<br />

T die Menge C(T ) = {σ : T ⊢ σ} r.a. ist, folgt, dass es keine rekursive Theorie<br />

T mit C(T ) = Th(N ) gibt. <strong>Der</strong> Satz von Tarski ist daher eine Verschärfung der<br />

semantischen Version des 1. <strong>Gödelsche</strong>n <strong>Unvollständigkeitssatz</strong>es.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 125 / 128


<strong>Der</strong> Satz von Tarski: Beweis<br />

<strong>Der</strong> Beweis ist indirekt. Wir gehen von der Widerspruchsannahme aus, dass <strong>für</strong><br />

die Formel γ ≡ γ(x)<br />

(i) N σ ⇔ N γ[σ/x]<br />

<strong>für</strong> alle L-Sätze gilt.<br />

Nach dem Diagonalisierungslemma (<strong>für</strong> v 2 ≡ x und ϕ ≡ ¬γ ) gibt es dann einen<br />

Satz τ mit<br />

N τ ↔ ¬γ[τ/x]<br />

d.h.<br />

(ii)<br />

N τ ⇔ N ¬γ[τ/x]<br />

Setzt man nun τ <strong>für</strong> σ in (i) ein, so folgt mit (ii)<br />

N γ[τ/x] ⇔ N ¬γ[τ/x]<br />

Dies aber widerspricht der Definition von .<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 126 / 128


Unentscheidbarkeit der Allgemeingültigkeit in der PL<br />

Als letzte Anwendung der Beweisideen, die den Beweisen der<br />

Unvollständigkeitssätze zugrundeliegen, zeigen wir dass (<strong>für</strong> die Sprache L) der<br />

Arithmetik die Frage, ob ein Satz σ allgemeingültig (d.h. logisch wahr ist)<br />

unentscheidbar ist. Da ein Satz σ genau dann allgemeingültig ist, wenn ¬σ nicht<br />

erfüllbar ist, folgt hieraus auch die Unentscheidbarkeit der Erfüllbarkeitsproblems,<br />

d.h. der Frage, ob ein Satz σ ein Modell besitzt.<br />

SATZ VON CHURCH. Die Menge {σ : σ L-Satz & σ} ist unentscheidbar.<br />

Church hat dies ursprünglich <strong>für</strong> eine andere Sprache als L gezeigt. Trachtenbrot<br />

hat gezeigt, dass es genügt Sprachen zu betrachten, die ein 2-stelliges<br />

Relationszeichen enthalten (also L(


Unentscheidbarkeit der Allgemeingültigkeit in der PL:<br />

Beweisidee des Satzes von Church<br />

Für L folgt der Satz von Church aus den oben kurz erwähnten syntaktischen<br />

Verschärfungen des Repräsentierbarkeitssatzes und des Diagonalisierungslemma,<br />

in denen N durch PA − ⊢ ersetzt werden (und die im Beweis der syntaktischen<br />

Version des 1. UVS benötigt werden).<br />

Wir zeigen zunächst, dass die Menge der aus PA − beweisbaren Sätze nicht entscheidbar ist.<br />

Andernfalls wäre - wegen des Abschlusses der entscheidbaren Mengen gegen Komplement - auch die Menge der nicht<br />

aus PA − beweisbaren Sätze entscheidbar und damit nach der C-T-These die Menge deren Gödelnummern<br />

G = {σ : PA − ⊬ σ} rekursiv und damit durch eine Formel ϕ in PA − repräsentierbar:<br />

(∗) PA − ⊬ σ ⇔ PA − ⊢ ϕ[σ/v 2 ]<br />

Die Anwendung der syntaktischen Version des Diagonalisierungslemmas liefert dann einen Satz τ mit<br />

PA − ⊢ τ ↔ ϕ[τ/v 2 ]<br />

Setzt man aber τ in (∗) sein, so kann man folgern, dass - im Widerspruch zur Konsistenz von PA − - PA − ⊬ τ genau<br />

dann gilt, wenn PA − ⊢ τ gilt.<br />

Die Unentscheidbarkeit der Menge {σ : σ} ergibt sich hieraus wiederum indirekt.<br />

Nehmen wir an, dass {σ : σ} entscheidbar ist, so ist auch die Menge<br />

G = {σ : PA − ⊬ σ} = {σ : ⊬ α → σ} = {σ : ̸ α → σ}<br />

entscheidbar (wg. Adäquatheitssatz und Abschluss entscheidbarer Mengen gegen Komplement), wobei α die<br />

Konjunktion der (endlich vielen!) Axiome von PA − ist.<br />

Mathematische Logik (WS 2010/11) Kapitel 5: Unvollständigkeit 128 / 128

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