Täuschen und Lügen - Wdr.de
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Ein Kneipenbesuch mit<br />
anschließen<strong>de</strong>r Verspätung<br />
kann erhebliches Konfliktpotential<br />
in sich bergen<br />
1 x 1 <strong>de</strong>s <strong>Lügen</strong>s<br />
Wie oft haben Sie heute schon gelogen? Rein statistisch<br />
eineinhalb mal. Und dabei sind die üblichen Höflichkeitsfloskeln<br />
wie „Guten Tag“ o<strong>de</strong>r „mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen“<br />
noch gar nicht mitgezählt, sonst wären es schnell mehr als<br />
100 <strong>Lügen</strong> am Tag. Eine genaue <strong>Lügen</strong>-Definition ist daher<br />
wichtig: „<strong>Lügen</strong> ist die Kommunikation einer subjektiven<br />
Unwahrheit mit <strong>de</strong>m Ziel, im Gegenüber einen falschen<br />
Eindruck hervorzurufen o<strong>de</strong>r aufrecht zu erhalten.“ (nach<br />
J. Schmid, 2000). Entschei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n Tatbestand <strong>de</strong>r<br />
Lüge sind dabei zwei Aspekte. Zum einen muss das<br />
Gegenüber sich täuschen lassen. Bei einem „Hochachtungsvoll“<br />
unter <strong>de</strong>m Brief ist auch <strong>de</strong>m Empfänger klar,<br />
dass es sich um eine Standardformulierung han<strong>de</strong>lt. Zum<br />
an<strong>de</strong>ren ist nicht die objektive Wahrheit ausschlaggebend,<br />
son<strong>de</strong>rn das, was <strong>de</strong>r Lügner im Augenblick <strong>de</strong>r Äußerung<br />
für wahr hält. Er kann also lügen, obwohl er die Wahrheit<br />
sagt. Ein Beispiel macht das <strong>de</strong>utlich: eine Person glaubt,<br />
dass sie Kleingeld in <strong>de</strong>r Tasche hat. An <strong>de</strong>r Supermarktkasse<br />
verneint sie dies aber, weil sie einen großen Schein<br />
gewechselt bekommen möchte. Auch wenn sich im<br />
Nachhinein herausstellt, das die Person tatsächlich kein<br />
Kleingeld hatte, hat sie im Moment <strong>de</strong>r Aussage gelogen.<br />
Gute <strong>Lügen</strong> – schlechte <strong>Lügen</strong>?<br />
Vom moralischen Standpunkt aus mögen <strong>Lügen</strong> immer als<br />
verwerflich angesehen wer<strong>de</strong>n. Das be<strong>de</strong>utet jedoch nicht,<br />
dass eine Lüge immer zu einem ungerechtfertigten Vorteil<br />
für <strong>de</strong>n Lügner führt. Es kann durchaus gerechtfertigt sein<br />
zu lügen, zum Beispiel um das Leben eines unschuldig<br />
Verfolgten zu retten. Auch die Lüge eines Arztes, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Patienten nicht vollständig über seinen ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Zustand aufklärt, ist wahrscheinlich mehr zum Schutz <strong>de</strong>s<br />
Patienten gedacht als zum Vorteil <strong>de</strong>s Arztes.<br />
Ebenso sind <strong>Lügen</strong> aus Höflichkeit eher aus Achtung vor <strong>de</strong>m<br />
Gegenüber o<strong>de</strong>r aus Vermeidung eines Konfliktes motiviert.<br />
Insgesamt sind knapp die Hälfte <strong>de</strong>r <strong>Lügen</strong> „prosozial“.<br />
Trotz<strong>de</strong>m überwiegt <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r selbst-dienlichen <strong>Lügen</strong>.<br />
Auf die Technik kommt es an<br />
Lüge ist nicht gleich Lüge. Wie nie<strong>de</strong>rträchtig o<strong>de</strong>r verzeihlich<br />
wir eine Lüge bewerten, hängt nicht nur vom<br />
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Tatbestand ab, <strong>de</strong>r verschleiert wer<strong>de</strong>n soll, son<strong>de</strong>rn auch<br />
von <strong>de</strong>r Art <strong>und</strong> Weise, wie dieser falsche Eindruck erzielt<br />
wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Stellen Sie sich zum Beispiel folgen<strong>de</strong> Situation vor. Eine<br />
Ehefrau geht nach <strong>de</strong>r Arbeit nicht direkt nach Hause, wo<br />
ihr Mann mit <strong>de</strong>m Essen wartet. Son<strong>de</strong>rn sie besucht statt<br />
<strong>de</strong>ssen mit einem Fre<strong>und</strong> noch eine Kneipe. Als sie<br />
schließlich mit erheblicher Verspätung in die heimische<br />
Wohnung kommt, ist ihr Ehemann entsprechend sauer.<br />
Auf seine Frage, „Schön, dass Du auch mal nach Hause<br />
kommst. Hast Du wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Kollegen gefeiert?“ gibt<br />
es verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten zu antworten:<br />
Direkte <strong>Lügen</strong> sind am häufigsten<br />
„Von wegen feiern. Ich saß die ganze Zeit in einer<br />
Konferenz mit <strong>de</strong>m Chef. Der wollte unbedingt noch mal<br />
über das Projekt sprechen.“ Das einfache „Nein“, wo ein<br />
„Ja“ wahr wäre, wird durch einen erf<strong>und</strong>enen Sachverhalt<br />
erweitert.<br />
Solche direkten <strong>Lügen</strong> sind im Alltag die häufigsten<br />
(63 Prozent). Sie wer<strong>de</strong>n vom Belogenen allerdings auch<br />
als beson<strong>de</strong>rs schwerwiegend empf<strong>und</strong>en, wenn sie ent<strong>de</strong>ckt<br />
wer<strong>de</strong>n. Daher ist es geschickter, eine indirekte Art<br />
<strong>de</strong>r Lüge zu verwen<strong>de</strong>n. Je weniger man sich dabei festlegt,<br />
umso einfacher hat man es, falls <strong>de</strong>r Schwin<strong>de</strong>l auffliegt.<br />
Die folgen<strong>de</strong>n Beispiele sind so geordnet, dass die<br />
„gefühlte“ Schwere <strong>de</strong>r Lüge immer geringer wird.<br />
Indirekte <strong>Lügen</strong> sind eher verzeihbar<br />
„Na, danke. Du traust mir ja einiges zu. Meinst Du, ich<br />
wür<strong>de</strong> Dich einfach so warten lassen?“ Die Gegenfrage ist<br />
eine indirekte Lüge. Sie funktioniert, weil sie scheinbar<br />
keine Aussage enthält. Trotz<strong>de</strong>m erweckt sie <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
dass <strong>de</strong>r Partner <strong>de</strong>r Ehefrau etwas unterstellt, mit<br />
<strong>de</strong>m er ihr Unrecht tut.<br />
„Ich habe noch einen alten Fre<strong>und</strong> getroffen, aber nur ein<br />
paar Minuten mit ihm gere<strong>de</strong>t <strong>und</strong> während<strong>de</strong>ssen ein<br />
kleines Bier getrunken.“ Eine typische Untertreibung. Mit<br />
einem Fünkchen Wahrheit, schafft sich <strong>de</strong>r Lügner ein bes-<br />
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Einen warten<strong>de</strong>n Ehemann mit <strong>de</strong>r<br />
Wahrheit zu konfrontieren, ist nicht<br />
immer dienlich<br />
Eine Lüge kann <strong>de</strong>n verärgerten<br />
Mann besänftigen; solange sie<br />
nicht ent<strong>de</strong>ckt wird<br />
Entrüstung über eine<br />
Unterstellung; eine Strategie,<br />
die funktionieren kann