Baurecht 9.pdf
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8. Vorhaben im Außenbereich (§ 35 BauGB)<br />
8.1 Überblick über die Regelungen des § 35 BauGB<br />
a) Begriff des Außenbereichs (§ 35 Abs. 1 BauGB)<br />
b) Regelungen eines einfachen Plans (§ 30 Abs. 3 BauGB)<br />
c) Grundstruktur der Regelungen des § 35 BauGB<br />
d) Unterscheidung von privilegierten und nicht privilegierten Vorhaben<br />
e) Sicherungen für die Privilegierung (§ 35 Abs. 5 S. 2, 3 BauGB)<br />
8.2 Die privilegierten Vorhaben<br />
a) Landwirtschaft (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB)<br />
b) Gartenbauwirtschaft (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB)<br />
c) Versorgungswirtschaft (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB)<br />
c) Erneuerbare Energien, Kernenergie (§ 35 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 BauGB)<br />
d) Auffangtatbestand (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB)<br />
8.3 Öffentliche Belange im Außenbereich<br />
a) Der (nicht abschließende) Katalog des § 35 Abs. 3 BauGB<br />
b) Ziele und Grundsätze der Raumordnung (§ 35 Abs. 3 S 2, 3 BauGB)<br />
c) Unbeachtlichkeit von Belangen nach § 35 Abs. 4 BauGB<br />
d) Abwägung der Belange mit dem Interesse an der Anlage<br />
e) Das Gebot flächensparenden Bauens (§ 35 Abs. 5 S. 1 BauGB)<br />
8.4 Die Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 BauGB<br />
a) Funktionsweise und Zwecke der Teilprivilegierung<br />
b) Die Teilprivilegierung landwirtschaftlichen Strukturwandels (Nr. 1)<br />
c) Überwirkender Bestandsschutz bei Wohnbauten (Nr. 2, 5)<br />
d) Überwirkender Bestandsschutz bei gewerblichen Anlagen (Nr. 6)<br />
e) Überwirkender Bestandsschutz bei Zerstörungen (Nr. 3)<br />
f) Zweckmäßige Verwendung bei prägenden Anlagen (Nr. 4)<br />
8.5 Die Teilprivilegierung durch Außenbereichssatzung (§ 35 Abs. 6 BauGB)<br />
a) Sinn und Zweck der Außenbereichssatzung<br />
b) Inhalt der Außenbereichssatzung<br />
c) Aufstellungsverfahren<br />
d) Rechtsfolgen<br />
8.6 Nachbarschutz im Außenbereich<br />
a) Das Gebot der Rücksichtnahme im Außenbereich<br />
b) Rücksichtnahme auf privilegierte und nicht privilegierte Anlagen<br />
c) Störungspräventive Baunachbarklage
8.7 Merksätze<br />
1. Zum Außenbereich gehören diejenigen Gebiete, die weder innerhalb der im Zusammenhang<br />
bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) noch im Geltungsbereich eines qualifizierten<br />
Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1 BauGB) liegen. Das Vorhandensein eines einfachen<br />
Plans ändert die Zugehörigkeit von Flächen außerhalb der im Zusammenhang<br />
bebauten Ortsteile zum Außenbereich nicht.<br />
2. Auch im Außenbereich richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach den Festsetzungen<br />
eines gültigen einfachen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 3 BauGB). Insoweit<br />
ergeben sich gegenüber den im Bereich eines qualifizierten Plans gelegenen<br />
Flächen keine Unterschiede. Nur soweit es im einfachen Plan an maßgeblichen<br />
Festsetzungen fehlt, richtet sich die Zulässigkeit ergänzend nach § 35 BauGB.<br />
3. Die Struktur des § 35 BauGB beruht auf der Unterscheidung von privilegierten<br />
und sonstigen Vorhaben: Privilegierte Vorhaben sind nach § 35 Abs. 1 BauGB zulässig,<br />
wenn öffentliche Belange im Ergebnis „nicht entgegenstehen“. Hier findet eine<br />
Abwägung mit etwa beeinträchtigten Belangen statt. Sonstige Vorhaben sind nach §<br />
35 Abs. 2 BauGB zulässig, wenn öffentliche Belange „nicht beeinträchtigt“ werden.<br />
Bereits die bloße Beeinträchtigung öffentlicher Belange führt bei sonstigen Vorhaben<br />
also schon zur Unzulässigkeit, sofern diese Beeinträchtigung nicht unerheblich ist.<br />
4. Die Vorzugsstellung der privilegierten Vorhaben findet ihre Rechtfertigung in<br />
ihrer besonderen Zweckbestimmung, nach der sie in den Außenbereich gehören. Sie<br />
lassen sich als land- und forstwirtschaftliche oder als umweltgefährdende oder ortsgebundene<br />
Anlagen im Allgemeinen nur im Außenbereich verwirklichen und sollen<br />
nach dem gesetzgeberischen Leitbild im Außenbereich durchgeführt werden können.<br />
Die privilegierte Zweckbestimmung ist u.U. nach § 35 Abs. 6 S. 2 BauGB auf<br />
geeignete Weise zu sichern.<br />
5. Die öffentlichen Belange müssen wie alle Begriffe des Bauplanungsrechts schon<br />
wegen der begrenzten Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art.74 Abs. 2 Nr.18<br />
GG) eine bodenrechtliche bzw. städtebauliche Relevanz haben. Die Aufzählung der<br />
öffentlichen Belange in § 35 Abs. 3 BauGB ist aber nicht abschließend. Auch privilegierte<br />
Vorhaben Dritter und das Gebot der Rücksichtnahme fallen hierunter.<br />
6. Die Darstellungen von Flächennutzungsplänen und sonstigen Plänen, insbesondere<br />
von Landschaftsplänen haben nach § 35 Abs. 3 Nr. 1, 2 BauGB zugleich die<br />
Rechtsqualität von Belangen, die im Falle der Beeinträchtigung zur Unzulässigkeit<br />
eines sonstigen Vorhabens führen oder gegen bei privilegierten Vorhaben in die Abwägung<br />
eingestellt werden müssen.<br />
7. Große Bedeutung haben die Ziele der Raumordnung, die gem. § 35 Abs. 3 S. 1<br />
BauGB sowohl privilegierten als auch nicht privilegierten Vorhaben entgegenstehen<br />
können. Das gilt nicht nur insoweit, als das Vorhaben – negativ – mit dem Vorhaben<br />
nicht vereinbar ist, als auch insoweit, als – positiv – in den Fällen des § 35 Abs. 3 S.<br />
2 BauGB Vorrangflächen dargestellt werden.<br />
8. Im Hinblick auf Gesichtspunkte des Bestandsschutzes und auf den Strukturwandel<br />
in der Landwirtschaft regelt § 35 Abs. 4 BauGB eine Reihe von Teilprivilegierungstatbeständen<br />
für bestimmte sonstige Vorhaben. Dies gilt für Ersatzbauten und Er-
weiterungen, aber auch für Vorhaben, durch die eine ehemals privilegierte bauliche<br />
Anlage anderen Nutzungszwecken zugeführt werden soll. Damit wird die Genehmigungsfähigkeit<br />
teilprivilegierter Vorhaben erleichtert, weil bestimmte öffentliche Belange<br />
diesen Vorhaben nicht entgegengehalten werden können.<br />
9. Die Teilprivilegierungstatbestände des § 35 Abs. 4 BauGB dienen entweder dem<br />
Strukturwandel in der Landwirtschaft (Nr. 1) oder der Verwirklichung des an die<br />
Stelle einer unmittelbaren Anwendung des Art. 14 Abs. 1 GG getretenen sog. überwirkenden<br />
Bestandsschutzes (Nr. 2, 3, 5, 6) oder dem Interesse einer Erhaltung<br />
des Landschaftsbildes der Sicherung der Nutzbarkeit von sog. prägenden Gebäuden<br />
(Nr. 4).<br />
10. Durch die Regelung über die Außenbereichssatzung in § 35 Abs. 6 BauGB ist<br />
die Möglichkeit geschaffen worden, durch Satzung der Gemeinde eine weitere Teilprivilegierung<br />
von Wohngebäuden zu schaffen. Auf diese Weise kann die Gemeinde<br />
ihren Siedlungsbereich durch Satzung partiell erweitern, ohne einen Bebauungsplan<br />
erlassen zu müssen.<br />
11. Nachbarschutz: Ein Nachbar kann sich gegen ein privilegiertes Vorhaben nur<br />
bei Verletzung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme wehren, wenn in einer<br />
qualifizierten und zugleich individualisierten Weise auf seine schutzwürdigen Interessen<br />
keine Rücksicht genommen wurde und die Beeinträchtigung das Maß des<br />
Zumutbaren überschreitet.<br />
12. Die Anforderungen, die sich aus dem Rücksichtnahmegebot ergeben, sind je<br />
nach Schutzwürdigkeit der betroffenen Positionen unterschiedlich zu beurteilen. Geht<br />
es um die Genehmigung eines privilegierten Vorhabens, ist dem Nachbarn eine größere<br />
Belastung zuzumuten als bei Genehmigung eines sonstigen Vorhabens. Umgekehrt<br />
muss eine privilegierte bauliche Anlage weniger Beeinträchtigungen hinnehmen<br />
als die sonstige bauliche Anlage; soweit es um den Schutz der Privilegierung geht.<br />
8.8 Fälle<br />
1. Bauer B ist Eigentümer eines Hofes im Außenbereich. Die wirtschaftliche Existenz<br />
des B ist wegen der Preisentwicklung auf dem Agrarmarkt bedroht. Da sich in der<br />
Nähe seines Hofes ein kleineres Waldgrundstück mit Reitwegen befindet, kommt er<br />
auf die Idee, seine Hofeinrichtungen zur Pensionspferdehaltung zu nutzen. Um den<br />
Tieren auch im Winter genügend Bewegungsmöglichkeiten zu bieten, beantragt er<br />
die Genehmigung zur Errichtung einer größeren Halle, in der auch Pferdeeigentümer<br />
ihre Pferde bewegen können. Er trägt unter Hinweis auf ein entsprechendes Gutachten<br />
des Verbandes der Pensionspferdehalter vor, dass die Halle Voraussetzung für<br />
die geplante Pensionspferdehaltung sei.<br />
Die zuständige Bauaufsichtsbehörde will das Vorhaben genehmigen, die Umweltbehörde<br />
verweigert aber ihre Zustimmung mit der Begründung, die geplante Halle beeinträchtige<br />
schon wegen ihrer Größe das Landschaftsbild. Außerdem sei zu befürchten,<br />
dass von den vielen Pferden bei den zu erwartenden Ausritten im Sommer<br />
ein erheblicher Schaden in der Natur und im Wald angerichtet werde.<br />
B erhebt erfolglos Widerspruch mit der Begründung, dass sich die Halle von außen<br />
nicht wesentlich von einer großen Scheune unterscheide.
2. Die Frisch-GmbH betreibt im Außenbereich eine mit Geruchsemissionen verbundene<br />
Tierkörperbeseitigungsanlage. Jenseits eines kleinen Wäldchens aber nur 50m<br />
entfernt, wird dem A die Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses erteilt.<br />
Dagegen erhebt die Frisch-GmbH Widerspruch. Dieser wird mit der Begründung zurückgewiesen,<br />
dass das geplante Bauwerk nur am Wochenende genutzt werden soll<br />
und dieser Zeit der Tierkörperbeseitigungsbetrieb stillstehe. Dagegen erhebt die<br />
Frisch-GmbH Klage.<br />
Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich (§ 35 BauGB)<br />
- Prüfungspunkte -<br />
I. Zulässigkeit nach § 30 III BauGB<br />
1. Besteht ein gültiger nicht qualifizierter Bebauungsplan<br />
2. Entspricht das Vorhaben den Festsetzungen (BauNVO)<br />
3. Ggfs. Zulässigkeit aufgrund von Ausnahmen und Befreiungen (§ 31 BauGB)<br />
II.<br />
Zulässigkeit privilegierter Vorhaben nach § 35 I BauGB<br />
1. Privilegierung des Vorhabens nach § 35 I BauGB<br />
a) Land- und Forstwirtschaft (Nr. 1)<br />
b) Gartenbaubetrieb (Nr. 2)<br />
c) Anlagen der öffentlichen Versorgung (Nr. 3)<br />
d) Besondere Außenbereichsbindung (Nr. 4)<br />
e) Windenergieanlagen, Wasserkraftanlagen (Nr. 5)<br />
f) Energetische Nutzung von Biomasse (Nr. 6)<br />
g) Anlagen der Kernenergie (Nr. 7)<br />
2. Vereinbarkeit mit Zielen der Raumordnung (§ 35 III 2 BauGB; § 4 ROG)<br />
a) Raumordnungsplanung (§ 7 ff. ROG)<br />
b) Begriff der Ziele (§ 3 Nr. 2 ROG)<br />
c) Vorrangflächen und Konzentrationsflächen<br />
c) Sonderprobleme in Hamburg<br />
3. Betroffenheit öffentlich-rechtlicher Belange (§ 35 III BauGB)<br />
a) Widerspruch zu Flächennutzungsplan (Nr. 1)<br />
b) Widerspruch zu sonstigen Plänen BauGB (Nr. 2)<br />
c) Schädliche Umwelteinwirkungen (Nr. 3)<br />
d) Erfordernis unwirtschaftlicher Infrastrukturmaßnahmen (Nr. 4)<br />
e) Natur- und Landschaftsschutz, Denkmalschutz, Bodenschutz (Nr. 5)<br />
f) Beeinträchtigung der Agrarstruktur und der Wasserwirtschaft (Nr. 6)<br />
g) Gefahr einer Splittersiedlung (Nr. 7)
4. Entgegenstehen der öffentlichen Belange<br />
a) Sind Belange schon in den Raumordnungsplänen berücksichtigt<br />
(§ 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB)<br />
b) Sind die privilegierten Interessen planerisch schon an anderer Stelle im<br />
berücksichtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB)<br />
c) Abwägung der öffentlichen Belange mit privaten Belangen (Privilegierung)<br />
5. Zusatzanforderungen nach § 35 Abs. 5 BauGB<br />
a) Ausführung des Vorhabens (§ 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB)<br />
b) Flächensparende Bauweise (§ 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB)<br />
6. Sicherung ausreichender Erschließung<br />
III.<br />
Zulässigkeit sonstiger Vorhaben nach § 35 II BauGB<br />
1. Vereinbarkeit mit Zielen der Raumordnung (§ 35 Abs. 3 S. 2 BauGB; § 4 ROG)<br />
a) Raumordnungsplanung (§ 7 ff. ROG)<br />
b) Begriff der Ziele (§ 3 Nr. 2 ROG)<br />
2. Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB)<br />
a) Betroffenheit öffentlicher Belange (siehe oben II 3)<br />
b) Bagatellgrenze<br />
c) Sind beeinträchtigte Belange schon in Raumordnungsplänen<br />
berücksichtigt<br />
3. Unbeachtlichkeit beeinträchtigter Belange nach § 35 Abs. 4 BauGB<br />
(Teilprivilegierung)<br />
a) Nutzungsänderungen (§ 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB)<br />
b) Neuerrichtung von Wohnhäusern an gleicher Stelle (§ 35 IV Nr. 2 BauGB)<br />
c) Neuerrichtung zerstörter Gebäude (§ 35 IV Nr. 3 BauGB)<br />
d) Weitere Verwendung landschaftsprägender Gebäude<br />
(§ 35 IV Nr. 4 BauGB)<br />
e) Privilegierte Erweiterungsbauten (§ 35 IV Nr. 5, 6 BauGB)<br />
4. Unbeachtlichkeit von Beeinträchtigungen auf Grund einer<br />
Außenbereichssatzung (§ 35 VI BauGB)<br />
a) Wirksame Außenbereichssatzung (§ 35 VI 5, 6)<br />
b) Vorhandene Wohnbebauung im Außenbereich (§ 35 VI 1)<br />
c) Teilprivilegierung (Flächennutzungsplan, Splittersiedlung)<br />
d) Vereinbarkeit mit geordneter städtebaulicher Entwicklung (§ 35 VI 4)<br />
5. Sicherung der Teilprivilegierung nach § 35 V 2 BauGB<br />
6. Sicherung ausreichender Erschließung