Download Heft 53 - Frauen Aktiv in Baden-Württemberg
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AKTIV <strong>53</strong> III/2011<br />
Seite 6<br />
Gender Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagesstätte<br />
Bianca Fischer<br />
Erzieher<strong>in</strong>, Leiter<strong>in</strong> der städtischen K<strong>in</strong>dertagesstätte<br />
Nikolaus-Lenau-Platz (1999<br />
bis 2008), S<strong>in</strong>delf<strong>in</strong>gen<br />
Das ZitaT<br />
Die Themenbauste<strong>in</strong>e „Akustik –<br />
Schallwelle – Messen – Zeit“ ermöglichen<br />
es dem K<strong>in</strong>d, erleben, be-greifen<br />
und verstehen zu können. Bei diesen<br />
unterschiedlichen Schwerpunkten<br />
fühlen sich alle K<strong>in</strong>der der K<strong>in</strong>dertagesstätte,<br />
unabhängig von Alter und<br />
Geschlecht, angesprochen und s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong>teressiert und neugierig bei der<br />
Sache. Sie verknüpfen ihre Erkenntnisse<br />
mit ihren bisherigen Tätigkeiten<br />
und werden auch zu Hause aktiv. So<br />
messen sie die Raumgröße des K<strong>in</strong>derzimmers<br />
aus oder malen zusammen<br />
mit den Eltern auf, um welche Uhrzeit<br />
sie morgens aufstehen u.v.m.<br />
(Bianca Fischer)<br />
Was ist e<strong>in</strong> Bildungstablett<br />
Die K<strong>in</strong>dertagesstätte Nikolaus-Lenau-Platz <strong>in</strong> S<strong>in</strong>delf<strong>in</strong>gen<br />
wurde 2004 für das e<strong>in</strong>jährige Modellprojekt „Gender<br />
Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g – e<strong>in</strong> Thema für die K<strong>in</strong>dertagesstätte!“<br />
ausgewählt. Ziel des Projekts war es, das Interesse<br />
für Naturwissenschaft und Technik bei Jungen wie auch<br />
bei Mädchen bereits im K<strong>in</strong>dergartenalter zu fördern.<br />
Die Bildung und Betreuung der K<strong>in</strong>der hat <strong>in</strong> S<strong>in</strong>delf<strong>in</strong>gen<br />
e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert und e<strong>in</strong>e lange Tradition.<br />
Es gibt 33 städtische K<strong>in</strong>dertagesstätten für rund 1850<br />
Mädchen und Jungen.<br />
2004 fand für alle Leiter<strong>in</strong>nen der städtischen K<strong>in</strong>dertagesstätten<br />
e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar statt mit dem Titel „Gender<br />
Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g – e<strong>in</strong> Thema für die K<strong>in</strong>dertagesstätte!“<br />
Ziel war die Implementierung e<strong>in</strong>es Modellprojekts im<br />
Bereich der K<strong>in</strong>dertagesstätten. Ursula Fujike, Leiter<strong>in</strong><br />
des Regiebetriebs K<strong>in</strong>dertagesstätten, Gisela Kentrup,<br />
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt sowie das externe<br />
Beratungsteam, Sab<strong>in</strong>e Brommer und Gerhard Tschöpe,<br />
führten <strong>in</strong> das Thema „Gender Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g“ e<strong>in</strong>.<br />
Als e<strong>in</strong>e von drei Projekt-KiTas wurde die zweigruppige<br />
K<strong>in</strong>dertagesstätte Nikolaus-Lenau-Platz im westlichen<br />
Stadtgebiet S<strong>in</strong>delf<strong>in</strong>gens ausgewählt. 50 Jungen<br />
und Mädchen im Alter von drei bis sechs Jahren<br />
aus allen sozialen Schichten werden hier alters- und<br />
geschlechtsgemischt betreut. Der Anteil der K<strong>in</strong>der mit<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund beträgt rund 45 Prozent.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund, dass <strong>in</strong> der Kita ausschließlich<br />
<strong>Frauen</strong> arbeiten, reflektierten die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
ihre bisherige pädagogische Arbeit. Dabei wurde deutlich,<br />
dass es im Bereich Naturwissenschaft und Technik<br />
nur wenige Angebote gab und Väter und Mütter diese<br />
erstaunlicherweise auch nicht e<strong>in</strong>forderten.<br />
Im ersten Schritt setzten sich die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />
unter Anleitung durch die beiden Externen mit der<br />
eigenen k<strong>in</strong>dlichen Prägung und den Vorstellungen<br />
über Gender ause<strong>in</strong>ander. Schnell wurde klar, wie<br />
wichtig dies <strong>in</strong>sbesondere auch für die Wahrnehmung<br />
und Interpretation von Beobachtungen im pädagogischen<br />
Alltag ist. Beim zweiten Treffen wurden konkrete<br />
Ziele def<strong>in</strong>iert:<br />
q Das Interesse für Naturwissenschaft und Technik<br />
soll bei Jungen und <strong>in</strong>sbesondere auch bei Mädchen<br />
In der Kita Nikolaus-Lenau-Platz werden die Räume multifunktional genutzt. Um den K<strong>in</strong>dern<br />
verschiedene Möglichkeiten des Experimentierens zu bieten, haben wir Bildungstabletts e<strong>in</strong>geführt.<br />
Immer passend zu e<strong>in</strong>em Thema s<strong>in</strong>d verschiedene Materialien auf e<strong>in</strong>em Tablett zusammengestellt.<br />
Dieses kann leicht zur Seite gestellt werden, wenn der Platz für e<strong>in</strong>e andere Tätigkeit<br />
genutzt wird. Ferner können sie schnell verändert werden, um für K<strong>in</strong>der wieder „attraktiv“ zu se<strong>in</strong>.<br />
Momentan ist das Bildungstablett „Magnetismus“ bei den K<strong>in</strong>dern sehr beliebt, mit verschiedenen<br />
Magneten sowie kle<strong>in</strong>e Spielsachen wie Muggelste<strong>in</strong>e, Schrauben, Murmeln, Puzzleteile. Die K<strong>in</strong>der<br />
formulieren ihre Erkenntnisse wie folgt:<br />
„E<strong>in</strong> Schrank ist nicht magnetisch. Der ist aus Holz. Und Holz „klebt“ nicht.“ „Wenn Du die Metall-<br />
Murmeln nimmst, die rollen ganz schnell auf den Magneten. Die „kleben“ richtig dran fest.“ „Und<br />
Reißverschlüsse von Jacken, die s<strong>in</strong>d auch richtig magnetisch. Das ist cool“.<br />
gefördert werden, um ihnen– vielleicht – e<strong>in</strong> größeres<br />
Berufswahlspektrum zu ermöglichen.<br />
q Das Thema Naturwissenschaft und Technik soll als<br />
Lernziel <strong>in</strong> der Alltagsgestaltung der Kita präsent<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen nahmen<br />
die Raumgestaltung genauer unter die Lupe<br />
Welche Bereiche werden mehr von den Jungen, welche<br />
mehr von den Mädchen genutzt Wo haben die<br />
Mädchen und Jungen die Möglichkeit, mit Mathematik<br />
<strong>in</strong> Berührung zu kommen Die Basis mathematischen<br />
Denkens ist das Sortieren, Zählen, Messen und<br />
Experimentieren sowie das genaue Beobachten und<br />
Beschreiben naturwissenschaftlicher Phänomene.<br />
Zunächst wurde die Raumgestaltung verändert. In<br />
der Bauecke wurden neben den üblichen Bauelementen<br />
auch kle<strong>in</strong>e Spiegelfliesen und Glitzerste<strong>in</strong>e angeboten.<br />
Alle Materialien, die man sortieren kann, wurden<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „Experimentierecke“ zusammen geführt.<br />
Die anschließende Beobachtungsphase war spannend:<br />
Die Mädchen nahmen die Bauecke <strong>in</strong> Beschlag. Sie<br />
experimentierten mit großen Bauklötzen und Höhen –<br />
um sie anschließend mit Glitzerste<strong>in</strong>en zu dekorieren.<br />
Und auch die Jungen fanden Gefallen an den bunten<br />
Ste<strong>in</strong>en. Dies war der Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es großen Mite<strong>in</strong>anders.<br />
In der „Sortierecke“ verblüffte das Ergebnis alle:<br />
Es gab ke<strong>in</strong>en Unterschied zwischen Jungen und Mädchen.<br />
Beide Geschlechter waren hier sehr aktiv.<br />
Die Frage, ob denn Technik und Naturwissenschaft<br />
auch für Mädchen <strong>in</strong>teressant ist, wurde bei<br />
den K<strong>in</strong>dern an ke<strong>in</strong>er Stelle thematisiert. Eventuell<br />
deshalb, weil eben allen K<strong>in</strong>dern – unabhängig von<br />
ihrem Geschlecht – ganz selbstverständlich Naturwissenschaft<br />
und Technik dargeboten wurde und sie das<br />
Angebot auch annahmen. Alle<strong>in</strong> die Tatsache, dass es<br />
für die K<strong>in</strong>der ke<strong>in</strong>e Rolle spielte, ob sich e<strong>in</strong> Mädchen<br />
oder e<strong>in</strong> Junge mit Experimentieren, Messen oder Zahlen<br />
beschäftigte, spricht für den Veränderungsprozess.<br />
Es ist zu hoffen, dass sich viele der Mädchen <strong>in</strong> der<br />
Schulzeit im Mathematik-, Physik- oder Chemieunterricht<br />
daran er<strong>in</strong>nern, wie viel Freude sie an den<br />
naturwissenschaftlichen Versuchen hatten – und dass<br />
Naturwissenschaft und Technik auch für Mädchen<br />
selbstverständlich zur Lebensrealität gehören.<br />
Das Thema Gender Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g<br />
ist bis heute <strong>in</strong> der Kita präsent<br />
Neue Kolleg<strong>in</strong>nen werden während der Teambesprechung<br />
an das Thema Gender Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g herangeführt<br />
und gebeten, sich Gedanken über ihre eigenen<br />
Rollenvorstellungen zu machen. Gleichzeitig achten die<br />
(immer noch ausschließlich weiblichen) Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
darauf, dass Angebote aus dem Bereich Naturwissenschaft,<br />
Technik und Mathematik sich an alle K<strong>in</strong>der<br />
richten. Hier haben sich so genannte „Bildungstabletts“<br />
bewährt. Das Material <strong>in</strong> den Baubereichen, <strong>in</strong> der<br />
Puppen- und Verkleidungsecke soll Jungen und Mädchen<br />
ansprechen. Aber auch die Möglichkeit, naturwissenschaftliche<br />
Phänomene zu beobachten, eigene<br />
Beobachtungen zu dokumentieren und mit anderen <strong>in</strong>s<br />
Gespräch zu kommen, ist für die K<strong>in</strong>der zur Selbstverständlichkeit<br />
geworden. Und auch heute noch nehmen<br />
die Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> diesem Punkt ke<strong>in</strong>en Unterschied<br />
zwischen Mädchen und Jungen wahr. •<br />
KINDERWELTEN ist e<strong>in</strong> Inklusionsprojekt zur vorurteilsbewussten<br />
Erziehung des Instituts für den Situationsansatz/Internationale<br />
Akademie gGmbh an der<br />
Freien Universität Berl<strong>in</strong>. Das Projekt wurde vom<br />
BMFSFJ gefördert und bundesweit ausgeschrieben.<br />
Von 2008 – 2010 hat auch die K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung<br />
Sandbuckel <strong>in</strong> Stuttgart daran teilgenommen.<br />
Die Kita Sandbuckel liegt im Stuttgarter Stadtteil Giebel<br />
und bietet 38 Ganztagesplätze für K<strong>in</strong>der von e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb<br />
bis 12 Jahren. Im gesamten Stadtteil leben viele Menschen<br />
mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund, viele alle<strong>in</strong>erziehende<br />
Mütter und viele Familien an der Armutsgrenze. Diese<br />
Vielfalt spiegelt sich im Alltag unserer E<strong>in</strong>richtung wieder.<br />
So freuten wir uns sehr, <strong>in</strong>s Projekt „K<strong>in</strong>derwelten“ aufgenommen<br />
zu werden.<br />
Folgende vier K<strong>in</strong>derweltenziele haben wir erarbeitet<br />
und dann mit den Eltern und K<strong>in</strong>dern umgesetzt:<br />
1. Jedes K<strong>in</strong>d muss Wertschätzung und Anerkennung<br />
f<strong>in</strong>den, als Individuum und als Mitglied e<strong>in</strong>er<br />
bestimmten sozialen Gruppe.<br />
2. K<strong>in</strong>der müssen Erfahrungen mit Menschen machen,<br />
die anders aussehen und sich anders verhalten als<br />
sie selbst, so dass sie sich mit ihnen wohl fühlen und<br />
Empathie entwickeln können.<br />
3. Das kritische Denken von K<strong>in</strong>dern über Vorurteile,<br />
E<strong>in</strong>seitigkeiten und Diskrim<strong>in</strong>ierung anzuregen,<br />
heißt auch, mit ihnen e<strong>in</strong>e Sprache zu entwickeln,<br />
um sich darüber verständigen zu können, was fair<br />
und was unfair ist.<br />
4. K<strong>in</strong>der sollen ermutigt werden, sich aktiv und<br />
geme<strong>in</strong>sam mit anderen gegen e<strong>in</strong>seitige oder diskrim<strong>in</strong>ierende<br />
Verhaltensweisen zur Wehr zu setzen,<br />
die gegen sie selbst oder gegen andere gerichtet<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Von Anfang an wollten wir die Vielfalt <strong>in</strong> der<br />
pädagogischen Arbeit nutzen<br />
Bei der Bearbeitung des ersten Zieles stand die Stärkung<br />
der Ich-Identität im Vordergrund. Unter dem Motto „Alle<br />
K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d gleich – jedes ist besonders“ haben wir uns<br />
geme<strong>in</strong>sam auf die Suche nach körperlichen Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
und Unterschieden gemacht. Hier wurden natürlich<br />
auch die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen<br />
bearbeitet. Thesen wurden aufgestellt, wie Mädchen bzw.<br />
Jungen s<strong>in</strong>d. Fast alle Thesen konnten widerlegt werden.<br />
Denn es gibt Mädchen, die genauso stark s<strong>in</strong>d wie Jungen.<br />
Es gibt Jungen, die we<strong>in</strong>en, wenn sie traurig s<strong>in</strong>d. Es gibt<br />
Jungen und Mädchen, die gern Fußball spielen, und Jungen<br />
und Mädchen, die gern <strong>in</strong> der Küche helfen. Für unsere<br />
K<strong>in</strong>der war schnell klar, dass sich Freunde nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />
dadurch auszeichnen, dass sie dasselbe Geschlecht<br />
haben. Während des Prozesses beschäftigten wir uns mit<br />
geschlechtlich-kulturellen, sozial-kulturellen, ethnischkulturellen<br />
und <strong>in</strong>dividuellen Unterschiedlichkeiten. Die<br />
Vielfalt von Lebensformen, Kulturen, Religionen und die<br />
Zugehörigkeit zu dem e<strong>in</strong>en oder dem anderen Geschlecht<br />
spiegelten sich <strong>in</strong> den Familienbildern wieder. Jede Familie<br />
gestaltete e<strong>in</strong>en Bilderrahmen, <strong>in</strong> dem sie die wichtigsten<br />
Familienmitglieder vorstellt und e<strong>in</strong>en Bezug zum Heimatland<br />
zeigt. Viele Gespräche fanden bisher zu den Inhalten<br />
der Bilder statt.<br />
Beim dritten Ziel überlegten wir geme<strong>in</strong>sam mit<br />
den K<strong>in</strong>dern, woher Vorurteile kommen, wie man sich<br />
fühlt, wenn man ausgegrenzt und ausgelacht wird<br />
und was wir tun können, damit ke<strong>in</strong>e neuen Vorurteile<br />
Projekt<br />
K<strong>in</strong>derwelten<br />
entstehen. Auch hier kamen wir wieder auf das Thema<br />
Jungen und Mädchen zu sprechen. Tun alle Mädchen<br />
das Gleiche, s<strong>in</strong>d alle Mädchen so Hauen und schlagen<br />
alle Jungen, s<strong>in</strong>d die Jungen immer die Stärkeren,<br />
die Bestimmer Dürfen sich auch Jungs schm<strong>in</strong>ken und<br />
Mädchen im Dreck wühlen Mittlerweile haben fast<br />
alle Jungen akzeptiert, dass auch sie Tischdienst haben<br />
und die Mädchen <strong>in</strong> der Bauecke tolle Kunstwerke bauen.<br />
Die Mädchen mussten sich damit arrangieren, dass<br />
es <strong>in</strong> der Puppenecke nicht nur langhaarige Puppen<br />
gibt, sondern e<strong>in</strong> Puppenjunge genauso zur Puppenfamilie<br />
gehört wie unser dunkelhäutiges Puppenbaby,<br />
und die Jungen gern e<strong>in</strong>mal selber den Papa oder die<br />
Mama spielen. Und das mit dem Bestimmer hat sich<br />
auch geklärt. Dass ich als Frau die E<strong>in</strong>richtung leite und<br />
der „Chef“ b<strong>in</strong>, wird nur noch manchmal h<strong>in</strong>terfragt.<br />
Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung<br />
des anderen Geschlechtes haben zugenommen<br />
Um Ungerechtigkeiten außerhalb der E<strong>in</strong>richtung oder<br />
Familie ansprechen zu können, brauchen unsere K<strong>in</strong>der<br />
sicher noch e<strong>in</strong>e ganze Weile. In der vertrauten Umgebung<br />
der Tagese<strong>in</strong>richtung gel<strong>in</strong>gt es jedoch schon<br />
manchmal, das vierte Ziel umzusetzen. K<strong>in</strong>der weisen<br />
sich gegenseitig auf Ungerechtigkeiten h<strong>in</strong> und versuchen<br />
Lösungen zu f<strong>in</strong>den. Seit unsere K<strong>in</strong>der die K<strong>in</strong>derrechte<br />
kennengelernt haben, sprechen sie unfaires<br />
Verhalten an, weisen sich auf Regelverletzungen h<strong>in</strong><br />
und unterstützen sich gegenseitig bei Problemen.<br />
Je älter unsere K<strong>in</strong>der werden, desto wichtiger wird<br />
der Freundeskreis. Unsere Hortk<strong>in</strong>der wählen mit viel<br />
Fe<strong>in</strong>gefühl ihre Freundschaften. Mit zunehmendem<br />
Alter auch geschlechterspezifisch. Das hat sich auch<br />
durch unser K<strong>in</strong>derweltenprojekt nicht verändert. Rollenklischees<br />
konnten jedoch kritisch h<strong>in</strong>terfragt und<br />
abgebaut werden. Nach den zwei Jahren waren wir<br />
uns sicher, dass wir noch lange nicht am Ende unserer<br />
Arbeit angekommen s<strong>in</strong>d. Mit jedem neuen K<strong>in</strong>d und<br />
jeder neuen Familie fangen wir wieder e<strong>in</strong> bisschen<br />
von vorne an, damit niemand alle<strong>in</strong>e zurück bleibt und<br />
unsere Ziele weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung leben und<br />
erlebbar bleiben. So hat es mich nicht gewundert, dass<br />
erst letzte Woche e<strong>in</strong> Junge sich vehement geweigert<br />
hat, den Tischdienst zu übernehmen. Se<strong>in</strong>e Begründung,<br />
er sei e<strong>in</strong> Mann und das sei <strong>Frauen</strong>arbeit wurde<br />
von den Mädchen gleich abgetan. Nach e<strong>in</strong>er längeren<br />
Diskussion über die Rechte und die Pflichten von Jungen<br />
und Mädchen wurde das Geschirr dann doch noch<br />
von dem Jungen <strong>in</strong> die Küche gebracht.<br />
Und noch etwas hat sich verändert. E<strong>in</strong>ige unserer<br />
Mütter erwarten nun auch Mithilfe der Söhne und<br />
Männer im Haushalt und unsere wenigen Väter s<strong>in</strong>d<br />
weitaus mehr <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung präsent. Weder Mütter<br />
noch K<strong>in</strong>der wundert es, wenn die Väter ihre K<strong>in</strong>der<br />
<strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung br<strong>in</strong>gen, auf Ausflügen die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />
und den Erzieher unterstützen und ihre K<strong>in</strong>der<br />
während der E<strong>in</strong>gewöhnungszeit begleiten, wickeln,<br />
trösten und zum Schlafen br<strong>in</strong>gen. •<br />
Seite 7<br />
Das ZitaT<br />
Bei uns hat sich viel verändert. Was<br />
man sehen kann, s<strong>in</strong>d Flaggen der<br />
Herkunftsländer unserer Familien mit<br />
dem jeweiligen Begrüßungsspruch,<br />
von den Eltern gemalte K<strong>in</strong>derportraits,<br />
die die Vielfalt der unterschiedlichen<br />
Hautfarben wiederspiegeln,<br />
Schriftzüge <strong>in</strong> den Muttersprachen<br />
unserer Familien, Duden, Bilderbücher<br />
und Plakate mit Schriftzeichen<br />
aus aller Welt. Gutenmorgenlieder<br />
und Tischsprüche werden <strong>in</strong> den<br />
Sprachen der Familien gesungen und<br />
gesprochen, K<strong>in</strong>der sprechen auch<br />
<strong>in</strong> ihrer Muttersprache mit anderen<br />
K<strong>in</strong>dern, Dolmetscher werden bei<br />
Elterngesprächen h<strong>in</strong>zugezogen. Kle<strong>in</strong>e<br />
Gesten, die unseren K<strong>in</strong>dern, den<br />
Eltern und auch den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeitern zeigen, hier bist du<br />
willkommen, wir achten und schätzen<br />
dich so wie du bist, und wir verstehen<br />
Unterschiedlichkeit als Bereicherung<br />
<strong>in</strong> unserem Alltag. (Cornelia Rieker)<br />
Mehr Informationen<br />
www.k<strong>in</strong>derwelten.net<br />
Cornelia Rieker,<br />
Fachwirt<strong>in</strong> Sozialmanagement<br />
und E<strong>in</strong>richtungsleitung e<strong>in</strong>er<br />
K<strong>in</strong>dertagesstätte <strong>in</strong> Stuttgart<br />
AKTIV <strong>53</strong> III/2011