Gemeindebrief Dezember 2003
Gemeindebrief Dezember 2003
Gemeindebrief Dezember 2003
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Mensch, werde Mensch!<br />
Gott wird Mensch! Mit drei Worten<br />
ist der Inhalt von Weihnachten beschrieben.<br />
Nun fehlt nur noch eins: Dass<br />
auch der Mensch Mensch wird.<br />
Mensch, werde Mensch! Was meine ich<br />
damit Dass ich mir ein bisschen mehr<br />
Menschlichkeit unter den Menschen<br />
wünsche Gewiss tue ich das: Ich wünsche<br />
mir mehr Wärme und Verständnis,<br />
Zeit für andere, ein offenes Herz und<br />
vielleicht auch manchmal einen offenen<br />
Geldbeutel, wo andere etwas brauchen.<br />
Mehr Menschlichkeit wäre gut. Aber es<br />
geht mir um noch etwas anderes.<br />
Haben Sie den Kino-Film „Das Wunder<br />
von Bern“ gesehen Da wird einer<br />
Mensch. Es geht um eine Vater-Sohn-Beziehung!<br />
Der Vater kommt nach vielen<br />
Jahren aus russischer Kriegsgefangenschaft<br />
nach Hause, dürr wie ein Skelett,<br />
völlig ausgemergelt. Er hat große Probleme,<br />
in der Familie nach den vielen Jahren<br />
seiner Abwesenheit einen Platz zu<br />
finden. Der Zuschauer fühlt mit, dass er<br />
mit seiner schlimmen Vergangenheit<br />
nicht fertig wird, sieht, wie er sich<br />
nachts in Albträumen in seinem Bett<br />
wälzt. Aber nach außen will er stark<br />
sein. Über seine schlimmen Kriegs- und<br />
Gefangenschaftserlebnisse schweigt er<br />
sich aus. Gegenüber seinen Söhnen legt<br />
er Härte an den Tag. Auf dem Höhepunkt<br />
des Konflikts sagt er zu seinem<br />
Jüngeren: „Ein deutscher Junge weint<br />
nicht!“ Das geht so lange, bis sein älterer<br />
Sohn es nicht<br />
mehr aushält und<br />
vor seinem Vater<br />
flieht. Daraufhin<br />
weiß der Vater nicht<br />
mehr weiter – er holt sich Rat bei einem<br />
Pfarrer. Der rät ihm, sich seiner Familie<br />
zu öffnen, und nicht länger den harten<br />
Mann zu spielen – und er fängt an zu<br />
erzählen, erzählt Sohn und Frau aus der<br />
dunklen Vergangenheit, lässt seine<br />
Schwachheit, seine Verzweiflung, sein<br />
Dunkel zu. Hier ist die Wende in dem<br />
Film, ein Mensch wird ein Mensch, weil<br />
er seinem Dunkel nicht mehr ausweicht,<br />
weil er seine Schwachheit nicht mehr<br />
mit vermeintlicher Stärke übertüncht.<br />
Jetzt kann sich auch ein liebevolles<br />
Vater-Sohn-Verhältnis entwickeln. Wenn<br />
der Mensch Mensch wird, geht das.<br />
An Weihnachten ist etwas über alle<br />
Maßen Wunderbares geschehen: Gottes<br />
Sohn wird Mensch. Nicolaus Hermann<br />
dichtet: „Er (Jesus) äußert sich all seiner<br />
G´walt, wird niedrig und gering und<br />
nimmt an eines Knechts Gestalt, der<br />
Schöpfer aller Ding.“<br />
Jesus wollte nicht stark und mächtig<br />
bleiben. Er wurde schwach für dich, damit<br />
du deine Schwachheit nicht verstecken,<br />
damit du dein Dunkel nicht verbergen<br />
und deine Sünde verdrängen<br />
musst. Gott wurde Mensch. Mensch,<br />
werde du nun auch Mensch!<br />
Ihr Gemeindepfarrer Michael Paul<br />
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