Zivilprozessrecht für Referendare - Oberheim, Leseprobe - Vahlen
Zivilprozessrecht für Referendare - Oberheim, Leseprobe - Vahlen
Zivilprozessrecht für Referendare - Oberheim, Leseprobe - Vahlen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Vahlen</strong> • Jura / Referendariat<br />
<strong>Zivilprozessrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Referendare</strong><br />
von<br />
Dr. Rainer <strong>Oberheim</strong><br />
9., neu bearbeitete Auflage<br />
<strong>Zivilprozessrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Referendare</strong> – <strong>Oberheim</strong><br />
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG<br />
Thematische Gliederung:<br />
Gesamtdarstellungen – Referendarpraxis<br />
Verlag Franz <strong>Vahlen</strong> München 2012<br />
Verlag Franz <strong>Vahlen</strong> im Internet:<br />
www.vahlen.de<br />
ISBN 978 3 8006 4216 8<br />
Inhaltsverzeichnis: <strong>Zivilprozessrecht</strong> <strong>für</strong> <strong>Referendare</strong> – <strong>Oberheim</strong>
2. Beweiserhebung<br />
a) Beweisanordnung<br />
beck-shop.de<br />
§ 7 Beweis<br />
Während die Ablehnung eines Beweisantrags in der Regel in den Gründen eines<br />
Urteils erfolgt, ergeht die Entscheidung über die Durchführung der Beweisaufnahme<br />
im Laufe des Verfahrens. Zur Vorbereitung der Beweisaufnahme kann das Beweismittel<br />
<strong>für</strong> die mündliche Verhandlung bereitgestellt werden durch eine terminsvorbereitende<br />
Verfügung des Vorsitzenden nach § 273 II ZPO. 32 Ob der Beweis dann erhoben<br />
wird, kann das Gericht formlos (konkludent durch Erhebung des Beweises)<br />
oder förmlich durch einen Beweisbeschluss entscheiden. Eines Beweisbeschlusses<br />
bedarf es zwingend, wenn die Beweisaufnahme bereits vor der mündlichen Verhandlung<br />
erfolgen soll (§ 358a ZPO), wenn diese einen besonderen Termin (dh einen weiteren<br />
Haupttermin) erfordert (§ 358 ZPO) oder wenn eine Parteivernehmung durchgeführt<br />
werden soll (§ 450 I 1 ZPO).<br />
Die notwendigen Bestandteile eines Beweisbeschlusses enthält § 359 ZPO.<br />
32 Zur Frage, ob ein zufällig in der Verhandlung anwesender, nicht geladener Zeuge vernommen<br />
werden darf OLG Schleswig NJW 1991, 303; Gießler, Vernehmung des nicht geladenen Zeugen,<br />
NJW 1991, 2885.<br />
139<br />
17<br />
18
19<br />
1. Teil. Grundbegriffe<br />
1<br />
140<br />
...-gericht ...<br />
Geschäftsnummer ...<br />
Inhalt des Beweisbeschlusses<br />
2 Beweisbeschluss<br />
3 In dem Rechtsstreit<br />
Schneider ./. Krause.<br />
4 I. Es soll Beweis erhoben werden über<br />
7 1. die Behauptungen des Klägers<br />
5 a) ...<br />
b) ...<br />
7 2. die Behauptungen des Beklagten<br />
5 a) ...<br />
b) ...<br />
beck-shop.de<br />
§ 4 AktO<br />
§ 359 Nr. 1 ZPO<br />
durch<br />
§ 359 Nr. 2 ZPO<br />
6 � Vernehmung der Zeugen<br />
7 a) ... benannt vom (Kläger/Beklagten) zu den Beweis- § 359 Nr. 3 ZPO<br />
themen ...<br />
8 b) ... benannt vom (Kläger/Beklagten) zu den Beweis-<br />
9<br />
themen ...<br />
� Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens<br />
angeboten vom (Kläger/Beklagten) zu den Beweisthemen<br />
...<br />
� Inaugenscheinnahme des ...<br />
angeboten vom (Kläger/Beklagten) zu den Beweisthemen<br />
...<br />
II. Zum Sachverständigen wird bestimmt ... § 404 I ZPO<br />
10 III. Die Versendung der Akten an den Sachverständigen wird<br />
davon abhängig gemacht, dass der Kläger einen Auslagenvorschuss<br />
in Höhe von ... € einzahlt; hier<strong>für</strong> wird ihm eine<br />
Frist gesetzt bis zum ...<br />
§§ 402, 379 ZPO<br />
11 IV. Die Vernehmung des Zeugen ... soll im Wege der Rechtshilfe<br />
durch das Amtsgericht ... erfolgen.<br />
§ 362 ZPO<br />
12 V. Termin zur Durchführung der Beweisaufnahme und zur Fortsetzung<br />
des mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf ...<br />
§ 370 ZPO<br />
13 Ort, Datum gez. ... (Richter) streitig<br />
Schema 7.3: Inhalt des Beweisbeschlusses<br />
Anmerkungen:<br />
1 Wie jedes gerichtliche Schriftstück enthält auch der Beweisbeschluss neben der<br />
Bezeichnung des Gerichts die Geschäftsnummer (§ 4 AktO). 33<br />
33 Zurückgehend auf die Preußische Aktenordnung vom 28.11.1934 haben heute die einzelnen<br />
Bundesländer inhaltsgleiche Aktenordnungen <strong>für</strong> die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit<br />
und die Staatsanwaltschaften.
§ 7 Beweis<br />
2 Der Beweisbeschluss muss nicht als solcher bezeichnet werden, zur Klarstellung<br />
aber ist dies zu empfehlen. Anordnungen nach §§ 404 I, 402, 379, 362, 370 ZPO werden<br />
von der Überschrift »Beweisbeschluss« abgedeckt, andere Anordnungen (zB<br />
Hinweise nach § 139 ZPO) können eine andere Überschrift erforderlich machen (zB<br />
»Auflagen-, Hinweis- und Beweisbeschluss«).<br />
3 Eindeutig klargestellt werden muss, dass Beweis erhoben werden soll.<br />
beck-shop.de<br />
4 Wie in jeder gerichtlichen Entscheidung ist der Rechtsstreit zu bezeichnen. Dabei<br />
genügt ein (aus dem Nachnamen der Parteien bestehendes) Kurzrubrum.<br />
5 Der Beweisbeschluss muss das Beweisthema erkennen lassen, dh, die streitige, erhebliche<br />
Tatsache, über die Beweis erhoben werden soll (§ 359 Nr. 1 ZPO). 34 Wird<br />
über mehrere Themen Beweis erhoben, sind diese zu trennen um klarmachen zu<br />
können, zu welchem Beweisthema welches Beweismittel erhoben werden soll (unten<br />
Anm. 7).<br />
6 Der Beweisbeschluss muss auch das Beweismittel bezeichnen, mit dem der Beweis<br />
geführt werden soll (§ 359 Nr. 2 ZPO).<br />
7 Dabei ist eine Differenzierung nicht nur nach den einzelnen Beweismittelarten,<br />
sondern auch innerhalb dieser zu unterscheiden, wenn etwa mehrere Zeugen vernommen,<br />
mehrere Urkunden vorgelegt werden sollen. Die einzelnen Beweismittel<br />
sind den jeweiligen Beweisthemen eindeutig zuzuordnen.<br />
8 Schließlich muss der Beweisbeschluss auch den Beweisführer ausweisen, dh, die<br />
Partei, die sich auf das Beweismittel berufen hat. Dies kann erfolgen durch Zuordnung<br />
des Beweismittels zu einer Partei (»vom Kläger benannt«) oder durch Zuordnung<br />
des Beweisthemas (»die Behauptung des Klägers«). 35<br />
9 – 12 In der Praxis enthält der Beweisbeschluss darüber hinaus häufig weitere, <strong>für</strong><br />
die Beweisaufnahme bzw. die Prozessfortsetzung wichtige Anordnungen, oder er<br />
wird mit anderen Beschlüssen kombiniert.<br />
Hierzu gehören beispielsweise Angaben über die Art der Beweiserhebung (zB im Wege der<br />
Rechtshilfe, §§ 362, 363 ZPO), die Bestimmung eines Termins zur Durchführung der Beweisaufnahme<br />
(und damit in der Regel auch zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung: § 370 ZPO),<br />
die Anordnung eines Auslagenvorschusses <strong>für</strong> Zeugen oder Sachverständige (§ 379 ZPO), Auflagen<br />
an die Parteien (zB bestimmte Urkunden vorzulegen, ladungsfähige Anschriften mitzuteilen),<br />
Benennung von Sachverständigen (§ 404 ZPO), Ladungen von Prozessbeteiligten usw. Häufig ist<br />
auch eine Verbindung mit einem Hinweisbeschluss nach § 139 ZPO. 36<br />
13 Der Beweisbeschluss bedarf der Schriftform, muss also unterschrieben werden.<br />
Streitig ist allerdings, ob dies durch den Vorsitzenden bzw. den Berichterstatter oder<br />
durch den kompletten Spruchkörper zu erfolgen hat. 37<br />
34 Reinecke, Die Information des Zeugen über das Beweisthema, MDR 1990, 1061.<br />
35 Zur Fassung bei einer ausnahmsweisen Beweiserhebung von Amts wegen BGH NJW-RR 2010,<br />
1059.<br />
36 Zu Formulierungsvorschlägen Theimer/Theimer, § 2.<br />
37 Für die Notwendigkeit einer Unterschrift aller Mitglieder des Spruchkörpers OLG Düsseldorf<br />
MDR 1980, 943; aA RGZ 3, 400, wo die Unterschrift des Vorsitzenden bzw. Berichterstatters <strong>für</strong><br />
ausreichend angesehen wird.<br />
141
20<br />
21<br />
22<br />
1. Teil. Grundbegriffe<br />
Der Beweisbeschluss kann nachträglich abgeändert oder aufgehoben werden, wenn<br />
das Gericht zu der Ansicht gelangt, eine Beweisaufnahme sei nicht (mehr) erforderlich.<br />
Nach einer mündlichen Verhandlung ist dies ohne weiteres möglich, 38 ohne<br />
erneute Verhandlung lediglich in den Grenzen des § 360 ZPO.<br />
b) Beweisgrundsätze<br />
Für die Beweisaufnahme gilt eine Reihe von Grundsätzen (zu weiteren Beweisgrundsätzen<br />
� Rn. 44 f.):<br />
(1) Soweit die Beweisaufnahme Teil der mündlichen Verhandlung ist, erfolgt sie<br />
grundsätzlich öffentlich (§ 370 I ZPO, § 169 GVG). Möglich ist auch, dass Teile der<br />
Beweisaufnahme unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.<br />
142<br />
beck-shop.de<br />
Beispiele: Ausschluss der Öffentlichkeit nach §§ 170–172 GVG; Beweisaufnahme außerhalb des<br />
Gerichtsgebäudes (§ 219 ZPO); Ortstermin des Sachverständigen; Beweisaufnahme vor dem beauftragten<br />
oder ersuchten Richter (§§ 361, 362 ZPO).<br />
(2) Der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit gibt den Parteien das Recht (nicht die<br />
Pflicht: § 367 ZPO), an allen diesen Verhandlungsabschnitten (auch den nicht allgemein-öffentlichen)<br />
teilzunehmen (§ 357 ZPO).<br />
Nicht möglich ist ein beweisrechtliches Geheimverfahren, dh eine Beweisaufnahme, an der das<br />
Gericht oder der Gegner nicht beteiligt sind, selbst wenn dies zum Schutz von Betriebs- oder sonstigen<br />
Geheimnissen erforderlich scheint. Der Partei, die ihr Geheimnis schützen will, bleibt nur die<br />
Wahl, ob sie (wegen Beweisfälligkeit) den Prozess oder (wegen Offenlegung) ihr Geheimnis verlieren<br />
will. 39<br />
(3) Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 I ZPO) ist ein<br />
Unterfall des allgemeinen Grundsatzes der Unmittelbarkeit (� § 1 Rn. 38) und verlangt<br />
rein formell, dass sich die zur Entscheidung berufenen Richter einen persönlichen<br />
Eindruck vom Ergebnis der Beweisaufnahme verschaffen müssen.<br />
Eine Ausnahme hiervon ist die Möglichkeit der Beweisaufnahme durch den ersuchten oder beauftragten<br />
Richter, doch darf die Entscheidung dann nur auf solche Umstände gestützt werden, die aus<br />
dem Protokoll hervorgehen. Unzulässig ist es daher zB, eine Entscheidung auf die Glaubwürdigkeit<br />
eines im Wege der Rechtshilfe vernommenen Zeugen zu stützen. 40<br />
Einen Grundsatz materieller Unmittelbarkeit kennt die ZPO dagegen nicht, sodass<br />
auch mittelbare Beweise erhoben und verwertet werden können, soweit die Parteien<br />
diese – und nicht die unmittelbaren – anbieten (� § 1 Rn. 38). 41<br />
38 Erforderlich ist lediglich die Gewährung rechtlichen Gehörs: OLG Köln NJW-RR 1992, 719;<br />
Mertens, Förmlicher Beweisbeschluss – Abänderbarkeit ohne erneute mündliche Verhandlung,<br />
MDR 2001, 666.<br />
39 BVerfG NJW 2000, 1175; BGH NJW 1992, 1817; OLG Köln NJW-RR 1996, 1277; Kürschner,<br />
Parteiöffentlichkeit vor Geheimnisschutz im Zivilprozess, NJW 1992, 1804; Prütting/Weth, Geheimnisschutz<br />
im Prozessrecht, NJW 1993, 576; Völzmann-Stickelbrock, Unmittelbarkeit der<br />
Beweisaufnahme und Parteiöffentlichkeit, ZZP 118 (2005), 359. zu Grenzen bei medizinischen<br />
Untersuchungen OLG Frankfurt MDR 2010, 652.<br />
40 BGH NJW-RR 2011, 568; BGH NJW 2000, 2024; 1997, 1586; BGH NJW-RR 1997, 152; BGH<br />
NJW 1996, 983; 1991, 1302 mit Glosse Büttner, FamRZ 1992, 394 und Anm. Pantle, NJW 1991,<br />
1279; Völzmann-Stickelbrock, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Parteiöffentlichkeit,<br />
ZZP 118 (2005), 359.<br />
41 BVerfG NJW 1994, 2347; BGHZ 168, 79; Weth, Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme,<br />
JuS 1991, 34 mwN.
§ 7 Beweis<br />
Beispiele: So können auf Antrag der Parteien Zeugen vom Hörensagen vernommen oder anstelle<br />
der Vernehmung von Zeugen die Protokolle früherer Aussagen im Wege des Urkundenbeweises<br />
verwertet werden. Allerdings muss dann dem geringeren Beweiswert durch besonders sorgfältige<br />
Beweiswürdigung und Begründung Rechnung getragen werden. 42<br />
Beantragt eine Partei die Erhebung des unmittelbaren Beweises, so muss diesem Antrag entsprochen<br />
werden. Dies gilt auch <strong>für</strong> eine beantragte Augenscheinseinnahme einer Örtlichkeit, die nicht<br />
zugunsten einer Inaugenscheinnahme von Skizzen oder Lichtbildern unterbleiben darf. 43 Ein<br />
Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit liegt auch vor, wenn das Gericht auf die Glaubwürdigkeit<br />
eines Zeugen abstellt, obwohl dieser im Wege der Rechtshilfe vernommen wurde und<br />
kein an der Entscheidung mitwirkender Richter an der Beweisaufnahme teilgenommen hat. 44<br />
(4) Nach dem Grundsatz des Strengbeweises ist die Beweisaufnahme weitgehend<br />
typisiert und beschränkt. Beweis kann nur in dem in der ZPO vorgeschriebenen<br />
Verfahren und mit den dort vorgesehenen Beweismitteln (= numerus clausus) geführt<br />
werden. In Betracht kommen nur die aus Schema 7.4 folgenden Beweismittel.<br />
Zeuge<br />
Beweismittel<br />
Parteivernehmung<br />
Sachverständiger<br />
Augenschein<br />
Urkunde<br />
Geregelt in §§ 394 ff. ZPO §§ 445 ff. ZPO §§ 407 ff. ZPO §§ 373 ff. ZPO §§ 425 ff. ZPO<br />
Beweiserhebung<br />
durch Vernehmung einer natürlichen Person, sinnliche<br />
über<br />
c) Beweismittel<br />
die nicht<br />
Partei ist,<br />
die Partei ist,<br />
eigene Wahrnehmung<br />
vergangener Tatsachen.<br />
beck-shop.de<br />
die nicht<br />
Partei ist<br />
und über<br />
besondere<br />
Sachkunde<br />
verfügt<br />
Tatsachenfeststellung<br />
oder<br />
-bewertung.<br />
Wahrnehmung<br />
(Sehen, Hören,<br />
Riechen,<br />
Schmecken,<br />
Fühlen)<br />
Person,<br />
Sache oder<br />
Zustand.<br />
Lesen<br />
schriftlich<br />
verkörperte<br />
Gedankenerklärung.<br />
Schema 7.4: Beweismittel<br />
(1) Zeuge kann jede natürliche Person sein, die eigene Wahrnehmungen vergangener<br />
Tatsachen bekunden soll. 45 Abzugrenzen ist der Zeuge von den anderen zu Beweiszwecken<br />
anhörbaren Personen, den Sachverständigen und den Parteien.<br />
� Der Sachverständige ist – da er nicht eigene Wahrnehmungen wiedergibt, sondern<br />
auf Grund seiner Sachkunde Schlussfolgerungen zieht – gegen jeden anderen<br />
Sachverständigen mit gleicher Sachkunde austauschbar. Er wird, anders als ein<br />
42 BGH NJW 2000, 1420; 1993, 2881; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 638; Huber, Urkundenbeweis<br />
statt Zeugenvernehmung und Beweisantritt, Jus 2003, 907.<br />
43 BGH NJW 1995, 2856; 1992, 2019; OLG Frankfurt OLG-Report 1992, 178; Zöller/Greger, § 355<br />
Rn. 4 mwN.<br />
44 OLG Düsseldorf OLGZ 91, 373.<br />
45 Musielak/Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, 1984, Rn. 59 ff.; Thomas/Putzo/Reichold,<br />
Vorbem § 373 Rn. 1.<br />
143<br />
23<br />
24
25<br />
1. Teil. Grundbegriffe<br />
144<br />
beck-shop.de<br />
Zeuge, nicht von den Parteien benannt, sondern vom Gericht ausgesucht<br />
(§ 404 ZPO) und kann von den Parteien abgelehnt werden (§ 406 ZPO).<br />
Eine Mischform stellt insoweit der sog sachverständige Zeuge nach § 414 ZPO dar. Dieser ist<br />
nicht beliebig austauschbar, weil er in einer einmaligen, nicht wiederholbaren Situation auf Grund<br />
seiner besonderen Sachkunde eigene Wahrnehmungen gemacht hat, so zB der Arzt an der Unfallstelle,<br />
der später über die Verletzungen befragt wird. 46<br />
� Im Wege der Parteivernehmung sind natürliche Personen zu vernehmen, die Partei<br />
oder gesetzlicher Vertreter der Partei sind. 47<br />
Schwierigkeiten können hier auftreten bei den Vertretungsverhältnissen und den neben den Parteien<br />
am Prozess beteiligten Personen. So kann der Prozessbevollmächtige einer Partei als Zeuge<br />
vernommen werden, auch ohne dass er sein Mandat niederlegen oder sich während der Vernehmung<br />
von einem anderen Rechtsanwalt vertreten lassen müsste. 48 Bei den Gesellschaftern von<br />
OHG und KG sind die vertretungsberechtigten Gesellschafter Partei, die nicht vertretungsberechtigten<br />
Gesellschafter Zeugen. 49 Der Streithelfer (Nebenintervenient, § 67 ZPO) ist immer Zeuge, 50<br />
der Streitgenosse (§ 61 ZPO) kann – je nachdem, ob auch sein eigenes Prozessrechtsverhältnis betroffen<br />
wird – entweder Zeuge oder Partei sein (� § 16 Rn. 8).<br />
Ausnahmsweise kann eine Partei als Zeuge vernommen werden, wenn sie selbst prozessunfähig<br />
ist und als Partei nicht sie selbst, sondern ihr gesetzlicher Vertreter zu vernehmen wäre<br />
(§ 455 ZPO).<br />
Die Eigenschaft als Zeuge oder Partei kann sich während des Prozesses ändern.<br />
Beispielsfall: Scheidet der vertretungsberechtigte Komplementär einer OHG während des Verfahrens<br />
aus der Gesellschaft aus, so kann er danach als Zeuge vernommen werden. Erfolgte die Vernehmung<br />
einer Person zunächst als Zeuge und wird diese (zB im Wege der Klageerweiterung)<br />
danach Partei, so ist dies im Wege der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. 51<br />
Zeugnisfähig sind – unabhängig vom Alter – Personen, die Wahrnehmungen machen,<br />
diese in Erinnerung behalten und (ggf. auf ihm verständliche Befragung) wiederzugeben.<br />
Zeugen obliegt die Pflicht, sich auf die Aussage durch Nachforschungen vorzubereiten<br />
(§ 378 ZPO), zum Termin zu erscheinen (§ 380 ZPO), vollständig und wahrheitsgemäß<br />
auszusagen (§§ 390, 395 ZPO) und auf Verlangen den Eid zu leisten (§§ 390,<br />
391 ZPO). 52<br />
Von diesen Pflichten gibt es Ausnahmen: Nicht erscheinen müssen der Bundespräsident, Minister<br />
und Abgeordnete (§§ 375 II, 382 ZPO), nicht aussagen müssen nahe Angehörige und Vertreter bestimmter<br />
Berufe, soweit ihnen ein Aussageverweigerungsrecht zusteht (§§ 383 ff. ZPO), 53 keinen Eid<br />
leisten müssen Jugendliche unter 16 Jahren (§ 393 ZPO).<br />
46 Zur Abgrenzung zum reinen Sachverständigen BVerwG NJW 1986, 2268; OVG NW NVwZ-RR<br />
2008, 214.<br />
47 So zB der Bürgermeister einer Stadt: BGH LM § 374 Nr. 1 oder der Geschäftsführer einer GmbH:<br />
Schmitz, Die Vernehmung des GmbH-Geschäftsführers im Zivilprozeß, GmbHR 2000, 1140.<br />
48 Baumbach/Hartmann, Übers § 373 Rn. 21.<br />
49 Str., Nachweise bei Thomas/Putzo/Reichold, Vorbem § 373 Rn. 7.<br />
50 Zöller/Vollkommer, § 67 Rn. 1; anders der streitgenössische Nebenintervenient nach § 69 ZPO.<br />
51 BGH NJW 1965, 2254; RGZ 49, 425.<br />
52 Schneider, Haftung <strong>für</strong> falsche Zeugenaussagen, ZAP (2008) Fach 13, 1511; Stackmann, Nichterscheinen<br />
von Zeugen, JuS 2008, 974.<br />
53 Zu sonstigen Aussageverweigerungsrechten Kretschmer, Das Bankgeheimnis in der deutschen<br />
Rechtsordnung, wistra 2009, 180; Prütting/Gehrlein/Trautwein, § 383 Rn. 20.
Ablauf der Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung)<br />
Ausnahmefall Prüfungsschritte Regelfall<br />
Norm<br />
Verhängung von<br />
Ordnungsmitteln<br />
Prüfung Zeugnisverweigerungsrecht<br />
ggf. in Zwischenstreit<br />
Eidesbelehrung<br />
Beeidigung<br />
nein<br />
nein<br />
ja<br />
beck-shop.de<br />
Ist der Zeuge erschienen?<br />
ja<br />
Belehrung (aller) erschienenen Zeugen<br />
Andere Zeugen verlassen den Saal<br />
Vernehmung zur Person<br />
Ggf. besondere Belehrung<br />
§ 7 Beweis<br />
Verstöße gegen diese Pflichten sind sanktioniert: Erscheint ein Zeuge unentschuldigt nicht, so sind<br />
ihm die Kosten des Ausbleibens sowie ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, 54 aufzuerlegen,<br />
im Wiederholungsfall kann seine Zwangsvorführung angeordnet werden (§ 380 ZPO). Nur bei rechtzeitiger<br />
genügender Entschuldigung können diese Maßnahmen nachträglich wieder aufgehoben<br />
werden (§ 381 ZPO). Ein Verstoß gegen die übrigen Pflichten führt nach §§ 378 II, 390 ZPO, soweit<br />
er ohne Angabe von Gründen erfolgt, zur Verhängung von Ordnungsmitteln, soweit er begründet<br />
wird, zu einem Zwischenstreit zwischen dem Zeugen und dem Beweisführer (§ 387 ZPO), in dem<br />
über die Berechtigung der Verweigerung zu entscheiden ist.<br />
Einen Überblick über den Ablauf der Zeugenvernehmung 55 gibt Schema 7.5.<br />
Ist der Zeuge zur Aussage bereit?<br />
ja<br />
Vernehmung zur Sache<br />
• Schilderung im Zusammenhang<br />
• Befragung durch<br />
-Vorsitzenden<br />
- Übrige Richter<br />
- Prozessbevollmächtigten Beweisführer<br />
- Prozessbevollmächtigten Beweisgegner<br />
- Beweisführer<br />
- Beweisgegner<br />
Protokollierung der Aussage durch den Vorsitzenden<br />
Genehmigung des Protokolls durch den Zeugen<br />
Beeidigung des Zeugen erforderlich?<br />
nein<br />
Entschädigung und Entlassung des Zeugen<br />
§160 I Nr. 4 ZPO<br />
§§ 380 f. ZPO<br />
§395 I ZPO<br />
§394 I ZPO<br />
§395 II ZPO<br />
§383 II ZPO<br />
§387 ZPO<br />
§396 I ZPO<br />
§396 II ZPO<br />
§396 II ZPO<br />
§ 396 III ZPO<br />
§397 II ZPO<br />
§397 II ZPO<br />
§397 II ZPO<br />
§397 II ZPO<br />
§ 160 III Nr. 4 ZPO<br />
§162 ZPO<br />
§§ 391 ff. ZPO<br />
§§ 480 ff. ZPO<br />
§401 ZPO<br />
Schema 7.5: Ablauf der Beweisaufnahme – Zeugenvernehmung –<br />
54 Höhe nach Art 5 ff. EGStGB: 2,50 bis 500,– €, Haft von 1 Tag bis zu 6 Wochen.<br />
55 Dazu auch Kassebohm, Zeugen richtig befragen, NJW 2009, 200; Oexmann, Zeugenvernehmung<br />
und Fortsetzung der mündlichen Verhandlung durch den Referendar nach § 10 GVG, JuS 1976, 36.<br />
145<br />
26
27<br />
28<br />
29<br />
1. Teil. Grundbegriffe<br />
(2) Natürliche Personen, die Partei oder gesetzlicher Vertreter der Partei sind, werden<br />
zu Beweiszwecken im Wege der Parteivernehmung vernommen (§§ 445 ff. ZPO).<br />
Um diese auch äußerlich von der (der Aufklärung nach § 139 ZPO dienenden) informellen<br />
Parteianhörung zu unterscheiden, 56 bedarf sie stets der förmlichen Anordnung<br />
durch Beweisbeschluss (§ 450 I ZPO).<br />
In Anbetracht des eigenen Interesses der Partei am Ausgang des Rechtsstreits und der<br />
daraus resultierenden Interessenkollision ist im Rahmen der Parteivernehmung nur<br />
selten eine vom bisherigen Parteivortrag abweichende Aussage zu erreichen, sodass es<br />
sich hier um das schlechteste Beweismittel überhaupt handelt. Aus diesem Grund ist<br />
die Parteivernehmung häufig unzulässig (so nach § 445 II ZPO, wenn das Gegenteil<br />
der zu beweisenden Tatsache bereits feststeht, nach § 592 ZPO im Urkundenprozess<br />
<strong>für</strong> die anspruchsbegründenden Tatsachen oder nach § 581 II ZPO im Wiederaufnahmeverfahren).<br />
Immer ist sie nur als ultima ratio in den Fällen statthaft, in denen<br />
Beweis mit anderen Beweismitteln nicht (mehr) geführt werden kann.<br />
Um wenigstens ein Mindestmaß an Beweiswert sicherzustellen, wird im Wege der<br />
Parteivernehmung grundsätzlich nur der Gegner des Beweisführers vernommen<br />
(§ 445 ZPO). Verweigert dieser die Aussage oder den Eid, so ist das Gericht im Rahmen<br />
der Beweiswürdigung frei, inwieweit es die Behauptungen des Gegners schon<br />
hierdurch als erwiesen ansehen will (§ 446 ZPO).<br />
Eine Vernehmung der beweisbelasteten Partei selbst kommt nur ausnahmsweise in<br />
Betracht<br />
� nach § 447 ZPO, wenn der Gegner hierin einwilligt;<br />
� nach § 448 ZPO auch ohne eine solche Zustimmung von Amts wegen, wenn vorher<br />
schon ein Anfangsbeweis geführt wurde und damit <strong>für</strong> die zu beweisende Tatsache<br />
zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die zum Beweis erforderliche<br />
Überzeugung des Gerichts aber noch nicht erreicht ist. 57<br />
� zur Wahrung der Waffengleichheit der Parteien, wenn dem Gegner aus einer zufälligen<br />
tatsächlichen Konstellation ein »in seinem Lager stehender« Zeuge zur Verfügung<br />
steht, der beweisbelasteten Partei aber nicht.<br />
146<br />
beck-shop.de<br />
Dies kommt bspw. in Betracht, wenn bei einem Verkehrsunfall in einem Fahrzeug ein Beifahrer<br />
war, im anderen nicht, oder wenn Vertragsverhandlungen auf der einen Seite durch die Partei,<br />
auf der anderen Seite durch einen Vertreter geführt wurden (»4-Augen-Gespräch«). 58<br />
(3) Der Sachverständige soll die Sachkunde des Gerichts um seine Spezialkenntnisse<br />
erweitern, er wird damit als Hilfsorgan des Gerichts im Prozess tätig (oben Schema<br />
3.7). 59 Er kann eingesetzt werden, wenn es um die Feststellung von Tatsachen (sog<br />
56 BGH WM 1987, 1562; Lange, Parteianhörung und Parteivernehmung, NJW 2002, 476; Noethen,<br />
Parteivernehmung oder Parteianhörung, NJW 2008, 334; Schöpflin, Die Parteianhörung als Beweismittel,<br />
NJW 1996, 2134; Terbille, Parteianhörung und Parteivernehmung im Rechtsstreit um<br />
die Leistungspflicht des Versicherers aus Diebstahlsversicherungsverträgen, VersR 1996, 408.<br />
57 BAG NJW 2002, 2196; BGH NJW 1999, 363; Burkhard Schmidt, Die Begründung der Ablehnung<br />
einer Parteivernehmung nach § 448 ZPO, MDR 1992, 637.<br />
58 EuGH NJW 1995, 1413; BGH NJW 1999, 363; BGH NJW 2002, 2247; zu weitreichend BAG<br />
NJW 2009, 1019; Bruns, Gespräche unter 4 Augen im Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess, MDR<br />
2010, 417.<br />
59 BGH NJW 2006, 3214; Franzki, Der Sachverständige Diener oder Herr des Richters?, DRiZ 1991,<br />
314.