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32 Probleme aus dem Strafrecht - Hillenkamp, Leseprobe - Vahlen

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Kl<strong>aus</strong>urprobleme - Juristische Übungsbücher<strong>32</strong> <strong>Probleme</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Strafrecht</strong>Allgemeiner TeilvonProf. Dr. Dr. h.c. Thomas <strong>Hillenkamp</strong>14., überarbeitete Auflage<strong>32</strong> <strong>Probleme</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Strafrecht</strong> – <strong>Hillenkamp</strong>schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNGThematische Gliederung:StrafgesetzbuchVerlag Franz <strong>Vahlen</strong> München 2012Verlag Franz <strong>Vahlen</strong> im Internet:www.vahlen.deISBN 978 3 8006 3962 5Inhaltsverzeichnis: <strong>32</strong> <strong>Probleme</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Strafrecht</strong> – <strong>Hillenkamp</strong>


eck-shop.de18. Problem (§ 24 StGB)1. ArgumentWird eine Tat vollendet, so ist es für deren Bewertung ohne Bedeutung, ob der Täterbestimmte Ausführungshandlungen schon zu Beginn der Tat geplant bzw. ob er allegeplanten Handlungen <strong>aus</strong>geführt hat. Entscheidend ist, dass er das nach seiner Vorstellungzur Herbeiführung des Erfolgs Ausreichende tut. Tritt der Erfolg nun (zufällig)nicht ein, kann für die Bewertung nichts anderes gelten: Beendet ist der Versuch,bei <strong>dem</strong> der Täter das Getane für <strong>aus</strong>reichend hält, unbeendet, wo das nicht so ist.Diese Beurteilung kann der Täter naturgemäß nicht bei Tatbeginn, sondern erst nachTat<strong>aus</strong>führung treffen, so dass es auf seine Vorstellung nur zu diesem späteren Zeitpunktankommen kann.2. ArgumentKann der Täter nach <strong>dem</strong> Einsatz eines erfolglosen Mittels ohne zeitliche Zäsur einneues bereitstehendes Mittel einsetzen, liegt in der Verwendung dieses Mittels auchdann, wenn der Täter zu Beginn der Tat hieran nicht gedacht hat, kein erneutesDurchstehen der kritischen Situation in erneutem Versuch, sondern nur die Festigungdes Tatentschlusses in der Fortsetzung der Tat. Hierin zwei Taten zu sehen, hieße,einen einheitlichen Lebensvorgang willkürlich <strong>aus</strong>einanderzureißen.3. ArgumentSelbst dann, wenn der Täter davon <strong>aus</strong>ging, seine erste Handlung werde sogleich zumErfolg führen, muss ihm bei einem vom geplanten Tatverlauf abweichenden Geschehender Verzicht auf sich ihm bietende weitere Mittel als Rücktrittsleistung zugutegehalten werden, weil er hierdurch trotz seiner Ausgangsvorstellung letztlich auf dieErfolgsverwirklichung verzichtet und damit seine Rechtstreue und Unfähigkeit, dieTat zu vollenden, unter Beweis stellt.4. ArgumentGegen die Einzelakts- und für die Gesamtbetrachtungslehre spricht, die <strong>dem</strong> Täter beieinem beendeten erfolgstauglichen Tötungsversuch nach § 24 I 2. Var. unbestreitbar eröffneteRücktrittsmöglichkeit zu gewähren, sie ihm aber abzusprechen, wenn er erkennt,dass zwar die vorgenommene Handlung den Erfolg noch nicht, wohl aber eineweitere ihm mögliche ihn herbeiführen kann, von deren Vornahme er freiwillig absieht.5. ArgumentNur die Gesamtbetrachtungslehre eröffnet <strong>dem</strong> Täter in kriminalpolitisch sinnvollerWeise auch nach erfolglosem Beginnen noch die Rücktrittsmöglichkeit und gewährleistetdamit als einzige Theorie den von § 24 StGB mitbezweckten Opferschutz. Wäreder Versuch nach anfänglichem Fehlschlag einem Rücktritt nicht mehr zugänglich,läge darin die Aufforderung, mit der Tatvollendung das Opfer als den belastendstenTatzeugen zu beseitigen.6. ArgumentDass die »rücktrittsfreundliche« Lösung überzeugender ist, wird bestätigt, wenn mansich als zweiten Akt einen beendeten Versuch vorstellt und der Täter das Opfer rettet(§ 24 I 2. Var. StGB); es wäre schwer nachvollziehbar, wenn man trotz dieser verdienstvollenRücktrittsleistung auf den ersten Versuch zurückgreifen, ihn als Fehlschlageinstufen und bestrafen würde.139


eck-shop.de4. Kapitel. Versuch7. ArgumentSoweit die Strafzwecklehre auf die Überflüssigkeit spezialpräventiver Einwirkungabhebt, verkennt sie, dass generelle Aussagen hierzu unmöglich sind, weil die Notwendigkeitspezialpräventiver Einflussnahme nur mit Blick auf die Täterpersönlichkeitund die Rücktrittsmotive, nicht aber abstrakt für bestimmte Rücktrittskonstellationenzu beantworten ist.C. (hier sog.) TatplantheorieEntscheidend ist die Tätervorstellung bei Beginn der Tat.a) Hat der Täter seinen Tatplan von vornherein auf einen oder ganz bestimmte Tätigkeitsaktebeschränkt, ist der Versuch nach Vornahme dieser Akte fehlgeschlagen undRücktritt <strong>aus</strong>geschlossen, auch wenn der Täter von weiteren erfolgversprechendenTätigkeitsakten Abstand nimmt.b) Hat der Täter seinen Tatplan nicht von vornherein auf einen oder bestimmte Tätigkeitsaktebeschränkt, kam es ihm auf das Mittel also von vornherein nicht an bzw.fehlte ein festumrissener Tatplan überhaupt, bleibt sein Versuch auch nach Vornahmeeinzelner fehlgeschlagener Handlungen unbeendet und Rücktritt durch bloßen Verzichtauf die Vornahme weiterer Akte möglich, solange der Täter davon <strong>aus</strong>geht, dassdie bisherigen Handlungen zur Erfolgsherbeiführung noch nicht <strong>aus</strong>reichen. Hält erdas dagegen für möglich, ist der Versuch beendet und Rücktritt nur noch durch aktiveGegensteuerung denkbar.Vertreten von:BGHSt 14, 75; die im weiteren aufgeführten z.T. vor, z.T. nach dieser Grundsatzentscheidungergangenen Urteile weichen von ihr wie untereinander bisweilen beträchtlichab, so dass man nur mit großen Vorbehalten von einer einheitlichen BGH-Rechtsprechung sprechen kann, s. dazu i.E. Ulsenheimer Grundfragen des Rücktrittsvom Versuch in Theorie und Praxis, 1976, 155 ff. und den Rückblick in der die Wendezur Gesamtbetrachtung einleitenden Entscheidung BGHSt 31, 170. BGHSt 4, 180;10, 129; 21, 216; 21, 319; 22, 176; 22, 330; 23, 356; BGH MDR 1951, 117; BGH Dall.MDR 1966, 22; 1970, 381; 1975, 541; BGH GA 1956, 89; 1966, 208; 1974, 77; BGHNJW 1980, 195; BGH Holtz MDR 1980, 628; BGH NStZ 1981, 342; 388; BGH StV1981, 54; BGH StV 1982, 70; BGH MDR Holtz 1983, 983 f.; BGH NStZ 1984, 116.Nach <strong>dem</strong> – im Ausgangspunkt konträren, nicht nach der Tätervorstellung, sondernobjektiv abgrenzenden – Konzept von Borchert/Hellmann GA 1982, 429 ff. verschiebtsich die Problematik in den Rücktrittsentschluss.1. ArgumentEs ist hier wie auch sonst beim Versuch stets auf die Vorstellung des Täters abzustellen.2. ArgumentOb mehrere rechtlich voneinander getrennte Versuchshandlungen gegeben sind unddaher die Frage des Rücktritts für jede selbstständig zu entscheiden ist oder ob eineinheitliches Geschehen anzunehmen ist, das als eine Tat insgesamt von <strong>dem</strong> sie beendendenRücktritt erfasst wird, hängt allein von der Vorstellung des Täters zu Beginnder Tat ab: Der Entschluss, eine Tat während des gesamten Geschehens fortzu-140


eck-shop.de18. Problem (§ 24 StGB)setzen – wenn auch mit Abwandlungen in der Tat<strong>aus</strong>führung –, fasst alle Handlungenzu einem unbeendeten Versuch zusammen.3. ArgumentEin noch nicht bestimmtes Wollen verrät geringere verbrecherische Energie und mussdeshalb unter erleichterten Vor<strong>aus</strong>setzungen Straffreiheit verschaffen können.4. ArgumentWer einen auf bestimmte Mittel oder Handlungen begrenzten Plan hat, erleidet einenFehlschlag, wenn der Einsatz dieser Faktoren nicht zum Erfolg führt. Das Absehenoder der Rücktritt vom Entschluss, ein sich bietendes anderes Mittel zu wählen, kannden abgeschlossenen fehlgeschlagenen Versuch nicht mehr berühren. Wem dagegendas Mittel von vornherein gleichgültig ist, <strong>dem</strong> muss der Rücktritt vom letzten möglichenTeilakt für die ganze Handlungseinheit zugute kommen.5. ArgumentRücktritt setzt die Vorstellung des Täters vor<strong>aus</strong>, den begonnenen Versuch fortsetzenzu können. Diese Vorstellung fehlt, wo nach <strong>dem</strong> Fehlschlag der eingeplanten Handlung(-en)sich eine andere Möglichkeit bietet, den Erfolg herbeizuführen. Dann istnur die Vorstellung möglich, einen gescheiterten Versuch wiederholen zu können.D. (hier sog.) StrafzwecktheorieMaßgebend ist, ob der Täter durch das Abstandnehmen von weiteren zur Tatbestandsverwirklichunggeeigneten Handlungen gezeigt hat, dass er den Weg des Verbrechensverlässt und seine Bestrafung weder <strong>aus</strong> spezial- noch <strong>aus</strong> generalpräventiven Gründengeboten ist.Vertreten von:Roxin Kriminalpolitik und <strong>Strafrecht</strong>ssystem, 1973, 38 Fn. 77; ders. Nr. 67; ders. FSHeinitz, 1972, 267 f.; ders. JuS 1981, 6 ff.; ders. JR 1986, 425 (in Roxin II § 30 Rn. 187 ff.stimmt Roxin nunmehr der Gesamtbetrachtungslehre mit einer geringfügigen Einschränkung– Rn. 195 ff. – zu); Rudolphi NStZ 1983, 362; ders. 145 f.; SK/Rudolphi§ 24 Rn. 14; der Sache nach auch Otto GA 1967, 144 ff.; weitgehend übereinstimmendBottke <strong>Strafrecht</strong>swissenschaftliche Methodik usw., 1979, 407 ff., 467 f. (Abgrenzungzu Roxin 444 ff.); Busch JuS 1993, 307; Fahrenhorst NStZ 1987, 279; s. auchWalter Der Rücktritt vom Versuch als Ausdruck des Bewährungsgedankens, 1980,111.1. ArgumentNach § 24 StGB soll der Täter straffrei bleiben, der durch seinen Rücktritt unter Beweisstellt, dass seine Bestrafung nicht notwendig ist. An dieser ratio ist die Problemlösungzu orientieren.2. ArgumentFür die Gewährung von Straffreiheit ist für den Gesetzgeber – wie die Rücktrittsmöglichkeitvom beendeten Versuch zeigt – nicht das Maß an bisher aufgewendeterkrimineller Energie entscheidend, sondern die schließliche Rückkehr in die Legalität,die sich im Abstandnehmen von der noch durchführbaren Deliktsverwirklichung141


eck-shop.de4. Kapitel. Versuchmanifestiert. Diese Konzeption liegt auch im Interesse des Opferschutzes: Dennwenn <strong>dem</strong> Täter die Schonung des Opfers keine Strafbefreiung erbrächte, führte manihn in Versuchung, den ursprünglichen Plan doch noch <strong>aus</strong>zuführen.3. ArgumentSolange der Täter mit Aussicht auf Erfolg ohne Vergrößerung seines Risikos weiterhandeln– also z.B. nach zwei Schüssen in unveränderter Situation drei weitere abgebenkann – ist das Abstandnehmen vom Weiterhandeln nach den Regeln des Verbrecherhandwerksunvernünftig und Beweis, dass die verbrecherische Energie für dieErfolgsverwirklichung nicht reicht, und zwar ganz unabhängig davon, welche Vorstellungder Täter über die Zahl der zur Erfolgsherbeiführung nötigen Einzelaktehatte.4. ArgumentWer nach misslungenen Anläufen aufhört, weil die ihm verbleibenden Mittel gegenüberden eigentlich geplanten mit einem höheren Entdeckungsrisiko belastet, anderweitigriskanter oder sehr viel weniger geeignet bzw. erfolgversprechend sind, beweistmit seiner Rückkehr in die Legalität lediglich, dass er sich den Normen derVerbrechervernunft anzupassen versteht. Er bleibt gefährlich und damit strafwürdig.5. ArgumentDie Einzelbetrachtung reißt einheitliche Vorgänge <strong>aus</strong>einander und führt zu untragbarenKonsequenzen: Sie müsste von ihrer Prämisse her den Täter, der nach neunfehlgegangenen Schüssen sein Opfer mit <strong>dem</strong> zehnten tötet, neben vollendetem wegenneunfach versuchten Mordes bestrafen.6. ArgumentDie Differenzierung der älteren BGH-Rechtsprechung war wenig sinnvoll, weil sie jenach <strong>dem</strong> gewünschten Ergebnis zu psychologischen Fiktionen oder – wie in BGHSt22, 176 – zu Umdeutungen des Sachverhalts greifen musste, um das gewünschte Ergebniszu erhalten. Auch führte sie zu <strong>dem</strong> widersinnigen Ergebnis, dass der Täter,der das Opfer verfehlt, schlechter gestellt wird als der, der sein Opfer trifft, denn nurLetzterem bliebe die Möglichkeit des Rücktritts.Beispiele:1. Im Ausgangsfall (s. zu Falllösungen auch Beulke I Rn. <strong>32</strong>3 f.; Böß JA 2012, 353) istRücktritt vom Mordversuch nach der Isolierungstheorie <strong>aus</strong>geschlossen, weil derStich mit <strong>dem</strong> Messer ein selbstständiger fehlgeschlagener Versuch ist. Da T seinenPlan von vornherein auf einen Stich beschränkt hatte, war auch nach der bisherigenTatplantheorie so zu entscheiden. Dass der BGH in vergleichbaren Konstellationenbisweilen gleichwohl zum entgegengesetzten Ergebnis gelangt ist, liegt daran, dass erden Sachverhalt, der nach den verbindlichen Feststellungen des Tatgerichts der Kategoriea) angehörte, aufgrund einer nichtexistenten Erfahrungsregel in einen Fall derKategorie b) umgewandelt hat (so z.B. in BGHSt 22, 176). Legt man die Gesamtbetrachtungslehrezugrunde, kommt es auf T’s ursprüngliche Vorstellung nicht, sondernauf die im Rücktrittszeitpunkt an. Nur wenn T den Todeseintritt in diesemZeitpunkt aufgrund des ersten Stiches für möglich gehalten hätte – was naheliegt,aber nicht unterstellt werden darf (a.A. offenbar Roxin II § 30 Rn. 193; auch die142


eck-shop.de18. Problem (§ 24 StGB)»Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nach der Lebenserfahrungnahe legen«, die BGH JR 2005, 383 <strong>aus</strong>reichen lässt, ist nicht zwingend gegeben,da O im Originalfall »ohne erhebliche körperliche Beeinträchtigung« vor T stand) –würde das bloße Absehen von weiteren Stichen für Rücktritt nicht <strong>aus</strong>reichen. Da erdas nicht tut (s. BGHSt 35, 92), ist T strafbefreiend zurückgetreten, weil weitere Messerstichenach natürlicher Betrachtung insgesamt nur eine Tötungshandlung, ersterVersuch und weiteres Zustechen also einen einheitlichen Lebensvorgang dargestellthätten. Weil T weiß, dass er mit <strong>dem</strong> weiterhin zur Hand liegenden Messer die Tatnoch vollenden könnte, ist ein Fehlschlag nicht gegeben. Auch die Strafzwecktheorievertritt dieses Ergebnis, weil T ohne erhöhtes Risiko nochmals hätte zustechen könnenund dadurch, dass er es nicht tat, seine Ungefährlichkeit (bezogen auf § 211StGB) unter Beweis stellte.2. T will die O mit einem schwer nachweisbaren Gift töten. Der Anschlag misslingt.Von einer möglichen Tötung der O mit <strong>dem</strong> zufällig neben ihr liegenden Brotmessersieht T ab, weil er das Entdeckungsrisiko für zu groß hält. – Isolierungstheorie undTatplantheorie bestrafen T wegen Mordversuchs. Nach der Gesamtbetrachtungslehremüsste T dagegen wohl Straffreiheit zugestanden werden. Die Verschiedenheitder Mittel schließt Handlungseinheit bzw. einen einheitlichen Lebensvorgang nachüberwiegender Ansicht jedenfalls nicht <strong>aus</strong>, s. BGHSt 40, 75, 77. Nach Jäger DerRücktritt vom Versuch als zurechenbare Gefährdungsumkehr, 1996, 122 ff. müsste Tallerdings das Messer schon ergriffen haben, weil eine »Gefährdungsumkehr« verlangtwird; so i.E. auch Murmann § 28 Rn. 122. Andere Vertreter dieser Lehre prämierennur die Abstandnahme von solchen Tatmitteln, die <strong>dem</strong> Täter als nicht nurobjektiv, sondern auch für ihn selbst geeignet und zumutbar erschienen sind (sog.modifizierte Gesamtbetrachtungslehre, s. z.B. Roxin II § 30 Rn. 195 ff.; NK/Zaczyk§ 24 Rn. 31). Hiernach wäre ein Rücktritt zu verneinen. Auch für die Strafzwecktheorieist dies der Fall eines nicht privilegierungswürdigen Rücktritts, weil T lediglichder Verbrechervernunft gehorcht (zum Fall s. auch Kühl JuS 1981, 195).3. T will O einen »Denkzettel« verpassen und sticht ihm ein Messer in den Leib. Dabeihält T den Tod des O ernstlich für möglich, findet sich aber damit ab. T erkennt,dass O durch den Stich nicht lebensgefährlich verletzt wurde, verzichtet aber auf weitereStiche, da er sein Ziel, das Verabreichen eines »Denkzettels«, erreicht hat (vgl.BGH GS St 39, 221). – In diesem Fall hat T sein außertatbestandliches Ziel, die Verabreichungeines Denkzettels, erreicht, den in den Eventualdolus aufgenommenenTodeserfolg dagegen nicht. Ihn zu bewirken, war ihm durch weitere Stiche möglich.Auf diese Konstellation des von einem außertatbestandlichen Ziel begleiteten doluseventualis ist der Streit nicht ohne Vorklärung der Frage übertragbar, was unter Tati.S. des § 24 StGB und ihrem Erfolg zu verstehen ist (s. dazu Linke Der Rücktrittvom Versuch bei mehreren Tatbeteiligten gemäß § 24 Absatz 2 StGB, 2010, 101 ff.).Begreift man hierunter das Verwirklichen des motivierenden Zieles – Erteilung einesDenkzettels – so hat T dieses erreicht und kann daher von einer »weiteren Ausführungder Tat« nicht mehr Abstand nehmen: Es gibt zur Erreichung des Erfolgs nichtsmehr zu tun. So gesehen fehlt es an der Rücktrittsfähigkeit dieses Versuchs (so z.B.Roxin II § 30 Rn. 47 ff.; nach Murmann Versuchsunrecht und Rücktritt, 1999, 53;ders. § 28 Rn. 1<strong>32</strong> wegen Fehlschlags), an der Aufgabe der Tat (so z.B. BGH NJW1990, 522; Herzberg JR 1991, 159 ff.; Lackner/Kühl § 24 Rn. 12; Puppe JZ 1993, 361;dies. § 21 Rn. 12 ff.; dies. ZIS 2011, 529; Rudolphi JZ 1991, 525 ff.; Schall JuS 1990,623; Seier JuS 1989, 102; Wessels/Beulke Rn. 635) oder jedenfalls an der Freiwilligkeit143


eck-shop.de4. Kapitel. Versuch(so z.B. Morgenstern JA 2011, 153; Jäger Der Rücktritt vom Versuch als zurechenbareGefährdungsumkehr, 1996, 82, 114 ff.; Streng NStZ 1993, 257; s. dazu <strong>aus</strong> handlungspsychologischerSicht Göttlicher u.a., MSchrKrim 1996, 128). Ist unter Tat undihrem Erfolg dagegen die zum Tode führende Tötungshandlung zu verstehen, hat dasbisherige Tun nicht <strong>aus</strong>gereicht, so dass T »die weitere Ausführung der Tat« dochnoch freiwillig aufgegeben haben könnte. Der Große Senat des BGH (GS St 39 230)hat so entschieden. Er versteht unter der Tat i.S. von § 24 I StGB die Tat im sachlichrechtlichenSinn, also die in den gesetzlichen Straftatbeständen umschriebene tatbestandsmäßigeHandlung und den tatbestandlichen Erfolg. Ist Letzterer noch nichteingetreten, sei eine richtigerweise nur hierauf zu beziehende Aufgabe noch möglich.Unter Zugrundelegung der Gesamtbetrachtungslehre bleibt danach auch in Fällenaußertatbestandlicher Zielerreichung ein Rücktritt möglich (so der BGH GS St 39,221; BGH StV 1996, 86; BGH NStZ 2009, 86; BGH NStZ-RR 2010, 372 (mit Anm.Brüning ZJS 2011, 95); zust. Bott/Krell ZJS 2010, 698; Bülte ZStW 122, 2010, 573;Hauf MDR 1993, 929; ders. JuS 1995, 524, 526; ders. JA 1995, 776; Hilgendorf 102 f.;Krell Jura 2012, 154; Nieh<strong>aus</strong> ZJS 2010, 398; Otto/Bosch 148; Pahlke GA 1995, 72;Satzger JK 11, StGB § 253/14; Schmidt/Priebe 220 (bei unbeendetem Versuch); Wessels/BeulkeRn. 635; Entsprechendes soll nach BGH NStZ 2008, 276 gelten, wenn derüber die zu beurteilende »Tat« hin<strong>aus</strong>gehende Tatplan nicht mehr zu verwirklichenund ein Weiterhandeln daher an sich »sinnlos« ist; s. dazu Heintschel-Heinegg JA2008, 545.), freilich nur, wo die Fortsetzung nicht eine auf neuemTatentschluss beruhendeVersuchstat, sondern mit <strong>dem</strong> bereits Vollbrachten ein einheitlicher Lebensvorgangwäre (s. BGH NStZ 1994, 493; Otto JK 95, StGB § 24/22). Nach der Isolierungstheoriescheidet dagegen – da T den Erfolg in beiderlei Sinn schon mit <strong>dem</strong>ersten Stich für verwirklichbar hielt – ein Rücktritt <strong>aus</strong>. Da ein »vernünftiger« Verbrechernicht mehr riskiert als zur Zielerreichung erforderlich, liegt auch für dieStrafzwecktheorie kein honorierungswürdiges Verdienst vor (s. Roxin JR 1986, 426und zum »Denkzettel«-Fall ders. JZ 1993, 896, wo die Problematik am Merkmal der»Aufgabe« festgemacht wird; SK/Rudolphi § 24 Rn. 14a; auch Kühl § 16 Rn. 38 f.sieht hier keine »honorierungsfähige Umkehrleistung«).144


eck-shop.de5. Kapitel. Täterschaft und Teilnahme19. Problem (§§ 25 ff. StGB)Wann liegt Täterschaft, wann Teilnahme im engeren Sinne vor?Beispiel: 19. Problem (§§ 25 ff. StGB)A will ihr neugeborenes Kind töten. Da sie nach der Entbindung zu schwach ist, bittetsie ihre Schwester T, die Tat <strong>aus</strong>zuführen. T, die am Tode des Kindes kein eigenesInteresse hat, ertränkt das Kind ihrer Schwester zuliebe in der Badewanne (vgl. RGSt74, 84). Wie hat sich T strafbar gemacht?Ausgangspunkt:Die Lösung des Falles scheint einfach zu sein. Nach § 25 I StGB wird als Täter bestraft,wer die Straftat selbst begeht, nach § 26 StGB als Anstifter, wer den Täter zudessen Tat bestimmt. Die danach scheinbar eindeutige Zuordnung: T ist Täterin desTötungsdeliktes, A Anstifterin hierzu, gerät freilich schnell in Zweifel, wenn man dieInteressenlage miteinbezieht: A ist Initiatorin, weil ihr allein die Tötung wichtig ist; Tist altruistische, gefällige »Gehilfin«. Sieht man es so, könnte man die Zuordnungumkehren: Zentrale Täterfigur ist A, T nur der Beihilfe schuldig. Welche Sicht richtig(und mit <strong>dem</strong> heute gültigen Gesetzestext vereinbar) ist, ist Gegenstand des Streitesum die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme.A. (hier sog.) Formal-objektive TheorieTäter ist, wer die im Tatbestand beschriebene Handlung ganz oder teilweise selbstvornimmt; alle anderen Beteiligten kommen nur als Anstifter oder Gehilfe in Betracht.Vertreten von:Beling Die Lehre vom Verbrechen (1906), 408 ff.; zu Dohna Aufbau der Verbrechenslehre,4. Aufl. 1950, 59 f.; R. v. Hippel Dt. <strong>Strafrecht</strong> II, 1930, 453 ff.; v. Liszt/Eb.Schmidt Lehrbuch I, 19<strong>32</strong>, 334 ff.; Mezger <strong>Strafrecht</strong>, 2. Aufl. 1933, 444; Wegner<strong>Strafrecht</strong> AT, 1951, 249 ff. Diese Theorie war in den 30er Jahren herrschend, wirdheute aber von niemand mehr vertreten; da sie deshalb aber nicht unvertretbar ist undim Kern einen unbestreitbar richtigen Ausgangspunkt enthält, wird sie hier noch mitaufgeführt;Ansätze zur Wiederbelebung unter »materialer Bestimmung des täterschaftlichentatbestandsmäßigen Verhaltens« finden sich bei Freund § 10 Rn. 35 ff.,45–47, 51.1. ArgumentDer Gesetzgeber hat mit der Tatbestandsbeschreibung des einzelnen Delikts in ersterLinie denjenigen erfasst und als Täter bezeichnet, der die beschriebene Handlungselbst <strong>aus</strong>führt. Wer dies nicht wenigstens teilweise tut, entspricht nicht <strong>dem</strong> gesetzgeberischenLeitbild der Täterschaft.145


eck-shop.de5. Kapitel. Täterschaft und Teilnahme2. ArgumentDie Abgrenzung der formal-objektiven Theorie knüpft an klare, gesetzlich fixierteKriterien und vermeidet damit jede in Rechtsunsicherheit führende, <strong>aus</strong>schließlichwertende Betrachtungsweise, wie sie die subjektive Theorie erfordert.3. ArgumentAuch die formal-objektive Theorie vermag die mittelbare Täterschaft zu erklären,weil sich nach natürlichem Sprachgebrauch auch von <strong>dem</strong>jenigen, der sich eines anderenals Werkzeug bedient, sagen lässt, er selbst habe getötet, weggenommen etc.B. (hier sog.) Tatherrschafts-(materiell-objektive) TheorieFür die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist (bei den meisten Delikten,s. Roxin II § 25 Rn. 13; Sch/Sch/Heine Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 70) die Tatherrschaftentscheidend: Täter ist, wer die Tat beherrscht, sie nach seinem Willen hemmenoder ablaufen lassen kann und deshalb die Zentralgestalt des konkreten Handlungsgeschehensist, Teilnehmer, wem die Tatherrschaft als Randfigur des Geschehensfehlt.Vertreten von:AnwK/Waßmer Vor §§ 25 ff. Rn. 22; Amelung/Boch JuS 2000, 262; Berkl JA 2006,282; Beulke I Rn. 159; ders. II Rn. 20; ders. III Rn. 285; Bloy Die Beteiligungsform alsZurechnungstypus, 1985, 313 ff.; Bock JA 2007, 599; Bockelmann/Volk 175 ff.; BottkeTäterschaft und Gestaltungsherrschaft, 1992, 35 ff.; ders. in: B<strong>aus</strong>teine des europäischen<strong>Strafrecht</strong>s, 1995, 235 ff.; Brunhöber JuS 2011, 234; Ebert 190; Ernst ZJS 2011,386; Eschenbach Jura 1992, 640; Eser II 37 A 14 ff.; Geilen 190; Gössel 137 f.; Gropp§ 10 Rn. 34 ff.; Haft 199; Hauf 77; Hecker JuS 2010, 739; Heinrich II Rn. 1206; v.Heintschel-Heinegg Rn. 99 ff.; ders./Kudlich § 25 Rn. 15; Herzberg 8; Hilgendorf I163; HK-GS/Ingelfinger § 25 Rn. 7; Höge Der graduelle Tatbestandsirrtum, 2011, 36;Hoffmann-Holland Rn. 474; Jäger Rn. 227; Jakobs 21/35 f.; Jescheck/Weigend § 61 V;Joecks § 25 Rn. 6; Kauerhof Jura 2005, 793; Kindhäuser/Schumann/Lubig 143; Kohlr<strong>aus</strong>ch/LangeBem. I, 1, 4 Vor § 47; Kretschmer Jura 2003, 535; Krey/Esser Rn. 844;Kudlich JuS 2003, 756 f.; Kühl § 20 Rn. 25 ff.; Küpper GA 1986, 441 ff.; Küpper/Wilms ZRP 1992, 94; Lackner/Kühl Vor. § 25 Rn. 6; LK/Roxin 11. Aufl. 1992, § 25Rn. 30 ff.; LK/Schünemann 12. Aufl. 2007, § 25 Rn. <strong>32</strong> ff.; Maier MDR 1986, 359 f.;Marxen 159; Maurach §§ 47 III B 2, 48 I A 2, 49 II C; Maurach/Gössel/Zipf § 47Rn. 84 ff.; Mosenheuer Unterlassen und Beteiligung, 2009, 91 f.; MüKo/Joecks § 25Rn. <strong>32</strong> ff.; Murmann § 28 Rn. 9; Noltenius Kriterien der Abgrenzung von Anstiftungund mittelbarer Täterschaft, 2003, 203 ff., 238 ff., <strong>32</strong>3 ff.; dies. JuS 2006, 991; Otto§ 21 Rn. 22 ff.; ders. Jura 1987, 248; ders./Bosch 151; Preisendanz § 25 Vor. 2b, bb;Prüßner Die von mehreren versuchte Tat, 2004, 33 für die mittelbare Täterschaft;Raschke JuS 2011, 282; Rengier § 41 Rn. 10; ders. JuS 2010, 282; Roxin II § 25Rn. 10 ff.; ders. Täterschaft und Tatherrschaft, 1963; ders. Nrn. 75, 76; ders. StV 1986,385; ders. FS BGH Bd. IV, 2000, 177; ders. FS Grünwald, 1999, 549; Rudolphi 81 f.,104; ders. FS Bockelmann, 1979, 369; Safferling JuS 2005, 139; Satzger JK 1/12, StGB§ 25 II/18; Sch/Sch/Heine Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 71; Schroth JZ 2003, 215; SchünemannGA 1986, 331; SSW/Murmann Vor §§ 25 ff. Rn. 3 ff.; Sowada Jura 2003, 557;Stratenwerth/Kuhlen § 12 Rn. 15 ff.; Wagemann Jura 2006, 870; Welzel § 15; Wessels/Beulke Rn. 512 ff.; Wiegmann JuS 1993, 1005 f.; Zieschang Rn. 656; nahest.: BGHSt146

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