111 Jahre Bergrohr
111 Jahre Bergrohr
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<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bergrohr</strong><br />
Ein Stück Stahlrohrgeschichte<br />
Barbara Heitschötter und Heinrich Ulrich Seidel
2 | <strong>Bergrohr</strong>
Inhalt<br />
Vorwort Seite 5<br />
<strong>Bergrohr</strong> – <strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> jung und startbereit in die Zukunft Seite 6<br />
Ein Jubiläumsfest der besonderen Art Seite 9<br />
Die große technische Erneuerung: das Rohrtransportsystem Seite 13<br />
Neue Perspektiven: das BERG-LAY ® -Konzept Seite 15<br />
Anfangsjahre Seite 18<br />
Info: Rohrgeschichte Seite 20<br />
Info: Halbachhammer Seite 25<br />
Blechverarbeitung Seite 27<br />
Info: Rohrindustrie in Weidenau Seite 27<br />
Wachstumsjahre Seite 29<br />
Info: Gesellschafter in 1. und 2. Generation Seite 29<br />
Innovationen Seite 32<br />
Drei-Walzen-Biegemaschine Seite 32<br />
Einroll- und Schweißmaschine Seite 33<br />
Schweißtechnik Seite 34<br />
Korrosionsschutz Seite 35<br />
Rohre mit Kugelschweißmuffen Seite 36<br />
Blechplatten-Schweißmaschine Seite 36<br />
Info: LWDS-Rohr Seite 36<br />
Info: Verband der freien Rohrwerke Seite 37<br />
Zweiter Weltkrieg Seite 38<br />
Neuanfang 1945 Seite 41<br />
Wirtschaftswunder Seite 43<br />
Neuorientierung Seite 47<br />
Info: Arbeitszeitmodell Seite 47<br />
Übersicht Firmengelände <strong>Bergrohr</strong> GmbH Siegen Seite 50<br />
Referenzprojekte Seite 51<br />
Anhang: Seite 53<br />
Familienstammbaum Seite 54<br />
Rede Bernd Berg zum <strong>111</strong>-jährigen Jubiläum Seite 55<br />
Rede BDI-Präsident Jürgen R. Thumann zum <strong>111</strong>-jährigen Jubiläum Seite 60<br />
Impressum/Quellenverzeichnis Seite 66<br />
<strong>Bergrohr</strong> | 3
4 | <strong>Bergrohr</strong>
Vorwort<br />
<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> nach Aufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten,<br />
die zum heutigen Unternehmen <strong>Bergrohr</strong> geführt haben,<br />
schien uns ein guter Zeitpunkt zur Rückschau auf die<br />
Unternehmensgeschichte.<br />
Vier Generationen der Familie Berg haben bis heute diese<br />
Geschicke maßgeblich bestimmt. Eigenständiges unternehmerisches<br />
Handeln, geprägt von den wirtschaftlichen<br />
und politischen Einflüssen und den technologischen<br />
Mög lichkeiten der jeweiligen Zeit, hat zu manchen markanten<br />
Entwicklungen geführt. Motivierte und treue Mitarbeiter<br />
haben dazu entscheidende Beiträge geleistet.<br />
So, wie zu ähnlichen Perioden in der Vergangenheit, werden<br />
auch jetzt neueste, innovative Verfahren eingeführt,<br />
vielfach speziell nach unseren Anforderungen entwickelt<br />
und realisiert. Einige davon sind in der Fertigung von Stahlgroßrohren<br />
noch nie vorher zur Anwendung gekommen.<br />
Manche dabei eingesetzte Technologie ist erst in den letzten<br />
wenigen <strong>Jahre</strong>n überhaupt verfügbar geworden.<br />
Die Geschichte des Stahlrohres geht eng einher mit der<br />
Geschichte des Unternehmens <strong>Bergrohr</strong>. Davon erzählt<br />
dieses kleine Buch in verschiedenen Ausschnitten, eben<br />
„Ein Stück Stahlrohrgeschichte“.<br />
Nicht überraschend, hat es auch bei uns leichte und<br />
schwere Zeiten gegeben, Wachstum und Rezession, Aufbau<br />
und Niedergang. Der eiserne Wille zum Durchhalten<br />
von Familie und Mitarbeitern hat letztlich immer wieder<br />
neue Perspektiven hervorgebracht, so dass neue Wege<br />
gefunden und gegangen werden konnten.<br />
Nehmen Sie ein wenig teil an dieser Geschichte, es<br />
würde uns sehr freuen. Eines fernen Tages hoffen wir,<br />
weitere interessante Kapitel hinzufügen zu können.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Heute, im Jahr 2008, sind wir unter sehr guten wirtschaftlichen<br />
Voraussetzungen auf dem Weg, das Unternehmen<br />
mit all seinen Ressourcen von Grund auf zu erneuern<br />
und auf zukünftige Marktanforderungen auszurichten.<br />
Siegen, im März 2008<br />
1896<br />
In der Familientradition überliefertes Gründungsjahr. Erster Firmensitz war bereits an der Siegstraße in Weidenau.<br />
<strong>Bergrohr</strong> | 5
<strong>Bergrohr</strong> 2007 – <strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> jung und startbereit in die Zukunft<br />
Ursprünglich zu Hause in der Holzverarbeitung, befassen<br />
sich die Bergs nun seit fast 80 <strong>Jahre</strong>n mit der Herstellung<br />
von Stahlgroßrohren. Obwohl heute bei weitem nicht zu<br />
den Größten der Branche zu rechnen, hat das Unternehmen<br />
dabei immer wieder Phasen erlebt, in denen es<br />
Maßstäbe setzen konnte. Dies waren technologische<br />
Maßstäbe, als zum Beispiel im Jahr 1939 die weltweit<br />
erste vorgespannte 3-Walzen-Biegemaschine mit 12 m<br />
Arbeitslänge aufgebaut wurde (die Geburtsstunde der<br />
sogenannten „double random length“ für Stahlrohre),<br />
aber auch Marktmaßstäbe, als in der Mitte der 80er<br />
<strong>Jahre</strong> mit mehreren Produktionsstandorten <strong>Jahre</strong>smengen<br />
von mehr als einer Million Tonnen Stahlrohre unter<br />
dem Namen <strong>Bergrohr</strong> hergestellt und abgesetzt wurden.<br />
Nach den gravierenden Marktumwälzungen Ende der<br />
80er <strong>Jahre</strong>, insbesondere nach dem Wegfall der als<br />
Großabnehmer fungierenden russischen Märkte, ist jedoch<br />
alles anders geworden. Heute hat man sich – wahr haft<br />
zwangsweise – zurückbesonnen auf die lokalen Wurzeln<br />
des Unternehmens in Siegen-Weidenau und produziert –<br />
im Vergleich mit der Vergangenheit beinahe als bescheiden<br />
zu bezeichnende – 45.000 Tonnen Großrohre pro Jahr.<br />
Der für lange Zeit in fast jeder Hinsicht als benachteiligt<br />
bewertete Standort in Siegen – hohe Frachtkosten, weil<br />
abseits des großen Frachtumschlagszentrums Ruhrgebiet,<br />
und mangelnde räumliche Ausdehnungsmöglichkeiten zur<br />
Verbesserung der betrieblichen Leistungsfähigkeit – hatte<br />
plötzlich einen besonderen Vorzug. Er war klein genug<br />
geblieben, um mit einer gewissen Erfolgsaussicht den<br />
Versuch eines Rückzugs in Marktnischen zu unternehmen.<br />
Mit Rohrdurchmessern von 610 - 2.540 mm (24“ - 100“)<br />
und Wanddicken zwischen 6 und 40 mm (1/4“ - 1,5“) hatte<br />
das mögliche Abmessungsspektrum schon eine gewisse<br />
Attraktivität für Sonderanforderungen, doch entsprechen -<br />
de Anfragen enthielten oft jeweils nur kleine Mengen. Um<br />
hier erfolgreich zu agieren, war also Bedingung, sich mit<br />
kleinen Mengen zu begnügen, diese dennoch wirtschaftlich<br />
herzustellen und somit häufige Abmessungswechsel<br />
in der Produktion zu bewältigen. Kurzum: besonders<br />
6 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1899<br />
Eintragung ins Handelsregister am 20. Februar.<br />
Erster Exportauftrag: Ein komplettes Hammerwerk wird nach Belgien geliefert.
Stahlrohrproduktion bei <strong>Bergrohr</strong> um 1930.<br />
<strong>Bergrohr</strong> | 7
flexibel zu sein. Letztlich war der Schlüssel zum Erfolg<br />
genau diese Verbindung von Flexibilität und Produktivität<br />
in Verbindung mit kleinen Fertigungslosen. Und aus<br />
der Focusierung auf genau diese Merkmale hat sich noch<br />
eine weiterere Perspektive erschlossen, die über die<br />
Verarbeitung von besonderen Stählen – kaltzäh, warmfest,<br />
hochfest – Zugang zu neuen Marktnischen eröffnet<br />
hat, welche einem Großmengenanbieter zwangsläufig<br />
verschlossen bleiben.<br />
Nach vielen Schmerzen und nicht wenig bezahltem Lehrgeld<br />
ist es Mitte der 90er <strong>Jahre</strong> schließlich gelungen,<br />
das Umdenken vom Großmengenhersteller zum Nischenanbieter<br />
zu vollziehen. Der Erfolg hat sich unmittelbar<br />
eingestellt. Es war tatsächlich eine große Überraschung,<br />
welch wichtige und inzwischen auch sehr anerkannte<br />
Rolle das Unternehmen mit diesem Strategiewechsel im<br />
Markt übernehmen konnte.<br />
Einsatz finden die Rohre von <strong>Bergrohr</strong> nun häufig in Raffineriebauten,<br />
kleineren Öl-, Gas- und Wasserleitungen,<br />
Offshore-Plattformen, Hafenanlagen, Stadien und Brücken,<br />
und vielen anderen Konstruktionen in Europa und<br />
der ganzen Welt. Zeitweise werden mehr als 90% der<br />
Rohre nach Übersee verschifft.<br />
Manches besondere Projekt wurde <strong>Bergrohr</strong> sprichwörtlich<br />
auf den Leib geschneidert, also Kundenanforderung<br />
einerseits und Herstellmöglichkeit andererseits so aufeinander<br />
abgestimmt, dass aus der Gesamtsicht von Kunde<br />
und Hersteller ein Optimum erreicht werden konnte (so<br />
z. B. der fast 3 km lange Röhren-Gasspeicher mit 2,5 m<br />
Durchmesser in Zürich, eine 30 km lange Wasserleitung<br />
in München mit 2,2 m Durchmesser und manches mehr).<br />
Diese Nischenposition zu stärken und auszubauen ist<br />
heute die Aufgabe und das Ziel. Inzwischen ist das lähmende<br />
Platzproblem beseitigt worden, denn durch einen<br />
Hallenanbau von fast 7.000 m² Fläche auf neu erworbenem<br />
Grund konnte die Kernproduktionsfläche mehr als<br />
verdoppelt werden. Neue Schweißtechnik, neue Materialflusstechnik<br />
und ein komplett neu gestalteter Produktionsfluss<br />
heben die als Erfolgsschlüssel erkannte Verbindung<br />
von Flexibilität und Produktivität auf ein neues<br />
Niveau. Darüber hinaus steigt das handhabbare maximale<br />
Rohrstückgewicht durch das neuartige innerbetriebliche<br />
Transportsystem von 12 Tonnen zunächst auf<br />
knapp 20 Tonnen und schließlich auf 30 Tonnen an.<br />
<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> alt – und dabei jung, ja fast wie neu geboren,<br />
so steht <strong>Bergrohr</strong> heute da. Es ist wieder eine Phase angebrochen,<br />
in der, getragen von der immensen Nachfrage<br />
nach Stahlprodukten, Innovation und Ideenreichtum hinsichtlich<br />
neuer Produkte und neuer Produktionsweisen gefragt<br />
sind – und die Ideen auch umgesetzt werden können.<br />
Neue Produkte und neue Produktionsweisen – beides ist<br />
im Aufbau, <strong>Bergrohr</strong> ist startklar für die Zukunft.<br />
1908<br />
Teilumzug bzw. Betriebserweiterung in Dreis-Tiefenbach.<br />
8 | <strong>Bergrohr</strong>
<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> – ein Jubiläumsfest der besonderen Art<br />
35 <strong>Jahre</strong> ist es etwa her, als <strong>Bergrohr</strong> in Siegen zuletzt<br />
die Gelegenheit hatte, sich gründlich zu erneuern. Anfang<br />
der 70er <strong>Jahre</strong> wurde der Betrieb in den Zustand<br />
gebracht, den er bis vor wenigen Monaten noch hatte.<br />
Für damalige Verhältnisse sehr leistungsfähig, wurden<br />
die An lagen und Maschinen den Ansprüchen und Möglichkeiten<br />
der letzten <strong>Jahre</strong> jedoch aus Altersgründen<br />
und dem wachsenden Abstand zum technologischen<br />
Fortschritt nicht mehr im gewünschten und langfristig<br />
erforderlichen Maße gerecht. Wie schon geschildert,<br />
konnten diese Nachteile inzwischen überwunden werden.<br />
Nach einem umfassenden Investitionsprogramm von<br />
etwas mehr als 20 Mio. € kann nun in modernen, hellen<br />
Hallen mit neuen Maschinen und effizientem Materialfluss<br />
gearbeitet werden, gleichzeitig ist das Spektrum der herstellbaren<br />
Rohre gewachsen. Somit stehen dem Unternehmen<br />
nun, rein technisch gesehen, neue Märkte offen.<br />
Das alleine reicht jedoch nicht.<br />
Die interessierte Öffentlichkeit – im wesentlichen die<br />
Kunden und die Lieferanten – musste über die Veränderungen<br />
und die neuen Möglichkeiten informiert werden,<br />
um die anvisierten neuen Märkte für <strong>Bergrohr</strong> auch tatsächlich<br />
erreichbar zu machen. So bot sich an, die Freude<br />
über das <strong>111</strong>-jährige Jubiläum in idealer Weise mit der<br />
„Einweihung“ des neuen Betriebes zu verbinden.<br />
Am 24. August 2007 fanden sich 450 geladene Gäste zum<br />
großen Jubiläumsfest „<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bergrohr</strong>“ in Siegen auf<br />
dem Firmengelände ein. Das „Venue“ war eine direkt an<br />
den Neubau angrenzende alte Industriehalle, die <strong>Bergrohr</strong><br />
im Zuge der Geländeerweiterung 2004 miterworben hat,<br />
und die der Abrissbirne bis dato noch nicht zum Opfer<br />
gefallen war. Bei Kaiserwetter (und das im an sich ver-<br />
<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bergrohr</strong>: BDI-Präsident Jürgen R. Thumann mit Dr. Fritz Berg und Bernd Berg.<br />
<strong>Bergrohr</strong> | 9
10 | <strong>Bergrohr</strong> Rohrplastik von „Clapeko“ – und viele Gäste zum <strong>111</strong>-jährigen Jubiläum.
egneten Sommer 2007!) konnten sich alle ein umfassendes<br />
Bild von „<strong>Bergrohr</strong> 2007“ machen.<br />
Als offizieller Teil fand in der äußerst stimmungsvoll hergerichteten<br />
Festhalle ein von allen Besuchern übereinstim<br />
mend als herausragend beurteiltes Programm statt.<br />
Nach einem furiosen Video-Auftakt auf der Bühnenleinwand,<br />
in dem sich der Zuschauer mit rasender Geschwindigkeit,<br />
am Mond vorbeifliegend, auf die Erde zu bewegt,<br />
um schließlich genau auf dem Werksgelände von<br />
<strong>Bergrohr</strong> zu landen, ging Geschäftsführer Bernd Berg in<br />
seiner Einführungsrede auf seine sehr persönliche Sicht<br />
der Entwicklung ein, besonders unter Würdigung der<br />
Leistungen seiner Vorgänger-Generationen, ohne deren<br />
unternehmerisches Wirken die Voraussetzungen für die<br />
heutigen positiven Umstände nicht gegeben gewesen<br />
wären.<br />
Als glänzender Festredner konnte der amtierende Präsident<br />
des BDI (Bundesverband der deutschen Industrie)<br />
Jürgen R. Thumann gewonnen werden. Seiner wohltuenden<br />
Laudatio schloss er sehr kritische Anmerkungen zum<br />
Schiff „MS Deutschland“ an, die zwar nach <strong>Jahre</strong>n des<br />
Aufgrundliegens wieder etwas Fahrt aufgenommen habe,<br />
deren Kapitäne und Steuerleute sich jedoch sehr vor zu<br />
früher Wiederaufnahme von unnötigem Ballast zu hüten<br />
haben. Mit seinem abschließenden, auf die Unternehmerfamilie<br />
gemünzten Sinnspruch „Wenn man einmal Erfolg<br />
hat, kann es Zufall sein. Wenn man zweimal Erfolg hat,<br />
kann es Glück sein. Aber wenn man <strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> erfolgreich<br />
ist, so müssen es wohl Fleiß und Tüchtigkeit sein“, traf er<br />
die Herzen der Gäste.<br />
„Erinnerungen und Ausblick“, der Film zum <strong>111</strong>-jährigen<br />
Jubiläum zeigte Dr. Fritz Berg und Bernd Berg auf der<br />
Bühnenleinwand als Vertreter der lebenden 3. und 4. Generation<br />
in einem sehr zu Herzen gehenden Porträt. Während<br />
Dr. Fritz Berg sich sehr einfühlsam an Meilensteine<br />
seiner persönlichen Vergangenheit und seiner Zeit als<br />
aktiver Unternehmenslenker erinnerte, zeigte Bernd Berg<br />
in klaren Worten auf, welche Richtung das Unternehmen<br />
in den nächsten <strong>Jahre</strong>n nehmen wird.<br />
Unter temperamentvoller Moderation der Schauspielerin<br />
Beate Bohr wurde den Gästen anschließend in einer klei nen<br />
Talkrunde das Führungsteam von <strong>Bergrohr</strong> vorgestellt.<br />
Aus jedem Fachbereich (Technik: Dr. Henning Grebe,<br />
Finanzen: Marion Jakob, Produktion: Martin Sallmann,<br />
Qualitätswesen: Joachim Lengert) gab es ergänzende<br />
Informationen über das laufende Investitionsprogramm<br />
und die bevorstehenden Herausforderungen.<br />
Rohre als Kunstobjekt, auch so etwas passt genau in den<br />
Rahmen eines solchen Veranstaltungsprogramms. Eine<br />
eindrucksvolle, aus drei <strong>Bergrohr</strong>-Rohren zusammengesetzte<br />
Groß-Plastik des Künstlers Clapeko ziert seitdem<br />
die neue <strong>Bergrohr</strong>-Werkseinfahrt. Zur Einweihung wurde<br />
mit Hilfe einer Außenschaltung ein Interview mit dem<br />
1913<br />
Abbau des Halbachhammers und Zwischen lagerung in Weidenau.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |11
Künstler und Bernd Berg ebenfalls auf die Bühnenleinwand<br />
übertragen.<br />
Zum Abschluss dieses abwechslungsreichen Programms<br />
brachte eine Gruppe von weiß gekleideten Künstlern un -<br />
terschiedlicher Genres einen furiosen Show-Act zu einer<br />
Variation von Vivaldis „Vier <strong>Jahre</strong>szeiten“ auf die Bühne.<br />
Ein Cellist, zunächst auf einer Seitenbühne, umgarnt von<br />
einer zierlichen, geschmeidig sich bewegen den Ballett-<br />
Tänzerin, wird plötzlich übertönt von lauten Trommelschlägen<br />
von der gegenüberliegenden Seitenbühne. Auf<br />
der Hauptbühne tauchen nacheinander ein rhythmustretender<br />
Stepptänzer, zwei sich förmlich überschlagende<br />
Breaktänzer und schließlich zwei Gleichgewichtsakrobaten<br />
auf, die sich in langsamer, mühelos erscheinender<br />
Weise gegenseitig stützen und heben und immer mehr in<br />
ein menschliches Kunstwerk verschmelzen.<br />
der Vergleich zwischen alt und neu, denn zu diesem Zeitpunkt<br />
war der Umbau des Altbetriebs erst in Teilen vollzogen<br />
und noch viele der Eigenheiten des Altbetriebs konn ten<br />
neben dem Neubetrieb gleichzeitig begutachtet werden.<br />
Gutes Essen und Trinken bei hochsommerlichem Wetter<br />
und entspannte Gäste, es war ein Ausklang wie im Bilderbuch.<br />
Dieser Tag, sein Anlass, sein Ablauf und die nachhaltige<br />
Resonanz, war ein ganz besonderer Tag in der<br />
Geschichte von <strong>Bergrohr</strong>. Er wird in gleicher Weise vermutlich<br />
nicht wiederkehren.<br />
Mit stehendem Applaus dankte ein begeistertes Auditorium<br />
für eine gelungene Vorstellung. Den <strong>Bergrohr</strong>-Organisatoren,<br />
alle selbst eher unerfahren in der Vorbereitung derartiger<br />
Veranstaltungen, wurde es danach sehr leicht ums<br />
Herz. Sie hatten bei der Wahl der professionellen Unterstützung<br />
für die Festgestaltung einen Glücksgriff getan.<br />
Die anschließende Betriebsbesichtigung gab nun allen<br />
Gästen die Gelegenheit, sich von vielem des Gesagten<br />
persönlich zu überzeugen. Bei laufendem Betrieb war die<br />
Rohrproduktion zu erleben. Besonders eindrucksvoll war<br />
12 | <strong>Bergrohr</strong>
Die große technische Erneuerung – das Rohrtransportsystem<br />
Produktionstechnik spielt bei der Herstellung von Stahlrohren<br />
eine besondere Rolle. Fast alle Produktionsschritte<br />
erfordern aufwändige Maschinen und Anlagen, in Handarbeit<br />
kann nur sehr wenig erledigt werden. Die Wahl der<br />
spezifischen Verfahren bestimmt sich in erster Linie nach<br />
den zu bedienenden Märkten und dem dort jeweils geforderten<br />
Rohr-Abmessungsspektrum.<br />
Bezüglich der Rohrformung ist die Geschichte von <strong>Bergrohr</strong><br />
seit jeher mit dem 3-Walzen-Biegeverfahren verbunden,<br />
insbesondere seit 1939 der seinerzeit mutige Schritt<br />
zur 12 m langen Biegewalze vollzogen wurde. Auch für die<br />
nächste Zukunft wird dieses Verfahren von <strong>Bergrohr</strong> als<br />
das Verfahren der Wahl angesehen, da sich hiermit eine<br />
optimale Verbindung von Flexibilität und Produktivität<br />
erreichen lässt. Und nach intensiver Befassung mit den<br />
Prinzipien des Biegewalzens sind inzwischen sogar viel<br />
versprechende neue Ansätze zur Leistungssteigerung<br />
gefunden worden.<br />
An den grundlegenden Verfahrens prin zipien des Biegens,<br />
Schweißens, Prüfens etc. hat sich in den vergangenen<br />
30 <strong>Jahre</strong>n nur gelegentlich substantiell et was geändert.<br />
Zwar sind immer wieder Verfahrensvarianten aufgetaucht,<br />
die sich unter bestimmten Umständen vorteilhaft<br />
einsetzen lassen. Und Anlagen veralten letztlich auch dadurch,<br />
dass Nachfolgekonstruktionen bei eigent lich gleichem<br />
Verfahrensprinzip anders und nach immer neuen<br />
Gesichtspunkten aufgebaut werden. Große technische<br />
Sprünge waren in diesem Zusammenhang allerdings<br />
eher selten zu verzeichnen.<br />
Es ist eine alte Weisheit in der Stahlrohrfertigung, dass<br />
die betriebliche Leistung nur zu einem Teil auf den Maschinen<br />
und Anlagen selbst erbracht wird. Zu einem wesentlichen<br />
Teil wird sie zwischen den Maschinen und<br />
Anlagen, also im Materialfluss erzeugt. Auf die stete und<br />
zeitgerechte Versorgung der Produktionsanlagen mit<br />
neuen Rohren kommt es an. Besonders für die Anforderungen<br />
von Berg rohr, wo in ein und demselben Betrieb<br />
Rohre mit sehr unterschiedlichen Durchmessern und<br />
Stückgewichten be wegt werden müssen, ist die Thematik<br />
des innerbetrieblichen Materialflusses von sehr großer<br />
Bedeutung. Traditionelle Techniken wie Längsförder-<br />
Rollgänge und Querablaufbahnen haben unter diesen<br />
Umständen Grenzen, die sich mehr und mehr nachteilig<br />
auf die betriebliche Leistung auswirkten.<br />
Mit Hilfe einer Simulationsanalyse konnte schon 1998<br />
nachgewiesen werden, dass ein Rationalisierungseffekt<br />
in der Produktion von deutlich über 20% erreicht werden<br />
kann, wenn zuverlässigere Mittel des Materialflusses zu<br />
Verfügung stünden. Die Erkenntnis hat über die <strong>Jahre</strong> hinweg<br />
die Gemüter nicht losgelassen und diverse Lösungs-<br />
1916<br />
Gründung der Abteilung Blechverarbeitung auf dem heutigen Firmen gelände.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |13
ansätze wurden skizziert. Eine Lösung bestand in rohrtragenden<br />
Paletten, die auf ortsfesten, angetriebenen Rollen<br />
längs und quer verfahrbar, Rohre durch die Fertigung<br />
bewegen sollten. Wegen zu vieler erforderlicher Rollen<br />
jedoch wich dieser Ansatz schnell der Idee eines Wagensystems,<br />
ebenfalls längs und quer verfahrbar, diesmal<br />
aber auf wageneigenen Rädern. Diese Lösung aber warf<br />
das Problem der Energieeinspeisung in ein solch vielseitig<br />
be wegliches Fahrzeug auf. Und auch die Übermittlung<br />
von Steuerbefehlen an einen solchen Wagen war kompliziert.<br />
Die Zeit war einfach noch nicht reif.<br />
Kurz nach der Jahrtausendwende kamen neue Technologien<br />
auf den Markt, die ein Wiederaufleben der Wagenidee<br />
beflügelten. Induktive Energieübertragung aus dem Boden<br />
direkt in das Fahrzeug, ohne anfällige Schleifleiter technik<br />
war das Eine. Moderner Datenfunk, auch unter ver schärften<br />
industriellen Bedingungen einsetzbar, war das Andere.<br />
Und ein Rad-Schiene-System, das durch seine Leichtgängigkeit<br />
das Bewegen auch großer Lasten mit geringen Antriebsleistungen<br />
zu ermöglichen versprach, war das Dritte.<br />
Plötzlich schien alles möglich, und so kam es auch.<br />
Heute hat <strong>Bergrohr</strong> mit seinem modernen Transportwagen<br />
system einen großen technologischen Sprung gemacht,<br />
der die Lösung aller innerbetrieblichen Transportanforderungen<br />
abdeckt. Wie von Geisterhand gesteuert<br />
fahren selbst die schwersten Rohre beinahe lautlos von<br />
einer Fertigungsstation zur anderen, ohne von einem auf<br />
ein anderes Transportmittel übergeben werden zu müssen.<br />
Dabei sind die Wagen abwechselnd Schweißwagen, Prüfwagen,<br />
Pufferstation oder Transportmittel, alles zu seiner<br />
Zeit.<br />
Mit dieser neuen Technik glaubt <strong>Bergrohr</strong>, künftig neue<br />
Maßstäbe setzen zu können bei der Verwirklichung des<br />
Ziels der optimalen Verbindung von Flexibilität und Produktivität.<br />
14 | <strong>Bergrohr</strong> Neue Halle mit Schweißmaschinen und Transportsystem.
Neue Perspektiven: das BERG-LAY ® -Konzept<br />
Die Suche nach Verbesserungen am Rohr selber oder<br />
nach neuen Anwendungsfeldern für Stahlgroßrohre war<br />
immer eine besondere Herausforderung – auch für <strong>Bergrohr</strong>.<br />
An der grundlegenden Form eines Rohres als relativ<br />
dünnwandiger Hohlzylinder ließ sich leider nichts verbessern,<br />
mit Ausnahme vielleicht von Maßtoleranzen, die für<br />
die Weiterverarbeitung und die grundsätzliche Einsetzbarkeit<br />
von Rohren durchaus entscheidende Bedeutung<br />
haben können.<br />
Als Ansätze für Variationen bleiben also nur einerseits die<br />
Rohrgeometrie, bestimmt durch Wanddicke, Durchmesser<br />
und Länge eines Rohres, zum anderen die verarbeiteten<br />
Werkstoffe, die sich durch Eigenschaften wie zum Beispiel<br />
Festigkeit, Zähigkeit, Temperatur- oder Korrosionsbeständigkeit<br />
auszeichnen. Wo sind noch ungenutzte Potentiale<br />
n Die Erfindung der Doppelherstelllänge von 12 m durch<br />
ent sprechend große Maschinen hat <strong>Bergrohr</strong> schon<br />
1939 erledigt. Noch größere Längen werfen zunehmend<br />
Trans portprobleme beim Weg zu ihrem Verwendungsort<br />
auf und sind von daher nur in bestimmten Fällen von<br />
Interesse.<br />
n Große Durchmesser über 1.600 mm (64“) in 12 m Länge<br />
ohne die Notwendigkeit des Zusammensetzens mehrerer<br />
kurzer Rohre wurden durch die Einführung des<br />
Doppellängsnaht-Rohres (später LWDS-Rohr genannt)<br />
durch <strong>Bergrohr</strong> in den frühen 60er <strong>Jahre</strong>n möglich. Erreicht<br />
wird dies durch das Zusammensetzen von zwei<br />
Blechen im ebenen Zustand, wodurch die marktübliche<br />
Blechbreitengrenzen überwunden werden.<br />
n Höherwertige Werkstoffe, soweit biege- und schweißtechnisch<br />
ver arbeitbar, wurden nach Marktanforderung<br />
von selber zunehmend Bestandteil des Angebotsspektrums.<br />
Wirkliche neue Produkte, die wenigstens zu einem gewissen<br />
Grad mit den vorhandenen Anlagen von <strong>Bergrohr</strong> herstell<br />
bar wären, waren lange Zeit nicht in Sicht. Doch der<br />
wach sende Energiehunger der Welt und die schwieriger<br />
werdende Erschließung weiterer Öl- und Gasvorkommen<br />
wegen zunehmend korrosiver Beimengungen in diesen<br />
noch unerschlossenen Lagerstätten, stellen die Stahlrohrindustrie<br />
in diesen <strong>Jahre</strong>n vor neue Aufgabenstellungen.<br />
Extrem saure Gase, zum Beispiel mit hohen Anteilen<br />
an Schwefelwasserstoff (H 2 S) und Kohlendioxid<br />
(CO 2 ), erfordern zum Transport Rohrleitungen, die den<br />
damit einhergehenden hohen Kor rosionsbelastungen<br />
standhalten können. Heutige moderne Kohlenstoffstähle<br />
auch höchster Reinheitsgrade sind die ser Aufgabe nicht<br />
mehr ge wachsen.<br />
1928<br />
Eintritt von Dr. Erich Berg in das Unternehmen.<br />
Gesellschafter sind: Ernst Berg, Karl Berg, Heinrich August Berg und Auguste Dickel, geb. Berg, die Witwe von Friedrich Dickel.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |15
Eine schon lange erfolgreich eingesetzte Lösung besteht<br />
in der Verwendung von Edelstählen, vielfach mit hohen Nickelanteilen,<br />
die solchen Korrosionsangriffen auch langzeitig<br />
standhalten können. Wegen der stets sehr hohen<br />
Preise, zu denen solche Edel stähle zu beschaffen sind,<br />
sind Verbundwerkstoffe aus Kohlenstoffstahl und Edelstahl<br />
das Mittel der Wahl. Hierbei lässt sich in idealer<br />
Weise die mögliche hohe Festigkeit des Kohlenstoffstahls<br />
zur Erzeugung der Druck bestän digkeit des Rohres nutzen,<br />
während eine – meist sogar nur dünne – Auflageschicht<br />
aus Edelstahl den Korrosions angriff auf das Rohr abhält.<br />
Mit Hilfe einer derartigen Werkstoffpaarung kann ein Leitungsrohr<br />
erzeugt werden, das aufgrund der gezielten<br />
Nutzung der unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften ein<br />
besonders attraktives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist.<br />
oben be schriebener Prägung zusammengesetzt aus zwei<br />
verschie denen Werkstoffen, das jedoch unter Verzicht<br />
auf die me tallurgische Verbindung der Werkstoffe hergestellt<br />
werden kann, Ergebnis des neuartigen BERG-<br />
LAY ® -Verfahrens.<br />
Mehrere entscheidende Vorteile<br />
verbinden sich mit diesem Konzept:<br />
n Durch den möglich gewordenen Verzicht auf die metallurgische<br />
Verbindung können alle damit verbundenen<br />
– in der Regel sehr hohen – Kosten eingespart werden.<br />
n Der Kombinierbarkeit von Werkstoffen sind (fast) keine<br />
Grenzen gesetzt.<br />
Die Wege zu einem Rohr aus solcher Art von Verbundwerkstoff<br />
sind vielfältig. Walz- oder sprengplattierte Stahlbleche<br />
können beispielsweise als Halbzeug zur Rohrherstellung<br />
eingesetzt werden. Oder das schon fertige Kohlenstoffstahlrohr<br />
erhält den Korrosionsschutz mittels einer<br />
nachträglich aufgebrachten Schweißplattierung. In beiden<br />
Fällen erfordert die Herstellung des Rohres eine metallurgische<br />
Verbindung zwischen den beteiligten Materialien.<br />
Beide Wege werden heute erfolgreich beschritten.<br />
<strong>Bergrohr</strong> hat sich seine eigenen Gedanken zu diesem<br />
The ma gemacht und im Jahr 2004 einen weiteren Vorschlag<br />
in die Diskussion geworfen. Ein Stahlrohr, nach<br />
n Die Beschaffung der Materialien erfolgt unabhängig<br />
voneinander auf den entsprechenden Märkten. Dadurch<br />
mögliche Preisgestaltungen und Mengenverfügbarkeiten<br />
machen das Konzept besonders attraktiv.<br />
Der Herstellungsgang weicht nur in einigen wenigen Punkten<br />
von dem eines normalen Stahlrohres ab. In einem integrierten<br />
Formungsschritt werden die beiden Bleche,<br />
zunächst aufeinander liegend, zum Rohr geformt. Dabei<br />
macht man sich den Umstand zunutze, dass die so genannte<br />
Innenfläche des Rohres eine Stauchung erfährt.<br />
Da das Edelstahlblech sich genau in dieser Stauchzone<br />
befindet, wird es zum Ende des Vorgangs bis über seine<br />
16 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1930/31<br />
Trennung der Firmenzweige. Die Blechverarbeitung bleibt in Weidenau (Gebr. Berg GmbH); der Zimmereibetrieb zieht nach<br />
Dreis-Tiefenbach (zunächst „Baugeschäft Berg“, später „W. und E. Berg“).
elastische Verformungsgrenze in Umfangsrichtung zusam -<br />
men gestaucht, mit der Folge, dass ein fester mechanischer<br />
Verbund zwischen beiden Materialien entsteht.<br />
Dieses Verfahren ist bisher das einzige bekannte, welches<br />
die Festigkeit der verarbeiteten Werkstoffe zur Erzeugung<br />
einer hohen Verbundfestigkeit voll ausnutzen kann.<br />
Die weiteren Verfahren des Schweißens, Prüfens etc. erfordern<br />
in manchen Aspekten gewisse Abweichungen<br />
vom Standard, lassen sich aber bis auf wenige Ausnahmen<br />
auf denselben Anlagen wie sie für die Herstellung<br />
konventio neller Stahlrohre vorhanden sind, durchführen.<br />
BERG-LAY ® -Rohre können für unterschiedlichste Anwendungszwecke<br />
konfektioniert werden wie Leitungen für<br />
korrosive Gase und Öle, Meerwasserleitungen, Geothermieanlagen,<br />
Behälter im chemischen<br />
Anlagenbau und manches<br />
mehr.<br />
Mit diesem Konzept möchte sich <strong>Bergrohr</strong> an der Lösung<br />
der neuen Herausforderungen bei der Ver sorgung der<br />
Welt mit fossiler Energie aus saueren Lager stätten beteiligen.<br />
Nach langer Zeit gibt es nun wirklich einen neuen Ansatz<br />
der Produktgestaltung, der in seiner Weise bisher einzigartig<br />
ist. Wie in den meisten Fällen, ist auch dies eine<br />
Antwort auf sich verändernde Märkte, die mögliche neue<br />
Chancen in sich bergen.<br />
Klein in Größe, groß in Anpassungsfähigkeit, modern ausgestattet<br />
und versehen mit zukunftsweisenden Ideen, das<br />
ist die Ausgangslage für <strong>Bergrohr</strong> in 2007. Die Voraussetzungen<br />
zur Gestaltung einer<br />
Erfolg versprechenden<br />
Zukunft ist in<br />
hohem Maß gegeben.<br />
Möge<br />
das Vorhaben<br />
ge lingen.<br />
1930<br />
Produktion von Behältern und Großrohren.<br />
Patent auf einen Warmwasser-Boiler.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |17
Anfangsjahre<br />
Rückblende: Die Zeit um 1900.<br />
In Deutschland geht es aufwärts und die Wirtschaft<br />
wächst. Die Menschen blicken voll gespannter Erwartung,<br />
mit leichter Skepsis, aber auch viel Optimismus auf das<br />
kommende Jahrhundert. In der Zeit zwischen 1900 und<br />
1910 verzeich net das Land die geburtenstärksten Jahrgänge<br />
überhaupt. Nie kamen vorher oder nachher so viele<br />
Kinder in Deutschland auf die Welt. Dank verbesserter<br />
Hygiene und umfas sender medizinischer Betreuung sinkt<br />
die Kindersterblichkeit erheblich, so dass die Bevölkerung<br />
konstant wächst.<br />
Und es gibt genügend Arbeit, denn auch die Wirtschaft<br />
blüht. Ein Grund – aber nicht der einzige – ist ein ehrgeizi<br />
ges Rüstungsprogramm, das vor allem die Kriegsmarine<br />
stärkt.<br />
Der genaue Zeitpunkt der Unternehmensgründung der<br />
Gebr. Berg ist nicht bekannt. In der Überlieferung der<br />
Familie Berg wird das Jahr 1896 als Gründungsjahr genannt,<br />
wie es auch das erste Firmenlogo ausweist. Die<br />
Eintragung in das Handelsregister erfolgte jedoch erst<br />
am 20. Februar 1899 und zwar unter der Nummer 455.<br />
18 | <strong>Bergrohr</strong>
Diese zeitliche Verzögerung war vor 100 <strong>Jahre</strong>n nichts<br />
Ungewöhnliches: Karl Berg war Zimmermeister und sein<br />
Bruder Ernst von Beruf Zimmermann, also Geselle. Beide<br />
verfügten deshalb bereits über Berufs erfahrung. Zur<br />
Gründung einer GmbH und Übernahme der Geschäftsleitung<br />
war bei der Eintragung im Handelsregister jedoch<br />
ein Mindestalter von 21 <strong>Jahre</strong>n vorgeschrieben, so dass<br />
die Eintragung erst später erfolgte.<br />
Hintergrund der Unternehmensgründung war zweifelsohne<br />
die wachsende Bevölkerungszahl und die florierende Wirtschaft:<br />
Damals versprach der Bau von Wohnhäusern und<br />
gewerblich genutzten Gebäuden ein blühendes Geschäft.<br />
Hinzu kam ein besonderes Ereignis, das die Siegener Zeitung<br />
am 9. Mai 1896 meldete: Mittags gegen zwei Uhr<br />
brach im Ortsteil Meinhardt ein Großfeuer aus, das fünf<br />
Wohnhäuser und einen Schuppen verwüstete. „Lauter alte,<br />
aus Fachwerk hergestellte Gebäude“ wurden vernichtet.<br />
Zum Glück kam es nicht zu Personenschäden und auch<br />
das meiste Mobiliar konnte gerettet werden. Dieser plötzliche<br />
Bedarf in unmittelbarer Nachbarschaft hat den beiden<br />
Brüdern Berg vielleicht Mut gemacht, den Schritt in<br />
die Selbständigkeit zu wagen.<br />
Der Blick in die damaligen Adressbücher veranlasst zu<br />
einer weiteren Spekulation: In den Bänden 1895/96 und<br />
1897 wird eine Zimmerei oder ein Baugeschäft Berg genannt.<br />
Ein entsprechender Vermerk findet sich zudem in<br />
Johannes Berg<br />
dem Adressenverzeichnis von 1890.<br />
Hier wird in der Sieg straße ein Johannes Berg, Zimmermann,<br />
aufgelistet. Es handelt sich dabei um den Vater<br />
der beiden späteren Firmengründer. Möglicherweise hatte<br />
bereits Johannes Berg eine eigene Werkstatt mit dem<br />
entsprechenden Inventar, das von den beiden Söhnen<br />
bei ihrem Schritt in die Selbständigkeit genutzt wurde.<br />
Auch der genaue Standort des ersten Betriebes ist nicht<br />
bekannt. Er dürfte jedoch in Weidenau auf dem Gelände<br />
der heutigen Firma liegen. Dieser Standort erwies sich im<br />
20. Jahrhundert als Glücksfall. So wurde 1906 die erste<br />
Teilstrecke der Kleinbahn Weidenau-Deuz, die von Wei-<br />
1935<br />
Eintritt von Dr. Paul Berg in das Unternehmen.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |19
denau bis Dreis-Tiefenbach führte, in Betrieb genommen.<br />
Damit wurde das bis dahin verkehrstechnisch weitgehend<br />
unerschlossene obere Siegtal an die Zentren Weidenau<br />
und Siegen angeschlossen. Dies galt sowohl für den Personen-<br />
als auch für den Güterverkehr. Damals konnte<br />
keiner der beiden Berg-Brüder ahnen, dass einmal ca.<br />
80 Prozent aller Materiallieferungen und ein ebenso großer<br />
Prozentsatz der fertigen Produkte über diese Bahnstrecke<br />
transportiert werden würden. Das sind heute<br />
immerhin bis zu 90.000 Tonnen pro Jahr.<br />
Vor 100 <strong>Jahre</strong>n befassten sich Zimmereibetriebe fast ausschließlich<br />
mit dem Bau von Fachwerkgebäuden. Das war<br />
sicher auch in dem jungen Unternehmen der Gebrüder<br />
Berg so. Daneben spezialisierten sie sich jedoch auf den<br />
Bau von Wasserrädern und Antriebselementen für Wasserkraftanlagen.<br />
Der Wasserantrieb war im Siegerland noch lange eine<br />
wichtige Energiequelle, gerade für kleinere Betriebe. Und<br />
das obwohl die Dampfmaschine im späten 19. Jahrhundert<br />
bereits weit verbreitet war und ab 1910 auch die Elektrizität<br />
immer stärker aufkam.<br />
Bereits 1899 erhielten die Gebrüder Berg einen ersten Exportauftrag.<br />
Erwähnt wird dies in einer älteren Familienchronik.<br />
Dabei handelte es sich um einen Auftrag der<br />
Firma Dango & Dienenthal. Geliefert wurde ein komplettes<br />
Hammerwerk mit Wasserantrieb nach Belgien.<br />
Rohrgeschichte<br />
Eisen und Stahl waren einst ein seltenes, kostbares Material.<br />
Die ersten Rohre dienten ausschließlich als Läufe<br />
für Gewehre und Kanonen. Erst im 15. Jahrhundert wurden<br />
die wertvollen Eisenrohre für Wasserleitungen genutzt.<br />
So wurde 1416 in Augsburg mit geschmiedeten Eisenrohren<br />
eines der ersten Wasserwerke errichtet. Gegossene<br />
Rohre, die als Wasserleitung dienen sollten,<br />
wurden erstmals 1455 produziert, und zwar im Siegerland.<br />
Bis dahin dienten ausgehöhlte Baumstämme als<br />
Wasserleitungen. Eine Methode, die seit der Antike bekannt<br />
war und noch bis ins 19. Jahrhundert angewendet<br />
wurde. Diese Entwicklung ist ein wesentlicher Grund da -<br />
für, dass Rohre bis etwa 1800 im täglichen Leben kaum<br />
eine Rolle spielten. Es gab im Grunde kaum Bedarf.<br />
Erst drei bedeutende Erfindungen, die alle in England<br />
gemacht wurden, kurbelten die Nachfrage nach billigen<br />
Rohren an: die Dampfmaschine, das Gaslicht und<br />
die Warmwasserheizung. Während sich die Dampfma -<br />
schine und das Gaslicht sehr schnell verbreiteten, war<br />
die Dampf- oder Warmwasserheizung viele <strong>Jahre</strong> zunächst<br />
keineswegs selbstverständlich.<br />
Um 1900 waren im Prinzip alle Verfahren bekannt, nach<br />
denen auch heute noch Rohre produziert werden. Es<br />
gab bereits Schweißmaschinen, die allerdings anders<br />
funktionierten als die heutigen. Im Mittelpunkt stand<br />
20 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1937<br />
Ernst Berg, Dr. Erich Berg und Dr. Paul Berg sind Gesellschafter der Gebr. Berg GmbH.<br />
Umwandelung der GmbH in eine oHG.
<strong>Bergrohr</strong> | 21
das klassische Schweißen, bei dem erhitzte Eisenstücke<br />
durch Hämmer verbunden werden. Bekannt waren<br />
daneben auch das Autogenschweißen mit Wasserstoff-<br />
Sauerstoff-Flamme oder Azetylen-Sauerstoff-Flamme,<br />
das Elektroschweißen und das Thermit-Schweißen.<br />
Die Entwicklung des Schrägwalzverfahrens durch die<br />
Gebrüder Mannesmann wird in der Zeit um 1900 in<br />
allen technischen Lexika als Sensation vermerkt. Erstmals<br />
konnten nahtlose Rohre relativ preiswert und in<br />
guter Qualität angeboten werden. Nahtlose Rohre, das<br />
bedeutete damals wirklich dichte Leitungen. Sowohl<br />
für Flüssigkeiten als auch für Gase. Bis heute gilt diese<br />
Entwicklung als Quantensprung.<br />
Besonders mit wachsender Nachfrage nach Öl und Gas<br />
stieg der Bedarf für Rohrleitungen. Nicht nur mehr<br />
Menge zur Überwindung größerer Entfernungen, sondern<br />
auch größere Abmessungen für höhere Transportleistungen<br />
wurden zunehmend nachgefragt. Nahtlose<br />
Rohre konnten diese Bedingungen wegen der begrenzten<br />
möglichen Durchmesser nicht mehr alleine erfüllen.<br />
Geschweißte Rohre, hergestellt aus Flachhalbzeugen<br />
wie Warmband oder Grobblech etablierten sich mehr<br />
und mehr, um diese Marktlücke zu füllen. Unterschied -<br />
lichste Verfahrensweisen zur Herstellung geschweißter<br />
Rohre bildeten sich nach und nach heraus. Darunter<br />
finden sich Verfahren, die sich beson ders durch großen<br />
Mengenausstoß auszeichnen wie das Hoch-Frequenz-Induktionschweißverfahren<br />
(HFI) auf Basis von<br />
Warmband für kleine und mittlere Durchmesser, das<br />
UOE-Pressgesenk-Verfahren auf Basis von Grobblech<br />
für mittlere bis große Durchmesser, und in jüngerer Zeit<br />
auch das Spiralnahtverfahren auf Basis von Warmband<br />
ebenfalls für mittlere und große Durchmesser.<br />
Als eines der ältesten Verfahren im Vergleich zu den<br />
genannten hat das Drei-Walzen-Biegeverfahren auf<br />
Basis von Grobblech seine Bedeutung bis heute erhal -<br />
ten. Dies liegt an seiner Flexibilität, da es ohne formge<br />
bende Gesenke auskommt. Betriebe mit kleinen und<br />
großen Anforderungen an die Ausbringung bedienen<br />
sich auch heute noch gerne dieser Technik.<br />
Neueste Entwicklungen betreffen so genannte C-Pressen<br />
auf Basis von Grobblech. Diese Technik erschließt<br />
bei mittelgroßen Ausstoßleistungen wesentlich höhere<br />
Rohrwanddicken auch bei relativ kleinen Durchmessern<br />
und hat sich erst zu Beginn der 90er <strong>Jahre</strong> im Markt<br />
etabliert.<br />
Auch <strong>Bergrohr</strong> beschäftigt sich aktuell wieder mit<br />
neuen Varianten insbesondere der Drei-Walzen-Biegetechnik,<br />
über deren Ergebnisse sicher in nächster Zeit<br />
zu berichten sein wird.<br />
22 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1937/39<br />
Bauarbeiten an den Hallen; Magazinbau; Grundstückskauf und Verlängerung der Hallen in Richtung Bahn unter der Leitung<br />
von Heinrich August Berg.
Halbach-Hammer<br />
<strong>Bergrohr</strong> | 23
24 | <strong>Bergrohr</strong> Halbach-Hammer
Halbach-Hammer<br />
Der harte Arbeitsalltag der Menschen vor einigen Jahrhunderten<br />
ist heute nur noch schwer vorstellbar. Einen<br />
kleinen Einblick in die frühe Industrialisierung des Siegerlandes<br />
kann man im Ruhrlandmuseum der Stadt<br />
Essen gewinnen. Dort steht der so genannte Halbach-<br />
Hammer, der mit tatkräftiger Unterstützung der Gebrü -<br />
der Berg abgebaut, restauriert und in den 30er <strong>Jahre</strong>n<br />
wieder aufgebaut wurde.<br />
Unter dem Begriff „Hammer“ verstand man eine Werkstatt,<br />
in der aus Roheisen Schmiedeeisen hergestellt<br />
wur de. Diese Art der Verarbeitung war im Siegerland<br />
weit verbreitet. Der Halbach-Hammer, der früher Fickenhütter<br />
Hammer hieß, wird erstmals bereits 1417 erwähnt<br />
und war bis ins späte 19. Jahrhundert in Betrieb.<br />
Anschließend verfiel er zu einer Ruine. Glücklicherweise<br />
wurde er aber nicht, wie viele andere Siegerländer<br />
Hammerwerke, abgerissen und verschrottet.<br />
Bohlen und Halbach die Anlage und ließ sie 20 <strong>Jahre</strong><br />
später von Heinrich August Berg, der einst mitverantwortlich<br />
für den Abbau gewesen war, wieder errichten.<br />
Und zwar unterhalb der Kruppschen Mustersiedlung<br />
Margarethenhöhe im Nachtigallental. Am 9. November<br />
1936 wurde der Halbach-Hammer, der letzte Siegerländer<br />
Wasserhammer, als Museum wieder eröffnet.<br />
Voll funktionstüchtig. Heinrich August Berg war übrigens<br />
bis Ende des Zweiten Weltkrieges mit den jährlichen<br />
Wartungsarbeiten am Halbach-Hammer betraut.<br />
Die enge Geschäftsbeziehung zwischen Heinrich August<br />
Berg und Gustav Krupp von Bohlen dokumentiert eine<br />
Einladung zum Frühstück: am 16. Februar 1937 um „ein<br />
Uhr“ in die Villa Hügel.<br />
Die „Rettung“ war eine Industrieausstellung in Düssel -<br />
dorf, auf der der Fickenhütter Hammer mit elektrischem<br />
Strom betrieben, wieder in Gang gesetzt werden<br />
sollte. Die Gebrüder Berg, speziell Heinrich August<br />
Berg, über nahmen 1913 den Abbau sowie die Rekonstruktion<br />
zerstörter Teile. Der Ausbruch des Ersten<br />
Weltkrieges verhinderte jedoch die Umsetzung des<br />
Projekts. 1916 schließlich erwarb Gustav Krupp von<br />
<strong>Bergrohr</strong> | 25
26 | <strong>Bergrohr</strong> Produktion bei Gebr. Berg in den 1920er <strong>Jahre</strong>n.
Blechverarbeitung<br />
Elektromotoren verdrängten Wasserräder – während des<br />
Ersten Weltkrieges gab es in Deutschland einen Modernisierungsschub,<br />
der die Gebrüder Berg veranlasste, 1916<br />
eine neue Abteilung für Blechverarbeitung zu gründen. Im<br />
Zuge der zunehmenden Elektrifizierung verdrängten moderne<br />
Elektromotoren die traditionelle Energiegewinnung<br />
mittels Wasserkraft. Die Gebrüder Berg, die sich auf den Bau<br />
von Wasserrädern spezialisiert hatten, waren gezwun gen<br />
sich umzuorientieren. Die Vorteile der neuen Elektromotoren<br />
liegen auf der Hand: Sie arbeiten unabhängig von der<br />
Witterung. Dagegen ist eine Energiegewinnung mittels<br />
Wasserkraft bei Niedrigwasser im Sommer und strengem<br />
Frost im Winter nicht möglich. Zudem sind Wasserräder<br />
sehr wartungsintensiv, gerade im Dauerbetrieb.<br />
Sommer 1925: Im Juli veröffentlichte die Siegener Zeitung<br />
die Ausbauwünsche der Firma Gebr. Berg GmbH. Die<br />
Nachbarn reichten Beschwerde ein. Der Lärm der mit Luft<br />
betriebenen Niethämmer mache es unmöglich, im Haus<br />
Kranke zu pflegen. Außerdem bezweifelten die Nachbarn,<br />
dass eine Betriebsvergrößerung überhaupt nötig sei. In<br />
der Entgegnung der Firma Gebr. Berg heißt es, dass alle<br />
Auflagen des Gewerbeaufsichtsamtes und des Hochbauamtes<br />
vorbehaltlos akzeptiert würden.<br />
Außerdem handele es sich um ein reines Gewerbegebiet.<br />
Ein „flottes und rentables“ Arbeiten sei aufgrund der extrem<br />
beengten Produktionsverhältnisse in den mit Maschinen<br />
voll gestopften Hallen nicht mehr möglich.<br />
Am 30. August 1916 gab das Amt Weidenau in der Siegener<br />
Zeitung bekannt, dass die Firma Gebr. Berg in ihrem<br />
Zimmerschuppen eine Blechwarenfabrik errichten wolle.<br />
Da keine Einwände gegen diese Nutzungsänderung eingereicht<br />
wurden, konnte die „Genehmigungsurkunde für<br />
die Abteilung Blechverarbeitung No. 1289 K. A. Ziffer 1“<br />
am 26. Oktober 1916 erteilt werden.<br />
Damals gab es rund um das Werk noch viel Wohnbebauung.<br />
In den folgenden <strong>Jahre</strong>n reagierten die Anwohner<br />
auf Erweiterungswünsche und neue Produktionsprozesse<br />
der Firma Gebr. Berg immer wieder mit Protest. So im<br />
Rohrindustrie in Weidenau<br />
Gleich drei große Röhrenhersteller haben ihre Wurzeln<br />
in Siegen-Weidenau: Die heutige Firma Fuchs Rohr, die<br />
Rudolf Flender KG und die Firma Gebr. Berg. Die Gebrüder<br />
Berg begannen 1916 mit der Blechverarbeitung<br />
neben dem ehemaligen Gelände der Rudolf Flender KG,<br />
die 1910 in Weidenau gegründet worden war und 1912<br />
an ihren heutigen Standort, die Rinsenau in Eiserfeld,<br />
um zog. So kann mit Fug und Recht behauptet werden,<br />
dass ein nicht unbedeutender Teil der deutschen Röhren<br />
industrie ihren Ursprung in Weidenau hat.<br />
1937<br />
Bau des „Gefolgschaftshauses“ mit Küche, Kantine und Sozialräumen.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |27
Die Gebäude werden in einem Antrag auf Sammelgenehmi<br />
gung vom 10.02.1928 beschrieben. Hier heißt es: „Das<br />
Werk besteht aus drei Hallen: einer Montage- und zwei<br />
Konstruktionshallen, Pressraum, Schlosserei, Acetylenanlage,<br />
Lagerschuppen, Büro und Arbeiteraufenthaltsraum<br />
und Waschraum... Die Mauer der großen Halle nach der<br />
Siegstraße zu hat keine Fenster.“<br />
Nach der 1929 noch gültigen Genehmigungsurkunde für<br />
die Abteilung Blechverarbeitung von 1916 durfte der Betrieb<br />
nur unter bestimmten Bedingungen erfolgen. So war<br />
es der Firma aus Lärmschutzgründen untersagt, zwischen<br />
20 Uhr abends und 6 Uhr morgens zu produzieren. Diese<br />
Regelung konnte nicht immer eingehalten werden, was<br />
prompt zu Beschwerden der Nachbarn und Nachforschungen<br />
der zuständigen Behörde führte.<br />
Was aber wurde seinerzeit überhaupt<br />
von der Firma Gebr. Berg hergestellt<br />
Der älteste, noch vorhandene Prospekt ist leider undatiert.<br />
Es wird dort noch die Unterscheidung zwischen<br />
der Abteilung Eisen- und Blechwarenfabrik einerseits<br />
und dem Baugeschäft andererseits gemacht. Der Prospekt<br />
muss somit aus der Zeit vor 1930/31 stammen,<br />
dem Zeitpunkt, an dem die beiden Abteilungen getrennt<br />
wurden.<br />
In diesem Prospekt wird ein Warmwasserbereiter (Boiler)<br />
in zwei verschiedenen Ausführungen angeboten: mit zwei<br />
festen Böden sowie mit einem festen und einem verschraubten<br />
Boden. Daneben gab es noch Ausführungen<br />
mit Hand- und Mannloch. Zum Angebot gehörten außerdem<br />
klassische Produkte der Blechwarenbetriebe wie<br />
geschweißte und genietete Behälter, Transportwannen<br />
und -kessel, Kohlenrutschen usw.<br />
Bereits in diesem ältesten Prospekt werden auch Rohrleitungen<br />
als Fallrohre für Wasserkraftwerke und Ähnliches<br />
angeboten. Ein Foto zeigt Bahnwaggons mit Rohren von<br />
großem Durchmesser, die schon damals zur Produktpalette<br />
gehörten. Manche dieser Rohre und Rohrkonstruktionen<br />
waren mit Bunden und Flanschen ausgerüstet, die<br />
ebenfalls in eigener Regie produziert wurden.<br />
28 | <strong>Bergrohr</strong> Bunde, Flansche und Rohre.
Wachstumsjahre<br />
Bis Ende der 20er <strong>Jahre</strong> bestand die Firma Gebr. Berg aus<br />
zwei recht unterschiedlichen Geschäftszweigen: Einerseits<br />
gab es in Weidenau die Blechverarbeitung, andererseits<br />
wurde in Dreis-Tiefenbach das Baugeschäft weitergeführt.<br />
Gesellschafter in 1. und 2. Generation<br />
Im Zuge der Trennung der beiden Geschäftszweige werden<br />
vier Gesellschafter genannt: Ernst Berg, Karl Berg,<br />
Heinrich August Berg und Auguste Dickel, geb. Berg,<br />
die Witwe von Friedrich Dickel. Wann sich diese Beteiligungsverhältnisse<br />
genau entwickelt haben, lässt sich<br />
heute nicht mehr feststellen. Bei der Veröffentlichung<br />
der Firmengründung 1899 werden nur Karl und Ernst<br />
Berg als Gründer angegeben.<br />
1937 treten nur noch Ernst Berg, Dr. Erich Berg sowie<br />
dessen Bruder Dr. Paul Berg als Gesellschafter der<br />
Gebr. Berg GmbH auf. Dr. Paul Berg war nach dem<br />
Abschluss seines Studiums 1935 in das Unternehmen<br />
eingetreten. 1937 wird der Betrieb aus steuerlichen<br />
Gründen in eine oHG umgewandet. Der Hintergrund:<br />
Während des Nationalsozialismus wurden die inhaber -<br />
geführten Betriebe besonders gefördert.<br />
Daraus ergibt sich, dass die übrigen Gesellschafter –<br />
Karl Berg, Heinrich August Berg und Auguste Dickel –<br />
vermutlich im Zuge der Entflechtung der Geschäftszweige<br />
abgefunden wurden.<br />
Wilhelmine und Ernst Berg<br />
Als 1928 Dr. Erich Berg, der Sohn von Ernst Berg, in das<br />
Geschäft eintrat, bestand seine erste Aufgabe darin, diese<br />
Geschäftszweige zu trennen.<br />
Der ehemalige Zweig Blechverarbeitung wurde ab 1930/31<br />
unter dem Namen „Gebr. Berg GmbH“ als eigenständige<br />
Firma weitergeführt. Das Baugeschäft firmierte ab diesem<br />
Zeitpunkt unter dem Namen „Baugeschäft Berg“. Später<br />
wurde das Unternehmen nach den Söhnen Karl Bergs,<br />
Walter und Erwin, in „W. und E. Berg“ umbenannt. In den<br />
50er <strong>Jahre</strong>n ging die Firma in Konkurs.<br />
Nach Trennung der beiden Geschäftszweige gewann die<br />
Produktion der Gebr. Berg GmbH zunehmend an Profil.<br />
Klassische Blecherzeugnisse wie Schaufeln und Kohlenrutschen<br />
wurden aus dem Programm genommen; neue,<br />
1939<br />
Heinrich August Berg baut den Halbach-Hammer im Nachtigallental<br />
in Essen wieder auf.<br />
1941<br />
Feuer im Bitumenlager löst Großbrand aus.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |29
innovative Produkte eingeführt.<br />
Dr. Paul Berg brachte nach seinem Studium in Karlsruhe<br />
und Braunschweig die neuesten Erkenntnisse der Schweißtechnik<br />
mit in das Unternehmen. Das spiegelte sich in einem<br />
hohen Qualitätsstandard. Im Laufe der Zeit entwickelte<br />
Paul Berg in Zusammenarbeit mit zuliefernden Maschinenfabriken<br />
wichtige technische Lösungen.<br />
Die produzierten Rohre wurden vor allem an Chemie-,<br />
Hydrierwerke und den Bergbau geliefert, die in den 30er<br />
<strong>Jahre</strong>n in Mittel- und Ostdeutschland entstanden. Dazu<br />
zählten Leuna, Schkopau und Welheim.<br />
Zu den neuen, innovativen Produkten gehörten große<br />
Lagerbehälter für Tankstellen und Raffinerien. Sie konnten<br />
bis zu 100.000 Liter fassen und bestanden im Prinzip aus<br />
einem Großrohr mit angeschweißten Böden.<br />
Außerdem besaß die Gebr. Berg GmbH ein Patent auf die<br />
besondere Konstruktion eines Hand- bzw. Mannlochs,<br />
das zu Revisionszwecken angebracht wurde. Normalerweise<br />
waren diese Mannlöcher rund. Die Gebr. Berg<br />
hatten nun die Idee, sie oval zu machen.<br />
Der ovale Handlochdeckel zeichnet sich darin aus, dass<br />
er durch die Öffnung, die er verschließen soll, dennoch<br />
hindurchgeführt werden kann – bei einem runden Handlochdeckel<br />
ist dies naturgemäß unmöglich. Der besondere<br />
Vorteil liegt nun darin, dass der ovale Deckel so eingesetzt<br />
werden kann, dass er die Behälteröffnung von innen her<br />
verschließt. Somit kann der Behälter-Innendruck genutzt<br />
werden, um über die auf den Deckel wirkenden Druckkräfte<br />
eine Verstärkung der Abdichtwirkung zu erzeugen.<br />
Später kamen auch verzinkte Druckwasserkessel zur<br />
„Haus wasserversorgung“ hinzu. Sie waren mit dem „Berg-<br />
verschluss“ versehen und wurden komplett mit Pumpe<br />
und Zubehör ausgeliefert. Diese Hauswasserversorgungsanlagen<br />
fanden im In- und Ausland dort Abnehmer, wo<br />
noch keine Wasserversorgung durch öffentliche Wasserleitungen<br />
erfolgen konnte und das Wasser deshalb aus<br />
Brunnen gefördert werden musste.<br />
Die für die Produktion von Behältern und Boilern nötigen<br />
Böden wurden von der Firma Gebr. Berg auch einzeln in<br />
diversen Ausführungen hergestellt. Produziert wurden<br />
gewölbte und flache Böden mit Schweiß- oder Nietbord,<br />
Tellerböden sowie gewölbte Böden ohne Bord in unterschiedlichen<br />
Abmesssungen und mehreren Materialqualitäten.<br />
Ab 1930 erweiterte die Firma Gebr. Berg ihre Produktionshallen<br />
erheblich. So wurde ein neuer Kran gebaut, der<br />
zunächst auf dem Freigelände stand und später überdacht<br />
wurde. Die vorhandenen Produktionshallen wurden bis<br />
zur Siegstraße vorgezogen. Außerdem entstand ein so genanntes<br />
„Gefolgschaftshaus“ mit Küche, Kantine, Waschund<br />
Umkleideräumen.<br />
1943<br />
Dr. Erich Berg wird bei Stalingrad vermisst.<br />
1945<br />
Internierung von Dr. Paul Berg in Recklinghausen.<br />
30 | <strong>Bergrohr</strong>
Front zur Siegstraße ca. 1950.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |31
Innovationen<br />
Weltneuheit: Drei-Walzen-Biegemaschine<br />
1938 kaufte das jetzt als Gebr. Berg oHG firmierende Un -<br />
ternehmen eine Rollenschere, die 12 Meter lange Bleche<br />
bis zu einer Stärke von 12 mm besäumen konnte. Das<br />
geht aus den noch erhaltenen Bauakten des ehemaligen<br />
Amtes Weidenau hervor.<br />
Ein Jahr später, also 1939, wurde eine Maschine angeschafft,<br />
die eine Weltneuheit darstellte: Die Drei-Walzen-<br />
Biegemaschine für die Herstellung von 12 Meter langen<br />
Rohren. Gebaut wurde diese Maschine von der Firma<br />
Froriep aus Rheydt am Niederrhein. Eine weitere ging<br />
nach Russland. Anschließend wurde bis nach 1945 keine<br />
Maschine mehr gebaut.<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden nur Walzen für bis zu<br />
sechs Meter lange Bleche betrieben. Bei längeren Walzen<br />
entstand das Problem der Durchbiegung, d. h. die Oberwalze,<br />
die nur an beiden Enden gelagert werden konnte,<br />
bog sich unter Belastung in der Mitte durch. Die Folge:<br />
Die so hergestellten Rohrrohlinge waren nicht zylindrisch,<br />
sondern bildeten in der Mitte einen „Bauch“.<br />
Dieses Problem löste die Firma Froriep mit einer hydraulisch<br />
gesteuerten Vorspannung der Oberwalze. Damit<br />
konnte erstmals die Biegung, die je nach Material und<br />
Stärke variierte, ausgeglichen werden.<br />
Mit der Herstellung von 12 Meter langen Rohren stellte sich<br />
das Unternehmen ganz neuen Herausforderungen. Doppelte<br />
Länge bedeutete auch doppelte Masse.<br />
Vom Erfolg des Unterfangens war der Seniorchef des Un -<br />
ternehmens, Ernst Berg, wohl nicht sofort überzeugt. Als<br />
er vom Kauf der Maschine erfuhr, den seine Söhne Paul<br />
und Erich ohne seine Zustimmung getätigt hatten, wurden<br />
beide zunächst fristlos entlassen. Bald war der Familienfrieden<br />
jedoch wieder hergestellt und beide Söhne kehrten<br />
in das Unternehmen zurück.<br />
Im Nachhinein erwies sich die Drei-Walzen-Biegemaschine<br />
als ausgesprochen zukunftssicher. Bis heute werden noch<br />
Teile der ersten Maschine aus dem <strong>Jahre</strong> 1939 genutzt.<br />
Im Laufe der Zeit wurde die Maschine immer wieder umgebaut.<br />
1973 wurde sie durch eine neuere und wesentlich<br />
stärkere Konstruktion ersetzt, die Rohrwandstärken bis<br />
zu 38 mm ermöglichte.<br />
Noch heute wird die Länge von sechs Metern in der Rohrwelt<br />
als „random length“, im Deutschen „Herstell-Länge“,<br />
bezeichnet. Seit die Firma Gebr. Berg ihre 12-Meter-Walze<br />
in Betrieb nahm und Rohre in dieser Länge produzieren<br />
konnte, wurde ein neues Maß etabliert, die „double random<br />
length“. Die Firma Gebr. Berg war weltweit das erste Un -<br />
ternehmen, das geschweißte Großrohre mit der doppelten<br />
1946<br />
Stilllegung der Firma und spätere Erlaubnis zum Neustart der Produktion.<br />
32 | <strong>Bergrohr</strong>
der bislang bekannten Herstell-Länge ohne Verbindungsnaht<br />
lie fern konnte. Ein echter Quantensprung in der<br />
technischen Entwicklung, denn mit einem Schlag wurde<br />
die Zahl der Verbindungsnähte in einer Leitung auf die<br />
Hälfte reduziert.<br />
Einroll- und Schweißmaschine<br />
Die Großrohrproduktion war nicht das einzige Standbein<br />
der Firma Gebr. Berg. So wurde eine kombinierte Einrollund<br />
Schweißmaschine von der Firma Böhler in Krapfenberg/Österreich<br />
gekauft. Mit dieser Maschine konnten<br />
Rohre vom Band in den Abmessungen 130 bis 350 mm<br />
Durchmesser hergestellt werden. Hauptabnehmer dieser<br />
maschinell autogen geschweißten Rohre waren der Braunkohlebergbau<br />
in Mitteldeutschland und die Kohlengruben<br />
in Schlesien. Die Rohre wurden zum Transport von Press-<br />
Die heutige 3-Walzen-Biegemaschiene: doppelt lang und doppelt breit. <strong>Bergrohr</strong> |33
luft und zum Blas- und Spülversatz eingesetzt. Bereits<br />
in dieser Zeit knüpfte die Firma Gebr. Berg zahlreiche<br />
Auslandskontakte. Exportiert wurde unter anderem nach<br />
Holland, Skandinavien, in die Länder des Balkans und in<br />
den Nahen Osten.<br />
Die Frage der Qualitätssicherung blieb im Laufe der<br />
<strong>Jahre</strong> stets aktuell. Schon 1952 wurde eine Röntgenprüfanlage<br />
zur Kontrolle der Schweißnähte in Betrieb<br />
genommen. Jetzt durchliefen die gefertigten Rohre<br />
außer der Wasser druckprobe auch eine Ultraschallund<br />
eine Röntgenprüfung.<br />
Zertifizierungen dokumentieren hohe Produktqualität.<br />
Be sonders stolz ist <strong>Bergrohr</strong> heute auf die API-Zertifikate,<br />
API 5L für Leitungsrohre und API 2B für Konstruktionsrohre,<br />
die beide die Registrierungsnum mer „0001“<br />
tragen. Darin ist belegt, dass <strong>Bergrohr</strong> als Sie gerländer<br />
Rohrhersteller sich als allererster erfolgreich um diese<br />
Amerikanischen Qualitätsnachweise bemüht hat.<br />
Schweißtechnik<br />
Auch im Bereich der Schweißtechnik nahmen die Gebr.<br />
Berg seinerzeit eine Spitzenposition ein. In der Zeit um<br />
1920 war das Schweißen keineswegs selbstverständlich.<br />
Während viele Konkurrenten nur genietete Behälter und<br />
Rohre liefern konnten, bot Berg bereits damals autogen<br />
geschweißte Produkte an. Das Autogenschweißverfahren<br />
war erst Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt worden<br />
und ging von einem Siegerländer, dem Kreuztaler Dr. Ernst<br />
Menne, aus. Mit Hilfe einer Sauerstofflanze brannte er<br />
1902 zum ersten Mal Löcher für den Abstich von Eisen<br />
und Schlacke in einen Hochofen.<br />
Ein Blick in die damalige Produktion: Die Bleche, die als<br />
Schlitzrohr aus der Biegemaschine kamen, mussten entlang<br />
des Schlitzes zusammengezogen und geheftet werden.<br />
Bis in die 50er <strong>Jahre</strong> geschah beides per Hand. Die<br />
gebogenen Bleche wurden mit Ketten zusammengezogen<br />
und dann mit Schweißpunkten versehen. Der Zwischenschritt<br />
des Heftens ist nötig, um die Blechkanten exakt<br />
voreinander zu halten. Erst dann konnte mit dem eigentlichen<br />
Schweißen begonnen werden. Nun war es möglich,<br />
die Rohre von einem Ende bis zum anderen durchzuschwei<br />
ßen. Um Zeit zu sparen, arbeiteten früher oft mehrere<br />
Schweißer gleichzeitig an einem Rohr. So begann ein<br />
Schweißer auf der linken Seite des Rohres und schweißte<br />
bis zur Mitte; der andere schweißte gleichzeitig von der<br />
Mitte bis zur rechten Seite. Dabei war gewährleistet, dass<br />
beim so genannten „autogen Rechtsschweißen“ die<br />
Schweiß flammen während des Erstarrens des flüssigen<br />
Schweißbades noch immer über dem Schmelzbad lagen.<br />
Sauerstoff und Stickstoff der Luft wurden so vom flüssigen<br />
Eisen ferngehalten. Die Schweißflamme machte also schon<br />
das, was später beim Elektroschweißen die auf dem<br />
Schmelzbad erstarrende Schlacke und beim UP-Schweißen<br />
das Schweißpulver leistet.<br />
Der in großen Mengen benötigte Sauerstoff kam durch<br />
34 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1949<br />
Die Gebr. Berg GmbH wird gegründet und übernimmt von der oHG Maschinen, Gebäude und Produktionsbetrieb.<br />
Konzentration auf die Produktion von Großrohren.<br />
Gründung der Herner Röhrenwerke; hier werden Rohre mit kleineren Abmessungen für den Ruhrbergbau hergestellt.
eine spezielle Rohrleitung vom nahe gelegenen Sauerstoffwerk.<br />
Das Acetylengas wurde in einem großen Gasentwickler<br />
hergestellt und über Rohre und Schläuche<br />
zum Schweißplatz gebracht. So konnten Lagerung und<br />
Trans port der unhandlichen Gasflaschen vermieden<br />
werden.<br />
verlegt und dann nachträglich mit einer ca. 10 mm dicken<br />
Auskleidung versehen. Bei diesem Verfahren werden die<br />
Baustellen-Schweißnähte gleich mitgeschützt. Ein weiterer<br />
Vorteil der Zement-Mörtel-Auskleidung ist die „Selbstheilung“<br />
bei kleinen rissartigen Beschädigungen der<br />
Auskleidungsschicht.<br />
Der Gasentwickler arbeitete nach dem Prinzip der Karbidlampe,<br />
also mit Kalziumkarbid und Wasser. Diese Art der<br />
Acetylenerzeugung war keineswegs ungefährlich. In den<br />
<strong>Jahre</strong>n 1950 und 1959 kam es zu Explosionen, bei denen<br />
glücklicherweise nur Sachschaden entstand.<br />
Bei den Außenisolierungen war die Bitumenumwicklung<br />
noch viele <strong>Jahre</strong> aktuell und wurde erst nach und nach<br />
durch Kunststoff-Isolierungen ersetzt. Hier hat sich das<br />
mit PE (Polyethylen), einem Thermoplast, beschichtete<br />
Leitungsrohr durchgesetzt.<br />
Mit der Entwicklung des „Ellira-Verfahrens“ (Elektro-Linde-<br />
Rapid-Verfahren) wurde in den 50er <strong>Jahre</strong>n die maschinel -<br />
le Elektroschweißung eingeführt. Heute wird maschinell<br />
geheftet und nur noch im modernsten UP-Verfahren (unter<br />
Pulver) geschweißt. So entstehen die zuverlässigsten und<br />
haltbarsten Schweißnähte.<br />
Korrosionsschutz<br />
Besondere Bedeutung hat die Beschichtung der Rohre ge -<br />
gen Korrosion, die natürlich sehr stark vom Verwendungszweck<br />
abhängig ist. Innen mit Bitumen ausgeschleuderte<br />
Rohre wurden noch bis in die 70er <strong>Jahre</strong> für die Trinkwasserversorgung<br />
eingesetzt. Bitumen als Erdöl-Derivat<br />
kam dann in Verruf und wurde durch Zement-Mörtel-Auskleidungen<br />
ersetzt.<br />
Heute werden Großrohrleitungen für Wasser erst fertig<br />
<strong>Bergrohr</strong> setzte auf Duroplaste, im Wesentlichen auf EP<br />
(Epoxyd) und PU (Polyurethan). Die Duroplaste werden<br />
nach dem Stahlkiesstrahlen des Rohrkörpers als Zwei-<br />
Komponen tenmaterial in verhältnismäßig dünnen<br />
Schichtstärken maschinell aufgespritzt. Eine solche Beschichtung<br />
bietet neben Korrosionsschutz eine hohe<br />
Abriebfestigkeit und große Wärmebeständigkeit. So be-<br />
<strong>Bergrohr</strong> |35
schichtete Rohre werden insbesondere im Stahlbau eingesetzt,<br />
zum Beispiel als Durchpressungsrohre oder zur<br />
Durchleitung von Gasen und Flüssigkeiten bei erhöhter<br />
Temperatur.<br />
Rohre mit Kugelschweißmuffen<br />
Eine Besonderheit waren die Rohre mit Kugelschweißmuffen,<br />
die vor allem in den 50er und 60er <strong>Jahre</strong>n für<br />
die Firma Ruhrgas hergestellt wurden. Bei der Verlegung<br />
von Gas leitungen im Rohrgraben konnten die Rohre oft<br />
nicht in gerader Linie verlegt werden. Sie mussten an<br />
Stei gungen, Kurven und Biegungen angepasst werden.<br />
Diese Möglichkeit boten die Kugelmuffenrohre, die an<br />
jeder Seite eine kugelförmige Muffe aufwiesen. Die eine<br />
Muffe war größer als die andere, so dass sie genau ineinander<br />
passten und mit einer Kehlnaht verschweißt<br />
werden konn ten. Auf diese Weise konnte an jedem Rohranschluss<br />
eine Abwinkelung um bis zu fünf Grad erreicht<br />
werden. Das System wurde kurz „Kugel außen/Kugel<br />
innen“ oder „KA/KI“ genannt.<br />
Blechplatten-Schweißmaschine<br />
1966 machte die Firma Gebr. Berg einen weiteren<br />
richtungsweisenden Schritt, in dem eine Blech platten-<br />
Schweiß maschine in Betrieb genommen wurde. Während<br />
es seinerzeit bei der 12 m Drei-Walzen-Biegemaschine<br />
um ein Verarbeiten der doppelten Länge ging,<br />
ermöglichte die Blechplatten-Schweißmaschine jetzt<br />
auch die Verarbeitung doppelter Bleichbreite.<br />
Die angelieferten Bleche, die zu Rohren verarbeitet werden,<br />
haben aufgrund der Walztechnik und der Transport möglichkeit<br />
auf Straße und Schiene eine bestimmte Höchstbreite.<br />
Mit Hilfe der neuen Blechplatten-Schweiß maschine<br />
wurden nun zwei Bleche zusammengeschweißt, so dass<br />
ein doppelt breites Blech mit einer Längsschweiß naht entstand.<br />
Damit können zwölf Meter lange Rohre ohne Rundnaht<br />
bis zum größten normal verladefähigen Durchmesser<br />
von 2,5 m hergestellt werden: so genannte LWDS-Rohre.<br />
Anfangs war man durchaus skeptisch, ob diese maschinell<br />
hergestellte Plattenschweißnaht, die auch mitgebogen<br />
werden musste, genauso haltbar ist, wie die nach dem<br />
Biegen zu schweißende übliche Rohrnaht. Das Ergebnis<br />
war aber so überzeugend, dass sich diese Art der Produktion<br />
bis heute durchgesetzt hat. Seit dem 1. Januar<br />
2002 hat sie auch die API-Zulassung.<br />
LWDS-Rohr<br />
LWDS steht für „Longitudinally Welded Double Seam“<br />
und bedeutet, dass das Rohr zwei Längsnähte besitzt.<br />
Die zweite Längsnaht entsteht bei der Anfertigung doppelt<br />
breiter Bleche aus jeweils zwei Einzeltafeln. Damit<br />
wird die Maximalbreite eines Grobbleches überwunden,<br />
so dass Rohre in 12 Meter Länge mit Durchmessern über<br />
64’’ (1.626 Millimeter) ohne Rundnaht gefertigt werden<br />
können. Für diese Produktvariante betreibt <strong>Bergrohr</strong> eine<br />
besondere Blechschweißanlage.<br />
1952<br />
Antrag auf Genehmigung einer Röntgenprüfanlage.<br />
36 | <strong>Bergrohr</strong>
Gemeinsam stark:<br />
Der „Verband der freien Rohrwerke e. V.“<br />
Für ein kleines, aber bedeutendes Kapitel in der deutschen<br />
Stahlrohrgeschichte steht der „Verband der<br />
freien Rohrwerke e. V.“ Dabei handelt es sich um den<br />
Zusammenschluss von heute sechs mittel ständischen<br />
Stahlrohrherstellern, die unabhängig von Konzernen<br />
tätig sind. Eine wichtige Gemeinsamkeit: Alle haben<br />
ihren Standort im Siegerland.<br />
Unter dem Namen „Fachabteilung geschweißte Rohre“<br />
im „Fachverband Stahlblechverarbeitung“ schlossen<br />
sich 1957 in Hagen 15 unabhängige Unternehmen der<br />
Stahl rohrindustrie zusammen. Ziel war und ist es, gemeinsam<br />
zu möglichst günstigen Preisen das Vormaterial<br />
einzukaufen und die Transportkosten zu reduzieren.<br />
Zu einer Konfrontation mit den Interessen der großen<br />
Stahlindustrie kam es Anfang der 70er <strong>Jahre</strong>: Auf Antrag<br />
aller deutschen Stahlhersteller sollte die Montanunion<br />
(Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl)<br />
die Gründung von vier Walzstahlkontoren genehmigen,<br />
die den Verkauf und die Preisbildung für alle Stahlher -<br />
steller in vier gebietsmäßig abgegrenzten Gebieten der<br />
Bundesrepublik vornehmen und vereinheitlichen sollten.<br />
Ausgeschlossen sollte ausdrücklich die Verwendung<br />
von Stahlerzeugnissen zur Weiterverarbeitung in<br />
eigenen Unternehmen sein. Das hätte zur Folge gehabt,<br />
dass die Stahlwerke für ihre eigenen Röhrenwerke das<br />
Vormaterial zu günstigeren Preisen hätten liefern dürfen<br />
als die Stahlkontore es den freien Rohrwerken hätten<br />
an bieten dürfen.<br />
Durch intensive Verhandlungen mit der „Hohen Behör -<br />
de“ wurde erreicht, dass die geplante Stahlmarktordnung<br />
nur genehmigt wurde, nachdem sich die Stahlwerke<br />
verpflichtet hatten, die im Verband der freien<br />
Rohrwerke zusammengeschlossenen Betriebe immer<br />
zu wettbewerbsfähigen Preisen zu beliefern.<br />
Als Folge der Stahlkrise in den 80er <strong>Jahre</strong>n musste allerdings<br />
die Mehrheit der angeschlossenen Betriebe ihr<br />
Unternehmen schließen oder sich einem Konzern angliedern.<br />
Zum „Verband der freien Rohrwerke e. V.“ zählen heute<br />
die Unternehmen <strong>Bergrohr</strong> GmbH Siegen, Eisenbau Krämer<br />
GmbH in Hilchenbach, Bender-Ferndorf Eisen & Me -<br />
tall werke Ferndorf GmbH, Landruf Rohrtechnik GmbH in<br />
Freudenberg, ESTA-Rohr GmbH in Erndtebrück sowie<br />
die Rudolf Flender GmbH & Co. KG in Siegen.<br />
Dr. Fritz Berg engagierte sich viele <strong>Jahre</strong> als Vorsitzen -<br />
der des Verbandes. Heute hat die Leitung sein Sohn<br />
Bernd Berg.<br />
1953<br />
Übernahme der „Röhren- und Schweißwerke vorm. G. Kuntze GmbH“ in Bochum.<br />
Bau von zwei Werkshallen und einem Trafohäuschen. Erweiterung der Fabrikhalle.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |37
Zweiter Weltkrieg<br />
Die Zeit des Zweiten Weltkrieges war auch für die Firma<br />
Gebr. Berg mit schwierigen <strong>Jahre</strong>n verbunden. Sogar die<br />
Weiterführung des Betriebes war kurzzeitig in Frage gestellt.<br />
Krieges kamen noch Drehkränze für den Panzer „Königs-<br />
tiger“ hinzu. Vermutlich wurde die Firma Gebr. Berg aufgrund<br />
ihrer Erfahrung in der Flanschenherstellung mit<br />
der Produktion dieser Drehkränze betraut.<br />
Im Gegensatz zu den umliegenden Flächen blieb das<br />
Ge lände der Gebr. Berg von Bombentreffern verschont.<br />
1941 kam es jedoch zu einem Großfeuer, das durch den<br />
Brand des Bitumen-Tauchbeckens ausgelöst wurde.<br />
Bitumen wurde damals als Korrosionsschutz zur Beschichtung<br />
der Rohre verwendet. Bei dem Großfeuer<br />
wurden einige Hallen, Maschinen und Werkzeuge zerstört.<br />
Zahlreiche Fotos dokumentieren das ganze Ausmaß<br />
des Großbrandes, bei dem aber glücklicherweise<br />
niemand zu Schaden kam. Zunächst war unklar, ob die<br />
zerstörten Gebäude wieder aufgebaut werden konnten.<br />
Schließlich war Baumaterial in den Kriegsjahren eine begehrte<br />
Mangelware. Da jedoch auch die Produktion der<br />
Gebr. Berg inzwischen als kriegs wichtig galt, wurde das<br />
Baumaterial schließlich freigegeben. So gelang der<br />
Wiederaufbau in recht kurzer Zeit.<br />
In den Kriegsjahren wurden Produkte hergestellt, die<br />
unter dem Begriff „Wehrmachtsbedarf“ zusammengefasst<br />
werden können. Dazu zählten Bojen für die Marine,<br />
Nebelfässer, Behälter für kleine Splitterbomben, Panzerräder<br />
und Naben für Vollgummireifen. Gegen Ende des<br />
Trotz dieser kriegswichtigen Produktion musste einer<br />
der beiden Brüder an die Front. 1943 wurde Dr. Erich<br />
Berg in Stalingrad als vermisst gemeldet. Er sollte nie<br />
zurückkehren.<br />
Wie bei fast allen Unternehmen waren auch bei den Gebr.<br />
Berg Zwangsarbeiter beschäftigt. Wie viele Kriegsgefangene<br />
tätig waren, kann nicht mehr geklärt werden. Dokumentiert<br />
ist jedoch, dass bereits Ende 1940 für die<br />
Zwangsarbeiter eine Baracke als Unterkunft errichtet<br />
wurde. Auf dem Gelände zwischen der Bahnlinie und<br />
der Zimmerstraße baute die Firma W. und E. Berg aus<br />
Dreis-Tiefenbach eine standardisierte Baracke. Sie wird<br />
in einer Baubeschreibung vom 01.01.1939 sehr detailliert<br />
beschrieben. In einer Aktennotiz des Bauamtes vom<br />
31.08.1940 heißt es: „Fa. Gebr. Berg, Dr. Erich Berg, teilt<br />
mit, dass sie am 02.09.1940 eine Anzahl Gefangener erhält<br />
und dafür am Vorbahnhof eine Baracke aufstellen<br />
müsse. Ich habe mich mit der Aufstellung einverstanden<br />
erklärt.“ Der eigentliche Bauantrag kam dann am<br />
19.09.1940. Der Bauschein wurde am 22.10.1940 gegen<br />
eine Gebühr von 20 Reichsmark ausgestellt.<br />
38 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1956<br />
Die „Herner Röhrenwerk GmbH“ übernimmt die gesamte Fabrikation von der „Röhren- und Schweißwerk vorm. G. Kunze GmbH“<br />
und zieht zum alten Standort in Bochum.<br />
Dr. Paul Berg und sein Sohn Hans konzentrieren sich auf das Werk in Herne; die Familie von Dr. Erich Berg engagiert sich in<br />
Weidenau.
<strong>Bergrohr</strong>werk nach dem Brand 1941.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |39
Während die Zahl der Kriegsgefangenen im Dunklen<br />
bleibt, ist über die zivilen Zwangsarbeiter mehr bekannt.<br />
Auf einer Liste der Firma aus dem <strong>Jahre</strong> 1945 sind insgesamt<br />
68 Namen verzeichnet. Diese Menschen kamen<br />
zwischen 1942 und 1944 nach Weidenau. Einige Zwangsarbeiter<br />
waren mit ihrer Familie zusammen gekommen,<br />
wie etwa die 1930 geborene Nina T., die 1942 mit Mutter<br />
und zwei Geschwistern bei der Firma Gebr. Berg registriert<br />
wurde. Andere waren offenbar allein wie die 1928<br />
geborene Sonja K., die ebenfalls 1942 zur Firma Gebr.<br />
Berg kam. Für die se „Ostarbeiter“ wurde eine weitere<br />
Baracke errichtet, die nach Kriegsende weiter als Wohnraum<br />
diente.<br />
Im Sommer 1944 baute die Firma Gebr. Berg einen Luftschutzstollen<br />
in die auf der anderen Seite der Sieg gelegene<br />
Schlackenhalde der Rolandshütte. Als Zugang<br />
musste eigens eine Fußgängerbrücke gebaut werden.<br />
Warum es erst im November 1944 zum Bau der zweiten<br />
Baracke kam, ist unklar. Vielleicht machten die Angriffe<br />
der alliierten Tiefflieger die Märsche von und nach Dreis-<br />
Tiefenbach, wo sich bis dahin die Unterkünfte befanden,<br />
zu gefährlich. Vielleicht hing es aber auch mit der Produktion<br />
der Drehkränze für den Panzer „Königstiger“ zusammen,<br />
der in den letzten Kriegsmonaten als Wunderwaffe<br />
angekündigt wurde.<br />
1957<br />
Eintritt von Dr. Fritz Berg in das Unternehmen.<br />
1958<br />
Neubau der Halle VIII (Beschickungsanlage).<br />
40 | <strong>Bergrohr</strong>
Neuanfang 1945<br />
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges brach der Handel<br />
mit Mittel- und Ostdeutschland komplett zusammen.<br />
Angesichts der desolaten Wirtschaftslage musste innerhalb<br />
der Firma Gebr. Berg dringend geklärt werden, wer<br />
das Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten führen<br />
sollte. Da Dr. Erich Berg als im Krieg vermisst galt,<br />
wurde seine Frau Gertrud im Juni 1946 vom Amtsgericht<br />
Siegen als Abwesenheitspflegerin bestellt. Ab diesem<br />
Zeitpunkt durfte sie im Namen ihres Mannes über dessen<br />
Geschäftsanteile verfügen. Bis Dr. Erich Berg im<br />
<strong>Jahre</strong> 1963 für tot erklärt werden konnte, mussten alle<br />
Verträge in seinem Namen abgeschlossen werden. Dies<br />
war nur durch eine offiziell berechtigte Person, in diesem<br />
Fall seine Ehefrau Gertrud, möglich. Besondere Be-<br />
Gertrud Berg<br />
Dr. Erich Berg<br />
<strong>Bergrohr</strong> |41
Dr. Paul Berg wurde als Geschäftsführer eines „kriegswichtigen“<br />
Unternehmens in Recklinghausen interniert. Nach<br />
seiner Rückkehr 1946 erteilte die britische Militärregierung<br />
den zur Neuaufnahme der Produktion benötigten Erlaubnisschein.<br />
Zuvor hatte die Firma Gebr. Berg vorübergehend<br />
auf der Demontageliste gestanden und musste ein<br />
halbes Jahr lang den Betrieb einstellen. In dieser Zeit der<br />
Not wurden auch ungewöhnliche Projekte angefasst: So<br />
baute die Firma Gebr. Berg die zerstörte Siegbrücke<br />
zwischen Niederschelden und Niederschelderhütte auf.<br />
Bald nach dem Krieg musste eine richtungsweisende<br />
Entscheidung getroffen werden: Sollte man sich künftig<br />
auf die Produktion von Großrohren oder auf Rohre mit<br />
kleineren Durchmessern konzentrieren 12-Meter-Walze<br />
oder Einroll- und Autogenschweißmaschinen<br />
Grete und Dr. Paul Berg<br />
deutung hatte diese Regelung nach dem Tod von Firmengründer<br />
Ernst Berg im <strong>Jahre</strong> 1949, da er das Unternehmen<br />
seinen beiden Söhnen Erich und Paul je zur<br />
Hälfte hinterlassen hatte. In diesen Ereignissen spiegelt<br />
sich ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte, denn<br />
viele Familien mussten wie die Bergs lernen, ohne den<br />
im Krieg vermissten oder verstorbenen Ehemann und<br />
Vater auszukommen.<br />
Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten der Großrohre.<br />
Aufgrund der beengten Platzverhältnisse blieb<br />
einfach nicht genug Raum, um daneben Rohre mit kleinerem<br />
Durchmesser herzustellen.<br />
Auch auf gesellschaftsrechtlicher Seite wurden Weichen<br />
gestellt: 1949 entstand wieder die Gebr. Berg GmbH.<br />
Ziel war es, in schwierigen Zeiten das Privatvermögen<br />
der Gesellschafter aus der Haftung zu nehmen. Die GmbH<br />
pachtete von der weiter bestehenden Gebr. Berg oHG<br />
die Maschinen und Gebäude und übernahm den Produktionsbetrieb.<br />
1966<br />
Inbetriebnahme einer Blechplatten-Sschweißmaschine in Halle III.<br />
42 | <strong>Bergrohr</strong>
Wirtschaftswunder<br />
Nach schwierigen Anfängen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren<br />
folgte das deutsche Wirtschaftswunder.<br />
Getragen von der Aufbruchstimmung der 50er und 60er<br />
<strong>Jahre</strong> expandierte auch die Gebr. Berg GmbH in großem<br />
Umfang – und in Richtung Ruhrgebiet.<br />
Das Vormaterial bezog das Unternehmen damals im Wesentlichen<br />
aus dem Ruhrgebiet. Es wurde von allen<br />
Walz werken mit der Frachtbasis Essen geliefert. Der<br />
Weg ins Siegerland von Essen aus bedeutete daher zusätzliche<br />
27 DM an Frachtkosten. Folglich war eine Röhrenfertigung<br />
im Ruhrgebiet zunehmend interessant.<br />
Im Jahr 1953 ergab es sich, dass das „Röhren- und<br />
Schweißwerk vorm. G. Kuntze GmbH“ in Bochum nicht<br />
weiter geführt werden sollte, da es durch einen Erbfall<br />
an einen Studienrat in Stuttgart kam, der die Röhrenfertigung<br />
nicht fortsetzen wollte. Das war der Anlass für<br />
Gebr. Berg die „Herner Röhrenwerke GmbH“ in Herne<br />
zu gründen, von der BASF in Herne leerstehende Fabrikationshallen<br />
zu mieten und die in der Röhrenfertigung<br />
erfahrene Belegschaft Kuntze dort zu übernehmen. Die<br />
notwendigen maschinellen Einrichtungen kamen aus<br />
Siegen.<br />
Im Jahr 1956 stand das Gelände der Kuntze GmbH zum<br />
Verkauf. Es wurde von Gebr. Berg GmbH, Herner Röhren<br />
werk GmbH und mit 5 % von Dr. Paul Berg erworben.<br />
Belegschaft und die gesamte Röhrenfertigung zog<br />
zu Kuntze um und das Pachtverhältnis mit der BASF<br />
wurde beendet.<br />
Die Expansion im Ruhrgebiet verursachte letztlich eine<br />
Interessenaufspaltung in zwei Familienlinien: Dr. Paul<br />
Berg und seine Nachkommen, insbesondere sein Sohn<br />
Hans, konzentrierten sich auf den Herner Firmenzweig.<br />
Die Nachkommen des im Krieg vermissten und später<br />
für Tod erklärten Dr. Erich Berg engagierten sich in Weidenau.<br />
Dr. Fritz Berg, der älteste Sohn, trat bereits 1957<br />
in das Siegener Unternehmen ein; sein Bruder Dipl.-Ing<br />
Heinrich Berg im <strong>Jahre</strong> 1970. Neben seinem Engagement<br />
in Herne blieb Dr. Paul Berg Gesellschafter und<br />
Geschäftsführer in Weidenau. Trotz gemeinsamer Eigentumsverhältnisse<br />
der beiden Familienzweige kam es in<br />
den 60er <strong>Jahre</strong>n verstärkt zu Konkurrenzsituationen. Das<br />
führte zur Gründung einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft,<br />
der „<strong>Bergrohr</strong> GmbH Düsseldorf“ mit Sitz in Düsseldorf.<br />
Aufgabe dieses neuen Unternehmens war der<br />
Vertrieb und die gleichmäßige Verteilung der Aufträge<br />
auf beide Firmen. Mit dieser Vertriebsfirma taucht der<br />
Name „<strong>Bergrohr</strong>“ 1969 erstmals am Markt auf.<br />
In den 70er und den frühen 80er <strong>Jahre</strong>n erlebte die<br />
Firma Gebr. Berg eine rasante Entwicklung. Der Export<br />
1969<br />
Gründung der „<strong>Bergrohr</strong> GmbH Düsseldorf“ als gemeinsame Vertriebsgesellschaft für die Werke Siegen und Herne.<br />
,<strong>Bergrohr</strong> |43
Geschäftsführende Gesellschafter der 3 Generation: Ilse und Dr. Fritz Berg, Ingrid und Heinrich Berg, Christine und Hans Berg (von links nach rechts).<br />
explodierte und nahm teilweise 90 Prozent der gesamten<br />
Produktion ein. Das bescherte beiden Firmenzweigen<br />
starkes und kontinuierliches Wachstum.<br />
Wichtigste Handelspartner außerhalb der Bundesrepublik<br />
waren in dieser Zeit die ehemalige Sowjetunion,<br />
Skandinavien, die Niederlande und außerhalb von Europa<br />
Iran, Irak und Peru.<br />
Ein großer Wettbewerbsvorteil der Gruppe <strong>Bergrohr</strong>:<br />
Durch ihre Fertigungsmethode konnte sie sich flexibel<br />
und schnell auf ungewöhnliche Maße umstellen. Etwa<br />
als die sowjetische Gasindustrie nach ihren gültigen<br />
Normen Rohre mit 530 mm Durchmesser statt der hier<br />
üblichen 508 mm verlangte. Die großen Rohrhersteller,<br />
die das U-O-Pressverfahren anwandten, konnten ihre<br />
Produktion nicht entsprechend anpassen. Ganz anders<br />
<strong>Bergrohr</strong>, das mit seiner Drei-Walzen-Biegemaschine<br />
innerhalb bestimmter Grenzen die Abmessungen fast<br />
beliebig wählen konnte.<br />
1978 wurde die Herner Röhrenwerk GmbH in die Berg-<br />
Beteiligungs GmbH umgewandelt. Sie besaß ja keine<br />
Röhrenfertigung mehr, hielt jedoch 47,5 % Beteiligung<br />
an Kuntze GmbH und konnte evtl. weitere Beteiligungen<br />
übernehmen.<br />
Ein solcher Schritt erfolgte 1980: In Panama City, Florida<br />
wurde die „Berg Steel Pipe Corporation“ gegründet. Ein<br />
Beweggrund dazu war, dass die Röhrenlieferungen aus<br />
der Bundesrepublik in die USA einen immer größeren<br />
Umfang angenommen hatten. Die Berg-Beteiligungs<br />
GmbH übernahm 60 % der Anteile an der neuen Gesellschaft<br />
und 40 % wurden von zwei amerikanischen Gesellschaftern<br />
übernommen. Das neue Unternehmen in<br />
den USA arbeitete mit den gleichen Maschinen und<br />
nach den gleichen Abläufen wie die Stammwerke in<br />
Deutschland. Von Florida aus sollte vor allem der amerikanische<br />
Markt bedient werden. Hin tergrund waren die<br />
verschärften Einfuhrbedingungen für ausländische<br />
Stahlrohre, mit denen die US-Regierung die eigenen<br />
44 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1969/70<br />
Anbau einer Sandstrahlanlage an die Halle VIII.
<strong>Bergrohr</strong> Siegen (Bild oben), <strong>Bergrohr</strong> Herne (Bild li.) und Berg-Steel-Pipe-Corporation Panama City, Florida (Bild re.). <strong>Bergrohr</strong> |45
Unternehmen stützen wollte, und der schon nennenswerte<br />
Kundenkreis in den USA.<br />
Auch in Deutschland wurden die Aktivitäten ausgeweitet.<br />
<strong>Bergrohr</strong> Herne ging 1981 mit einem weiteren großen<br />
Produktionsstandort in Dillingen im Saarland an den<br />
Start. Dies geschah direkt auf dem Werksgelände der<br />
Dillinger Hütte unter derer gleichzeitiger finanzieller Beteiligung<br />
an <strong>Bergrohr</strong> Herne – der Name <strong>Bergrohr</strong> GmbH<br />
Herne Werk Dillingen war geboren. <strong>Bergrohr</strong> Siegen<br />
suchte Mitte der 1980er <strong>Jahre</strong> die Erweiterung in Nischenmärkten<br />
und gründete ein Tochterunternehmen<br />
mit dem Namen Berg-Spezialrohr GmbH, gelegen am<br />
Hauptstandort in Siegen-Weidenau.<br />
Zu diesem Zeitpunkt waren die Gesellschafterfamilien<br />
bereits übereingekommen, ihre jeweiligen gegenseitigen<br />
Anteilsbesitze auszutauschen, so dass ein eigenständiges<br />
und unabhängiges Gestalten und Handeln in Siegen<br />
und in Herne möglich wurde.<br />
In der zweiten Hälfte der 1980er <strong>Jahre</strong> allerdings kam<br />
dieses Wachstum zu einem jähen Ende. Eine über alle<br />
Standorte aufsummierte <strong>Jahre</strong>sproduktionsleistung von<br />
knapp über 1 Million Tonnen Stahlrohre war erreicht, als<br />
im Zuge der Veränderungen im Ostblock, insbesondere<br />
der Auflösung der Sowjetunion, die entscheidenden Absatzmärkte<br />
praktisch über Nacht wegbrachen. Auch die<br />
Geschäfte in den USA liefen nicht mehr zufrieden stellend.<br />
Diese neue Marktsituation bedeutete das Aus für<br />
viele namhafte Unternehmen. Die Folgen für <strong>Bergrohr</strong><br />
lassen sich knapp wie folgt zusammenfassen:<br />
n Trennung von den Anteilen an der „Berg-Steel-Pipe-<br />
Corporation“ in 1988<br />
n Verkauf der <strong>Bergrohr</strong> GmbH Herne mit den Standorten<br />
Herne und Dillingen an die Dillinger Hütte 1990, gleichzeitig<br />
Gründung der Europipe als neuen Besitzer dieser<br />
Standorte (dabei unmittelbare Stilllegung des Werks in<br />
Dillingen)<br />
n Aufgabe der Berg-Spezialrohr GmbH als eigenständige<br />
Firma, Reduktion der Kapazitäten in Siegen auf<br />
einschichtige Fahrweise 1993<br />
n Aufgabe des Standorts Herne durch die Europipe 1994<br />
So ist <strong>Bergrohr</strong> innerhalb weniger <strong>Jahre</strong> von seiner Spitzengröße<br />
zurückgeschrumpft auf seine ursprüngliche Keimzelle<br />
am Standort in Siegen, und selbst diese konnte nur<br />
noch mit reduzierter Fahrweise am Leben gehalten werden.<br />
1970<br />
Eintritt von Dipl.-Ing. Heinrich Berg in das Unternehmen.<br />
46 | <strong>Bergrohr</strong>
Neuorientierung<br />
Krisen als Herausforderungen begreifen, Probleme als<br />
neue Aufgabenstellungen zu verstehen und anzunehmen<br />
– das zählt zu den Grundrezepten erfolgreichen Unternehmertums.<br />
Jedoch auch in guten Zeiten, die nicht von<br />
Krisen oder schwerwiegenden Problemen geprägt sind,<br />
sind zuweilen Neuorientierungen und unternehmerische<br />
Weichestellungen gefragt.<br />
<strong>Bergrohr</strong> Siegen – der Teil von <strong>Bergrohr</strong>, der am Ende<br />
übrig geblieben ist – konnte nach längerer Durstrecke<br />
infolge seiner radikalen Schrumpfung Anfang der 1990er<br />
<strong>Jahre</strong> bald wieder eine durchgängige Erfolgsbilanz nachweisen.<br />
Die nun anvisierten Nischenmärkte, die mit den<br />
vorhandenen Produktionsmitteln und Vertriebsmöglichkeiten<br />
erreichbar waren, hatten gerade die Größe, dass<br />
eine einschichtige Auslastung des Betriebs im <strong>Jahre</strong>smittel<br />
immer gewährleistet werden konnte. Ein 1993 eingeführtes<br />
flexibles Arbeitszeitmodell entpuppte sich als<br />
äußerst wirkungsvolles Instrument, wenn die Kapazitäten<br />
an immer wieder aufkommende Anforderungsspitzen<br />
und in der Folge auch wieder schwache Zeiten kurzfristig<br />
angepasst werden mussten.<br />
Das einschichtige, flexible Betriebsmodell hat nun seit<br />
rund 15 <strong>Jahre</strong>n erfolgreichen Bestand. <strong>Bergrohr</strong> hat sich<br />
in dieser Zeit nicht nur konsolidiert, sondern es hat<br />
auch sichtbar Kraft und unternehmerischen Handlungs-<br />
Arbeitszeitmodell<br />
Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage musste die<br />
„<strong>Bergrohr</strong> Siegen GmbH“ ab 1987 mehrfach Kurzarbeit<br />
anmelden.<br />
Mit Flexibilität und dem Mut neue Wege zu gehen, entwickelten<br />
Arbeitgeber, Betriebsrat und Gewerkschaft<br />
1993 ein richtungweisendes Arbeitszeitmodel: Es wurden<br />
individuell geführte Arbeitszeitkonten eingerichtet.<br />
Das Prinzip der bis dahin üblichen Arbeitszeitkonten:<br />
Der Arbeitnehmer sammelt seine Stunden und erhält unabhängig<br />
von der Arbeitszeit seinen Monatslohn. Bei<br />
Mehrarbeit wird auf Zuschläge verzichtet. Am Ende des<br />
<strong>Jahre</strong>s muss das Arbeitszeitkonto ausgeglichen sein.<br />
Ansonsten erhält der Arbeitnehmer für seine Überstunden<br />
eine Ausgleichszahlung.<br />
Das individuell geführte Arbeitszeitmodell bei <strong>Bergrohr</strong><br />
ging noch einen entscheidenden Schritt weiter: Auch<br />
hier musste das Stundenkonto innerhalb eines <strong>Jahre</strong>s<br />
ausgeglichen werden. Stichtag war aber nicht zwingend<br />
das <strong>Jahre</strong>sende, sondern der letzte Termin, an dem das<br />
Konto ausgeglichen war. Das konnte bei einigen Arbeitnehmern<br />
auch Anfang oder Mitte des <strong>Jahre</strong>s sein.<br />
Mit dieser Regelung umging die <strong>Bergrohr</strong> GmbH die oft<br />
erheblichen Ausgleichszahlungen an einem Termin,<br />
nämlich dem <strong>Jahre</strong>sende. Dies war ein wesentlicher Vorteil,<br />
gerade in den <strong>Jahre</strong>n der Wirtschaftskrise.<br />
1974<br />
Umbenennung in <strong>Bergrohr</strong> Siegen und <strong>Bergrohr</strong> Herne.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |47
Geschäftsführende Gesellschafter der 4 Generation: Bernd Berg, Jost Berg, Axel Berg (von links nach rechts).<br />
spielraum geschöpft. Diese Möglichkeiten richtig zu nutzen<br />
zur Gestaltung von Wachstum und zur Schaffung<br />
einer möglichst eigenständigen Marktposition, das ist<br />
die derzeitige Herausforderung und Aufgabenstellung.<br />
Die große Wachstumsphase der Stahlgroßrohrindustrie<br />
in Europa liegt inzwischen viele <strong>Jahre</strong> zurück, mit einem<br />
Wiederaufleben ist nicht zu rechnen. Gleichzeitig sind<br />
die Zuwachsraten in den Herstellkapazitäten durchaus<br />
groß, ja geradezu spektakulär. Dies findet aber primär in<br />
den von explosionsartigem Wachstum gekennzeichneten<br />
östlichen und fernöstlichen Volkswirtschaften statt,<br />
allen voran China und Russland, zum Teil auch in den<br />
USA und in Südamerika. Die Produkte aus diesen neuen<br />
oder erneuerten Rohrwerken entsprechen in den allermeisten<br />
Fällen den üblichen Standards, sind in der<br />
Regel von guter Qualität, aber austauschbar, ohne nennenswerte<br />
Alleinstellungsmerkmale und in herstellungskostengetriebene<br />
Massenmärkte gerichtet. Hier zählt<br />
Konzernintegriertheit, logistisch günstig gelegener<br />
Standort und hohe Ausstoßrate zu den Erfolgsfaktoren.<br />
Alles, was <strong>Bergrohr</strong> nicht hat.<br />
Für ein Unternehmen unserer Prägung, seiner moderaten<br />
Größe, seiner internen Struktur und seiner ausgeprägten<br />
Fokussierung auf ausschließlich Stahlgroßrohre<br />
müssen andere Wege zum Wachstum gefunden werden,<br />
abseits der großen Massenmärkte.<br />
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Bestehen außerhalb<br />
der Massenmärkte sind Flexibilität, ein möglichst<br />
großes Abmessungsspektrum und die Fähigkeit, beson-<br />
1978<br />
Die Herner Röhrenwerke GmbH wird in die Berg Beteiligungs-GmbH umgewandelt.<br />
48 | <strong>Bergrohr</strong>
dere Verarbeitungen zu leisten. Diese Bedingungen erfüllt<br />
<strong>Bergrohr</strong> heute schon in hohem Maße. Der Ausbau<br />
dieser Stärken ist das strategische Ziel der kommenden<br />
<strong>Jahre</strong>. Komplexe Rohrprodukte wie das BERG-LAY ® -<br />
Rohr bieten dazu gute Voraussetzungen. Die Nutzung<br />
der nun seit kurzem gegebenen technischen Voraussetzungen<br />
verbunden mit einer intensiven Marktkommunikation<br />
wird der Schlüssel für Erfolg in der Zukunft sein.<br />
Heike und Bernd Berg mit Kindern Julia und Hendrik.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |49
Übersicht Firmengelände <strong>Bergrohr</strong> GmbH Siegen<br />
bis 1945<br />
bis 1995<br />
bis 1997<br />
nach 2004<br />
1979<br />
Erster Großauftrag aus Moskau.<br />
1980<br />
Gründung des Zweigwerkes in Panama City/Florida..<br />
50 | <strong>Bergrohr</strong>
Referenz-Projekte<br />
Das Hauptgeschäft von <strong>Bergrohr</strong> bleibt dem Normalbürger<br />
vorborgen: Rohre in allen denkbaren Größen und<br />
Ausführungen – als Rohrleitungen unsichtbar metertief<br />
in der Erde vergraben. Grund genug einmal einige der<br />
Projekte vorzustellen, bei denen die <strong>Bergrohr</strong>-Produkte<br />
überirdisch verarbeitet wurden.<br />
Rohre aus der Produktion im Siegerland werden beispielsweise<br />
beim Bau großer Hallen eingesetzt. Zu den<br />
bekanntesten Projekten zählen die Arena auf Schalke,<br />
die AOL-Arena in Hamburg, die Messehalle 3 A in Frankfurt,<br />
die neue DASA-Montagehalle in Hamburg, die Skihalle<br />
in Neuss und die Looping-Achterbahn in Tampere<br />
in Finnland.<br />
Stahlrohre von <strong>Bergrohr</strong> werden auch beim Brückenbau<br />
verwendet. Eines der spektakulärsten Projekte ist die<br />
Brücke über den Tejo Fluß bei Lissabon, die zur Weltausstellung<br />
1998 errichtet wurde. Bei der Unterkonstruktion<br />
spielen Rohre aus Weidenau eine tragende Rolle. Bereits<br />
1995 wurden die Rohre der Superlative bei <strong>Bergrohr</strong><br />
gefertigt. Ihre Maße: 24 Meter Länge, 1.700 mm<br />
Durchmesser, 25 Tonnen Gewicht. Die Rohrgiganten<br />
wurden mit Spezialtransportern nach Holland gebracht,<br />
zu 72 Meter langen Rammpfählen zusammengesetzt<br />
und anschließend nach Portugal verschifft.<br />
Im spanischen Sevilla wurde zur Expo 1992 ein rund 100<br />
Meter hoher Aussichtsturm errichtet, der aus sieben einzelnen<br />
Rohren der Firma <strong>Bergrohr</strong> besteht. Das unterste<br />
Rohr allein wiegt 23 Tonnen; die gesamte Konstruktion<br />
100 Tonnen. Hinzu kommt noch das Gewicht der Gondel,<br />
die 80 Besucher transportieren kann und sich rotierend<br />
am Turm auf- und abbewegt. Die Konstruktion be-<br />
Skytower, Panorama Park in Sierksdorf.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |51
uht übrigens auf einem Entwurf der Firma Huss aus<br />
Bremen, die – ebenfalls mit Rohren aus Weidenau –<br />
Aussichtstürme im Hansaland bei Sierksdorf in Schleswig-Holstein<br />
und in Hongkong konstruiert hat.<br />
Stolz ist man im Hause Berg auch auf einen Großauftrag<br />
aus München. Hier wurden Rohre für eine 43 Kilometer<br />
lange Wasserleitung geliefert, die vom Mangfalltal in die<br />
Landeshauptstadt führt.<br />
Zu den sicher ungewöhnlicheren Aufträgen gehörte ein<br />
Projekt in der Schweiz: Die Züricher Stadtwerke wollten<br />
ihren Gasvorrat nicht mehr in den hoch aufragenden Gasometern<br />
oder Kugelbehältern speichern, sondern<br />
unterirdisch in Rohrleitungen. Dazu sollte das Gas unter<br />
hohem Druck in großvolumige Rohre gepumpt werden.<br />
Die entsprechenden Rohrriesen lieferte <strong>Bergrohr</strong> Siegen,<br />
denn nur hier gab es die dazu nötige Prüfbank für den<br />
geforderten Druck von 75 bar bei einem Durchmesser<br />
von 2,5 Metern. Zudem war <strong>Bergrohr</strong> das einzige Unternehmen,<br />
das 24 Meter lange Rohre mit einer Rundnaht,<br />
komplett gegen Korrosion beschichtet, liefern konnte.<br />
Leider fanden nicht alle Ideen die gewünschte Akzeptanz<br />
am Markt. Zu den Hoffnungsträgern, die letztlich zu<br />
den Akten gelegt werden mussten, zählte in den wirtschaftlich<br />
schwierigen 80er <strong>Jahre</strong>n der „Rissstopper“<br />
(crack arrester), der vom Paton-Institut in Kiew entwickelt<br />
wurde und offensichtlich nur in westlichen Spezialbetrieben<br />
hergestellt werden konnte. Mit dieser Entwicklung<br />
sollten entstehende Risse in russischen Gasleitungen,<br />
die sich oft über viele Kilometer ausdehnten, in kurzen<br />
Abständen gestoppt werden. Obwohl die Technik<br />
funktionierte, zerplatzte die Hoffnung auf einen lukrativen<br />
Großauftrag.<br />
52 | <strong>Bergrohr</strong> Brücke über den Tejo bei Lissabon.
Anhang<br />
Die Gesellschafter-Familie Berg heute: Dr. Axel Berg, Susanne Berg, Hendrik Berg, Heike Berg, Julia Berg, Bernd Berg, Ilse Berg, Dr. Fritz Berg, Sebastian<br />
Berg, Frederik Berg, Jost Berg (von links nach rechts). Es fehlt Karin Sobczyk-Berg.<br />
80er <strong>Jahre</strong><br />
Verflechtung der Firma <strong>Bergrohr</strong> Herne mit der Dillingerhütte.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |53
Familienstammbaum<br />
1. Generation<br />
Lina<br />
Berg<br />
* 22.11.1866<br />
† 31.01.1889<br />
= Gesellschafter<br />
= Ehepartner Gesellschafter<br />
= Familienmitglied<br />
Berta<br />
Hess<br />
geb. Berg<br />
* 15.03.1868<br />
†<br />
Emma<br />
Birkelbach<br />
geb. Berg<br />
* 27.09.1869<br />
†<br />
Karl<br />
Berg<br />
Fabrikant<br />
* 24.10.1870<br />
†<br />
Minna<br />
Jung<br />
geb. Berg<br />
* 04.11.1872<br />
†<br />
Ernst<br />
Berg<br />
Fabrikant<br />
* 26.04.1874<br />
† 08.02.1949<br />
Johann Simon Katharina<br />
Berg Berg<br />
Fuhrmann geb. Wendel<br />
* 05.12.1768 * 04.04.1771<br />
† 23.12.1813 † 16.11.1841<br />
Johannes Katharina<br />
Berg Berg<br />
Zimmermann geb. Textor<br />
* 17.06.1807 * 28.09.1805<br />
† 18.04.1869 † 15.02.1858<br />
Johannes<br />
Berg<br />
Zimmermeister<br />
* 07.12.1836<br />
† 15.11.1894<br />
Wilhelmine<br />
Berg<br />
geb.Weißensee<br />
* 26.06.1873<br />
† 12.11.1946<br />
Henriette<br />
Berg<br />
geb. Fick<br />
* 22.11.1847<br />
† 29.10.1924<br />
Auguste<br />
Dickel<br />
geb. Berg<br />
* 13.03.1876<br />
†<br />
Emil<br />
Berg<br />
Regierungs -<br />
baumeister<br />
* 08.12.1877<br />
† 00.06.1926<br />
Fritz<br />
Berg<br />
Installateur<br />
* 06.09.1879<br />
†<br />
Heinrich<br />
Berg<br />
* 18.03.1881<br />
† 15.03.1882<br />
Heinrich<br />
Berg<br />
Kreiskulturbaumeister<br />
* 19.06.1883<br />
†<br />
August<br />
Berg<br />
Baumeister<br />
* 24.08.1884<br />
†<br />
Paula<br />
Berg<br />
* 29.10.1885<br />
†<br />
2. Generation<br />
Erich<br />
Berg<br />
Dr. rer. pol.<br />
* 13.12.1901<br />
1943 Stalingrad<br />
Gertrud<br />
Berg<br />
geb. Nerbel<br />
* 07.07.1906<br />
† 28.09.1977<br />
Paul<br />
Berg<br />
Dr. Ing.<br />
* 09.01.1906<br />
† 01.06.1983<br />
Grete<br />
Berg<br />
geb. Demler<br />
* 17.04.1910<br />
† 11.07.1987<br />
3. Generation<br />
Heinrich<br />
Berg<br />
Dipl. Ing.<br />
* 25.03.1937<br />
Ingrid<br />
Berg<br />
geb. Reichert<br />
*28.06.1939<br />
Gabriele * 07.10.1966<br />
Christina * 20.05.1970<br />
4. Generation<br />
Ruth<br />
v. d. Heide<br />
geb. Berg<br />
*30.12.1933<br />
Hermann<br />
v. d. Heide<br />
Dipl. Ing.<br />
*13.03.1928<br />
Ulrike * 08.06.1957<br />
Brigitte * 15.04.1961<br />
Fritz<br />
Berg<br />
Dr. rer. pol.<br />
*20.11.1929<br />
Ilse<br />
Berg<br />
geb. Kritzler<br />
* 21.04.1931<br />
Bernd * 08.07.1957<br />
Jost * 09.04.1960<br />
Axel * 28.12.1962<br />
Margit<br />
Barich<br />
geb. Berg<br />
Dieter<br />
Barich<br />
* 03.06.1937 * 03.06.1937<br />
Rotger * 20.08.1962<br />
Axel * 15.02.1964<br />
Lutz * 12.12.1964<br />
Carlo * 08.12.1967<br />
Catrina * 18.04.1969<br />
Friedel<br />
Stadelmann<br />
geb. Berg<br />
Volker<br />
Stadelmann<br />
*09.03.1939 *00.00.0000<br />
Nicola * 12.11.1972<br />
Frank * 04.12.1974<br />
Hans<br />
Berg<br />
Christine<br />
Berg<br />
geb. Kegelberg<br />
* 11.02.1942 * 21.01.1945<br />
Victoria * 27.04.1969<br />
Patrik * 07.02.1972<br />
Marc * 28.01.1975<br />
Bernd<br />
Berg<br />
Dipl.-Ing.<br />
* 08.07.1957<br />
Heike<br />
Berg<br />
geb. Achenbach<br />
* 03.01.1963<br />
Hendrik * 19.10.1993<br />
Julia * 04.09.1997<br />
Jost<br />
Berg<br />
Dipl. Wirt-Ing.<br />
* 09.04.1960<br />
Karin<br />
Sobczyk-Berg<br />
geb. Sobczyk<br />
* 25.07.1960<br />
Frederik * 25.10.1989<br />
Sebastian * 11.10.1993<br />
Axel Susanne<br />
Berg Berg<br />
Dr. jur. geb. Mattner<br />
* 28.12.1962 * 16.11.1973<br />
Josefin Amalia * 03.11.2007<br />
54 | <strong>Bergrohr</strong>
Rede Bernd Berg zum <strong>111</strong>-jährigen Jubiläum<br />
Vor gut 2 <strong>Jahre</strong>n hat dieser Termin, die Feier zum <strong>111</strong>-jährigen<br />
Bestehen der Fa. <strong>Bergrohr</strong> – noch ein wenig vorläufig<br />
– seinen Eintrag in meinen Kalender gefunden. Das laufende,<br />
große Investitionsprogramm war bereits begonnen<br />
und ich hatte die Vision, heute ein weitgehend vollendetes<br />
Werk vorzeigen zu können. Dies ist – einerseits leider –<br />
nicht ganz erreicht. Daraus ergibt sich andererseits der<br />
Vorteil, dass Sie nachher bei der Betriebsbesichtigung<br />
nicht nur unsere neuen Hallen sehen können. Sie werden<br />
nebeneinander erkennen können, wie unser alter Betriebsbereich<br />
lange <strong>Jahre</strong> ausgesehen hat, und wie er in<br />
Zukunft aussehen wird. Sozusagen „vorher und nachher“.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |55
Verehrte Gäste, dieses Jubiläum wollten wir feiern im<br />
Kreise derer, mit denen wir täglich zusammenarbeiten. Mit<br />
denjenigen, die die Vorleistungen erbringen, welche unser<br />
tägliches Geschäft erst ermöglichen: Stahlbleche und<br />
Schweißdrähte, Maschinen und Werkzeuge, Kredite und<br />
Versicherungen und vielerlei mehr. Und natürlich mit denjenigen,<br />
die wir unsererseits mit Lieferungen und Leistungen<br />
täglich beglücken. Mit anderen Worten, im Kreise<br />
derer, in die wir als <strong>Bergrohr</strong> unlösbar eingebettet sind und<br />
mit denen wir gewissermaßen in gegenseitiger Abhängigkeit<br />
leben.<br />
you as our guests today. I sincerely do hope that you can<br />
enjoy your presence here, and – although much German<br />
will be spoken – that you can breathe the spirit of this very<br />
special event.<br />
Besonders begrüßen möchte ich – ja eigentlich noch mal<br />
Sie alle –<br />
n den stellvertretenden Landrat Siegen-Wittgenstein,<br />
Herrn Jürgen Althaus (der Landrat Siegen-Wittgenstein<br />
Herr Paul Breuer, ist voraussichtlich verhindert)<br />
Im Alltag wird es einem nicht bewusst wie groß dieser<br />
Kreis tatsächlich ist, aber Sie, verehrte Gäste, belegen mit<br />
Ihrer überwältigend zahlreichen Anwesenheit die Vielfalt<br />
der Kontakte, die zu einem erfolgreichen Dasein als Unternehmen<br />
hilfreich und erforderlich sind.<br />
Seien Sie alle auf das allerherzlichste willkommen geheißen<br />
hier in dieser alten Industriehalle. Wir <strong>Bergrohr</strong>s freuen<br />
uns riesig über die großartige Zahl von Zusagen auf unsere<br />
Einladung. Damit zeigen Sie auch uns, dass Sie uns<br />
als Bestandteil Ihres jeweiligen Netzwerkes von Beziehungen<br />
wertschätzen. Dies ist uns sehr wichtig und dafür<br />
möchten wir uns ehrlich bedanken.<br />
A very warm welcome also to our non German speaking<br />
guests. Some of you came from rather far distances like<br />
the UK and even the USA. We are glad and proud to have<br />
n den Bürgermeister Stadt Siegen, Herrn Ulf Stötzel<br />
n den Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes Siegen,<br />
Herrn Jörg Dienenthal<br />
n den Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen, Herrn Franz<br />
Mockenhaupt, (der Präsident der IHK Siegen, Herr Franz<br />
Becker, ist voraussichtlich verhindert)<br />
n den Hauptgeschäftshührer WSM, Herr Dr. Andreas Möhlenkamp<br />
n den Gewerkschaftssekretär IG Metall Siegen, Herrn<br />
Siegfried Klauschke<br />
n den Betriebsrat der Firma <strong>Bergrohr</strong>, Herrn Heinz<br />
Hadem<br />
56 | <strong>Bergrohr</strong><br />
1982<br />
<strong>Bergrohr</strong> Siegen gibt die Anteile an der gemeinsamen Gesellschaft <strong>Bergrohr</strong> Düsseldorf an die <strong>Bergrohr</strong> Herne ab.<br />
Beide Firmenzweige übernehmen den Verkauf wieder in eigener Regie.
n den Leiter des <strong>Bergrohr</strong> Iran Branch Office in Teheran,<br />
Herrn Dr. Ali Ghazanfari<br />
n den Beirat der Fa. <strong>Bergrohr</strong>, Herrn Dr. Heribert Wiedenhues<br />
und Herrn Dirk Körner<br />
Ich freue mich, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind<br />
und diese Jubiläumsfeier mit uns begehen.<br />
Ein ganz besonderer Willkommensgruß geht an Herrn Jürgen<br />
Thumann, der uns – als Ehrengast und – als Präsident<br />
des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) heute<br />
beehrt und auch gleich hier auf der Bühne in Erscheinung<br />
treten wird. Ein sehr herzliches Willkommen an Sie, Herr<br />
Thumann!<br />
Es gibt noch eine Begrüßung, die – mit Verlaub, Herr<br />
Thumann – mir noch etwas mehr am Herzen liegt: Ich<br />
möchte meinen Onkel Henner Berg mit seiner Gattin<br />
Ingrid sehr willkommen heißen und ich möchte meine<br />
Mutter und meinen Vater sehr herzlich begrüßen. Ohne<br />
Euch als Unternehmer wäre <strong>Bergrohr</strong> nicht, wie es heute<br />
ist, und ich würde hier sicher nicht stehen. Ihr wart als<br />
erfolgreiche dritte Generation zwingende Voraussetzung,<br />
damit einer vierten Generation eine Chance gegeben<br />
werden konnte. Und der substanzielle Einfluss meiner<br />
Eltern auf den Umstand, dass ich hier stehen kann, erschließt<br />
sich dem geneigten Zuschauer wahrscheinlich<br />
von selbst.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |57
Es ist rund 35 <strong>Jahre</strong> her, als unser Betrieb in die Form gebracht<br />
worden ist, die wir heute so umfassend verändern.<br />
Mein Vater und mein Onkel haben damals viele Baumaßnahmen<br />
realisiert, neue Maschinen angeschafft und einen<br />
durchgängigen, effizienten Materialfluss etabliert. Vermutlich<br />
hat man das Beste erreicht, was man aus den damals<br />
gegebenen technischen und räumlichen Möglichkeiten<br />
machen konnte. Ein Großrohrwerk – Durchmesser der<br />
Rohre von einem halben Meter bis zweieinhalb Meter – auf<br />
ca. 5.000 m² Fläche! Als Kind habe ich das miterlebt – und<br />
Mangels Vergleich für normal gehalten. Im Laufe der <strong>Jahre</strong><br />
habe ich nach vielen Besichtigungen anderer Werke festgestellt,<br />
dass es nur ein so kleines und eng gebautes Rohrwerk<br />
gibt, nämlich unseres. Aber es gab Jahrzehnte lang<br />
keine sinnvolle Veränderungsmöglichkeit mehr. Die Nachbargrundstücke<br />
waren alle vollständig bewirtschaftet, so<br />
dass eine Erweiterung ausfiel. Und ein Umzug Auch so<br />
etwas wurde in Form der Gründung von <strong>Bergrohr</strong> Herne<br />
realisiert, ohne jedoch jemals ernsthaft daran zu denken,<br />
den Standort Siegen aufzugeben.<br />
Vielleicht ist es ein Streich der Geschichte, der <strong>Bergrohr</strong><br />
in diese Enge gezwungen hat. Aus heutiger, rückwärtiger<br />
Sicht ist es dann gar kein übler Streich gewesen. Nach<br />
erfolgreichen 70er und 80er <strong>Jahre</strong>n kam der Strukturwandel<br />
auch über die Deutsche Stahlgroßrohrindustrie.<br />
<strong>Bergrohr</strong> Herne wurde Europipe, <strong>Bergrohr</strong> Siegen war<br />
noch da. Klein in Größe, aber groß in Anpassungsfähigkeit.<br />
Nun ist 2007 – und wir sind immer noch da. In Siegen. Und<br />
machen Großrohre. Nur etwas anders als früher. Die Welt<br />
um uns herum ist eine andere geworden und wir versuchen,<br />
uns dieser neuen Welt mit ihren Möglichkeiten und<br />
Anforderungen zu stellen. Dass wir an der Gestaltung dieser<br />
veränderten Welt teilhaben dürfen, ist für mich auf drei<br />
besonders augenfällige Ursachen zurückzuführen. In einer<br />
Dankesrede zur Grammy-Verleihung würde ich es – wahrscheinlich<br />
unter Tränen – knapp so zusammenfassen: Ich<br />
danke meinen Eltern, Thyssen-Krupp-Schulte und Deng<br />
Xiaoping. Und in der Tat sind dies die Schlüsselzutaten<br />
zur Entwicklung der letzten <strong>Jahre</strong>:<br />
n Der unbändige Durchhaltewille meiner Vorfahren und<br />
der ganzen Familie besonders in schlechten Zeiten, so<br />
wie <strong>Bergrohr</strong> sie zuletzt in den frühen 90er <strong>Jahre</strong>n erlebt<br />
hat, mit dem Ergebnis, dass <strong>Bergrohr</strong> überhaupt<br />
noch da ist.<br />
n Die Entscheidung von Thyssen-Krupp-Schulte, nach vielen<br />
erfolglosen Anfragen um den Verkauf von einigen<br />
hundert m² an <strong>Bergrohr</strong>, plötzlich im Jahr 2003 das<br />
ganze Anwesen von ca. 15.000 m² zu veräußern, und<br />
damit die lähmende Enge aufzulösen.<br />
n Die wirtschaftliche Öffnung Chinas durch Deng Xiaoping,<br />
ohne die die weltweite Nachfrage nach fossiler<br />
Energie und nach Stahl nicht zu der Belebung des Geschäfts<br />
geführt hätte, die wir heute erleben.<br />
1983<br />
Gründung der Berg Spezialrohr GmbH.<br />
58 | <strong>Bergrohr</strong><br />
<strong>Bergrohr</strong> |59
In der Tat war der Streich, den uns die Geschichte in<br />
Bezug auf Einschränkungen in den Gestaltungsmöglichkeiten<br />
gespielt hat, aus heutiger Sicht wahrhaft kein übler.<br />
Einige Technologien, die wir jetzt in unserem neuen Betrieb<br />
einsetzen, waren vor wenigen <strong>Jahre</strong>n noch nicht<br />
marktreif. Hierunter fällt die Schweißtechnik, die mit völlig<br />
neuen Möglichkeiten der Parametergestaltung aufwarten<br />
kann. Und unser neues Transportsystem, welches Flexibilität<br />
und Produktivität in der Produktion in ganz neuer<br />
Weise miteinander verbinden lässt, wäre ohne induktive<br />
Energieübertragungstechnik und ohne modernen Datenfunk<br />
zur Steuerung undenkbar gewesen.<br />
Aber nicht nur die technologischen Möglichkeiten in der<br />
Rohrherstellung sind andere geworden, auch die technologischen<br />
Anforderungen an Stahlrohre sind andere geworden.<br />
Ein seit <strong>Jahre</strong>n anhaltender Trend zu höherwertigen<br />
Rohren mit höheren Streckgrenzen und Festigkeiten,<br />
zuweilen bei gleichzeitiger Sauergasbeständigkeit, vielfach<br />
noch spannungsarm geglüht, darauf haben wir uns<br />
inzwischen gut eingestellt, und arbeiten an der weiteren<br />
Verbesserung unserer Möglichkeiten. Auch unsere organisatorischen<br />
Abläufe stehen aktuell auf dem Prüfstand,<br />
und wir sind nicht wirklich erstaunt, dass auch hier noch<br />
größere Schätze an Verbesserungen zu heben sind.<br />
Sauergas, dass ist fast ein Zauberwort. Das dazugehörige<br />
Schreckgespenst heißt Korrosion. Tausende Köpfe in der<br />
Welt werden sich heutzutage zerbrochen bei der Suche<br />
nach Lösungen zur kostengünstigsten Bändigung dieses<br />
Dämons Korrosion. Auch wir beteiligen uns an dieser<br />
Suche. Mit einer eigenständigen Vorgehensweise zur Herstellung<br />
eines Rohres aus einem Verbund von druckfesten<br />
Kohlenstoffstählen und korrossionsbeständigen Edelmetall-Legierungen<br />
unterschiedlichster Art wollen wir künftig<br />
in diesen Märkten mitmischen. Unsere Lösung trägt<br />
den Namen „BERG-LAY ® -Rohr“. Ein mehrlagiges (lay-<br />
ered), verlegeoptimiertes (layoptimized) und mechanisch<br />
gebundenes (lined) Rohr, welches sich aus allen möglichen<br />
Werkstoffen in beliebiger Streckgrenzen kombination (any<br />
yield) zusammensetzen lässt. Und das alles aus dem<br />
Hause <strong>Bergrohr</strong>. Sind Sie neugierig Fragen Sie unsere<br />
Spezialisten!<br />
Verehrte Gäste, ich hoffe Sie spüren, dass <strong>Bergrohr</strong> dabei<br />
ist sich zu erneuern. Nach <strong>111</strong> <strong>Jahre</strong>n lebendiger Firmengeschichte<br />
und nun in vierter Generation familiengeführt,<br />
fühlen wir uns heute frisch, fit und gesund. Ich betrachte<br />
es als einen besonderen Glücksfall, dass es meine Zeit,<br />
dass es unsere Zeit ist, in der solche Gestaltungsaufgaben<br />
gestellt werden, und dass die Rahmenbedingungen<br />
eine derart umfassende Gestaltung ermöglichen.<br />
Ich möchte hier und jetzt für <strong>Bergrohr</strong> werben, möchte Sie<br />
bitten, uns weiterhin innerhalb Ihrer eigenen Netzwerke als<br />
leistungsfähigen Faktor und Partner zu betrachten. Bei<br />
allem Wettbewerb, den wir wollen, ist es unendlich wichtig,<br />
auch Freunde in der Welt zu haben. Nämlich Sie!<br />
ab 1986/87<br />
Der osteuropäische Absatzmarkt bricht komplett weg und zwingt das Unternehmen zu Entlassungen in Weidenau.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |59
Rede BDI-Präsent Jürgen R. Thumann zum <strong>111</strong>-jährigen Jubiläum<br />
Meine sehr geehrten Damen und Herren.<br />
Liebe Familie Berg.<br />
Herzlichen Dank für Ihre Einladung!<br />
<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bergrohr</strong>, welch schöner Anlass ins schöne Siegerland<br />
zu kommen! Auf der Fahrt hierher dachte ich – und<br />
vielleicht ging es Ihnen ähnlich wie mir: Wie angenehm<br />
muss es sein, hier zu leben, wo erholsame Natur und attraktive<br />
Arbeitsplätze direkt vor der Haustür liegen! Für<br />
Letzteres sorgen vor allem die hier zahlreich ansässigen<br />
mittelständischen Familienunternehmen. Verbunden mit<br />
der Region, über Generationen hinweg.<br />
Wie Ihre Firma…<br />
Der Mittelstand ist wichtig. Nicht nur für das Siegerland.<br />
Für ganz Deutschland. Mehr als 98 Prozent aller Industrieunternehmen<br />
in unserem Land sind Mittelständler.<br />
Mittelständische Unternehmen beschäftigen mehr als die<br />
Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten.<br />
Sie produzieren rund 35 Prozent der Bruttowertschöpfung<br />
der Industrie. Schaffen 70 Prozent der neuen Arbeitsplätze.<br />
Kurz gesagt: Der Mittelstand bildet das Rückgrat der deutschen<br />
Wirtschaft und ist Grundpfeiler unserer sozialen<br />
Markt wirtschaft.<br />
60 | <strong>Bergrohr</strong>
Die Firma <strong>Bergrohr</strong> ist hierfür ein Beispiel par excellence.<br />
Eine Erfolgsgeschichte. Weil sie es verstanden hat, sich<br />
auf ihre Kernkompetenzen zu fokussieren und diese strategisch<br />
auszubauen: Vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen<br />
zu Kunden und Lieferanten wurden aufgebaut. Es<br />
wurde eine Unternehmenskultur geschaffen, die Innovation<br />
fördert, bei Produkten und Produktionsverfahren. Wie<br />
die Entwicklung des Herstellkonzepts für korrosionsbeständige<br />
Stahlrohre, dem BERG-LAY ® -Rohr. Und das ist<br />
nur eines der jüngeren Beispiele.<br />
Dadurch hat sich <strong>Bergrohr</strong> entscheidende Wettbewerbsvorteile<br />
verschafft, mit denen man sich im heimischen<br />
Markt als auch auf ausländischem Terrain behauptet.<br />
Unternehmerischen Mut hat Familie Berg über vier Generationen<br />
hinweg dabei nie gescheut. Seit der Gründung im<br />
Jahr 1896 sind mit zukunftsweisenden Investitionen immer<br />
wieder neue Wege beschritten worden.<br />
Vom Großmengenhersteller von Standard-Stahlrohren ist<br />
der Wandel gelungen zum weltweiten Spitzenführer von<br />
Sonderstahlrohrprodukten. Und dabei wissen die Inhaber:<br />
Um an der Spitze zu verweilen, muss man – wie man heute<br />
so schön sagt – „dran bleiben“. Und das tun Sie: Bis in<br />
das kommende Jahr hinein entsteht hier vor Ort ein Transportsystem,<br />
das einzigartig ist im Röhrenbereich. Ein weiteres<br />
Projekt zur Stärkung Ihrer Wettbewerbsfähigkeit und<br />
Ausdruck der Innovationskraft Ihres Unternehmens. Auch<br />
Investitionen in neueste Schweißtechnologie wurden getätigt.<br />
Damit bekennen Sie sich klar zum Standort<br />
Deutschland und sichern hochqualifizierte Arbeitsplätze.<br />
Und deswegen, liebe Familie Berg, können Sie auf Ihr<br />
Unternehmen stolz sein! Ihre Produkte leisten einen wichtigen<br />
Beitrag für unsere Gesellschaft. Tagtäglich. Weltweit.<br />
So verdankt eine der längsten Brücken Europas, die<br />
Vasco-da-Gama-Brücke in Lissabon, ihre sichere Konstruktion<br />
den Stahlrohren von <strong>Bergrohr</strong>. Es sind Ihre Rohre<br />
die den Unterbau in Stadien bilden, um hunderttausenden<br />
von Fußballfans vor Wind und Wetter zu schützen. „<strong>Bergrohr</strong>e“<br />
ermöglichen den Bau von Bohrinseln, um Öl aus<br />
dem Meeresgrund zu fördern. Und sie stellen die Versorgung<br />
für viele Millionen Menschen mit Trinkwasser sicher.<br />
Unternehmen wie <strong>Bergrohr</strong> leben vom Vertrauen in die eigene<br />
Stärke. Und vom Vertrauen in die Fähigkeiten der eigenen<br />
Mitarbeiter! Gleichzeitig ist ein erfolgreiches Unternehmen<br />
wie das Ihre von Rahmenbedingungen abhängig,<br />
die Sie nicht alleine beeinflussen können.<br />
Hier beginnt die Aufgabe der Wirtschaftsverbände. Der<br />
Bundesverband der Deutschen Industrie setzt sich für bessere<br />
Rahmenbedingungen ein. Weil wir wissen, wie entscheidend<br />
sie für unsere Unternehmen sind. Tja, und wie<br />
steht es aktuell um die Rahmenbedingungen für Unternehmen,<br />
die in Deutschland tätig sind<br />
Das Schiff namens Deutschland war auf Grund gelaufen.<br />
Daraufhin wurde es in den vergangenen <strong>Jahre</strong>n von allerlei<br />
Ballast befreit.<br />
1988<br />
Entflechtung der Unternehmen Siegen und Herne.<br />
Verkauf der Anteile an der amerikanischen Tochterfirma Berg Steel Pipe in Panama City/Florida.<br />
Verschmelzung der Gebr. Berg oHG und der <strong>Bergrohr</strong> Siegen GmbH.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |61
Vor allem die Unternehmen haben mit ihren intensiven Umstrukturierungen<br />
und Reorganisationen dazu beigetragen.<br />
Sich verschlankt. Erblasten aus den 70er und 80er <strong>Jahre</strong>n<br />
beseitigt. Es wurde alles getan, um sich dem internationalen<br />
Wettbewerb anzupassen.<br />
Das sage ich nicht, um die Anstrengungen der vergangenen<br />
<strong>Jahre</strong> klein zu reden. Nein, ich sage es, weil die Politik,<br />
kaum hat das Schiff an Fahrt gewonnen, schon wieder<br />
daran denkt die Ladung zu erhöhen. Mit Mindestlohn.<br />
Kommunal-Kombi. Erhöhung des Beitrages zur Pflegeversicherung<br />
und sonstige Wünsche nach konsumtiven<br />
Ausgaben. Alles Ballast, der mit einer guten Fahrt in die<br />
Zukunft nichts zu tun hat!<br />
Am Weltmarkt überleben heißt eben sich ändern! <strong>Bergrohr</strong><br />
kann ein Lied davon singen. Es setzt schließlich über 90<br />
Prozent seiner Produkte im Ausland ab.<br />
Wir müssen eine Politik der nachhaltigen Wachstums-Vorsorge<br />
ansteuern. Sonst fährt das Schiff Deutschland beim<br />
ersten Abflauen der Weltkonjunktur gleich wieder auf<br />
Und auch die Arbeitnehmer haben ihren Beitrag geleistet.<br />
Grund.<br />
Im Rahmen einer überwiegend verantwortungsvollen Tarifpolitik<br />
in den vergangenen <strong>Jahre</strong>n. Aber auch zukünftig<br />
„Den Aufschwung für Reformen nutzen!“<br />
muss maßvoll gehandelt werden. Überzogene Lohnforderungen<br />
gefährden in einer zunehmend globalisierten Arbeitswelt<br />
Arbeitsplätze in Deutschland. Und zwar unmittelbar.<br />
Und unwiderruflich.<br />
muss das Motto sein. Die Koalitionsvereinbarung mag aus<br />
Sicht der Großen Koalition fast abgearbeitet sein. Der Reformbedarf<br />
ist aber weiterhin groß. Auch weil es gilt, Verfehlungen<br />
bisheriger Reformen zu korrigieren.<br />
Die Politik hat dagegen für mein Empfinden noch viel zu<br />
wenig über Bord geworfen. So liegt das Schiff immer noch<br />
zu tief im Wasser. Aber es schwimmt wenigstens wieder.<br />
Dank des kräftigen Aufwinds der Weltkonjunktur hat es<br />
sogar an Fahrt gewonnen. Darüber können wir uns freuen.<br />
Vor lauter Freude übersieht aber manch einer: Viele Länder<br />
sind inzwischen an uns vorbeigezogen. Sie sind viel<br />
Schauen wir auf die Unternehmensteuerreform. Für die<br />
Unternehmen in Deutschland ist die Senkung der Steuersätze<br />
wichtig. Auch die Einführung der sog. Thesaurierungsbegünstigung.<br />
Hierfür hat sich der BDI besonders<br />
eingesetzt – im Interesse unserer Familienunternehmen!<br />
Aber die Wirtschaft muss dies teuer erkaufen.<br />
leichter und schneller unterwegs!<br />
Das Haus der Unternehmensteuerreform trägt damit die<br />
Handschrift von zwei Baumeistern. Einmal die des modernen<br />
und freien Steuerarchitekten, der sich am Steuer-<br />
62 | <strong>Bergrohr</strong><br />
Ende der<br />
80er <strong>Jahre</strong><br />
Endgültige Aufteilung der beiden Firmenzweige. Die Röhrenhersteller Mannesmann (später im Zuge der Übernahme durch<br />
Vodafone an Salzgitter verkauft), Dillingen und <strong>Bergrohr</strong> Herne schließen sich zu „Europipe“ zusammen. „Europipe“ ist bis<br />
heute weltweit einer der erfolgreichsten Stahlrohr-Produzenten. Die Folge des Zusammenschlusses ist die Stilllegung des<br />
<strong>Bergrohr</strong> Werkes in Herne.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |63
satzniveau in Europa orientiert. Und einmal die Handschrift<br />
des großkoalitionär eingezwängten, auf hohe fiskalische<br />
Mauern spezialisierten Baumeisters. Im Ergebnis steht das<br />
Haus der Unternehmensteuerreform.<br />
Es ist sogar bezugsfertig… Aber der glänzenden Steuersatzfassade<br />
steht eine lange Liste an Baumängeln gegenüber.<br />
Ganz augenscheinlich bei: Der Zinsschranke. Beim<br />
sogenannten Mantelkauf. Und bei der geplanten Besteuerung<br />
von Funktionsverlagerungen. Es ist dem BDI gelungen,<br />
wesentliche Änderungen während des Gesetzgebungsverfahrens<br />
zu bewirken. Und wir kämpfen weiter!<br />
Zum Abschluss müssen wir auch zu der für uns Familienunternehmer<br />
drängenden Frage der Erbschaftssteuerreform<br />
kommen.<br />
Liebe Familie Berg, Sie wissen, worüber ich spreche. Jeder<br />
Tag, der auf die Lösung warten lässt, gefährdet den Fortbestand<br />
vieler Betriebe! Und damit zahlreiche Arbeits- und<br />
Ausbildungsplätze in unserem Land.<br />
Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, die Erbschaftssteuer<br />
auf betrieblich genutztes Vermögen über ein Abschmelzmodell<br />
zu stunden und zu erlassen. Dies ist wichtig,<br />
um die Nachfolge in Familienunternehmen reibungslos<br />
zu ermöglichen. In der vorgesehenen Form des Modells<br />
sehe ich allerdings Schwachstellen. Diese müssen<br />
dringend behoben werden. Die enge Abgrenzung von produktivem<br />
Vermögen einerseits und unproduktivem Vermögen<br />
andererseits könnte die angestrebte Entlastung zunichte<br />
machen. Es drohen vielmehr neue Belastungen. Die<br />
Politik steht in der Pflicht, ihr Versprechen gegenüber den<br />
Unternehmern einzulösen. Dies kann nur gelingen, wenn<br />
das gesamte betrieblich genutzte Vermögen geschont<br />
wird, gleich ob in Europa oder der Welt. Denn viele Familienunternehmen<br />
sind inzwischen weltweit tätig. Und ihre<br />
weltweite Tätigkeit sichert wiederum Arbeitsplätze in<br />
Deutschland.<br />
Vorankommen müssen wir auch endlich bei den Strukturreformen<br />
zur Senkung der Lohnzusatzkosten…<br />
Die „Große“ Koalition hat hier „große“ Chancen vertan. Die<br />
Gesundheitsreform hat ihre Ziele klar verfehlt. Der getroffene<br />
Kompromiss zur Pflegeversicherung hat uns auch<br />
nicht weitergebracht. Das Wort Reform will ich hier erst<br />
gar nicht in den Mund nehmen. Immerhin, der Beitrag zur<br />
Arbeitslosenversicherung sinkt. Leider nicht so stark wie<br />
er könnte…<br />
Statt die prognostizierten Überschüsse mit einer Beitragssenkung<br />
von bis zu einem Prozentpunkt an diejenigen<br />
zurückfließen zu lassen, denen es gehört, hört man<br />
von Plänen, das Geld zweckzuentfremden. Oder bisherige<br />
Reformen zurückzudrehen…<br />
Es auf die Seite für schlechte Zeiten zu legen mag da noch<br />
ein ehrenwerter Vorschlag sein. Aber er ist ungefähr genauso<br />
realistisch wie einen Hund einen Wurstvorrat anlegen<br />
zu lassen!<br />
1993<br />
Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten und Arbeitszeitkonten.<br />
<strong>Bergrohr</strong> |63
64 | <strong>Bergrohr</strong>
Dabei wissen wir, die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung<br />
um einen Prozent-Punkt kann bis zu<br />
150.000 neue Arbeitsplätze schaffen! Eines muss der<br />
Politik klar sein: Der derzeitige Aufschwung ist kein Selbstläufer.<br />
Die Konjunktur läuft gut, aber das darf nicht zu<br />
Leichtsinn verführen. Weitere Hindernisse müssen aus<br />
dem Weg, damit ein nachhaltiges Wachstum entsteht.<br />
Zusammen mit anderen Wirtschaftsverbänden baut der<br />
BDI den nötigen öffentlichen Druck dazu auf. Das ist notwendig,<br />
gerade jetzt, wo die kommenden Landtagswahlen<br />
erste Schatten werfen.<br />
Ich erinnere gern daran, der BDI hat ein kraftvolles Mandat.<br />
Die BDI-Familie vertritt zusammen 25 Prozent des<br />
deutschen Bruttoinlandsprodukts! Gemeinsam sind wir<br />
stark. Verbände sind allerdings nur dadurch so wirkungsvoll<br />
und effektiv, weil sich Unternehmen und Unternehmer<br />
in ihren Gremien aktiv einbringen.<br />
Unternehmer wie Sie, lieber Herr Berg. Zusätzlich und ehrenamtlich<br />
übernehmen Sie die Aufgabe an der Spitze des<br />
Verbandes freier Rohrwerke.<br />
Nun wurde Ihnen Engagement und diplomatisches Geschick<br />
praktisch in die Wiege gelegt. Denn, lieber Herr Dr.<br />
Berg, vor Ihrem Sohn haben Sie bereits über Jahrzehnte<br />
die Geschicke des Verbandes geführt. Meinen Respekt<br />
zolle ich Ihnen allen, liebe Familie Berg. Respekt für Ihren<br />
Verdienst um die Interessensvertretung der deutschen Industrie.<br />
Respekt für Ihren über Generationen hinweg bewiesenen<br />
Unternehmergeist. Und Respekt vor Ihren großen<br />
unternehmerischen Erfolgen. Die natürlich nicht zuletzt<br />
auch ihren Mitarbeitern zu verdanken sind!<br />
Ein Sinnspruch sagt:<br />
„Wenn man einmal Erfolg hat, kann es Zufall sein.<br />
Wenn man zweimal Erfolg hat, kann es Glück sein.<br />
Aber wenn man <strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> erfolgreich ist, so müssen es<br />
wohl Fleiß und Tüchtigkeit sein.“<br />
<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> erfolgreiche Firmengeschichte bedeuten ein erhebliches<br />
Maß an Anstrengungen. Und <strong>Bergrohr</strong> hat die<br />
besten Voraussetzungen, um in eine ebenso erfolgreiche<br />
Zukunft durchstarten zu können. Grund für Dankbarkeit<br />
und Zuversicht. Grund genug, heute zu feiern!<br />
In diesem Sinne nochmals meinen herzlichen Glückwunsch<br />
an Familie Berg. Ich wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeitern<br />
weiterhin viel Erfolg.<br />
Und uns allen wünsche ich einen schönen Tag!<br />
1997<br />
Ausscheiden von Dr. Fritz Berg und Heinrich Berg.<br />
Eintritt von Dipl.-Ing. Bernd Berg MBA als Geschäftsführer, der das Unternehmen in der vierten Generation führt.<br />
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Impressum<br />
<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bergrohr</strong>: Ein Stück Stahlrohrgeschichte<br />
Herausgeber: <strong>Bergrohr</strong> GmbH Siegen, Bernd Berg<br />
Autorin: Barbara Heitschötter<br />
Recherche, Materialsammlung: Heinrich Ulrich Seidel<br />
Redaktion, Gestaltung: Dülberg & Brendel GmbH<br />
Druck: Heinendruck<br />
Quellenverzeichnis<br />
Akten und Unterlagen aus folgenden Archiven und<br />
Sammlungen wurden ausgewertet:<br />
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung,<br />
Historisches Archiv Krupp, Essen<br />
Archiv der IG Metall Siegen<br />
Archiv des Bauamtes der Stadt Siegen<br />
Archiv des Ruhrlandmuseums Siegen<br />
Fotosammlung Thorsten Kirsch, Siegen<br />
Kreisarchiv des Kreises Siegen-Wittgenstein<br />
Staatsarchiv Münster<br />
Stadtarchiv der Stadt Siegen<br />
Unternehmensarchiv <strong>Bergrohr</strong> GmbH<br />
Ein herzliches Dankeschön allen Archivmitarbeiterinnen<br />
und -mitarbeitern sowie allen Privatpersonen, die die<br />
Arbeit an dieser Chronik unterstützt haben.<br />
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2007<br />
24. August: Jubiläumsfest „<strong>111</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Bergrohr</strong>“.
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<strong>Bergrohr</strong> GmbH Siegen<br />
Siegstraße 70 · 57076 Siegen<br />
Telefon: 0271/707-0<br />
Telefax: 0271/707-251<br />
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