Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe
Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe
Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Holzbläser und Streicher kündigt sich<br />
bereits das Liebesthema seines späteren<br />
Erfolgsballett Romeo und Julia an, das<br />
1938 in Brünn uraufgeführt wurde. Der<br />
immer dichter werdende Orchestersatz<br />
führt schließlich ins fast genauso lange<br />
Moderato des dritten Satzes, dem ein<br />
äußerst kurzer vierter Satz folgt. Formal,<br />
harmonisch, spieltechnisch und klanglich<br />
bleibt dieses Konzert auch heute noch eine<br />
große Herausforderung, was zu Wittgensteins<br />
Unverständnis geführt haben mag.<br />
Jean Sibelius<br />
Sinfonie Nr. 6 (1923)<br />
Sinfonie Nr. 7 C-Dur (1924)<br />
Die Möglichkeit, zwei Sinfonien, die am<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden,<br />
in einer Konzerthälfte spielen zu können,<br />
überrascht. Seit Ludwig van Beethoven<br />
gewann diese Gattung immer mehr an<br />
Länge, Werke wie Anton Bruckners Fünfte<br />
oder Gustav Mahlers Dritte, Siebte und<br />
Achte Sinfonie füllen heute ganze Konzertabende.<br />
Der finnische Komponist Jean Sibelius<br />
steht einerseits in der Tradition der großen<br />
Symphoniker des 19. Jahrhunderts<br />
und suchte gleichzeitig nach neuen Ausdrucksformen<br />
dieser Gattung, die zumindest<br />
im Fall seiner letzten vollständigen<br />
Sinfonie, der Siebten, die Verkürzung auf<br />
einen durchkomponierten Satz von kaum<br />
mehr als zwanzig Minuten bedeutet. Er sah<br />
dieses Werk im Verbund mit seiner Fünften<br />
und Sechsten Sinfonie, wie er 1918 in<br />
einem Brief bekannte: „Meine neuen Werke<br />
– zum Teil schon skizziert und im Plan<br />
fertig. [...] Die Sechste Sinfonie ist wild<br />
und leidenschaftlich im Charakter. Düster<br />
mit pastoralen Kontrasten, wahrscheinlich<br />
in vier Sätzen mit einem Schluss, der zu<br />
einem düsteren Toben des Orchesters gesteigert<br />
wird, worin das Hauptthema verschwindet.<br />
Die Siebente Sinfonie: Freude<br />
des Lebens und Vitalität, mit appassionato<br />
Passagen. [...] Es sieht so aus, als ob diese<br />
drei Sinfonien gleichzeitig kämen.“<br />
Trotz oder gerade wegen der gleichzeitigen<br />
Konzeption unterscheiden sich die<br />
Sechste und Siebte Sinfonie immens.<br />
Lässt besonders der erste Satz der Sechsten<br />
einen recht vertrauten formalen Rahmen<br />
vermuten, enthüllt sich das Neuartige<br />
darin vor allem in der düsteren Harmonik<br />
und dem transparenten Orchestersatz,<br />
während die Siebte sich immer deutlicher<br />
zu einem lebhaften Strom in strahlendem<br />
C-Dur steigert. Beginnt die Sechste mit<br />
einer zart entrückten Einleitung, eröffnet<br />
die Siebte mit einem leisen Paukenschlag,<br />
dem eine ebenfalls langsame,<br />
aber kreisende Bewegung der dunkelsten<br />
Klangfarben des Orchesters folgt: Fagott,<br />
Violoncello und Kontrabass. Selbst wenn<br />
die Sechste mit einem zweiten, motorischen<br />
Thema Fahrt aufnimmt, bleiben<br />
die Bläser- und Streichergruppen häufig<br />
klanglich getrennt und treten in Dialog. In<br />
der Siebten hingegen folgt dem an Richard<br />
Wagners Tristan und Isolde gemahnenden<br />
Akkord zunehmend breiter Streicherklang<br />
und satte Tutti-Stellen des Orchesters.<br />
Auch für seine letzten beiden Sinfonien<br />
gilt also, was der Komponist 1915 in sein<br />
Tagebuch notierte: „À propos Sinfonien.<br />
Für mich sind es Glaubensbekenntnisse<br />
aus meinen verschiedenen Altersstufen.<br />
Deswegen sind die meinigen alle so verschieden.“<br />
Die Sonatenform des ersten Satzes der<br />
Sechsten weicht an entscheidenden Stel-<br />
6 Sergej Prokofjew