Area 7 Programmheft - Christoph Schlingensief

Beuys / Hase [I] : Löffel
Man kann einen Löffel malen, aufzeichnen, wie er grad hier liegt.
Man kann auch einen Löffel richtig machen, ihn schmieden, aber
man kann auch einen Löffel nur denken, und wenn du das
denkst, dann weißt du ganz genau, woraus ein Löffel besteht: Da
ist vorne was Hohles und hinten ein Stiel. Das Hohle kann immer
anders sein, du kannst dir sehr viele Löffel vorstellen, wenn du dir
einen Löffel vorstellst. Und wenn du jetzt einen Löffel machen
willst, mußt du von diesen Vorstellungen, die letztendlich nicht
sichtbar sind, einen bestimmten aussuchen, entweder entscheidest
du dich für einen Löffel mit einer großen Kelle und einem kurzen
Stiel, oder du nimmst eine kleine, elegante Kelle mit einem ganz
langen Stiel, das alles läuft so unter dieser unsichtbaren Form, die
du hast. Du kannst Löffel denken in der Vorstellung, und dann
hast du unendliche Möglichkeiten; davon kannst du dir dann eine
aussuchen, real machen. Die wird dann physisch, also körperlich
sichtbar. Also hängt es sehr weitgehend davon ab, wie man
Vorstellungen hat und wie man denkt, wie das nachher in der Welt
aussieht, wenn dann alles Mögliche herumsteht! Die
Voraussetzung für etwas Vernünftiges in der Wirklichkeit ist
immer, daß es auch schon vernünftig ist in der Vorstellung! Wenn
die Menschen falsche VorstelIungen haben, kommen auch falsche
Wirklichkeiten zustande.
JOSEPH BEUYS
28 Gutes tun, 2005
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