Area 7 Programmheft - Christoph Schlingensief

Theorie des Animatographen
Unter dem Titel „House of Obsession“ nahm der erste Animatograph
im Mai 2005 auf dem Reykjavik Art Festival den Betrieb auf.
In Island, heißt es, treten die Götter an die Oberfläche, weil die
Erdkruste dort am dünnsten ist. Schlingensief dokumentierte diesen
Vorgang und nahm die auf Film gebannten Geister, Götter
und Göttervögel gleich wieder mit ins Erdinnere. In den Räumen
eines vormals leerstehenden Kellergewölbes errichteten sie gemeinsam
einen Parcours aus medialen und realen Einzelbildern, den es
zu durchwandern und in dem es Bilder zu sammeln galt, bevor
man im Hauptraum der mythologischen Installation auf die Drehbühne,
das Herzstück des Animatographen, stieß. Vielmehr noch
ging es darum, sich dieser Bilderschleuder nicht gegenübergestellt
zu sehen, sondern sie zu erobern, sie zu begehen und sich in
die zahlreichen, überlappenden Projektionen zu begeben, die das
letzte Bühnenbild einer mittlerweile geschlossenen Moralischen
(Theater-)Anstalt bombardierten. Hier, im Dunkel einer überdimensionalen,
horizontalen und aus diesen beiden Beweggründen gangbaren
Fotoplatte, blickte man durch. Man tat einen Blick auf sich
selbst und reanimierte die nordische Mythologie wie von Götterhand:
Der Mensch ist Metaphysik.
Das „House of Obsession“ war buchstäblich eine Untergrundbewegung,
die ans Tageslicht kam und Beuys’ (R)Evolutionsgedanken
einer menschlich-vergnüglichen, weil zugänglichen Kunst anschließend
in die Welt trug, genauer gesagt in ein brandenburgisches
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Animatograph, Neuhardenberg, August 2005