STARTWOCHENZEITUNG - Leuphana Universität Lüneburg
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<strong>STARTWOCHENZEITUNG</strong><br />
Startwoche 2013 Eine Beilage der Landeszeitung Donnerstag, 10. Oktober 2013<br />
Diese Stadt hat echt Probleme<br />
Theater bankrott, Arbeitsmarkt kaputt:<br />
Die dunkle Vergangenheit Leinwigs Seite 2<br />
Schwerpunkt: Planen<br />
Wenn das Leben an der Uni nicht rund läuft:<br />
diese Leute helfen mit Rat und Tat Seite 3<br />
„Lieber so als ohne dich“<br />
Manche Pärchen kann nichts trennen<br />
– auch nicht 628 Kilometer. Ein Essay Seite 4<br />
Liveticker<br />
Olaf Scholz, Erster Bürgermeister von Hamburg, auf dem Campus. Links im Bild <strong>Leuphana</strong>-Präsident Sascha Spoun.<br />
Ein guter Ort für Antworten<br />
Der Hörsaal ist voll. Stimmengewirr erfüllt die Luft, der Geräuschpegel<br />
steigt und steigt. Plötzlich geht ein Raunen durch die Reihen.<br />
Die Gespräche verstummen, ein Mann tritt ans Rednerpult.<br />
Sein Name ist Olaf Scholz (55), er ist Erster Bürgermeister der<br />
Hansestadt Hamburg und der prominenteste Redner der Startwoche.<br />
Die Rede, die er hält, dreht sich um genau das Thema,<br />
über das sich die Erstsemester seit Tagen den Kopf zerbrechen:<br />
die zukünftigen Herausforderungen an Städte. In Anschluss gelang<br />
es dem Startwochenredaktionsteam, ein kurzes Exklusivinterview<br />
zu führen. Scholz‘ zentrale Thesen im Überblick<br />
„Wenn man über Städte<br />
reden möchte, muss man<br />
wissen, was man will.“<br />
„Wenn man sich Paris oder Buenos<br />
Aires anschaut, dann können<br />
sich heute – und in wachsendem<br />
Maße in der Zukunft – nur noch<br />
sehr wohlhabende Leute und sehr<br />
gut situierte Angehörige der Mittelschichten<br />
erlauben, in der Stadt<br />
zu wohnen. Für die Armen sind die<br />
Suburbs gedacht.“<br />
„Die Stadt darf kein Ort werden,<br />
den man sich nicht mehr leisten kann.“<br />
„Seit ich mit 17 angefangen habe,<br />
mich politisch zu engagieren, ist es<br />
mein Maßstab, etwas für die Gerechtigkeit<br />
zu tun. Ich bin sicher,<br />
dass ich mir darunter heute ganz<br />
andere Dinge vorstelle als vor inzwischen<br />
weit mehr als 30 Jahren.“<br />
„Wie kann man das Leben und den<br />
Verkehr in einer Stadt so organisieren,<br />
dass das Wachstum der Bevölkerung<br />
und die Wirtschaftsleistung<br />
gewährleistet ist, ohne dass dies zu<br />
Lasten der Lebensqualität geht. Das<br />
ist aus meiner Sicht eine der zentralen<br />
Herausforderungen.“<br />
„Das Bekenntnis zur Stadt ist auch<br />
ein Bekenntnis zur Dichte.“<br />
„Städte sind Orte von<br />
<br />
Hoffnung.“<br />
„Ich glaube, dass das politische<br />
Engagement wichtig ist – und man<br />
soll es da ausüben, wo man gerade<br />
ist. Wenn man studiert, ist es ein<br />
guter Ort, um sich für die eigenen<br />
Fragen einzusetzen, aber auch für<br />
gesellschaftliche Fragen, die über<br />
das Unmittelbare hinausgehen.“<br />
„Ich bin gegen den einfachen Satz,<br />
dass es eine natürliche politische<br />
Bewegung im eigenen Leben gibt.<br />
Man muss bereit sein, sich immer<br />
wieder neu zu überlegen, was jetzt<br />
gerade richtig ist.“<br />
Angekommen: Die Erstsemester während der Rede.<br />
Foto: Kronenberg<br />
„Es braucht ein positives Bekenntnis<br />
zur Stadt, zur Dichte: Wo man<br />
bisher dreigeschossig gebaut hat,<br />
kann man in Zukunft vielleicht<br />
fünfgeschossig bauen, so dass jeder<br />
Mensch in einer grünen Stadt<br />
eigenen Wohnraum finden kann.“<br />
„Das Wichtigste ist immer<br />
authentisch zu sein und seine<br />
Maßstäbe nicht zu verlieren.“<br />
„Ich glaube, dass die Entscheidung<br />
meiner Vorgänger, den Wohnungsbau<br />
nicht voranzutreiben,<br />
ein Fehler war. Dadurch fehlen<br />
in Hamburg 30.000 bis 40.000<br />
Wohnungen heutzutage.“<br />
Foto: Kronenberg<br />
Wir wollen Eure Smartphone-<br />
Fotos! Für unsere letzte Ausgabe<br />
am Freitag wollen wir wissen,<br />
wie Ihr Eure erste Woche in <strong>Lüneburg</strong><br />
verbracht habt. Und dafür<br />
brauchen wir Eure Fotos – ob<br />
von der Eröffnungsfeier, aus der<br />
Gruppenarbeit oder beim Feiern.<br />
Wichtig ist die Atmosphäre, nicht<br />
die Professionalität. Schickt uns<br />
Euer Lieblingsfoto per E-Mail an<br />
swz@landeszeitung.de Und, ganz<br />
wichtig: Schreibt dazu, warum genau<br />
dieses Bild Eure erste Zeit in<br />
<strong>Lüneburg</strong> perfekt widerspiegelt.<br />
Unter allen Einsendungen verlosen<br />
wir einen Startwochen-Pulli<br />
und einen Amazon-Gutschein.<br />
Einsendeschluss: heute, 12 Uhr.<br />
*<br />
Heute steigt ab 23 Uhr die größte<br />
Erstiparty dieses Semesters – die<br />
CONNECT YOU – im Salon Hansen.<br />
Seid dabei und feiert Euren<br />
Start ins studentische Nachtleben!<br />
*<br />
Der Trend geht weiter: Wie schon<br />
vergangenes Jahr liefern sich die Kulturwissenschaftler<br />
mit den Betriebswirten<br />
ein Kopf-an-Kopf-Rennen.<br />
Die Zahl der KuWis übersteigt bei<br />
der Aufteilung der Studiengänge<br />
unter den Erstsemestern zum<br />
2. Mal in Folge die Konkurrenz.<br />
Dieses Jahr sind es 246 gegen 242.<br />
Die meisten Erstsemester haben<br />
sich für den Studiengang Lehren &<br />
Lernen eingeschrieben: 397 Und so<br />
setzt sich die Liste fort:<br />
Umweltwissenschaftler 168<br />
Wirtschaftspsychologen 89<br />
Rechtswissenschaftler 82<br />
Wirtschaftsinformatiker 73<br />
Ingenieurswissenschaftler 72<br />
Volkswirtschaftler 48<br />
Politikwissenschaftlern 46<br />
Studium Individuale 35<br />
Den neuen Studiengang Digital<br />
Media belegen 37 Erstsemester.<br />
Insgesamt gibt es an der <strong>Leuphana</strong><br />
diesmal rund 300 Erstsemester<br />
mehr als im Vorjahr.<br />
Zahl des Tages<br />
Die Vorlesungszeit beginnt am<br />
kommenden Montag und endet<br />
am 31. Januar. Dazwischen liegen<br />
14 Wochen. In dieser Zeit belegen<br />
die Erstsemester fünf Module und<br />
schreiben mindestens eine Klausur<br />
und eine Hausarbeit. Eine<br />
Woche umfasst je nach Major 20<br />
bis 26 Semesterwochenstunden.<br />
Das sind im gesamten Semester<br />
bis zu 16380 Minuten, die in Seminaren,<br />
Tutorien, Übungen oder<br />
Vorlesungen verbracht werden.<br />
Dazu kommt die Zeit für Vorund<br />
Nachbereitung.
2 <strong>STARTWOCHENZEITUNG</strong><br />
Donnerstag, 10. Oktober 2013<br />
Eine Sonderbeilage der<br />
<strong>Leuphana</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Lüneburg</strong><br />
in der Landeszeitung für die<br />
<strong>Lüneburg</strong>er Heide<br />
Herausgeber: Verlag Landeszeitung<br />
für die <strong>Lüneburg</strong>er Heide GmbH, Am<br />
Sande 18-19, 21335 <strong>Lüneburg</strong><br />
Chefredakteur: Florian Zinnecker<br />
Chef vom Dienst: Luca Graf<br />
Textredaktion: Nele Andresen, Julia<br />
Choutka, Nicolas Ehricke, Eva Fischer,<br />
Lea Jahneke, Pauline Kronenberg,<br />
Kommentar<br />
Hausarbeit oder Klausur<br />
Was ist eigentlich das geringere Übel<br />
Nie den Kopf frei bekommen<br />
Nein danke. Klausuren sind eine<br />
einfache Lösung, um Prüfungsleistungen<br />
abzuarbeiten. In<br />
mathematischen und naturwissenschaftlichen<br />
Studiengängen<br />
sind sie notwendig und unumgänglich.<br />
Erster Schritt: Lernen.<br />
Zweiter Schritt: Anwenden und<br />
Abfragen von Wissen. In geisteswissenschaftlichen<br />
Studiengängen<br />
ist es kaum möglich, die<br />
Prüfungsleistungen vollständig<br />
durch Hausarbeiten zu erbringen.<br />
Es fehlt die Zeit. Eine Klausur<br />
schafft nötige Entlastung. Vor<br />
allem, wenn in den Semesterferien<br />
ein Praktikum losgeht oder<br />
ein Urlaub geplant ist. Während<br />
des Semesters kann ich mich<br />
eingehend mit dem Thema des<br />
Seminars beschäftigen; das erlangte<br />
Wissen wird anschließend<br />
überprüft: Richtig oder falsch<br />
Die Ergebnisse sind besser nachvollziehbar<br />
als<br />
Klausur<br />
Benotungen<br />
von Hausarbeiten.<br />
Spezieller<br />
Vorteil der Klausur: Sie hat ein<br />
Ende. Man muss nicht alljährlich<br />
das Gefühl haben unter einer<br />
Dauerprüfung zu stehen. Ein<br />
Wochenende frei sein und Zeit<br />
für andere Gedanken haben.<br />
Denn sonst heißt es: Nach den<br />
Vorlesungen ist vor der Hausarbeit.<br />
Die Klausurenphase liegt<br />
direkt im Anschluss an die Vorlesungszeit<br />
– der Abgabetermin<br />
der Hausarbeiten liegt hingegen<br />
oft erst am Ende der vorlesungsfreien<br />
Zeit. Ein weiterer Vorteil<br />
von Klausuren ist, dass man sich<br />
nicht selbst orientieren muss,<br />
sondern der Lernstoff klar vorgegeben<br />
wird. JULIA CHOUTKA<br />
„Mein Fahrrad ist für mich das<br />
wichtigste Fortbewegungsmittel.<br />
Wenn man so nah am Campus<br />
wohnt, lohnt es sich nicht, den Bus<br />
zu nehmen.<br />
Aber wenn<br />
Gut zu man noch<br />
schnell einkaufen<br />
oder sich<br />
wissen<br />
abends in <strong>Lüneburg</strong><br />
bewegen will, muss man<br />
auf sein Fahrrad setzen können.<br />
Aber was, wenn es kaputt ist Es<br />
braucht nur einen Platten und fehlendes<br />
Flickzeug zu sein – schon<br />
ist man nicht mehr mobil. Abhilfe<br />
bietet die Selbsthilfe-Fahrrad-<br />
Werkstatt KonRad. Sie ist ein Projekt<br />
des AStA und befindet sich auf<br />
dem Campus Scharnhorststraße,<br />
direkt neben der Mensa. Man kann<br />
dort super an seinem Fahrrad herumwerkeln.<br />
Nicht nur bei kleinen<br />
Fragen, sondern auch bei größeren<br />
Impressum<br />
Startwochenzeitung 2013<br />
Stumpfes Auswendiglernen<br />
Nein danke. Hausarbeiten sind<br />
um einiges besser als Klausuren.<br />
Dafür verschanze ich mich<br />
ein paar Tage in der Bibliothek<br />
und bringe den Text zu Papier.<br />
Wenigstens kann ich selbst das<br />
Thema<br />
Hausarbeit<br />
wählen,<br />
mit dem<br />
ich meine<br />
Zeit verbringe. Klar, es muss<br />
zum Seminarthema passen, aber<br />
sonst bieten sich viele Freiheiten.<br />
Ich kann mich näher mit dem<br />
beschäftigen, was mich wirklich<br />
interessiert. Kein Bulimie-<br />
Lernen, nach dem ich bald nicht<br />
mal mehr die Hälfte weiß. Lieber<br />
vertiefe ich mein Wissen mit einer<br />
Hausarbeit. Ganz zu schweigen<br />
von der Bachelorarbeit: Sie<br />
ragt am Horizont des Studiums<br />
meilenweit in die Luft und wird<br />
mir so mit Sicherheit leichter<br />
fallen. Vor allem, weil ich Übung<br />
im wissenschaftlichen Schreiben<br />
habe. Mit Glück kann ich sogar<br />
den Themenbereich etwas weiter<br />
einschränken. Ein weiterer Vorteil<br />
ist die Zeiteinteilung. Man<br />
muss nicht auf einen Klausurtermin<br />
hinarbeiten. Vielmehr kann<br />
man selbst entscheiden, wie man<br />
mit dieser Art Prüfungsleistung<br />
umgeht. Einen Abgabetermin<br />
gibt es allerdings trotzdem. Ich<br />
finde die eigenständige Zeitplanung<br />
für die Gestaltung der Arbeits-<br />
und Freizeit sehr wichtig.<br />
Wer will schon den Stress der<br />
Klausurenphase Die Nächte,<br />
in denen man schlaflos dieselbe<br />
Formel vor sich hin murmelt<br />
Den Druck, der einem nicht mal<br />
mehr die Zeit zum Atmen lässt<br />
Ich nicht. <br />
LENA MEYER<br />
Hilfe bei Fahrradnotfällen<br />
Reparaturen steht einem immer<br />
jemand für Rat und Hilfe zur Verfügung.<br />
Außerdem kann man vermutlich<br />
sonst nirgendwo sein Fahrrad<br />
so günstig auf Vordermann<br />
bringen. Selbst bei den Ersatzteilen<br />
kann man sparen, da es neben neuen<br />
auch gebrauchte zu kaufen gibt.<br />
Auch die Öffnungszeiten sind gut.<br />
Nur Zeit muss man teilweise ein<br />
bisschen mehr mitbringen.“<br />
Anna Kothe, 22, studiert Kulturwissenschaften<br />
im 5. Semester<br />
Wieder wie neu. Foto: Kronenberg<br />
Fabian Maltzan, Lena Meyer,<br />
Sonja Pankow, Tim Spremberg,<br />
Lena Voß, Karsten Wichmann,<br />
Felix Willeke, Lisa Winzer, Franca<br />
Wittenbrink<br />
Fotoredaktion: Pauline Kronenberg,<br />
Lisa Winzer<br />
Layout: Danièle Dondé,<br />
Merlin Krabbe, Jan Nimz<br />
Telefon: 04131 / 740 335<br />
E-Mail: uni@landeszeitung.de<br />
Druck: v. Sternsche Druckerei GmbH<br />
& Co. KG, <strong>Lüneburg</strong><br />
Das Vorbild Leinwigs ist <strong>Lüneburg</strong> – hier als Bronze-Modell vor dem Rathaus.<br />
Wie komme ich mobil durch das Semester<br />
Das Semesterticket als universelles Hilfsmittel und wie darüber entschieden wird.<br />
Außerdem: Die roten Drahtesel als neues Mobilitätskonzept für <strong>Lüneburg</strong><br />
Das Semesterticket: Eigentlich ist<br />
das Semesterticket nur ein Stück<br />
bedrucktes Papier – und doch<br />
Busfahrschein und Eintrittskarte<br />
zugleich. Manche Studenten<br />
hüten es wie ein Heiligtum, bei<br />
anderen ähnelt es Altpapier. So<br />
unterschiedlich der Umgang mit<br />
dem Ticket, so<br />
kontrovers wird<br />
alljährlich darüber<br />
diskutiert.<br />
Jedes Jahr steh im<br />
Zuge der Hochschulwahlen<br />
der Geltungsbereich<br />
des Tickets (und damit auch der<br />
Preis) zur Wahl. Mit knapper<br />
Mehrheit hat sich wiederholt das<br />
Ticket durchgesetzt, das die meisten<br />
Verkehrsverbände in Niedersachsen<br />
beinhaltet, aber nicht in<br />
Hamburg gilt. Die Wahlbeteiligung<br />
lag 2012 bei 31 Prozent.<br />
Somit haben rund ein Drittel der<br />
Studierenden ihr Stimmrecht genutzt.<br />
Über das Ticket, dass für<br />
alle gültig ist, entschied also nur<br />
eine Minderheit. LENA VOSS<br />
Das Stadtrad: Bei den Hochschulwahlen<br />
im Dezember 2012 hat sich<br />
die Studierendenschaft eindeutig<br />
für die Einführung des Stadtrads in<br />
<strong>Lüneburg</strong> entschieden. In Zusammenarbeit<br />
von <strong>Universität</strong>, AStA,<br />
der Stadt <strong>Lüneburg</strong> und der Deutschen<br />
Bahn konnte das Erfolgskonzept<br />
aus Hamburg<br />
auch auf <strong>Lüneburg</strong><br />
übertragen werden.<br />
Das Semesterticket<br />
kostet<br />
infolgedessen 1,50<br />
Euro mehr – dieser Betrag deckt die<br />
Kosten des Projekts zur Hälfte ab.<br />
Die andere Hälfte der anfallenden<br />
Kosten trägt die Stadt <strong>Lüneburg</strong>.<br />
Laut einer Pressesprecherin der<br />
Deutschen Bahn ging die Initiative<br />
für das Projekt ursprünglich von<br />
Seiten der <strong>Universität</strong> aus. Mittlerweile<br />
soll es in <strong>Lüneburg</strong> 250 aktive<br />
Nutzer des Stadtrades geben, die<br />
allein im September mehr als 900<br />
Fahrten in <strong>Lüneburg</strong> unternommen<br />
haben. Zunächst gibt es innerhalb<br />
der Stadt fünf „Haltestellen“, an<br />
Foto: Kronenberg<br />
Das Geheimnis von Leinwig<br />
Die Erstemester der <strong>Leuphana</strong> <strong>Universität</strong> sind in der Startwoche<br />
als Stadtentwickler gefordert. Die Plattform dafür bietet eine Stadt,<br />
die eigentlich gar nicht existiert – und das schon seit 2007<br />
Die mittelständische Stadt Leinwig<br />
liegt im Bundesland Nordland.<br />
Wer sich auf dem Terrain<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
nicht besonders gut auskennt,<br />
könnte denken, dass diese Stadt<br />
tatsächlich existiert. Dies ist aber<br />
nicht der Fall. Denn „mit Beginn<br />
der <strong>Leuphana</strong> und somit der ersten<br />
Startwoche wurde Leinwig geboren“,<br />
erklärt Sören Sieck-Pahl,<br />
seines Zeichens Koordinator der<br />
Startwoche 2013. Die Idee der<br />
künstlich entwickelten Stadt Leinwig<br />
orientiert sich an <strong>Lüneburg</strong>.<br />
Leinwig ist im Vergleich dazu zwar<br />
keine <strong>Universität</strong>sstadt, weist aber<br />
ansonsten ähnliche Merkmale bezüglich<br />
demografischer Struktur<br />
und urbanem Standard auf.<br />
Auf diesem Weg sollte den Studierenden<br />
ursprünglich eine<br />
möglichst realitätsnahe Plattform<br />
geboten werden, auf der gesellschaftlich<br />
relevante Themen detailgetreu<br />
gelöst werden konnten.<br />
Während im Jahre 2007 das städtische<br />
Theater vor dem Bankrott<br />
stand und es die Aufgabe<br />
So geht es von<br />
A nach B<br />
der Studenten war, diese für die<br />
Stadt enorm wichtige kulturelle<br />
Einrichtung aus der finanziellen<br />
Misere zu retten, hatte Leinwig in<br />
der darauffolgenden Startwoche<br />
eine schwere<br />
wirtschaftliche<br />
Rezession<br />
innerhalb der<br />
gesamten Stadt<br />
zu beklagen.<br />
Da dies eine<br />
hohe Arbeitslosenquote<br />
zur Folge hatte, standen<br />
die angehenden Studenten<br />
vor der Herausforderung, etwaige<br />
Maßnahmen zur Schaffung und<br />
Sicherung von Arbeitsplätzen zu<br />
treffen.<br />
Für ihre Startwochen strich die<br />
<strong>Leuphana</strong> durchweg gute Kritiken<br />
ein, da diese als Musterbeispiel für<br />
die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
verschiedenster Branchen<br />
und Studenten unterschiedlichster<br />
Fachbereiche galt.<br />
Die Startwoche 2013 arbeitet nun<br />
erneut intensiv mit dem Mythos<br />
Leinwig. ,,Da es in diesem Jahr um<br />
Ein Experimentierfeld<br />
für kreative<br />
Studenten<br />
Stadtentwicklung und den gesellschaftlichen<br />
Wandel geht, musste<br />
Leinwig wieder aufleben – ohne<br />
Frage“, so Sieck-Pahl. Die Problematik,<br />
mit der sich die Erstsemester<br />
diesmal<br />
beschäftigen, ist<br />
aber eine gänzlich<br />
andere.<br />
Überwunden<br />
ist die Rezession<br />
von 2008, die<br />
Stadt ist kuriert.<br />
Allerdings sind die neuen Herausforderungen,<br />
mit denen sich Leinwig<br />
konfrontiert sieht, nicht weniger<br />
dringlich. Vielmehr gilt es,<br />
anhaltende Tendenzen in sozioökonomischen<br />
und ökologischen<br />
Bereichen rechtzeitig zu erkennen<br />
und anzugehen, um Leinwig für<br />
die Zukunft zu rüsten. Daher ist<br />
es in der laufenden Startwoche<br />
die Aufgabe der 1600 Erstsemester,<br />
ein nachhaltiges Konzept nach<br />
ihren Vorstellungen zu erarbeiten,<br />
das ein positives Bild von Leinwig<br />
im Jahr 2050 zeichnet.<br />
FABIAN MALTZAN, TIM SPREMBERG<br />
denen insgesamt 50 Räder stehen.<br />
An zwei Stationen, am Bahnhof und<br />
beim Rathaus, können die Räder an<br />
einem Terminal ausgeliehen werden.<br />
An den campusnahen Standorten,<br />
beim Hauptcampus, dem Roten<br />
Feld und Volgershall, reicht ein<br />
Anruf oder die kostenlose App, um<br />
losfahren zu können. <br />
<br />
MERLIN KRABBE<br />
Voll im Trend.<br />
Foto: Kronenberg
Donnerstag, 10. Oktober 2013<br />
SCHWERPUNKT: PLANEN<br />
3<br />
Was Du heute<br />
kannst besorgen<br />
Ein Blick ins Lexikon klärt, was es mit<br />
der Aufschieberitis auf sich hat<br />
Pro|kras|ti|na|ti|on, die. Die P. ist eine epidemisch<br />
auftretende Krankheit, von der besonders<br />
oft Studierende betroffen sind. Im<br />
Volksmund wird sie auch angsterfüllt Aufschieberitis<br />
genannt. Auf Grund der hohen<br />
Verbreitung im studentischen Milieu wird<br />
davon ausgegangen, dass sie sich besonders<br />
in WG-Küchen, gemütlichen Sofaecken<br />
und Mate-Flaschen vermehrt. Die P. äußert<br />
sich durch zwanghaftes Putzen oder Aufräumen,<br />
E-Mails und Facebook checken,<br />
Serien gucken und in die Luft starren, anstatt<br />
eine anstehende Aufgabe zu erledigen.<br />
Besonders häufig tritt P. auf, wenn sich der<br />
Betroffene einem leeren Worddokument<br />
mit blinkendem Cursor, einem zu lesenden<br />
Lektürestapel oder einem Tag in der Bibliothek<br />
gegenübersieht. Ein Sonderfall der P.<br />
ist die Meta-Prokrastination, bei der anstatt<br />
der zeitlichen Investition in die eigene Bildung<br />
der Wikipedia-Artikel über P. durchgearbeitet<br />
wird, um ihre Schreibweise und<br />
den lateinischen Ursprung nachzulesen. Um<br />
dies zu klären: Prokrastination setzt sich aus<br />
den zwei Wörtern „pro“ und „cras“ zusammen,<br />
die „für“ und „morgen“ bedeuten. Eine<br />
Therapie zur vollständigen Heilung ist noch<br />
nicht bekannt, allerdings können die Symptome<br />
gelindert werden, indem das Smartphone<br />
ausgeschaltet, Facebook geschlossen,<br />
der Arbeitsplatz vorab aufgeräumt und die<br />
Putzmittel weggesperrt werden. Ferner nützt<br />
auch sozialer Druck in Arbeitsgruppen.<br />
LEA JAHNEKE, KARSTEN WICHMANN<br />
Es gibt viele verschiedene Wege in die<br />
Zukunft – und jeder hat seine eigenen<br />
Vorstellungen. Es kommt letztendlich<br />
darauf an, den eigenen Weg zu finden.<br />
Wegweiser durchs Studium<br />
Die vielen Freiheiten, die das Studium bietet, können gerade im ersten Semester überfordernd sein.<br />
Hilfe finden Studierende bei den vielfältigen Beratungsangeboten der Uni<br />
Foto: Kronenberg<br />
Montage: Graf<br />
Über den<br />
Haufen geworfen<br />
Wenn im Studium plötzlich alles drunter<br />
und drüber geht: ein Erfahrungsbericht<br />
„Am Anfang des Studiums wusste ich nicht<br />
wohin ich mich bei Fragen wenden konnte.<br />
Dann bin ich immer ins Infoportal gegangen,<br />
wo die Mitarbeiter mir weiterhelfen<br />
konnten“, sagt Sonja, die im fünften Semester<br />
Kulturwissenschaften studiert. Bei Fragen<br />
rund um Studium und Planung ist das<br />
Gebäude 8, in dem unter anderem das Info-<br />
Portal zu finden ist, eine gute Anlaufstelle.<br />
Dort hat auch Rebekka Balsam ihr Büro.<br />
„Wir bieten drei verschiedene<br />
Programme an, die<br />
die Studenten in den verschiedenen<br />
Phasen im<br />
Studium unterstützen:<br />
Das College Tutorium,<br />
die College Studienreflexion<br />
und das College Privatissimum“,<br />
erklärt die Koordinatorin der<br />
Studienverlaufsbetreuung.<br />
Das College Tutorium ist ein Angebot für<br />
Erstsemester, bei dem ein Student aus einem<br />
höheren Semester eine Gruppe von<br />
Neulingen des eigenen Hauptfachs betreut<br />
und mit Rat und Tat bei den ersten und allen<br />
weiteren Schritten zur Seite steht. „Die<br />
Tutoren nehmen am Majortag während der<br />
Startwoche Kontakt zu den Erstis auf; das<br />
erste Treffen der Gruppe folgt kurz nach der<br />
Startwoche“, erklärt Rebekka Balsam.<br />
Ab dem zweiten Semester haben Studenten<br />
die Möglichkeit sich bei der Studienreflexion<br />
anzumelden: „Bei diesem<br />
Programm wird in Einzelgesprächen mit<br />
einem Vertrauensdozenten<br />
der eigene Studiumsverlauf<br />
reflektiert. Worüber<br />
gesprochen wird,<br />
entscheidet der Studierende,<br />
wobei der Dozent den<br />
Raum dafür bietet. Der<br />
Student informiert seinen<br />
Coach einmal im Semester in einem<br />
Reflexionsbericht über die Schritte, mit<br />
denen er sich gerade beschäftigt“, erklärt<br />
Rebekka Balsam das Konzept.<br />
Aktuell nehmen 400 Studierende dieses<br />
kostenlose Coaching-Angebot wahr und<br />
werden dabei von 84 Dozenten und Dozentinnen<br />
gecoacht. Pro Semester treffen sich<br />
der Studierende und der Coach zu mindestens<br />
zwei Reflexion-Gesprächen.<br />
„immer die<br />
Augen und Ohren<br />
offen halten“<br />
Ansprechpartner<br />
für jede Frage rund ums<br />
Studium<br />
Für die Studierenden bietet dieses individuelle<br />
Angebot vor allem die Möglichkeit,<br />
mit einem Dozenten Ideen für Praktika zu<br />
sammeln und Fragen aus dem Unialltag zu<br />
klären.<br />
Prof. Dr. Henrik von Wehrden engagiert<br />
sich als Coach der Studienreflexion: „Für<br />
mich ist das die logische Fortsetzung meiner<br />
Arbeitsphilosophie, eng mit Studierenden<br />
zusammenzuarbeiten. Ich versuche,<br />
meinen Terminkalender<br />
möglichst leer zu halten,<br />
damit meine Tür immer<br />
offen ist.“<br />
„Ein Sahnehäubchen im<br />
Programm ist das College<br />
Privatissimum, das den<br />
wissenschaftlichen Einstieg<br />
erleichtern soll“, sagt Rebekka Balsam.<br />
Es ist an alle Studenten ab dem zweiten Semester<br />
gerichtet und als Modul im Rahmen<br />
des Komplementärstudiums konzipiert.<br />
„Bei dem College Privatissimum handelt<br />
es sich um eine Vorlesung der besonderen<br />
Art – mit nur fünf Studierenden und einem<br />
Dozenten“, erklärt sie. „Bei allen Angeboten<br />
empfehle ich den Erstis immer die Augen<br />
und Ohren offen zu halten“, sagt Rebekka<br />
Balsam lächelnd, „und natürlich den <strong>Leuphana</strong>-Mail-Account<br />
zu checken. Denn im<br />
Laufe der Zeit wird es immer wieder Informationen<br />
zu den Angeboten geben“.<br />
Ebenfalls im Gebäude 8 ist das Team der<br />
Studienberatung College zu finden. Hier<br />
können sowohl Erstsemester<br />
als auch Studierende<br />
der höheren Semester eine<br />
individuelle Einzelberatung<br />
in Anspruch nehmen, aus<br />
der sich dann eine langfristige<br />
Beratung entwickeln<br />
kann. Julia Heubel ist eine<br />
der vier Beraterinnen, die den Ratsuchenden<br />
zur Verfügung steht. „Wenn es in der<br />
Beratung beispielsweise um das Thema<br />
Studienplanung geht, dann spielen auch Aspekte<br />
wie die Vereinbarkeit von Nebenjob,<br />
Berufstätigkeit und Familie in der Beratung<br />
eine wichtige Rolle“, erklärt sie. Ein Thema,<br />
das eventuell auch schon die Erstsemester<br />
beschäftigt ist, dass für einige Masterplätze<br />
an <strong>Universität</strong>en mehr Creditpoints im<br />
Major benötigt werden, als der <strong>Leuphana</strong>-<br />
Bachelor umfasst. „Durch die Vielfalt des<br />
Studiums und der Ergänzung durch einen<br />
Minor und das Komplementärstudium belegen<br />
die Studierenden nicht nur ein Hauptfach“,<br />
erklärt Julia Heubel, „zudem ist es<br />
möglich 60 CP über das normale Bachelor-<br />
Studium hinaus zu studieren. Fragen dazu<br />
beantworten wir gerne in der Studienberatung“.<br />
Es ist also für jede Frage ein Ansprechpartner<br />
zu finden.<br />
„Durch die Angebote der Studienreflexion<br />
und Studienberatung habe ich mich gut<br />
aufgehoben gefühlt“, sagt Sonja. „Hier war<br />
immer Raum für meine Fragen.“<br />
NELE ANDRESEN, LEA JAHNEKE<br />
Am Anfang des Studiums stehen überall<br />
große Fragezeichen. Foto: Jahneke<br />
John Lennon sagte einst:„Leben ist das, was<br />
passiert, während du dabei bist, andere Pläne<br />
zu schmieden.“ Ein Satz, dem auch Anna<br />
(30) sicher zustimmen würde. Und obwohl<br />
sie während ihres Studiums viele Schwierigkeiten<br />
durchstehen musste, hat sie heute das<br />
Gefühl, dadurch gelernt zu haben.<br />
Anna studiert seit 2005 in <strong>Lüneburg</strong>. Ihren<br />
Bachelor in Umweltwissenschaften hat sie<br />
in sechs Semestern absolviert, also in Regelstudienzeit.<br />
Im Anschluss begann sie 2008<br />
direkt mit dem Master Nachhaltigkeitswissenschaften.<br />
Doch dann erkrankten und starben innerhalb<br />
kurzer Zeit ihre Eltern. Für mehrere<br />
Jahre stand das Studium hinter der Pflege<br />
und bürokratischen Erledigungen zurück.<br />
Trotzdem unterbrach Anna ihr Studium<br />
nicht komplett, sondern studierte in Teilzeit<br />
und nahm Urlaubssemester. Der Kontakt<br />
zum Leben in <strong>Lüneburg</strong> war für sie ein wichtiger<br />
Ausgleich. Auch an der Uni erfuhr sie<br />
viel Unterstützung: Der Studierendenservice<br />
ermöglichte ihr das Teilzeitstudium, obwohl<br />
die Studienordnung so etwas noch nicht vorsah.<br />
Auch ihre Professorinnen und Professoren<br />
nahmen viel Rücksicht. So konnte sie<br />
sich ihre Zeit einteilen, wie es mit ihren familiären<br />
Aufgaben zusammen passte. Auch die<br />
psychologische Beratungsstelle des Studentenwerks<br />
half Anna in dieser Zeit.<br />
Heute, zwei Jahre später, steht Anna kurz<br />
vor der Fertigstellung ihrer Masterarbeit.<br />
Dass sie gezwungen war, ihr Studium nach<br />
dem schnellen Bachelor zurückzustellen,<br />
sieht sie im Nachhinein als Gewinn an: „Als<br />
ich dann Gründe hatte, langsam zu studieren,<br />
habe ich gemerkt, dass ich viel mehr lerne.“<br />
Sie glaubt, dass davon nicht nur ihre persönliche<br />
Entwicklung profitiert hat, sondern sie<br />
auch viel für den Arbeitsmarkt mitgenommen<br />
hat. Zudem, habe sie erkannt, dass ein<br />
langsameres Studium ihr die nötige Zeit gibt,<br />
sich in Themen einzuarbeiten. „Im Bachelor<br />
wird immer so ein Druck aufgebaut, zügig<br />
zu studieren. Aber das ist Quatsch.“ Auch<br />
Erfahrungen von ihren Kommilitoninnen<br />
und Kommilitonen haben ihr gezeigt, dass<br />
es völlig normal ist, wenn es anders kommt<br />
als gedacht. Und dass man sich davon nicht<br />
verrückt machen lassen darf.<br />
KARSTEN WICHMANN
4 <strong>STARTWOCHENZEITUNG</strong><br />
Donnerstag, 10. Oktober 2013<br />
Fabian Schwager (19),<br />
Lehren und Lernen:<br />
„Eine meiner Zukunftsvisionen<br />
bezieht sich auf das<br />
Bildungssystem: Dabei sind<br />
eine individuellere Förderung<br />
und multimedialer,<br />
praxisbezogener Unterricht<br />
wichtig. Vielleicht kann<br />
ja auch mit dem iPad der<br />
Wald entdeckt werden.“<br />
Franziska Poppel (19),<br />
Digital Media:<br />
„Salz sollte als Rohstoff<br />
für die Energiegewinnung<br />
und -speicherung verwendet<br />
werden. Vor allem in<br />
diese Richtung sollte man<br />
forschen. Auch ein Wasserkraftwerk<br />
zur Energiegewinnung<br />
in der Ilmenau<br />
wäre eine Idee.“<br />
Jan Gehl (25), BWL:<br />
„Ein System, in dem Menschen<br />
für soziales Engagement<br />
Punkte sammeln<br />
und für andere Aktivitäten<br />
Punkte ausgeben können.<br />
Das würde die Gesellschaft<br />
besser verbinden und solche<br />
Berufe mehr berücksichtigen,<br />
die heute völlig<br />
unterbezahlt sind.“<br />
Janne Carstens (21), BWL:<br />
„In der Gesellschaft von<br />
morgen sollte es Mikrokommunen<br />
geben, in<br />
denen Menschen unterschiedlichen<br />
Alters zusammenleben<br />
und so alle<br />
voneinander profitieren.<br />
Außerdem sollte man sich<br />
Ziegen als vielseitige Nutztiere<br />
halten.“<br />
Was ist Deine<br />
ausgefallenste<br />
Idee für die<br />
Zukunft<br />
LEA JAHNEKE, SONJA PANKOW,<br />
PAULINE KRONENBERG (FOTOS)<br />
Leona Ritter (19),<br />
Umweltwissenschaften:<br />
„Entschleunigung. Die<br />
Gesellschaft steht nur noch<br />
unter Stress. Es wird immer<br />
nach der höchstmöglichen<br />
Effizienz gestrebt, aber Effizienz<br />
ist nicht immer das<br />
wichtigste im Leben. Weniger<br />
Schnelligkeit würde uns<br />
manchmal sehr gut tun.“<br />
Leon Schreiber (21), BWL:<br />
„Meine Vision der Zukunft<br />
ist eigentlich recht<br />
simpel und auch bereits<br />
Gegenstand der Diskussionen:<br />
Noch mehr Geld<br />
als heute sollte in die Forschung<br />
und Entwicklung<br />
von erneuerbaren Energien<br />
investiert werden.“<br />
Malte Dombrowski (19), BWL:<br />
„Wir haben uns eine<br />
schwebende Stadt vorgestellt<br />
– mit Häusern auf<br />
Schienen und einem unterirdischen<br />
Verkehrssystem.<br />
Am liebsten hätten wir auch<br />
noch das Beamen mit in unser<br />
Konzept eingebaut.“<br />
Theresa Brand (23),<br />
Kulturwissenschaften:<br />
„Es ist eine verrückte<br />
Idee: Insekten als Nahrungsmittel<br />
der Zukunft.<br />
Sie brauchen wenig Platz,<br />
sind gute Energieverwerter<br />
und kleine Vitaminbomben,<br />
die fast zu hundert<br />
Prozent verwertet werden<br />
können.“<br />
Daniel Zander (27),<br />
Digital Media:<br />
„Meine Idee geht in Richtung<br />
Urban- und Guerilla-<br />
Gardening: Leinwig sollte,<br />
was die eigene Gemüseversorgung<br />
angeht, autark<br />
sein, indem Fassaden und<br />
Freiflächen der Stadt beispielsweise<br />
mit Tomatenpflanzen<br />
bewachsen sind.“<br />
Hannah Sommer (20),<br />
Kulturwissenschaften:<br />
„Unsere Gruppe hatte die<br />
Idee, die Straßen von Leinwig<br />
mit Induktionsstreifen<br />
für Elektroautos zu versehen.<br />
So, wie es heutzutage<br />
schon bei einem Induktionsherd<br />
funktioniert. Die<br />
Idee ist gar nicht so unrealistisch.“<br />
Das hält kein Jahr<br />
Beziehungen leben durch die Nähe, die zwei Menschen füreinander empfinden. Das wesentliche Merkmal einer<br />
Fernbeziehung ist jedoch, dass die physische Nähe fehlt. Kann eine Beziehung trotzdem funktionieren<br />
Bücherschatz<br />
Alexandra Ehm ist die „gute<br />
Seele“ der <strong>Leuphana</strong>-Bibliothek<br />
„Beziehungen über eine Entfernung<br />
von 500 Kilometern werden<br />
aus meiner Erfahrung das erste<br />
Semester nicht überstehen.“ Mit<br />
diesem Satz kommentierte damals<br />
mein Startwochentutor meinen Beziehungsstatus:<br />
Fernbeziehung. Die<br />
Unsicherheit, die sich<br />
durch diese Aussage<br />
bei mir breit machte,<br />
lässt sich nur schwer<br />
beschreiben. An diesem Abend befragte<br />
ich gleich Google-Maps: Es<br />
sind genau 628 Kilometer, die mich<br />
für die Dauer meines Studiums von<br />
meinem Freund trennen. Werden<br />
wir das schaffen Diese Entfernung<br />
für mindestens sechs Semester zu<br />
überbrücken Wird Skypen, Simsen<br />
und Telefonieren das ersetzen<br />
können, was wir sonst manchmal<br />
nur durch das Zucken einer Augenbraue<br />
austauschen<br />
Die ersten Wochen an der <strong>Leuphana</strong><br />
gehörten zu den aufregendsten<br />
meines Lebens. Ich<br />
Kommunikationsmittel: Laptop.<br />
quergedacht<br />
lernte so viele neue, nette und<br />
spannende Menschen kennen.<br />
Heute zählen einige von ihnen zu<br />
meinen engsten Freunden. Während<br />
viele von ihnen jedoch voll<br />
und ganz in <strong>Lüneburg</strong> ankamen,<br />
war ich in Gedanken weit weg.<br />
Es drängten sich so<br />
viele Fragen auf: Werden<br />
mein Freund und<br />
ich uns auseinander<br />
entwickeln Könnte er den Platz,<br />
den ich hinterlassen habe, anders<br />
füllen Oder womöglich sogar<br />
durch eine Andere, die in seiner<br />
Nähe ist<br />
Jetzt, wo die neuen Erstsemester<br />
in ihr Studium starten, erinnere<br />
ich mich wieder besonders an die<br />
Gefühle, die ich am Anfang unserer<br />
Fernbeziehung hatte. Wie<br />
es sich anfühlte, abends allein zu<br />
der Musik von „The xx“ zu träumen.<br />
Mir am Sonntagmorgen das<br />
Nutella-Brötchen selbst zu schmieren<br />
und es nicht – verbunden mit<br />
Foto: Kronenberg<br />
einem schelmischen Grinsen von<br />
meinem Freund – gereicht zu bekommen.<br />
Die unzähligen Skype-<br />
Nächte, die ich mit dem Laptop<br />
ins Bett gekuschelt verbrachte und<br />
von denen ich durch eine Guten-<br />
Morgen-SMS statt einem Kuss<br />
wieder geweckt wurde.<br />
Stattdessen etablierten sich neue<br />
Rituale, die unserer Beziehung<br />
Halt geben: Morgens, wenn unsere<br />
Wecker trotz der Entfernung<br />
zur selben Zeit klingeln, ist jetzt<br />
immer das Erste, was ich höre,<br />
seine Stimme am<br />
Beziehungsstatus:<br />
Fernbeziehung<br />
Telefon. Und auch<br />
beim Arbeiten<br />
in der Bibliothek<br />
kann man skypen<br />
– zumindest wenn<br />
die Lautsprecher vom Laptop leise<br />
gestellt sind und man nur pantomimisch<br />
kommuniziert. Und<br />
der Tag, an dem ich von einer<br />
Kommilitonin die LTUR-Seite<br />
mit Restplatztickets der Deutschen<br />
Bahn empfohlen bekam,<br />
war wie Geburtstag, Weihnachten<br />
und Ostern zusammen. Seitdem<br />
werden freie Tage für spontane<br />
Reisen in den Süden genutzt.<br />
Seminartexte lassen sich auch<br />
wunderbar im ICE lesen.<br />
Überhaupt sind Bahnhöfe zu Orten<br />
geworden, denen ich mit sehr<br />
kontroversen Emotionen begegne.<br />
Der Weg zum Bahnhof, eine<br />
halbe Stunde bevor mein Freund<br />
mit dem Zug ankommt, ist immer<br />
wie ein Spielmannszug. Mein Herz<br />
hüpft vor Freude im Takt und die<br />
Glockenspieltöne gleichen den<br />
freudigen Gedanken, die ich im<br />
Hinblick auf unser kommendes<br />
gemeinsames Wochenende habe.<br />
Selbst die monotone Computerstimme<br />
der Frau von der Bahn,<br />
„Bitte zurücktreten, Vorsicht bei<br />
der Einfahrt!“, klingt dann in meinen<br />
Ohren wie die froheste Botschaft,<br />
die sie jemals verkündet<br />
hat. Das Quietschen der Bremsen,<br />
das Zischen der sich öffnenden<br />
Türen. Der letzte innere Trommelwirbel<br />
und dann darf ich in seine<br />
sicheren Arme fallen – endlich.<br />
An solchen Wochenenden darf<br />
ich feststellen, dass Entfernung<br />
Beziehungen auch stark werden<br />
lassen können. Jedes bisschen Alltag,<br />
der zusammen verbracht wird,<br />
wird gefeiert wie ein Festtag. Kleinigkeiten<br />
wie herumliegende Socken<br />
können mit einem Lächeln<br />
abgetan werden<br />
– Hey, wir sehen<br />
uns ja nicht, um<br />
sich über solche<br />
Schönheitsfehler<br />
aufzuregen. Und<br />
wäre es denn überhaupt nötig,<br />
selbst wenn wir zusammen wohnen<br />
könnten Ich habe schon oft<br />
Freunden mit einem kleinen Grinsen<br />
auf den Lippen zugehört, wie<br />
sie sich über Beziehungsprobleme<br />
ausgelassen haben. Sie scheinen oft<br />
so unglaublich klein zu sein, würde<br />
man sie aus der Ferne betrachten.<br />
Und dann kommt die zweite<br />
Funktion eines Bahnhofs ins Spiel<br />
– Ankunft und Abfahrt. Die Minuten,<br />
die wir in einer engen Umarmung<br />
am Gleis stehend verbringen,<br />
vergehen mindestens zehnmal<br />
so schnell wie normal. Mein persönliches<br />
Beispiel für gefühlte<br />
Zeit. Wenn sich die Türen wieder<br />
schließen und ein letzter Luftkuss<br />
hinter der verspiegelten Scheibe zu<br />
erkennen ist, denke ich immer an<br />
seine Worte: „Lieber so als ohne<br />
Dich!“, die uns jeden Tag von neuem<br />
quer durch Deutschland unsere<br />
Beziehung führen lassen.<br />
Und ich glaube, ich sollte meinem<br />
Startwochentutor einen Besuch<br />
abstatten. Fernbeziehungen funktionieren<br />
– mit dem Richtigen.<br />
DANIÈLE DONDÉ<br />
Früher oder später führt der Weg<br />
jedes Erstsemesters in die Bibliothek.<br />
Und dort – am Infotresen,<br />
an der Ausleihe oder inmitten der<br />
Bücherregale – zu Alexandra Ehm.<br />
„Ich freue mich auf die Erstis“, sagt<br />
sie und lächelt.<br />
Kennst<br />
du schon...<br />
Bereits 23 Jahre<br />
arbeitet sie an<br />
der <strong>Universität</strong>,<br />
seit eineinhalb<br />
Jahren in der<br />
Zentralbibliothek: „Der vielseitige<br />
Kontakt mit den Nutzern macht mir<br />
dabei besonders viel Spaß.“ In der<br />
Alexandra Ehm.<br />
Foto: Jahneke<br />
<strong>Universität</strong>sbibliothek der <strong>Leuphana</strong><br />
sind 664.000 Bände, 1255 laufende<br />
Print-Zeitschriften und über 23.000<br />
elektronische Zeitschriften zu finden.<br />
Neben den Studierenden und<br />
Lehrenden steht die Bibliothek auch<br />
allen Bürgern <strong>Lüneburg</strong>s offen. Den<br />
neuen Erstsemestern rät Alexandra<br />
Ehm: „Nutzt die angebotenen Einführungen<br />
in die Bibliothek, damit<br />
ihr euch schnell zurechtfindet.“ Sie<br />
lächelt und fügt hinzu: „Ich weiß<br />
aber auch, dass es in der Startwoche<br />
sehr, sehr viele Informationen<br />
gibt und helfe immer gerne, wenn<br />
Fragen auftauchen.“ LEA JAHNEKE