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komplette Ausgabe - Kritischen JuristInnen an der FU-Berlin

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18 Der StreiT – 1/2009 Staatsgewalt 19<br />

Der Fuchs geht um<br />

Ordnung, Disziplin, Bildung und dabei<br />

immer (feucht-) fröhlich o<strong>der</strong> in höherem<br />

Auftrag unterwegs. Das sind die Werte, die<br />

eine gewisse Gruppierung <strong>an</strong> vielen Unis<br />

mit stolz geschwellter Brust und mit Blick<br />

auf den potentiellen Nachwuchs nach Außen<br />

vertritt. Für den Studenten im ersten<br />

Semester, eben seinen Wehrdienst hinter<br />

sich und gerade etwas eingeschüchtert<br />

von <strong>der</strong> großen Universität, muss das <strong>der</strong><br />

Himmel auf Erden sein: Ordnung k<strong>an</strong>n er<br />

sowieso schon, Disziplin ist auf Befehl auch<br />

einfacher als alleine, und Bildung wollte<br />

er eh schon immer, klar, sonst wär er ja<br />

schließlich nicht <strong>an</strong> <strong>der</strong> Uni. Stellt sich nur<br />

noch die Frage: Geht noch mehr Saufen als<br />

beim Bund Und auch auf diese Frage ein<br />

lautes und deut(sch)liches: Jawoll!<br />

Sie, liebeR LeserIn fragen sich jetzt wahrscheinlich:<br />

Wer mögen wohl diese WohlTäter am einfachen<br />

M<strong>an</strong>n sein Machen wir es kurz: Die Rede ist von Studentenverbindungen,<br />

d.h. L<strong>an</strong>dsm<strong>an</strong>nschaften, Sängerschaften,<br />

Turnerschaften und <strong>an</strong><strong>der</strong>en zwar nicht<br />

zu unterschätzenden aber mitglie<strong>der</strong>schwächeren<br />

Korporationen.<br />

Burschenschaften<br />

Ebenfalls unter den Begriff Studentenverbindung<br />

fallen Burschenschaften, welche hier ein wenig fokussiert<br />

betrachtet werden sollen, da sie sich im Gegensatz<br />

zu den <strong>an</strong><strong>der</strong>en Verbindungstypen offen politisch<br />

bezeichnen und daher gute Beispiele für die ihnen<br />

eigene spezielle Art und Weise <strong>der</strong> Einflussnahme in<br />

Politik und Wirtschaft geben. In Deutschl<strong>an</strong>d gibt<br />

es rund 120 dieser Burschenschaften, auf österreichischem<br />

Territorium weitere 20 ihres Zeichens »deutsche«.<br />

Zusammen zählen sie ca. 19.000 Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Während, neben ungefähr 100 deutschen, alle 20<br />

österreichischen Verbände im Dachverb<strong>an</strong>d »Deutsche<br />

Burschenschaft« (DB) org<strong>an</strong>isiert sind, bilden 23<br />

Burschenschaften aus Deutschl<strong>an</strong>d den zweiten Dachverb<strong>an</strong>d,<br />

den Spalter »Neue Deutsche Burschenschaft«<br />

(NDB). Die Dachverbände halten jährlich ihren jeweiligen<br />

sog. Burschentag ab, welcher eine parlamentarische<br />

Funktion für den Zusammenschluss ausübt<br />

und politische Entscheidungen fällt. Dort wird außerdem<br />

jedes Jahr eine präsidierende Burschenschaft<br />

gewählt, die org<strong>an</strong>isatorische und leitende Aufgaben<br />

übernimmt. Die Abspaltung <strong>der</strong> 1996 gegründeten<br />

NDB von <strong>der</strong> 1950 nach Verbot wie<strong>der</strong>gegründeten<br />

DB erfolgte aus politischen, eventuell aber auch taktischen<br />

Gründen. Nach außen gibt sich die NDB eher<br />

gemäßigt konservativ während die DB rechts keinen<br />

R<strong>an</strong>d erkennen lässt. Mit <strong>der</strong> Spaltung radikalisierte<br />

sich <strong>der</strong> Grundtenor in <strong>der</strong> DB, da die gemäßigteren<br />

Kräfte <strong>an</strong> Einfluss verloren beziehungsweise nicht<br />

mehr vorh<strong>an</strong>den waren.<br />

Der Grundtenor<br />

von AKZC(/IJ)<br />

Gemein haben alle Burschenschaften jedenfalls eine<br />

<strong>an</strong> völkischen Theorien orientierte Ideologie. Demnach<br />

existiert in ihren Augen ein deutsches Volk,<br />

welches durch eine eigene Kultur und Sprache definiert<br />

ist und in etwa zwischen Maas und Memel bzw.<br />

Etsch und Belt haust. Eben diesem Denken entspringt<br />

nicht nur in Deutschl<strong>an</strong>d beinahe regelmäßig ein Verl<strong>an</strong>gen<br />

nach territorialem Eigentum und rassistischer<br />

Trennung verschiedener Ethnien. Auch diese Ansätze<br />

sind in Studentenverbindungen stets vorh<strong>an</strong>den gewesen<br />

und in vielen Burschenschaften nicht schwer<br />

auszumachen. Als Beispiele seien nur einige prominente<br />

personelle Überschneidungen mit <strong>der</strong> Rechtsextremen<br />

Szene gen<strong>an</strong>nt:<br />

Rolf Schlierer (Gießener Burschenschaft Germ<strong>an</strong>ia)<br />

war ‚75/‘76 Vorsitzen<strong>der</strong> des Hochschulpolitischen<br />

Ausschusses <strong>der</strong> DB und ist heute Bundesvorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Partei »Die Republik<strong>an</strong>er«. Kontakte<br />

best<strong>an</strong>den bspw. zu H<strong>an</strong>s Filbinger, einem NS-Richter<br />

und dem DVU-Bundesvorsitzenden Gerhard Frey.<br />

Letzterer ist außerdem Herausgeber und Chefredakteur<br />

<strong>der</strong> Deutschen National-Zeitung, für die u.a.<br />

schon <strong>der</strong> ehem. Reichsfilmintend<strong>an</strong>t und L<strong>an</strong>dsm<strong>an</strong>nschafter<br />

<strong>der</strong> im Coburger Convent gebundenen<br />

»Teutonia Heidelberg-Rostock« Fritz Hippler schrieb.<br />

Auch NPD-Bundesvorst<strong>an</strong>dsmitglied und ehem.<br />

Mitglied in <strong>der</strong> Jungen Union Jürgen W. G<strong>an</strong>sel<br />

ist über seine Mitgliedschaft in <strong>der</strong> Burschenschaft<br />

»Dresdensia-Rugia zu Gießen« in <strong>der</strong> DB. Für engagierte<br />

RecherchistInnen sei die Fortführung dieser<br />

kurzen Wikipedia-Expedition empfohlen. Mensch<br />

bekommt so schnell Einblick in die Komplexität <strong>der</strong><br />

Verstrickungen von rechter Politik à la CDU/CSU<br />

o<strong>der</strong> NPD mit <strong>der</strong> rechtsextremen Szene.<br />

Ebenso in Österreich sind durch die Deutsche<br />

Burschenschaft<br />

Verbindungen<br />

von etablierten<br />

rechten Politikern<br />

(wie Jörg Hai<strong>der</strong>,<br />

Silv<strong>an</strong>ia Wien) zu<br />

Rechtsextremen<br />

z.B. in und um die<br />

»Wiener akademische<br />

Burschenschaft<br />

Olympia«<br />

klar erkennbar.<br />

Eine vollständige<br />

Liste<br />

von prominenten<br />

Studentenverbindungsmitglie<strong>der</strong>n<br />

aus Reaktionären,<br />

Konservativen,<br />

Neokonservativen<br />

o<strong>der</strong> Neoliberalen<br />

Kreisen in Politik<br />

und Wirtschaft<br />

wäre wohl mehr<br />

als ellenl<strong>an</strong>g und<br />

auf Grund m<strong>an</strong>gelnden<br />

Einblicks<br />

für Außenstehende auch nicht realisierbar, zweifelsohne<br />

aber hochinteress<strong>an</strong>t.<br />

Nicht nur interess<strong>an</strong>t son<strong>der</strong>n eben auch zu bedenken<br />

ist die Art und Weise, wie <strong>der</strong> – in Bezug auf<br />

die Mitglie<strong>der</strong>zahlen – augenscheinlich überdimensionale<br />

gesellschaftliche Einfluss zu St<strong>an</strong>de kommt.<br />

»Was wir wollen ist die Herrschaft des<br />

geborenen Führers«<br />

Die in je<strong>der</strong> Hinsicht elitären Prinzipien sind bereits<br />

dort erkennbar, wo für das Individuum <strong>der</strong> Einstieg in<br />

das Disneyl<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Machtbesessenen beginnt. Nach<br />

dem Entgegennehmen des B<strong>an</strong>des, das seine Mitgliedschaft<br />

symbolisiert und es zum »Fuchs« werden<br />

lässt, hat es schon die erste Prüfung hinter sich: Die<br />

Aktiven <strong>der</strong> verschiedenen Korporationen haben es<br />

d<strong>an</strong>n wahrscheinlich bereits als »deutsch«, meistens als<br />

Nichtwehrdienstverweigerer und fast immer als männlich<br />

identifizieren und heraussieben können.<br />

Die Karrierestufe, auf welcher <strong>der</strong> Student sich<br />

jetzt befindet, ist weniger als Sieb, denn als Fleischwolf<br />

zu bezeichnen. Das Fuchsdasein, also die Anwärterschaft<br />

auf eine Vollmitgliedschaft ist geprägt von weitgehen<strong>der</strong><br />

Rechtlosigkeit und von Pflichten, welche<br />

ihm »weitgehend unmerklich« (CV-H<strong>an</strong>dbuch, 1990,<br />

S.159) die Konsistenz und Eigenschaften von… sagen<br />

wir: deutschtümeln<strong>der</strong> Mettwurst zu Eigen werden lassen.<br />

Dafür zuständig sind vor allem <strong>der</strong> »Fuchs-Major«<br />

sowie sein persönlicher »Leibbursche«. Ihm wird u.a.<br />

ein Biername gegeben, er wird zum Trinken gezwungen<br />

und <strong>an</strong><strong>der</strong>e sehr zielgerichtete Rituale mit ihm<br />

werden, gegen ihn, für die Verbindung <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dt.<br />

Bek<strong>an</strong>ntestes ist aus sichtbaren Gründen das Mensurfechten,<br />

welches den Mut und die Tapferkeit des<br />

»Kämpfers« symbolisiert. Begleitet wird die in dieser<br />

Phase intensive und destruktive Arbeit <strong>an</strong> <strong>der</strong> Psyche<br />

durch ideellen Input. Umg<strong>an</strong>gssprachlich könnte m<strong>an</strong><br />

diesen Vorg<strong>an</strong>g schlicht als Gehirnwäsche bezeichnen.<br />

Hat <strong>der</strong> formvollendete Student d<strong>an</strong>n die Burschung<br />

hinter sich, so genießt er nun den Status eines<br />

vollwertigen Mitglieds und kommt unmittelbar aus<br />

<strong>der</strong> Position des Unterdrückten in die Situation selbst<br />

Macht ausüben zu können und auch zu sollen. Eine<br />

wirkungsvolle Systematik, welche sogar als schriftliche<br />

Anleitung erhältlich ist (s. CV-H<strong>an</strong>dbuch).<br />

Nachdem <strong>der</strong> aktive Korporierte nun ein bis zwei<br />

Jahre stolz seine Verbindung in Ämtern und nach<br />

außen vertreten hat, k<strong>an</strong>n er in den Status des Inaktiven<br />

wechseln, um sein Studium abzuschließen. Seine<br />

Rechte bleiben dabei un<strong>an</strong>getastet, seine Pflichten<br />

dagegen werden reduziert.<br />

Mit dem Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung wird er letztendlich<br />

als »Alter Herr« in die Gesellschaft entlassen;<br />

» zum<br />

Inhalt<br />

Uni und Studium

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