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komplette Ausgabe - Kritischen JuristInnen an der FU-Berlin

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24 Der StreiT – 1/2009 Staatsgewalt 25<br />

tie« und einer Domin<strong>an</strong>z <strong>der</strong> intergouvernementalen<br />

Verh<strong>an</strong>dlungen; die Interventionskompetenz eines<br />

vom Wähler mehrheitlich legitimierten Parlaments<br />

fehle. Eine gezielte Beeinflussung <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

EU geschehe dabei durch Public-Private-Partnerships<br />

(z.B. »Agenda-Setting« und »Policy-Pl<strong>an</strong>ung«), die bewirken,<br />

dass bestimmte Themen strategisch aus dem<br />

Diskurs ausgeklammert würden. Unter dem dritten<br />

Muster, <strong>der</strong> asymmetrischen Regulierung, versteht<br />

Heidbrink die Diskrep<strong>an</strong>z zwischen Wirtschafts- und<br />

Währungsintegration (negative Integration) und<br />

sozialer Harmonisierung (positive Integration). An<br />

letzterer m<strong>an</strong>gele es, da <strong>der</strong> Fokus zunehmend auf die<br />

negative Integration gerichtet sei. Alles in allem lässt<br />

sich nur sagen: ein sehr gelungener Workshop! 1<br />

Nachmittags gab H<strong>an</strong>s-Werner Hilse, Studieren<strong>der</strong><br />

in Göttingen, einen Einstiegsvortrag zum Thema<br />

»Privatsphäre, Strafverfolgung, Wirtschaftsinteressen<br />

– Nationale und europäische Aspekte des Datenschutzes«.<br />

Dabei erfolgte zunächst ein historischer<br />

Abriss: Über die erstmalige Erwähnung des Grundrechts<br />

<strong>der</strong> informationellen Selbstbestimmung im<br />

Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

im Jahre 1983 bis zum aktuellen Fall <strong>der</strong> nordrheinwestfälischen<br />

Vorschriften zur Online-Durchsuchung,<br />

die als Modell für eine bundeseinheitliche Regelung<br />

galt und den heimlichen Zugriff auf informationstechnische<br />

Systeme regelte 2 . Schwerpunkt <strong>der</strong> Diskussion<br />

war die sogen<strong>an</strong>nte Vorratsdatenspeicherung, die auf<br />

eine EU-Richtlinie fußt und vorsieht, dass ab dem<br />

01.01.2009 sämtliche Telekommunikationsdaten für<br />

sechs Monate gespeichert werden müssen. Zu Guter<br />

letzt ging es um urheberrechtliche Problematiken, was<br />

den Workshop inhaltlich abrundete.<br />

Gleichzeitig gab <strong>der</strong> Rechts<strong>an</strong>walt Heiko Habbe<br />

aus Hamburg in seinem Vortrag »Flucht in die Haft –<br />

Das europäische Abschiebungshaftregime nach Rückführungsrichtlinie<br />

und Dublin II-Verordnung« einen<br />

Einblick, was die Harmonisierung <strong>der</strong> Asylpolitik in<br />

Theorie und Praxis bedeutet. Unzählige Neuerungen<br />

f<strong>an</strong>den in den letzten Jahren ihren Platz in den Regelwerken,<br />

über die Heiko einen kurzen Überblick gab.<br />

Sod<strong>an</strong>n erarbeiteten die Workshop-TeilnehmerInnen<br />

<strong>an</strong>h<strong>an</strong>d <strong>der</strong> nationalen Rechtslage, die Än<strong>der</strong>ungen,<br />

die sich aufgrund <strong>der</strong> Richtlinie und Verordnung<br />

ergeben müssten. Die sehr konzentrierte Arbeitsatmosphäre<br />

ermöglichte dabei ein für das weite Thema sehr<br />

präzises Ergebnis. Dabei machte Heiko immer wie<strong>der</strong><br />

<strong>an</strong> Praxisfällen <strong>an</strong>schaulich, was diese Neuerungen für<br />

die von <strong>der</strong> Abschiebung bedrohten Menschen konkret<br />

bedeutet – nichts Gutes!<br />

Am Samstagabend f<strong>an</strong>d sod<strong>an</strong>n eine Podiumsdiskussion,<br />

unter <strong>der</strong> Leitung von Philip Rusche für<br />

die erkr<strong>an</strong>kte Lena Damm<strong>an</strong>n, zum Thema »Berufsbil<strong>der</strong><br />

kritischer <strong>JuristInnen</strong>« statt. Das Spektrum <strong>der</strong><br />

vertretenen Berufe war breit: So war neben Tobias<br />

Walkling, Richter am Arbeitsgericht Göttingen und<br />

Frie<strong>der</strong>ike Wapler, wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am Lehrstuhl für Rechts- und Sozialphilosophie <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> Philips-Universität Göttingen 3 , auch Iv<strong>an</strong> Prade,<br />

Sachgebietsleiter eines Hamburger Fin<strong>an</strong>zamts, und<br />

<strong>der</strong> Göttinger Rechts<strong>an</strong>walt Sven Adam eingeladen,<br />

letzterer fiel lei<strong>der</strong> kr<strong>an</strong>kheitsbedingt aus. Die drei<br />

ReferentInnen schil<strong>der</strong>ten ihre persönlichen Wege<br />

in den Beruf. Tobias und Frie<strong>der</strong>ike engagierten sich<br />

während ihrer Studienzeit in Göttingen gemeinsam in<br />

<strong>der</strong> damaligen Basisgruppe und gingen d<strong>an</strong>n beruflich<br />

unterschiedliche Wege. Während <strong>der</strong> Diskussion ging<br />

es vor allem um die Frage, ob bzw. wie es die ReferentInnen<br />

schaffen, politisches Engagement und Beruf<br />

mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> zu verbinden.<br />

Während für Iv<strong>an</strong> <strong>der</strong> Versuch, Beruf und politisches<br />

Engagement in <strong>der</strong> linken Szene »unter einen<br />

Hut zu bringen«, nie ein Thema war, stellte sich für<br />

Frie<strong>der</strong>ike gerade die wissenschaftliche Tätigkeit als<br />

Möglichkeit kritischer Betätigung dar.<br />

Dabei be<strong>an</strong>tworteten alle drei bereitwillig und<br />

authentisch die Nachfragen aus dem Auditorium. Die<br />

Reaktion <strong>der</strong> ZuhörerInnen war gespalten: Während<br />

einige die Schil<strong>der</strong>ungen als sehr motivierend und<br />

Mut machend bezeichneten, f<strong>an</strong>den <strong>an</strong><strong>der</strong>e, dass sie<br />

eher gezeigt hätten, dass es offensichtlich doch nicht<br />

möglich sei, Politik und Beruf mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> zu verbinden<br />

ohne dabei zu große Kompromisse einzugehen.<br />

Neben dem Programm gab es genug Zeit sich kennen<br />

zu lernen und auszutauschen. Wie immer war es<br />

Der BAKJ ist Mitherausgeber <strong>der</strong><br />

Zeitschrift »Forum Recht«. Falls Ihr<br />

Interesse <strong>an</strong> einem Abo habt, findet ihr<br />

alle nötigen Informationen auf:<br />

w w w . f o r u m - r e c h t - o n l i n e . d e<br />

Alle Informationen zum BAKJ sowie die<br />

aktuellen Kongress<strong>an</strong>kündigungen sind<br />

auf <strong>der</strong> Seite des BAKJ zu finden:<br />

w w w . b a k j . d e<br />

im Hinblick auf das Jura-Studium motivierend, sich<br />

neben Allgemeinem Schuldrecht und Verwaltungsakten<br />

auch mal mit Rechtspolitik ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>zusetzen.<br />

Insgesamt ein sehr gelungener Kongress; großes<br />

Lob <strong>an</strong> die Basisgruppe Göttingen!<br />

1<br />

Für Interessierte sei auch auf Heidbrinks Artikel<br />

verwiesen, <strong>der</strong> einen kurzen geschichtlichen Abriss<br />

über die Entwicklung <strong>der</strong> EU bietet: http://www.<br />

imi-online.de/eu-projekt/heidbrink_9_2006.pdf.<br />

2<br />

Dabei sah das Bundesverfassungsgericht »das<br />

allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner beson<strong>der</strong>en<br />

Ausprägung als Grundrecht auf Gewährleistung <strong>der</strong><br />

Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer<br />

Systeme« verletzt und schuf damit eine neue<br />

Facette des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,<br />

siehe: http://www.bundesverfassungsgericht.<br />

de/pressemitteilungen/bvg08-022.<br />

3<br />

Frie<strong>der</strong>ike Wapler promoviert <strong>der</strong>zeit zum Thema »Werte<br />

und das Recht. Individualistische und kollektivistische<br />

Deutungen des Wertbegriffs im Neuk<strong>an</strong>ti<strong>an</strong>ismus«;<br />

sie ist Mitverfasserin des Buches »Examen ohne<br />

Repetitor« (Achim Berge, Christi<strong>an</strong> Rath und Frie<strong>der</strong>ike<br />

Wapler: «Examen ohne Repetitor”, 2. Aufl. 2001).<br />

» zum<br />

Inhalt<br />

Uni und Studium

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