Thema 19: AGV-Fallstricke-in-der-Allgemeinmedizin
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Unsicherheiten und <strong>Fallstricke</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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1. Fallbeispiel: „Herr Doktor,<br />
ich habe so komische Halsschmerzen“<br />
• Erkältungssaison<br />
• Scharlachfälle im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />
• Die 5-jährige Tochter wird seit 4 Tagen wegen e<strong>in</strong>er Streptokokken-Tonsillitis<br />
behandelt (Familienmediz<strong>in</strong>)<br />
• Der 42-jährige Vater ruft am Montag morgen um 7 Uhr an<br />
und bittet um e<strong>in</strong>en dr<strong>in</strong>genden Hausbesuch<br />
• Er habe seit 25 M<strong>in</strong>uten starke Halsschmerzen<br />
• Auffallend unruhiger E<strong>in</strong>druck<br />
• Schmerzen an <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Halsseite und h<strong>in</strong>ter dem Brustbe<strong>in</strong><br />
• Inspektion und Palpation <strong>der</strong> Rachen- und Halsregion unauffällig<br />
• RR 110/80mm Hg, P 48/m<strong>in</strong>, Temperatur 37,1°C<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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Herz<strong>in</strong>farkt – „Harte Daten“<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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2. Fallbeispiel: „Herr Doktor,<br />
me<strong>in</strong>e Frau schickt mich.”<br />
• Anmeldung durch die Ehefrau<br />
• Husten seit 2 Wochen, Fieber, Atemnot, Kraftlosigkeit<br />
• Blutdruck niedrig, Puls über 100<br />
• Bis vor 2 Wochen: Skifahren ohne Probleme<br />
• RR 105/70. Puls 126/m<strong>in</strong> regelmäßig<br />
• Beidseits basal fe<strong>in</strong>blasige RGs<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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3. Fallbeispiel:<br />
„Frau Doktor, schauen Sie doch mal nach mir,<br />
ich kann mich kaum mehr auf den Be<strong>in</strong>en halten“<br />
• E<strong>in</strong>e 57-jährige Patient<strong>in</strong> bittet dr<strong>in</strong>gend um e<strong>in</strong>en Hausbesuch<br />
• Es gehe ihr sehr schlecht, sie könne sich seit gestern kaum mehr auf den<br />
Be<strong>in</strong>en halten, Fieber, Schüttelfrost, Husten, Schmerzen auf <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Seite<br />
• Langjährige persönliche Kenntnis. Arterielle Hypertonie, Z.n.Hyperthyreose<br />
• Schlechter AZ, schwer kranker Gesamte<strong>in</strong>druck<br />
• Temperatur 39,5°C, RR 150/60, Puls 92/m<strong>in</strong>, AF 32/m<strong>in</strong>, Kurzatmigkeit,<br />
gelber Auswurf, im l<strong>in</strong>ken Unterfeld abgeschwächter Klopfschall<br />
und fe<strong>in</strong>blasige ohrnahe Rasselgeräusche<br />
• Komplikationen: „Rückfall mit Schwäche, Übelkeit, Durchfall,<br />
Schweißausbrüchen, Schlafstörungen und Gewichtsabnahme<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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Frühsymptomatik<br />
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Frühsymptomatik<br />
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4. Fallbeispiel:<br />
„Herr Doktor, fahren Sie <strong>in</strong> den Augartenweg,<br />
e<strong>in</strong>e ganze Familie hat Grippe“<br />
• Ärztlicher Notdienst, viele E<strong>in</strong>sätze wegen fieberhafter grippaler Infekte<br />
• Die Rettungsleitstelle schickt den Diensthabenden Arzt am späten Abend zu<br />
e<strong>in</strong>er Familie mit grippalen Symptomen<br />
• Der Augartenweg liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wohnviertel mit vielen Arbeitslosen, das Haus<br />
macht e<strong>in</strong>en heruntergekommenen E<strong>in</strong>druck, <strong>der</strong> Weg zum Haus ist wegen<br />
Bauarbeiten teilweise gesperrt.<br />
• Der stark alkoholisierte 37-jährige Vater klagt über Kopfschmerzen und<br />
Müdigkeit, die 33-jährige Mutter über Kopfschmerzen, Benommenheit und<br />
trockenen Husten, <strong>der</strong> 9-jährige Sohn, - mit Halsschmerzen, Husten und<br />
Bauchschmerzen angekündigt, - sagt es gehe ihm wie<strong>der</strong> gut.<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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5. Fallbeispiel:<br />
„Frau Doktor, unser K<strong>in</strong>d hat schon wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Magen-Darm-Infekt“<br />
• E<strong>in</strong> 4-jähriger Junge kommt mit se<strong>in</strong>er Mutter <strong>in</strong> die Sprechstunde<br />
• Übelkeit und Bauchschmerzen seit den frühen Morgenstunden<br />
• Unauffälliger körperlicher Untersuchungsbefund<br />
2010 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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6. Fallbeispiel:<br />
„Frau Doktor, ich habe so e<strong>in</strong>en Blähbauch!“<br />
• E<strong>in</strong>e 58-jährige Patient<strong>in</strong> kommt <strong>in</strong> die Sprechstunde<br />
• Blähbauch, Übelkeit, 1x Erbrechen, 1x Durchfall,<br />
• Bauchdecken weich, DG pos., Gallenste<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d bekannt<br />
• Diffuser Druckschmerz bei geblähtem Abdomen<br />
• Tel. am zweiten Tag:<br />
gestern abend nochmals sehr starke “Magenschmerzen”, Übelkeit,<br />
jetzt allmähliche Besserung durch MCP-Tropfen<br />
• Tel. Am 4. Tag:<br />
• Übelkeit weg, Magen durch Iberogast gebessert, aber noch diffuse<br />
Bauchschmerzen bei Blähbauch, wenig Stuhlgang, “feuchte W<strong>in</strong>de”<br />
• Abdomen gebläht, Bauchdecken gespannt, Druckschmerz<br />
parumbilikal, Darmgeräusche negativ.<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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7. Fallbeispiel:<br />
„Herr Doktor, kommen Sie ganz schnell, me<strong>in</strong><br />
Mann hat schreckliche Bauchschmerzen“<br />
• E<strong>in</strong>e besorgte Ehefrau ruft nachts um 3 Uhr 20 an.<br />
• Der 52-jährige Ehemann habe seit 2 Stunden stärkste Bauchschmerzen<br />
• Zustand nach Cholezystektomie<br />
• Kolikartige Oberbauchschmerzen<br />
• Bauchdecken weich, Druckschmerz im Oberbauch, DG pos.<br />
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Frühsymptomatik<br />
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8. Fallbeispiel:<br />
„Herr Doktor, ich habe mir da was e<strong>in</strong>gefangen!“<br />
• E<strong>in</strong> 32-jähriger Patient ist vor 3 Tagen zurückgekehrt von e<strong>in</strong>em 6-wöchigen<br />
Bali-Aufenthalt – dort verbr<strong>in</strong>gt er seit vielen Jahren se<strong>in</strong>en Urlaub.<br />
• „Diesmal habe ich mir was e<strong>in</strong>gefangen, aus <strong>der</strong> Harnröhre entleert sich<br />
gelber rahmiger Eiter, die Leistenlymphknoten s<strong>in</strong>d angeschwollen, Fieber<br />
hatte ich auch, <strong>der</strong> Rückflug war extrem anstrengend. Außerdem möchte ich<br />
e<strong>in</strong>en HIV-Test machen lassen.“<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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9. Fallbeispiel:<br />
„Frau Doktor, unser Opa baut so ab!“<br />
• E<strong>in</strong> 83-jähriger Witwer zieht sich immer mehr aus dem Familienleben zurück.<br />
• Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> berichten, dass er sehr stark abgebaut habe, - körperlich und<br />
geistig. Er sei früher handwerklich außerordentlich geschickt und fl<strong>in</strong>k<br />
gewesen. Jetzt könne er gar nichts mehr, sitze nur noch hilf- und <strong>in</strong>teresselos<br />
am Tisch, er lese se<strong>in</strong>e Zeitung nicht mehr und an Gesprächen beteilige er<br />
sich überhaupt nicht mehr.<br />
• Die Sprache ist verlangsamt, schwerfällig, <strong>der</strong> Patient wirkt nervös, aber<br />
freundlich.<br />
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Frühsymptomatik<br />
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10. Fallbeispiel: „Herr Doktor, unsere Oma<br />
ist so teilnahmslos geworden!“<br />
• E<strong>in</strong>e 76-jährige Patient<strong>in</strong> zieht sich nach dem Tod ihres Ehemanns immer<br />
mehr aus dem Familienleben und ihren sozialen Kontakten zurück.<br />
• Früher kam sie regelmäßig <strong>in</strong> die Sprechstunde, jetzt bittet <strong>der</strong> Sohn um e<strong>in</strong>en<br />
Hausbesuch, da sie so teilnahmslos und depressiv sei, dass er sie nicht mehr<br />
<strong>in</strong> die Praxis bekomme.<br />
• Sie klagt über allgeme<strong>in</strong>e Kraftlosigkeit, Müdigkeit, Nachlassen des<br />
Gedächtnisses, Obstipation und Appetitlosigkeit.<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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11. Fallbeispiel: „Doktor, was ist,<br />
immer viel Kopfschmerzen“<br />
• E<strong>in</strong>e 25-jährige türkische Patient<strong>in</strong> klagt über:<br />
immer nervös<br />
schlecht schlafen<br />
viel Schwitzen<br />
immer viel Kopfschmerzen<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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12. Fallbeispiel: „Frau Doktor, ich habe solche<br />
Angst, dass es Leukämie se<strong>in</strong> könnte!“<br />
• E<strong>in</strong> 13-jähriges, blasses, schlankes Mädchen kommt mit ihrer Mutter <strong>in</strong> die<br />
Sprechstunde.<br />
• Das Mädchen sei <strong>in</strong> den letzten Wochen auffällig müde gewesen und habe an<br />
Gewicht verloren.<br />
• Die Mutter ist beson<strong>der</strong>s beunruhigt, da e<strong>in</strong>e Cous<strong>in</strong>e vor 3 Monaten im Alter<br />
von 11 Jahren an Leukämie gestorben sei.<br />
• Größe 158cm, Gewicht 40 kg, RR 110/70, Puls 92/m<strong>in</strong>, Blässe<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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Hausärztliche Strategien im Umgang mit<br />
Unsicherheiten und <strong>Fallstricke</strong>n<br />
• Frühsymptomatik:<br />
Abwartendes Offenhalten und erlebte Anamnese – Genaue Kenntnis des Krankheitsverlaufs unter<br />
Berücksichtigung Abwendbar Gefährlicher Verläufe<br />
• Banale Fälle und Abwendbar gefährliche Verläufe:<br />
Fundiertes Wissen, Epidemiologie, Differentialdiagnosen <strong>der</strong> Leitsymptome<br />
• Atypischer Verlauf und Multimorbidität:<br />
Systematische Anwendung <strong>der</strong> symptomorientierten Leitl<strong>in</strong>ien, Summe <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>isch-praktischen<br />
Erfahrung und <strong>in</strong>dividuelles Risikoprofil<br />
• Häufig übersehene Diagnosen: Liste<br />
• Entscheidungsf<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>geschränkten Mitteln:<br />
Zeit, Budget, diagnostische und therapeutische Möglichkeiten<br />
• Erwartungen und Ängste <strong>der</strong> Patienten: Bewusster Umgang, langjährige Kenntnis<br />
• Compliance- und Kommunikationsprobleme: Strategietra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
• Vorurteile und emotionale Aspekte: Abbau<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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Lernziele und Prüfungswissen<br />
Unsicherheiten und <strong>Fallstricke</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Die Studierenden sollen<br />
• das Problem <strong>der</strong> Frühsymptomatik <strong>in</strong> <strong>der</strong> hausärztlichen Primärversorgung kennen<br />
• die Abgrenzungsprobleme <strong>der</strong> Abwendbar gefährlichen Verläufe von Bagatellerkrankungen im unselektierten<br />
Patientengut <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>praxis kennen<br />
• Häufig übersehene Diagnosen kennen<br />
• die wichtigsten Gründe für Unsicherheiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>praxis kennen:<br />
Atypischer Verlauf, Multimorbidität, Entscheidungsf<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>geschränkten Mitteln (Zeit, Budget,<br />
diagnostische und therapeutische Möglichkeiten), Erwartungen und Ängste <strong>der</strong> Patienten,<br />
Compliance- und Kommunikationsprobleme, Vorurteile und emotionale Aspekte<br />
• Hausärztliche Strategien im Umgang mit Unsicherheiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>praxis kennen:<br />
Abwartendes Offenhalten und erlebte Anamnese,<br />
Abwendbar Gefährlicher Verlauf – Genaue Kenntnis des Krankheitsverlaufs, Fundiertes Wissen über die<br />
Differentialdiagnosen <strong>der</strong> Leitsymptome und über die Epidemiologie <strong>der</strong> Krankheiten, Systematische Anwendung<br />
<strong>der</strong> symptomorientierten Leitl<strong>in</strong>ien, Summe <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>isch-praktischen Erfahrung und <strong>in</strong>dividuelles Risikoprofil<br />
(good cl<strong>in</strong>ical practice)<br />
Literatur:<br />
Kochen, M.M.: Allgeme<strong>in</strong>- und Familienmediz<strong>in</strong><br />
Steele, D.J., Susman, J.L., McCurdy F.A.: Student Guide to Primary Care<br />
Raetzo M.-A., A. Restell<strong>in</strong>i: Alltagsbeschwerden<br />
Fischer, G., et al.: Komplikationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hausarztpraxis<br />
2011 ambu - Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Frühsymptomatik<br />
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E<strong>in</strong> 32-jähriger Patient ist vor 3 Tagen von e<strong>in</strong>em 6-wöchigen Indonesien-Aufenthalt<br />
zurückgekehrt. "Diesmal habe ich mir etwas e<strong>in</strong>gefangen, aus <strong>der</strong> Harnröhre entleert<br />
sich gelber rahmiger Eiter, Fieber hatte ich auch, <strong>der</strong> Rückflug war extrem anstrengend.<br />
Außerdem möchte ich e<strong>in</strong>en HIV-Test machen lassen.“<br />
Nennen Sie den aktuell wichtigsten Abwendbar Gefährlichen Verlauf!<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
E<br />
Enterocolitis<br />
Urethritis<br />
Malaria<br />
HIV-Infektion<br />
Pneumonie<br />
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Frühsymptomatik<br />
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