Abstracts aller Tagungsbeiträge - DGPuK
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Inhalt<br />
<strong>Abstracts</strong> zur Tagung<br />
Keynotes<br />
Seite<br />
Friedrich Krotz, Münster<br />
Gegenstandsbezogene Forschung: Pragmatische Überlegungen zum<br />
Zusammenspiel qualitativer und quantitativer Methoden 5<br />
Uwe Hasebrink, Hamburg<br />
Gegenstandsbezogene Forschung: Pragmatische Überlegungen zum<br />
Zusammenspiel quantitativer und qualitativer Methoden 8<br />
Wege und Ziele der Methodenintegration<br />
Helena Bilandzic, Erfurt<br />
Zur Komplementarität qualitativer und quantitativer Methoden bei der<br />
Konstruktion einer Handlungstheorie mittlerer Reichweite 10<br />
Christian Wenger, Augsburg<br />
Chancen und Probleme einer gleichberechtigten und simultanen<br />
Integration qualitativer und quantitativer Methoden 15<br />
Helmut Scherer, Eva Baumann, Daniela Schlütz, Nils von der Kall,<br />
Hannover<br />
Offenheit statt dogmatischer Beschränktheit –<br />
Über die Integration quantitativer und qualitativer Methoden<br />
in der Kommunikationsforschung<br />
Die „Methodenschulen“ der Kommunikationswissenschaft<br />
Wolfram Peiser, Mainz<br />
Grundlegende methodische Orientierungen<br />
in der Kommunikationswissenschaft<br />
Wiebke Möhring & Helmut Scherer, Hannover<br />
Eine Frage des Themas Einsatzfelder qualitativer und quantitativer<br />
Verfahren in den letzten Jahrzehnten 25<br />
Theoretische Implikationen qualitativer Verfahren<br />
Achim Hackenberg, Daniel Hajok, Antje Richter, Berlin<br />
Medienrezeption als Kommunikatbildungsprozess – Eine empirische<br />
Untersuchung zur individuellen Konstruktion medialer Ereignisse 27<br />
Wiebke Loosen, Hamburg<br />
Mediale Synergien bei „Spiegel“, „Focus“, „Stern“ – Print, Online, TV:<br />
eine Methoden-, Verfahrens- und Medienkombination 33<br />
Burkard Michel, Magdeburg<br />
Die Kombination quantitativer und qualitativer Methoden. Zur Analyse<br />
habitusspezifischer Dimensionen der Medienrezeption 37<br />
19<br />
21<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
Inhaltsverzeichnis < Seite 3
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Kombinationen quantitativer und qualitativer Verfahren 1<br />
Marcus Maurer & Carsten Reinemann, Mainz<br />
Evidenz oder Emotion – was ist überzeugender Ein Beitrag zur<br />
Integration quantitativer und qualitativer Rhetorikforschung<br />
am Beispiel des zweiten TV-Duells im Bundestagswahlkampf 2002 41<br />
Gabriela Christmann & Olaf Jandura, Dresden<br />
Lokale Medien und städtische Identität am Beispiel von Dresden.<br />
Eine Kombination von qualitativer und quantitativer Methodik 44<br />
Kombinationen in Instrumentenbildung und Auswertung<br />
Ruth Jäger, Dresden<br />
Integration von Ergebnissen: Konzeptuelle Überlegungen<br />
illustriert an einem Praxisbeispiel 46<br />
Jörg Matthes, Jena<br />
Die Verknüpfung von qualitativen und quantitativen Methoden<br />
im Prozess der Skalenkonstruktion 49<br />
Kombinationen quantitativer und qualitativer Verfahren 2<br />
Bertram Scheufele, München<br />
Verknüpfung qualitativer Befunde und quantitativer Daten am Anwendungsbeispiel<br />
journalistischer Nachrichtenproduktion 53<br />
Michaela Maier, Hohenheim<br />
Süßsauer – Erfahrungen mit dem Einsatz qualitativer Methoden 57<br />
Die Referenten 61<br />
Seite 4 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Friedrich Krotz, Münster<br />
Gegenstandsbezogene Forschung:<br />
Pragmatische Überlegungen zum Zusammenspiel<br />
qualitativer und quantitativer Methoden<br />
Forschung zielt auf die Beantwortung von Forschungsfragen, die dabei –<br />
implizit oder explizit – einen „Forschungsgegenstand“ konstituieren. Deshalb<br />
liegt es nahe, im Wortsinn pragmatisch zu forschen und diesen „Gegenstand“<br />
aus möglichst vielen relevanten Perspektiven mit möglichst vielen<br />
angemessenen Methoden zu untersuchen. Es ist so gesehen ein<br />
Forschritt, wenn in einer Wissenschaft, die wie die Kommunikationswissenschaft<br />
auch Konsequenzen haben will, nicht puristisch im Sinne einer<br />
reinen Methodenlehre, sondern gegenstandsorientiert vorgegangen wird.<br />
Die Frage ist dann freilich, wie man das macht, wie man die mit verschiedenen<br />
Methoden erhaltenen verschiedenen Forschungsergebnisse zusammensetzt<br />
und inwiefern man das wissenschaftstheoretisch überhaupt darf.<br />
Dazu sollen einige Überlegungen entwickelt werden. Sie beziehen sich erstens<br />
auf Sprechweisen, zweitens auf die Unterschiede der qualitativen<br />
bzw. quantitativen Forschungsverfahren, drittens auf ihre Gemeinsamkeiten.<br />
Viertens wird eine andere Sichtweise vorgeschlagen, die Forschung<br />
als Prozess der Entwicklung und Prüfung von Theorien versteht. Methoden<br />
werden dabei als Regelsysteme für akzeptiertes forschendes Handeln verstanden.<br />
Sprechweisen<br />
Formal muss man sich erst einmal über Sprechweisen verständigen. Einigkeit<br />
besteht wohl darüber, dass die Gegenüberstellung „quantitativ“ und<br />
„qualitativ“, die sich eigentlich auf Datenformen bezieht, untauglich dafür<br />
ist, die Unterschiede von Forschungsmetheoden zu beschreiben. Dennoch<br />
gibt es, wie wohlbekannt, fundamentale Unterschiede, wie man vorzugehen<br />
hat. Deshalb hat Wilson zwischen dem normativen und dem interaktiven<br />
Paradigma unterschieden (Wilson 1968). Das Problem dieser Unterscheidung<br />
liegt unter anderem darin, dass sie unterstellt, dass es sich um<br />
zwei in sich einheitliche Paradigmata handelt. Das ist für die sogenannten<br />
qualitativen Ansätze sicherlich falsch, sie unterscheiden sich auch untereinander<br />
auf grundlegende Weise (Krotz 2003).<br />
Ein Lösungsvorschlag, den ich weiter hinten begründen werde, könnte es<br />
sein, einerseits von formalstrukturellen Forschungsansätzen (weil Mathematik<br />
und formale Logik sich mit formalen Strukturen beschäftigen) und<br />
andererseits von kontextbezogenen Forschungsansätzen zu sprechen (weil<br />
die sogenannten qualitativen Ansätze Begriffe und Aussagen immer in ihren<br />
jeweiligen Kontexten behandeln).<br />
Unterschiede: Basisorientierung und Theoriekonzept<br />
Wenn man formalstrukturelle und kontextbezogene Forschungsverfahren<br />
miteinander vergleicht (und zwar mit dem Ziel, hybride Forschung zu be-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 5
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
treiben), so liegen ihre Hauptunterschiede auf mindestens zwei Ebenen.<br />
Einmal in der Frage, auf was für prinzipielle Überlegungen sie sich stützen,<br />
und zum anderen in dem, was sie unter Theorie verstehen, die ja Ziel von<br />
Forschung ist.<br />
Die formalstrukturellen Verfahren lassen sich im Hinblick darauf dadurch<br />
charakterisieren, dass sie sich an den Messverfahren der Naturwissenschaften<br />
orientieren und deshalb davon ausgehen, dass sozial- und kommunikationswissenschaftliche<br />
Theorien mit Hilfe der Mathematik und der<br />
formalen Logik gewonnen und formuliert werden müssen. Das ist ihre Basisorientierung,<br />
die auf der anderen Seite festlegt, was Theorie als Ergebnis<br />
von Forschung ist. Theorien sind in dieser Perspektive zusammenhängende<br />
logisch formulierte Aussagensysteme – Komplexe aus Wenn-Dannund<br />
Je-Desto-Aussagen auf der Basis logisch konzipierter Begrifflichkeiten<br />
bzw. Verbalisierungen davon. Das wird deswegen als reduktionistisch gescholten,<br />
weil es ja nicht schwer ist, Beispiele logischer Folgerungen zu<br />
finden, die zwar aus akzeptierten Annahmen ableitbar sind, aber zu nicht<br />
akzeptierten Ergebnissen führen.<br />
Demgegenüber haben die sogenannten qualitativen Verfahren untereinander<br />
nur wenige Gemeinsamkeiten. Immerhin ist bei allen vorausgesetzt,<br />
dass Daten nur unter Berücksichtigung von Bedeutungskontexten Sinn<br />
machen können, und nur, wenn man ihren Sinn berücksichtigt, kann man<br />
sie verstehen und in der Forschung verwerten. Ferner zielen sie alle im<br />
Ergebnis auf Theorien, die man als komplexe Texte verstehen muss, in<br />
denen die Forschungsergebnisse dargestellt und begründet werden. Diese<br />
theoretischen Texte müssen sich auf erhobene Daten aus der „Wirklichkeit“<br />
beziehen, mehr oder weniger logisch und plausibel sein, einen gewissen<br />
Erklärungswert haben. Man muss ferner ihren Entstehungszusammenhang<br />
rekonstruieren und beurteilen können, und sie müssen von der<br />
Wissenschaftlergemeinschaft oder einem Teil mehr oder weniger akzeptiert<br />
werden. Von zentraler Bedeutung ist auch, dass sich die erhaltene<br />
Theorie zu dem bereits vorhandenen Theoriefundus verhält, also ihre Beziehungen<br />
klärt. Hier sind eine Reihe von Fragen offen, insbesondere gibt<br />
es beispielsweise auch Theorien, die einzelne dieser Forderungen verletzen,<br />
trotzdem aber zu den wichtigen wissenschaftlichen Texten mit einem<br />
empirischen Bezug gehören, etwa die Texte von Emile Durkheim oder Max<br />
Weber.<br />
Gemeinsamkeiten<br />
Neben ihren Unterschieden weisen formalstrukturelle und kontextbezogene<br />
Forschungsansätze aber auch Gemeinsamkeiten auf. Dazu gehört, dass<br />
sowohl qualitative als auch quantitative Verfahren letztlich induktive Verfahren<br />
sind, dass Forschung eigentlich als Prozess beschrieben wird, der<br />
bestimmte Regeln erfüllen muss, und dass beide Vorgehensweisen letztlich<br />
symbolische Theorien erzeugen, die sich zwar auf die „Realität“ beziehen,<br />
die aber nicht Teil des Forschungsgegenstandes sind, aus dessen Untersuchung<br />
sie gewonnen wurden (auch, wenn sie diesen beeinflussen<br />
Seite 6 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
können). Diese Gemeinsamkeiten übertragen sich vermutlich auf hybride<br />
Forschung, wenn man sie einfach additiv betreibt.<br />
Hybride Forschung als Prozess<br />
Hybride Forschung besteht also aus Theorien beider Art, wobei die Regelsysteme<br />
für korrektes forschendes Handeln nicht gemischt werden sollten,<br />
sondern voneinander unabhängig angewandt werden sollten. Dann beziehen<br />
sich die quantitativ bzw. qualitativ erzeugten Teiltheorien auf unterschiedliche<br />
Fragestellungen und Teilaspekte und müssen letztlich zusammengesetzt<br />
werden. Induktiv und vorläufig ist das also immer auch, und<br />
auch der additiv erzeugte Forschungsbericht steht der Realität gegenüber<br />
und bezieht sich in seinen verschiedenen Teilen mittels unterschiedlicher<br />
Richtigkeitskriterien auf den Forschungsgegenstand. Das gibt sicher mehr<br />
Einblick in die Forschungsfrage als nur quantitative oder nur qualitative<br />
Verfahren, ist aber nicht befriedigend.<br />
Einen anderen Weg geht die Ethnographie, die einzige Forschungsmethode,<br />
die sowohl qualitative als auch quantitative Untersuchungen berücksichtigt.<br />
Die ethnographische Forscherin und der ethnographische Forscher<br />
versuchen, die von ihnen untersuchte Kultur auf der Basis eines praktisch<br />
geteilten Alltags mit allen zur Verfügung stehenden Methoden zu untersuchen<br />
und sie breit zu verstehen und zu beschreiben und dann auf dieser<br />
Basis konkrete Forschungsfragen zu lösen. Das endgültige Produkt solcher<br />
Forschung entsteht dann aber im Allgemeinen außerhalb des konkreten<br />
Aufenthalts im Feld, weil es einerseits eine Vermittlung zwischen zwei Kulturen<br />
leisten muss, und weil es als einheitlicher Bericht eine Gesamtstruktur<br />
besitzt und benötigt. Die Ethnographie hat in den letzten Jahrzehnten<br />
eine breite Diskussion darüber geführt, wie genau der Bezug eines so verfassten<br />
Forschungsberichts zu der untersuchten Kultur tatsächlich ist. So<br />
gesehen ist die Ethnographie ein hybrides Verfahren zur Erzeugung von<br />
Theorien – das hat sie gemeinsam mit der Grounded Theory sowie der<br />
heuristischen Sozialforschung.<br />
Von daher wäre es eine Möglichkeit, ein anderes Forschungsmodell zu<br />
entwickeln: Forschung beginnt mit einem Vorwissen von dem zu untersuchenden<br />
Gegenstand, das unscharf, vielleicht falsch, aber allgemein und<br />
theoretisch ist. Der Forschungsprozess besteht nun darin, dieses Vorwissen<br />
durch die Untersuchung verschiedener Fälle mit sowohl quantitativen<br />
als auch mit unterschiedlichen qualitativen Methoden zu verbessern. Dies<br />
geschieht (unabhängig von Induktiv und Deduktiv) komparativ: Es werden<br />
einzelne neue Fälle untersucht und das, was für diese Einzelfälle gültig ist,<br />
wird mit dem vorher bereits gesammelten Wissen verglichen – es wird geändert,<br />
wo notwendig. So wird das bereits gesammelte Wissen einerseits<br />
getestet, andererseits weiter entwickelt, solange, bis keine neuen Fälle<br />
mehr gefunden werden, aufgrund derer die Theorie modifiziert werden<br />
muss.<br />
Ein Ergebnis lässt sich dann als Textzusammenhang auf der Basis der Reformulierung<br />
der bis dahin gesammelten Einsichten verfassen; weil alle<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 7
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
möglichen Fälle dabei berücksichtigt sind, handelt es sich zweifelsohne um<br />
eine Theorie. Da die Forschungsregeln jeder Methode letztlich als Ablaufmodell<br />
formuliert sind, ist dieses komparative Ablaufmodell ebenfalls eine<br />
Antwort auf Forschungsnotwendigkeiten. Hierfür müssen <strong>aller</strong>dings Kriterien<br />
der Güte entwickelt werden.<br />
Uwe Hasebrink, Hamburg<br />
Gegenstandsbezogene Forschung:<br />
Pragmatische Überlegungen zum Zusammenspiel<br />
quantitativer und qualitativer Methoden<br />
In Abstimmung mit und in Ergänzung zu dem Vortrag von Friedrich Krotz<br />
wird das gemeinsame Thema, die Kombination verschiedener methodischer<br />
Zugänge in Forschungskontexten, die in erster Linie durch den jeweiligen<br />
Gegenstand geprägt sind, fortgeführt. Die Überlegungen, dies<br />
wird im Titel durch die umgekehrte Reihenfolge der quantitativen und<br />
qualitativen Methoden angedeutet, erfolgen aus einer Perspektive, in der<br />
die gemeinhin als „quantitativ“ bezeichneten Methoden im Vordergrund<br />
stehen.<br />
Grundlage des Vortrags sind Erfahrungen mit Forschungsprojekten, die<br />
weniger aus einem wissenschaftsgeprägten Entdeckungszusammenhang<br />
stammen, sondern sich eher aus Problemstellungen in der Praxis oder aus<br />
Streitfragen zur aktuellen Medienentwicklung ergeben. Der bei diesen Projekten<br />
interessierende Forschungsgegenstand sperrt sich der Zuordnung<br />
zu den disziplinär und paradigmatisch abgesteckten Feldern der wissenschaftlichen<br />
Landkarten; um nicht von vornherein bestimmte Aspekte des<br />
Gegenstandsbereichs auszublenden, sind daher jeweils verschiedene theoretische<br />
Konzepte und methodische Vorgehensweisen miteinander zu<br />
kombinieren.<br />
Bei den empirischen Beispielen handelt es sich zum Einen um Versuche,<br />
die gängigen Reichweitendaten, wie sie von der GfK für das Fernsehen<br />
und von der Media Analyse für Hörfunk und Fernsehen geliefert werden<br />
und als Inbegriff quantitativer Daten in der Kommunikationswissenschaft<br />
betrachtet werden können, auch für vertiefende wissenschaftliche Fragen<br />
fruchtbar zu machen; die dazu erforderlichen Reanalysen reichen selbst<br />
bereits an den Bereich der eher als „qualitativ“ zu bezeichnenden Auswertungsstrategien<br />
heran, darüber hinaus ergeben sich aus ihnen Anknüpfungspunkte<br />
für qualitativ angelegte Ergänzungen des Forschungsdesigns.<br />
Zum Anderen geht es um solche Studien, die sich ein bestimmtes Medienangebot<br />
(z.B. Daily Talks) herausgreifen und untersuchen, welche Funktionen<br />
und potenziellen Auswirkungen dieses Angebot in bestimmten Bevölkerungsgruppen<br />
hat; Studien dieser Art umfassen sowohl Angebotsanalysen<br />
als auch qualitativ und quantitativ angelegte Rezeptionsuntersuchungen.<br />
Seite 8 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Die angekündigten „pragmatischen Überlegungen“ zum Zusammenspiel<br />
von quantitativen und qualitativen Methoden folgen der Unterteilung des<br />
Forschungsprozesses in Entdeckungs-, Begründungs- und Verwertungszusammenhang.<br />
Besonders hervorgehoben wird dabei im Vortrag der Verwertungszusammenhang.<br />
Gegenstandsbezogene Forschung im hier gemeinten<br />
Sinne hat verschiedene Zielgruppen: die an der Fragestellung interessierten<br />
„Scientific Communities“, die Auftraggeber oder Förderer sowie<br />
insbesondere die verschiedenen Institutionen und gesellschaftlichen<br />
Gruppen, die in ihrem beruflichen oder privaten Alltag von dem Gegenstand<br />
betroffen sind. Diese Zielgruppen unterscheiden sich erheblich in<br />
den Kriterien, die sie an wissenschaftliche Arbeiten anlegen. Entsprechend<br />
ist bei der Vermittlung von Forschungsergebnissen mit sehr disparaten<br />
Reaktionen zu rechnen. Anhand der genannten Beispielprojekte soll veranschaulicht<br />
werden, dass im Hinblick auf den Verwertungszusammenhang<br />
gegenstandsbezogener Forschung das für die Nachrichtenrezeption<br />
ausgearbeitete Konzept der „Alltagsrationalität“ sinngemäß auf die Rezeption<br />
wissenschaftlicher Ergebnisse übertragen werden kann: Die dabei zur<br />
Anwendung kommenden Heuristiken haben erstens nur entfernt mit wissenschaftlich<br />
begründeten Gütekriterien zu tun, und zweitens unterscheiden<br />
sich die verschiedenen Zielgruppen erheblich in der Gewichtung der<br />
Aussagekraft verschiedener Befunde. Kombinationen von quantitativen<br />
und qualitativen Methoden stellen so auch ein mögliches Verfahren dar,<br />
die Anschlussfähigkeit der Forschung an verschiedene Diskurse zu ermöglichen.<br />
Abschließend soll die mittlerweile oft zu beobachtende Begeisterung für<br />
Methodenkombinationen dieser Art kritisch hinterfragt werden. Zuweilen<br />
hat es den Anschein, als sei die Kombination quantitativer und qualitativer<br />
Verfahren per se ein Qualitätskriterium; dies lässt sich etwa bei Projektausschreibungen<br />
der Landesmedienanstalten erkennen, in denen relativ<br />
unabhängig vom jeweiligen Gegenstand eine solche Kombination verlangt<br />
wird. Dass dem nicht so ist, dass die entsprechenden Methodenkombinationen<br />
vielfach nur auf einer oberflächlichen Ebene Berührungspunkte aufweisen,<br />
nicht jedoch ein kohärentes Bild vom Gegenstand liefern, lässt<br />
sich am Beispiel der genannten Studien veranschaulichen. Damit könnte,<br />
so die Hoffnung, eine Vorlage für die folgenden Beiträge gegeben sein, die<br />
sich mit konkreten Formen der Methodenkombination auseinandersetzen.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 9
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Helena Bilandzic, Erfurt<br />
Zur Komplementarität qualitativer und quantitativer<br />
Methoden bei der Konstruktion einer Handlungstheorie<br />
mittlerer Reichweite<br />
1 Problemstellung und wissenschaftstheoretischer Hintergrund<br />
Ziel des Beitrags ist es, eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie Theorien mittlerer<br />
Reichweite 1 aus allgemeinen Handlungstheorien konstruiert werden<br />
können, indem eine wissenschaftstheoretisch begründete Abfolge qualitativer<br />
und quantitativer Methoden zur Anwendung kommt. 2<br />
Die Erklärung von Handlungen steht am Schnittpunkt zwischen qualitativer<br />
und quantitativer Forschung. Im deduktiv-nomologischen Paradigma,<br />
das mit quantitativer Forschung assoziiert ist, werden Handlungen nach<br />
dem Vorbild der Naturwissenschaften erklärt: Handlungen werden als Ereignisse<br />
gesehen, die sich aus einem allgemeinen Gesetz und Antezendensbedingungen<br />
ableiten und damit erklären lassen (Hempel, 1977;<br />
Hempel/Oppenheim, 1965).<br />
Solche kausalistischen Erklärungen werden von Vertretern der Analytischen<br />
Handlungstheorie abgelehnt, mit dem Argument, dass Handlungserklärungen<br />
ohne einen Rekurs auf Intentionen nicht vollständig seien.<br />
Bezieht man aber Intentionen als Gründe mit ein, kann man dem deduktiv-nomologischen<br />
Schema nicht mehr folgen, weil Intentionen keine äußeren<br />
Ursachen darstellen, die getrennt empirisch geprüft werden können,<br />
sondern eine innere, „logische“ Verbindung zur Handlung haben (Winch<br />
1966, von Wright 2000).<br />
Diese Überlegungen der Analytischen Handlungstheorie zum Handlungsbegriff<br />
„konvergieren mit den methodologischen Prämissen des interpretativen<br />
Paradigmas der soziologischen Handlungstheorie [und damit der<br />
qualitativen Sozialforschung, Amn. d. Verf.], welches im Anschluss an<br />
Mead und Schütz von Blumer, Wilson und Cicourel formuliert wurde: soziales<br />
Handeln kann ohne Bezugnahme auf die individuellen Zielsetzungen<br />
der Akteure weder verstanden noch erklärt werden“ (Kelle 1997: 15).<br />
Moderne Positionen heben den Anspruch der Ausschließlichkeit der deduktiv-nomologischen<br />
und interpretativen Position auf und definieren Handlungserklärungen<br />
dann als vollständig, wenn sie sowohl intentionale als<br />
auch nicht-intentionale Handlungsgründe berücksichtigen (Kelle 1997: 89<br />
ff. auf Basis von Tuomelas (1978) Überlegungen): Intentionale Handlungsgründe<br />
stellen die Gründe dar, die ein Akteur aufgrund seiner Interpretation<br />
der Situation als handlungsleitend empfindet, seine Wünsche,<br />
1 d.h. Theorien, die sich auf einen begrenzten Gegenstandsbereich beziehen (Merton,<br />
1968).<br />
2 „Quantitativ“ bedeutet dabei, dass eine Messung (ab Nominalskalenniveau) vorgenommen<br />
wird, „qualitativ“ hingegen, dass keine Messung erfolgt.<br />
Seite 10 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Motive, Ziele. Sie werden als ‚Handlungsmaximen‘ formuliert und verknüpfen<br />
Handlungsziele und die dazu notwendigen Mittel. Nicht-intentionale<br />
Gründe oder Kontextbedingungen sind den Akteuren nicht bewusst, wirken<br />
aber dennoch als Rahmen für die Handlungsmaximen, etwa in der<br />
Zugänglichkeit von Handlungsressourcen oder als soziale und ökonomische<br />
Zwänge.<br />
Die Art der Erklärung und der methodische Zugang sind eng miteinander<br />
verbunden: Sollen intentionale Gründe erforscht werden, „müssen Verfahren<br />
der Beobachtung und Befragung zur Anwendung kommen, mit deren<br />
Hilfe die dem Handeln der Akteure zugrundeliegenden Motive, Präferenzen<br />
und Überzeugungen rekonstruiert werden können“ (Kelle 1997: 92).<br />
Nicht-intentionale Gründe werden anhand objektiver Merkmale der Situation<br />
und des Kontexts bestimmt, etwa sozialer, ökonomischer oder soziodemografischer<br />
Merkmale. Da hier die Akteure keine Auskunft über die<br />
relevanten Faktoren geben können, muss der Forscher im Sinne des deduktiv-nomologischen<br />
Erklärungsansatzes tätig werden und eigene Erklärungsvorstellungen<br />
entwickeln und / oder theoretisch ableiten. Hingegen<br />
bei den intentionalen Erklärungen kann nur dann sinnvoll deduktiv-nomologisch<br />
gearbeitet werden, wenn ausreichend Vorwissen über den Handlungsbereich<br />
vorhanden ist. Wenn dies jedoch nicht zutrifft, ist eine Konkretisierung<br />
der Handlungsmaximen über eine qualitative Untersuchung<br />
notwendig.<br />
Im Vortrag soll die Konstruktion einer vollständigen Handlungserklärung<br />
am Beispiel von Fernsehprogrammauswahl nachgezeichnet und dabei das<br />
Ineinandergreifen qualitativer und quantitativer Methoden, das in der skizzierten<br />
Idealvorstellung einer vollständigen Handlungserklärung nach Kelle<br />
angelegt ist, aufgezeigt werden (Bilandzic, erscheint 2003). Im Gegensatz<br />
zum klassischen Phasenmodell (Barton & Lazarsfeld, 1979), in dem qualitative<br />
Verfahren als Basis für weiterführende quantitative Untersuchungen<br />
dienen, erfolgt hier eine wissenschaftstheoretisch begründete „Arbeitsteilung“<br />
zwischen den Methoden, wobei qualitative Methoden den intentionalen<br />
Teil der Handlung modellieren und quantitative den nicht-intentionalen.<br />
2 Anwendung in der Theoriekonstruktion<br />
Zu erklärende Handlung: Es soll ein theoretisches Modell entwickelt und<br />
geprüft werden, das erklärt, wie sich Zuschauer Fernsehprogramme am<br />
laufenden Fernseher (also durch Umschaltungen) aussuchen.<br />
1. Allgemeines Handlungsprinzip.<br />
Es wird grundsätzlich angenommen, dass Zuschauer ihre Handlungen und<br />
Handlungsziele situativ orientieren: Sie benutzen die Informationen, die<br />
sie aktuell aus dem Fernsehen wahrnehmen, um zu entscheiden, ob eine<br />
Optionen verfolgenswert ist. Dabei vereinfachen sie den Entscheidungsprozess,<br />
indem sie Leitmotive in der Situation definieren (z.B. Vorliebe für<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 11
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
das Genre Krimi, Interesse an Sportthemen, Gewohnheiten, Bequemlichkeit).<br />
Je nach Situationsdefinition der Zuschauer werden verschiedene Aspekte<br />
der Situation relevant und leiten die Handlung an. Die Situationsdefinition<br />
stellt den Relevanzrahmen (Frame) dar, in dessen Licht eine Selektionsentscheidung<br />
getroffen wird (Esser 1990: 238 f.; Esser 1999: 161<br />
ff.).<br />
Aus bestehender Forschung kann für dieses situative Handlungskonzept<br />
nicht abgeleitet werden, welche Handlungsmaximen die Zuschauer dabei<br />
anlegen und wie sie Inhalt und Entscheidung verknüpfen.<br />
2. Konkretisierung der Handlungsmaximen.<br />
Um Handlungsmaximen / intentionale Gründe für den speziellen Handlungsbereich<br />
der Fernsehprogrammauswahl zu konkretisieren, wurde eine<br />
qualitative Studie durchgeführt, die die Methode des lauten Denkens und<br />
die Beobachtung kombiniert und damit Interpretationen der Zuschauer mit<br />
dem objektiven Verhalten und dem objektiven Inhalt verknüpft. Dieses<br />
Vorgehen entspricht der theoriearmen oder empiriegeleiteten Konstruktion<br />
von Brückenannahmen (vgl. Kelle & Lüdemann, 1995). 1<br />
In der Auswertung wurden (empirische) Typen von Handlungen und Handlungserklärungen<br />
gebildet. Zwei Handlungsmaximen konnten identifiziert<br />
werden: Eine Auswahl findet statt, wenn Zuschauer eine Option positiv<br />
evaluieren, oder aber, wenn sie sich aktiv mit dem Inhalt auseinandersetzen<br />
können. Allerdings ist der konkrete Grund, warum positiv evaluiert<br />
wird oder welcher Inhalt für eine aktive Auseinandersetzung aufgegriffen<br />
wird, stark idiosynkratisch und eignet sich nicht für eine prognostische<br />
Verallgemeinerung (z.B. kann man nicht prognostizieren, dass sich jemand<br />
für einen Magazinbeitrag interessieren wird, weil er den Urlaubsort,<br />
um den es geht, schon einmal besucht hat). Die genaue intentionale Erklärung<br />
kann zwar ex post rekonstruiert werden – eine Prognose ist <strong>aller</strong>dings<br />
nicht möglich.<br />
3. Aufdecken der intentionalen Lücke.<br />
Die qualitative Studie hat gezeigt, dass der freie Selbstbericht bei längeren<br />
Rezeptionsstrecken gut und ausführlich, bei schnell aufeinanderfolgenden<br />
Umschaltungen hingegen oberflächlich ausfällt. Dies ist ein Hinweis<br />
darauf, dass eine intentionale Erklärung durch die Zuschauer selbst<br />
in diesem Fall nicht mehr möglich ist und hier ein stark verkürzter, rationalisierter<br />
Prozess abläuft, der den Zuschauern nicht bewusst ist – und<br />
der in diesem Sinne eine intentionale Lücke darstellt.<br />
1 Brückenannahmen sind Konkretisierungen von Handlungstheorien und „stellen die Verbindung<br />
zwischen der objektiven Situation und den subjektiven Motiven und dem subjektiven<br />
Wissen der Akteure her“ Esser 1999: 15 f.). Sie werden vor allem in Hinblick auf Rational<br />
Choice-Theorien diskutiert (Lindenberg 1991); vom Grundgedanken her sind sie aber<br />
auf jede andere Handlungstheorie anwendbar; vgl. auch Esser 1999: 403).<br />
Seite 12 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
4. Nomologische Formulierung der Kontextbedingungen.<br />
Diese intentionale Lücke ist der Ausgangspunkt für die Identifikation nichtintentionaler<br />
Gründe. Analog zu Zwei-Prozess-Theorien (z.B. Elaboration<br />
Likelihood Model von Petty & Cacioppo 1986) wird der Modus der Urteilsbildung<br />
beim Fernsehen als variabel angenommen: Beim schnellen Durchschalten<br />
kann postuliert werden, dass die Urteilsbildung noch ökonomischer<br />
abläuft und sich dabei an Merkmalen orientiert, die leicht und mühelos<br />
verarbeitet werden können (periphere/ heuristische Verarbeitung) –<br />
genau solche Merkmale können Zuschauer beim schnellen Durchschalten<br />
als Anhaltspunkte dafür nehmen, ob sie den Inhalt positiv bewerten oder<br />
sich aktiv damit auseinandersetzen können.<br />
Der Grundgedanke solcher leicht verarbeitbarer (oder: „peripherer“) Merkmale<br />
wird mit Hilfe von Erkenntnissen aus Informationsverarbeitungs- und<br />
Aufmerksamkeitstheorien konkretisiert (= theoriereiche Brückenannahmen);<br />
es können zwei Typen solcher Merkmale identifiziert werden:<br />
1. Merkmale, die Faustregeln ansprechen: leicht erkennbare Merkmale,<br />
die für eine positiv bewertete Klasse stehen (z.B. gewohnheitsmäßig<br />
rezipiertes Genre, bevorzugter Sender) oder das Potential für eine<br />
aktive Auseinandersetzung anzeigen (wenn etwa eine neue Sendung,<br />
ein neuer Beitrag beginnt), führen zur Rezeption.<br />
2. Merkmale, die eine unwillkürliche Aufmerksamkeitsreaktion hervorrufen<br />
(Schnitte, Bewegung, Gewalt, Erotik etc.) unterbrechen ebenfalls<br />
den heuristischen Modus.<br />
Die empirische Umsetzung dieses Teils erfolgt mit einer quantitativen Inhaltsanalyse<br />
des Fernsehprogramms (mit Merkmalen wie Schnitte, Kamera-<br />
und Objektbewegung, Gewalt Erotik) in Kombination mit quantitativen<br />
individuellen Nutzungsdaten (d.h. Umschaltprotokollen), auf deren Basis<br />
der Einfluss von Merkmalen der Fernsehbotschaft auf das Verhalten statistisch<br />
überprüft wird.<br />
Literatur:<br />
Barton, A.H. / Lazarsfeld, P.F. (1979): Einige Funktionen von qualitativer Analyse in der<br />
Sozialforschung. In: Hopf, C./ Weingarten, E. (Hrsg.). Qualitative Sozialforschung.<br />
Stuttgart: Klett-Cotta, S. 41 - 89.<br />
Bilandzic, H. (erscheint 2003). Synchrone Programmauswahl. Der Einfluss formaler und<br />
inhaltlicher Merkmale der Fernsehbotschaft auf die Fernsehnutzung. Reihe Rezeptionsforschung.<br />
München: R. Fischer.<br />
Esser, H. (1990). Habits, Frames und Rational Choice: Die Reichweite von Theorien der<br />
rationalen Wahl. Zeitschrift für Soziologie, 19(4):231–247.<br />
Esser, H. (1999). Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln.<br />
Frankfurt am Main: Campus.<br />
Hempel, C.G. (1977): Aspekte wissenschaftlicher Erklärung. Berlin/ New York: de<br />
Gruyter.<br />
Hempel, C.G. / Oppenheim, P. (1965/ 1948): Studies in the Logic of Explanation, Philosophie<br />
of Science, 15, 135-175; Nachdruck: Hempel, C.G. Aspects of scientific explanation<br />
and other essays in the philosophy of science. New York/ London 1965.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 13
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Kelle, U. (1997): Empirisch begründete Theoriebildung. Zur Logik und Methodologie interpretativer<br />
Sozialforschung. 2. Auflage. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.<br />
Kelle, U. / Lüdemann, C. (1995). „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie...“ Rational Choice<br />
und das Problem der Brückenannahmen. Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie,<br />
47(2):249–267.<br />
Lindenberg, S. (1991) Die Methode der abnehmenden Abstraktion: Theoriegesteuerte<br />
Analyse und empirischer Gehalt. In: Esser, H. & Troitzsch, K.G. (Hrsg.): Modellierung<br />
sozialer Prozesse. Bonn: Informationszentrum Sozialwiss., 29-78.<br />
Merton, R. (1968). Social theory and social structure. New York: The Free Press.<br />
Petty, R. E. & Cacioppo, J. T. (1986). Communication and persuasion: Central and peripheral<br />
routes to attitude change. New York: Springer-Verlag.<br />
Tuomela, R. (1978): Erklären und Verstehen menschlichen Verhaltens. In: K.-O. Apel/<br />
Manninen, J./Tuomela, R. (Hg.). Neue Versuche über Erklären und Verstehen. Frankfurt<br />
am Main: Suhrkamp, 30 – 58.<br />
Winch, P. (1966): Die Idee der Sozialwissenschaft und ihr Verhältnis zur Philosophie.<br />
[erstmals erschienen 1958]. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />
Wright, G. H. v. (2000): Erklären und Verstehen. 4. Auflage [erstmals erschienen 1971].<br />
Berlin: Philo.<br />
Schematische Darstellung der Theoriekonstruktion:<br />
1. allgemeines (empirisch<br />
leeres) Handlungsprinzip<br />
2. Konkretisierung:<br />
Handlungsmaximen<br />
theoriearme<br />
Brückenannahmen:<br />
Qualitative Studie<br />
(Lautes Denken und<br />
Beobachtung)<br />
+<br />
3. Aufdecken der<br />
intentionalen Lücke<br />
theoriereiche<br />
Brückenannahmen:<br />
Quantitative Studie<br />
(Inhaltsanalyse und<br />
Verhaltensdaten)<br />
4. Nomologische Formulierung<br />
der Kontextbedingungen<br />
INTENTIONALE<br />
HANDLUNGSGRÜNDE<br />
NICHT-<br />
INTENTIONALE<br />
HANDLUNGSGRÜNDE<br />
Seite 14 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong><br />
VOLLSTÄNDIGE<br />
HANDLUNGS-<br />
ERKLÄRUNG
Christian Wenger, Augsburg<br />
Chancen und Probleme<br />
einer gleichberechtigten und simultanen Integration<br />
qualitativer und quantitativer Methoden<br />
Betrachtet man die Literatur zur Integration quantitativer und qualitativer<br />
Methoden so fällt auf, dass die Diskussion vor allem auf methodologischer<br />
und erkenntnistheoretischer Ebene geführt wird, wogegen Arbeiten, die<br />
sich mit der forschungspraktischen Umsetzung möglicher Methodenkombinationen<br />
auseinandersetzen, eher dünn gesät sind (vgl. Brannen1992,<br />
32; Kelle/Erzberger 1999, 516). Klärungsbedarf besteht also vor allem<br />
hinsichtlich handlungspraktischen Wissens. Dies gilt umso mehr für Bereiche<br />
wie die Kommunikations- und Medienforschung, in denen die bislang<br />
übliche Trennung quantitativer und qualitativer noch weitgehend üblich<br />
ist. 1<br />
Der häufig verwendete Begriff "Methodenmix" stellt dabei einen Umbrella-<br />
Begriff dar, der für eine Vielzahl möglicher Methodenkombinationen steht<br />
(vgl. Creswell/Clark/Gutmann/ Hanson 2003, 212). Diese lassen sich nach<br />
den Kriterien 1. Priorität, 2. Abfolge und 3. Integrationsebene unterscheiden<br />
(vgl. ebd., 218; Brannen 1992).<br />
Priorität Abfolge Integrationsebene<br />
quantitativ dominant<br />
qualitativ dominant<br />
zuerst<br />
qualitativ<br />
zuerst<br />
quantitativ<br />
("Phasenmodell"<br />
(vgl. Kelle/<br />
Erzberger 1999,<br />
511ff)<br />
Erhebung<br />
(z.B. offene Fragen in einem<br />
standardisierten Fragebogen)<br />
Analyse<br />
(z.B. quantitative Auswertung<br />
qualitativer Daten)<br />
gleichberechtigt simultan Interpretation<br />
("between-method-<br />
Triangulation" (Flick 2000))<br />
Unter einer Methodenintegration 'im engeren Sinne' versteht man im Allgemeinen<br />
eine Integration von qualitativen und quantitativen Daten auf<br />
der Ebene der Interpretation, da sich erst auf dieser Ebene die beiden unterschiedlichen<br />
Rahmenkonzepte mit ihrem je spezifischen Zugang zur sozialen<br />
Wirklichkeit zeigen (vgl. Sandelowski 2003, 324).<br />
Die Frage, ob und wieweit eine Methodenintegration überhaupt sinnvoll<br />
ist, kann dabei nicht per se beantwortet werden, sondern muss sich im-<br />
1<br />
Als Beispiel für die Dominanz quantitativer Methodologie in den Kommunikationswissenschaft<br />
vgl. z.B. Brosius/Koschel 2001. Brosius und Koschel erwähnen in ihrem Lehrbuch<br />
zwar ausdrücklich die Möglichkeit qualitativer Verfahren, zu ihren Bedingungen und Methoden<br />
schweigen sie sich <strong>aller</strong>dings weitgehend aus und zeichnen so letztlich ein recht<br />
einseitiges Bild ("Am Anfang von empirischer Forschung steht die Theorie" (ebd., 104)),<br />
das jedoch den 'Kanon' innerhalb der Fachdisziplin wiederspiegelt. Zur Perspektive der<br />
qualitativen Medien- und Kommunikationsforschung vgl. z.B. Mikos 1998.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 15
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
mer an den spezifischen Erfordernissen des zu untersuchenden Gegenstandbereichs<br />
orientieren. Eine wesentliche Aufgabe muss nun darin bestehen,<br />
mögliche Schnittstellen aber auch Probleme der Methodenintegration<br />
aufzuzeigen, um so konkrete Handlungsanweisungen, vor allem auch für<br />
bisher eher weniger genutzte Formen, zu liefern.<br />
In meinem Beitrag möchte ich daher die Chancen und Probleme eines,<br />
bislang wenig erforschten (vgl. Bryman 1992, 66), gleichberechtigten und<br />
simultanen Einsatzes beider Methoden innerhalb eines Projekts diskutieren.<br />
Dabei handelt es sich in erster Linie um allgemeine Überlegungen, die<br />
anhand von einigen Beispielen und Lösungsvorschlägen illustriert werden<br />
sollen. Dies geschieht entlang folgender Fragen:<br />
1 Welche Forschungsstrategie<br />
Die Forschungsstrategien beider Methoden – zirkuläres Vorgehen in der<br />
qualitativen Forschung vs. linearer Aufbau quantitativer Designs – erscheinen<br />
auf den ersten Blick unvereinbar. Die Übernahme der jeweils anderen<br />
Strategie bringt spezifische Probleme mit sich, die die jeweilige Methode<br />
in bestimmten Teilen schwächen (vgl. Witt 2001). Eine mögliche<br />
Strategie für eine Integration, die die Stärken beider Methoden fruchtbar<br />
macht, könnte das aus der qualitativen Forschung bekannte Konzept der<br />
"Grounded Theory" (Glaser/Strauss 1965,1979) liefern.<br />
Das dort formulierte Prinzip einer gleichzeitig stattfindenden Induktion,<br />
Deduktion und Verifikation eignet sich sowohl für qualitative, als auch für<br />
quantitative Methoden. Die explorative Vorgehensweise bei der Auswertung<br />
erlaubt eine sukzessive sich entfaltende Interpretation, die von den<br />
im Verlauf der Studie gewonnenen Ergebnissen angeleitet wird und in einem<br />
fortlaufenden Vergleich innerhalb und zwischen den Methoden die<br />
Interpretation der Daten und das Wissen um das Verhältnis der Ergebnisse<br />
aus beiden Methodensträngen zueinander entwickelt. Dies setzt jedoch<br />
bestimmte Anforderungen an beide Methoden voraus, die einerseits die<br />
für eine Exploration notwendige Offenheit gewährleisten, andererseits a-<br />
ber eine vorgängige Strukturierung wie sie für quantitative Forschung unabdingbar<br />
ist, mit einschließen.<br />
2 Welchen wechselseitigen Beitrag können qualitative und<br />
quantitative Methoden in den verschiedenen Phasen<br />
des Forschungsprozesses liefern<br />
2.1 Projektierung und Konzeption<br />
Sowohl qualitative als auch quantitative Methoden besitzen spezifische<br />
Vor- und Nachteile, die sich auf unterschiedliche Weise auf die Konzeption<br />
und Organisation von Forschungsprojekten sowie auf die Akquisition von<br />
Forschungsmitteln auswirken.<br />
Seite 16 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
2.2 Datenerhebung<br />
Quantitative Ergebnisse können dazu genutzt werden, Hinweise für die<br />
Auswahl qualitativer Samples zu liefern und mögliche Verzerrungen, wie<br />
sie z.B. durch das häufig verwendete Schneeballverfahren entstehen können,<br />
zu vermeiden. Umgekehrt können Erkenntnisse aus qualitativen Teilprojekten<br />
unter bestimmten Bedingungen (z.B. wenn Zufallsstichproben<br />
nicht möglich oder nur Teilpopulationen der zu untersuchenden Grundgesamtheit<br />
zugänglich sind) zur Güte von Stichprobenkonstruktionen beitragen.<br />
2.3 Auswertung/Interpretation<br />
Für eine Methodenintegration im Sinne einer Triangulation gibt es zahlreiche<br />
Anknüpfungspunkte (z.B. Testen von Hypothesen, die sich aus dem<br />
qualitativen Material entwickeln, Ergänzung qualitativer Mikrodaten durch<br />
strukturelle Makrodaten).<br />
Das Verhältnis beider Methoden lässt sich jedoch nicht aufgrund eines einzelnen<br />
methodologischen Modells bestimmen. Prinzipiell können die Ergebnisse<br />
konvergent, komplementär und divergent sein. Dies verlangt,<br />
"dass die Wahl der methodischen Instrumente in Beziehung gesetzt wird<br />
zu theoretischen Annahmen über die Natur des untersuchten Gegenstandsbereich"<br />
(Kelle/Erzberger 1999, 525) anstatt vorab festgelegt zu<br />
werden.<br />
Den Forscher stellt dies vor das Problem, ständig, je nach gerade betrachtetem<br />
Teilaspekt, das Verhältnis beider Methoden neu bestimmen zu müssen.<br />
2.4 Darstellung<br />
Das Verfassen von Forschungsberichten stellt einen zentralen Bestandteil<br />
der Arbeit eines Wissenschaftlers dar. Regeln für eine integrative Präsentation<br />
existieren bislang <strong>aller</strong>dings noch nicht. Die Entwicklung von Standards<br />
integrativer Darstellungsformen wird dabei durch verschiedene Einflussfaktoren<br />
(z.B. typische Lesegewohnheiten unterschiedlicher<br />
"Interpretationsgemeinschaften" (Fish 1980), informeller Zwang zur<br />
idealisierten Darstellung 'gelungener' Forschung) behindert.<br />
3 Resümee<br />
Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden bringt bestimmte<br />
Vorteile, aber auch einige – bisher noch nicht gelöste – Probleme mit sich.<br />
Man kann also nicht grundsätzlich sagen, dass Methodenkombinationen<br />
gegenüber Studien, die 'nur' auf einer Methode beruhen überlegen wären.<br />
Der sinnvolle Einsatz integrativer Modelle hängt letztlich vor allem vom zu<br />
untersuchenden Gegenstandsbereich und einer daran ausgerichteten theoretisch<br />
entwickelten Fragestellung ab. Allerdings spielen auch eine ganze<br />
Reihe von äußeren Restriktionen in die Entscheidung für eine bestimmte<br />
Forschungsstrategie mit hinein (z.B. zeitliche und finanzielle Ressourcen,<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 17
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Adressaten). Daher lassen sich nur einige recht allgemeine Konstellationen<br />
nennen, die die Anwendung einer Methodenintegration nahe legen.<br />
Ein wichtiger Beitrag der Integration quantitativer und qualitativer Methoden<br />
kann schließlich darin bestehen, die oftmals impliziten Pragmatiken<br />
beider Methoden stärker ins Bewusstsein zu rufen – v.a. uneingestandene<br />
Hermeneutik in der quantitativen Forschung, sich selbst 'immunisierende'<br />
hermeneutische Argumentation in der qualitativen Forschung – und so dazu<br />
beizutragen, inhärente Schwächen beider Methoden zu überwinden.<br />
Literatur<br />
Brannen, Julia (1992): Combining qualitative and quantitative approaches: an overview.<br />
In: Julia Brannen (Hrsg.): Mixing methods: Qualitative and quantitative research. Aldershot/Brookefield<br />
USA/Hong Kong/Singapore/Sidney: Avebury. S. 3-37<br />
Brosius, Hans-Bernd; Koschel, Friederike (2001): Methoden der empirischen Kommunikationsforschung.<br />
Eine Einführung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />
Bryman, Alan (1992): Quantitative and qualitative research: further reflections on their<br />
integration. In: Julia Brannen (Hrsg.): Mixing Methods: Qualitative and Quantitative<br />
Research. Aldershot/Brookefield USA/Hong Kong/Singapore/Sidney: Avebury. S. 57-<br />
78<br />
Creswell, John W.; Clark, Vicki L. Plano; Gutmann, Michelle L.; Hanson, William E.<br />
(2003): Advanced mixed methods research designs. In: Abbas Tashakkori; Charles<br />
Teddle (Hrsg.): Handbook of mixed methods in social & behavioural research. Thousand<br />
Oaks/London/New Delhi: Sage. S. 209-240<br />
Fish, Stanley (1980): Is there a text in this class The authority of interpretive communities.<br />
Cambridge, MA: Harvard University Press<br />
Flick, Uwe (2000): Triangulation in der qualitativen Forschung. In: Flick, Uwe; Kardorff,<br />
Erich v. & Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt.<br />
S.309-318<br />
Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (1965, 1979): Die Entdeckung gegenstandbezogener<br />
Thoerie: Eine Grundstrategie qualitativer Sozialforschung. In: Christel Hopf &<br />
Elmar Weingarten (Hrsg.): Qualitative Sozialforschung. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 91-<br />
112.<br />
Kelle, Udo & Erzberger, Christian (1999): Integration qualitativer und quantitativer Methoden.<br />
Methodologische Modelle und ihre Bedeutung für die Forschungspraxis. In:<br />
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 51(3). S. 509-531<br />
Mikos, Lothar (1998): Wie das Leben wirklich ist. Perspektiven qualitativer Medien- und<br />
Kommunikationsforschung. In: medien praktisch, 3. S. 4-8<br />
Sandelowski, Margarete (2003): Tables or tableaux The challenge of writing and reading<br />
mixed methods studies. In: Abbas Tashakkori; Charles Teddle (Hrsg.): Handbook of<br />
mixed methods in social & behavioural research. Thousand Oaks/London/New Delhi:<br />
Sage. S. 321-350<br />
Witt, Harald (2001, Januar): Forschungsstrategien bei quantitativer und qualitativer<br />
Sozialforschung [36 Absätze].Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative<br />
Social Research [On-line Journal], 2(1), Verfügbar über: http://qualitativeresearch.net/fqs/fqs.htm<br />
[Zugriff am 05.03.03]<br />
Seite 18 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Helmut Scherer, Eva Baumann, Daniela Schlütz, Nils von der Kall,<br />
Hannover<br />
Offenheit statt dogmatischer Beschränktheit – Über die<br />
Integration quantitativer und qualitativer Methoden in<br />
der Kommunikationsforschung<br />
Nach wie vor finden wir in der Kommunikationswissenschaft ein eher restriktives<br />
Verständnis von den Einsatzmöglichkeiten quantitativer und<br />
qualitativer Methoden, das letztlich die angemessene Beantwortung zahlreicher<br />
Fragen unnötig erschwert. Oft liegen dem ideologische Vorstellungen<br />
von der besonderen Leistungsfähigkeit quantitativer oder qualitativer<br />
Methoden zu Grunde, die meist mit der Abwertung der jeweils anderen<br />
Methode einhergehen. Selbst dann, wenn ein methodologischer Pluralismus<br />
begrüßt und die Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden<br />
gefordert wird, herrscht ein eher schematisches Verständnis von<br />
dem möglichen Zusammenwirken beider Methodologien vor.<br />
In der empirischen Kommunikationswissenschaft ist ein Phasenmodell vorherrschend,<br />
bei dem die qualitativen Methoden in explorativen Vorstudien<br />
eingesetzt werden, denen in der Regel eine quantitative Hauptstudie folgt.<br />
Die qualitative Vorstudie kann dabei Unterschiedliches leisten. Sie kann<br />
relevante Forschungsdimensionen explorieren helfen und damit einen<br />
wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Erhebungsinstrumente leisten. Qualitative<br />
Studien können aber auch zur Theoriebildung und Hypothesenentwicklung<br />
eingesetzt werden. Die nachfolgende quantifizierende Studie<br />
misst entweder die Verteilung der vorher explorierten Dimensionen oder<br />
sie prüft die in der Vorstudie entwickelten Hypothesen.<br />
Diese Beschränkung qualitativer und quantitativer Methoden auf bestimmte<br />
Aufgaben hängt eng mit grundlegenden Annahmen über die Leistungsfähigkeit<br />
dieser Methoden und mit bestimmten festgefügten Vorstellungen<br />
über die Natur des sozialwissenschaftlichen Forschungsprozesses zusammen.<br />
So geht man in der Regel davon aus, dass:<br />
• qualitativen Methoden kein Beweischarakter zukommen kann,<br />
• quantitative Methoden nicht zur Exploration eingesetzt werden können,<br />
• sich mit quantitativen Verfahren nicht verstehend arbeiten ließe<br />
• und der Forschungsprozess mit der Prüfung von Hypothesen und der<br />
damit verbundenen Bewährung von Theorien gewissermaßen seinen<br />
Abschluss findet.<br />
In unserem Beitrag wollen wir diese Grundannahmen kritisch hinterfragen<br />
und darauf aufbauend zeigen, dass beide Methodologien sich auf ganz unterschiedliche<br />
Weisen sinnvoll miteinander verbinden lassen. Insbesondere<br />
plädieren wir für eine Aufweichung der Konzentration auf das oben skizzierte<br />
Phasenmodell und für den häufigeren Einsatz einer Methodenkombination,<br />
bei der eine quantitative Basisstudie durch eine qualitative Vertiefungsstudie<br />
ergänzt wird. Dieses Vertiefungsmodell (vgl. Mayring,<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 19
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
2001) bietet Möglichkeiten, die grundlegenden Erkenntnisziele quantitativer<br />
und qualitativer Forschung sinnvoll zu verbinden:<br />
• Die Ergebnisse der quantitativen Basisstudie können in der qualitativen<br />
Studie gezielt problematisiert und somit vertiefend interpretiert werden.<br />
• Erklärungen, die auf quantitativen Daten beruhen, bergen die Gefahr<br />
der Missdeutung von Korrelationen. Eine nachgelagerte qualitative Studie<br />
vermag solche Missdeutungen aufzudecken und zu korrigieren.<br />
• Mittels einer repräsentativen, quantitativen Basisstudie können die<br />
Strukturen der Grundgesamtheit von Anfang an berücksichtigt und relevante<br />
von irrelevanten Untersuchungsdimensionen unterschieden werden.<br />
Bei qualitativen Vorstudien ist dies eben nicht möglich, da hier die<br />
Relevanzsetzungen der Probanden im Mittelpunkt stehen.<br />
• In der Basisstudie können diskriminanzanalytisch diejenigen soziodemografischen<br />
Merkmale ermittelt werden, die hinsichtlich der relevanten<br />
Untersuchungsdimensionen varianzgenerierend sind. Die Probanden der<br />
qualitativen Vertiefungsstudie können somit auf Grundlage eines theoretical<br />
sampling rekrutiert werden.<br />
Solche Vertiefungsstudien halten wir besonders als vertiefende Deutungen<br />
der Befunde aus quantitativen Sekundäranalysen für sinnvoll. Es sind aber<br />
auch noch andere Kombinationsformen quantitativer und qualitativer Vorgehensweisen<br />
möglich, bei denen in unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses<br />
jeweils unterschiedliche Aufgabenverteilungen vorgenommen<br />
werden. Denn jeder Forschungsprozess ist durch ein Beziehungsgeflecht<br />
zwischen Theorie und Empirie gekennzeichnet, das durch<br />
Rückbezüge innerhalb und zwischen den Stufen gekennzeichnet ist.<br />
Wir gehen davon aus, dass viele kommunikationswissenschaftliche Fragen<br />
nur unter Berücksichtigung und wechselseitiger Integration qualitativer<br />
und quantitativer Ansätze und Verfahren angemessen beantwortet werden<br />
können. Anhand zweier Beispiele sollen unterschiedliche Integrationsmöglichkeiten<br />
qualitativer und quantifizierender Schritte im Forschungsprozess<br />
herausgearbeitet werden. Beide Studien stammen aus dem weiteren Bereich<br />
der Gesundheitskommunikation. In der ersten Studie, die primär als<br />
Phasenmodell angelegt ist, wurde untersucht, wie Krankenhausserien vom<br />
Krankenhauspersonal wahrgenommen und verarbeitet werden. Hier findet<br />
zunächst das klassische Vorstudien-Hauptstudiendesign Anwendung. Mit<br />
Hilfe einer qualitativen Vorstudie wurden die Dimensionen des Rezeptionsverhaltens<br />
exploriert und auf dieser Basis sowie theoretischer Vorüberlegungen<br />
das Erhebungsinstrument entwickelt. Die qualitative Leitfadenstudie<br />
ermöglichte es insbesondere, die Befragung auf die spezielle Rezipientengruppe<br />
und ihren Berufsalltag abzustimmen, indem die Frageformulierungen<br />
häufig an Originalzitate angelehnt wurden. In der quantitativen<br />
Studie werden anschließend theoretisch prognostizierte Beziehungen zwischen<br />
verschiedenen Ebenen des Rezeptionsverhaltens analysiert. Die<br />
qualitative Studie dient also der Entwicklung von Erhebungsinstrumenten<br />
für die quantitative Studie. In einer Erweiterung des Phasenmodells wird<br />
Seite 20 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
es natürlich auch sinnvoll sein, die explorativen Befunde zur Verbesserung<br />
der Interpretation der quantitativen Ergebnisse heranzuziehen.<br />
In einer Studie zum Informationsverhalten von Ärzten haben wir das Vertiefungsmodell<br />
angewendet. In der quantitativen Basisstudie, einer Sekundäranalyse<br />
der LA-MED 2002 1 , wurden mittels strukturentdeckender<br />
Verfahren Zusammenhänge und Nutzungsmuster identifiziert und die Ärzte<br />
nach ihrem Informationsverhalten clusteranalytisch typologisiert.<br />
Die Ergebnisse der Sekundäranalyse bildeten in zweierlei Hinsicht die Basis<br />
für die Vertiefungsstudie, einer Leitfadenbefragung. Zum einen wurden<br />
die Befragten nach soziodemografischen Merkmalen rekrutiert, die sich in<br />
der LA-MED als signifikant diskriminierend hinsichtlich der unterschiedlichen<br />
Ärztetypen erwiesen hatten. Damit sollte gewährleistet werden, dass<br />
durch die Berücksichtigung der relevanten Personenmerkmale in der<br />
Stichprobe die Vielfalt des ärztlichen Informationshandelns abgedeckt ist.<br />
Zum anderen bildeten die zentralen Ergebnisse der Sekundäranalyse den<br />
inhaltlichen Kern des Leitfadens. So wurden die Ärzte aufgefordert, auffällige<br />
Informationsmuster und widersprüchliche Zusammenhänge aus der<br />
Sekundäranalyse zu kommentieren und zu erklären. Zusätzlich wurden sie<br />
gebeten, eigene Informationsstrategien zu schildern und in ihrer Sinnhaftigkeit<br />
darzulegen. Durch diese Kombination der methodologischen Ansätze<br />
sollten ein eingehenderes Verständnis und eine tiefergehende Deutung<br />
der sekundäranalytisch gewonnenen Befunde gewährleistet sowie eine höhere<br />
Validität der Erkenntnisse erzielt werden.<br />
Insgesamt möchten wir einen Beitrag dazu leisten, die oft unreflektierte<br />
Festlegung bestimmter Methodologien auf bestimmte Aufgaben zu überwinden<br />
und Hinweise darauf zu geben, welche unterschiedlichen Formen<br />
der Kombination zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren möglich<br />
sind.<br />
Literatur<br />
Mayring, P. (2001): Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Analyse.<br />
Forum Qualitative Sozialforschung [Online].<br />
Erhältlich: http://qualitative-research.net/fqs/fqs.htm [2003, 26. Juni]<br />
Wolfram Peiser, Mainz<br />
Grundlegende methodische Orientierungen<br />
in der Kommunikationswissenschaft<br />
Methoden werden zweckgerichtet und je nach Fragestellung einer wissenschaftlichen<br />
Untersuchung selektiv und flexibel eingesetzt – zumindest sollte<br />
1 Analysiert wurde die API-Studie 2002, eine Teilstudie der Leseranalyse medizinischer<br />
Fachzeitschriften (LA MED). In der Studie wurden ca. 1.000 niedergelassene Allgemeinärzte,<br />
Praktiker und Internisten primär zu ihrer Medien- und Informationsnutzung befragt.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 21
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
es so sein. Welche Methode bzw. Methodenkombination in einer empirischen<br />
Forschungsarbeit verwendet wird, hängt demnach in erster Linie von der<br />
verfolgten Fragestellung ab. Von Bedeutung sind dabei aber offenbar auch<br />
die Methodenkompetenzen und die grundlegende wissenschaftliche und forschungsmethodische<br />
Ausrichtung der Forscher – Faktoren, die als Restriktionen<br />
wirken dürften, die aber u.U. sogar eine forschungsleitende Rolle spielen.<br />
Um solche grundlegenden Methodenorientierungen – hier reduziert auf<br />
die Verwendung quantitativer und qualitativer Ansätze – soll es in diesem<br />
Vortrag gehen. Zwar wird die Diskussion um quantitative und qualitative<br />
Methoden heute weniger dogmatisch geführt als früher, aber trotzdem lassen<br />
sich noch entsprechende Schulen oder Lager ausmachen (Mayring,<br />
2001).<br />
Bedingungen der Methodenwahl in der Forschung<br />
Forschungsmethoden, die weithin bekannt sind und standardmäßig gelehrt<br />
werden, finden vermutlich schon deshalb mehr Verwendung. Besonders<br />
wichtig ist daher die Methodenausbildung. Nach der wissenschaftlichen Qualifikationsphase<br />
ist der Erwerb von Methodenkompetenzen nicht unbedingt<br />
abgeschlossen, aber hier dürften bereits wichtige Grundsteine gelegt sein,<br />
was die Kenntnis und Wertschätzung methodischer Ansätze betrifft. Vor allem<br />
im Generationenvergleich lassen sich Hinweise auf die Bedeutung der<br />
Methodenausbildung bzw. Methodensozialisation erkennen (zur Bedeutung<br />
des Generationskonzeptes in der Wissenschaftsforschung siehe Mayer,<br />
1992). So sind jüngere Wissenschaftler allein bedingt durch ihre vor kürzerer<br />
Zeit genossene Methodenausbildung auf einem neueren Stand.<br />
Empirische Methoden werden in der Forschungspraxis offenbar nicht völlig<br />
frei und ausschließlich an den Forschungszielen ausgerichtet gewählt. Es<br />
kommen verschiedene Restriktionen zum Tragen, die in der Ausbildung und<br />
bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit des jeweiligen Forschers angelegt<br />
sind. Man kann dies anhand theoretischer Grundprinzipien der Wirtschaftswissenschaft<br />
recht einfach erklären. Generell ist es ökonomisch vorteilhaft,<br />
für eine bestimmte, wiederholt zu erledigende Aufgabe immer das gleiche –<br />
bewährte – Problemlösungsmittel einzusetzen (Zipf, 1949). Nun kann man<br />
die Einarbeitung des Forschers in (für ihn) neue Theorien, Methoden usw.<br />
als Investitionsentscheidung auffassen, die unter Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten<br />
getroffen wird. Wer viel Aufwand in die von ihm bisher vertretenen<br />
Ansätze, verwendeten Methoden usw. investiert hat, wird aus ökonomischen<br />
Gründen dazu neigen, diese häufiger zu verwenden, statt sich möglicherweise<br />
in alternative Ansätze oder Methoden einzuarbeiten (Radnitzky,<br />
1987).<br />
Das kann sogar dann gelten, wenn nicht immer die gleiche Aufgabe zu erledigen<br />
ist. Die verfügbaren (beherrschten und vertrauten) Methoden können<br />
somit auch die Wahl der Aufgabe, des zu lösenden Problems beeeinflussen,<br />
zumindest aber die genauere Formulierung der Problemstellung. Einfach<br />
ausgedrückt: "tools seek jobs" (Zipf, 1949, S. 8). Kaplan (1964) hat diese<br />
Verhaltenstendenz "the law of the instrument" (S. 28) genannt. In der<br />
Seite 22 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Kommunikationswissenschaft hat Reeves (1992) die Methodenkenntnisse<br />
ebenfalls als eine wichtige Rahmenbedingung der Forschungstätigkeit bezeichnet.<br />
Allgemein formuliert tragen auch die Handlungsbedingungen von Individuen<br />
(d.h. ihre Möglichkeiten bzw. die Restriktionen, unter denen sie arbeiten)<br />
zur Erklärung ihrer Handlungen bei (Frey & Foppa, 1986). Von genereller<br />
Bedeutung in der Wissenschaft sind vor allem zeitliche und finanzielle Beschränkungen.<br />
Auch technische Neuerungen sind häufig wichtig. Ein Beispiel<br />
wären die Entwicklungen in den Bereichen EDV (speziell Personal Computer)<br />
und Statistik-Software; sie haben maßgeblich zur Verbreitung multivariater<br />
Analyseverfahren beigetragen und bestimmte Varianten von Datenerhebungsmethoden<br />
(wie computergestützte Telefoninterviews oder Inhaltsanalyse)<br />
erst möglich gemacht. Aber allein wegen der individuellen Fähigkeiten<br />
und Vorlieben der Forscher wird die Auswahl von Methoden nicht unbedingt<br />
unter rein sachlichen, zweckgerichteten Gesichtspunkten getroffen.<br />
Quantitative und qualitative Methoden<br />
in der Kommunikationswissenschaft<br />
In bisherigen Studien zum Methodeneinsatz in der Forschung wurde die<br />
Verwendung methodischer Ansätze anhand von Forschungsarbeiten bzw.<br />
daraus resultierenden Publikationen als Untersuchungseinheiten betrachtet.<br />
Eine solche Bestandsaufnahme empirischer Studien und unter anderem der<br />
darin verwendeten Ansätze hat für die Publikumsforschung bzw. Rezeptionsforschung<br />
Goertz (1997) vorgelegt. Obgleich Goertz die Methoden (Erhebungsverfahren,<br />
Datenbasis) nicht exakt nach diesen breiten Kategorien<br />
aufgeschlüsselt hat, kann man das ungefähre Verhältnis zwischen quantitativen<br />
und qualitativen Ansätzen in den ausgewerteten Publikationen der Jahre<br />
1993 bis 1996 erkennen (Goertz, 1997, S. 17): In rund 90 Prozent der<br />
Untersuchungen wurden quantitative Ansätze bzw. Daten verwendet, in<br />
rund 30 Prozent qualitative Verfahren. Insgesamt ergab sich also ein deutliches<br />
Übergewicht quantitativer Methoden. Auch Friedrichsen und Jenzowsky<br />
(1995) stellten in ihrer Übersicht über Studien zur Gewalt in den Medien aus<br />
den Jahren 1990 bis 1994 eine Dominanz quantitativer Ansätze fest.<br />
Ziele und Vorgehensweise der Untersuchung<br />
In diesem Vortrag geht es dagegen um die Kommunikationsforscher selbst<br />
mit ihren Methodenorientierungen, die aus den oben angeführten Gründen<br />
eine wichtige Rolle in ihrer Forschungspraxis spielen dürften. Im Sinne einer<br />
Bestandsaufnahme soll ermittelt werden, wie häufig in der deutschsprachigen<br />
Medien- und Kommunikationswissenschaft quantitative und qualitative<br />
methodische Orientierungen oder auch Mischformen vorkommen. Außerdem<br />
geht es darum, wie stark diese Orientierungen bei verschiedenen Gruppen<br />
von Wissenschaftlern auftreten. Im Vergleich der Altersgruppen, d.h. Wissenschaftler-Generationen,<br />
können sich Entwicklungstendenzen des Faches<br />
im Zeitverlauf zeigen. Weiterhin soll möglichen Unterschieden in der methodischen<br />
Ausrichtung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />
nachgegangen werden. Viele feministische Wissenschaftlerinnen kritisieren<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 23
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
quantitative Ansätze oder lehnen sie ab (siehe zu dieser Diskussion<br />
Westmarland, 2001), und häufig wird qualitativen Ansätzen ein generell höherer<br />
Stellenwert bei Wissenschaftlerinnen als bei Wissenschaftlern zugeschrieben.<br />
Außerdem soll versucht werden, die methodischen Orientierungen<br />
in verschiedenen Teilbereichen der Kommunikationswissenschaft zu<br />
ermitteln.<br />
Für die empirische Analyse standen die Daten aus der <strong>DGPuK</strong>-Mitgliederbefragung<br />
zur Verfügung, die Anfang 2003 online und postalisch durchgeführt<br />
wurde. In der Befragung wurde unter anderem erhoben, wie stark der<br />
wissenschaftliche Standpunkt der <strong>DGPuK</strong>-Mitglieder gekennzeichnet ist<br />
durch die Eigenschaften "qualitativ-empirisch" und "quantitativ-empirisch".<br />
Aus dieser Datengrundlage der Untersuchung ergeben sich einige Einschränkungen:<br />
Zunächst repräsentieren die <strong>DGPuK</strong>-Mitglieder bzw. die Teilnehmer<br />
der Befragung nicht die Gesamtheit der deutschsprachigen Medienund<br />
Kommunikationswissenschaftler. Und weil in der Mitgliederbefragung<br />
die interessierenden methodischen Orientierungen nicht differenziert erhoben<br />
wurden, können hier nur recht grobe Relationen zwischen den Sammelkategorien<br />
quantitativ und qualitativ aufgezeigt werden.<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt gesehen ist kein deutliches Übergewicht einer der beiden Richtungen<br />
festzustellen; jeweils rund zwei Drittel der Befragten bezeichnen ihre<br />
Forschung als "sehr stark" oder "stark" quantitativ bzw. qualitativ orientiert.<br />
Die quantitativ-empirische Ausrichtung spielt nur eine geringfügig größere<br />
Rolle. Interessant sind vor allem die Kombinationen zwischen den Ausprägungen<br />
auf den beiden Dimensionen. So sind – nach ihren eigenen Angaben<br />
– nur wenige Mitglieder der <strong>DGPuK</strong> generell schwach empirisch orientiert.<br />
Fast die Hälfte der Befragten weist auf beiden Dimensionen eine starke oder<br />
sehr starke empirische Orientierung auf. Unter den weniger ausgewogen<br />
orientierten Befragten überwiegt die eher quantitative Ausrichtung etwas<br />
gegenüber der eher qualitativen Ausrichtung.<br />
Die jüngeren Forscher sind in ihrer methodischen Orientierung etwas stärker<br />
spezialisiert als die älteren, bei denen eine ausgewogene quantitative und<br />
qualitative Ausrichtung häufiger vorkommt. Im Vergleich der Geschlechter<br />
zeigt sich die häufig unterstellte Tendenz: Bei Frauen ist die qualitativempirische<br />
Orientierung insgesamt etwas stärker als bei Männern. Auch<br />
zwischen den kommunikationswissenschaftlichen Forschungsbereichen (hier<br />
untersucht anhand der Fachgruppenmitgliedschaft) bestehen teilweise deutliche<br />
Unterschiede.<br />
Fazit<br />
Bei allen Einschränkungen, die sich aus der Datenbasis ergeben, deutet sich<br />
hier insgesamt eine zunehmende methodische Spezialisierung der deutschsprachigen<br />
Kommunikationswissenschaft an. So verweisen die Unterschiede<br />
zwischen den Altersgruppen (die als Generationeneffekt zu interpretieren<br />
sein dürften) und die Differenzen zwischen den Fachgruppen (deren Zahl in<br />
Seite 24 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
den vergangenen Jahren gewachsen ist) auf entsprechende Veränderungen<br />
im Zeitverlauf. Eine solche Spezialisierungstendenz im Methodenbereich<br />
entspricht der langfristigen inhaltlichen Differenzierung des Faches und ist<br />
insofern nachvollziehbar. Welche Implikationen sich daraus für die Kombination<br />
bzw. Integration quantitativer und qualitativer Verfahren ergeben, bliebe<br />
zu diskutieren.<br />
Literatur<br />
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Economic Psychology, 7, 137-160.<br />
Friedrichsen, M., & Jenzowsky, S. (1995). Methoden und Methodologie: Ein Vergleich ausgewählter<br />
Studien der 90er Jahre zur Gewalt in den Medien. In M. Friedrichsen & G. Vowe<br />
(Hrsg.), Gewaltdarstellungen in den Medien. Theorien, Fakten und Analysen (S. 292-<br />
330). Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
Goertz, L. (1997). Perspektiven der Rezeptionsforschung. In H. Scherer & H.-B. Brosius<br />
(Hrsg.), Zielgruppen, Publikumssegmente, Nutzergruppen. Beiträge aus der Rezeptionsforschung<br />
(S. 9-28). München: Reinhard Fischer.<br />
Kaplan, A. (1964). The conduct of inquiry. Methodology for behavioral science. San Francisco,<br />
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Campus.<br />
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approach" applied to key problems of the philosophy of science. In G. Radnitzky & P.<br />
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Reeves, B. (1992). On how we study and what we study. Journal of Broadcasting & Electronic<br />
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view of objectivity. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social<br />
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Zipf, G. K. (1949). Human behavior and the principle of least effort. An introduction to human<br />
ecology. Cambridge, MA: Addison-Wesley.<br />
Wiebke Möhring, Helmut Scherer, Hannover<br />
Eine Frage des Themas Einsatzfelder qualitativer und<br />
quantitativer Verfahren in den letzten Jahrzehnten<br />
Zu Beginn des neuen Jahrtausends erleben wir die Methodenvielfalt in unserem<br />
Fach als wesentlich entspannter als in den Jahrzehnten davor. Die<br />
Frage der eingesetzten Methode wird immer weniger allein von einer wissenschaftstheoretischen<br />
und damit auch methodologischen Schule gelei-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 25
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
tet, aus der man stammt. Vielmehr beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen,<br />
dass jedes Verfahren, sei es ein so genanntes qualitatives oder<br />
quantitatives, seine Berechtigung hat, als einzelnes Verfahren oder in einer<br />
Methodenkombination. Es kommt darauf an, in welchem Forschungsfeld<br />
und mit welcher Zielsetzung die Instrumente eingesetzt werden.<br />
Unterschiedliche Forschungsprobleme bedingen unterschiedliche Methoden.<br />
Doch wie stark ist ein (vorhersagbarer) Zusammenhang zwischen<br />
Themenfeld und Methodenwahl Gibt es (mittlerweile) innerhalb des Faches<br />
der Medien- und Kommunikationswissenschaft Methodentraditionen<br />
einzelner Forschungsfelder Ist die Methodenwahl unter Umständen auch<br />
eine Frage der Mode und unterliegt der Methodeneinsatz entsprechenden<br />
Wellen Diesen Fragen geht die vorliegende Untersuchung nach. In einer<br />
Inhaltsanalyse werden Artikel aus sieben verschiedenen Fachzeitschriften<br />
analysiert, als Untersuchungszeitraum werden die vergangenen dreißig<br />
Jahre berücksichtigt.<br />
Die Auswahl der Fachzeitschriften erfolgt einmal in Anlehnung an ein Ranking<br />
der für den Bereich „Communication“ aufgeführten Titel des Social<br />
Science Citation Index (SSCI) für das Jahr 2000. Die letztendliche Auswahl<br />
aus diesen Titeln ist jedoch mit der Relevanz für den für uns zentralen Bereich<br />
der Massenkommunikation begründet. Internationale Zeitschriften<br />
sind: “Communication Research”, “Journal of Broadcasting & Electronic<br />
Media”, “Journal of Communication”, “Media, Culture & Society” und “Public<br />
Opinion Quarterly”. Da bisher keine deutschsprachigen Zeitschriften im<br />
SSCI aufgenommen worden sind, werden zusätzlich „Medien + Kommunikationswissenschaft“<br />
(bis 1999: „Rundfunk und Fernsehen“) und „Publizistik“<br />
in die Analyse einbezogen.<br />
Untersucht werden in 5-Jahres-Schritten die Artikel der letzten dreißig<br />
Jahre. Zum ersten berücksichtigten Zeitpunkt 1970 erscheinen „Communication<br />
Research“ (gegründet 1974) und „Media, Culture & Society“ (gegründet<br />
1979) noch nicht; letztere fehlt auch beim zweiten Messzeitpunkt<br />
1975. Sie werden sukzessive mit ihrem Erscheinen hinzugenommen, so<br />
dass für die Jahre 1980-2000 alle sieben Zeitschriften analysiert werden.<br />
Für jeden Artikel wird erhoben, welches Medium behandelt wird bzw. welche<br />
Kommunikationsinhalte und -formen im Mittelpunkt steht. Zentrale<br />
Untersuchungskategorie ist die Frage, in welchem thematischen Kontext<br />
die theoretische bzw. empirische Arbeit des Artikels steht. Für die Festlegung<br />
der Ausprägungen wurden verschiedene Darstellungen des Faches in<br />
Lehrbüchern herangezogen (Quellen noch einsetzen: Jarren/Bonfadelli;<br />
Kunczik/Zipfel), und, soweit inhaltsanalytisch umsetzbar, die Fachgruppenstrukturen<br />
der Deutschen Gesellschaft für Publizistik (<strong>DGPuK</strong>) und der<br />
International Communication Association (ICA). Es können pro Artikel<br />
mehrere thematische Zusammenhänge kodiert werden.<br />
Sobald in einem Artikel empirisch gearbeitet wird, wird die Codiereinheit<br />
heruntergesetzt von der Artikelebene auf die Beschreibung jeder einzelnen<br />
eingesetzten Methode. Es wird die Zielsetzung der Untersuchung erfasst,<br />
Seite 26 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
das eingesetzte Instrument, die Untersuchungsanlage, Stichprobengröße<br />
und -ziehung. Durch den Wechsel der Codiereinheit können beliebig viele<br />
Methoden pro Artikel erfasst werden, so dass Methodenkombinationen abgebildet<br />
und beschreibbar werden.<br />
Auf der Grundlage der erhobenen Daten lassen sich mehrere interessante<br />
Entwicklungen aufdecken. Durch den relativ weit zurückreichenden Untersuchungszeitraum<br />
können zeitgeistgebundene Einflüsse entdeckt werden.<br />
Und es kann gezeigt werden, ob, und wenn ja in welcher Form, quantitative<br />
und qualitative Methoden miteinander kombiniert angewendet werden.<br />
Durch die Einbettung der Methodenanalyse innerhalb ihres thematischen<br />
Kontextes kann zugleich aufgezeigt werden, welche Fragestellungen mit<br />
welchen Instrumenten gelöst bzw. mit welchen Instrumenten gearbeitet<br />
wird.<br />
Die Inhaltsanalyse befindet sich derzeit im Feld, die Datenerhebung wird<br />
bis Mitte Juli abgeschlossen sein. Im September können dann die Ergebnisse<br />
erstmals präsentiert werden.<br />
Achim Hackenberg, Daniel Hajok, Antje Richter, Berlin<br />
Medienrezeption als Kommunikatbildungsprozess –<br />
Eine empirische Untersuchung zur<br />
individuellen Konstruktion medialer Ereignisse<br />
1 Erkenntnisinteresse und Forschungsfrage<br />
Grundlegendes Ziel des Forschungsprojektes ist, die konstruktivistische<br />
Betrachtung von Kognition, Wahrnehmung und Verarbeitung medialer Ereignisse<br />
empirisch zu entfalten. Im Zentrum steht dabei, inwieweit die<br />
persönlichen Lebenshintergründe und individuellen Konzepte von Umwelt<br />
mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Umweltirritationen zusammenhängen.<br />
Konkret untersucht das Forschungsprojekt, wie weibliche und<br />
männliche Heranwachsende mit bzw. ohne unmittelbaren Todeserfahrungen<br />
(z.B. selbst erlebte lebensbedrohliche Situationen, Erfahrungen mit<br />
dem Tod von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten) irritierende<br />
Filmelemente zur Todesthematik rezipieren. Dies geschieht auf der Grundlage<br />
der Rekonstruktion sogenannter „Kommunikate“ (vgl. Schmidt 1996),<br />
welche als die individuellen Bedeutungen von Tod im Bewusstsein der Jugendlichen<br />
zu verstehen sind. Die durch ein exemplarisches Filmbeispiel<br />
evozierten Todesvorstellungen werden typisiert und vor dem Hintergrund<br />
der individuellen Lebenskontexte, Erfahrungen und Konzepte (von Tod,<br />
Glauben, Zukunft etc.) differenziert betrachtet und die zentralen Bedingungsfaktoren<br />
seitens der Rezipienten extrahiert. Darüber hinaus werden<br />
im Forschungsprojekt Aussagen über mögliche Implikationen spezifischer<br />
Filmelemente für Heranwachsende generiert, wie sie für die Arbeit von<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 27
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
FSF und FSK sowie für medienerzieherisches Handeln generell von Bedeutung<br />
sind.<br />
2 Theoretischer Bezugsrahmen<br />
und Konsequenzen für die Erforschung<br />
In der neueren medienwissenschaftlichen Diskussion findet der Konstruktivismus<br />
als theoretisches Konzept mehr und mehr Beachtung. Dahinter<br />
steht die Vorstellung, dass das menschliche Bewusstsein ein operational<br />
geschlossenes und selbstreferentielles System ist, welches Umwelt nicht<br />
einfach abbildet, sondern selbst auf der Grundlage der „eigenen“ (persönlichen)<br />
Ressourcen konstruiert. Die Sinnesorgane liefern nur die Reizpotentiale,<br />
die vom Gehirn individuell interpretiert werden müssen, um so<br />
Sinn oder Bedeutung für die jeweilige Person erlangen zu können (vgl.<br />
Roth 1998).<br />
Im Forschungsprojekt geht es vor allem um die persönlichen und individuell<br />
differenten Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse, die im Zusammenhang<br />
mit den individuellen Lebens- und Erfahrungskontexten stehen.<br />
Auf der theoretischen Basis, die „Verstehen“ als „Konstruktion“ begreift,<br />
werden Rezeptionsprozesse (nicht nur Mediennutzung, sondern<br />
auch Verarbeitung medialer Erfahrungen) als „Kommunikatbildungsprozesse“<br />
und deren Ergebnisse als „persönliche Konstrukte“ aufgefasst (vgl.<br />
Schmidt 1996). Eine zentrale Grundannahme ist dabei, dass es Bedeutung<br />
nicht in den Medienangeboten, sondern nur im Bewusstseinsystem, in den<br />
Köpfen der Menschen gibt (vgl. Schmidt 1994).<br />
Empirische Untersuchungen zur Rekonstruktion von Kommunikatbildungsprozessen<br />
existieren bisher kaum und sind nur aus der empirischkonstruktivistischen<br />
und der empirisch-interaktionistischen Literaturwissenschaft<br />
bekannt (vgl. Baasner & Zens 2001). Sie sind nicht ohne weiteres<br />
auf andere Gegenstandsbereiche (Rezeption von Filmen, Internetinhalten<br />
etc.) übertragbar.<br />
Die empirische Erfassung von persönlichen Filmbedeutungen gestaltet sich<br />
– wie die Erfassung individueller Kommunikate generell – insofern schwierig,<br />
da nur die sprachlichen Äußerungen über einen Film und nicht die Gedankengänge<br />
selbst, die den persönlichen Deutungen zugrunde liegen,<br />
greifbar sind. Sprachliche Äußerungen liefern aber nur einen indirekten<br />
Zugang zu den persönlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozessen.<br />
Die Forschungsmethoden müssen deshalb auch auf die Rekonstruktion<br />
persönlicher Filmbedeutungen, die hinter sprachlich codierten mündlichen<br />
oder schriftlichen Äußerungen von Menschen stehen, abzielen (vgl.<br />
Drinck et al. 2001).<br />
Für die Rekonstruktion individueller Filmkommunikate bedarf es eines relativ<br />
komplexen Untersuchungsdesigns, in dem mit unterschiedlichen<br />
Erhebungs- und Auswertungsmethoden die wesentlichen Faktoren auf der<br />
Ebene des Individuums und auf der Ebene des Films erfasst und analysiert<br />
werden können. Notwendig ist, Kommunikationsanlässe zu schaffen. Diese<br />
müssen Anreize in einer Atmosphäre bieten, welche den Rezipienten in die<br />
Seite 28 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Lage versetzen, seine Äußerungen hinreichend auszuführen und zu begründen,<br />
um dann Rückschlüsse auf die persönlichen Filmkommunikate<br />
ziehen zu können. Das bedeutet, in den Erhebungssituationen die individuellen<br />
Äußerungsprozesse nicht zu stören oder einflussnehmend zu unterbrechen,<br />
sondern mit möglichst offenen Narrationsanreizen reflexive<br />
und persönlich bewertende Äußerungen zu den persönlichen Bedeutungen<br />
anzuregen (vgl. Bohnsack 2000). Realisieren lässt sich dies zum Beispiel<br />
durch narrative Interviews und Gruppendiskussionen.<br />
3 Untersuchungsdesign und methodische Umsetzung<br />
Zur Erfassung und Analyse der individuellen Kommunikate von Tod im<br />
Film wurde ein Untersuchungsdesign mit zwei parallel verlaufenden Untersuchungssträngen<br />
entwickelt (siehe Schaubild). Der erste Strang diente<br />
der Erfassung und kontextuellen Einbettung der individuellen Filmkommunikate,<br />
der zweite der Generierung einer Standarderzählung als Vergleichshorizont<br />
(„Tertium Comparationis“), zu verstehen als Rekonstruktion<br />
semantischer Elemente im Film (vgl. Bohnsack 2000).<br />
Untersuchungsstrang 1: Zunächst wurden 100 Gymnasiastinnen und<br />
Gymnasiasten aus Berlin und Brandenburg telefonisch befragt (telefonischer<br />
Erstkontakt mit standardisierten Fragebogen). Ziel war die Exploration<br />
der individuellen Todeserfahrungen und die Erfassung zentraler Aspekte<br />
der individuellen Lebenskontexte (Alter, Geschlecht, Konfession,<br />
Wohnort, Familienkonstellation, Haushaltszusammensetzung u.a.). Von<br />
allen Befragten wurden dann 40 Probanden, 20 Mädchen und 20 Jungen,<br />
ausgewählt. Wesentlich war dabei, dass die persönlichen Erfahrungen insgesamt<br />
ein quantitativ und qualitativ breites Spektrum an Todeserfahrungen<br />
umfassen und unterschiedliche Glaubenshintergründe repräsentiert<br />
sind. Ein weiteres Auswahlkriterium war, dass alle Jugendlichen mindestens<br />
18 Jahre alt sind und die 12. Klasse besuchen. Alter und Schulbildung<br />
wurden konstant gehalten, um die im Mittelpunkt stehenden Differenzen<br />
hinsichtlich des Geschlechts und der individuellen Todeserfahrung nicht zu<br />
verwischen.<br />
Im weiteren wurden mit den ausgewählten Jugendlichen ausführliche Leitfadeninterviews<br />
durchgeführt, um die Kontexte zu erfassen, die für eine<br />
Betrachtung individueller Wahrnehmungs- und Verarbeitungsweisen von<br />
Tod in den Medien allgemein und im Film speziell relevant sind. Im Mittelpunkt<br />
dieser eineinhalb- bis zweieinhalbstündigen Gespräche standen die<br />
individuellen Lebens- und Glaubenshintergründe, die persönlichen Todeserfahrungen<br />
und Konzepte von Tod sowie die Erfahrungen und Kompetenzen<br />
im Umgang mit Medien, insbesondere mit Filmen.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 29
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Telefonischer<br />
Erstkontakt<br />
Leitfadeninterviews<br />
zu den Lebenskontexten<br />
Schriftliches Re-Filming<br />
Mündliches Re-Filming<br />
Leitfadeninterviews<br />
zum Film<br />
Gruppendiskussionen<br />
Schaubild: Untersuchungsdesign<br />
Lebenskontexte<br />
Erfahrungen<br />
Konzepte<br />
Individuelle<br />
Filmkommunikate<br />
Filmanalyse<br />
Expertenworkshop<br />
Standarderzählung als<br />
Vergleichshorizont<br />
Einige Wochen nach den Interviews wurde den 40 Jugendlichen in Gruppen<br />
zu vier Personen ein populärer amerikanischer Spielfilm gezeigt, in<br />
dem Tod ein zentrales Thema ist und „gängige“ Vorstellungen von Tod,<br />
Sterben und einem Leben nach dem Tod aufgegriffen werden. Unmittelbar<br />
nach der Filmerezeption verfasste jeder Proband eine ausführliche schriftliche<br />
Nacherzählung des Films in Form eines Aufsatzes (schriftliches Re-<br />
Filming). Im Mittelpunkt standen dabei die Inhalte, die den Mädchen und<br />
Jungen selbst wichtig sind. Diese sollten nicht nur dargelegt, sondern auch<br />
mit den persönlichen Deutungen versehen werden.<br />
Vier bis fünf Tage nach der Filmexposition wurde mit jedem der 40 Jugendlichen<br />
ein weiteres ausführliches, etwa zweistündiges Gespräch geführt.<br />
Zunächst sollten sie den Film nochmals nacherzählen und dabei auf<br />
all das eingehen, was ihnen wichtig ist (mündliches Re-Filming). Nach der<br />
Narration wurden die Ausführungen vertieft und ausgewählte Aspekte besprochen<br />
(Leitfadeninterviews). Hier ging es im wesentlichen um die Darstellung<br />
von Tod und Sterben im Film und deren Deutung durch die Rezipienten.<br />
Im weiteren wurden dann die individuellen Wahrnehmungs- und<br />
Verarbeitungsweisen des Films den persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen<br />
der Jugendlichen gegenüber gestellt, und abschließend weitere<br />
Kontexte erfasst (Bewertung des Films, thematische Einordnung u.a.) und<br />
relevante Aspekte der persönlichen Todeserfahrungen und –konzepte, die<br />
beim ersten Interview offen geblieben sind, erörtert.<br />
Den letzten Erhebungsschritt bildeten vertiefende Gespräche in Gruppen<br />
von vier bis sechs Personen (Gruppendiskussionen). Hier erhielten die Jugendlichen<br />
Gelegenheit, sich zu den Filminhalten und ihren persönlichen<br />
Seite 30 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Erfahrungen und Vorstellungen zu äußern. Anhand der Diskussion und Positionierungen<br />
der Jugendlichen zu Aspekten, die sich im bisherigen Verlauf<br />
der Untersuchung als zentral erwiesen haben, sollten die verschiedenen<br />
Rezeptionstypen deutlicher und von anderen abgrenzbar gemacht<br />
werden.<br />
Untersuchungsstrang 2: Parallel zur Erfassung und kontextuellen Einbettung<br />
der individuellen Filmkommunikate wurde der ausgewählte Film<br />
„Ghost – Nachricht von Sam“ einer differenzierten Analyse unterzogen<br />
(Filmanalyse). Im Zentrum standen dabei Inhalte und Darstellungsformen<br />
des Films, insbesondere hinsichtlich des Todesthemas. Aus der Analyse<br />
wurde dann eine an den zentralen Filminhalten ausgerichtete Standarderzählung<br />
erarbeitet und diese in der Expertenrunde validiert (Expertenworkshop).<br />
Ziel war es, einen Vergleichshorizont zu den Filmkommunikaten<br />
der Jugendlichen zu erhalten (zur Verdeutlichung der Differenzen) und<br />
einige thematische Eckpfeiler für Leitfadeninterviews und Gruppendiskussion<br />
zu bestimmen.<br />
4 Erste Ergebnisse<br />
Die ersten Projektergebnisse zeigen eines sehr deutlich: Bereits Jugendliche<br />
aus einer Altersgruppe und mit vergleichbarem Bildungshintergrund<br />
nehmen Todes- und Gewaltdarstellungen in Filmen sehr verschieden wahr<br />
und verarbeiten sie unterschiedlich. Nicht nur in ihrer Art vergleichbare<br />
Inhalte, sogar ein und dieselbe Filmsequenz des Tötens bzw. Sterbens<br />
wird individuell rezipiert. Bei der Wahrnehmung werden verschiedene Perspektiven<br />
übernommen (z.B. die des Täter, die des Opfers, die der Folgen<br />
u.a.m.), bei der Verarbeitung unterschiedliche Deutungen vorgenommen<br />
(z.B. Unfall, Mord, gerechte Strafe, Schicksal). Für den Film als Ganzes<br />
wie für einzelne Filmszenen lassen ganz unterschiedliche Rezeptionstypen<br />
ausmachen.<br />
Ein Beispiel soll das verdeutlichen. In der Schlüsselszene des vorgeführten<br />
Films wird der Hauptakteur bei einem Überfall (geplanter Raub der Brieftasche)<br />
erschossen. Die Deutungen dieser Szene variieren erheblich von<br />
Person zu Person, wobei sich folgende drei Rezeptionstypen herauskristallisieren.<br />
Erstens der empathische Zuschauer, welcher sich in die Lage der<br />
beteiligten Protagonisten hineinversetzt und mitfühlt, zweitens der e-<br />
thisch-moralische Zuschauer, der eine normative Wertung des Gesehenen<br />
vornimmt, und drittens der sachlogische Zuschauer, der die Szene als<br />
notwenigen Bestandteil des Plots wertet oder die Ereignisse nüchtern in<br />
ein Ursache-Folge-Prinzip einordnet.<br />
Insgesamt ist nicht zu übersehen, dass die Wahrnehmung und Verarbeitung<br />
der medialen Todes- und Gewaltdarstellungen mit vielen Faktoren<br />
der individuellen Lebens-, Interessen- und Erfahrungskontexte zusammenhängt,<br />
wobei die verschiedenen Bedingungsgrößen meist eng miteinander<br />
verflochten sind. Vier Faktoren lassen sich nach bisherigem Stand<br />
der Dinge hervorheben:<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 31
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
- das Geschlecht der Jugendlichen,<br />
- die persönlichen Erfahrungen mit Tod und Gewalt,<br />
- der Glauben und religiöse Hintergrund der Jugendlichen sowie<br />
- die individuellen Konzepte und Auffassungen von Tod und Gewalt.<br />
Mit Blick auf das Geschlecht der Jugendlichen wird das komplexe Zusammenspiel<br />
der verschiedenen Bedingungsfaktoren sehr deutlich. Zwar lässt<br />
sich tendenziell die erwartete geschlechtsspezifische Rezeption von Tod<br />
und Gewalt in Filmen beobachten, sie wird aber von den persönlichen Erfahrungs-<br />
und Glaubenshintergründen, die innerhalb beider Geschlechter<br />
erheblich differieren, überlagert. So war einer der Befragten vor einigen<br />
Monaten mit der schweren Krankheit seines älteren Bruders (seine wichtigste<br />
Bezugsperson) konfrontiert. Dies hat ihn zutiefst emotional bewegt<br />
(v.a. Verlustangst) und zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Tod<br />
und Sterben geführt. Filme, deren Protagonisten ihm auch nur im entferntesten<br />
Identifikationsmöglichkeit geben bzw. deren Handlung Parallelen zu<br />
seiner Erfahrung erkennen lassen, durch die „weibliche Brille“; er übernimmt<br />
die Perspektive der Opfer und Hinterbliebenen, identifiziert sich mit<br />
den betroffenen Personen und deren Schicksal, leidet mit. Eine besondere<br />
Qualität erhält diese Rezeptionsweise vor dem Hintergrund, dass derselbe<br />
Jugendliche als aktiver Hooligan Gewalt praktiziert.<br />
Begründet durch die persönlichen Erfahrungs- und Glaubenshintergründe<br />
gibt es also Jungen mit einer „typisch weiblichen“ Wahrnehmung und Verarbeitung<br />
von Tod und Gewalt in den Medien, genauso wie es die Mädchen<br />
mit einer „typisch männlichen“ Rezeptionsweise in der Art gibt, dass bei<br />
der Rezeption von Tod und Gewalt der Fokus auf der Ebene von Machart<br />
und technischer Umsetzung liegt. Das Geschlecht der Jugendlichen ist<br />
demnach eine relevante, nicht aber die entscheidende Variable für die individuelle<br />
Wahrnehmung und Verarbeitung von Tod- und Gewalt in den<br />
Medien. Es bleibt einmal mehr die unabhängige Variable mit sehr begrenztem<br />
Erklärungspotential.<br />
Fazit<br />
Neben den inhaltlichen Aspekten stand im Mittelpunkt des Forschungsprojektes<br />
die Entwicklung und Erprobung eines Untersuchungsinstrumentariums,<br />
mit dem die individuellen Konstruktionen von (Medien-)Wirklichkeiten<br />
rekonstruiert werden können. Abgesehen davon, dass die Ergebnisse<br />
klar herausstellen, dass ein und dieselben Filminhalte von Individuen mit<br />
differierenden Lebenshintergründen, Erfahrungen und Konzepten unterschiedlich<br />
wahrgenommen und verarbeitet werden, zeigt die Untersuchung<br />
die Notwendigkeit einer Kombination verschiedener Forschungsmethoden,<br />
um die unterschiedlichen Dimensionen des Gegenstandes berücksichtigen<br />
zu können. Vor allem ermöglicht das entwickelte Untersuchungsdesign im<br />
Sinne eines kontextualen, ganzheitlichen Ansatzes beide Seiten (Individuum<br />
und Umwelt) und dabei eine Vielzahl von Bedingungsfaktoren in die<br />
Analyse einzubeziehen und die Daten intern (durch die Jugendlichen<br />
selbst) und extern (durch die Forschergruppe) zu validieren.<br />
Seite 32 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Literatur<br />
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Schmidt, S.J. (1994): Konstruktivismus in der Medienforschung: Konzepte, Kritiken,<br />
Konsequenzen. In: S.J. Schmidt, / K. Merten / S. Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit<br />
der Medien. Opladen, S. 592-623.<br />
Wiebke Loosen, Hamburg<br />
Mediale Synergien bei<br />
„Spiegel“, „Focus“, „Stern“ – Print, Online, TV:<br />
eine Methoden- Verfahrens- und Medienkombination<br />
Im Rahmen des Beitrages sollen die methodischen Aspekte und Fragen,<br />
die sich aus der Kombination qualitativer und quantitativer Methoden ergeben,<br />
exemplarisch anhand einer empirischen Studie diskutiert werden,<br />
die sich mit journalistischen Medien-Marken im trimedialen Redaktionsverbund<br />
beschäftigt. Konkret konzentriert sich die Untersuchung auf<br />
Crossmedia-Strategien klassischer Medien, für welche die Nutzung verschiedener<br />
Synergie- und Transfereffekte zwischen Online- und Offline-<br />
Medien zur Zielvorgabe konzeptioneller Planung und medialer Dachmarkenstrategien<br />
gemacht wird. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie sich<br />
diese auf ökonomischem Kalkül basierenden Formen medialer Entgrenzungen<br />
auf die Beschaffenheit und auf die Kontextbedingungen der<br />
Aussagenentstehung auswirken. Diese Form der Ausdifferenzierung medialer<br />
Angebotsstrukturen im inter- und intramediären Rahmen wird am<br />
Beispiel der Dachmarken-Titel „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ untersucht<br />
und bezieht sich jeweils auf das Print-, das TV(-Magazin)- und das Online-<br />
Produkt.<br />
Das ursprünglich konzipierte Untersuchungsdesign sieht sowohl eine Methoden-<br />
als auch eine Verfahrenskombination vor: Die quantitative Inhaltsanalyse<br />
der Print-, TV- und Online-Angebote wird mit einer qualitativen<br />
Inhaltsanalyse verknüpft und diese werden wiederum mit quantitativer<br />
und qualitativer Befragung innerhalb der einzelnen Redaktionen kom-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 33
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
biniert. Dieses Design konnte <strong>aller</strong>dings nicht komplett umgesetzt werden,<br />
weil die quantitative Befragung in den Redaktionen an der Einwilligung der<br />
Verlagsleitungen gescheitert ist.<br />
Die quantitative Inhaltsanalyse ermittelt die Themenstruktur (aufeinander<br />
bezogene Datensätze II bis IV) der jeweiligen Angebote sowie Formen gegenseitiger<br />
Referenzen (Datensatz I). Ein wesentlicher Teil der Konzeption<br />
der Inhaltsanalyse ist auf die Identifikation von ‚Überschneidungsthemen’<br />
hin angelegt, die in mehr als nur einem Medientyp vorkommen. Dabei<br />
dient die quantitative Inhaltsanalyse u. a. dazu, die für die qualitative Inhaltsanalyse<br />
notwendige Reduktion auf Themen, die in allen drei Medientypen<br />
vorkommen, zu ermöglichen; die Verfahren bauen also aufeinander<br />
auf.<br />
In Tabelle 1 sind die wichtigsten Operationalisierungselemente zusammengestellt:<br />
Tabelle 1: Inhaltsanalyse: Schematisierung des Untersuchungsdesigns<br />
und der ermittelten Daten<br />
Qualitative<br />
Inhaltsanalyse<br />
Themen<br />
‚Erfurt’ und<br />
‚Djerba’<br />
Untersuchungseinheit<br />
Erhebungseinheit<br />
Aussagewert<br />
relevante<br />
Variablen<br />
Datenaufbereitung<br />
Datenumfang<br />
Datensatz I Datensatz II Datensatz III Datensatz IV<br />
Medienreferenz Beitrag Thema<br />
ganzes Heft/ganze<br />
Sendung/gesamtes<br />
Online-Angebot 1<br />
Anzahl und Art gegenseitiger<br />
Referenzen<br />
formale Variablen,<br />
Arten von Referenzen<br />
Recodierung<br />
‘Sonstiges’ (Art der<br />
Referenz)<br />
redaktioneller<br />
Teil des Hefts/<br />
ganze Sendung/<br />
redaktioneller<br />
Teil des Online-<br />
Angebots 1<br />
Themenstruktur<br />
Print, Online, TV<br />
formale Variablen,<br />
Themenvariablen<br />
Recodierung<br />
‘Sonstiges’<br />
(Oberthemen,<br />
Beitragsformen)<br />
4.206 7.099<br />
Überschneidungsthema<br />
Thematische Überschneidungen<br />
Print/Online, Print/TV,<br />
Online/TV,<br />
Print/Online/TV<br />
Verknüpfung mit Datensatz<br />
II, Überschneidungsthemen<br />
Identifizierung von<br />
Überschneidungsthemen<br />
ca. 350 Themen 2<br />
(1.785 Beiträge)<br />
‘Trimediale’<br />
Themen<br />
Überschneidungsthemen<br />
aus allen<br />
Medientypen<br />
Themen, die in<br />
Print, TV und<br />
Online vorkommen<br />
Verknüpfung mit<br />
Datensatz II,<br />
Formen medienspezifischer<br />
Aufbereitung<br />
‘Trimediale’<br />
Themen in<br />
allen Titeln<br />
Themen, die<br />
bei allen Titeln<br />
in allen drei<br />
Medien vorkommen<br />
Themenfokus,<br />
Themenaspekte,<br />
Thematisierungs-<br />
und,<br />
Vermittlungsstrategien<br />
Seite 34 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong><br />
—<br />
qualitative<br />
Auswertung<br />
8 2<br />
1<br />
Ausgehend von der Homepage bis zur 1. Ebene inklusive.<br />
2<br />
Überschneidungsthemen können unterschiedlich umfassend sein: Für den titelübergreifenden Vergleich der<br />
Themenstruktur müssen sie beispielsweise umfassender sein als für den Nachweis von 1:1-Übernahmen. Hier<br />
sind für weitere Auswertungen noch zusätzliche Bearbeitungsschritte geplant, so dass dieser Wert variieren<br />
kann und hier als Circa-Angabe ausgewiesen.<br />
Die Befragung wurde in Form von Leitfadeninterviews umgesetzt. Insgesamt<br />
wurden Interviews mit neun Chefredakteuren (bei „Spiegel“, „Focus“<br />
und „Stern“ jeweils in den Print-, TV-und Online-Redaktionen) geführt. Die<br />
Dimensionen des Leitfadens konzentrierten sich auf Fragen zu Austauschund<br />
Koordinationsprozesse zwischen den Redaktionen. Die quantitative<br />
Befragung sollte demgegenüber auf Ebene der Redakteure stattfinden.
Der Fragebogen wurde komplett fertig gestellt und sollte netzwerkartig<br />
Kooperationen, Absprachen und Kontakte von Redakteuren zu den Redakteuren<br />
der jeweils beiden anderen Redaktionen erheben.<br />
Innerhalb dieses empirischen Settings haben sich eine Reihe methodischer<br />
Besonderheiten ergeben, die auf die<br />
• Kombination quantitativer und qualitativer Verfahren,<br />
• auf das Mehrmethodendesign,<br />
• den Vergleich der Medientypen Print-, TV und Online<br />
• sowie auf die Anlage als Fallstudie zurückzuführen sind.<br />
Im Rahmen des Beitrags soll vor allem gezeigt werden, wie, warum und<br />
mit welchen Konsequenzen Entscheidungen zur Kombination quantitativer<br />
und qualitativer Verfahren gefallen sind und welche Auswirkungen dies auf<br />
die daraus resultierenden Ergebnisse hat. Dies ist nur möglich, wenn noch<br />
bewusster als ohnehin bei empirischer Forschung erforderlich, methodische<br />
und meist implizit mitlaufende methodologische Annahmen offen gelegt<br />
und explizit gemacht werden.<br />
Folgende Überlegungen sind dabei relevant und sollen vor dem Hintergrund<br />
der skizzierten Studie im Zentrum des Beitrags stehen:<br />
• Operationalisierungs-Vielfalt durch Methoden- und Verfahrensvielfalt<br />
» Ausgangsbeobachtung: Eine überwiegend quantitativ oder qualitativ<br />
ausgerichtete Forschungsorientierung und -tradition hat eine<br />
gewisse Prädisposition zur Folge, welche die Operationalisierung<br />
immer schon ‚mitdenkt’ und so von vornherein zu eher quantitativ<br />
oder eher qualitativ zu untersuchenden Fragestellungen führen<br />
kann.<br />
» Lösungsansatz: Im idealtypischen Forschungsablauf ist die Methodenwahl<br />
der Festlegung der zu untersuchenden Fragestellung<br />
nachgeordnet. Nicht nur die Kenntnis des unterschiedlichen Leistungsspektrums<br />
der Methoden, sondern auch der unterschiedlichen<br />
Verfahren hilft dabei, die Operationalisierbarkeit der Fragestellung<br />
hinsichtlich der verschiedenen Möglichkeiten durchzudeklinieren,<br />
um so den möglichst optimalen Methoden- und/oder Verfahrensmix<br />
zusammenzustellen.<br />
• Qualitative Verfahren als Ersatzlösung<br />
» Ausgangsbeobachtung: Vor allem bei der Befragung kann die Entscheidung<br />
für das eine oder andere Verfahren stark von forschungspragmatischen<br />
Aspekten abhängen. Quantitative Befragungen<br />
sind z. B. nicht realisierbar, wenn die Befragung komplett verweigert<br />
wird. Nicht immer kann das angewendete Verfahren also<br />
dem methodischen Optimum entsprechen.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 35
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
» Lösungsansatz: Wenn seitens der zu Befragenden Bedenken gegen<br />
die quantitative Befragung bestehen, kann die qualitative Befragung<br />
eine Alternative darstellen, auch wenn sie – je nach Forschungsfrage<br />
– kein kompletter Ersatz für eine nicht zustande gekommene<br />
quantitative Befragung sein kann.<br />
• Qualitative Verfahren gegen das ‚Quantitativitäts-Paradoxon’ bei<br />
Online-Analysen<br />
» Ausgangsbeobachtung: Gerade bei der Analyse von Online-<br />
Angeboten zeigt sich so etwas wie ein ‚Quantitativitäts-Paradoxon’:<br />
Die Masse an – zudem elektronisch vorliegenden – Daten legt eigentlich<br />
eine quantitative Vorgehensweise nahe. Gleichzeitig stößt<br />
die quantitative Inhaltsanalyse aber schnell an Grenzen, weil der<br />
erforderliche methodische Aufwand ab einem bestimmten Grad in<br />
keinem rechten Verhältnis mehr zum erzielbaren Ertrag steht. Ferner<br />
stehen sowohl quantitative als auch qualitative Verfahren im<br />
Kontext der zentralen Konzepte von Reliabilität und Validität vor<br />
der Gratwanderung entweder hoch artifizielle und restriktive Komplexitätsreduktion<br />
zu betreiben, oder möglichst viele Variablen zu<br />
berücksichtigen, die nicht alle streng kontrolliert werden können.<br />
Zudem ist der Interferenzschluss, der die Inhaltsanalyse zu mehr<br />
als einer deskriptiven Methode machen soll, unter Online-Bedingungen<br />
noch schwerer zu plausibilisieren als unter Offline-Bedingungen.<br />
» Lösungsansatz: Die Einzelfallorientierung qualitativer Verfahren<br />
zwingt zu einer genauen Diskussion der Auswahlkriterien des Einzelfalls<br />
und der Möglichkeiten der Verallgemeinerung der so erzielten<br />
Ergebnisse; d. h. <strong>aller</strong>dings nicht, dass Fallstudien zwangsläufig<br />
explorativ angelegt sein müssen und dass die Anlage als Fallstudie<br />
automatisch den Verzicht auf quantitative Analyse- und Auswertungsstrategien<br />
bedeutet. Besonders in Bezug auf Online-Inhaltsanalysen<br />
befördert der Fallstudiencharakter die Kombination quantitativer<br />
und qualitativer Verfahren und macht überdies die Umsetzbarkeit<br />
von Methodenkombinationen (z. B. Inhaltsanalyse in<br />
Kombination mit Befragung von Anbietern/Nutzern) wahrscheinlicher.<br />
Je nach Fragestellung sollte intensiv geprüft werden, ob zu<br />
Gunsten einer umfassenden Einzelfallanalyse sogar weitgehend auf<br />
quantitative Verfahrensschritte verzichtet werden kann.<br />
• Konstruktivismus als methodologischer ‚Brückenbauer’<br />
» Ausgangsbeobachtung: Es gehört zu den zentralen Einwänden qualitativer<br />
Forscher gegen die quantitativen Verfahren, dass diese<br />
entsubjektiviert arbeiten.<br />
» Lösungsansatz: Die konstruktivistische ‚Uminterpretation’ der methodologischen<br />
Regeln des Kritischen Rationalismus kann helfen,<br />
den Graben zwischen quantitativen und qualitativen Verfahren zu<br />
überbrücken: Unter konstruktivistischer Perspektive wird der Vor-<br />
Seite 36 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
wurf des entsubjektivierten Arbeitens gegenstandslos, da alle Formen<br />
von Beobachtung als subjektabhängig gelten müssen. Allerdings<br />
müsste dann die Subjektzentriertheit sowohl hinsichtlich des<br />
beobachteten als auch des beobachtenden Subjekts expliziert und<br />
kontrolliert werden. Problematisch an qualitativen Methoden war<br />
und ist nicht ihre Subjektzentriertheit, sondern die vielfach mangelnde<br />
Transparenz des methodischen Verfahrens.<br />
Burkard Michel, Magdeburg<br />
Die Kombination quantitativer und qualitativer<br />
Methoden. Zur Analyse habitusspezifischer Dimensionen<br />
der Medienrezeption<br />
1 Problemstellung<br />
Die Entscheidung für ein bestimmtes Methodenmix ergibt sich aus der<br />
Fragestellung und dem theoretischen Bezugsrahmen einer Untersuchung.<br />
Interessante Fragen und Perspektiven wirft in diesem Zusammenhang die<br />
Habitustheorie Pierre Bourdieus auf. Obwohl sich dieser Ansatz steigender<br />
Popularität in vielen sozialwissenschaftlichen Untersuchungsfeldern erfreut,<br />
findet eine empirische Anwendung innerhalb der Kommunikationswissenschaft<br />
eher schleppend statt. Mit dem Habituskonzept verknüpft<br />
Bourdieu eine sozialstrukturelle Makroperspektive mit einer handlungstheoretischen<br />
Mikroperspektive. Beide Perspektiven sind für kommunikationswissenschaftliche<br />
Fragestellungen relevant. So lassen sich habitusspezifische<br />
Rezeptionsweisen sowohl in makroskopischer, als auch in mikroskopischer<br />
Perspektive empirisch nachweisen. In makroskopischer Einstellung<br />
zeigen sie sich bspw. als milieuspezifische Regelmäßigkeiten (Homologien)<br />
der Präferenz für bestimmte Medienangebote, die mit quantitativen<br />
Verfahren nachgezeichnet werden können. In mikroskopischer Perspektive<br />
sind sie als (Sinn-) Konstruktionen der Rezipierenden zu rekonstruieren<br />
und auf die hinter den Konstruktionen stehende generative Formel<br />
des Habitus zurückzuführen. Hier bieten sich qualitativ-rekonstruktive<br />
Verfahren an. Dabei stellt das mit der Habitustheorie verbundene Handlungsmodell<br />
besondere Anforderungen an die Forschungsmethode. Um die<br />
Habitustheorie für die empirische Kommunikationsforschung fruchtbar zu<br />
machen, streift der geplante Beitrag zunächst die Verschränkung von<br />
Makro- und Mikroperspektive, die zugleich als Kombination von quantitativen<br />
und qualitativen Verfahren gedacht werden kann. Dabei kommt dem<br />
quantitativen Vorgehen eine heuristische Funktion zu. Im Zentrum des<br />
Beitrags steht mit der Dokumentarischen Methode nach Ralf Bohnsack sodann<br />
ein qualitativer Ansatz, der – in Verbindung mit dem Gruppendiskussionsverfahren<br />
– dem spezifischen Handlungsmodell der Habitustheorie in<br />
methodischer Hinsicht Rechnung trägt. Wesentliche Aspekte der Dokumentarischen<br />
Methode werden anhand einer qualitativen Studie über die<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 37
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Rezeption von Fotografien exemplarisch illustriert. Ergänzend wird zur<br />
Verdeutlichung der Verschränkung von Makro- und Mikroperspektive eine<br />
quantitative Untersuchung über milieuspezifische Präferenzen für bestimmte<br />
Fotografien herangezogen.<br />
2 Problemhintergrund: Die Habitustheorie<br />
Bourdieu definiert den Habitus u.a. als milieuspezifisches Set von Dispositionen,<br />
das alle Praxisformen der Angehörigen eines Milieus hervorbringt<br />
und dem Milieu so ein charakteristisches Gesicht verleiht (vgl. Bourdieu<br />
1993, S. 112). Seine Wurzel hat der Habitus in den existentiellen Hintergründen<br />
seines jeweiligen Milieus. Bourdieu spricht hier von der spezifischen<br />
Kapitalkonfiguration eines Milieus, worunter er nicht lediglich ökonomische,<br />
sondern insbesondere auch kulturelle Ressourcen versteht.<br />
Durch die Möglichkeiten, Restriktionen und Erfahrungen, die die Kapitalausstattung<br />
nach sich zieht, wird der Habitus geprägt (vgl. ebd. S. 100) –<br />
Bourdieu bezeichnet ihn daher auch als „strukturierte Struktur“ (ebd. S.<br />
98 f.). Ähnliche Existenzbedingungen führen dabei zur Herausbildung ähnlicher<br />
Habitus. Der Habitus fungiert aber auch als „strukturierende Struktur“<br />
(ebd.), indem er als „generative Formel“ (Bourdieu 1987, S. 332)<br />
Praktiken hervorbringt und ihnen ein einheitliches Gepräge gibt. Als „praktischer<br />
Sinn“ steht er hinter allen Formen von Praxis (vgl. Bourdieu 1987,<br />
S. 283), d.h. hinter Praktiken in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen.<br />
Da die Angehörigen eines Milieus über identische oder ähnliche Habitus<br />
verfügen, kommt es zu identischen oder ähnlichen Handlungsmustern unter<br />
den Angehörigen eines Milieus, die sich von den Handlungsmustern der<br />
Angehörigen anderer Milieus unterscheiden. Milieuspezifische Muster des<br />
Handelns sind auch im Praxisfeld der Kommunikation nachzuzeichnen. In<br />
makroskopischer Perspektive zeigen sie sich als regelmäßige Strukturen<br />
(Homologien). Mit Hilfe von quantitativen Verfahren lassen sich diese<br />
Strukturen freilegen.<br />
Den Akteuren selbst bleibt die Wirkungsweise des Habitus verborgen – er<br />
operiert sozusagen ‚hinter ihrem Rücken’ ohne ihr Bewußtsein zu streifen<br />
(vgl. Bourdieu 1999, S. 492). Ihre Sichtweise steht im Zentrum der mikroskopischen<br />
Analyse. Denn als „System der organischen oder mentalen<br />
Dispositionen und der unbewußten Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata“<br />
(Bourdieu 1974, S. 40) strukturiert der Habitus auch das<br />
subjektive Erleben der Akteure und führt u.a. zu milieuspezifischen Weisen<br />
der Medienrezeption. Vermittelt über den Habitus schlägt die Kapitalstruktur<br />
damit auch auf die vermeintlich intimsten Arten des Denkens,<br />
Wahrnehmens und Fühlens durch (vgl. Bourdieu 1993, S. 44 f.). In dieser<br />
Mikroperspektive geht es daher nicht lediglich um die Rekonstruktion des<br />
subjektiv gemeinten Sinns der Akteure, sondern überdies um seine Rückführung<br />
auf den hinter ihm stehenden Habitus. Sie hat daher die implizit<br />
jeder Praxis und jeder Sinnbildung zugrunde liegende „generativen Formel“<br />
des Habitus zu explizieren. Hierfür bieten sich qualitative Forschungsverfahren<br />
an. Aus dem Handlungsmodell der Habitustheorie ergeben<br />
sich für die Forschungsmethode jedoch mehrere Konsequenzen: Da<br />
Seite 38 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
sich der hinter den Sinnkonstruktionen stehende modus operandi des Habitus<br />
nicht nur der reflexiven Durchdringung, sondern auch der sprachlichen<br />
Explikation durch die Akteure entzieht (vgl. Bourdieu 1985, S. 17),<br />
lassen sich habitusspezifische Sinnkonstruktionen nicht mit Hilfe expliziter<br />
Befragungen erfassen. Da die Habitustheorie überdies die kollektive Verankerung<br />
habitusspezifischer Praktiken postuliert, bedarf es zudem eines<br />
methodischen Verfahrens, das die Rezipierenden weder in individueller<br />
Isolierung noch lediglich als sozialstatistische Addition von Einzelwesen<br />
betrachtet.<br />
3 Methodologie und Methoden<br />
Die makroskopische Strukturanalyse soll hier nur am Rande berührt werden.<br />
Hier stellt sich insbesondere die Frage nach der Operationalisierung<br />
der Milieuzugehörigkeit. Verschiedene Indikatoren kommen in Betracht:<br />
So bietet sich unter Bezug auf Bourdieus Kapitaltheorie eine kausalgenetische<br />
Bestimmung der Milieuzugehörigkeit an (vgl. Mannheim 1980, S. 85<br />
ff.). Aussagekräftige Kategorien sind hier Einkommen, Schulausbildung,<br />
Beruf und Berufe der Eltern. Zum Einsatz kommen verschiedentlich auch<br />
Einstellungsitems, die zu Milieuindikatoren verdichtet sind (z.B. Sinus<br />
2002). Als äußerliche Kriterien dienen sie dazu, das Mediennutzungsverhalten<br />
hinsichtlich der Milieuzugehörigkeit zu differenzieren. Zutage tretende<br />
Regelmäßigkeiten können dann als ‚Oberflächenphänomene’ des<br />
Habitus interpretiert werden, die „‚geregelt’ und ‚regelmäßig’ sind, ohne<br />
irgendwie das Ergebnis der Einhaltung von Regeln zu sein, und (...) kollektiv<br />
aufeinander abgestimmt sind, ohne aus dem ordnenden Handeln<br />
eines Dirigenten hervorgegangen zu sein.“ (Bourdieu 1993, S. 99). Dem<br />
Aufweis milieuspezifischer Strukturen kommt eine heuristische Funktion<br />
zu. Denn die Makroanalyse zeigt lediglich, daß ein Zusammenhang zwischen<br />
milieuspezifischem Habitus und Medienrezeption besteht. Wie genau<br />
habitusspezifische Rezeptionsprozesse ablaufen, ist im Rahmen einer mikroskopischen<br />
Analyse zu klären.<br />
Einen Zugang zur präreflexiven und kollektiven Ebene habitusspezifischer<br />
Rezeptionsweisen, die sich für die Akteure reflexiver Durchdringung und<br />
begrifflicher Explikation entzieht und daher nicht explizit abgefragt werden<br />
kann, verspricht hier die Dokumentarische Methode nach Ralf Bohnsack<br />
(ders. z.B. 1999). Sie steht im Zentrum des geplanten Beitrags, der ihr<br />
Potential für die Kommunikationswissenschaft aufzeigen möchte. Mit Hilfe<br />
der Dokumentarischen Methode lassen sich Bedeutungsgehalte rekonstruieren,<br />
die sich jenseits der bewußten Absicht der Akteure auf Basis ihres<br />
Habitus im Rezeptionsprozeß dokumentieren. Da diese Bedeutungsgehalte<br />
in den kollektiven Praktiken eines Milieus wurzeln, bedarf es eines<br />
Erhebungsverfahrens, das dieser kollektiven Ebene Rechnung trägt. Als<br />
adäquate Erhebungsmethode wird eine spezifische Art des Gruppendiskussionsverfahrens<br />
betrachtet, bei der „Realgruppen“ untersucht werden, d.h.<br />
Gruppen, die aufgrund eines gemeinsamen Erfahrungshintergrundes einen<br />
gemeinsamen Habitus haben. Der Gruppendiskurs kann dann als Produkt<br />
des Habitus (opus operatum) betrachtet werde, in dem sich seine spezifi-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 39
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
sche generative Formel (modus operandi) dokumentiert. Läßt man innerhalb<br />
einer Gruppendiskussion Rezeptionsprozesse ablaufen, so lassen sich<br />
in dokumentarischer Perspektive habitusspezifische Sinngehalte der Rezeption<br />
rekonstruieren. Diese Perspektive ist weniger auf das inhaltlichthematische<br />
„Was“ des Rezeptionsprozesses gerichtet, sondern mehr auf<br />
das „Wie“, d.h. die besondere Machart, die Art und Weise, den ‚Stil’ – e-<br />
ben den modus operandi der Rezeption. Die besondere Machart einer<br />
Praktik wird aber nur sichtbar, wenn man mehrerer Praktiken der gleichen<br />
Gattung (des gleichen ‚Was’), die von unterschiedlichen Habitus hervorgebracht<br />
wurden, miteinander vergleicht. Der komparativen Analyse thematisch<br />
gleicher Fälle kommt daher im Rahmen der Dokumentarischen Methode<br />
eine entscheidende Rolle zu. Präreflexive Sinngehalte, die sich begrifflichen<br />
kaum explizieren lassen, zeigen sich insbesondere an vorbegrifflichen<br />
Ausdrucksweisen wie z.B. tastenden, vagen, diffusen, metaphorischen<br />
Be- oder Umschreibungen, Erzählungen sowie in einer bildhaften<br />
und anspielungsreichen Sprache. Sie bieten Ansatzpunkte für die Rekonstruktion<br />
der Habitusdimension von Rezeptionsprozessen. Kollektive Bezüge<br />
werden nicht lediglich als intervenierende Variablen oder allgemeiner<br />
Kontext von Medienrezeption betrachtet, sondern als die primordiale Analyseebene.<br />
Im Mittelpunkt der Analyse steht daher nicht das einzelne<br />
Gruppenmitglied, sondern der von der Gruppe gemeinschaftlich geführte<br />
Diskurs in seiner spezifischen Organisation und Dramaturgie. Gleichwohl<br />
kommt es dabei nicht (wie bei Vertretern der Cultural Studies) zu einer<br />
„Beurlaubung des Akteurs“ (vgl. Bourdieu/Wacquant 1996, S. 28). Die<br />
kollektiven Sinngehalte einer Gruppendiskussion werden (nach der theoretischen<br />
Neuausrichtung, die Bohnsack dem Verfahren gegeben hat) nicht<br />
als situativ emergierend betrachtet. Vielmehr kommt den untersuchten<br />
Gruppen und ihren Sinnbildungen der Status von „Epi-Phänomenen“ zu, in<br />
denen sich die habitusspezifischen Orientierungsmuster eines umfassenderen<br />
Milieus repräsentieren (vgl. Bohnsack 2000, S. 371 ff.; Loos/Schäffer<br />
2000, S. 87 f.). Am Beispiel einer Untersuchung von Fotorezeptionsprozessen<br />
wird der Aufweis habitusspezifischer Sinnkonstruktionen mit<br />
dem Verfahren der Dokumentarischen Methode illustriert.<br />
Literatur<br />
Bohnsack, R. 1999: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und<br />
Praxis qualitativer Forschung, Opladen, 3. Auflage.<br />
Bohnsack, R. 2000: Gruppendiskussion, in: Flick, U./ Kardorff, E.v./ Steinke, I. (Hg.)<br />
2000: Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek, S. 369-384.<br />
Bourdieu, P. 1974: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt/M.<br />
Bourdieu, P. 1985: Sozialer Raum und „Klassen“, Frankfurt/M.<br />
Bourdieu, P. 1987: Die feinen Unterschiede, Frankfurt/M.<br />
Bourdieu, P. 1993: Sozialer Sinn, Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt/M.<br />
Bourdieu, P. 1999: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes,<br />
Frankfurt/M.<br />
Bourdieu, P./Wacquant, L. 1996: Reflexive Anthropologie, Frankfurt/M.<br />
Seite 40 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Loos, P./Schäffer, B. 2000: Das Gruppendiskussionsverfahren. Grundlagen und empirische<br />
Anwendungen, Opladen.<br />
Mannheim, K. 1980: Strukturen des Denkens, Frankfurt/M.<br />
Sinus 2002: Die Sinus-Milieus in Deutschland. Strategische Marketing- und Mediaplanung<br />
mit der Typologie der Wünsche Intermedia, Offenburg.<br />
Marcus Maurer, Carsten Reinemann, Mainz<br />
Evidenz oder Emotion – was ist überzeugender<br />
Ein Beitrag zur Integration quantitativer und qualitativer<br />
Rhetorikforschung am Beispiel des zweiten TV-Duells<br />
im Bundestagswahlkampf 2002<br />
1 Quantitative und qualitative Rhetorikforschung<br />
Das wohl älteste Problem der Kommunikationswissenschaft ist die Frage,<br />
mit welchen Mitteln ein Redner seine Zuhörer am ehesten überzeugen<br />
kann. Bei der Klärung dieser Frage sind eine ganze Reihe von Faktoren zu<br />
berücksichtigen. Dazu zählen Merkmale des Redners (z.B. seine Glaubwürdigkeit),<br />
Merkmale der Botschaft (z.B. einseitige vs. zweiseitige Argumentation),<br />
Merkmale des Kommunikationskanals (z.B. verbale vs. visuelle<br />
Kommunikationsmittel), Merkmale des Publikums (z.B. sein Interesse)<br />
usw. Ein im Zusammenhang mit den Merkmalen der Botschaft seit der<br />
Rhetorik des Aristoteles immer wieder diskutiertes Teilproblem ist die Frage,<br />
ob das Anführen von Fakten oder das Wecken von Emotionen wirksamer<br />
ist. Es geht mit anderen Worten darum, ob die Zuhörer eher durch<br />
Belege z.B. in Form von Statistiken überzeugt werden, oder ob sie eher<br />
auf emotionale Appelle – das Erregen von Furcht oder Mitleid, das Betonen<br />
von Gemeinsamkeiten zwischen Redner und Zuhörern – reagieren.<br />
Heute haben sich mehrere Forschungsrichtungen herausgebildet, die sich<br />
im Anschluss an die antike Rhetorik unter anderem mit dieser Frage befassen.<br />
Die lexikalisch-sprachwissenschaftliche Analyse (z.B. Grünert<br />
1974) und die qualitative Analyse von Diskursen (z.B. Meyer, Schicha &<br />
Brosda 2001) beschäftigen sich hierbei vor allem mit der Systematisierung<br />
der Argumentationsweisen – also mit Form und Inhalt von Reden oder<br />
Debatten. Hierfür stehen mittlerweile umfangreiche Argumentationskataloge<br />
zur Verfügung. Mit ihnen werden reale, tatsächlich gehaltene Reden<br />
oder Debatten, die tatsächlich stattgefunden haben, ex-post-facto analysiert<br />
(ebd.: 292 ff.). Wirkungsannahmen schwingen hier zwar häufig implizit<br />
mit, werden aber meist nicht geprüft. Demgegenüber beschäftigt<br />
sich die quantitative Persuasionsforschung (z.B. Hovland, Janis & Kelley<br />
1963; Petty & Cacioppo 1986) in der Regel mit den Wirkungen von Reden<br />
oder Debatten. Hierzu werden meist Experimente durchgeführt, in denen<br />
die Stimuli (z.B. Fakten vs. Emotionen) künstlich variiert werden. Die Argumentstrukturen<br />
in realen Reden oder Debatten sowie deren Wirkungen<br />
werden meist nicht untersucht, da es den Forschern primär um generali-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 41
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
sierbare Ergebnisse zur Wirkung einzelner, experimentell isolierter Faktoren<br />
geht.<br />
Beide Ansätze gehen folglich theoretisch von den Inhalten aus und fragen<br />
anschließend nach den Wirkungen, die sie auslösen. Rein quantitative Ansätze<br />
vernachlässigen dabei <strong>aller</strong>dings häufig die Analyse der Inhalte, weil<br />
komplexe Argumentstrukturen kaum mit quantitativen Inhaltsanalysen<br />
erfasst werden können. Entsprechend schwierig ist die Isolation der kausal<br />
für eine Wirkung verantwortlichen Merkmale der realen Botschaft. Rein<br />
qualitative Analysen vernachlässigen dagegen häufig die Wirkungen, weil<br />
es bei qualitativen Wirkungsanalysen – z.B. Gruppendiskussionen – fraglich<br />
ist, ob den Probanden tatsächlich bewusst ist, welche Argumente sie<br />
überzeugt haben, und ob sie sich überhaupt im Nachhinein noch an einzelne<br />
Argumente erinnern können.<br />
Die Analyse der Wirkungen von einzelnen Argumenten in realen Reden<br />
oder Debatten kann folglich am ehesten mit einer Kombination aus quantitativen<br />
Wirkungsanalysen und qualitativen Inhaltsanalysen gelingen. Wir<br />
haben deshalb für diese Untersuchung ein Modell entwickelt, dass die<br />
Stärken beider Forschungsrichtungen miteinander verbindet. Es kehrt die<br />
klassische Analyselogik um, indem es nicht von den Inhalten auf die Wirkungen<br />
schließt, sondern von den Wirkungen ausgeht und nach deren Ursachen<br />
fragt.<br />
2 Analysemodell und Methode<br />
Unsere Untersuchung verbindet eine Real-Time-Response-Messung (RTR),<br />
die die spontanen Reaktionen der Zuhörer oder Zuschauer während der<br />
Rezeption einer Rede oder Debatte erfasst, mit einer qualitativen Inhaltsanalyse<br />
der entscheidenden Stellen dieser Debatte. Unser Untersuchungsgegenstand<br />
ist das zweite TV-Duell zwischen Gerhard Schröder und Edmund<br />
Stoiber im Bundestagswahlkampf 2002. Um die kurzfristigen Reaktionen<br />
während des Duells zu messen, erhielten 75 Probanden, die das<br />
Duell live in einem Hörsaal auf einer Großbildleinwand verfolgten, je einen<br />
7-stufigen Drehregler. Die Teilnehmer wurden gebeten, ihren subjektiven<br />
Eindruck von der Debatte mithilfe der Geräte wiederzugeben. Der Skalenmittelpunkt<br />
vier wurde als neutraler Punkt definiert, den die Teilnehmer<br />
dann wählen sollten, wenn sie keinen besonders guten oder schlechten<br />
Eindruck von den Kandidaten hatten. Werte unter vier sollten dann gewählt<br />
werden, wenn die Teilnehmer einen guten Eindruck von Schröder<br />
oder einen schlechten Eindruck von Stoiber hatten. Werte über vier bedeuten<br />
dementsprechend einen guten Eindruck von Stoiber oder schlechten<br />
Eindruck von Schröder. Die Extrempositionen (1 und 7) waren für einen<br />
äußerst guten oder schlechten Eindruck reserviert. Auf präzisere Anweisungen<br />
wurde bewusst verzichtet, um das Untersuchungsziel – die<br />
Messung subjektiver Wahrnehmungen – nicht zu gefährden. Die Messungen<br />
erfolgten kontinuierlich etwa alle 1,5 Sekunden – also auch dann,<br />
wenn die Befragten nicht schalteten. Für jeden Befragten liegen folglich<br />
etwa 3600 Messwerte vor.<br />
Seite 42 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Weil die Reaktionen der Zuschauer auf die Kandidaten sekundengenau erfasst<br />
wurden, kann man sie zuverlässig auf einzelne Aussagen der Kandidaten<br />
im Duell zurückführen. Aufgrund der empirisch gewonnen Daten<br />
lassen sich folglich im Nachhinein diejenigen Aussagen identifizieren, die<br />
die breite Mehrheit der Zuschauer überzeugt haben. Diese Aussagen können<br />
anschließend mithilfe eines qualitativen Kategorienschemas klassifiziert<br />
werden. Da die Textmenge durch das Vorschalten der quantitativen<br />
Wirkungsanalyse bereits erheblich reduziert ist, kann das Klassifizierungsschema<br />
sehr detailliert sein. Weil es uns hier um den methodischen Aspekt<br />
geht, wollen wir dennoch nur grob zwischen rationalen Argumenten<br />
(identifiziert über das Zitieren von Statistiken oder Autoritäten, Bilanzen<br />
eigenen Handelns etc.) und emotionalen Appellen (Humor, Pathos,<br />
Furchtappelle etc.) unterscheiden. Als Vergleichsgröße wollen wir Aussagen<br />
heranziehen, die die Zuschauer insgesamt nicht sonderlich beeindruckt<br />
haben. Interessant sind in diesem Zusammenhang vor allem Argumente,<br />
die nur die Anhänger des jeweiligen Redners überzeugt haben,<br />
während seine Gegner ablehnend reagierten. Ob es sich um Anhänger o-<br />
der Gegner eines Politikers handelt, haben wir vor Beginn des Duells in<br />
einer kurzen Befragung erhoben. Die Frage lautete: „Haben sie – alles in<br />
allem – eher eine gute oder eher eine schlechte Meinung von Gerhard<br />
Schröder (Edmund Stoiber)“.<br />
3 Ergebnisse<br />
Betrachtet man die Aussagen, mit denen die Kandidaten die breite Mehrheit<br />
der Zuschauer auf ihre Seite gebracht haben, zeigt sich, dass es sich<br />
fast immer um emotionale Appelle handelte („in einer Frage, die durchaus<br />
von existenzieller Natur ist, nämlich die Frage von Krieg und Frieden“;<br />
„und wie gesagt, das hat sehr, sehr mit meiner eigenen Biografie zu tun“).<br />
Bei den Aussagen, die das Publikum polarisiert haben, handelte es sich<br />
dagegen fast immer um rationale Argumente („das ist das 52. Gutachten<br />
gewesen“; „und zwar in einer Weise, die dreimal so hoch ist, wie in den<br />
übrigen Bundesländern“). Dies galt für beide Redner gleichermaßen. Stoiber<br />
benutzte <strong>aller</strong>dings deutlich häufiger rationale Argumente als Schröder.<br />
Er brachte die Zuschauer während der Debatte folglich deutlich seltener<br />
hinter sich und wurde von den meisten Probanden nach der Debatte<br />
als Verlierer des Duells bezeichnet.<br />
Aus methodischer Sicht besteht der Vorteil unseres Analysemodells darin,<br />
dass die Wirkungen einzelner Argumente spontan erfasst und nicht in späteren<br />
Analysen erfragt werden müssen. Weil man die Inhaltsanalyse auf<br />
die Argumente konzentrieren kann, die sich als wirksam herausgestellt<br />
haben, kann man eine detaillierte Klassifikation der Inhalte vornehmen,<br />
obwohl die ursprüngliche Textmenge relativ groß ist. Die qualitative Inhaltsanalyse<br />
von Argumenten, die in quantitativen RTR-Messungen als<br />
entscheidend für den Ausgang einer Debatte identifiziert wurden, leistet<br />
folglich einen erheblichen Beitrag zur modernen Rhetorikforschung.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 43
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Gabriela Christmann, Olaf Jandura, Dresden<br />
Lokale Medien und städtische Identität<br />
am Beispiel von Dresden. Eine Kombination<br />
von qualitativer und quantitativer Methodik<br />
Um es gleich vorweg zu sagen, die Methodenkombination zum Thema<br />
„Lokale Medien und städtische Identität am Beispiel von Dresden“ war<br />
nicht von vornherein geplant. Zunächst ist die qualitative Untersuchung<br />
als eigenständige Arbeit durchgeführt worden, die übrigens schon eine<br />
Kombination verschiedener qualitativer Methoden praktizierte. Im Nachhinein<br />
entstand der Wunsch, zentrale Ergebnisse, die die Studie im Hinblick<br />
auf die städtische Identität erbrachte, auf den Prüfstand einer quantitativ<br />
ausgerichteten, repräsentativen Umfrage zu stellen. Hierfür bot eine von<br />
Dritten in Auftrag gegebene quantitative Umfrage Gelegenheit, die so viel<br />
Spielraum ließ, dass sie sich auf Ergebnisse der qualitativen Studien ausrichten<br />
konnte.<br />
Das von uns praktizierte Verfahren ist somit ein Beispiel dafür, wie durch<br />
eine zufällige Konstellation in flexibler Weise Synergien genutzt werden<br />
können. Vor allem aber ist die Vorgehensweise ein Beispiel für eine Methodenkombination,<br />
die eine gegenseitige Ergänzung des qualitativen und<br />
des quantitativen Teils im Auge hat: Der Nutzen für die qualitativ angelegte<br />
Arbeit bestand darin, dass sie nunmehr nicht nur Facetten der städtischer<br />
Identität aufzählen, sondern dass sie mit Häufigkeiten bzw. mit Verteilungen<br />
dieser Facetten argumentieren kann. Die quantitative Studie<br />
profitierte davon, dass sie bei ihrem primären Ziel, die lokale Mediennutzung<br />
zu eruieren, auf der Basis der qualitativen Untersuchung Fragen zum<br />
Stadtbezug der Bewohner einbauen konnte, die sich im Rahmen der qualitativen<br />
Studie als wichtige Kernpunkte herauskristallisierten, somit das<br />
Interesse der Befragten garantiert weckten und zur Beantwortung der<br />
Fragen zur Mediennutzung motivierten.<br />
Die qualitative Studie ging auf der Basis des Sozialkonstruktivismus’ von<br />
Berger/Luckmann und des Diskurs-Konzepts von Foucault davon aus, dass<br />
städtische Identität historisch in kommunikativen Prozessen, und zwar in<br />
stadtbezogenen Diskursen innerhalb der Lokalkommunikation entstanden<br />
ist. Kommunikate der Lokalmedien und von öffentlichen Veranstaltungen<br />
werden als zentrale Elemente des stadtbezogenen öffentlichen Diskurses<br />
aufgefasst. Sie haben - so die Annahme - eine wichtige Funktion bei der<br />
kommunikativen Konstruktion von städtischer Identität.<br />
Vor diesem Hintergrund leitet sich das diskursanalytische Forschungsprogramm<br />
ab. Die erste Frage lautet, welche Wirklichkeitsdeutungen ausgewählte<br />
Lokalmedien (Dresden-Literatur, Dresdner Lokalpresse, Dresden-<br />
Videos) und auch öffentliche Veranstaltungen (Führungen, Vorträge, Podiumsdiskussionen)<br />
von der Stadt enthalten und wie sich diese im Laufe der<br />
Geschichte verändert haben. Die zweite Frage lautet, welche Wirklichkeitsdeutungen<br />
Stadtbürger im Hinblick auf ihre Stadt formulieren und in<br />
welchem Bezug sie sich zur Stadt sehen. Vor diesem Hintergrund wird,<br />
Seite 44 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
drittens, verglichen, inwiefern sich die kommunikativ vermittelten Wirklichkeitsdeutungen<br />
im Bewusstsein von Stadtbürgern niedergeschlagen<br />
haben. Im Rahmen unseres Vortrags werden wir uns vorzugsweise mit der<br />
zweiten Fragestellung beschäftigen.<br />
Die qualitative Untersuchung ist unter wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten<br />
dem sozialphänomenologischen Ansatz von Alfred Schütz<br />
verpflichtet. Es geht darum, die im Datenmaterial enthaltenen ‘Konstruktionen<br />
erster Ordnung’ herauszuarbeiten und zu beschreiben, um darauf<br />
aufbauend ‘Konstruktionen zweiter Ordnung’ zu entwickeln. Die Untersuchung<br />
folgte ‚ethnographischen Arbeitsprinzipien’. Sie ist ‚ethnographisch<br />
inspiriert’, keinesfalls aber eine ‚Ethnographie’ im ‚klassischen’ Sinne. Im<br />
Rahmen der Datenerhebung sind neben der Beobachtung und Tonaufzeichnung<br />
von öffentlichen Veranstaltungen qualitative Interviews mit<br />
Stadtbürgern geführt worden. Konkret handelte es sich um ethnographische<br />
und problemzentrierte Interviews. Die aufgezeichneten öffentlichen<br />
Veranstaltungen und Interviews wurden in Anlehnung an das konversationsanalytische<br />
Transkriptionssystem in einem ‚geringen Feinheitsgrad’<br />
verschriftlicht. Von den Dresden-Videos sind Einstellungsprotokolle und<br />
(für die bessere Übersicht) zusätzlich Sequenzprotokolle angefertigt worden,<br />
die mittels einer hermeneutischen Filmanalyse und der Grounded-<br />
Theory-Analyse untersucht worden sind. Die Analyse der Dresden-<br />
Literatur, der Dresdner Lokalpresse, der öffentlichen Veranstaltungen und<br />
der Interviews erfolgte zunächst mittels des Verfahrens der Grounded<br />
Theory-Analyse. Für ‚feinere’ Datenanalysen, die an ausgewählten Texten<br />
der verschiedenen Datenarten erfolgten, kam die sozialwissenschaftliche<br />
Hermeneutik zum Einsatz. Die Erfahrungen, die sich aus dieser qualitativen<br />
Methodenkombination ergaben, sollen im Vortrag nur sehr kurz skizziert<br />
werden, weil der Schwerpunkt des Beitrages auf der qualitativen und<br />
quantitativen Methodenkombination liegen soll.<br />
Als quantitative Studie wurde eine repräsentative telefonische Befragung<br />
unter 509 Dresdnern und Dresdnerinnen durchgeführt, die im Mai dieses<br />
Jahres stattfand. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung lag auf der Erfassung<br />
der Nutzung der lokalen Medien aber auch der genutzten Inhalte.<br />
Ergänzt wurde die Studie durch Fragen zum Stadtbezug, zur Lebensqualität<br />
und zur Nutzung der Kunst- und Kulturangebote in der Stadt. Die Indikatoren<br />
für die eben erwähnten Konstrukte wurden aus der qualitativen<br />
Vorstudie abgeleitet, um im nachhinein vergleichen zu können, inwieweit<br />
sich die Muster der lokalen Verbundenheit mit der Stadt Dresden, die in<br />
der qualitativen Studie zu Tage traten, wiederfinden lassen oder nicht.<br />
Wie schon gesagt, sollen in unserem Beitrag schwerpunktmäßig die Erfahrungen<br />
diskutiert werden, die wir mit der Kombination von qualitativer<br />
und quantitativer Methodik gemacht haben.<br />
Es zeigte sich, so viel soll vorweggenommen werden, dass ein Großteil der<br />
Ergebnisse aus der quantitativen Studie mit jenen aus der qualitativen<br />
kongruierten. Genauer gesagt: Die nicht-repräsentativen ‘Verteilungen’ im<br />
kleinen Sample der qualitativen Studie lagen im Rahmen jener Verteilun-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 45
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
gen, die sich aus der quantitativen Studie ergaben und erwiesen sich ü-<br />
berraschenderweise im Nachhinein gewissermaßen als ‚deckungsgleich’.<br />
Allerdings sind die Vergleichspunkte nur sehr reduziert, denn die qualitative<br />
Studie lebte ja von Eigenthematisierungen der Befragten, nicht von<br />
standardisierten Items. Zudem erhob die qualitative Studie naturgemäß<br />
keine Ausprägungsintensitäten (sehr stark, eher stark, eher nicht stark,<br />
überhaupt nicht stark). Hier ergeben sich nach unseren Erfahrungen schon<br />
erste Probleme bei der Vergleichbarkeit von quantitativen und qualitativen<br />
Daten, die jedoch durch eine Extremgruppenanalyse im Rahmen der Datenauswertung<br />
der quantitativ erhobenen Daten aufweichen.<br />
An zwei Stellen gab es außerdem auch deutliche Abweichungen in den Ergebnissen.<br />
Zum einen gaben die befragten Personen der qualitativen Studie<br />
eine stärkere Nutzung des Kulturangebots an als die der standardisierten<br />
Befragung. Zum anderen führten die beiden Studien bei einer Frage<br />
sogar zu einem widersprüchlichen Ergebnis. Dort ging es um das Verhältnis,<br />
das die Befragten hinsichtlich ihrer Verbundenheit zur Gesamtstadt<br />
Dresden einerseits und zum Stadtteil andererseits äußerten. Die Befragten<br />
der qualitativen Studie gaben in der Mehrheit an, dass sie sich stärker mit<br />
der Gesamtstadt verbunden fühlen. Sie fühlten sich zwar auch mehr oder<br />
weniger stark mit dem Stadtviertel verbunden, setzten dieses aber nach<br />
der Gesamtstadt an zweite Stelle. Die Befragten der quantitativen Studie<br />
räumten hingegen eindeutig dem Stadtteil Priorität ein. Es wäre zu einfach,<br />
dieses Phänomen mit der geringen Fallzahl der qualitativen Studie zu<br />
erklären. Wir vermuten vielmehr, dass die unterschiedlichen Ergebnisse<br />
auf der Basis der verschiedenen Instrumente und der damit verbundenen<br />
Befragungssituation zu sehen sind. Dies soll im Vortrag ausführlich erläutert<br />
werden.<br />
Es zeigt sich also, dass die Kombination von qualitativer und quantitativer<br />
Methodik Probleme aufwerfen kann. Um es noch schärfer zu formulieren:<br />
Es scheint, als ob beide Methodiken aufgrund ihrer jeweiligen Instrumente<br />
auch ‘Konstrukte’ produzieren können, die den jeweils spezifischen Kontextualisierungen<br />
geschuldet sind.<br />
Ruth Jäger, Dresden<br />
Integration von Ergebnissen. Konzeptuelle Überlegungen<br />
illustriert an einem Praxisbeispiel<br />
Der Vortrag leistet einen Beitrag zu den folgenden im „Call for Papers“<br />
aufgeworfenen Fragestellungen: Welche Kombinationen von qualitativer<br />
und quantitativer Forschung werden in der Forschungspraxis angewendet<br />
und wie verhalten sich die Ergebnisse zueinander Eingebettet sollen diese<br />
Darstellungen in konzeptuelle Überlegungen zu einer dimensionierten Beschreibung<br />
von qualitativen und quantitativen Methoden werden.<br />
Seite 46 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Traditionell werden qualitative und quantitative Forschung als zwei unterschiedliche<br />
Herangehensweisen an den Forschungsgegenstand definiert.<br />
Bei der qualitativen Forschung wird zumeist der offene und kommunikative<br />
Charakter der Datenerhebung thematisiert (Lamnek, 1995, Mayring,<br />
2002). Andere Definitionen benennen abgrenzende Charakteristika von<br />
Erhebung und Auswertung in einem Atemzug (Bortz & Döring, 2002).<br />
Cropley (2002) stellt die dahinter liegende Dichotomie differenziert nach<br />
Dimensionen dar und benennt sie pointiert „Merkmale stereotyp quantitativer<br />
und qualitativer Ansätze“ (S. 25).<br />
Fruchtbare Begegnungsmöglichkeiten, die beiden Seiten dieser dichotom<br />
beschriebenen Forschungsmedaille einbeziehen, systematisieren Kelle und<br />
Erzberger (1999, 2000). Sie unterscheiden dabei Methoden- und Ergebnisintegration<br />
und favorisieren die letztere, d.h. die Integration der Ergebnisse<br />
von Untersuchungen mit verschiedenen methodischen Erhebungszugängen.<br />
Als mögliche inhaltliche Ausgänge einer solchen Ergebnisintegration<br />
werden Konvergenz, Komplementarität und Divergenz beschrieben.<br />
Jeder dieser Ausgänge ist auf je eigene Weise fruchtbar für den weiteren<br />
Forschungs- und Erkenntnisprozess. Voraussetzung für die dargestellte Art<br />
der Ergebnisintegration ist, dass zu einem Forschungsgegenstand verschiedene<br />
methodische Zugänge gewählt wurden.<br />
Dieses Vorgehen soll hier als Kombination verschiedener Zugänge auf der<br />
Erhebungsebene bezeichnet werden. Integrationsbasis sind dabei die Ergebnisse<br />
zweier oder mehrer Studien, die sich bei der Erhebung im Grad<br />
ihrer Offenheit unterscheiden. Verallgemeinernd kann gesagt werden: Auf<br />
der Erhebungsebene unterscheiden sich Methoden hinsichtlich der Dimension<br />
Offenheit. Diese ist als Kontinuum zu denken und spannt sich zwischen<br />
den Polen Standardisierung und Offenheit auf. Standardisierung ist<br />
dabei eher mit quantitativ und Offenheit eher mit qualitativ assoziiert. Zur<br />
Illustration für dieses Vorgehen soll die Integration von Ergebnisse aus<br />
einer Arbeit zu Konnotationen der Begriffe Standard und Abweichung (Jäger<br />
& Melzer, im Druck) berichtet werden. Zur Erhebung der Konnotationen<br />
wurden zum einen ein Semantisches Differenzial und zum anderen ein<br />
Satzergänzungsbogen eingesetzt. Als Auswertungsmethoden für das semantische<br />
Differenzial wurde die Faktorenanalyse, für den Satzergänzungsbogen<br />
die induktive Kategorienbildung (Mayring, 2003) gewählt.<br />
Eine nach Meinung der Autorin im Focus der Diskussion um qualitative und<br />
quantitative Methoden bisher nicht integrativ betrachtete Ebene ist die<br />
Ebene der Auswertung. Bortz und Döring (2002) setzen auf der Auswertungsebene<br />
quantitative Forschung mit Statistik und qualitativ Forschung<br />
mit interpretativen Techniken gleich. Heißt das, die Statistik ist frei von<br />
Interpretation Sicherlich nicht, aber der Ort der Interpretation im Forschungsprozess<br />
liegt inhaltlich gut versteckt u. a. in der Operationalisierung<br />
der Konstrukte und in den Annahmen der Sinnhaftigkeit von Skalenqualität<br />
und Verteilungseigenschaften numerischer Daten. Warum aber<br />
diese Skalenniveaudiskussion nicht ausweiten und als Spezialfall hineinholen<br />
in eine umfassendere - über die Grenze von qualitativen und quantita-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 47
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
tiven Methoden hinweggehende - Beschreibung Vielleicht wird es dann<br />
auch möglich in Analogie zu Kelle und Erzberger (1999, 2000) verschieden<br />
inhaltliche Ausgänge bei der Integration von Ergebnissen unterschiedlicher<br />
methodischer Auswertungszugänge zu unterscheiden. Theoretisch stehen<br />
auch hier die drei Ausgänge von Konvergenz, Komplementarität und Divergenz<br />
zur Verfügung. Voraussetzung für diese Art der Ergebnisintegration<br />
ist, dass zu einem Datensatz verschiedene methodische Auswertungszugänge<br />
gewählt wurden.<br />
Dieses dargestellte Vorgehen soll als Kombination verschiedener Zugänge<br />
auf der Auswertungsebene bezeichnet werden. Integrationsbasis sind dabei<br />
die Ergebnisse zweier oder mehrer Auswertungen des gleichen Datensatzes,<br />
die sich in der Auswertung im Grad ihrer Setzungsfreiheit unterscheiden.<br />
Verallgemeinernd kann gesagt werden: Auf der Auswertungsebene<br />
unterscheiden sich Methoden hinsichtlich der Dimension Setzungsfreiheit.<br />
Diese ist wiederum als Kontinuum zu denken und spannt sich zwischen<br />
den Polen Skalenannahme und Setzungsfreiheit auf. Skalenannahme<br />
ist dabei eher mit quantitativ und Setzungsfreiheit eher mit qualitativ<br />
assoziiert. Zur Illustration für dieses Vorgehen soll die Integration von Ergebnissen<br />
berichtet werden, die im Zusammenhang mit der Arbeit zu<br />
Konnotationen der Begriffe Standard und Abweichung (Jäger & Melzer, im<br />
Druck) erhoben wurden. Basis ist der Datensatz des Semantischen Differenzials.<br />
Das Ergebnis einer formalen Begriffsanalyse (Ganter & Wille,<br />
1999) wird mit dem Ergebnis der Faktorenanalyse verglichen.<br />
Literatur<br />
Bortz, J. & Döring, N. (2002). Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin; Heidelberg:<br />
Springer.<br />
Cropley; A.J. (2002). Qualitative Forschungsmethoden. Eine praxisnahe Einführung.<br />
Eschborn: Verlag Dietmar Klotz.<br />
Ganter, B. & Wille, R. (1999). Formal concept analysis. mathematical foundations. Berlin;<br />
Heidelberg: Springer.<br />
Jäger, R. & Melzer; M. (im Druck). Konnotationen von Standard und Abweichung. Ergebnisse<br />
zweier empirischer Studien. In Käthe und Clara (Hrsg.), Standard:Abweichung.<br />
Dokumentation 29. Kongress von FiNuT 29.Mai – 1. Juni 2003 in<br />
Berlin. Darmstadt: FiT - Verlag.<br />
Kelle, U. & Erzberger, Ch. (1999). Integration qualitativer und quantitativer Methoden:<br />
methodologische Modelle und ihre Bedeutung für die Forschungspraxis. Kölner Zeitschrift<br />
für Soziologie und Sozialpsychologie, 51, S. 509 - 531.<br />
Kelle, U. & Erzberger, Ch. (2000). Qualitative und quantitative Methoden - kein Gegensatz.<br />
In Flick, U., Kardorff, E. von, & Steinke, I. (Hrg.), Qualitative Sozialforschung.<br />
Ein Handbuch (S. 299 - 309). Reinbek: Rowohlt.<br />
Lamnek. S. (1995). Qualitative Forschung. Weinheim: Beltz.<br />
Mayring, Ph. (2002). Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz.<br />
Mayring, Ph. (2003). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim;<br />
Basel: Beltz.<br />
Seite 48 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Jörg Matthes, Jena<br />
Die Verknüpfung von qualitativen und quantitativen<br />
Methoden im Prozess der Skalenkonstruktion<br />
1 Einleitung<br />
Die Begriffe „qualitativ“ und „quantitativ“ sind im Wortschatz eines empirischen<br />
Sozialwissen-schaftlers eine Selbstverständlichkeit. Bei näherem<br />
Hinsehen werden beide Begriffe <strong>aller</strong>-dings in einem recht breiten Kontext<br />
verwendet: so für die Bezeichnung von Paradigmen, Daten, Methoden und<br />
Auswertungsverfahren. Meist ist aber nicht klar, was genau gemeint ist:<br />
„es [ist] bisher nicht eindeutig gelungen, qualitative und quantitative Analyse<br />
definitorisch klar abzugrenzen“ (Mayring 2001: 2). In der methodischen<br />
Literatur wird verstärkt für eine sinnvolle Kombination von qualitativen<br />
und quantitativen Methoden plädiert (vgl. etwa Brewer/Hunter 1989;<br />
Punch 1998; Tashakkori/Teddlie 1998). Die Vertreter dieser Richtung –<br />
auch mixed-method-Forschung genannt – argumentieren u. a., dass sich<br />
die Elemente beider Methoden nicht eindeutig trennen lassen (House<br />
1994: 17). Weiterhin ist nie eine Herangehensweise der anderen vollkommen<br />
überlegen. Vielmehr hängt die Wahl der Methode vom jeweiligen<br />
Untersuchungsgegenstand und nicht von paradigmatischen Positionen ab<br />
(Punch 1998: 241).<br />
Dieser Beitrag greift die Diskussion um die Definition, Relevanz und Verknüpfung<br />
von qualitativer und quantitativer Forschung auf. Im Mittelpunkt<br />
stehen hierbei Erfahrungen, die bei der sozialwissenschaftlichen Skalenkonstruktion<br />
gesammelt werden konnten (Matthes/Kohring 2003; vgl. a-<br />
ber auch Suckfüll/Matthes/Markert 2002). Nach einer Begriffsklärung von<br />
qualitativer und quantitativer Forschung werden zunächst verschiedene<br />
Möglichkeiten der Methodenkombination vorgestellt und in einer Typologie<br />
von mixed-method-designs systematisiert. Anschließend wird das gängige<br />
Vorgehen bei der Skalenkonstruktion rekapituliert und in die Typologie<br />
eingeordnet. Wie zu zeigen sein wird, findet eine Verknüpfung von qualitativer<br />
und quantitativer Forschung im gesamten Prozess der Skalenkonstruktion<br />
statt, also von der Hypothesenformulierung über die Datensammlung<br />
bis zur Datenauswertung. Ein weiterer Schwerpunkt des Beitrages<br />
ist das Zusammenspiel von explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalyse.<br />
Die aufgegriffenen Überlegungen werden an der Entwicklung<br />
einer Skala zur Erfassung von Vertrauen in Journalismus demonstriert.<br />
2 Typen von Methodenkombinationen<br />
In der Literatur zu mixed-method-designs wurde eine Vielzahl von Verknüpfungsvorschlägen<br />
erarbeitet. Den elaboriertesten Systematisierungsansatz<br />
haben Tashakkori und Teddlie (1998) vorgelegt. Die Autoren unterscheiden<br />
zunächst zwischen mixed-method und mixed-model Studien:<br />
Bei ersteren werden nur die Methoden selbst verknüpft (z. B. narratives<br />
Interview und standardisierte Befragung), bei letzteren kann die Verknüpfung<br />
sowohl auf mehreren Ebenen innerhalb einer Datenerhebung als<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 49
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
auch zwischen und innerhalb von zwei Datenerhebungen erfolgen: „To mix<br />
methods only is too limiting; the qualitative-quantitative distinction cuts<br />
across more than ‚method’“ (ebd.: 52). Die Begriffe qualitativ und quantitativ<br />
werden also bei Tashakkori und Teddlie (1998) nicht nur auf die Methode<br />
bezogen, sondern auf den gesamten Forschungsprozess. Legt man<br />
die von Tashakkori und Teddlie (1998) entwickelte Typologie der bisherigen<br />
Forschungspraxis zur Skalenkonstruktion zu Grunde, so lassen sich<br />
die meisten Arbeiten sicherlich dem von den Autoren postulierten Typus<br />
„sequentielle Studien mit ungleichem Status“ zuordnen. Der qualitative<br />
Zugang spielt bei diesem Vorgehen eine untergeordnete Rolle, da er ausschließlich<br />
als Ideenquelle betrachtet wird und nur einen „ersten Einblick<br />
über die dem Konstrukt möglicherweise zugrunde liegende Faktorenstruktur“<br />
(Homburg/Giering 1998: 127) gewährleistet. In qualitativen Vorstudien<br />
werden zumeist lediglich Fragebogenitems entwickelt. Die Studien<br />
werden nicht weiter ausgewertet bzw. nicht quantifiziert. In diesem Beitrag<br />
wird zunächst grundsätzlich die Auffassung vertreten, dass die sozialwissenschaftliche<br />
Skalenkonstruktion immer von einer Verknüpfung beider<br />
Methoden profitieren kann. Allerdings sollte dies über ein einfaches<br />
Stufenmodell hinausgehen, in dem qualitative Verfahren schlicht als Pretest<br />
zum Einsatz kommen. Wenn man nämlich die Verknüpfung lediglich<br />
als sequentielle Studie mit ungleichem Status verortet, beschränkt und<br />
übersieht man vor allem die Vorteile der qualitativen Methoden für den<br />
gesamten Prozess der Skalenkonstruktion.<br />
3 Verknüpfungsmöglichkeiten im Prozess der Skalenentwicklung<br />
Für die Skalenkonstruktion wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen: Nach<br />
einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Konstrukt werden qualitative<br />
Interviews durchgeführt, in denen offene Fragen gestellt und inhaltsanalytisch<br />
ausgewertet werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung<br />
fließen in eine darauf folgende quantitative Befragung ein. Es handelt sich<br />
demnach um ein Design mit zwei Datenerhebungen, wobei – wie zu zeigen<br />
sein wird – aber jede einzelne Datenerhebung schon qualitative oder<br />
quantitative Phasen aufweisen kann: Gemäß der Typologie von Tashakkorie<br />
und Teddlie (1998) kann eine Verknüpfung von qualitativer und quantitativer<br />
Forschung nicht nur zwischen zwei Datenerhebungen erfolgen (mixed<br />
method), die global als „qualitativ“ bzw. „quantitativ“ bezeichnet werden,<br />
sondern auch innerhalb einer Datenerhebung (monostrand mixed<br />
model). Im folgenden soll gezeigt werden, wie sich die Charakteristika<br />
qualitativer und quantitativer Forschung durch den gesamten Prozess der<br />
Skalenkonstruktion ziehen.<br />
(1) Theoretisches Konzept/Fragestellung<br />
Der erste Schritt im Prozess der Skalenkonstruktion ist die ausführliche<br />
Auseinandersetzung mit der theoretischen Konzeption des Konstruktes. Je<br />
nach Entwicklungsstand ergeben sich dann Hypothesen und/oder Fragestellungen.<br />
Das deduktive Hypothesentesten wird zumeist der quantitativen<br />
Forschung und die induktive Hypothesenentwicklung der qualitativen<br />
Forschung zugeschrieben. Einige Forscher (z. B. Lincoln/Cuba 1985) hal-<br />
Seite 50 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
ten ein konfirmatorisches Vorgehen für die qualitative Forschung sogar für<br />
ungeeignet. Meinefeld (2000: 274) sieht in dieser Auffassung eine „erkenntnistheoretisch<br />
nicht haltbare Festlegung [...], die zudem die Einsatzmöglichkeiten<br />
qualitativer Forschung begrenzt.“ Auch hier wird postuliert,<br />
dass selbst mit qualitativen Daten Hypothesen getestet werden können:<br />
“Both types of data can be productive for descriptive, reconnoitering,<br />
exploratory, inductive, opening up purposes. And both can be productive<br />
for explanatory, confirmatory, hypothesis-testing purposes.” (Miles/Huberman<br />
1994: 42; vgl. auch Meinefeld 2000: 270f; Punch 1998: 240). Zu<br />
Beginn einer standardisierten Befragung überwiegen dann zwar die abgeleiteten<br />
Hypothesen. Allerdings können auch hier explorative Fragestellungen<br />
durch die Daten gewonnen werden. Nur in den seltensten Fällen<br />
wird man ein ausschließlich konfirmatorisches oder exploratives Konzept<br />
verfolgen.<br />
(2) Datenerhebung<br />
Bei den Interviews erfolgt eine Methodenkombination schon dann, wenn<br />
die qualitativen Daten quantifiziert werden, so dass eine statistische Auswertung<br />
möglich ist (Fromm 1990: 477). Diesen Vorgang nennen<br />
Tashakkori und Teddlie (1998: 126) „quantitizing“. Auf der anderen Seite<br />
ist das „qualitizing“ ein Prozess, in dem quantitative/numerische Daten in<br />
qualitative/verbale Daten transformiert werden. Hier werden<br />
Informationen zu den numerischen Daten hinzugefügt, „die die extrem<br />
reduzierte numerische Information verstehbar und wieder auf alltägliche<br />
Lebenszusammenhänge beziehbar machen“ (Fromm 1990: 477).<br />
(3) Auswertung<br />
Für die Auswertung der qualitativen Interviews wird ein inhaltsanalytisches<br />
Vorgehen empfohlen (Quantifizierung qualitativer Daten). Die Auswertung<br />
der standardisierten Befragung erfolgt zumeist mit der explorativen<br />
(EFA) und konfirmatorischen Faktorenanalyse (KFA). In der Aufdeckung<br />
noch nicht bekannter Strukturen liegt die Stärke der EFA. Bei der<br />
KFA hingegen werden – vereinfacht ausgedrückt – „kausale“ Beziehungen<br />
zwischen latenten und manifesten Variablen überprüft. Im Gegensatz zur<br />
EFA, bei der jedes Item auf jedem Faktor frei laden kann, wird bei der KFA<br />
ein Messmodell spezifiziert, das die jeweiligen Indikatoren einzelnen Faktoren<br />
zuordnet. Der Beitrag greift an dieser Stelle die methodische Diskussion<br />
um die Abfolge und Angemessenheit beider Auswertungsverfahren<br />
auf (vgl. Hurley et al. 1997). In dieser Diskussion wird u. a. die Brauchbarkeit<br />
der EFA angezweifelt oder zumindest eingeschränkt, da die KFA als<br />
“unumstritten überlegen“ gilt (Homburg/Giering 1998: 121). Hier wird a-<br />
ber argumentiert, die Stärken beider Verfahren im Prozess der Skalenkonstruktion<br />
sinnvoll zu verbinden, da mit Gerbing und Hamilton (1996: 63)<br />
Skalenentwicklung immer als ein „interplay of theory and data“ begriffen<br />
werden kann. Durch die Einführung der KFA sollte keineswegs die Brauchbarkeit<br />
der EFA geschmälert werden. Bei der EFA erfolgt durchaus ein<br />
nützliches “qualitatives” Vorgehen (Qualitativieren quantitativer Daten):<br />
„although the data are in numerical form and statistics are used as an<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 51
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
analytical tool, it can be argued that the process involved is largely qualitative.”<br />
(Bazeley 2003: 407) So betont auch Fromm (1990: 477), dass die<br />
bei der EFA „aufgewandte Kreativität und Intuition wohl kaum zu überschätzen“<br />
ist. Selbst wenn ausschließlich eine KFA zum Einsatz kommt,<br />
wird dann doch zumeist verdeckt explorativ modifiziert (MacCallum/Roznowski/Necowitz<br />
1992).<br />
4 Ein empirisches kommunikationswissenschaftliches Beispiel<br />
Abschließend werden die Überlegungen an der Entwicklung einer Skala zur<br />
Erfassung von Vertrauen in Journalismus demonstriert (vgl. Matthes/Kohring<br />
2003): Zunächst wurden in einer qualitativen Studie Interviews<br />
durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Hierbei konnten schon<br />
erste grundlegende Hypothesen geprüft werden. Diese Studie mündete<br />
wiederum in eine quantitative standardisierte Befragung, die sich sowohl<br />
einer EFA als auch einer KFA bediente. Hier wird gezeigt, wie wichtig die<br />
EFA als induktives Verfahren sein kann und wie die Verknüpfung mit einer<br />
KFA erfolgt. Es wird deutlich, dass sich eine klare Trennung von „qualitativen“<br />
und „quantitativen“ Methoden nicht ziehen lässt. Schließlich werden<br />
die Ergebnisse sowie der weitere Entwicklungsverlauf der Skala kurz skizziert.<br />
Literatur<br />
Bazeley, P. (2003): Computerized data analysis for mixed methods research. In: Tashakkori,<br />
A./ Teddlie, C. (Hrsg.): Handbook of mixed methods in social & behavoiral research.Thousand<br />
Oaks, S. 385-422.<br />
Brewer, J./ Hunter, A. (1989): Multimethod Research: A synthesis of styles. Newbury<br />
Park.<br />
Fromm, M. (1990): Zur Verbindung quantitativer und qualitativer Methoden. In: Pädagogische<br />
Rundschau, 44. Jg., S. 469-481.<br />
Gerbing, D. W./ Hamilton, J. G. (1996): Viability of exploratory factor analysis as a precursor<br />
to confirmatory factor analysis. In: Structural Equation Modeling, 3. Jg., Nr. 1,<br />
S. 62-72.<br />
Homburg, C./ Giering, A. (1998): Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer<br />
Konstrukte – Ein Leitfaden für die Marketingforschung. In: Hildebrandt, L./ Homburg,<br />
C. (Hrsg.): Die Kausalanalyse. Ein Instrument der betriebswirtschaftlichen empirischen<br />
Forschung. Stuttgart, S. 111-146.<br />
House, E. R. (1994): Integrating the quantitative and the qualitative. In: Reichardt,<br />
Charles S./ Rallis, Sharon F. (Hrsg.): The qualitative-quantitative debate: new perspectives.<br />
San Francisco, S. 13-22.<br />
Hurley, A. E./ Scandura, T. A./ Schriesheim, C. A./ Brannik, M. T./ Seers, A./ Vandenberg,<br />
R. J./ Williams, L. J. (1997): Exploratory and confirmatory factor analysis:<br />
guidelines, issues, and alternatives. In: Journal of Organizational Behavior, 18. Jg., S.<br />
667-683.<br />
Lincoln, Y.S./ Cuba, E.G. (1985): Naturalistic Inquiry. Beverly Hills.<br />
MacCallum, R. C./ Roznowski, M./ Necowitz, L.B. (1992): Model modifications in covariance<br />
structure analysis: The problem of capitalization on chance. In: Psychological<br />
Bulletin, 114. Jg., S. 185-199.<br />
Matthes, J./ Kohring, M. (2003). Operationalisierung von Vertrauen in Journalismus. In:<br />
Medien & Kommunikationswissenschaft, 51. Jg., 5-23.<br />
Seite 52 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Mayring, P. (2001). Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Analyse.<br />
Forum: Qualitative Social Research, 2, [Online Journal, http://qualitativeresearch.net/fqs/fqs.htm].<br />
Miles, M.B./ Huberman, A.M. (1994): Qualitative data analysis. Thousand Oaks.<br />
Meinefeld, W. (2000): Hypothesen und Vorwissen in der qualitativen Sozialforschung. In:<br />
Flick, U./von Kardoff, E./Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch.<br />
Reinbek.<br />
Punch, K. F. (1998): Introduction to social research. Quantitative and qualitative<br />
perspectives. London.<br />
Suckfüll, M./ Matthes, J./ Markert, D. (2002): Rezeptionsmodalitäten. Definition und Operationalisierung<br />
individueller Strategien bei der Rezeption von Filmen. In: Rössler, P./<br />
Kubisch, S./ Gehrau, V. (Hrsg.): Empirische Perspektiven der Rezeptionsforschung.<br />
München, S. 193-211.<br />
Tashakkori, A./ Teddlie, C. (1998): Mixed methodology – combining qualitative and<br />
quantitative approaches. London.<br />
Bertram Scheufele, München<br />
Verknüpfung qualitativer Befunde<br />
und quantitativer Daten am Anwendungsbeispiel<br />
journalistischer Nachrichtenproduktion<br />
Unser Vortrag beschäftigt sich weniger mit grundsätzlichen methodologischen<br />
Aspekten ‚qualitativer’ und ‚quantitativer’ Verfahren, sondern mit<br />
ihrer kombinierten Anwendung für eine konkrete kommunikationswissenschaftliche<br />
Fragestellung. Damit werden folgende Aspekte des Calls for<br />
Papers abdeckt: (1) Welche methodischen Herangehensweisen werden<br />
kombiniert (2) Welche Fragestellungen werden damit angegangen und<br />
welche inhaltlichen und methodischen Probleme gelöst (3) Lassen sich<br />
daraus Schlüsse über das Verhältnis qualitativer und quantitativer Verfahren<br />
ableiten<br />
Fragestellung /<br />
Kombination qualitativer und quantitativer Verfahren<br />
Ausgehend vom Framing-Ansatz werden zwei Konstrukte unterschieden:<br />
Kognitive Sinnhorizonte von Journalisten werden als journalistische Frames<br />
bezeichnet. Solche Erwartungsrahmen werden durch Bündel kognitiver<br />
Schemata aufgespannt. Neben anderen Einflussfaktoren auf die Nachrichtenproduktion<br />
(z.B. Einstellungen) schlagen sie sich in Strukturen der<br />
Berichterstattung nieder, die wir Medien-Frames nennen. Das Verfahren,<br />
um journalistische Frames zu identifizieren, nennen wir Frame-Analyse,<br />
das Verfahren, um Medien-Frames zu untersuchen, nennen wir Framing-<br />
Analyse. Im Zuge der Frame-Analyse mussten journalistische Kognitionen<br />
– statt über eine Befragung – aus meinungsbetonten Beiträgen erschlossen<br />
werden. Dafür wurde ein mehrstufiges qualitatives Verfahren entwickelt,<br />
das mehrere Probleme lösen musste; dazu gleich mehr. Die Fra-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 53
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
ming-Analyse entsprach einer konventionellen quantitativen Inhaltsanalyse<br />
tatsachenbetonter Beiträge. Damit wurde geprüft, ob die bei der Frame-Analyse<br />
ermittelten journalistischen Kognitionen sich in entsprechenden<br />
Berichtsstrukturen niederschlugen, also die Nachrichtenproduktion<br />
beeinflussen. Der Untersuchungszeitraum für die Frame-Analyse umfasste<br />
die Orientierungsphasen nach vier Schlüsselereignissen; innerhalb von<br />
zwei Wochen nach jedem Schlüsselereignis etablierten sich nach unserer<br />
Annahme neue Bezugsrahmen oder bestehende wurden verändert. Der<br />
Untersuchungszeitraum für die Framing-Analyse umfasste die vier an die<br />
Orientierungsphasen jeweils anschließenden Routinephasen; nach unserem<br />
Modell wurden hier die neu gesetzten Frames perpetuiert (vgl. Abbildung<br />
1).<br />
Inhaltliche und methodische Probleme<br />
Die Frame-Analyse musste eine Reihe von Problemen lösen: Will man<br />
journalistische Kognitionen aus Beiträgen erschließen, muss das Verfahren<br />
der Frame-Identifizierung erstens journalistische Kognitionen und nicht<br />
jene des Forschers erfassen. Zweitens muss es hinreichend von der Berichtsebene<br />
auf die Ebene kognitiver Strukturen abstrahieren. Unser Verfahren<br />
gliederte sich in zwei Phasen: (1) In der Erhebungsphase wurden<br />
Beiträge mit einem Codierleitfaden analysiert – vergleichbar der qualitativen<br />
Inhaltsanalyse (Mayring, 2000). Dabei dienten generalisierte Nachrichtenschemata<br />
als Codierheuristik – vergleichbar mit Codierfamilien und<br />
-paradigma der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1967). Auf diese<br />
Weise erfolgte eine hinreichende Annäherung an journalistische Denkmuster.<br />
An die Beiträge wurden Codierfragen gestellt, die durch Paraphrase<br />
von Informationen beantwortet wurden. Eine Information ordnete ein Objekt<br />
sinnhaft ein. Dies konnte über Attribut, Bedingungskomplex (Ursachen,<br />
Folgen) oder Zusatzinformation (z.B. Wertbezüge) erfolgen. (2) In<br />
der Auswertungsphase nutzten wir die Zusammenfassungstechnik der<br />
qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2000), um die ‚Codierungen’ der Erhebungsphase<br />
zu bündeln und reduzieren. Damit wurden die konkreten<br />
Anwendungsbezüge journalistischer Vorstellungen bestimmt. Daran<br />
schloss sich ein Verfahren an, das Überlegungen qualitativer Typenbildung<br />
(z.B. Kelle & Kluge, 1999) sowie die Idee der Idealtypen bei Weber (1988)<br />
und Schütz (1993) aufgriff. Hier wurden aus allen ‚Codierungen’ pro sozialem<br />
Objekt (z.B. aus allen täterbezogenen ‚Codierungen’) Idealtypen gebildet<br />
(z.B. Täter-Typen), die wir im Sinne kognitiver Schemata (z.B. Täter-Schemata)<br />
interpretierten. Für diesen Analogieschluss von Idealtypen<br />
als empirisch gehaltvollen „Konstruktionen zweiten Grades“ auf journalistische<br />
Schemata als „Konstruktionen ersten Grades“ (Schütz, 1971: 7)<br />
sprach zweierlei: Schemata und Idealtypen sehen gleichermaßen von peripheren<br />
Aspekten ab („Ausscheidung des Zufälligen“; Weber, 1988: 201).<br />
Zudem repräsentieren Schemata saliente Merkmale, während Idealtypen<br />
ganz ähnlich zentrale Gesichtspunkte überzeichnen. Für die Idealtypenbildung<br />
wurden die ‚Codierungen’ der Orientierungsphasen kontrastiert, womit<br />
wir ein ähnliches Verfahren der Grounded Theory stark modifizierten.<br />
Seite 54 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Auf diese Weise abstrahierte die Frame-Analyse von der Beitragsebene auf<br />
die Ebene kognitiver Strukturen. Hier werden wir auch diskutieren, weshalb<br />
keine Clusteranalyse möglich war. Das Ergebnis der Analyse waren<br />
eine Zusammenstellung, die angab, welche journalistischen Frames und<br />
Schemata in welchen Orientierungsphasen vorkamen und welche Kombinationen<br />
salienter Attribute sie repräsentierten.<br />
Im Vortrag wird neben einer vergleichsweise kurzen Methodenbeschreibung<br />
für die Frame-Analyse vorrangig das Problem diskutiert, wie sich die<br />
Befunde der qualitativen Frame-Analyse überhaupt mit den quantitativen<br />
Daten der Framing-Analyse verknüpfen lassen. Dabei geht es nicht um<br />
plausibilistische, sondern um numerische Verknüpfung. Das Codebuch der<br />
quantitativen Framing-Analyse war eng auf die Frame-Analyse abgestimmt.<br />
Stark verkürzt lässt sich dies so erklären: Die Framing-Analyse<br />
zielte letztlich nicht auf Berichtsstrukturen. Die Frage war vielmehr: Decken<br />
sich die in einer Routinephase (z.B. nach Schlüsselereignis Möllner<br />
Brandanschlag) berichteten Sachverhalte (z.B. Ursachen rechter Gewalt)<br />
mit den in der Orientierungsphase davor identifizierten journalistischen<br />
Kognitionen (z.B. Ursachen-Schemata Mölln) Um diesen Grad an Frame-/<br />
Schema-Fitting ermitteln zu können, wurden die bei der Frame-Analyse<br />
ermittelten Schemata wieder ‚in ihre Einzelteile zerlegt’. So wurden z.B.<br />
alle Attribute (Slots und Default Values) <strong>aller</strong> Ursachen-Schemata ‚gesammelt’<br />
und in quantitativ messbare Kategorien und Ausprägungen für<br />
das Codebuch der Framing-Analyse überführt; schematisch zeigt dies Abbildung<br />
2.<br />
Auf diese Weise wussten man zugleich, in welches Schema welcher Phase<br />
die jeweilige Kategorienausprägung in einem bestimmten Beitrag aus einer<br />
Routinephase ‚fittete’ (rechte Hälfte in Abbildung 2). Entsprechend ließ<br />
sich ein phasenbezogener Fitting-Code pro Ausprägung bzw. Kategorie<br />
vergeben, was sich für Täter illustrieren lässt: Eine 1 wurde vergeben,<br />
wenn sowohl das für den Routinebeitrag codierte Tätermerkmal als auch<br />
dessen Ausprägung dem Täter-Schema der zugehörigen Orientierungsphase<br />
entsprach. Eine 0 wurde vergeben, wenn die Kategorie zwar schema-konsistent<br />
war, nicht aber die Ausprägung oder wenn beide schemadiskrepant<br />
waren. Da pro Artikel diverse Tätermerkmale codiert werden<br />
konnten, interessierte nicht das Fitting eines singulären Tätermerkmals,<br />
sondern das durchschnittliche Fitting <strong>aller</strong> im Beitrag erwähnten Täterattribute.<br />
Dafür wurde pro Beitrag und Objektklasse (z.B. für Täter) ein Index<br />
für relatives Schema-Fitting bestimmt. Er berechnete sich als Quotient<br />
aus der Anzahl der im Artikel erwähnten schema-konformen Merkmale<br />
(z.B. Tätermerkmale) und der Anzahl <strong>aller</strong> berichteter, also auch diskrepanter<br />
Attribute. Der Index konnte Werte zwischen 0 und 1 annehmen: Je<br />
näher der Wert bei 1 lag, desto stärker überwogen im Beitrag schemakonsistente<br />
Informationen; je näher der Wert bei 0 lag, desto eher schema-diskrepante.<br />
Bei einem Wert von 0.50 hielten sich konsistente und<br />
diskrepante Informationen die Waage. Mit diesem standarisierten Maß erfolgt<br />
die numerische Verknüpfung der Befunde der qualitativen Frameund<br />
der quantitativen Framing-Analyse.<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 55
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Ableitungen für das Verhältnis<br />
qualitativer und quantitativer Forschung<br />
Am Beispiel der hier skizzierten Untersuchungsanlage und Verfahrensweisen<br />
plädieren wir für eine vorsichtigere Terminologie. Denn viele Arbeiten,<br />
die sich im weitesten Sinne dem Framing-Ansatz zuordnen lassen (Framing-,<br />
Deutungs- und Diskursmusteranalysen), identifizieren solche kognitiven<br />
oder diskursiven Mustern oftmals mit Verfahren, die vage bis impressionistisch<br />
zu nennen sind. Dies gilt für Arbeiten des ‚qualitativen Paradigma’<br />
(z.B. Althoff, 1998) ebenso wie für Arbeiten des ‚quantitativen<br />
Paradigma’ (Kepplinger et al., 1999). Überspitzt formuliert scheint in dieser<br />
Hinsicht kein Gegensatz zwischen ‚qualitativer’ und ‚quantitativer’ Ausrichtung<br />
zu bestehen, sondern ein Gegensatz zwischen methodisch gut<br />
begründeten und elaborierten Verfahren einerseits und methodisch fragwürdigen<br />
und vielleicht subjektiv, aber nicht intersubjektiv nachvollziehbaren<br />
Verfahren andererseits.<br />
Literatur<br />
Althoff, M. (1998): Die soziale Konstruktion von Fremdenfeindlichkeit. Opladen.<br />
Glaser, B. G. & Strauss, A. (1967): The discovery of grounded theory: Strategies for<br />
qualitative research. New York.<br />
Kelle, U. & S. Kluge (1999): Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung<br />
in der qualitativen Sozialforschung (Qualitative Sozialforschung, Bd. 4). Opladen.<br />
Kepplinger, H. M. / Maurer, M & Roessing, T. (1999): Deutschland vor der Wahl. Eine<br />
Frame-Analyse der Fernsehnachrichten. In: Noelle-Neumann, E. / Kepplinger, H. M. &<br />
Donsbach, W.: Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf<br />
1998. Freiburg, München. S. 78-107.<br />
Mayring, P. ( 7 2000): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim.<br />
Schütz, A. ( 6 1993): Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende<br />
Soziologie. Frankfurt am Main (zuerst 1932).<br />
Weber, M. ( 7 1988): Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis<br />
(zuerst 1904). In: Weber, M. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre.<br />
Herausgegeben von J. Winkelmann. Tübingen. S. 146-214.<br />
Abbildung 1: Untersuchungsanlage –<br />
Frame-Analyse und Framing-Analyse<br />
Orientierungsphase (Etablierung des Frames)<br />
Routinephase (Anwendung des Frames)<br />
Frame-Analyse<br />
H R M S<br />
Framing-Analyse<br />
H Hoyerswerda<br />
R Rostock<br />
M Mölln<br />
S Solingen<br />
Seite 56 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong><br />
t
Abbildung 2: Überführung von Schemata der Frame-Analyse<br />
in Kategorien und Ausprägungen der Framing-Analyse<br />
sowie Vergabe von Fitting-Codes<br />
Frame-Analyse (Auswahl)<br />
Täter-Schema<br />
‚nach Hoyerswerda’<br />
Merkmal 1: Ausprägung A<br />
Merkmal 2: Ausprägung B<br />
Merkmal 3: Ausprägung A<br />
Ursachen-Schema<br />
‚nach Mölln’<br />
Merkmal 1: Ausprägung C<br />
Merkmal 2: Ausprägung C<br />
Michala Maier, Hohenheim<br />
Framing-Analyse<br />
(Auswahl)<br />
Kategorie 1<br />
Ausprägung A<br />
Ausprägung B<br />
Ausprägung C<br />
Kategorie 2<br />
Ausprägung A<br />
Ausprägung B<br />
Ausprägung C<br />
Kategorie 3<br />
Ausprägung A<br />
....<br />
Fitting-Code<br />
Süßsauer –<br />
Erfahrungen mit dem Einsatz qualitativer Methoden<br />
1 Untersuchungsdesign der Studie: Konvergenz<br />
öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehprogramme<br />
in Deutschland aus der Zuschauerperspektive<br />
Fitting in das<br />
Ursachen-Schema<br />
‚nach Hoyerswerda’<br />
...<br />
‚nach Mölln’<br />
Kategorie 2<br />
...<br />
‚nach Hoyerswerda’<br />
‚nach Mölln’<br />
Kategorie 3<br />
‚nach Hoyerswerda’<br />
...<br />
Obwohl die „Methodentriangulation“, d.h. der aufeinander bezogene Einsatz<br />
qualitativer und quantifizierender Verfahren, in aktuellen kommunikationswissenschaftlichen<br />
Studien immer häufiger zum Einsatz kommt, wird<br />
die Analyse, Präsentation und Bewertung von qualitativen Daten, die in<br />
solchen Zusammenhängen erhoben werden, selten diskutiert. Dass ebendiese<br />
Punkte jedoch keinesfalls unproblematisch sind, zeigen Erfahrungen,<br />
die sich im Rahmen des Projekts „Konvergenz öffentlich-rechtlicher und<br />
privater Fernsehprogramme in Deutschland aus der Zuschauerperspektive“<br />
ergaben. Dieses basiert auf einer qualitativen Vorstudie und auf einer<br />
standardisierten Bevölkerungsbefragung. Im Rahmen der Vorstudie wurden<br />
Leitfadeninterviews durchgeführt, um das Forschungsfeld der Zuschauereinstellungen<br />
zum dualen Fernsehen in Deutschland mit dem Fokus<br />
auf den durch die Zuschauer wahrgenommenen Ähnlichkeiten und Un-<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 57
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
terschieden zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehprogrammen<br />
zu explorieren. Sie sollten den Zuschauern die Möglichkeit geben,<br />
ihre Einstellungen zum deutschen Fernsehen ausführlich und frei von den<br />
Beschränkungen einer stark strukturierten und standardisierten Befragung<br />
zu beschreiben. Das bisher wissenschaftlich wenig beachtete Forschungsfeld<br />
sollte auf diese Weise erschlossen und die Ergebnisse zur Systematisierung<br />
des Wissens über Zuschauereinstellungen zum deutschen Fernsehsystem<br />
verwendet werden.<br />
Die Befunde dienten in der Folge der Entwicklung von Hypothesen sowie<br />
der Erarbeitung eines Modells der Zuschauereinstellungen zum dualen<br />
System und eines Fragebogens für die standardisierte Befragung. Gleichzeitig<br />
konnten im Rahmen der Vorstudie jedoch auch Einzelaspekte erfragt<br />
und vertieft werden, die aus forschungsökonomischen Gründen in der Repräsentativbefragung<br />
nicht mehr detailliert behandelt wurden. In diesem<br />
Sinne diente die qualitative Vorstudie nicht nur der Exploration der später<br />
standardisiert zu erfassenden Einstellungsmuster, sondern es wurden außerdem<br />
Zusatzinformationen gesammelt, die das Gesamtbild der Zuschauereinstellungen<br />
zum Fernsehsystem in Deutschland abrundeten.<br />
Durch eine sinnvolle Kombination zweier, für sich genommen in ihrer Leistungsfähigkeit<br />
begrenzter Verfahren sollte die Validität der wissenschaftlichen<br />
Befunde erhöht werden.<br />
2 Süß – Positive Erfahrungen mit dem Methodenmix<br />
Für die qualitative Vorstudie wurden im Zeitraum von März bis Mai 2000<br />
insgesamt 33 Leitfadeninterviews durchgeführt. Zunächst bewahrheiteten<br />
sich die in der Literatur beschriebenen Vorteile wenig standardisierter Befragungen:<br />
Die Analyse der Interviews zeigte, dass die Einstellungen der<br />
Fernsehzuschauer zum dualen System wesentlich differenzierter sind und<br />
ihre Muster komplizierter erscheinen, als dies mit Hilfe weniger, standardisierter<br />
Fragen (etwa: „Soll im deutschen Fernsehen alles so bleiben, wie<br />
es ist”) erfasst werden könnte. Die Möglichkeit zur Exploration im offenen<br />
Interview gewährte einen wesentlich tieferen Einblick in die Einstellungsmuster<br />
bezüglich des dualen Fernsehsystems, wie hier nur einige Beispiele<br />
zeigen sollen:<br />
1. Die Frage nach ihrer grundsätzlichen Vorliebe für einen Sender oder eine<br />
Veranstaltergruppe (öffentlich-rechtlich vs. privat) konnte ein großer<br />
Teil der Befragten zunächst gar nicht beantworten. Nachfragen ergaben,<br />
dass sie die beiden Veranstaltergruppen tatsächlich in Abhängigkeit von<br />
der aktuell nachgefragten Programmsparte nutzten, so dass im Laufe<br />
der Leitfadeninterviews die Fragen nach dem Programmwahlverhalten<br />
und der Senderpräferenz jeweils für Informations- und Unterhaltungsformate<br />
wiederholt werden mussten.<br />
2. Auch auf die für die Studie zentrale Frage nach der Wahrnehmung der<br />
Entwicklung der öffentlich-rechtlichen und der privatkommerziellen<br />
Fernsehprogramme seit der Dualisierung des Systems durch die Zuschauer<br />
zeigte sich ein sehr viel differenzierteres Bild als zunächst an-<br />
Seite 58 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
genommen: So unterschieden die Zuschauer einerseits zwischen mindestens<br />
drei verschiedenen Phasen der Konvergenz, Parallelentwicklung<br />
oder Divergenz der Programme, wobei sie sich außerdem nicht nur auf<br />
Veränderungen des Programms (Programminhalte und -formate sowie<br />
zeitliches Sendeschema) bezogen, sondern auch auf eine technischorganisatorische<br />
Ebene (gemeinsame Nutzung von technischen und personellen<br />
Ressourcen, Austausch von Personal). Eine pauschale Bewertung<br />
der Entwicklung im Rahmen einer geschlossenen Frage erscheint<br />
vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.<br />
3. Schließlich zeigten sich die ostdeutschen Befragten in ihrer Bewertung<br />
der privatkommerziellen Sender kritischer als aufgrund der Fernsehnutzungsdaten<br />
und Befunde anderer Studien zu erwarten war.<br />
3 Sauer – Probleme der qualitativen Befragung<br />
Neben vielen interessanten und zum Teil sehr detaillierten Befunden der<br />
Gespräche, brachte die Auswertung der qualitativen Interviews jedoch<br />
auch eine Reihe von Problemen mit sich:<br />
1. Von Beginn an war die begrenzte Aussagefähigkeit des Datenmaterials<br />
abzusehen, das es aufgrund einer nicht genügend großen Fallzahl sowie<br />
der erschwerten Vergleichbarkeit der Antworten nicht zuließ, „allgemein<br />
gültige” Ergebnisse zu formulieren – ein Problem, das durch die Ergänzung<br />
durch eine quantifizierende Befragung „geheilt“ werden sollte.<br />
2. Zusätzlich kamen während der Interviews und bei der Durchsicht der<br />
Transkripte jedoch an der einen oder anderen Stelle Zweifel auf, ob die<br />
Befragten tatsächlich eine eigene Einstellung zum Gegenstand der Diskussion<br />
aufwiesen. In einigen Fällen, die im Rahmen des Vortrags exemplarisch<br />
vorgestellt werden sollen, blieb nach dem großen Aufwand,<br />
der bei der Durchführung der Interviews, ihrer Transkription und Aufbereitung,<br />
betrieben wurde, nur die Erkenntnis, dass der Befragte nichts<br />
anderes als „Nichteinstellungen” präsentiert hatte.<br />
3. Bei einigen anderen Interviews schienen die Gesprächspartner zwar<br />
durchaus reflektierte, aber auch sehr differenzierte und vielschichtige<br />
Einstellungen zum Befragungsgegenstand zu haben. Obwohl die Möglichkeit<br />
zur Exploration solcher Einstellungsstrukturen der entscheidende<br />
Vorteil qualitativer Verfahren ist, stellt die veröffentlichungstaugliche<br />
Dokumentation solcher Gespräche ein großes Problem dar, da nicht nur<br />
die „Nettoantworten“, sondern auch der Gesprächsverlauf für die abschließende<br />
Bewertung relevant sein können. Eine Standardlösung für<br />
eine angemessene Dokumentation ist bisher jedoch nicht bekannt.<br />
4 Relevanz<br />
Die skizzierten Probleme beim Einsatz qualitativer Befragungsformen sind<br />
sowohl für die weitere Entwicklung der Methodentriangulation als auch allgemein<br />
für das Problembewusstsein im Zusammenhang mit Bevölkerungsbefragungen<br />
von grundsätzlicher Relevanz: Ein gesundes Misstrauen<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 59
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
in die Validität der Antworten ist nicht nur dann angebracht, wenn hohe<br />
Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit der Probanden gestellt<br />
werden. Bei allen Themen, bei denen das grundsätzliche Interesse oder<br />
persönliche Erfahrungen der Befragten nicht per se angenommen werden<br />
können, scheint der Erfolg wissenschaftlicher Studien gefährdet, der sich<br />
nicht auf die Erhebung von Nichteinstellungen gründen kann. Dabei ist das<br />
grundsätzliche Bemühen der Probanden, kooperativ zu sein und die ihnen<br />
entgegengebrachte Aufmerksamkeit in jedem Fall zu nutzen, dem Erkenntnisinteresse<br />
des Wissenschaftlers abträglich.<br />
Seite 60 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Die Referenten<br />
Baumann, Eva, geboren 1974 in Krefeld. Ausbildung zur Verlagskauffrau und<br />
zur Werbereferentin (IHK), anschließend DTP-Fachkraft. 1997-2002 Studium<br />
Medienmanagement am IJK mit Nebenfach Wirtschaftswissenschaften. Von<br />
1999 bis 2002 studentische Hilfskraft und seit Juni 2002 wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Institut für Journalistik & Kommunikationsforschung der<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />
Interessenschwerpunkte: Gesundheitskommunikation, Rezeptionsforschung<br />
Bilandzic, Helena, Dr. phil, geboren 1972; Studium der Kommunikationswissenschaft,<br />
des Medienrechts, der Französischen Philologie und der Markt- und<br />
Werbepsychologie an der Universität München; Promotion 2003 in München.<br />
1997-2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität München; 2002-<br />
2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Erfurt; seit 2003 wissenschaftliche<br />
Assistentin an der Universität Erfurt.<br />
Forschungsschwerpunkte: Rezeptions- und Wirkungsforschung, Methoden<br />
und Methodologie<br />
Christmann, Gabriela, Dr. rer. soc., geboren 1961; Studium der Sozialarbeit an<br />
der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten (1981-1985), Studium der Soziologie<br />
und Politikwissenschaft an der Universität Konstanz (1985-1991);<br />
Promotion im Fach Soziologie 1996; Tätigkeit in diversen Forschungsprojekten,<br />
v.a. in dem von Thomas Luckmann und Jörg R. Bergmann geleiteten<br />
DFG-Projekt „Formen der kommunikativen Konstruktion von Moral“ (1992-<br />
1996); seit dem Wintersemester 1997 Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft<br />
der Technischen Universität Dresden.<br />
Forschungsschwerpunkte: Wissenssoziologie, Sprachsoziologie, soziale Bewegungen,<br />
Mediensoziologie, Soziologie der Identität, Stadtsoziologie und<br />
qualitative Methoden<br />
Hackenberg, Achim Robert, M.A., geboren 1969, Studium der Theaterwissenschaft,<br />
Filmwissenschaft und Erziehungswissenschaft an den Universitäten<br />
Erlangen und Berlin, Magister 1999 an der Freien Universität Berlin. Seit<br />
1999 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, FB<br />
Erziehungswissenschaft und Psychologie, AB Philosophie der Erziehung beschäftigt.<br />
Forschungsschwerpunkte: Sozialwissenschaftliche Medienanalyse, Medienrezeptionsforschung,<br />
Wissenschaftstheorie<br />
(Infos: http://userpage.fu-berlin.de/~hackenbg/)<br />
Hajok, Daniel, geb. am 1. August 1970, Magister der Kommunikations- und<br />
Medienwissenschaften. Nach mehrjähriger wissenschaftlicher Tätigkeit für die<br />
Universität Leipzig und für das JFF München seit Oktober 2001 an der Freien<br />
Universität Berlin, FB Erziehungswissenschaft und Psychologie, AB Philosophie<br />
der Erziehung, beschäftigt.<br />
Forschungsschwerpunkte: Jugend- und Medienforschung<br />
(Infos: http://userpage.fu-berlin.de/~hajok/)<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 61
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Hasebrink, Uwe, Prof. Dr. phil., geboren 1958; Studium der Psychologie und<br />
der Deutschen Philologie an der Universität Hamburg; 1983 bis 1986 Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg;<br />
1986 Promotion; seit 1986 am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung,<br />
1988 bis 1998 als Geschäftsführender Referent, seit 1998 als Mitglied des Direktoriums;<br />
seit 2001 zugleich Professor für Empirische Kommunikationswissenschaft<br />
an der Universität Hamburg.<br />
Forschungsschwerpunkte: individuelle Muster der Mediennutzung, Veränderungen<br />
von Rezeptionsstilen durch neue Medienangebote sowie Prozesse länder-<br />
und sprachraumübergreifender Kommunikation<br />
Jäger, Ruth, Dipl.-Psych., Dipl.-Mus.Päd. für Violine, Musikstudium und Tätigkeit<br />
als Musikpädagogin. 1991 bis 1999 TU-Berlin: Psychologiestudium. 1995 bis<br />
1999 TU-Berlin: Tutorin für Methodenlehre und Statistik. 1999/2000 HdK<br />
Berlin: Lehrauftrag für Statistik im Studiengang GWK. Seit 2000 wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin im Bereich Methoden der Psychologie: zunächst IFP<br />
München, seit Nov. 2000 TU Dresden. Trägerin des Georg Sieber Preises<br />
2000 der WiGFaP e.V.<br />
Jandura, Olaf, M.A., Studium der Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft,<br />
Soziologie und Neuerer und Neuester Geschichte an der TU Dresden<br />
und der Universidad de Navarra Pamplona; seit Oktober 1999 wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden<br />
am Lehrstuhl von Professor Donsbach.<br />
Forschungsschwerpunkt: Politische Kommunikation<br />
Krotz, Friedrich ist Diplommathematiker und Diplomsoziologe, hat in Soziologie<br />
promoviert und in Journalistik/Kommunikationswissenschaft habilitiert. Er<br />
lehrt als Professor für Kommunikationssoziologie/-psychologie an der Universität<br />
Münster.<br />
Sein Forschungschwerpunkt ist die Frage danach, was die Menschen mit den<br />
Medien machen und welche Rolle das für die Gesellschaft spielt. Dabei stehen<br />
insbesondere die neuen Medien sowie interkulturelle Fragestellungen im Vordergrund.<br />
Loosen, Wiebke, Dr. phil., M.A., Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />
Psychologie, Germanistik und Betriebswirtschaftslehre an der<br />
Universität Münster, 1997 Promotion, 1997 bis 2000 wissenschaftliche Assistentin<br />
an der Universität Münster, seit Dezember 2000 wissenschaftliche Assistentin<br />
an der Universität Hamburg.<br />
Forschungsschwerpunkte: Journalismusforschung, computervermittelte Kommunikation,<br />
Methoden der empirischen Kommunikationsforschung<br />
Maier, Michaela, Dr. phil., geboren 1973; 1994 bis 1998 Studium der Germanistik,<br />
Journalistik und Politikwissenschaft an der Universität Bamberg und<br />
der University of South Carolina; 1998 bis 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
und Promotion an der Universität Jena, 2001 bis 2003 wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin an der Universität Hohenheim, ab WS 2003 Juniorprofessorin an<br />
der Universität Koblenz-Landau.<br />
Forschungsschwerpunkte: Rezeptionsforschung, Journalismusforschung, Organisationskommunikation<br />
Seite 62 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>
Matthes, Jörg, Dipl.-Psych., geboren 1977; Studium der Psychologie sowie der<br />
Medienwissenschaft, Philosophie und Interkulturellen Wirtschaftskommunikation<br />
an der FSU Jena. Seit 01/2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FSU<br />
Jena in den Projekten „Vertrauen in Medien“ (DFG) und "Life Sciences in European<br />
Society" (EU). Ab 10/2003 wissenschaftlicher Assistent am Institut für<br />
Publizistikwissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich.<br />
Forschungsschwerpunkte: Framing, Vertrauen in Medien, Rezeptionsforschung<br />
Maurer, Marcus, M.A., Dr. phil., geboren 1969, Studium der Publizistikwissenschaft,<br />
Politikwissenschaft und Deutschen Philologie in Münster und Mainz.<br />
1997 bis 2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der<br />
Johannes Gutenberg-Universität Mainz; seit 2003 Wissenschaftlicher Assistent<br />
am selben Institut.<br />
Forschungsschwerpunkte: Politische Kommunikation, Medienwirkungsforschung<br />
Möhring, Wiebke, Dr. phil., geboren 1970 in Detmold. 1990-1995 Studium Medienmanagement<br />
am IJK Hannover, anschließend Projektmitarbeiterin. 1996<br />
bis 2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IJK Hannover, Promotion zum<br />
Thema „Die Lokalberichterstattung in den neuen Bundesländern. Orientierung<br />
im gesellschaftlichen Wandel“. Von 2000 bis 2002 beurlaubt für einen Auslandsaufenthalt<br />
in den USA, seit März 2003 wieder als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am IJK Hannover.<br />
Peiser, Wolfram, Diplom-Ökonom, Dr. phil., geboren 1962, 1990-1995 wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung<br />
der Hochschule für Musik und Theater Hannover, 1995 Promotion, seitdem<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Universität<br />
Mainz.<br />
Derzeitige Arbeitsschwerpunkte: Mediennutzung und ihre langfristige Entwicklung,<br />
gesellschaftliche Medienwirkungen, Methodenfragen<br />
Reinemann, Carsten, M.A., Dr. phil., geboren 1971; Studium der Publizistikwissenschaft,<br />
Politikwissenschaft und Psychologie in Mainz. Anschließend wissenschaftlicher<br />
Projektmitarbeiter an der Universität Leipzig. Seit 1997 wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität<br />
Mainz. Promotion September 2002, Thema: „Mediennutzung<br />
aus Profession. Eine empirische Untersuchung der Mediennutzung politischer<br />
Journalisten“.<br />
Forschungsschwerpunkte: Politische Kommunikation, Journalismusforschung,<br />
Methoden<br />
Richter, Antje, Dipl. Päd., geboren 1976; Studium der Erziehungswissenschaft/<br />
Sozialpädagogik an der Universität Rostock und der Technischen Universität<br />
Dresden; seit Mai 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität<br />
Berlin, FB Erziehungswissenschaft und Psychologie, AB Philosophie der<br />
Erziehung.<br />
Forschungsschwerpunkte: Medienforschung, bilinguale Erziehung und Bildung<br />
(Infos: http://userpage.fu-berlin.de/~richter3)<br />
Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />
<strong>Abstracts</strong> < Seite 63
Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />
Scherer, Helmut, Prof. Dr., geboren 1955, Studium der Publizistik, Philosophie<br />
und Germanistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, 1984 Magisterexamen,<br />
1984-1985 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Demoskopie<br />
Allensbach im Bereich Mediaforschung, 1985-1989 wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter bei Winfried Schulz am Lehrstuhl für Kommunikations- und Politikwissenschaft<br />
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1989<br />
Promotion in Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander- Universität<br />
Erlangen-Nürnberg, 1989-1996 wissenschaftlicher Assistent am<br />
Lehrstuhl für Kommunikations- und Politikwissenschaft der Friedrich-<br />
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Sommersemester 1995 Vertretung<br />
der Professur für empirische Kommunikationswissenschaft an der Universität<br />
München, 1995 Habilitation im Fach „Kommunikationswissenschaft“ an der<br />
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, 1996-1999 Professor für Kommunikationswissenschaft<br />
an der Philosophischen Fakultät I der Universität Augsburg., seit<br />
WS 1999/2000 Professor für Kommunikationswissenschaft – Medienwissenschaft<br />
am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule<br />
für Musik und Theater Hannover.<br />
Forschungsschwerpunkte: politische Kommunikation, öffentliche Meinung,<br />
Rezeptionsforschung, Medienwirkungsforschung<br />
Scheufele, Bertram, Dr. phil, geboren 1969; Studium der Publizistik/Kommunikationswissenschaft,<br />
Soziologie, Kunstgeschichte und Psychologie an den<br />
Universitäten Mainz und München; 1997 Promotion, Projektleiter an der Universität<br />
München ("Medien und Fremdenfeindlichkeit", "Kriegsberichterstattung"),<br />
derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München.<br />
Forschungsschwerpunkte: Politische Kommunikation, Theorien der Nachrichtenproduktion,<br />
Gewaltforschung, qantitative und qualitative Methoden der<br />
Kommunikationswissenschaft<br />
Schlütz, Daniela, Dr. phil., geb. 1968 in Bremen. 1988-1991 Ausbildung zur<br />
Werbekauffrau bei Grey, Düsseldorf. 1991-1996 Studium Medienmanagement<br />
am IJK Hannover. 1996-1997 Studiengang MSc Media and Communications<br />
an der LSE London. 1997-2000 Projektmitarbeiterin im DFG-<br />
Schwerpunktprogramm "Lesesozialisation" (unter Leitung von Frau Prof. Dr.<br />
Wermke, Universität Osnabrück). Seit 1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am IJK Hannover (derzeit Erziehungsurlaub). Promotion zum Thema: „Bildschirmspiele<br />
und ihre Faszination: Zuwendungsmotive, Gratifikationen und<br />
Erleben interaktiver Medienangebote“.<br />
Wenger, Christian, Dipl.oec, geboren 1971; Studium der Sozioökonomie in<br />
Augsburg; 1997-2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie<br />
und empirische Sozialforschung; seit 2002 Lehrstuhl für Werbepsychologie<br />
und Konsumforschung (beides Universität Augsburg); kurz vor dem Abschluss<br />
seiner Dissertation zum Thema "Leben als Fan. Gemeinschaft und I-<br />
dentität in Fankulturen am Beispiel der STAR TREK-Fans".<br />
Forschungsinteressen: Cultural Studies und Medienaneignung, Jugend- und<br />
Musikkulturen, Methoden der empirischen Sozialforschung<br />
Seite 64 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>