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Abstracts aller Tagungsbeiträge - DGPuK

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Inhalt<br />

<strong>Abstracts</strong> zur Tagung<br />

Keynotes<br />

Seite<br />

Friedrich Krotz, Münster<br />

Gegenstandsbezogene Forschung: Pragmatische Überlegungen zum<br />

Zusammenspiel qualitativer und quantitativer Methoden 5<br />

Uwe Hasebrink, Hamburg<br />

Gegenstandsbezogene Forschung: Pragmatische Überlegungen zum<br />

Zusammenspiel quantitativer und qualitativer Methoden 8<br />

Wege und Ziele der Methodenintegration<br />

Helena Bilandzic, Erfurt<br />

Zur Komplementarität qualitativer und quantitativer Methoden bei der<br />

Konstruktion einer Handlungstheorie mittlerer Reichweite 10<br />

Christian Wenger, Augsburg<br />

Chancen und Probleme einer gleichberechtigten und simultanen<br />

Integration qualitativer und quantitativer Methoden 15<br />

Helmut Scherer, Eva Baumann, Daniela Schlütz, Nils von der Kall,<br />

Hannover<br />

Offenheit statt dogmatischer Beschränktheit –<br />

Über die Integration quantitativer und qualitativer Methoden<br />

in der Kommunikationsforschung<br />

Die „Methodenschulen“ der Kommunikationswissenschaft<br />

Wolfram Peiser, Mainz<br />

Grundlegende methodische Orientierungen<br />

in der Kommunikationswissenschaft<br />

Wiebke Möhring & Helmut Scherer, Hannover<br />

Eine Frage des Themas Einsatzfelder qualitativer und quantitativer<br />

Verfahren in den letzten Jahrzehnten 25<br />

Theoretische Implikationen qualitativer Verfahren<br />

Achim Hackenberg, Daniel Hajok, Antje Richter, Berlin<br />

Medienrezeption als Kommunikatbildungsprozess – Eine empirische<br />

Untersuchung zur individuellen Konstruktion medialer Ereignisse 27<br />

Wiebke Loosen, Hamburg<br />

Mediale Synergien bei „Spiegel“, „Focus“, „Stern“ – Print, Online, TV:<br />

eine Methoden-, Verfahrens- und Medienkombination 33<br />

Burkard Michel, Magdeburg<br />

Die Kombination quantitativer und qualitativer Methoden. Zur Analyse<br />

habitusspezifischer Dimensionen der Medienrezeption 37<br />

19<br />

21<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

Inhaltsverzeichnis < Seite 3


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Kombinationen quantitativer und qualitativer Verfahren 1<br />

Marcus Maurer & Carsten Reinemann, Mainz<br />

Evidenz oder Emotion – was ist überzeugender Ein Beitrag zur<br />

Integration quantitativer und qualitativer Rhetorikforschung<br />

am Beispiel des zweiten TV-Duells im Bundestagswahlkampf 2002 41<br />

Gabriela Christmann & Olaf Jandura, Dresden<br />

Lokale Medien und städtische Identität am Beispiel von Dresden.<br />

Eine Kombination von qualitativer und quantitativer Methodik 44<br />

Kombinationen in Instrumentenbildung und Auswertung<br />

Ruth Jäger, Dresden<br />

Integration von Ergebnissen: Konzeptuelle Überlegungen<br />

illustriert an einem Praxisbeispiel 46<br />

Jörg Matthes, Jena<br />

Die Verknüpfung von qualitativen und quantitativen Methoden<br />

im Prozess der Skalenkonstruktion 49<br />

Kombinationen quantitativer und qualitativer Verfahren 2<br />

Bertram Scheufele, München<br />

Verknüpfung qualitativer Befunde und quantitativer Daten am Anwendungsbeispiel<br />

journalistischer Nachrichtenproduktion 53<br />

Michaela Maier, Hohenheim<br />

Süßsauer – Erfahrungen mit dem Einsatz qualitativer Methoden 57<br />

Die Referenten 61<br />

Seite 4 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Friedrich Krotz, Münster<br />

Gegenstandsbezogene Forschung:<br />

Pragmatische Überlegungen zum Zusammenspiel<br />

qualitativer und quantitativer Methoden<br />

Forschung zielt auf die Beantwortung von Forschungsfragen, die dabei –<br />

implizit oder explizit – einen „Forschungsgegenstand“ konstituieren. Deshalb<br />

liegt es nahe, im Wortsinn pragmatisch zu forschen und diesen „Gegenstand“<br />

aus möglichst vielen relevanten Perspektiven mit möglichst vielen<br />

angemessenen Methoden zu untersuchen. Es ist so gesehen ein<br />

Forschritt, wenn in einer Wissenschaft, die wie die Kommunikationswissenschaft<br />

auch Konsequenzen haben will, nicht puristisch im Sinne einer<br />

reinen Methodenlehre, sondern gegenstandsorientiert vorgegangen wird.<br />

Die Frage ist dann freilich, wie man das macht, wie man die mit verschiedenen<br />

Methoden erhaltenen verschiedenen Forschungsergebnisse zusammensetzt<br />

und inwiefern man das wissenschaftstheoretisch überhaupt darf.<br />

Dazu sollen einige Überlegungen entwickelt werden. Sie beziehen sich erstens<br />

auf Sprechweisen, zweitens auf die Unterschiede der qualitativen<br />

bzw. quantitativen Forschungsverfahren, drittens auf ihre Gemeinsamkeiten.<br />

Viertens wird eine andere Sichtweise vorgeschlagen, die Forschung<br />

als Prozess der Entwicklung und Prüfung von Theorien versteht. Methoden<br />

werden dabei als Regelsysteme für akzeptiertes forschendes Handeln verstanden.<br />

Sprechweisen<br />

Formal muss man sich erst einmal über Sprechweisen verständigen. Einigkeit<br />

besteht wohl darüber, dass die Gegenüberstellung „quantitativ“ und<br />

„qualitativ“, die sich eigentlich auf Datenformen bezieht, untauglich dafür<br />

ist, die Unterschiede von Forschungsmetheoden zu beschreiben. Dennoch<br />

gibt es, wie wohlbekannt, fundamentale Unterschiede, wie man vorzugehen<br />

hat. Deshalb hat Wilson zwischen dem normativen und dem interaktiven<br />

Paradigma unterschieden (Wilson 1968). Das Problem dieser Unterscheidung<br />

liegt unter anderem darin, dass sie unterstellt, dass es sich um<br />

zwei in sich einheitliche Paradigmata handelt. Das ist für die sogenannten<br />

qualitativen Ansätze sicherlich falsch, sie unterscheiden sich auch untereinander<br />

auf grundlegende Weise (Krotz 2003).<br />

Ein Lösungsvorschlag, den ich weiter hinten begründen werde, könnte es<br />

sein, einerseits von formalstrukturellen Forschungsansätzen (weil Mathematik<br />

und formale Logik sich mit formalen Strukturen beschäftigen) und<br />

andererseits von kontextbezogenen Forschungsansätzen zu sprechen (weil<br />

die sogenannten qualitativen Ansätze Begriffe und Aussagen immer in ihren<br />

jeweiligen Kontexten behandeln).<br />

Unterschiede: Basisorientierung und Theoriekonzept<br />

Wenn man formalstrukturelle und kontextbezogene Forschungsverfahren<br />

miteinander vergleicht (und zwar mit dem Ziel, hybride Forschung zu be-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 5


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

treiben), so liegen ihre Hauptunterschiede auf mindestens zwei Ebenen.<br />

Einmal in der Frage, auf was für prinzipielle Überlegungen sie sich stützen,<br />

und zum anderen in dem, was sie unter Theorie verstehen, die ja Ziel von<br />

Forschung ist.<br />

Die formalstrukturellen Verfahren lassen sich im Hinblick darauf dadurch<br />

charakterisieren, dass sie sich an den Messverfahren der Naturwissenschaften<br />

orientieren und deshalb davon ausgehen, dass sozial- und kommunikationswissenschaftliche<br />

Theorien mit Hilfe der Mathematik und der<br />

formalen Logik gewonnen und formuliert werden müssen. Das ist ihre Basisorientierung,<br />

die auf der anderen Seite festlegt, was Theorie als Ergebnis<br />

von Forschung ist. Theorien sind in dieser Perspektive zusammenhängende<br />

logisch formulierte Aussagensysteme – Komplexe aus Wenn-Dannund<br />

Je-Desto-Aussagen auf der Basis logisch konzipierter Begrifflichkeiten<br />

bzw. Verbalisierungen davon. Das wird deswegen als reduktionistisch gescholten,<br />

weil es ja nicht schwer ist, Beispiele logischer Folgerungen zu<br />

finden, die zwar aus akzeptierten Annahmen ableitbar sind, aber zu nicht<br />

akzeptierten Ergebnissen führen.<br />

Demgegenüber haben die sogenannten qualitativen Verfahren untereinander<br />

nur wenige Gemeinsamkeiten. Immerhin ist bei allen vorausgesetzt,<br />

dass Daten nur unter Berücksichtigung von Bedeutungskontexten Sinn<br />

machen können, und nur, wenn man ihren Sinn berücksichtigt, kann man<br />

sie verstehen und in der Forschung verwerten. Ferner zielen sie alle im<br />

Ergebnis auf Theorien, die man als komplexe Texte verstehen muss, in<br />

denen die Forschungsergebnisse dargestellt und begründet werden. Diese<br />

theoretischen Texte müssen sich auf erhobene Daten aus der „Wirklichkeit“<br />

beziehen, mehr oder weniger logisch und plausibel sein, einen gewissen<br />

Erklärungswert haben. Man muss ferner ihren Entstehungszusammenhang<br />

rekonstruieren und beurteilen können, und sie müssen von der<br />

Wissenschaftlergemeinschaft oder einem Teil mehr oder weniger akzeptiert<br />

werden. Von zentraler Bedeutung ist auch, dass sich die erhaltene<br />

Theorie zu dem bereits vorhandenen Theoriefundus verhält, also ihre Beziehungen<br />

klärt. Hier sind eine Reihe von Fragen offen, insbesondere gibt<br />

es beispielsweise auch Theorien, die einzelne dieser Forderungen verletzen,<br />

trotzdem aber zu den wichtigen wissenschaftlichen Texten mit einem<br />

empirischen Bezug gehören, etwa die Texte von Emile Durkheim oder Max<br />

Weber.<br />

Gemeinsamkeiten<br />

Neben ihren Unterschieden weisen formalstrukturelle und kontextbezogene<br />

Forschungsansätze aber auch Gemeinsamkeiten auf. Dazu gehört, dass<br />

sowohl qualitative als auch quantitative Verfahren letztlich induktive Verfahren<br />

sind, dass Forschung eigentlich als Prozess beschrieben wird, der<br />

bestimmte Regeln erfüllen muss, und dass beide Vorgehensweisen letztlich<br />

symbolische Theorien erzeugen, die sich zwar auf die „Realität“ beziehen,<br />

die aber nicht Teil des Forschungsgegenstandes sind, aus dessen Untersuchung<br />

sie gewonnen wurden (auch, wenn sie diesen beeinflussen<br />

Seite 6 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


können). Diese Gemeinsamkeiten übertragen sich vermutlich auf hybride<br />

Forschung, wenn man sie einfach additiv betreibt.<br />

Hybride Forschung als Prozess<br />

Hybride Forschung besteht also aus Theorien beider Art, wobei die Regelsysteme<br />

für korrektes forschendes Handeln nicht gemischt werden sollten,<br />

sondern voneinander unabhängig angewandt werden sollten. Dann beziehen<br />

sich die quantitativ bzw. qualitativ erzeugten Teiltheorien auf unterschiedliche<br />

Fragestellungen und Teilaspekte und müssen letztlich zusammengesetzt<br />

werden. Induktiv und vorläufig ist das also immer auch, und<br />

auch der additiv erzeugte Forschungsbericht steht der Realität gegenüber<br />

und bezieht sich in seinen verschiedenen Teilen mittels unterschiedlicher<br />

Richtigkeitskriterien auf den Forschungsgegenstand. Das gibt sicher mehr<br />

Einblick in die Forschungsfrage als nur quantitative oder nur qualitative<br />

Verfahren, ist aber nicht befriedigend.<br />

Einen anderen Weg geht die Ethnographie, die einzige Forschungsmethode,<br />

die sowohl qualitative als auch quantitative Untersuchungen berücksichtigt.<br />

Die ethnographische Forscherin und der ethnographische Forscher<br />

versuchen, die von ihnen untersuchte Kultur auf der Basis eines praktisch<br />

geteilten Alltags mit allen zur Verfügung stehenden Methoden zu untersuchen<br />

und sie breit zu verstehen und zu beschreiben und dann auf dieser<br />

Basis konkrete Forschungsfragen zu lösen. Das endgültige Produkt solcher<br />

Forschung entsteht dann aber im Allgemeinen außerhalb des konkreten<br />

Aufenthalts im Feld, weil es einerseits eine Vermittlung zwischen zwei Kulturen<br />

leisten muss, und weil es als einheitlicher Bericht eine Gesamtstruktur<br />

besitzt und benötigt. Die Ethnographie hat in den letzten Jahrzehnten<br />

eine breite Diskussion darüber geführt, wie genau der Bezug eines so verfassten<br />

Forschungsberichts zu der untersuchten Kultur tatsächlich ist. So<br />

gesehen ist die Ethnographie ein hybrides Verfahren zur Erzeugung von<br />

Theorien – das hat sie gemeinsam mit der Grounded Theory sowie der<br />

heuristischen Sozialforschung.<br />

Von daher wäre es eine Möglichkeit, ein anderes Forschungsmodell zu<br />

entwickeln: Forschung beginnt mit einem Vorwissen von dem zu untersuchenden<br />

Gegenstand, das unscharf, vielleicht falsch, aber allgemein und<br />

theoretisch ist. Der Forschungsprozess besteht nun darin, dieses Vorwissen<br />

durch die Untersuchung verschiedener Fälle mit sowohl quantitativen<br />

als auch mit unterschiedlichen qualitativen Methoden zu verbessern. Dies<br />

geschieht (unabhängig von Induktiv und Deduktiv) komparativ: Es werden<br />

einzelne neue Fälle untersucht und das, was für diese Einzelfälle gültig ist,<br />

wird mit dem vorher bereits gesammelten Wissen verglichen – es wird geändert,<br />

wo notwendig. So wird das bereits gesammelte Wissen einerseits<br />

getestet, andererseits weiter entwickelt, solange, bis keine neuen Fälle<br />

mehr gefunden werden, aufgrund derer die Theorie modifiziert werden<br />

muss.<br />

Ein Ergebnis lässt sich dann als Textzusammenhang auf der Basis der Reformulierung<br />

der bis dahin gesammelten Einsichten verfassen; weil alle<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 7


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

möglichen Fälle dabei berücksichtigt sind, handelt es sich zweifelsohne um<br />

eine Theorie. Da die Forschungsregeln jeder Methode letztlich als Ablaufmodell<br />

formuliert sind, ist dieses komparative Ablaufmodell ebenfalls eine<br />

Antwort auf Forschungsnotwendigkeiten. Hierfür müssen <strong>aller</strong>dings Kriterien<br />

der Güte entwickelt werden.<br />

Uwe Hasebrink, Hamburg<br />

Gegenstandsbezogene Forschung:<br />

Pragmatische Überlegungen zum Zusammenspiel<br />

quantitativer und qualitativer Methoden<br />

In Abstimmung mit und in Ergänzung zu dem Vortrag von Friedrich Krotz<br />

wird das gemeinsame Thema, die Kombination verschiedener methodischer<br />

Zugänge in Forschungskontexten, die in erster Linie durch den jeweiligen<br />

Gegenstand geprägt sind, fortgeführt. Die Überlegungen, dies<br />

wird im Titel durch die umgekehrte Reihenfolge der quantitativen und<br />

qualitativen Methoden angedeutet, erfolgen aus einer Perspektive, in der<br />

die gemeinhin als „quantitativ“ bezeichneten Methoden im Vordergrund<br />

stehen.<br />

Grundlage des Vortrags sind Erfahrungen mit Forschungsprojekten, die<br />

weniger aus einem wissenschaftsgeprägten Entdeckungszusammenhang<br />

stammen, sondern sich eher aus Problemstellungen in der Praxis oder aus<br />

Streitfragen zur aktuellen Medienentwicklung ergeben. Der bei diesen Projekten<br />

interessierende Forschungsgegenstand sperrt sich der Zuordnung<br />

zu den disziplinär und paradigmatisch abgesteckten Feldern der wissenschaftlichen<br />

Landkarten; um nicht von vornherein bestimmte Aspekte des<br />

Gegenstandsbereichs auszublenden, sind daher jeweils verschiedene theoretische<br />

Konzepte und methodische Vorgehensweisen miteinander zu<br />

kombinieren.<br />

Bei den empirischen Beispielen handelt es sich zum Einen um Versuche,<br />

die gängigen Reichweitendaten, wie sie von der GfK für das Fernsehen<br />

und von der Media Analyse für Hörfunk und Fernsehen geliefert werden<br />

und als Inbegriff quantitativer Daten in der Kommunikationswissenschaft<br />

betrachtet werden können, auch für vertiefende wissenschaftliche Fragen<br />

fruchtbar zu machen; die dazu erforderlichen Reanalysen reichen selbst<br />

bereits an den Bereich der eher als „qualitativ“ zu bezeichnenden Auswertungsstrategien<br />

heran, darüber hinaus ergeben sich aus ihnen Anknüpfungspunkte<br />

für qualitativ angelegte Ergänzungen des Forschungsdesigns.<br />

Zum Anderen geht es um solche Studien, die sich ein bestimmtes Medienangebot<br />

(z.B. Daily Talks) herausgreifen und untersuchen, welche Funktionen<br />

und potenziellen Auswirkungen dieses Angebot in bestimmten Bevölkerungsgruppen<br />

hat; Studien dieser Art umfassen sowohl Angebotsanalysen<br />

als auch qualitativ und quantitativ angelegte Rezeptionsuntersuchungen.<br />

Seite 8 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Die angekündigten „pragmatischen Überlegungen“ zum Zusammenspiel<br />

von quantitativen und qualitativen Methoden folgen der Unterteilung des<br />

Forschungsprozesses in Entdeckungs-, Begründungs- und Verwertungszusammenhang.<br />

Besonders hervorgehoben wird dabei im Vortrag der Verwertungszusammenhang.<br />

Gegenstandsbezogene Forschung im hier gemeinten<br />

Sinne hat verschiedene Zielgruppen: die an der Fragestellung interessierten<br />

„Scientific Communities“, die Auftraggeber oder Förderer sowie<br />

insbesondere die verschiedenen Institutionen und gesellschaftlichen<br />

Gruppen, die in ihrem beruflichen oder privaten Alltag von dem Gegenstand<br />

betroffen sind. Diese Zielgruppen unterscheiden sich erheblich in<br />

den Kriterien, die sie an wissenschaftliche Arbeiten anlegen. Entsprechend<br />

ist bei der Vermittlung von Forschungsergebnissen mit sehr disparaten<br />

Reaktionen zu rechnen. Anhand der genannten Beispielprojekte soll veranschaulicht<br />

werden, dass im Hinblick auf den Verwertungszusammenhang<br />

gegenstandsbezogener Forschung das für die Nachrichtenrezeption<br />

ausgearbeitete Konzept der „Alltagsrationalität“ sinngemäß auf die Rezeption<br />

wissenschaftlicher Ergebnisse übertragen werden kann: Die dabei zur<br />

Anwendung kommenden Heuristiken haben erstens nur entfernt mit wissenschaftlich<br />

begründeten Gütekriterien zu tun, und zweitens unterscheiden<br />

sich die verschiedenen Zielgruppen erheblich in der Gewichtung der<br />

Aussagekraft verschiedener Befunde. Kombinationen von quantitativen<br />

und qualitativen Methoden stellen so auch ein mögliches Verfahren dar,<br />

die Anschlussfähigkeit der Forschung an verschiedene Diskurse zu ermöglichen.<br />

Abschließend soll die mittlerweile oft zu beobachtende Begeisterung für<br />

Methodenkombinationen dieser Art kritisch hinterfragt werden. Zuweilen<br />

hat es den Anschein, als sei die Kombination quantitativer und qualitativer<br />

Verfahren per se ein Qualitätskriterium; dies lässt sich etwa bei Projektausschreibungen<br />

der Landesmedienanstalten erkennen, in denen relativ<br />

unabhängig vom jeweiligen Gegenstand eine solche Kombination verlangt<br />

wird. Dass dem nicht so ist, dass die entsprechenden Methodenkombinationen<br />

vielfach nur auf einer oberflächlichen Ebene Berührungspunkte aufweisen,<br />

nicht jedoch ein kohärentes Bild vom Gegenstand liefern, lässt<br />

sich am Beispiel der genannten Studien veranschaulichen. Damit könnte,<br />

so die Hoffnung, eine Vorlage für die folgenden Beiträge gegeben sein, die<br />

sich mit konkreten Formen der Methodenkombination auseinandersetzen.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 9


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Helena Bilandzic, Erfurt<br />

Zur Komplementarität qualitativer und quantitativer<br />

Methoden bei der Konstruktion einer Handlungstheorie<br />

mittlerer Reichweite<br />

1 Problemstellung und wissenschaftstheoretischer Hintergrund<br />

Ziel des Beitrags ist es, eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie Theorien mittlerer<br />

Reichweite 1 aus allgemeinen Handlungstheorien konstruiert werden<br />

können, indem eine wissenschaftstheoretisch begründete Abfolge qualitativer<br />

und quantitativer Methoden zur Anwendung kommt. 2<br />

Die Erklärung von Handlungen steht am Schnittpunkt zwischen qualitativer<br />

und quantitativer Forschung. Im deduktiv-nomologischen Paradigma,<br />

das mit quantitativer Forschung assoziiert ist, werden Handlungen nach<br />

dem Vorbild der Naturwissenschaften erklärt: Handlungen werden als Ereignisse<br />

gesehen, die sich aus einem allgemeinen Gesetz und Antezendensbedingungen<br />

ableiten und damit erklären lassen (Hempel, 1977;<br />

Hempel/Oppenheim, 1965).<br />

Solche kausalistischen Erklärungen werden von Vertretern der Analytischen<br />

Handlungstheorie abgelehnt, mit dem Argument, dass Handlungserklärungen<br />

ohne einen Rekurs auf Intentionen nicht vollständig seien.<br />

Bezieht man aber Intentionen als Gründe mit ein, kann man dem deduktiv-nomologischen<br />

Schema nicht mehr folgen, weil Intentionen keine äußeren<br />

Ursachen darstellen, die getrennt empirisch geprüft werden können,<br />

sondern eine innere, „logische“ Verbindung zur Handlung haben (Winch<br />

1966, von Wright 2000).<br />

Diese Überlegungen der Analytischen Handlungstheorie zum Handlungsbegriff<br />

„konvergieren mit den methodologischen Prämissen des interpretativen<br />

Paradigmas der soziologischen Handlungstheorie [und damit der<br />

qualitativen Sozialforschung, Amn. d. Verf.], welches im Anschluss an<br />

Mead und Schütz von Blumer, Wilson und Cicourel formuliert wurde: soziales<br />

Handeln kann ohne Bezugnahme auf die individuellen Zielsetzungen<br />

der Akteure weder verstanden noch erklärt werden“ (Kelle 1997: 15).<br />

Moderne Positionen heben den Anspruch der Ausschließlichkeit der deduktiv-nomologischen<br />

und interpretativen Position auf und definieren Handlungserklärungen<br />

dann als vollständig, wenn sie sowohl intentionale als<br />

auch nicht-intentionale Handlungsgründe berücksichtigen (Kelle 1997: 89<br />

ff. auf Basis von Tuomelas (1978) Überlegungen): Intentionale Handlungsgründe<br />

stellen die Gründe dar, die ein Akteur aufgrund seiner Interpretation<br />

der Situation als handlungsleitend empfindet, seine Wünsche,<br />

1 d.h. Theorien, die sich auf einen begrenzten Gegenstandsbereich beziehen (Merton,<br />

1968).<br />

2 „Quantitativ“ bedeutet dabei, dass eine Messung (ab Nominalskalenniveau) vorgenommen<br />

wird, „qualitativ“ hingegen, dass keine Messung erfolgt.<br />

Seite 10 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Motive, Ziele. Sie werden als ‚Handlungsmaximen‘ formuliert und verknüpfen<br />

Handlungsziele und die dazu notwendigen Mittel. Nicht-intentionale<br />

Gründe oder Kontextbedingungen sind den Akteuren nicht bewusst, wirken<br />

aber dennoch als Rahmen für die Handlungsmaximen, etwa in der<br />

Zugänglichkeit von Handlungsressourcen oder als soziale und ökonomische<br />

Zwänge.<br />

Die Art der Erklärung und der methodische Zugang sind eng miteinander<br />

verbunden: Sollen intentionale Gründe erforscht werden, „müssen Verfahren<br />

der Beobachtung und Befragung zur Anwendung kommen, mit deren<br />

Hilfe die dem Handeln der Akteure zugrundeliegenden Motive, Präferenzen<br />

und Überzeugungen rekonstruiert werden können“ (Kelle 1997: 92).<br />

Nicht-intentionale Gründe werden anhand objektiver Merkmale der Situation<br />

und des Kontexts bestimmt, etwa sozialer, ökonomischer oder soziodemografischer<br />

Merkmale. Da hier die Akteure keine Auskunft über die<br />

relevanten Faktoren geben können, muss der Forscher im Sinne des deduktiv-nomologischen<br />

Erklärungsansatzes tätig werden und eigene Erklärungsvorstellungen<br />

entwickeln und / oder theoretisch ableiten. Hingegen<br />

bei den intentionalen Erklärungen kann nur dann sinnvoll deduktiv-nomologisch<br />

gearbeitet werden, wenn ausreichend Vorwissen über den Handlungsbereich<br />

vorhanden ist. Wenn dies jedoch nicht zutrifft, ist eine Konkretisierung<br />

der Handlungsmaximen über eine qualitative Untersuchung<br />

notwendig.<br />

Im Vortrag soll die Konstruktion einer vollständigen Handlungserklärung<br />

am Beispiel von Fernsehprogrammauswahl nachgezeichnet und dabei das<br />

Ineinandergreifen qualitativer und quantitativer Methoden, das in der skizzierten<br />

Idealvorstellung einer vollständigen Handlungserklärung nach Kelle<br />

angelegt ist, aufgezeigt werden (Bilandzic, erscheint 2003). Im Gegensatz<br />

zum klassischen Phasenmodell (Barton & Lazarsfeld, 1979), in dem qualitative<br />

Verfahren als Basis für weiterführende quantitative Untersuchungen<br />

dienen, erfolgt hier eine wissenschaftstheoretisch begründete „Arbeitsteilung“<br />

zwischen den Methoden, wobei qualitative Methoden den intentionalen<br />

Teil der Handlung modellieren und quantitative den nicht-intentionalen.<br />

2 Anwendung in der Theoriekonstruktion<br />

Zu erklärende Handlung: Es soll ein theoretisches Modell entwickelt und<br />

geprüft werden, das erklärt, wie sich Zuschauer Fernsehprogramme am<br />

laufenden Fernseher (also durch Umschaltungen) aussuchen.<br />

1. Allgemeines Handlungsprinzip.<br />

Es wird grundsätzlich angenommen, dass Zuschauer ihre Handlungen und<br />

Handlungsziele situativ orientieren: Sie benutzen die Informationen, die<br />

sie aktuell aus dem Fernsehen wahrnehmen, um zu entscheiden, ob eine<br />

Optionen verfolgenswert ist. Dabei vereinfachen sie den Entscheidungsprozess,<br />

indem sie Leitmotive in der Situation definieren (z.B. Vorliebe für<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 11


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

das Genre Krimi, Interesse an Sportthemen, Gewohnheiten, Bequemlichkeit).<br />

Je nach Situationsdefinition der Zuschauer werden verschiedene Aspekte<br />

der Situation relevant und leiten die Handlung an. Die Situationsdefinition<br />

stellt den Relevanzrahmen (Frame) dar, in dessen Licht eine Selektionsentscheidung<br />

getroffen wird (Esser 1990: 238 f.; Esser 1999: 161<br />

ff.).<br />

Aus bestehender Forschung kann für dieses situative Handlungskonzept<br />

nicht abgeleitet werden, welche Handlungsmaximen die Zuschauer dabei<br />

anlegen und wie sie Inhalt und Entscheidung verknüpfen.<br />

2. Konkretisierung der Handlungsmaximen.<br />

Um Handlungsmaximen / intentionale Gründe für den speziellen Handlungsbereich<br />

der Fernsehprogrammauswahl zu konkretisieren, wurde eine<br />

qualitative Studie durchgeführt, die die Methode des lauten Denkens und<br />

die Beobachtung kombiniert und damit Interpretationen der Zuschauer mit<br />

dem objektiven Verhalten und dem objektiven Inhalt verknüpft. Dieses<br />

Vorgehen entspricht der theoriearmen oder empiriegeleiteten Konstruktion<br />

von Brückenannahmen (vgl. Kelle & Lüdemann, 1995). 1<br />

In der Auswertung wurden (empirische) Typen von Handlungen und Handlungserklärungen<br />

gebildet. Zwei Handlungsmaximen konnten identifiziert<br />

werden: Eine Auswahl findet statt, wenn Zuschauer eine Option positiv<br />

evaluieren, oder aber, wenn sie sich aktiv mit dem Inhalt auseinandersetzen<br />

können. Allerdings ist der konkrete Grund, warum positiv evaluiert<br />

wird oder welcher Inhalt für eine aktive Auseinandersetzung aufgegriffen<br />

wird, stark idiosynkratisch und eignet sich nicht für eine prognostische<br />

Verallgemeinerung (z.B. kann man nicht prognostizieren, dass sich jemand<br />

für einen Magazinbeitrag interessieren wird, weil er den Urlaubsort,<br />

um den es geht, schon einmal besucht hat). Die genaue intentionale Erklärung<br />

kann zwar ex post rekonstruiert werden – eine Prognose ist <strong>aller</strong>dings<br />

nicht möglich.<br />

3. Aufdecken der intentionalen Lücke.<br />

Die qualitative Studie hat gezeigt, dass der freie Selbstbericht bei längeren<br />

Rezeptionsstrecken gut und ausführlich, bei schnell aufeinanderfolgenden<br />

Umschaltungen hingegen oberflächlich ausfällt. Dies ist ein Hinweis<br />

darauf, dass eine intentionale Erklärung durch die Zuschauer selbst<br />

in diesem Fall nicht mehr möglich ist und hier ein stark verkürzter, rationalisierter<br />

Prozess abläuft, der den Zuschauern nicht bewusst ist – und<br />

der in diesem Sinne eine intentionale Lücke darstellt.<br />

1 Brückenannahmen sind Konkretisierungen von Handlungstheorien und „stellen die Verbindung<br />

zwischen der objektiven Situation und den subjektiven Motiven und dem subjektiven<br />

Wissen der Akteure her“ Esser 1999: 15 f.). Sie werden vor allem in Hinblick auf Rational<br />

Choice-Theorien diskutiert (Lindenberg 1991); vom Grundgedanken her sind sie aber<br />

auf jede andere Handlungstheorie anwendbar; vgl. auch Esser 1999: 403).<br />

Seite 12 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


4. Nomologische Formulierung der Kontextbedingungen.<br />

Diese intentionale Lücke ist der Ausgangspunkt für die Identifikation nichtintentionaler<br />

Gründe. Analog zu Zwei-Prozess-Theorien (z.B. Elaboration<br />

Likelihood Model von Petty & Cacioppo 1986) wird der Modus der Urteilsbildung<br />

beim Fernsehen als variabel angenommen: Beim schnellen Durchschalten<br />

kann postuliert werden, dass die Urteilsbildung noch ökonomischer<br />

abläuft und sich dabei an Merkmalen orientiert, die leicht und mühelos<br />

verarbeitet werden können (periphere/ heuristische Verarbeitung) –<br />

genau solche Merkmale können Zuschauer beim schnellen Durchschalten<br />

als Anhaltspunkte dafür nehmen, ob sie den Inhalt positiv bewerten oder<br />

sich aktiv damit auseinandersetzen können.<br />

Der Grundgedanke solcher leicht verarbeitbarer (oder: „peripherer“) Merkmale<br />

wird mit Hilfe von Erkenntnissen aus Informationsverarbeitungs- und<br />

Aufmerksamkeitstheorien konkretisiert (= theoriereiche Brückenannahmen);<br />

es können zwei Typen solcher Merkmale identifiziert werden:<br />

1. Merkmale, die Faustregeln ansprechen: leicht erkennbare Merkmale,<br />

die für eine positiv bewertete Klasse stehen (z.B. gewohnheitsmäßig<br />

rezipiertes Genre, bevorzugter Sender) oder das Potential für eine<br />

aktive Auseinandersetzung anzeigen (wenn etwa eine neue Sendung,<br />

ein neuer Beitrag beginnt), führen zur Rezeption.<br />

2. Merkmale, die eine unwillkürliche Aufmerksamkeitsreaktion hervorrufen<br />

(Schnitte, Bewegung, Gewalt, Erotik etc.) unterbrechen ebenfalls<br />

den heuristischen Modus.<br />

Die empirische Umsetzung dieses Teils erfolgt mit einer quantitativen Inhaltsanalyse<br />

des Fernsehprogramms (mit Merkmalen wie Schnitte, Kamera-<br />

und Objektbewegung, Gewalt Erotik) in Kombination mit quantitativen<br />

individuellen Nutzungsdaten (d.h. Umschaltprotokollen), auf deren Basis<br />

der Einfluss von Merkmalen der Fernsehbotschaft auf das Verhalten statistisch<br />

überprüft wird.<br />

Literatur:<br />

Barton, A.H. / Lazarsfeld, P.F. (1979): Einige Funktionen von qualitativer Analyse in der<br />

Sozialforschung. In: Hopf, C./ Weingarten, E. (Hrsg.). Qualitative Sozialforschung.<br />

Stuttgart: Klett-Cotta, S. 41 - 89.<br />

Bilandzic, H. (erscheint 2003). Synchrone Programmauswahl. Der Einfluss formaler und<br />

inhaltlicher Merkmale der Fernsehbotschaft auf die Fernsehnutzung. Reihe Rezeptionsforschung.<br />

München: R. Fischer.<br />

Esser, H. (1990). Habits, Frames und Rational Choice: Die Reichweite von Theorien der<br />

rationalen Wahl. Zeitschrift für Soziologie, 19(4):231–247.<br />

Esser, H. (1999). Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln.<br />

Frankfurt am Main: Campus.<br />

Hempel, C.G. (1977): Aspekte wissenschaftlicher Erklärung. Berlin/ New York: de<br />

Gruyter.<br />

Hempel, C.G. / Oppenheim, P. (1965/ 1948): Studies in the Logic of Explanation, Philosophie<br />

of Science, 15, 135-175; Nachdruck: Hempel, C.G. Aspects of scientific explanation<br />

and other essays in the philosophy of science. New York/ London 1965.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 13


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Kelle, U. (1997): Empirisch begründete Theoriebildung. Zur Logik und Methodologie interpretativer<br />

Sozialforschung. 2. Auflage. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.<br />

Kelle, U. / Lüdemann, C. (1995). „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie...“ Rational Choice<br />

und das Problem der Brückenannahmen. Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie,<br />

47(2):249–267.<br />

Lindenberg, S. (1991) Die Methode der abnehmenden Abstraktion: Theoriegesteuerte<br />

Analyse und empirischer Gehalt. In: Esser, H. & Troitzsch, K.G. (Hrsg.): Modellierung<br />

sozialer Prozesse. Bonn: Informationszentrum Sozialwiss., 29-78.<br />

Merton, R. (1968). Social theory and social structure. New York: The Free Press.<br />

Petty, R. E. & Cacioppo, J. T. (1986). Communication and persuasion: Central and peripheral<br />

routes to attitude change. New York: Springer-Verlag.<br />

Tuomela, R. (1978): Erklären und Verstehen menschlichen Verhaltens. In: K.-O. Apel/<br />

Manninen, J./Tuomela, R. (Hg.). Neue Versuche über Erklären und Verstehen. Frankfurt<br />

am Main: Suhrkamp, 30 – 58.<br />

Winch, P. (1966): Die Idee der Sozialwissenschaft und ihr Verhältnis zur Philosophie.<br />

[erstmals erschienen 1958]. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Wright, G. H. v. (2000): Erklären und Verstehen. 4. Auflage [erstmals erschienen 1971].<br />

Berlin: Philo.<br />

Schematische Darstellung der Theoriekonstruktion:<br />

1. allgemeines (empirisch<br />

leeres) Handlungsprinzip<br />

2. Konkretisierung:<br />

Handlungsmaximen<br />

theoriearme<br />

Brückenannahmen:<br />

Qualitative Studie<br />

(Lautes Denken und<br />

Beobachtung)<br />

+<br />

3. Aufdecken der<br />

intentionalen Lücke<br />

theoriereiche<br />

Brückenannahmen:<br />

Quantitative Studie<br />

(Inhaltsanalyse und<br />

Verhaltensdaten)<br />

4. Nomologische Formulierung<br />

der Kontextbedingungen<br />

INTENTIONALE<br />

HANDLUNGSGRÜNDE<br />

NICHT-<br />

INTENTIONALE<br />

HANDLUNGSGRÜNDE<br />

Seite 14 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong><br />

VOLLSTÄNDIGE<br />

HANDLUNGS-<br />

ERKLÄRUNG


Christian Wenger, Augsburg<br />

Chancen und Probleme<br />

einer gleichberechtigten und simultanen Integration<br />

qualitativer und quantitativer Methoden<br />

Betrachtet man die Literatur zur Integration quantitativer und qualitativer<br />

Methoden so fällt auf, dass die Diskussion vor allem auf methodologischer<br />

und erkenntnistheoretischer Ebene geführt wird, wogegen Arbeiten, die<br />

sich mit der forschungspraktischen Umsetzung möglicher Methodenkombinationen<br />

auseinandersetzen, eher dünn gesät sind (vgl. Brannen1992,<br />

32; Kelle/Erzberger 1999, 516). Klärungsbedarf besteht also vor allem<br />

hinsichtlich handlungspraktischen Wissens. Dies gilt umso mehr für Bereiche<br />

wie die Kommunikations- und Medienforschung, in denen die bislang<br />

übliche Trennung quantitativer und qualitativer noch weitgehend üblich<br />

ist. 1<br />

Der häufig verwendete Begriff "Methodenmix" stellt dabei einen Umbrella-<br />

Begriff dar, der für eine Vielzahl möglicher Methodenkombinationen steht<br />

(vgl. Creswell/Clark/Gutmann/ Hanson 2003, 212). Diese lassen sich nach<br />

den Kriterien 1. Priorität, 2. Abfolge und 3. Integrationsebene unterscheiden<br />

(vgl. ebd., 218; Brannen 1992).<br />

Priorität Abfolge Integrationsebene<br />

quantitativ dominant<br />

qualitativ dominant<br />

zuerst<br />

qualitativ<br />

zuerst<br />

quantitativ<br />

("Phasenmodell"<br />

(vgl. Kelle/<br />

Erzberger 1999,<br />

511ff)<br />

Erhebung<br />

(z.B. offene Fragen in einem<br />

standardisierten Fragebogen)<br />

Analyse<br />

(z.B. quantitative Auswertung<br />

qualitativer Daten)<br />

gleichberechtigt simultan Interpretation<br />

("between-method-<br />

Triangulation" (Flick 2000))<br />

Unter einer Methodenintegration 'im engeren Sinne' versteht man im Allgemeinen<br />

eine Integration von qualitativen und quantitativen Daten auf<br />

der Ebene der Interpretation, da sich erst auf dieser Ebene die beiden unterschiedlichen<br />

Rahmenkonzepte mit ihrem je spezifischen Zugang zur sozialen<br />

Wirklichkeit zeigen (vgl. Sandelowski 2003, 324).<br />

Die Frage, ob und wieweit eine Methodenintegration überhaupt sinnvoll<br />

ist, kann dabei nicht per se beantwortet werden, sondern muss sich im-<br />

1<br />

Als Beispiel für die Dominanz quantitativer Methodologie in den Kommunikationswissenschaft<br />

vgl. z.B. Brosius/Koschel 2001. Brosius und Koschel erwähnen in ihrem Lehrbuch<br />

zwar ausdrücklich die Möglichkeit qualitativer Verfahren, zu ihren Bedingungen und Methoden<br />

schweigen sie sich <strong>aller</strong>dings weitgehend aus und zeichnen so letztlich ein recht<br />

einseitiges Bild ("Am Anfang von empirischer Forschung steht die Theorie" (ebd., 104)),<br />

das jedoch den 'Kanon' innerhalb der Fachdisziplin wiederspiegelt. Zur Perspektive der<br />

qualitativen Medien- und Kommunikationsforschung vgl. z.B. Mikos 1998.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 15


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

mer an den spezifischen Erfordernissen des zu untersuchenden Gegenstandbereichs<br />

orientieren. Eine wesentliche Aufgabe muss nun darin bestehen,<br />

mögliche Schnittstellen aber auch Probleme der Methodenintegration<br />

aufzuzeigen, um so konkrete Handlungsanweisungen, vor allem auch für<br />

bisher eher weniger genutzte Formen, zu liefern.<br />

In meinem Beitrag möchte ich daher die Chancen und Probleme eines,<br />

bislang wenig erforschten (vgl. Bryman 1992, 66), gleichberechtigten und<br />

simultanen Einsatzes beider Methoden innerhalb eines Projekts diskutieren.<br />

Dabei handelt es sich in erster Linie um allgemeine Überlegungen, die<br />

anhand von einigen Beispielen und Lösungsvorschlägen illustriert werden<br />

sollen. Dies geschieht entlang folgender Fragen:<br />

1 Welche Forschungsstrategie<br />

Die Forschungsstrategien beider Methoden – zirkuläres Vorgehen in der<br />

qualitativen Forschung vs. linearer Aufbau quantitativer Designs – erscheinen<br />

auf den ersten Blick unvereinbar. Die Übernahme der jeweils anderen<br />

Strategie bringt spezifische Probleme mit sich, die die jeweilige Methode<br />

in bestimmten Teilen schwächen (vgl. Witt 2001). Eine mögliche<br />

Strategie für eine Integration, die die Stärken beider Methoden fruchtbar<br />

macht, könnte das aus der qualitativen Forschung bekannte Konzept der<br />

"Grounded Theory" (Glaser/Strauss 1965,1979) liefern.<br />

Das dort formulierte Prinzip einer gleichzeitig stattfindenden Induktion,<br />

Deduktion und Verifikation eignet sich sowohl für qualitative, als auch für<br />

quantitative Methoden. Die explorative Vorgehensweise bei der Auswertung<br />

erlaubt eine sukzessive sich entfaltende Interpretation, die von den<br />

im Verlauf der Studie gewonnenen Ergebnissen angeleitet wird und in einem<br />

fortlaufenden Vergleich innerhalb und zwischen den Methoden die<br />

Interpretation der Daten und das Wissen um das Verhältnis der Ergebnisse<br />

aus beiden Methodensträngen zueinander entwickelt. Dies setzt jedoch<br />

bestimmte Anforderungen an beide Methoden voraus, die einerseits die<br />

für eine Exploration notwendige Offenheit gewährleisten, andererseits a-<br />

ber eine vorgängige Strukturierung wie sie für quantitative Forschung unabdingbar<br />

ist, mit einschließen.<br />

2 Welchen wechselseitigen Beitrag können qualitative und<br />

quantitative Methoden in den verschiedenen Phasen<br />

des Forschungsprozesses liefern<br />

2.1 Projektierung und Konzeption<br />

Sowohl qualitative als auch quantitative Methoden besitzen spezifische<br />

Vor- und Nachteile, die sich auf unterschiedliche Weise auf die Konzeption<br />

und Organisation von Forschungsprojekten sowie auf die Akquisition von<br />

Forschungsmitteln auswirken.<br />

Seite 16 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


2.2 Datenerhebung<br />

Quantitative Ergebnisse können dazu genutzt werden, Hinweise für die<br />

Auswahl qualitativer Samples zu liefern und mögliche Verzerrungen, wie<br />

sie z.B. durch das häufig verwendete Schneeballverfahren entstehen können,<br />

zu vermeiden. Umgekehrt können Erkenntnisse aus qualitativen Teilprojekten<br />

unter bestimmten Bedingungen (z.B. wenn Zufallsstichproben<br />

nicht möglich oder nur Teilpopulationen der zu untersuchenden Grundgesamtheit<br />

zugänglich sind) zur Güte von Stichprobenkonstruktionen beitragen.<br />

2.3 Auswertung/Interpretation<br />

Für eine Methodenintegration im Sinne einer Triangulation gibt es zahlreiche<br />

Anknüpfungspunkte (z.B. Testen von Hypothesen, die sich aus dem<br />

qualitativen Material entwickeln, Ergänzung qualitativer Mikrodaten durch<br />

strukturelle Makrodaten).<br />

Das Verhältnis beider Methoden lässt sich jedoch nicht aufgrund eines einzelnen<br />

methodologischen Modells bestimmen. Prinzipiell können die Ergebnisse<br />

konvergent, komplementär und divergent sein. Dies verlangt,<br />

"dass die Wahl der methodischen Instrumente in Beziehung gesetzt wird<br />

zu theoretischen Annahmen über die Natur des untersuchten Gegenstandsbereich"<br />

(Kelle/Erzberger 1999, 525) anstatt vorab festgelegt zu<br />

werden.<br />

Den Forscher stellt dies vor das Problem, ständig, je nach gerade betrachtetem<br />

Teilaspekt, das Verhältnis beider Methoden neu bestimmen zu müssen.<br />

2.4 Darstellung<br />

Das Verfassen von Forschungsberichten stellt einen zentralen Bestandteil<br />

der Arbeit eines Wissenschaftlers dar. Regeln für eine integrative Präsentation<br />

existieren bislang <strong>aller</strong>dings noch nicht. Die Entwicklung von Standards<br />

integrativer Darstellungsformen wird dabei durch verschiedene Einflussfaktoren<br />

(z.B. typische Lesegewohnheiten unterschiedlicher<br />

"Interpretationsgemeinschaften" (Fish 1980), informeller Zwang zur<br />

idealisierten Darstellung 'gelungener' Forschung) behindert.<br />

3 Resümee<br />

Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden bringt bestimmte<br />

Vorteile, aber auch einige – bisher noch nicht gelöste – Probleme mit sich.<br />

Man kann also nicht grundsätzlich sagen, dass Methodenkombinationen<br />

gegenüber Studien, die 'nur' auf einer Methode beruhen überlegen wären.<br />

Der sinnvolle Einsatz integrativer Modelle hängt letztlich vor allem vom zu<br />

untersuchenden Gegenstandsbereich und einer daran ausgerichteten theoretisch<br />

entwickelten Fragestellung ab. Allerdings spielen auch eine ganze<br />

Reihe von äußeren Restriktionen in die Entscheidung für eine bestimmte<br />

Forschungsstrategie mit hinein (z.B. zeitliche und finanzielle Ressourcen,<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 17


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Adressaten). Daher lassen sich nur einige recht allgemeine Konstellationen<br />

nennen, die die Anwendung einer Methodenintegration nahe legen.<br />

Ein wichtiger Beitrag der Integration quantitativer und qualitativer Methoden<br />

kann schließlich darin bestehen, die oftmals impliziten Pragmatiken<br />

beider Methoden stärker ins Bewusstsein zu rufen – v.a. uneingestandene<br />

Hermeneutik in der quantitativen Forschung, sich selbst 'immunisierende'<br />

hermeneutische Argumentation in der qualitativen Forschung – und so dazu<br />

beizutragen, inhärente Schwächen beider Methoden zu überwinden.<br />

Literatur<br />

Brannen, Julia (1992): Combining qualitative and quantitative approaches: an overview.<br />

In: Julia Brannen (Hrsg.): Mixing methods: Qualitative and quantitative research. Aldershot/Brookefield<br />

USA/Hong Kong/Singapore/Sidney: Avebury. S. 3-37<br />

Brosius, Hans-Bernd; Koschel, Friederike (2001): Methoden der empirischen Kommunikationsforschung.<br />

Eine Einführung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />

Bryman, Alan (1992): Quantitative and qualitative research: further reflections on their<br />

integration. In: Julia Brannen (Hrsg.): Mixing Methods: Qualitative and Quantitative<br />

Research. Aldershot/Brookefield USA/Hong Kong/Singapore/Sidney: Avebury. S. 57-<br />

78<br />

Creswell, John W.; Clark, Vicki L. Plano; Gutmann, Michelle L.; Hanson, William E.<br />

(2003): Advanced mixed methods research designs. In: Abbas Tashakkori; Charles<br />

Teddle (Hrsg.): Handbook of mixed methods in social & behavioural research. Thousand<br />

Oaks/London/New Delhi: Sage. S. 209-240<br />

Fish, Stanley (1980): Is there a text in this class The authority of interpretive communities.<br />

Cambridge, MA: Harvard University Press<br />

Flick, Uwe (2000): Triangulation in der qualitativen Forschung. In: Flick, Uwe; Kardorff,<br />

Erich v. & Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt.<br />

S.309-318<br />

Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (1965, 1979): Die Entdeckung gegenstandbezogener<br />

Thoerie: Eine Grundstrategie qualitativer Sozialforschung. In: Christel Hopf &<br />

Elmar Weingarten (Hrsg.): Qualitative Sozialforschung. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 91-<br />

112.<br />

Kelle, Udo & Erzberger, Christian (1999): Integration qualitativer und quantitativer Methoden.<br />

Methodologische Modelle und ihre Bedeutung für die Forschungspraxis. In:<br />

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 51(3). S. 509-531<br />

Mikos, Lothar (1998): Wie das Leben wirklich ist. Perspektiven qualitativer Medien- und<br />

Kommunikationsforschung. In: medien praktisch, 3. S. 4-8<br />

Sandelowski, Margarete (2003): Tables or tableaux The challenge of writing and reading<br />

mixed methods studies. In: Abbas Tashakkori; Charles Teddle (Hrsg.): Handbook of<br />

mixed methods in social & behavioural research. Thousand Oaks/London/New Delhi:<br />

Sage. S. 321-350<br />

Witt, Harald (2001, Januar): Forschungsstrategien bei quantitativer und qualitativer<br />

Sozialforschung [36 Absätze].Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative<br />

Social Research [On-line Journal], 2(1), Verfügbar über: http://qualitativeresearch.net/fqs/fqs.htm<br />

[Zugriff am 05.03.03]<br />

Seite 18 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Helmut Scherer, Eva Baumann, Daniela Schlütz, Nils von der Kall,<br />

Hannover<br />

Offenheit statt dogmatischer Beschränktheit – Über die<br />

Integration quantitativer und qualitativer Methoden in<br />

der Kommunikationsforschung<br />

Nach wie vor finden wir in der Kommunikationswissenschaft ein eher restriktives<br />

Verständnis von den Einsatzmöglichkeiten quantitativer und<br />

qualitativer Methoden, das letztlich die angemessene Beantwortung zahlreicher<br />

Fragen unnötig erschwert. Oft liegen dem ideologische Vorstellungen<br />

von der besonderen Leistungsfähigkeit quantitativer oder qualitativer<br />

Methoden zu Grunde, die meist mit der Abwertung der jeweils anderen<br />

Methode einhergehen. Selbst dann, wenn ein methodologischer Pluralismus<br />

begrüßt und die Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden<br />

gefordert wird, herrscht ein eher schematisches Verständnis von<br />

dem möglichen Zusammenwirken beider Methodologien vor.<br />

In der empirischen Kommunikationswissenschaft ist ein Phasenmodell vorherrschend,<br />

bei dem die qualitativen Methoden in explorativen Vorstudien<br />

eingesetzt werden, denen in der Regel eine quantitative Hauptstudie folgt.<br />

Die qualitative Vorstudie kann dabei Unterschiedliches leisten. Sie kann<br />

relevante Forschungsdimensionen explorieren helfen und damit einen<br />

wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Erhebungsinstrumente leisten. Qualitative<br />

Studien können aber auch zur Theoriebildung und Hypothesenentwicklung<br />

eingesetzt werden. Die nachfolgende quantifizierende Studie<br />

misst entweder die Verteilung der vorher explorierten Dimensionen oder<br />

sie prüft die in der Vorstudie entwickelten Hypothesen.<br />

Diese Beschränkung qualitativer und quantitativer Methoden auf bestimmte<br />

Aufgaben hängt eng mit grundlegenden Annahmen über die Leistungsfähigkeit<br />

dieser Methoden und mit bestimmten festgefügten Vorstellungen<br />

über die Natur des sozialwissenschaftlichen Forschungsprozesses zusammen.<br />

So geht man in der Regel davon aus, dass:<br />

• qualitativen Methoden kein Beweischarakter zukommen kann,<br />

• quantitative Methoden nicht zur Exploration eingesetzt werden können,<br />

• sich mit quantitativen Verfahren nicht verstehend arbeiten ließe<br />

• und der Forschungsprozess mit der Prüfung von Hypothesen und der<br />

damit verbundenen Bewährung von Theorien gewissermaßen seinen<br />

Abschluss findet.<br />

In unserem Beitrag wollen wir diese Grundannahmen kritisch hinterfragen<br />

und darauf aufbauend zeigen, dass beide Methodologien sich auf ganz unterschiedliche<br />

Weisen sinnvoll miteinander verbinden lassen. Insbesondere<br />

plädieren wir für eine Aufweichung der Konzentration auf das oben skizzierte<br />

Phasenmodell und für den häufigeren Einsatz einer Methodenkombination,<br />

bei der eine quantitative Basisstudie durch eine qualitative Vertiefungsstudie<br />

ergänzt wird. Dieses Vertiefungsmodell (vgl. Mayring,<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 19


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

2001) bietet Möglichkeiten, die grundlegenden Erkenntnisziele quantitativer<br />

und qualitativer Forschung sinnvoll zu verbinden:<br />

• Die Ergebnisse der quantitativen Basisstudie können in der qualitativen<br />

Studie gezielt problematisiert und somit vertiefend interpretiert werden.<br />

• Erklärungen, die auf quantitativen Daten beruhen, bergen die Gefahr<br />

der Missdeutung von Korrelationen. Eine nachgelagerte qualitative Studie<br />

vermag solche Missdeutungen aufzudecken und zu korrigieren.<br />

• Mittels einer repräsentativen, quantitativen Basisstudie können die<br />

Strukturen der Grundgesamtheit von Anfang an berücksichtigt und relevante<br />

von irrelevanten Untersuchungsdimensionen unterschieden werden.<br />

Bei qualitativen Vorstudien ist dies eben nicht möglich, da hier die<br />

Relevanzsetzungen der Probanden im Mittelpunkt stehen.<br />

• In der Basisstudie können diskriminanzanalytisch diejenigen soziodemografischen<br />

Merkmale ermittelt werden, die hinsichtlich der relevanten<br />

Untersuchungsdimensionen varianzgenerierend sind. Die Probanden der<br />

qualitativen Vertiefungsstudie können somit auf Grundlage eines theoretical<br />

sampling rekrutiert werden.<br />

Solche Vertiefungsstudien halten wir besonders als vertiefende Deutungen<br />

der Befunde aus quantitativen Sekundäranalysen für sinnvoll. Es sind aber<br />

auch noch andere Kombinationsformen quantitativer und qualitativer Vorgehensweisen<br />

möglich, bei denen in unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses<br />

jeweils unterschiedliche Aufgabenverteilungen vorgenommen<br />

werden. Denn jeder Forschungsprozess ist durch ein Beziehungsgeflecht<br />

zwischen Theorie und Empirie gekennzeichnet, das durch<br />

Rückbezüge innerhalb und zwischen den Stufen gekennzeichnet ist.<br />

Wir gehen davon aus, dass viele kommunikationswissenschaftliche Fragen<br />

nur unter Berücksichtigung und wechselseitiger Integration qualitativer<br />

und quantitativer Ansätze und Verfahren angemessen beantwortet werden<br />

können. Anhand zweier Beispiele sollen unterschiedliche Integrationsmöglichkeiten<br />

qualitativer und quantifizierender Schritte im Forschungsprozess<br />

herausgearbeitet werden. Beide Studien stammen aus dem weiteren Bereich<br />

der Gesundheitskommunikation. In der ersten Studie, die primär als<br />

Phasenmodell angelegt ist, wurde untersucht, wie Krankenhausserien vom<br />

Krankenhauspersonal wahrgenommen und verarbeitet werden. Hier findet<br />

zunächst das klassische Vorstudien-Hauptstudiendesign Anwendung. Mit<br />

Hilfe einer qualitativen Vorstudie wurden die Dimensionen des Rezeptionsverhaltens<br />

exploriert und auf dieser Basis sowie theoretischer Vorüberlegungen<br />

das Erhebungsinstrument entwickelt. Die qualitative Leitfadenstudie<br />

ermöglichte es insbesondere, die Befragung auf die spezielle Rezipientengruppe<br />

und ihren Berufsalltag abzustimmen, indem die Frageformulierungen<br />

häufig an Originalzitate angelehnt wurden. In der quantitativen<br />

Studie werden anschließend theoretisch prognostizierte Beziehungen zwischen<br />

verschiedenen Ebenen des Rezeptionsverhaltens analysiert. Die<br />

qualitative Studie dient also der Entwicklung von Erhebungsinstrumenten<br />

für die quantitative Studie. In einer Erweiterung des Phasenmodells wird<br />

Seite 20 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


es natürlich auch sinnvoll sein, die explorativen Befunde zur Verbesserung<br />

der Interpretation der quantitativen Ergebnisse heranzuziehen.<br />

In einer Studie zum Informationsverhalten von Ärzten haben wir das Vertiefungsmodell<br />

angewendet. In der quantitativen Basisstudie, einer Sekundäranalyse<br />

der LA-MED 2002 1 , wurden mittels strukturentdeckender<br />

Verfahren Zusammenhänge und Nutzungsmuster identifiziert und die Ärzte<br />

nach ihrem Informationsverhalten clusteranalytisch typologisiert.<br />

Die Ergebnisse der Sekundäranalyse bildeten in zweierlei Hinsicht die Basis<br />

für die Vertiefungsstudie, einer Leitfadenbefragung. Zum einen wurden<br />

die Befragten nach soziodemografischen Merkmalen rekrutiert, die sich in<br />

der LA-MED als signifikant diskriminierend hinsichtlich der unterschiedlichen<br />

Ärztetypen erwiesen hatten. Damit sollte gewährleistet werden, dass<br />

durch die Berücksichtigung der relevanten Personenmerkmale in der<br />

Stichprobe die Vielfalt des ärztlichen Informationshandelns abgedeckt ist.<br />

Zum anderen bildeten die zentralen Ergebnisse der Sekundäranalyse den<br />

inhaltlichen Kern des Leitfadens. So wurden die Ärzte aufgefordert, auffällige<br />

Informationsmuster und widersprüchliche Zusammenhänge aus der<br />

Sekundäranalyse zu kommentieren und zu erklären. Zusätzlich wurden sie<br />

gebeten, eigene Informationsstrategien zu schildern und in ihrer Sinnhaftigkeit<br />

darzulegen. Durch diese Kombination der methodologischen Ansätze<br />

sollten ein eingehenderes Verständnis und eine tiefergehende Deutung<br />

der sekundäranalytisch gewonnenen Befunde gewährleistet sowie eine höhere<br />

Validität der Erkenntnisse erzielt werden.<br />

Insgesamt möchten wir einen Beitrag dazu leisten, die oft unreflektierte<br />

Festlegung bestimmter Methodologien auf bestimmte Aufgaben zu überwinden<br />

und Hinweise darauf zu geben, welche unterschiedlichen Formen<br />

der Kombination zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren möglich<br />

sind.<br />

Literatur<br />

Mayring, P. (2001): Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Analyse.<br />

Forum Qualitative Sozialforschung [Online].<br />

Erhältlich: http://qualitative-research.net/fqs/fqs.htm [2003, 26. Juni]<br />

Wolfram Peiser, Mainz<br />

Grundlegende methodische Orientierungen<br />

in der Kommunikationswissenschaft<br />

Methoden werden zweckgerichtet und je nach Fragestellung einer wissenschaftlichen<br />

Untersuchung selektiv und flexibel eingesetzt – zumindest sollte<br />

1 Analysiert wurde die API-Studie 2002, eine Teilstudie der Leseranalyse medizinischer<br />

Fachzeitschriften (LA MED). In der Studie wurden ca. 1.000 niedergelassene Allgemeinärzte,<br />

Praktiker und Internisten primär zu ihrer Medien- und Informationsnutzung befragt.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 21


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

es so sein. Welche Methode bzw. Methodenkombination in einer empirischen<br />

Forschungsarbeit verwendet wird, hängt demnach in erster Linie von der<br />

verfolgten Fragestellung ab. Von Bedeutung sind dabei aber offenbar auch<br />

die Methodenkompetenzen und die grundlegende wissenschaftliche und forschungsmethodische<br />

Ausrichtung der Forscher – Faktoren, die als Restriktionen<br />

wirken dürften, die aber u.U. sogar eine forschungsleitende Rolle spielen.<br />

Um solche grundlegenden Methodenorientierungen – hier reduziert auf<br />

die Verwendung quantitativer und qualitativer Ansätze – soll es in diesem<br />

Vortrag gehen. Zwar wird die Diskussion um quantitative und qualitative<br />

Methoden heute weniger dogmatisch geführt als früher, aber trotzdem lassen<br />

sich noch entsprechende Schulen oder Lager ausmachen (Mayring,<br />

2001).<br />

Bedingungen der Methodenwahl in der Forschung<br />

Forschungsmethoden, die weithin bekannt sind und standardmäßig gelehrt<br />

werden, finden vermutlich schon deshalb mehr Verwendung. Besonders<br />

wichtig ist daher die Methodenausbildung. Nach der wissenschaftlichen Qualifikationsphase<br />

ist der Erwerb von Methodenkompetenzen nicht unbedingt<br />

abgeschlossen, aber hier dürften bereits wichtige Grundsteine gelegt sein,<br />

was die Kenntnis und Wertschätzung methodischer Ansätze betrifft. Vor allem<br />

im Generationenvergleich lassen sich Hinweise auf die Bedeutung der<br />

Methodenausbildung bzw. Methodensozialisation erkennen (zur Bedeutung<br />

des Generationskonzeptes in der Wissenschaftsforschung siehe Mayer,<br />

1992). So sind jüngere Wissenschaftler allein bedingt durch ihre vor kürzerer<br />

Zeit genossene Methodenausbildung auf einem neueren Stand.<br />

Empirische Methoden werden in der Forschungspraxis offenbar nicht völlig<br />

frei und ausschließlich an den Forschungszielen ausgerichtet gewählt. Es<br />

kommen verschiedene Restriktionen zum Tragen, die in der Ausbildung und<br />

bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit des jeweiligen Forschers angelegt<br />

sind. Man kann dies anhand theoretischer Grundprinzipien der Wirtschaftswissenschaft<br />

recht einfach erklären. Generell ist es ökonomisch vorteilhaft,<br />

für eine bestimmte, wiederholt zu erledigende Aufgabe immer das gleiche –<br />

bewährte – Problemlösungsmittel einzusetzen (Zipf, 1949). Nun kann man<br />

die Einarbeitung des Forschers in (für ihn) neue Theorien, Methoden usw.<br />

als Investitionsentscheidung auffassen, die unter Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten<br />

getroffen wird. Wer viel Aufwand in die von ihm bisher vertretenen<br />

Ansätze, verwendeten Methoden usw. investiert hat, wird aus ökonomischen<br />

Gründen dazu neigen, diese häufiger zu verwenden, statt sich möglicherweise<br />

in alternative Ansätze oder Methoden einzuarbeiten (Radnitzky,<br />

1987).<br />

Das kann sogar dann gelten, wenn nicht immer die gleiche Aufgabe zu erledigen<br />

ist. Die verfügbaren (beherrschten und vertrauten) Methoden können<br />

somit auch die Wahl der Aufgabe, des zu lösenden Problems beeeinflussen,<br />

zumindest aber die genauere Formulierung der Problemstellung. Einfach<br />

ausgedrückt: "tools seek jobs" (Zipf, 1949, S. 8). Kaplan (1964) hat diese<br />

Verhaltenstendenz "the law of the instrument" (S. 28) genannt. In der<br />

Seite 22 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Kommunikationswissenschaft hat Reeves (1992) die Methodenkenntnisse<br />

ebenfalls als eine wichtige Rahmenbedingung der Forschungstätigkeit bezeichnet.<br />

Allgemein formuliert tragen auch die Handlungsbedingungen von Individuen<br />

(d.h. ihre Möglichkeiten bzw. die Restriktionen, unter denen sie arbeiten)<br />

zur Erklärung ihrer Handlungen bei (Frey & Foppa, 1986). Von genereller<br />

Bedeutung in der Wissenschaft sind vor allem zeitliche und finanzielle Beschränkungen.<br />

Auch technische Neuerungen sind häufig wichtig. Ein Beispiel<br />

wären die Entwicklungen in den Bereichen EDV (speziell Personal Computer)<br />

und Statistik-Software; sie haben maßgeblich zur Verbreitung multivariater<br />

Analyseverfahren beigetragen und bestimmte Varianten von Datenerhebungsmethoden<br />

(wie computergestützte Telefoninterviews oder Inhaltsanalyse)<br />

erst möglich gemacht. Aber allein wegen der individuellen Fähigkeiten<br />

und Vorlieben der Forscher wird die Auswahl von Methoden nicht unbedingt<br />

unter rein sachlichen, zweckgerichteten Gesichtspunkten getroffen.<br />

Quantitative und qualitative Methoden<br />

in der Kommunikationswissenschaft<br />

In bisherigen Studien zum Methodeneinsatz in der Forschung wurde die<br />

Verwendung methodischer Ansätze anhand von Forschungsarbeiten bzw.<br />

daraus resultierenden Publikationen als Untersuchungseinheiten betrachtet.<br />

Eine solche Bestandsaufnahme empirischer Studien und unter anderem der<br />

darin verwendeten Ansätze hat für die Publikumsforschung bzw. Rezeptionsforschung<br />

Goertz (1997) vorgelegt. Obgleich Goertz die Methoden (Erhebungsverfahren,<br />

Datenbasis) nicht exakt nach diesen breiten Kategorien<br />

aufgeschlüsselt hat, kann man das ungefähre Verhältnis zwischen quantitativen<br />

und qualitativen Ansätzen in den ausgewerteten Publikationen der Jahre<br />

1993 bis 1996 erkennen (Goertz, 1997, S. 17): In rund 90 Prozent der<br />

Untersuchungen wurden quantitative Ansätze bzw. Daten verwendet, in<br />

rund 30 Prozent qualitative Verfahren. Insgesamt ergab sich also ein deutliches<br />

Übergewicht quantitativer Methoden. Auch Friedrichsen und Jenzowsky<br />

(1995) stellten in ihrer Übersicht über Studien zur Gewalt in den Medien aus<br />

den Jahren 1990 bis 1994 eine Dominanz quantitativer Ansätze fest.<br />

Ziele und Vorgehensweise der Untersuchung<br />

In diesem Vortrag geht es dagegen um die Kommunikationsforscher selbst<br />

mit ihren Methodenorientierungen, die aus den oben angeführten Gründen<br />

eine wichtige Rolle in ihrer Forschungspraxis spielen dürften. Im Sinne einer<br />

Bestandsaufnahme soll ermittelt werden, wie häufig in der deutschsprachigen<br />

Medien- und Kommunikationswissenschaft quantitative und qualitative<br />

methodische Orientierungen oder auch Mischformen vorkommen. Außerdem<br />

geht es darum, wie stark diese Orientierungen bei verschiedenen Gruppen<br />

von Wissenschaftlern auftreten. Im Vergleich der Altersgruppen, d.h. Wissenschaftler-Generationen,<br />

können sich Entwicklungstendenzen des Faches<br />

im Zeitverlauf zeigen. Weiterhin soll möglichen Unterschieden in der methodischen<br />

Ausrichtung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />

nachgegangen werden. Viele feministische Wissenschaftlerinnen kritisieren<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 23


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

quantitative Ansätze oder lehnen sie ab (siehe zu dieser Diskussion<br />

Westmarland, 2001), und häufig wird qualitativen Ansätzen ein generell höherer<br />

Stellenwert bei Wissenschaftlerinnen als bei Wissenschaftlern zugeschrieben.<br />

Außerdem soll versucht werden, die methodischen Orientierungen<br />

in verschiedenen Teilbereichen der Kommunikationswissenschaft zu<br />

ermitteln.<br />

Für die empirische Analyse standen die Daten aus der <strong>DGPuK</strong>-Mitgliederbefragung<br />

zur Verfügung, die Anfang 2003 online und postalisch durchgeführt<br />

wurde. In der Befragung wurde unter anderem erhoben, wie stark der<br />

wissenschaftliche Standpunkt der <strong>DGPuK</strong>-Mitglieder gekennzeichnet ist<br />

durch die Eigenschaften "qualitativ-empirisch" und "quantitativ-empirisch".<br />

Aus dieser Datengrundlage der Untersuchung ergeben sich einige Einschränkungen:<br />

Zunächst repräsentieren die <strong>DGPuK</strong>-Mitglieder bzw. die Teilnehmer<br />

der Befragung nicht die Gesamtheit der deutschsprachigen Medienund<br />

Kommunikationswissenschaftler. Und weil in der Mitgliederbefragung<br />

die interessierenden methodischen Orientierungen nicht differenziert erhoben<br />

wurden, können hier nur recht grobe Relationen zwischen den Sammelkategorien<br />

quantitativ und qualitativ aufgezeigt werden.<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt gesehen ist kein deutliches Übergewicht einer der beiden Richtungen<br />

festzustellen; jeweils rund zwei Drittel der Befragten bezeichnen ihre<br />

Forschung als "sehr stark" oder "stark" quantitativ bzw. qualitativ orientiert.<br />

Die quantitativ-empirische Ausrichtung spielt nur eine geringfügig größere<br />

Rolle. Interessant sind vor allem die Kombinationen zwischen den Ausprägungen<br />

auf den beiden Dimensionen. So sind – nach ihren eigenen Angaben<br />

– nur wenige Mitglieder der <strong>DGPuK</strong> generell schwach empirisch orientiert.<br />

Fast die Hälfte der Befragten weist auf beiden Dimensionen eine starke oder<br />

sehr starke empirische Orientierung auf. Unter den weniger ausgewogen<br />

orientierten Befragten überwiegt die eher quantitative Ausrichtung etwas<br />

gegenüber der eher qualitativen Ausrichtung.<br />

Die jüngeren Forscher sind in ihrer methodischen Orientierung etwas stärker<br />

spezialisiert als die älteren, bei denen eine ausgewogene quantitative und<br />

qualitative Ausrichtung häufiger vorkommt. Im Vergleich der Geschlechter<br />

zeigt sich die häufig unterstellte Tendenz: Bei Frauen ist die qualitativempirische<br />

Orientierung insgesamt etwas stärker als bei Männern. Auch<br />

zwischen den kommunikationswissenschaftlichen Forschungsbereichen (hier<br />

untersucht anhand der Fachgruppenmitgliedschaft) bestehen teilweise deutliche<br />

Unterschiede.<br />

Fazit<br />

Bei allen Einschränkungen, die sich aus der Datenbasis ergeben, deutet sich<br />

hier insgesamt eine zunehmende methodische Spezialisierung der deutschsprachigen<br />

Kommunikationswissenschaft an. So verweisen die Unterschiede<br />

zwischen den Altersgruppen (die als Generationeneffekt zu interpretieren<br />

sein dürften) und die Differenzen zwischen den Fachgruppen (deren Zahl in<br />

Seite 24 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


den vergangenen Jahren gewachsen ist) auf entsprechende Veränderungen<br />

im Zeitverlauf. Eine solche Spezialisierungstendenz im Methodenbereich<br />

entspricht der langfristigen inhaltlichen Differenzierung des Faches und ist<br />

insofern nachvollziehbar. Welche Implikationen sich daraus für die Kombination<br />

bzw. Integration quantitativer und qualitativer Verfahren ergeben, bliebe<br />

zu diskutieren.<br />

Literatur<br />

Frey, B. S., & Foppa, K. (1986). Human behavior: Possibilities explain action. Journal of<br />

Economic Psychology, 7, 137-160.<br />

Friedrichsen, M., & Jenzowsky, S. (1995). Methoden und Methodologie: Ein Vergleich ausgewählter<br />

Studien der 90er Jahre zur Gewalt in den Medien. In M. Friedrichsen & G. Vowe<br />

(Hrsg.), Gewaltdarstellungen in den Medien. Theorien, Fakten und Analysen (S. 292-<br />

330). Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />

Goertz, L. (1997). Perspektiven der Rezeptionsforschung. In H. Scherer & H.-B. Brosius<br />

(Hrsg.), Zielgruppen, Publikumssegmente, Nutzergruppen. Beiträge aus der Rezeptionsforschung<br />

(S. 9-28). München: Reinhard Fischer.<br />

Kaplan, A. (1964). The conduct of inquiry. Methodology for behavioral science. San Francisco,<br />

CA: Chandler.<br />

Mayer, K. U. (Hrsg.). (1992). Generationsdynamik in der Forschung. Frankfurt am Main:<br />

Campus.<br />

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am 18.6.2003 von http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/1-01/1-01mayringd.htm<br />

Radnitzky, G. (1987). Cost-benefit thinking in the methodology of research: The "economic<br />

approach" applied to key problems of the philosophy of science. In G. Radnitzky & P.<br />

Bernholz (Hrsg.), Economic imperialism. The economic approach applied outside the field<br />

of economics (S. 283-331). New York: Paragon House.<br />

Reeves, B. (1992). On how we study and what we study. Journal of Broadcasting & Electronic<br />

Media, 36, 235-238.<br />

Westmarland, N. (2001). The quantitative/qualitative debate and feminist research: A subjective<br />

view of objectivity. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social<br />

Research, 2(1). Abgerufen am 18.6.2003 von http://www.qualitative-research.net/fqstexte/1-01/1-01westmarland-e.htm<br />

Zipf, G. K. (1949). Human behavior and the principle of least effort. An introduction to human<br />

ecology. Cambridge, MA: Addison-Wesley.<br />

Wiebke Möhring, Helmut Scherer, Hannover<br />

Eine Frage des Themas Einsatzfelder qualitativer und<br />

quantitativer Verfahren in den letzten Jahrzehnten<br />

Zu Beginn des neuen Jahrtausends erleben wir die Methodenvielfalt in unserem<br />

Fach als wesentlich entspannter als in den Jahrzehnten davor. Die<br />

Frage der eingesetzten Methode wird immer weniger allein von einer wissenschaftstheoretischen<br />

und damit auch methodologischen Schule gelei-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 25


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

tet, aus der man stammt. Vielmehr beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen,<br />

dass jedes Verfahren, sei es ein so genanntes qualitatives oder<br />

quantitatives, seine Berechtigung hat, als einzelnes Verfahren oder in einer<br />

Methodenkombination. Es kommt darauf an, in welchem Forschungsfeld<br />

und mit welcher Zielsetzung die Instrumente eingesetzt werden.<br />

Unterschiedliche Forschungsprobleme bedingen unterschiedliche Methoden.<br />

Doch wie stark ist ein (vorhersagbarer) Zusammenhang zwischen<br />

Themenfeld und Methodenwahl Gibt es (mittlerweile) innerhalb des Faches<br />

der Medien- und Kommunikationswissenschaft Methodentraditionen<br />

einzelner Forschungsfelder Ist die Methodenwahl unter Umständen auch<br />

eine Frage der Mode und unterliegt der Methodeneinsatz entsprechenden<br />

Wellen Diesen Fragen geht die vorliegende Untersuchung nach. In einer<br />

Inhaltsanalyse werden Artikel aus sieben verschiedenen Fachzeitschriften<br />

analysiert, als Untersuchungszeitraum werden die vergangenen dreißig<br />

Jahre berücksichtigt.<br />

Die Auswahl der Fachzeitschriften erfolgt einmal in Anlehnung an ein Ranking<br />

der für den Bereich „Communication“ aufgeführten Titel des Social<br />

Science Citation Index (SSCI) für das Jahr 2000. Die letztendliche Auswahl<br />

aus diesen Titeln ist jedoch mit der Relevanz für den für uns zentralen Bereich<br />

der Massenkommunikation begründet. Internationale Zeitschriften<br />

sind: “Communication Research”, “Journal of Broadcasting & Electronic<br />

Media”, “Journal of Communication”, “Media, Culture & Society” und “Public<br />

Opinion Quarterly”. Da bisher keine deutschsprachigen Zeitschriften im<br />

SSCI aufgenommen worden sind, werden zusätzlich „Medien + Kommunikationswissenschaft“<br />

(bis 1999: „Rundfunk und Fernsehen“) und „Publizistik“<br />

in die Analyse einbezogen.<br />

Untersucht werden in 5-Jahres-Schritten die Artikel der letzten dreißig<br />

Jahre. Zum ersten berücksichtigten Zeitpunkt 1970 erscheinen „Communication<br />

Research“ (gegründet 1974) und „Media, Culture & Society“ (gegründet<br />

1979) noch nicht; letztere fehlt auch beim zweiten Messzeitpunkt<br />

1975. Sie werden sukzessive mit ihrem Erscheinen hinzugenommen, so<br />

dass für die Jahre 1980-2000 alle sieben Zeitschriften analysiert werden.<br />

Für jeden Artikel wird erhoben, welches Medium behandelt wird bzw. welche<br />

Kommunikationsinhalte und -formen im Mittelpunkt steht. Zentrale<br />

Untersuchungskategorie ist die Frage, in welchem thematischen Kontext<br />

die theoretische bzw. empirische Arbeit des Artikels steht. Für die Festlegung<br />

der Ausprägungen wurden verschiedene Darstellungen des Faches in<br />

Lehrbüchern herangezogen (Quellen noch einsetzen: Jarren/Bonfadelli;<br />

Kunczik/Zipfel), und, soweit inhaltsanalytisch umsetzbar, die Fachgruppenstrukturen<br />

der Deutschen Gesellschaft für Publizistik (<strong>DGPuK</strong>) und der<br />

International Communication Association (ICA). Es können pro Artikel<br />

mehrere thematische Zusammenhänge kodiert werden.<br />

Sobald in einem Artikel empirisch gearbeitet wird, wird die Codiereinheit<br />

heruntergesetzt von der Artikelebene auf die Beschreibung jeder einzelnen<br />

eingesetzten Methode. Es wird die Zielsetzung der Untersuchung erfasst,<br />

Seite 26 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


das eingesetzte Instrument, die Untersuchungsanlage, Stichprobengröße<br />

und -ziehung. Durch den Wechsel der Codiereinheit können beliebig viele<br />

Methoden pro Artikel erfasst werden, so dass Methodenkombinationen abgebildet<br />

und beschreibbar werden.<br />

Auf der Grundlage der erhobenen Daten lassen sich mehrere interessante<br />

Entwicklungen aufdecken. Durch den relativ weit zurückreichenden Untersuchungszeitraum<br />

können zeitgeistgebundene Einflüsse entdeckt werden.<br />

Und es kann gezeigt werden, ob, und wenn ja in welcher Form, quantitative<br />

und qualitative Methoden miteinander kombiniert angewendet werden.<br />

Durch die Einbettung der Methodenanalyse innerhalb ihres thematischen<br />

Kontextes kann zugleich aufgezeigt werden, welche Fragestellungen mit<br />

welchen Instrumenten gelöst bzw. mit welchen Instrumenten gearbeitet<br />

wird.<br />

Die Inhaltsanalyse befindet sich derzeit im Feld, die Datenerhebung wird<br />

bis Mitte Juli abgeschlossen sein. Im September können dann die Ergebnisse<br />

erstmals präsentiert werden.<br />

Achim Hackenberg, Daniel Hajok, Antje Richter, Berlin<br />

Medienrezeption als Kommunikatbildungsprozess –<br />

Eine empirische Untersuchung zur<br />

individuellen Konstruktion medialer Ereignisse<br />

1 Erkenntnisinteresse und Forschungsfrage<br />

Grundlegendes Ziel des Forschungsprojektes ist, die konstruktivistische<br />

Betrachtung von Kognition, Wahrnehmung und Verarbeitung medialer Ereignisse<br />

empirisch zu entfalten. Im Zentrum steht dabei, inwieweit die<br />

persönlichen Lebenshintergründe und individuellen Konzepte von Umwelt<br />

mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Umweltirritationen zusammenhängen.<br />

Konkret untersucht das Forschungsprojekt, wie weibliche und<br />

männliche Heranwachsende mit bzw. ohne unmittelbaren Todeserfahrungen<br />

(z.B. selbst erlebte lebensbedrohliche Situationen, Erfahrungen mit<br />

dem Tod von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten) irritierende<br />

Filmelemente zur Todesthematik rezipieren. Dies geschieht auf der Grundlage<br />

der Rekonstruktion sogenannter „Kommunikate“ (vgl. Schmidt 1996),<br />

welche als die individuellen Bedeutungen von Tod im Bewusstsein der Jugendlichen<br />

zu verstehen sind. Die durch ein exemplarisches Filmbeispiel<br />

evozierten Todesvorstellungen werden typisiert und vor dem Hintergrund<br />

der individuellen Lebenskontexte, Erfahrungen und Konzepte (von Tod,<br />

Glauben, Zukunft etc.) differenziert betrachtet und die zentralen Bedingungsfaktoren<br />

seitens der Rezipienten extrahiert. Darüber hinaus werden<br />

im Forschungsprojekt Aussagen über mögliche Implikationen spezifischer<br />

Filmelemente für Heranwachsende generiert, wie sie für die Arbeit von<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 27


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

FSF und FSK sowie für medienerzieherisches Handeln generell von Bedeutung<br />

sind.<br />

2 Theoretischer Bezugsrahmen<br />

und Konsequenzen für die Erforschung<br />

In der neueren medienwissenschaftlichen Diskussion findet der Konstruktivismus<br />

als theoretisches Konzept mehr und mehr Beachtung. Dahinter<br />

steht die Vorstellung, dass das menschliche Bewusstsein ein operational<br />

geschlossenes und selbstreferentielles System ist, welches Umwelt nicht<br />

einfach abbildet, sondern selbst auf der Grundlage der „eigenen“ (persönlichen)<br />

Ressourcen konstruiert. Die Sinnesorgane liefern nur die Reizpotentiale,<br />

die vom Gehirn individuell interpretiert werden müssen, um so<br />

Sinn oder Bedeutung für die jeweilige Person erlangen zu können (vgl.<br />

Roth 1998).<br />

Im Forschungsprojekt geht es vor allem um die persönlichen und individuell<br />

differenten Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse, die im Zusammenhang<br />

mit den individuellen Lebens- und Erfahrungskontexten stehen.<br />

Auf der theoretischen Basis, die „Verstehen“ als „Konstruktion“ begreift,<br />

werden Rezeptionsprozesse (nicht nur Mediennutzung, sondern<br />

auch Verarbeitung medialer Erfahrungen) als „Kommunikatbildungsprozesse“<br />

und deren Ergebnisse als „persönliche Konstrukte“ aufgefasst (vgl.<br />

Schmidt 1996). Eine zentrale Grundannahme ist dabei, dass es Bedeutung<br />

nicht in den Medienangeboten, sondern nur im Bewusstseinsystem, in den<br />

Köpfen der Menschen gibt (vgl. Schmidt 1994).<br />

Empirische Untersuchungen zur Rekonstruktion von Kommunikatbildungsprozessen<br />

existieren bisher kaum und sind nur aus der empirischkonstruktivistischen<br />

und der empirisch-interaktionistischen Literaturwissenschaft<br />

bekannt (vgl. Baasner & Zens 2001). Sie sind nicht ohne weiteres<br />

auf andere Gegenstandsbereiche (Rezeption von Filmen, Internetinhalten<br />

etc.) übertragbar.<br />

Die empirische Erfassung von persönlichen Filmbedeutungen gestaltet sich<br />

– wie die Erfassung individueller Kommunikate generell – insofern schwierig,<br />

da nur die sprachlichen Äußerungen über einen Film und nicht die Gedankengänge<br />

selbst, die den persönlichen Deutungen zugrunde liegen,<br />

greifbar sind. Sprachliche Äußerungen liefern aber nur einen indirekten<br />

Zugang zu den persönlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozessen.<br />

Die Forschungsmethoden müssen deshalb auch auf die Rekonstruktion<br />

persönlicher Filmbedeutungen, die hinter sprachlich codierten mündlichen<br />

oder schriftlichen Äußerungen von Menschen stehen, abzielen (vgl.<br />

Drinck et al. 2001).<br />

Für die Rekonstruktion individueller Filmkommunikate bedarf es eines relativ<br />

komplexen Untersuchungsdesigns, in dem mit unterschiedlichen<br />

Erhebungs- und Auswertungsmethoden die wesentlichen Faktoren auf der<br />

Ebene des Individuums und auf der Ebene des Films erfasst und analysiert<br />

werden können. Notwendig ist, Kommunikationsanlässe zu schaffen. Diese<br />

müssen Anreize in einer Atmosphäre bieten, welche den Rezipienten in die<br />

Seite 28 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Lage versetzen, seine Äußerungen hinreichend auszuführen und zu begründen,<br />

um dann Rückschlüsse auf die persönlichen Filmkommunikate<br />

ziehen zu können. Das bedeutet, in den Erhebungssituationen die individuellen<br />

Äußerungsprozesse nicht zu stören oder einflussnehmend zu unterbrechen,<br />

sondern mit möglichst offenen Narrationsanreizen reflexive<br />

und persönlich bewertende Äußerungen zu den persönlichen Bedeutungen<br />

anzuregen (vgl. Bohnsack 2000). Realisieren lässt sich dies zum Beispiel<br />

durch narrative Interviews und Gruppendiskussionen.<br />

3 Untersuchungsdesign und methodische Umsetzung<br />

Zur Erfassung und Analyse der individuellen Kommunikate von Tod im<br />

Film wurde ein Untersuchungsdesign mit zwei parallel verlaufenden Untersuchungssträngen<br />

entwickelt (siehe Schaubild). Der erste Strang diente<br />

der Erfassung und kontextuellen Einbettung der individuellen Filmkommunikate,<br />

der zweite der Generierung einer Standarderzählung als Vergleichshorizont<br />

(„Tertium Comparationis“), zu verstehen als Rekonstruktion<br />

semantischer Elemente im Film (vgl. Bohnsack 2000).<br />

Untersuchungsstrang 1: Zunächst wurden 100 Gymnasiastinnen und<br />

Gymnasiasten aus Berlin und Brandenburg telefonisch befragt (telefonischer<br />

Erstkontakt mit standardisierten Fragebogen). Ziel war die Exploration<br />

der individuellen Todeserfahrungen und die Erfassung zentraler Aspekte<br />

der individuellen Lebenskontexte (Alter, Geschlecht, Konfession,<br />

Wohnort, Familienkonstellation, Haushaltszusammensetzung u.a.). Von<br />

allen Befragten wurden dann 40 Probanden, 20 Mädchen und 20 Jungen,<br />

ausgewählt. Wesentlich war dabei, dass die persönlichen Erfahrungen insgesamt<br />

ein quantitativ und qualitativ breites Spektrum an Todeserfahrungen<br />

umfassen und unterschiedliche Glaubenshintergründe repräsentiert<br />

sind. Ein weiteres Auswahlkriterium war, dass alle Jugendlichen mindestens<br />

18 Jahre alt sind und die 12. Klasse besuchen. Alter und Schulbildung<br />

wurden konstant gehalten, um die im Mittelpunkt stehenden Differenzen<br />

hinsichtlich des Geschlechts und der individuellen Todeserfahrung nicht zu<br />

verwischen.<br />

Im weiteren wurden mit den ausgewählten Jugendlichen ausführliche Leitfadeninterviews<br />

durchgeführt, um die Kontexte zu erfassen, die für eine<br />

Betrachtung individueller Wahrnehmungs- und Verarbeitungsweisen von<br />

Tod in den Medien allgemein und im Film speziell relevant sind. Im Mittelpunkt<br />

dieser eineinhalb- bis zweieinhalbstündigen Gespräche standen die<br />

individuellen Lebens- und Glaubenshintergründe, die persönlichen Todeserfahrungen<br />

und Konzepte von Tod sowie die Erfahrungen und Kompetenzen<br />

im Umgang mit Medien, insbesondere mit Filmen.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 29


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Telefonischer<br />

Erstkontakt<br />

Leitfadeninterviews<br />

zu den Lebenskontexten<br />

Schriftliches Re-Filming<br />

Mündliches Re-Filming<br />

Leitfadeninterviews<br />

zum Film<br />

Gruppendiskussionen<br />

Schaubild: Untersuchungsdesign<br />

Lebenskontexte<br />

Erfahrungen<br />

Konzepte<br />

Individuelle<br />

Filmkommunikate<br />

Filmanalyse<br />

Expertenworkshop<br />

Standarderzählung als<br />

Vergleichshorizont<br />

Einige Wochen nach den Interviews wurde den 40 Jugendlichen in Gruppen<br />

zu vier Personen ein populärer amerikanischer Spielfilm gezeigt, in<br />

dem Tod ein zentrales Thema ist und „gängige“ Vorstellungen von Tod,<br />

Sterben und einem Leben nach dem Tod aufgegriffen werden. Unmittelbar<br />

nach der Filmerezeption verfasste jeder Proband eine ausführliche schriftliche<br />

Nacherzählung des Films in Form eines Aufsatzes (schriftliches Re-<br />

Filming). Im Mittelpunkt standen dabei die Inhalte, die den Mädchen und<br />

Jungen selbst wichtig sind. Diese sollten nicht nur dargelegt, sondern auch<br />

mit den persönlichen Deutungen versehen werden.<br />

Vier bis fünf Tage nach der Filmexposition wurde mit jedem der 40 Jugendlichen<br />

ein weiteres ausführliches, etwa zweistündiges Gespräch geführt.<br />

Zunächst sollten sie den Film nochmals nacherzählen und dabei auf<br />

all das eingehen, was ihnen wichtig ist (mündliches Re-Filming). Nach der<br />

Narration wurden die Ausführungen vertieft und ausgewählte Aspekte besprochen<br />

(Leitfadeninterviews). Hier ging es im wesentlichen um die Darstellung<br />

von Tod und Sterben im Film und deren Deutung durch die Rezipienten.<br />

Im weiteren wurden dann die individuellen Wahrnehmungs- und<br />

Verarbeitungsweisen des Films den persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen<br />

der Jugendlichen gegenüber gestellt, und abschließend weitere<br />

Kontexte erfasst (Bewertung des Films, thematische Einordnung u.a.) und<br />

relevante Aspekte der persönlichen Todeserfahrungen und –konzepte, die<br />

beim ersten Interview offen geblieben sind, erörtert.<br />

Den letzten Erhebungsschritt bildeten vertiefende Gespräche in Gruppen<br />

von vier bis sechs Personen (Gruppendiskussionen). Hier erhielten die Jugendlichen<br />

Gelegenheit, sich zu den Filminhalten und ihren persönlichen<br />

Seite 30 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Erfahrungen und Vorstellungen zu äußern. Anhand der Diskussion und Positionierungen<br />

der Jugendlichen zu Aspekten, die sich im bisherigen Verlauf<br />

der Untersuchung als zentral erwiesen haben, sollten die verschiedenen<br />

Rezeptionstypen deutlicher und von anderen abgrenzbar gemacht<br />

werden.<br />

Untersuchungsstrang 2: Parallel zur Erfassung und kontextuellen Einbettung<br />

der individuellen Filmkommunikate wurde der ausgewählte Film<br />

„Ghost – Nachricht von Sam“ einer differenzierten Analyse unterzogen<br />

(Filmanalyse). Im Zentrum standen dabei Inhalte und Darstellungsformen<br />

des Films, insbesondere hinsichtlich des Todesthemas. Aus der Analyse<br />

wurde dann eine an den zentralen Filminhalten ausgerichtete Standarderzählung<br />

erarbeitet und diese in der Expertenrunde validiert (Expertenworkshop).<br />

Ziel war es, einen Vergleichshorizont zu den Filmkommunikaten<br />

der Jugendlichen zu erhalten (zur Verdeutlichung der Differenzen) und<br />

einige thematische Eckpfeiler für Leitfadeninterviews und Gruppendiskussion<br />

zu bestimmen.<br />

4 Erste Ergebnisse<br />

Die ersten Projektergebnisse zeigen eines sehr deutlich: Bereits Jugendliche<br />

aus einer Altersgruppe und mit vergleichbarem Bildungshintergrund<br />

nehmen Todes- und Gewaltdarstellungen in Filmen sehr verschieden wahr<br />

und verarbeiten sie unterschiedlich. Nicht nur in ihrer Art vergleichbare<br />

Inhalte, sogar ein und dieselbe Filmsequenz des Tötens bzw. Sterbens<br />

wird individuell rezipiert. Bei der Wahrnehmung werden verschiedene Perspektiven<br />

übernommen (z.B. die des Täter, die des Opfers, die der Folgen<br />

u.a.m.), bei der Verarbeitung unterschiedliche Deutungen vorgenommen<br />

(z.B. Unfall, Mord, gerechte Strafe, Schicksal). Für den Film als Ganzes<br />

wie für einzelne Filmszenen lassen ganz unterschiedliche Rezeptionstypen<br />

ausmachen.<br />

Ein Beispiel soll das verdeutlichen. In der Schlüsselszene des vorgeführten<br />

Films wird der Hauptakteur bei einem Überfall (geplanter Raub der Brieftasche)<br />

erschossen. Die Deutungen dieser Szene variieren erheblich von<br />

Person zu Person, wobei sich folgende drei Rezeptionstypen herauskristallisieren.<br />

Erstens der empathische Zuschauer, welcher sich in die Lage der<br />

beteiligten Protagonisten hineinversetzt und mitfühlt, zweitens der e-<br />

thisch-moralische Zuschauer, der eine normative Wertung des Gesehenen<br />

vornimmt, und drittens der sachlogische Zuschauer, der die Szene als<br />

notwenigen Bestandteil des Plots wertet oder die Ereignisse nüchtern in<br />

ein Ursache-Folge-Prinzip einordnet.<br />

Insgesamt ist nicht zu übersehen, dass die Wahrnehmung und Verarbeitung<br />

der medialen Todes- und Gewaltdarstellungen mit vielen Faktoren<br />

der individuellen Lebens-, Interessen- und Erfahrungskontexte zusammenhängt,<br />

wobei die verschiedenen Bedingungsgrößen meist eng miteinander<br />

verflochten sind. Vier Faktoren lassen sich nach bisherigem Stand<br />

der Dinge hervorheben:<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 31


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

- das Geschlecht der Jugendlichen,<br />

- die persönlichen Erfahrungen mit Tod und Gewalt,<br />

- der Glauben und religiöse Hintergrund der Jugendlichen sowie<br />

- die individuellen Konzepte und Auffassungen von Tod und Gewalt.<br />

Mit Blick auf das Geschlecht der Jugendlichen wird das komplexe Zusammenspiel<br />

der verschiedenen Bedingungsfaktoren sehr deutlich. Zwar lässt<br />

sich tendenziell die erwartete geschlechtsspezifische Rezeption von Tod<br />

und Gewalt in Filmen beobachten, sie wird aber von den persönlichen Erfahrungs-<br />

und Glaubenshintergründen, die innerhalb beider Geschlechter<br />

erheblich differieren, überlagert. So war einer der Befragten vor einigen<br />

Monaten mit der schweren Krankheit seines älteren Bruders (seine wichtigste<br />

Bezugsperson) konfrontiert. Dies hat ihn zutiefst emotional bewegt<br />

(v.a. Verlustangst) und zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Tod<br />

und Sterben geführt. Filme, deren Protagonisten ihm auch nur im entferntesten<br />

Identifikationsmöglichkeit geben bzw. deren Handlung Parallelen zu<br />

seiner Erfahrung erkennen lassen, durch die „weibliche Brille“; er übernimmt<br />

die Perspektive der Opfer und Hinterbliebenen, identifiziert sich mit<br />

den betroffenen Personen und deren Schicksal, leidet mit. Eine besondere<br />

Qualität erhält diese Rezeptionsweise vor dem Hintergrund, dass derselbe<br />

Jugendliche als aktiver Hooligan Gewalt praktiziert.<br />

Begründet durch die persönlichen Erfahrungs- und Glaubenshintergründe<br />

gibt es also Jungen mit einer „typisch weiblichen“ Wahrnehmung und Verarbeitung<br />

von Tod und Gewalt in den Medien, genauso wie es die Mädchen<br />

mit einer „typisch männlichen“ Rezeptionsweise in der Art gibt, dass bei<br />

der Rezeption von Tod und Gewalt der Fokus auf der Ebene von Machart<br />

und technischer Umsetzung liegt. Das Geschlecht der Jugendlichen ist<br />

demnach eine relevante, nicht aber die entscheidende Variable für die individuelle<br />

Wahrnehmung und Verarbeitung von Tod- und Gewalt in den<br />

Medien. Es bleibt einmal mehr die unabhängige Variable mit sehr begrenztem<br />

Erklärungspotential.<br />

Fazit<br />

Neben den inhaltlichen Aspekten stand im Mittelpunkt des Forschungsprojektes<br />

die Entwicklung und Erprobung eines Untersuchungsinstrumentariums,<br />

mit dem die individuellen Konstruktionen von (Medien-)Wirklichkeiten<br />

rekonstruiert werden können. Abgesehen davon, dass die Ergebnisse<br />

klar herausstellen, dass ein und dieselben Filminhalte von Individuen mit<br />

differierenden Lebenshintergründen, Erfahrungen und Konzepten unterschiedlich<br />

wahrgenommen und verarbeitet werden, zeigt die Untersuchung<br />

die Notwendigkeit einer Kombination verschiedener Forschungsmethoden,<br />

um die unterschiedlichen Dimensionen des Gegenstandes berücksichtigen<br />

zu können. Vor allem ermöglicht das entwickelte Untersuchungsdesign im<br />

Sinne eines kontextualen, ganzheitlichen Ansatzes beide Seiten (Individuum<br />

und Umwelt) und dabei eine Vielzahl von Bedingungsfaktoren in die<br />

Analyse einzubeziehen und die Daten intern (durch die Jugendlichen<br />

selbst) und extern (durch die Forschergruppe) zu validieren.<br />

Seite 32 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Literatur<br />

Baasner, R. & Zens, M. (2001): Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft. Eine<br />

Einführung. Berlin.<br />

Bohnsack, R. (2000): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und<br />

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Drinck, B. / Ehrenspeck, Y. / Hackenberg, A. / Hedenigg, S. / Lenzen, D.<br />

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– Ein Vorschlag zur Analyse von Filmkommunikaten. In: Medienpädagogik<br />

– Online-Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 1, Zürich.<br />

http://www.medienpaed.com/01-1/drinck1.pdf<br />

Roth, G. (1998): Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre<br />

philosophische Konsequenz. Frankfurt a.M.<br />

Schmidt, S.J. (1996): Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische<br />

Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und<br />

Kultur. Frankfurt a.M.<br />

Schmidt, S.J. (1994): Konstruktivismus in der Medienforschung: Konzepte, Kritiken,<br />

Konsequenzen. In: S.J. Schmidt, / K. Merten / S. Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit<br />

der Medien. Opladen, S. 592-623.<br />

Wiebke Loosen, Hamburg<br />

Mediale Synergien bei<br />

„Spiegel“, „Focus“, „Stern“ – Print, Online, TV:<br />

eine Methoden- Verfahrens- und Medienkombination<br />

Im Rahmen des Beitrages sollen die methodischen Aspekte und Fragen,<br />

die sich aus der Kombination qualitativer und quantitativer Methoden ergeben,<br />

exemplarisch anhand einer empirischen Studie diskutiert werden,<br />

die sich mit journalistischen Medien-Marken im trimedialen Redaktionsverbund<br />

beschäftigt. Konkret konzentriert sich die Untersuchung auf<br />

Crossmedia-Strategien klassischer Medien, für welche die Nutzung verschiedener<br />

Synergie- und Transfereffekte zwischen Online- und Offline-<br />

Medien zur Zielvorgabe konzeptioneller Planung und medialer Dachmarkenstrategien<br />

gemacht wird. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie sich<br />

diese auf ökonomischem Kalkül basierenden Formen medialer Entgrenzungen<br />

auf die Beschaffenheit und auf die Kontextbedingungen der<br />

Aussagenentstehung auswirken. Diese Form der Ausdifferenzierung medialer<br />

Angebotsstrukturen im inter- und intramediären Rahmen wird am<br />

Beispiel der Dachmarken-Titel „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ untersucht<br />

und bezieht sich jeweils auf das Print-, das TV(-Magazin)- und das Online-<br />

Produkt.<br />

Das ursprünglich konzipierte Untersuchungsdesign sieht sowohl eine Methoden-<br />

als auch eine Verfahrenskombination vor: Die quantitative Inhaltsanalyse<br />

der Print-, TV- und Online-Angebote wird mit einer qualitativen<br />

Inhaltsanalyse verknüpft und diese werden wiederum mit quantitativer<br />

und qualitativer Befragung innerhalb der einzelnen Redaktionen kom-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 33


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

biniert. Dieses Design konnte <strong>aller</strong>dings nicht komplett umgesetzt werden,<br />

weil die quantitative Befragung in den Redaktionen an der Einwilligung der<br />

Verlagsleitungen gescheitert ist.<br />

Die quantitative Inhaltsanalyse ermittelt die Themenstruktur (aufeinander<br />

bezogene Datensätze II bis IV) der jeweiligen Angebote sowie Formen gegenseitiger<br />

Referenzen (Datensatz I). Ein wesentlicher Teil der Konzeption<br />

der Inhaltsanalyse ist auf die Identifikation von ‚Überschneidungsthemen’<br />

hin angelegt, die in mehr als nur einem Medientyp vorkommen. Dabei<br />

dient die quantitative Inhaltsanalyse u. a. dazu, die für die qualitative Inhaltsanalyse<br />

notwendige Reduktion auf Themen, die in allen drei Medientypen<br />

vorkommen, zu ermöglichen; die Verfahren bauen also aufeinander<br />

auf.<br />

In Tabelle 1 sind die wichtigsten Operationalisierungselemente zusammengestellt:<br />

Tabelle 1: Inhaltsanalyse: Schematisierung des Untersuchungsdesigns<br />

und der ermittelten Daten<br />

Qualitative<br />

Inhaltsanalyse<br />

Themen<br />

‚Erfurt’ und<br />

‚Djerba’<br />

Untersuchungseinheit<br />

Erhebungseinheit<br />

Aussagewert<br />

relevante<br />

Variablen<br />

Datenaufbereitung<br />

Datenumfang<br />

Datensatz I Datensatz II Datensatz III Datensatz IV<br />

Medienreferenz Beitrag Thema<br />

ganzes Heft/ganze<br />

Sendung/gesamtes<br />

Online-Angebot 1<br />

Anzahl und Art gegenseitiger<br />

Referenzen<br />

formale Variablen,<br />

Arten von Referenzen<br />

Recodierung<br />

‘Sonstiges’ (Art der<br />

Referenz)<br />

redaktioneller<br />

Teil des Hefts/<br />

ganze Sendung/<br />

redaktioneller<br />

Teil des Online-<br />

Angebots 1<br />

Themenstruktur<br />

Print, Online, TV<br />

formale Variablen,<br />

Themenvariablen<br />

Recodierung<br />

‘Sonstiges’<br />

(Oberthemen,<br />

Beitragsformen)<br />

4.206 7.099<br />

Überschneidungsthema<br />

Thematische Überschneidungen<br />

Print/Online, Print/TV,<br />

Online/TV,<br />

Print/Online/TV<br />

Verknüpfung mit Datensatz<br />

II, Überschneidungsthemen<br />

Identifizierung von<br />

Überschneidungsthemen<br />

ca. 350 Themen 2<br />

(1.785 Beiträge)<br />

‘Trimediale’<br />

Themen<br />

Überschneidungsthemen<br />

aus allen<br />

Medientypen<br />

Themen, die in<br />

Print, TV und<br />

Online vorkommen<br />

Verknüpfung mit<br />

Datensatz II,<br />

Formen medienspezifischer<br />

Aufbereitung<br />

‘Trimediale’<br />

Themen in<br />

allen Titeln<br />

Themen, die<br />

bei allen Titeln<br />

in allen drei<br />

Medien vorkommen<br />

Themenfokus,<br />

Themenaspekte,<br />

Thematisierungs-<br />

und,<br />

Vermittlungsstrategien<br />

Seite 34 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong><br />

—<br />

qualitative<br />

Auswertung<br />

8 2<br />

1<br />

Ausgehend von der Homepage bis zur 1. Ebene inklusive.<br />

2<br />

Überschneidungsthemen können unterschiedlich umfassend sein: Für den titelübergreifenden Vergleich der<br />

Themenstruktur müssen sie beispielsweise umfassender sein als für den Nachweis von 1:1-Übernahmen. Hier<br />

sind für weitere Auswertungen noch zusätzliche Bearbeitungsschritte geplant, so dass dieser Wert variieren<br />

kann und hier als Circa-Angabe ausgewiesen.<br />

Die Befragung wurde in Form von Leitfadeninterviews umgesetzt. Insgesamt<br />

wurden Interviews mit neun Chefredakteuren (bei „Spiegel“, „Focus“<br />

und „Stern“ jeweils in den Print-, TV-und Online-Redaktionen) geführt. Die<br />

Dimensionen des Leitfadens konzentrierten sich auf Fragen zu Austauschund<br />

Koordinationsprozesse zwischen den Redaktionen. Die quantitative<br />

Befragung sollte demgegenüber auf Ebene der Redakteure stattfinden.


Der Fragebogen wurde komplett fertig gestellt und sollte netzwerkartig<br />

Kooperationen, Absprachen und Kontakte von Redakteuren zu den Redakteuren<br />

der jeweils beiden anderen Redaktionen erheben.<br />

Innerhalb dieses empirischen Settings haben sich eine Reihe methodischer<br />

Besonderheiten ergeben, die auf die<br />

• Kombination quantitativer und qualitativer Verfahren,<br />

• auf das Mehrmethodendesign,<br />

• den Vergleich der Medientypen Print-, TV und Online<br />

• sowie auf die Anlage als Fallstudie zurückzuführen sind.<br />

Im Rahmen des Beitrags soll vor allem gezeigt werden, wie, warum und<br />

mit welchen Konsequenzen Entscheidungen zur Kombination quantitativer<br />

und qualitativer Verfahren gefallen sind und welche Auswirkungen dies auf<br />

die daraus resultierenden Ergebnisse hat. Dies ist nur möglich, wenn noch<br />

bewusster als ohnehin bei empirischer Forschung erforderlich, methodische<br />

und meist implizit mitlaufende methodologische Annahmen offen gelegt<br />

und explizit gemacht werden.<br />

Folgende Überlegungen sind dabei relevant und sollen vor dem Hintergrund<br />

der skizzierten Studie im Zentrum des Beitrags stehen:<br />

• Operationalisierungs-Vielfalt durch Methoden- und Verfahrensvielfalt<br />

» Ausgangsbeobachtung: Eine überwiegend quantitativ oder qualitativ<br />

ausgerichtete Forschungsorientierung und -tradition hat eine<br />

gewisse Prädisposition zur Folge, welche die Operationalisierung<br />

immer schon ‚mitdenkt’ und so von vornherein zu eher quantitativ<br />

oder eher qualitativ zu untersuchenden Fragestellungen führen<br />

kann.<br />

» Lösungsansatz: Im idealtypischen Forschungsablauf ist die Methodenwahl<br />

der Festlegung der zu untersuchenden Fragestellung<br />

nachgeordnet. Nicht nur die Kenntnis des unterschiedlichen Leistungsspektrums<br />

der Methoden, sondern auch der unterschiedlichen<br />

Verfahren hilft dabei, die Operationalisierbarkeit der Fragestellung<br />

hinsichtlich der verschiedenen Möglichkeiten durchzudeklinieren,<br />

um so den möglichst optimalen Methoden- und/oder Verfahrensmix<br />

zusammenzustellen.<br />

• Qualitative Verfahren als Ersatzlösung<br />

» Ausgangsbeobachtung: Vor allem bei der Befragung kann die Entscheidung<br />

für das eine oder andere Verfahren stark von forschungspragmatischen<br />

Aspekten abhängen. Quantitative Befragungen<br />

sind z. B. nicht realisierbar, wenn die Befragung komplett verweigert<br />

wird. Nicht immer kann das angewendete Verfahren also<br />

dem methodischen Optimum entsprechen.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 35


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

» Lösungsansatz: Wenn seitens der zu Befragenden Bedenken gegen<br />

die quantitative Befragung bestehen, kann die qualitative Befragung<br />

eine Alternative darstellen, auch wenn sie – je nach Forschungsfrage<br />

– kein kompletter Ersatz für eine nicht zustande gekommene<br />

quantitative Befragung sein kann.<br />

• Qualitative Verfahren gegen das ‚Quantitativitäts-Paradoxon’ bei<br />

Online-Analysen<br />

» Ausgangsbeobachtung: Gerade bei der Analyse von Online-<br />

Angeboten zeigt sich so etwas wie ein ‚Quantitativitäts-Paradoxon’:<br />

Die Masse an – zudem elektronisch vorliegenden – Daten legt eigentlich<br />

eine quantitative Vorgehensweise nahe. Gleichzeitig stößt<br />

die quantitative Inhaltsanalyse aber schnell an Grenzen, weil der<br />

erforderliche methodische Aufwand ab einem bestimmten Grad in<br />

keinem rechten Verhältnis mehr zum erzielbaren Ertrag steht. Ferner<br />

stehen sowohl quantitative als auch qualitative Verfahren im<br />

Kontext der zentralen Konzepte von Reliabilität und Validität vor<br />

der Gratwanderung entweder hoch artifizielle und restriktive Komplexitätsreduktion<br />

zu betreiben, oder möglichst viele Variablen zu<br />

berücksichtigen, die nicht alle streng kontrolliert werden können.<br />

Zudem ist der Interferenzschluss, der die Inhaltsanalyse zu mehr<br />

als einer deskriptiven Methode machen soll, unter Online-Bedingungen<br />

noch schwerer zu plausibilisieren als unter Offline-Bedingungen.<br />

» Lösungsansatz: Die Einzelfallorientierung qualitativer Verfahren<br />

zwingt zu einer genauen Diskussion der Auswahlkriterien des Einzelfalls<br />

und der Möglichkeiten der Verallgemeinerung der so erzielten<br />

Ergebnisse; d. h. <strong>aller</strong>dings nicht, dass Fallstudien zwangsläufig<br />

explorativ angelegt sein müssen und dass die Anlage als Fallstudie<br />

automatisch den Verzicht auf quantitative Analyse- und Auswertungsstrategien<br />

bedeutet. Besonders in Bezug auf Online-Inhaltsanalysen<br />

befördert der Fallstudiencharakter die Kombination quantitativer<br />

und qualitativer Verfahren und macht überdies die Umsetzbarkeit<br />

von Methodenkombinationen (z. B. Inhaltsanalyse in<br />

Kombination mit Befragung von Anbietern/Nutzern) wahrscheinlicher.<br />

Je nach Fragestellung sollte intensiv geprüft werden, ob zu<br />

Gunsten einer umfassenden Einzelfallanalyse sogar weitgehend auf<br />

quantitative Verfahrensschritte verzichtet werden kann.<br />

• Konstruktivismus als methodologischer ‚Brückenbauer’<br />

» Ausgangsbeobachtung: Es gehört zu den zentralen Einwänden qualitativer<br />

Forscher gegen die quantitativen Verfahren, dass diese<br />

entsubjektiviert arbeiten.<br />

» Lösungsansatz: Die konstruktivistische ‚Uminterpretation’ der methodologischen<br />

Regeln des Kritischen Rationalismus kann helfen,<br />

den Graben zwischen quantitativen und qualitativen Verfahren zu<br />

überbrücken: Unter konstruktivistischer Perspektive wird der Vor-<br />

Seite 36 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


wurf des entsubjektivierten Arbeitens gegenstandslos, da alle Formen<br />

von Beobachtung als subjektabhängig gelten müssen. Allerdings<br />

müsste dann die Subjektzentriertheit sowohl hinsichtlich des<br />

beobachteten als auch des beobachtenden Subjekts expliziert und<br />

kontrolliert werden. Problematisch an qualitativen Methoden war<br />

und ist nicht ihre Subjektzentriertheit, sondern die vielfach mangelnde<br />

Transparenz des methodischen Verfahrens.<br />

Burkard Michel, Magdeburg<br />

Die Kombination quantitativer und qualitativer<br />

Methoden. Zur Analyse habitusspezifischer Dimensionen<br />

der Medienrezeption<br />

1 Problemstellung<br />

Die Entscheidung für ein bestimmtes Methodenmix ergibt sich aus der<br />

Fragestellung und dem theoretischen Bezugsrahmen einer Untersuchung.<br />

Interessante Fragen und Perspektiven wirft in diesem Zusammenhang die<br />

Habitustheorie Pierre Bourdieus auf. Obwohl sich dieser Ansatz steigender<br />

Popularität in vielen sozialwissenschaftlichen Untersuchungsfeldern erfreut,<br />

findet eine empirische Anwendung innerhalb der Kommunikationswissenschaft<br />

eher schleppend statt. Mit dem Habituskonzept verknüpft<br />

Bourdieu eine sozialstrukturelle Makroperspektive mit einer handlungstheoretischen<br />

Mikroperspektive. Beide Perspektiven sind für kommunikationswissenschaftliche<br />

Fragestellungen relevant. So lassen sich habitusspezifische<br />

Rezeptionsweisen sowohl in makroskopischer, als auch in mikroskopischer<br />

Perspektive empirisch nachweisen. In makroskopischer Einstellung<br />

zeigen sie sich bspw. als milieuspezifische Regelmäßigkeiten (Homologien)<br />

der Präferenz für bestimmte Medienangebote, die mit quantitativen<br />

Verfahren nachgezeichnet werden können. In mikroskopischer Perspektive<br />

sind sie als (Sinn-) Konstruktionen der Rezipierenden zu rekonstruieren<br />

und auf die hinter den Konstruktionen stehende generative Formel<br />

des Habitus zurückzuführen. Hier bieten sich qualitativ-rekonstruktive<br />

Verfahren an. Dabei stellt das mit der Habitustheorie verbundene Handlungsmodell<br />

besondere Anforderungen an die Forschungsmethode. Um die<br />

Habitustheorie für die empirische Kommunikationsforschung fruchtbar zu<br />

machen, streift der geplante Beitrag zunächst die Verschränkung von<br />

Makro- und Mikroperspektive, die zugleich als Kombination von quantitativen<br />

und qualitativen Verfahren gedacht werden kann. Dabei kommt dem<br />

quantitativen Vorgehen eine heuristische Funktion zu. Im Zentrum des<br />

Beitrags steht mit der Dokumentarischen Methode nach Ralf Bohnsack sodann<br />

ein qualitativer Ansatz, der – in Verbindung mit dem Gruppendiskussionsverfahren<br />

– dem spezifischen Handlungsmodell der Habitustheorie in<br />

methodischer Hinsicht Rechnung trägt. Wesentliche Aspekte der Dokumentarischen<br />

Methode werden anhand einer qualitativen Studie über die<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 37


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Rezeption von Fotografien exemplarisch illustriert. Ergänzend wird zur<br />

Verdeutlichung der Verschränkung von Makro- und Mikroperspektive eine<br />

quantitative Untersuchung über milieuspezifische Präferenzen für bestimmte<br />

Fotografien herangezogen.<br />

2 Problemhintergrund: Die Habitustheorie<br />

Bourdieu definiert den Habitus u.a. als milieuspezifisches Set von Dispositionen,<br />

das alle Praxisformen der Angehörigen eines Milieus hervorbringt<br />

und dem Milieu so ein charakteristisches Gesicht verleiht (vgl. Bourdieu<br />

1993, S. 112). Seine Wurzel hat der Habitus in den existentiellen Hintergründen<br />

seines jeweiligen Milieus. Bourdieu spricht hier von der spezifischen<br />

Kapitalkonfiguration eines Milieus, worunter er nicht lediglich ökonomische,<br />

sondern insbesondere auch kulturelle Ressourcen versteht.<br />

Durch die Möglichkeiten, Restriktionen und Erfahrungen, die die Kapitalausstattung<br />

nach sich zieht, wird der Habitus geprägt (vgl. ebd. S. 100) –<br />

Bourdieu bezeichnet ihn daher auch als „strukturierte Struktur“ (ebd. S.<br />

98 f.). Ähnliche Existenzbedingungen führen dabei zur Herausbildung ähnlicher<br />

Habitus. Der Habitus fungiert aber auch als „strukturierende Struktur“<br />

(ebd.), indem er als „generative Formel“ (Bourdieu 1987, S. 332)<br />

Praktiken hervorbringt und ihnen ein einheitliches Gepräge gibt. Als „praktischer<br />

Sinn“ steht er hinter allen Formen von Praxis (vgl. Bourdieu 1987,<br />

S. 283), d.h. hinter Praktiken in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen.<br />

Da die Angehörigen eines Milieus über identische oder ähnliche Habitus<br />

verfügen, kommt es zu identischen oder ähnlichen Handlungsmustern unter<br />

den Angehörigen eines Milieus, die sich von den Handlungsmustern der<br />

Angehörigen anderer Milieus unterscheiden. Milieuspezifische Muster des<br />

Handelns sind auch im Praxisfeld der Kommunikation nachzuzeichnen. In<br />

makroskopischer Perspektive zeigen sie sich als regelmäßige Strukturen<br />

(Homologien). Mit Hilfe von quantitativen Verfahren lassen sich diese<br />

Strukturen freilegen.<br />

Den Akteuren selbst bleibt die Wirkungsweise des Habitus verborgen – er<br />

operiert sozusagen ‚hinter ihrem Rücken’ ohne ihr Bewußtsein zu streifen<br />

(vgl. Bourdieu 1999, S. 492). Ihre Sichtweise steht im Zentrum der mikroskopischen<br />

Analyse. Denn als „System der organischen oder mentalen<br />

Dispositionen und der unbewußten Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata“<br />

(Bourdieu 1974, S. 40) strukturiert der Habitus auch das<br />

subjektive Erleben der Akteure und führt u.a. zu milieuspezifischen Weisen<br />

der Medienrezeption. Vermittelt über den Habitus schlägt die Kapitalstruktur<br />

damit auch auf die vermeintlich intimsten Arten des Denkens,<br />

Wahrnehmens und Fühlens durch (vgl. Bourdieu 1993, S. 44 f.). In dieser<br />

Mikroperspektive geht es daher nicht lediglich um die Rekonstruktion des<br />

subjektiv gemeinten Sinns der Akteure, sondern überdies um seine Rückführung<br />

auf den hinter ihm stehenden Habitus. Sie hat daher die implizit<br />

jeder Praxis und jeder Sinnbildung zugrunde liegende „generativen Formel“<br />

des Habitus zu explizieren. Hierfür bieten sich qualitative Forschungsverfahren<br />

an. Aus dem Handlungsmodell der Habitustheorie ergeben<br />

sich für die Forschungsmethode jedoch mehrere Konsequenzen: Da<br />

Seite 38 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


sich der hinter den Sinnkonstruktionen stehende modus operandi des Habitus<br />

nicht nur der reflexiven Durchdringung, sondern auch der sprachlichen<br />

Explikation durch die Akteure entzieht (vgl. Bourdieu 1985, S. 17),<br />

lassen sich habitusspezifische Sinnkonstruktionen nicht mit Hilfe expliziter<br />

Befragungen erfassen. Da die Habitustheorie überdies die kollektive Verankerung<br />

habitusspezifischer Praktiken postuliert, bedarf es zudem eines<br />

methodischen Verfahrens, das die Rezipierenden weder in individueller<br />

Isolierung noch lediglich als sozialstatistische Addition von Einzelwesen<br />

betrachtet.<br />

3 Methodologie und Methoden<br />

Die makroskopische Strukturanalyse soll hier nur am Rande berührt werden.<br />

Hier stellt sich insbesondere die Frage nach der Operationalisierung<br />

der Milieuzugehörigkeit. Verschiedene Indikatoren kommen in Betracht:<br />

So bietet sich unter Bezug auf Bourdieus Kapitaltheorie eine kausalgenetische<br />

Bestimmung der Milieuzugehörigkeit an (vgl. Mannheim 1980, S. 85<br />

ff.). Aussagekräftige Kategorien sind hier Einkommen, Schulausbildung,<br />

Beruf und Berufe der Eltern. Zum Einsatz kommen verschiedentlich auch<br />

Einstellungsitems, die zu Milieuindikatoren verdichtet sind (z.B. Sinus<br />

2002). Als äußerliche Kriterien dienen sie dazu, das Mediennutzungsverhalten<br />

hinsichtlich der Milieuzugehörigkeit zu differenzieren. Zutage tretende<br />

Regelmäßigkeiten können dann als ‚Oberflächenphänomene’ des<br />

Habitus interpretiert werden, die „‚geregelt’ und ‚regelmäßig’ sind, ohne<br />

irgendwie das Ergebnis der Einhaltung von Regeln zu sein, und (...) kollektiv<br />

aufeinander abgestimmt sind, ohne aus dem ordnenden Handeln<br />

eines Dirigenten hervorgegangen zu sein.“ (Bourdieu 1993, S. 99). Dem<br />

Aufweis milieuspezifischer Strukturen kommt eine heuristische Funktion<br />

zu. Denn die Makroanalyse zeigt lediglich, daß ein Zusammenhang zwischen<br />

milieuspezifischem Habitus und Medienrezeption besteht. Wie genau<br />

habitusspezifische Rezeptionsprozesse ablaufen, ist im Rahmen einer mikroskopischen<br />

Analyse zu klären.<br />

Einen Zugang zur präreflexiven und kollektiven Ebene habitusspezifischer<br />

Rezeptionsweisen, die sich für die Akteure reflexiver Durchdringung und<br />

begrifflicher Explikation entzieht und daher nicht explizit abgefragt werden<br />

kann, verspricht hier die Dokumentarische Methode nach Ralf Bohnsack<br />

(ders. z.B. 1999). Sie steht im Zentrum des geplanten Beitrags, der ihr<br />

Potential für die Kommunikationswissenschaft aufzeigen möchte. Mit Hilfe<br />

der Dokumentarischen Methode lassen sich Bedeutungsgehalte rekonstruieren,<br />

die sich jenseits der bewußten Absicht der Akteure auf Basis ihres<br />

Habitus im Rezeptionsprozeß dokumentieren. Da diese Bedeutungsgehalte<br />

in den kollektiven Praktiken eines Milieus wurzeln, bedarf es eines<br />

Erhebungsverfahrens, das dieser kollektiven Ebene Rechnung trägt. Als<br />

adäquate Erhebungsmethode wird eine spezifische Art des Gruppendiskussionsverfahrens<br />

betrachtet, bei der „Realgruppen“ untersucht werden, d.h.<br />

Gruppen, die aufgrund eines gemeinsamen Erfahrungshintergrundes einen<br />

gemeinsamen Habitus haben. Der Gruppendiskurs kann dann als Produkt<br />

des Habitus (opus operatum) betrachtet werde, in dem sich seine spezifi-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 39


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

sche generative Formel (modus operandi) dokumentiert. Läßt man innerhalb<br />

einer Gruppendiskussion Rezeptionsprozesse ablaufen, so lassen sich<br />

in dokumentarischer Perspektive habitusspezifische Sinngehalte der Rezeption<br />

rekonstruieren. Diese Perspektive ist weniger auf das inhaltlichthematische<br />

„Was“ des Rezeptionsprozesses gerichtet, sondern mehr auf<br />

das „Wie“, d.h. die besondere Machart, die Art und Weise, den ‚Stil’ – e-<br />

ben den modus operandi der Rezeption. Die besondere Machart einer<br />

Praktik wird aber nur sichtbar, wenn man mehrerer Praktiken der gleichen<br />

Gattung (des gleichen ‚Was’), die von unterschiedlichen Habitus hervorgebracht<br />

wurden, miteinander vergleicht. Der komparativen Analyse thematisch<br />

gleicher Fälle kommt daher im Rahmen der Dokumentarischen Methode<br />

eine entscheidende Rolle zu. Präreflexive Sinngehalte, die sich begrifflichen<br />

kaum explizieren lassen, zeigen sich insbesondere an vorbegrifflichen<br />

Ausdrucksweisen wie z.B. tastenden, vagen, diffusen, metaphorischen<br />

Be- oder Umschreibungen, Erzählungen sowie in einer bildhaften<br />

und anspielungsreichen Sprache. Sie bieten Ansatzpunkte für die Rekonstruktion<br />

der Habitusdimension von Rezeptionsprozessen. Kollektive Bezüge<br />

werden nicht lediglich als intervenierende Variablen oder allgemeiner<br />

Kontext von Medienrezeption betrachtet, sondern als die primordiale Analyseebene.<br />

Im Mittelpunkt der Analyse steht daher nicht das einzelne<br />

Gruppenmitglied, sondern der von der Gruppe gemeinschaftlich geführte<br />

Diskurs in seiner spezifischen Organisation und Dramaturgie. Gleichwohl<br />

kommt es dabei nicht (wie bei Vertretern der Cultural Studies) zu einer<br />

„Beurlaubung des Akteurs“ (vgl. Bourdieu/Wacquant 1996, S. 28). Die<br />

kollektiven Sinngehalte einer Gruppendiskussion werden (nach der theoretischen<br />

Neuausrichtung, die Bohnsack dem Verfahren gegeben hat) nicht<br />

als situativ emergierend betrachtet. Vielmehr kommt den untersuchten<br />

Gruppen und ihren Sinnbildungen der Status von „Epi-Phänomenen“ zu, in<br />

denen sich die habitusspezifischen Orientierungsmuster eines umfassenderen<br />

Milieus repräsentieren (vgl. Bohnsack 2000, S. 371 ff.; Loos/Schäffer<br />

2000, S. 87 f.). Am Beispiel einer Untersuchung von Fotorezeptionsprozessen<br />

wird der Aufweis habitusspezifischer Sinnkonstruktionen mit<br />

dem Verfahren der Dokumentarischen Methode illustriert.<br />

Literatur<br />

Bohnsack, R. 1999: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und<br />

Praxis qualitativer Forschung, Opladen, 3. Auflage.<br />

Bohnsack, R. 2000: Gruppendiskussion, in: Flick, U./ Kardorff, E.v./ Steinke, I. (Hg.)<br />

2000: Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek, S. 369-384.<br />

Bourdieu, P. 1974: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt/M.<br />

Bourdieu, P. 1985: Sozialer Raum und „Klassen“, Frankfurt/M.<br />

Bourdieu, P. 1987: Die feinen Unterschiede, Frankfurt/M.<br />

Bourdieu, P. 1993: Sozialer Sinn, Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt/M.<br />

Bourdieu, P. 1999: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes,<br />

Frankfurt/M.<br />

Bourdieu, P./Wacquant, L. 1996: Reflexive Anthropologie, Frankfurt/M.<br />

Seite 40 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Loos, P./Schäffer, B. 2000: Das Gruppendiskussionsverfahren. Grundlagen und empirische<br />

Anwendungen, Opladen.<br />

Mannheim, K. 1980: Strukturen des Denkens, Frankfurt/M.<br />

Sinus 2002: Die Sinus-Milieus in Deutschland. Strategische Marketing- und Mediaplanung<br />

mit der Typologie der Wünsche Intermedia, Offenburg.<br />

Marcus Maurer, Carsten Reinemann, Mainz<br />

Evidenz oder Emotion – was ist überzeugender<br />

Ein Beitrag zur Integration quantitativer und qualitativer<br />

Rhetorikforschung am Beispiel des zweiten TV-Duells<br />

im Bundestagswahlkampf 2002<br />

1 Quantitative und qualitative Rhetorikforschung<br />

Das wohl älteste Problem der Kommunikationswissenschaft ist die Frage,<br />

mit welchen Mitteln ein Redner seine Zuhörer am ehesten überzeugen<br />

kann. Bei der Klärung dieser Frage sind eine ganze Reihe von Faktoren zu<br />

berücksichtigen. Dazu zählen Merkmale des Redners (z.B. seine Glaubwürdigkeit),<br />

Merkmale der Botschaft (z.B. einseitige vs. zweiseitige Argumentation),<br />

Merkmale des Kommunikationskanals (z.B. verbale vs. visuelle<br />

Kommunikationsmittel), Merkmale des Publikums (z.B. sein Interesse)<br />

usw. Ein im Zusammenhang mit den Merkmalen der Botschaft seit der<br />

Rhetorik des Aristoteles immer wieder diskutiertes Teilproblem ist die Frage,<br />

ob das Anführen von Fakten oder das Wecken von Emotionen wirksamer<br />

ist. Es geht mit anderen Worten darum, ob die Zuhörer eher durch<br />

Belege z.B. in Form von Statistiken überzeugt werden, oder ob sie eher<br />

auf emotionale Appelle – das Erregen von Furcht oder Mitleid, das Betonen<br />

von Gemeinsamkeiten zwischen Redner und Zuhörern – reagieren.<br />

Heute haben sich mehrere Forschungsrichtungen herausgebildet, die sich<br />

im Anschluss an die antike Rhetorik unter anderem mit dieser Frage befassen.<br />

Die lexikalisch-sprachwissenschaftliche Analyse (z.B. Grünert<br />

1974) und die qualitative Analyse von Diskursen (z.B. Meyer, Schicha &<br />

Brosda 2001) beschäftigen sich hierbei vor allem mit der Systematisierung<br />

der Argumentationsweisen – also mit Form und Inhalt von Reden oder<br />

Debatten. Hierfür stehen mittlerweile umfangreiche Argumentationskataloge<br />

zur Verfügung. Mit ihnen werden reale, tatsächlich gehaltene Reden<br />

oder Debatten, die tatsächlich stattgefunden haben, ex-post-facto analysiert<br />

(ebd.: 292 ff.). Wirkungsannahmen schwingen hier zwar häufig implizit<br />

mit, werden aber meist nicht geprüft. Demgegenüber beschäftigt<br />

sich die quantitative Persuasionsforschung (z.B. Hovland, Janis & Kelley<br />

1963; Petty & Cacioppo 1986) in der Regel mit den Wirkungen von Reden<br />

oder Debatten. Hierzu werden meist Experimente durchgeführt, in denen<br />

die Stimuli (z.B. Fakten vs. Emotionen) künstlich variiert werden. Die Argumentstrukturen<br />

in realen Reden oder Debatten sowie deren Wirkungen<br />

werden meist nicht untersucht, da es den Forschern primär um generali-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 41


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

sierbare Ergebnisse zur Wirkung einzelner, experimentell isolierter Faktoren<br />

geht.<br />

Beide Ansätze gehen folglich theoretisch von den Inhalten aus und fragen<br />

anschließend nach den Wirkungen, die sie auslösen. Rein quantitative Ansätze<br />

vernachlässigen dabei <strong>aller</strong>dings häufig die Analyse der Inhalte, weil<br />

komplexe Argumentstrukturen kaum mit quantitativen Inhaltsanalysen<br />

erfasst werden können. Entsprechend schwierig ist die Isolation der kausal<br />

für eine Wirkung verantwortlichen Merkmale der realen Botschaft. Rein<br />

qualitative Analysen vernachlässigen dagegen häufig die Wirkungen, weil<br />

es bei qualitativen Wirkungsanalysen – z.B. Gruppendiskussionen – fraglich<br />

ist, ob den Probanden tatsächlich bewusst ist, welche Argumente sie<br />

überzeugt haben, und ob sie sich überhaupt im Nachhinein noch an einzelne<br />

Argumente erinnern können.<br />

Die Analyse der Wirkungen von einzelnen Argumenten in realen Reden<br />

oder Debatten kann folglich am ehesten mit einer Kombination aus quantitativen<br />

Wirkungsanalysen und qualitativen Inhaltsanalysen gelingen. Wir<br />

haben deshalb für diese Untersuchung ein Modell entwickelt, dass die<br />

Stärken beider Forschungsrichtungen miteinander verbindet. Es kehrt die<br />

klassische Analyselogik um, indem es nicht von den Inhalten auf die Wirkungen<br />

schließt, sondern von den Wirkungen ausgeht und nach deren Ursachen<br />

fragt.<br />

2 Analysemodell und Methode<br />

Unsere Untersuchung verbindet eine Real-Time-Response-Messung (RTR),<br />

die die spontanen Reaktionen der Zuhörer oder Zuschauer während der<br />

Rezeption einer Rede oder Debatte erfasst, mit einer qualitativen Inhaltsanalyse<br />

der entscheidenden Stellen dieser Debatte. Unser Untersuchungsgegenstand<br />

ist das zweite TV-Duell zwischen Gerhard Schröder und Edmund<br />

Stoiber im Bundestagswahlkampf 2002. Um die kurzfristigen Reaktionen<br />

während des Duells zu messen, erhielten 75 Probanden, die das<br />

Duell live in einem Hörsaal auf einer Großbildleinwand verfolgten, je einen<br />

7-stufigen Drehregler. Die Teilnehmer wurden gebeten, ihren subjektiven<br />

Eindruck von der Debatte mithilfe der Geräte wiederzugeben. Der Skalenmittelpunkt<br />

vier wurde als neutraler Punkt definiert, den die Teilnehmer<br />

dann wählen sollten, wenn sie keinen besonders guten oder schlechten<br />

Eindruck von den Kandidaten hatten. Werte unter vier sollten dann gewählt<br />

werden, wenn die Teilnehmer einen guten Eindruck von Schröder<br />

oder einen schlechten Eindruck von Stoiber hatten. Werte über vier bedeuten<br />

dementsprechend einen guten Eindruck von Stoiber oder schlechten<br />

Eindruck von Schröder. Die Extrempositionen (1 und 7) waren für einen<br />

äußerst guten oder schlechten Eindruck reserviert. Auf präzisere Anweisungen<br />

wurde bewusst verzichtet, um das Untersuchungsziel – die<br />

Messung subjektiver Wahrnehmungen – nicht zu gefährden. Die Messungen<br />

erfolgten kontinuierlich etwa alle 1,5 Sekunden – also auch dann,<br />

wenn die Befragten nicht schalteten. Für jeden Befragten liegen folglich<br />

etwa 3600 Messwerte vor.<br />

Seite 42 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Weil die Reaktionen der Zuschauer auf die Kandidaten sekundengenau erfasst<br />

wurden, kann man sie zuverlässig auf einzelne Aussagen der Kandidaten<br />

im Duell zurückführen. Aufgrund der empirisch gewonnen Daten<br />

lassen sich folglich im Nachhinein diejenigen Aussagen identifizieren, die<br />

die breite Mehrheit der Zuschauer überzeugt haben. Diese Aussagen können<br />

anschließend mithilfe eines qualitativen Kategorienschemas klassifiziert<br />

werden. Da die Textmenge durch das Vorschalten der quantitativen<br />

Wirkungsanalyse bereits erheblich reduziert ist, kann das Klassifizierungsschema<br />

sehr detailliert sein. Weil es uns hier um den methodischen Aspekt<br />

geht, wollen wir dennoch nur grob zwischen rationalen Argumenten<br />

(identifiziert über das Zitieren von Statistiken oder Autoritäten, Bilanzen<br />

eigenen Handelns etc.) und emotionalen Appellen (Humor, Pathos,<br />

Furchtappelle etc.) unterscheiden. Als Vergleichsgröße wollen wir Aussagen<br />

heranziehen, die die Zuschauer insgesamt nicht sonderlich beeindruckt<br />

haben. Interessant sind in diesem Zusammenhang vor allem Argumente,<br />

die nur die Anhänger des jeweiligen Redners überzeugt haben,<br />

während seine Gegner ablehnend reagierten. Ob es sich um Anhänger o-<br />

der Gegner eines Politikers handelt, haben wir vor Beginn des Duells in<br />

einer kurzen Befragung erhoben. Die Frage lautete: „Haben sie – alles in<br />

allem – eher eine gute oder eher eine schlechte Meinung von Gerhard<br />

Schröder (Edmund Stoiber)“.<br />

3 Ergebnisse<br />

Betrachtet man die Aussagen, mit denen die Kandidaten die breite Mehrheit<br />

der Zuschauer auf ihre Seite gebracht haben, zeigt sich, dass es sich<br />

fast immer um emotionale Appelle handelte („in einer Frage, die durchaus<br />

von existenzieller Natur ist, nämlich die Frage von Krieg und Frieden“;<br />

„und wie gesagt, das hat sehr, sehr mit meiner eigenen Biografie zu tun“).<br />

Bei den Aussagen, die das Publikum polarisiert haben, handelte es sich<br />

dagegen fast immer um rationale Argumente („das ist das 52. Gutachten<br />

gewesen“; „und zwar in einer Weise, die dreimal so hoch ist, wie in den<br />

übrigen Bundesländern“). Dies galt für beide Redner gleichermaßen. Stoiber<br />

benutzte <strong>aller</strong>dings deutlich häufiger rationale Argumente als Schröder.<br />

Er brachte die Zuschauer während der Debatte folglich deutlich seltener<br />

hinter sich und wurde von den meisten Probanden nach der Debatte<br />

als Verlierer des Duells bezeichnet.<br />

Aus methodischer Sicht besteht der Vorteil unseres Analysemodells darin,<br />

dass die Wirkungen einzelner Argumente spontan erfasst und nicht in späteren<br />

Analysen erfragt werden müssen. Weil man die Inhaltsanalyse auf<br />

die Argumente konzentrieren kann, die sich als wirksam herausgestellt<br />

haben, kann man eine detaillierte Klassifikation der Inhalte vornehmen,<br />

obwohl die ursprüngliche Textmenge relativ groß ist. Die qualitative Inhaltsanalyse<br />

von Argumenten, die in quantitativen RTR-Messungen als<br />

entscheidend für den Ausgang einer Debatte identifiziert wurden, leistet<br />

folglich einen erheblichen Beitrag zur modernen Rhetorikforschung.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 43


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Gabriela Christmann, Olaf Jandura, Dresden<br />

Lokale Medien und städtische Identität<br />

am Beispiel von Dresden. Eine Kombination<br />

von qualitativer und quantitativer Methodik<br />

Um es gleich vorweg zu sagen, die Methodenkombination zum Thema<br />

„Lokale Medien und städtische Identität am Beispiel von Dresden“ war<br />

nicht von vornherein geplant. Zunächst ist die qualitative Untersuchung<br />

als eigenständige Arbeit durchgeführt worden, die übrigens schon eine<br />

Kombination verschiedener qualitativer Methoden praktizierte. Im Nachhinein<br />

entstand der Wunsch, zentrale Ergebnisse, die die Studie im Hinblick<br />

auf die städtische Identität erbrachte, auf den Prüfstand einer quantitativ<br />

ausgerichteten, repräsentativen Umfrage zu stellen. Hierfür bot eine von<br />

Dritten in Auftrag gegebene quantitative Umfrage Gelegenheit, die so viel<br />

Spielraum ließ, dass sie sich auf Ergebnisse der qualitativen Studien ausrichten<br />

konnte.<br />

Das von uns praktizierte Verfahren ist somit ein Beispiel dafür, wie durch<br />

eine zufällige Konstellation in flexibler Weise Synergien genutzt werden<br />

können. Vor allem aber ist die Vorgehensweise ein Beispiel für eine Methodenkombination,<br />

die eine gegenseitige Ergänzung des qualitativen und<br />

des quantitativen Teils im Auge hat: Der Nutzen für die qualitativ angelegte<br />

Arbeit bestand darin, dass sie nunmehr nicht nur Facetten der städtischer<br />

Identität aufzählen, sondern dass sie mit Häufigkeiten bzw. mit Verteilungen<br />

dieser Facetten argumentieren kann. Die quantitative Studie<br />

profitierte davon, dass sie bei ihrem primären Ziel, die lokale Mediennutzung<br />

zu eruieren, auf der Basis der qualitativen Untersuchung Fragen zum<br />

Stadtbezug der Bewohner einbauen konnte, die sich im Rahmen der qualitativen<br />

Studie als wichtige Kernpunkte herauskristallisierten, somit das<br />

Interesse der Befragten garantiert weckten und zur Beantwortung der<br />

Fragen zur Mediennutzung motivierten.<br />

Die qualitative Studie ging auf der Basis des Sozialkonstruktivismus’ von<br />

Berger/Luckmann und des Diskurs-Konzepts von Foucault davon aus, dass<br />

städtische Identität historisch in kommunikativen Prozessen, und zwar in<br />

stadtbezogenen Diskursen innerhalb der Lokalkommunikation entstanden<br />

ist. Kommunikate der Lokalmedien und von öffentlichen Veranstaltungen<br />

werden als zentrale Elemente des stadtbezogenen öffentlichen Diskurses<br />

aufgefasst. Sie haben - so die Annahme - eine wichtige Funktion bei der<br />

kommunikativen Konstruktion von städtischer Identität.<br />

Vor diesem Hintergrund leitet sich das diskursanalytische Forschungsprogramm<br />

ab. Die erste Frage lautet, welche Wirklichkeitsdeutungen ausgewählte<br />

Lokalmedien (Dresden-Literatur, Dresdner Lokalpresse, Dresden-<br />

Videos) und auch öffentliche Veranstaltungen (Führungen, Vorträge, Podiumsdiskussionen)<br />

von der Stadt enthalten und wie sich diese im Laufe der<br />

Geschichte verändert haben. Die zweite Frage lautet, welche Wirklichkeitsdeutungen<br />

Stadtbürger im Hinblick auf ihre Stadt formulieren und in<br />

welchem Bezug sie sich zur Stadt sehen. Vor diesem Hintergrund wird,<br />

Seite 44 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


drittens, verglichen, inwiefern sich die kommunikativ vermittelten Wirklichkeitsdeutungen<br />

im Bewusstsein von Stadtbürgern niedergeschlagen<br />

haben. Im Rahmen unseres Vortrags werden wir uns vorzugsweise mit der<br />

zweiten Fragestellung beschäftigen.<br />

Die qualitative Untersuchung ist unter wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten<br />

dem sozialphänomenologischen Ansatz von Alfred Schütz<br />

verpflichtet. Es geht darum, die im Datenmaterial enthaltenen ‘Konstruktionen<br />

erster Ordnung’ herauszuarbeiten und zu beschreiben, um darauf<br />

aufbauend ‘Konstruktionen zweiter Ordnung’ zu entwickeln. Die Untersuchung<br />

folgte ‚ethnographischen Arbeitsprinzipien’. Sie ist ‚ethnographisch<br />

inspiriert’, keinesfalls aber eine ‚Ethnographie’ im ‚klassischen’ Sinne. Im<br />

Rahmen der Datenerhebung sind neben der Beobachtung und Tonaufzeichnung<br />

von öffentlichen Veranstaltungen qualitative Interviews mit<br />

Stadtbürgern geführt worden. Konkret handelte es sich um ethnographische<br />

und problemzentrierte Interviews. Die aufgezeichneten öffentlichen<br />

Veranstaltungen und Interviews wurden in Anlehnung an das konversationsanalytische<br />

Transkriptionssystem in einem ‚geringen Feinheitsgrad’<br />

verschriftlicht. Von den Dresden-Videos sind Einstellungsprotokolle und<br />

(für die bessere Übersicht) zusätzlich Sequenzprotokolle angefertigt worden,<br />

die mittels einer hermeneutischen Filmanalyse und der Grounded-<br />

Theory-Analyse untersucht worden sind. Die Analyse der Dresden-<br />

Literatur, der Dresdner Lokalpresse, der öffentlichen Veranstaltungen und<br />

der Interviews erfolgte zunächst mittels des Verfahrens der Grounded<br />

Theory-Analyse. Für ‚feinere’ Datenanalysen, die an ausgewählten Texten<br />

der verschiedenen Datenarten erfolgten, kam die sozialwissenschaftliche<br />

Hermeneutik zum Einsatz. Die Erfahrungen, die sich aus dieser qualitativen<br />

Methodenkombination ergaben, sollen im Vortrag nur sehr kurz skizziert<br />

werden, weil der Schwerpunkt des Beitrages auf der qualitativen und<br />

quantitativen Methodenkombination liegen soll.<br />

Als quantitative Studie wurde eine repräsentative telefonische Befragung<br />

unter 509 Dresdnern und Dresdnerinnen durchgeführt, die im Mai dieses<br />

Jahres stattfand. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung lag auf der Erfassung<br />

der Nutzung der lokalen Medien aber auch der genutzten Inhalte.<br />

Ergänzt wurde die Studie durch Fragen zum Stadtbezug, zur Lebensqualität<br />

und zur Nutzung der Kunst- und Kulturangebote in der Stadt. Die Indikatoren<br />

für die eben erwähnten Konstrukte wurden aus der qualitativen<br />

Vorstudie abgeleitet, um im nachhinein vergleichen zu können, inwieweit<br />

sich die Muster der lokalen Verbundenheit mit der Stadt Dresden, die in<br />

der qualitativen Studie zu Tage traten, wiederfinden lassen oder nicht.<br />

Wie schon gesagt, sollen in unserem Beitrag schwerpunktmäßig die Erfahrungen<br />

diskutiert werden, die wir mit der Kombination von qualitativer<br />

und quantitativer Methodik gemacht haben.<br />

Es zeigte sich, so viel soll vorweggenommen werden, dass ein Großteil der<br />

Ergebnisse aus der quantitativen Studie mit jenen aus der qualitativen<br />

kongruierten. Genauer gesagt: Die nicht-repräsentativen ‘Verteilungen’ im<br />

kleinen Sample der qualitativen Studie lagen im Rahmen jener Verteilun-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 45


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

gen, die sich aus der quantitativen Studie ergaben und erwiesen sich ü-<br />

berraschenderweise im Nachhinein gewissermaßen als ‚deckungsgleich’.<br />

Allerdings sind die Vergleichspunkte nur sehr reduziert, denn die qualitative<br />

Studie lebte ja von Eigenthematisierungen der Befragten, nicht von<br />

standardisierten Items. Zudem erhob die qualitative Studie naturgemäß<br />

keine Ausprägungsintensitäten (sehr stark, eher stark, eher nicht stark,<br />

überhaupt nicht stark). Hier ergeben sich nach unseren Erfahrungen schon<br />

erste Probleme bei der Vergleichbarkeit von quantitativen und qualitativen<br />

Daten, die jedoch durch eine Extremgruppenanalyse im Rahmen der Datenauswertung<br />

der quantitativ erhobenen Daten aufweichen.<br />

An zwei Stellen gab es außerdem auch deutliche Abweichungen in den Ergebnissen.<br />

Zum einen gaben die befragten Personen der qualitativen Studie<br />

eine stärkere Nutzung des Kulturangebots an als die der standardisierten<br />

Befragung. Zum anderen führten die beiden Studien bei einer Frage<br />

sogar zu einem widersprüchlichen Ergebnis. Dort ging es um das Verhältnis,<br />

das die Befragten hinsichtlich ihrer Verbundenheit zur Gesamtstadt<br />

Dresden einerseits und zum Stadtteil andererseits äußerten. Die Befragten<br />

der qualitativen Studie gaben in der Mehrheit an, dass sie sich stärker mit<br />

der Gesamtstadt verbunden fühlen. Sie fühlten sich zwar auch mehr oder<br />

weniger stark mit dem Stadtviertel verbunden, setzten dieses aber nach<br />

der Gesamtstadt an zweite Stelle. Die Befragten der quantitativen Studie<br />

räumten hingegen eindeutig dem Stadtteil Priorität ein. Es wäre zu einfach,<br />

dieses Phänomen mit der geringen Fallzahl der qualitativen Studie zu<br />

erklären. Wir vermuten vielmehr, dass die unterschiedlichen Ergebnisse<br />

auf der Basis der verschiedenen Instrumente und der damit verbundenen<br />

Befragungssituation zu sehen sind. Dies soll im Vortrag ausführlich erläutert<br />

werden.<br />

Es zeigt sich also, dass die Kombination von qualitativer und quantitativer<br />

Methodik Probleme aufwerfen kann. Um es noch schärfer zu formulieren:<br />

Es scheint, als ob beide Methodiken aufgrund ihrer jeweiligen Instrumente<br />

auch ‘Konstrukte’ produzieren können, die den jeweils spezifischen Kontextualisierungen<br />

geschuldet sind.<br />

Ruth Jäger, Dresden<br />

Integration von Ergebnissen. Konzeptuelle Überlegungen<br />

illustriert an einem Praxisbeispiel<br />

Der Vortrag leistet einen Beitrag zu den folgenden im „Call for Papers“<br />

aufgeworfenen Fragestellungen: Welche Kombinationen von qualitativer<br />

und quantitativer Forschung werden in der Forschungspraxis angewendet<br />

und wie verhalten sich die Ergebnisse zueinander Eingebettet sollen diese<br />

Darstellungen in konzeptuelle Überlegungen zu einer dimensionierten Beschreibung<br />

von qualitativen und quantitativen Methoden werden.<br />

Seite 46 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Traditionell werden qualitative und quantitative Forschung als zwei unterschiedliche<br />

Herangehensweisen an den Forschungsgegenstand definiert.<br />

Bei der qualitativen Forschung wird zumeist der offene und kommunikative<br />

Charakter der Datenerhebung thematisiert (Lamnek, 1995, Mayring,<br />

2002). Andere Definitionen benennen abgrenzende Charakteristika von<br />

Erhebung und Auswertung in einem Atemzug (Bortz & Döring, 2002).<br />

Cropley (2002) stellt die dahinter liegende Dichotomie differenziert nach<br />

Dimensionen dar und benennt sie pointiert „Merkmale stereotyp quantitativer<br />

und qualitativer Ansätze“ (S. 25).<br />

Fruchtbare Begegnungsmöglichkeiten, die beiden Seiten dieser dichotom<br />

beschriebenen Forschungsmedaille einbeziehen, systematisieren Kelle und<br />

Erzberger (1999, 2000). Sie unterscheiden dabei Methoden- und Ergebnisintegration<br />

und favorisieren die letztere, d.h. die Integration der Ergebnisse<br />

von Untersuchungen mit verschiedenen methodischen Erhebungszugängen.<br />

Als mögliche inhaltliche Ausgänge einer solchen Ergebnisintegration<br />

werden Konvergenz, Komplementarität und Divergenz beschrieben.<br />

Jeder dieser Ausgänge ist auf je eigene Weise fruchtbar für den weiteren<br />

Forschungs- und Erkenntnisprozess. Voraussetzung für die dargestellte Art<br />

der Ergebnisintegration ist, dass zu einem Forschungsgegenstand verschiedene<br />

methodische Zugänge gewählt wurden.<br />

Dieses Vorgehen soll hier als Kombination verschiedener Zugänge auf der<br />

Erhebungsebene bezeichnet werden. Integrationsbasis sind dabei die Ergebnisse<br />

zweier oder mehrer Studien, die sich bei der Erhebung im Grad<br />

ihrer Offenheit unterscheiden. Verallgemeinernd kann gesagt werden: Auf<br />

der Erhebungsebene unterscheiden sich Methoden hinsichtlich der Dimension<br />

Offenheit. Diese ist als Kontinuum zu denken und spannt sich zwischen<br />

den Polen Standardisierung und Offenheit auf. Standardisierung ist<br />

dabei eher mit quantitativ und Offenheit eher mit qualitativ assoziiert. Zur<br />

Illustration für dieses Vorgehen soll die Integration von Ergebnisse aus<br />

einer Arbeit zu Konnotationen der Begriffe Standard und Abweichung (Jäger<br />

& Melzer, im Druck) berichtet werden. Zur Erhebung der Konnotationen<br />

wurden zum einen ein Semantisches Differenzial und zum anderen ein<br />

Satzergänzungsbogen eingesetzt. Als Auswertungsmethoden für das semantische<br />

Differenzial wurde die Faktorenanalyse, für den Satzergänzungsbogen<br />

die induktive Kategorienbildung (Mayring, 2003) gewählt.<br />

Eine nach Meinung der Autorin im Focus der Diskussion um qualitative und<br />

quantitative Methoden bisher nicht integrativ betrachtete Ebene ist die<br />

Ebene der Auswertung. Bortz und Döring (2002) setzen auf der Auswertungsebene<br />

quantitative Forschung mit Statistik und qualitativ Forschung<br />

mit interpretativen Techniken gleich. Heißt das, die Statistik ist frei von<br />

Interpretation Sicherlich nicht, aber der Ort der Interpretation im Forschungsprozess<br />

liegt inhaltlich gut versteckt u. a. in der Operationalisierung<br />

der Konstrukte und in den Annahmen der Sinnhaftigkeit von Skalenqualität<br />

und Verteilungseigenschaften numerischer Daten. Warum aber<br />

diese Skalenniveaudiskussion nicht ausweiten und als Spezialfall hineinholen<br />

in eine umfassendere - über die Grenze von qualitativen und quantita-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 47


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

tiven Methoden hinweggehende - Beschreibung Vielleicht wird es dann<br />

auch möglich in Analogie zu Kelle und Erzberger (1999, 2000) verschieden<br />

inhaltliche Ausgänge bei der Integration von Ergebnissen unterschiedlicher<br />

methodischer Auswertungszugänge zu unterscheiden. Theoretisch stehen<br />

auch hier die drei Ausgänge von Konvergenz, Komplementarität und Divergenz<br />

zur Verfügung. Voraussetzung für diese Art der Ergebnisintegration<br />

ist, dass zu einem Datensatz verschiedene methodische Auswertungszugänge<br />

gewählt wurden.<br />

Dieses dargestellte Vorgehen soll als Kombination verschiedener Zugänge<br />

auf der Auswertungsebene bezeichnet werden. Integrationsbasis sind dabei<br />

die Ergebnisse zweier oder mehrer Auswertungen des gleichen Datensatzes,<br />

die sich in der Auswertung im Grad ihrer Setzungsfreiheit unterscheiden.<br />

Verallgemeinernd kann gesagt werden: Auf der Auswertungsebene<br />

unterscheiden sich Methoden hinsichtlich der Dimension Setzungsfreiheit.<br />

Diese ist wiederum als Kontinuum zu denken und spannt sich zwischen<br />

den Polen Skalenannahme und Setzungsfreiheit auf. Skalenannahme<br />

ist dabei eher mit quantitativ und Setzungsfreiheit eher mit qualitativ<br />

assoziiert. Zur Illustration für dieses Vorgehen soll die Integration von Ergebnissen<br />

berichtet werden, die im Zusammenhang mit der Arbeit zu<br />

Konnotationen der Begriffe Standard und Abweichung (Jäger & Melzer, im<br />

Druck) erhoben wurden. Basis ist der Datensatz des Semantischen Differenzials.<br />

Das Ergebnis einer formalen Begriffsanalyse (Ganter & Wille,<br />

1999) wird mit dem Ergebnis der Faktorenanalyse verglichen.<br />

Literatur<br />

Bortz, J. & Döring, N. (2002). Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin; Heidelberg:<br />

Springer.<br />

Cropley; A.J. (2002). Qualitative Forschungsmethoden. Eine praxisnahe Einführung.<br />

Eschborn: Verlag Dietmar Klotz.<br />

Ganter, B. & Wille, R. (1999). Formal concept analysis. mathematical foundations. Berlin;<br />

Heidelberg: Springer.<br />

Jäger, R. & Melzer; M. (im Druck). Konnotationen von Standard und Abweichung. Ergebnisse<br />

zweier empirischer Studien. In Käthe und Clara (Hrsg.), Standard:Abweichung.<br />

Dokumentation 29. Kongress von FiNuT 29.Mai – 1. Juni 2003 in<br />

Berlin. Darmstadt: FiT - Verlag.<br />

Kelle, U. & Erzberger, Ch. (1999). Integration qualitativer und quantitativer Methoden:<br />

methodologische Modelle und ihre Bedeutung für die Forschungspraxis. Kölner Zeitschrift<br />

für Soziologie und Sozialpsychologie, 51, S. 509 - 531.<br />

Kelle, U. & Erzberger, Ch. (2000). Qualitative und quantitative Methoden - kein Gegensatz.<br />

In Flick, U., Kardorff, E. von, & Steinke, I. (Hrg.), Qualitative Sozialforschung.<br />

Ein Handbuch (S. 299 - 309). Reinbek: Rowohlt.<br />

Lamnek. S. (1995). Qualitative Forschung. Weinheim: Beltz.<br />

Mayring, Ph. (2002). Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz.<br />

Mayring, Ph. (2003). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim;<br />

Basel: Beltz.<br />

Seite 48 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Jörg Matthes, Jena<br />

Die Verknüpfung von qualitativen und quantitativen<br />

Methoden im Prozess der Skalenkonstruktion<br />

1 Einleitung<br />

Die Begriffe „qualitativ“ und „quantitativ“ sind im Wortschatz eines empirischen<br />

Sozialwissen-schaftlers eine Selbstverständlichkeit. Bei näherem<br />

Hinsehen werden beide Begriffe <strong>aller</strong>-dings in einem recht breiten Kontext<br />

verwendet: so für die Bezeichnung von Paradigmen, Daten, Methoden und<br />

Auswertungsverfahren. Meist ist aber nicht klar, was genau gemeint ist:<br />

„es [ist] bisher nicht eindeutig gelungen, qualitative und quantitative Analyse<br />

definitorisch klar abzugrenzen“ (Mayring 2001: 2). In der methodischen<br />

Literatur wird verstärkt für eine sinnvolle Kombination von qualitativen<br />

und quantitativen Methoden plädiert (vgl. etwa Brewer/Hunter 1989;<br />

Punch 1998; Tashakkori/Teddlie 1998). Die Vertreter dieser Richtung –<br />

auch mixed-method-Forschung genannt – argumentieren u. a., dass sich<br />

die Elemente beider Methoden nicht eindeutig trennen lassen (House<br />

1994: 17). Weiterhin ist nie eine Herangehensweise der anderen vollkommen<br />

überlegen. Vielmehr hängt die Wahl der Methode vom jeweiligen<br />

Untersuchungsgegenstand und nicht von paradigmatischen Positionen ab<br />

(Punch 1998: 241).<br />

Dieser Beitrag greift die Diskussion um die Definition, Relevanz und Verknüpfung<br />

von qualitativer und quantitativer Forschung auf. Im Mittelpunkt<br />

stehen hierbei Erfahrungen, die bei der sozialwissenschaftlichen Skalenkonstruktion<br />

gesammelt werden konnten (Matthes/Kohring 2003; vgl. a-<br />

ber auch Suckfüll/Matthes/Markert 2002). Nach einer Begriffsklärung von<br />

qualitativer und quantitativer Forschung werden zunächst verschiedene<br />

Möglichkeiten der Methodenkombination vorgestellt und in einer Typologie<br />

von mixed-method-designs systematisiert. Anschließend wird das gängige<br />

Vorgehen bei der Skalenkonstruktion rekapituliert und in die Typologie<br />

eingeordnet. Wie zu zeigen sein wird, findet eine Verknüpfung von qualitativer<br />

und quantitativer Forschung im gesamten Prozess der Skalenkonstruktion<br />

statt, also von der Hypothesenformulierung über die Datensammlung<br />

bis zur Datenauswertung. Ein weiterer Schwerpunkt des Beitrages<br />

ist das Zusammenspiel von explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalyse.<br />

Die aufgegriffenen Überlegungen werden an der Entwicklung<br />

einer Skala zur Erfassung von Vertrauen in Journalismus demonstriert.<br />

2 Typen von Methodenkombinationen<br />

In der Literatur zu mixed-method-designs wurde eine Vielzahl von Verknüpfungsvorschlägen<br />

erarbeitet. Den elaboriertesten Systematisierungsansatz<br />

haben Tashakkori und Teddlie (1998) vorgelegt. Die Autoren unterscheiden<br />

zunächst zwischen mixed-method und mixed-model Studien:<br />

Bei ersteren werden nur die Methoden selbst verknüpft (z. B. narratives<br />

Interview und standardisierte Befragung), bei letzteren kann die Verknüpfung<br />

sowohl auf mehreren Ebenen innerhalb einer Datenerhebung als<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 49


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

auch zwischen und innerhalb von zwei Datenerhebungen erfolgen: „To mix<br />

methods only is too limiting; the qualitative-quantitative distinction cuts<br />

across more than ‚method’“ (ebd.: 52). Die Begriffe qualitativ und quantitativ<br />

werden also bei Tashakkori und Teddlie (1998) nicht nur auf die Methode<br />

bezogen, sondern auf den gesamten Forschungsprozess. Legt man<br />

die von Tashakkori und Teddlie (1998) entwickelte Typologie der bisherigen<br />

Forschungspraxis zur Skalenkonstruktion zu Grunde, so lassen sich<br />

die meisten Arbeiten sicherlich dem von den Autoren postulierten Typus<br />

„sequentielle Studien mit ungleichem Status“ zuordnen. Der qualitative<br />

Zugang spielt bei diesem Vorgehen eine untergeordnete Rolle, da er ausschließlich<br />

als Ideenquelle betrachtet wird und nur einen „ersten Einblick<br />

über die dem Konstrukt möglicherweise zugrunde liegende Faktorenstruktur“<br />

(Homburg/Giering 1998: 127) gewährleistet. In qualitativen Vorstudien<br />

werden zumeist lediglich Fragebogenitems entwickelt. Die Studien<br />

werden nicht weiter ausgewertet bzw. nicht quantifiziert. In diesem Beitrag<br />

wird zunächst grundsätzlich die Auffassung vertreten, dass die sozialwissenschaftliche<br />

Skalenkonstruktion immer von einer Verknüpfung beider<br />

Methoden profitieren kann. Allerdings sollte dies über ein einfaches<br />

Stufenmodell hinausgehen, in dem qualitative Verfahren schlicht als Pretest<br />

zum Einsatz kommen. Wenn man nämlich die Verknüpfung lediglich<br />

als sequentielle Studie mit ungleichem Status verortet, beschränkt und<br />

übersieht man vor allem die Vorteile der qualitativen Methoden für den<br />

gesamten Prozess der Skalenkonstruktion.<br />

3 Verknüpfungsmöglichkeiten im Prozess der Skalenentwicklung<br />

Für die Skalenkonstruktion wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen: Nach<br />

einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Konstrukt werden qualitative<br />

Interviews durchgeführt, in denen offene Fragen gestellt und inhaltsanalytisch<br />

ausgewertet werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung<br />

fließen in eine darauf folgende quantitative Befragung ein. Es handelt sich<br />

demnach um ein Design mit zwei Datenerhebungen, wobei – wie zu zeigen<br />

sein wird – aber jede einzelne Datenerhebung schon qualitative oder<br />

quantitative Phasen aufweisen kann: Gemäß der Typologie von Tashakkorie<br />

und Teddlie (1998) kann eine Verknüpfung von qualitativer und quantitativer<br />

Forschung nicht nur zwischen zwei Datenerhebungen erfolgen (mixed<br />

method), die global als „qualitativ“ bzw. „quantitativ“ bezeichnet werden,<br />

sondern auch innerhalb einer Datenerhebung (monostrand mixed<br />

model). Im folgenden soll gezeigt werden, wie sich die Charakteristika<br />

qualitativer und quantitativer Forschung durch den gesamten Prozess der<br />

Skalenkonstruktion ziehen.<br />

(1) Theoretisches Konzept/Fragestellung<br />

Der erste Schritt im Prozess der Skalenkonstruktion ist die ausführliche<br />

Auseinandersetzung mit der theoretischen Konzeption des Konstruktes. Je<br />

nach Entwicklungsstand ergeben sich dann Hypothesen und/oder Fragestellungen.<br />

Das deduktive Hypothesentesten wird zumeist der quantitativen<br />

Forschung und die induktive Hypothesenentwicklung der qualitativen<br />

Forschung zugeschrieben. Einige Forscher (z. B. Lincoln/Cuba 1985) hal-<br />

Seite 50 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


ten ein konfirmatorisches Vorgehen für die qualitative Forschung sogar für<br />

ungeeignet. Meinefeld (2000: 274) sieht in dieser Auffassung eine „erkenntnistheoretisch<br />

nicht haltbare Festlegung [...], die zudem die Einsatzmöglichkeiten<br />

qualitativer Forschung begrenzt.“ Auch hier wird postuliert,<br />

dass selbst mit qualitativen Daten Hypothesen getestet werden können:<br />

“Both types of data can be productive for descriptive, reconnoitering,<br />

exploratory, inductive, opening up purposes. And both can be productive<br />

for explanatory, confirmatory, hypothesis-testing purposes.” (Miles/Huberman<br />

1994: 42; vgl. auch Meinefeld 2000: 270f; Punch 1998: 240). Zu<br />

Beginn einer standardisierten Befragung überwiegen dann zwar die abgeleiteten<br />

Hypothesen. Allerdings können auch hier explorative Fragestellungen<br />

durch die Daten gewonnen werden. Nur in den seltensten Fällen<br />

wird man ein ausschließlich konfirmatorisches oder exploratives Konzept<br />

verfolgen.<br />

(2) Datenerhebung<br />

Bei den Interviews erfolgt eine Methodenkombination schon dann, wenn<br />

die qualitativen Daten quantifiziert werden, so dass eine statistische Auswertung<br />

möglich ist (Fromm 1990: 477). Diesen Vorgang nennen<br />

Tashakkori und Teddlie (1998: 126) „quantitizing“. Auf der anderen Seite<br />

ist das „qualitizing“ ein Prozess, in dem quantitative/numerische Daten in<br />

qualitative/verbale Daten transformiert werden. Hier werden<br />

Informationen zu den numerischen Daten hinzugefügt, „die die extrem<br />

reduzierte numerische Information verstehbar und wieder auf alltägliche<br />

Lebenszusammenhänge beziehbar machen“ (Fromm 1990: 477).<br />

(3) Auswertung<br />

Für die Auswertung der qualitativen Interviews wird ein inhaltsanalytisches<br />

Vorgehen empfohlen (Quantifizierung qualitativer Daten). Die Auswertung<br />

der standardisierten Befragung erfolgt zumeist mit der explorativen<br />

(EFA) und konfirmatorischen Faktorenanalyse (KFA). In der Aufdeckung<br />

noch nicht bekannter Strukturen liegt die Stärke der EFA. Bei der<br />

KFA hingegen werden – vereinfacht ausgedrückt – „kausale“ Beziehungen<br />

zwischen latenten und manifesten Variablen überprüft. Im Gegensatz zur<br />

EFA, bei der jedes Item auf jedem Faktor frei laden kann, wird bei der KFA<br />

ein Messmodell spezifiziert, das die jeweiligen Indikatoren einzelnen Faktoren<br />

zuordnet. Der Beitrag greift an dieser Stelle die methodische Diskussion<br />

um die Abfolge und Angemessenheit beider Auswertungsverfahren<br />

auf (vgl. Hurley et al. 1997). In dieser Diskussion wird u. a. die Brauchbarkeit<br />

der EFA angezweifelt oder zumindest eingeschränkt, da die KFA als<br />

“unumstritten überlegen“ gilt (Homburg/Giering 1998: 121). Hier wird a-<br />

ber argumentiert, die Stärken beider Verfahren im Prozess der Skalenkonstruktion<br />

sinnvoll zu verbinden, da mit Gerbing und Hamilton (1996: 63)<br />

Skalenentwicklung immer als ein „interplay of theory and data“ begriffen<br />

werden kann. Durch die Einführung der KFA sollte keineswegs die Brauchbarkeit<br />

der EFA geschmälert werden. Bei der EFA erfolgt durchaus ein<br />

nützliches “qualitatives” Vorgehen (Qualitativieren quantitativer Daten):<br />

„although the data are in numerical form and statistics are used as an<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 51


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

analytical tool, it can be argued that the process involved is largely qualitative.”<br />

(Bazeley 2003: 407) So betont auch Fromm (1990: 477), dass die<br />

bei der EFA „aufgewandte Kreativität und Intuition wohl kaum zu überschätzen“<br />

ist. Selbst wenn ausschließlich eine KFA zum Einsatz kommt,<br />

wird dann doch zumeist verdeckt explorativ modifiziert (MacCallum/Roznowski/Necowitz<br />

1992).<br />

4 Ein empirisches kommunikationswissenschaftliches Beispiel<br />

Abschließend werden die Überlegungen an der Entwicklung einer Skala zur<br />

Erfassung von Vertrauen in Journalismus demonstriert (vgl. Matthes/Kohring<br />

2003): Zunächst wurden in einer qualitativen Studie Interviews<br />

durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Hierbei konnten schon<br />

erste grundlegende Hypothesen geprüft werden. Diese Studie mündete<br />

wiederum in eine quantitative standardisierte Befragung, die sich sowohl<br />

einer EFA als auch einer KFA bediente. Hier wird gezeigt, wie wichtig die<br />

EFA als induktives Verfahren sein kann und wie die Verknüpfung mit einer<br />

KFA erfolgt. Es wird deutlich, dass sich eine klare Trennung von „qualitativen“<br />

und „quantitativen“ Methoden nicht ziehen lässt. Schließlich werden<br />

die Ergebnisse sowie der weitere Entwicklungsverlauf der Skala kurz skizziert.<br />

Literatur<br />

Bazeley, P. (2003): Computerized data analysis for mixed methods research. In: Tashakkori,<br />

A./ Teddlie, C. (Hrsg.): Handbook of mixed methods in social & behavoiral research.Thousand<br />

Oaks, S. 385-422.<br />

Brewer, J./ Hunter, A. (1989): Multimethod Research: A synthesis of styles. Newbury<br />

Park.<br />

Fromm, M. (1990): Zur Verbindung quantitativer und qualitativer Methoden. In: Pädagogische<br />

Rundschau, 44. Jg., S. 469-481.<br />

Gerbing, D. W./ Hamilton, J. G. (1996): Viability of exploratory factor analysis as a precursor<br />

to confirmatory factor analysis. In: Structural Equation Modeling, 3. Jg., Nr. 1,<br />

S. 62-72.<br />

Homburg, C./ Giering, A. (1998): Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer<br />

Konstrukte – Ein Leitfaden für die Marketingforschung. In: Hildebrandt, L./ Homburg,<br />

C. (Hrsg.): Die Kausalanalyse. Ein Instrument der betriebswirtschaftlichen empirischen<br />

Forschung. Stuttgart, S. 111-146.<br />

House, E. R. (1994): Integrating the quantitative and the qualitative. In: Reichardt,<br />

Charles S./ Rallis, Sharon F. (Hrsg.): The qualitative-quantitative debate: new perspectives.<br />

San Francisco, S. 13-22.<br />

Hurley, A. E./ Scandura, T. A./ Schriesheim, C. A./ Brannik, M. T./ Seers, A./ Vandenberg,<br />

R. J./ Williams, L. J. (1997): Exploratory and confirmatory factor analysis:<br />

guidelines, issues, and alternatives. In: Journal of Organizational Behavior, 18. Jg., S.<br />

667-683.<br />

Lincoln, Y.S./ Cuba, E.G. (1985): Naturalistic Inquiry. Beverly Hills.<br />

MacCallum, R. C./ Roznowski, M./ Necowitz, L.B. (1992): Model modifications in covariance<br />

structure analysis: The problem of capitalization on chance. In: Psychological<br />

Bulletin, 114. Jg., S. 185-199.<br />

Matthes, J./ Kohring, M. (2003). Operationalisierung von Vertrauen in Journalismus. In:<br />

Medien & Kommunikationswissenschaft, 51. Jg., 5-23.<br />

Seite 52 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Mayring, P. (2001). Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Analyse.<br />

Forum: Qualitative Social Research, 2, [Online Journal, http://qualitativeresearch.net/fqs/fqs.htm].<br />

Miles, M.B./ Huberman, A.M. (1994): Qualitative data analysis. Thousand Oaks.<br />

Meinefeld, W. (2000): Hypothesen und Vorwissen in der qualitativen Sozialforschung. In:<br />

Flick, U./von Kardoff, E./Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch.<br />

Reinbek.<br />

Punch, K. F. (1998): Introduction to social research. Quantitative and qualitative<br />

perspectives. London.<br />

Suckfüll, M./ Matthes, J./ Markert, D. (2002): Rezeptionsmodalitäten. Definition und Operationalisierung<br />

individueller Strategien bei der Rezeption von Filmen. In: Rössler, P./<br />

Kubisch, S./ Gehrau, V. (Hrsg.): Empirische Perspektiven der Rezeptionsforschung.<br />

München, S. 193-211.<br />

Tashakkori, A./ Teddlie, C. (1998): Mixed methodology – combining qualitative and<br />

quantitative approaches. London.<br />

Bertram Scheufele, München<br />

Verknüpfung qualitativer Befunde<br />

und quantitativer Daten am Anwendungsbeispiel<br />

journalistischer Nachrichtenproduktion<br />

Unser Vortrag beschäftigt sich weniger mit grundsätzlichen methodologischen<br />

Aspekten ‚qualitativer’ und ‚quantitativer’ Verfahren, sondern mit<br />

ihrer kombinierten Anwendung für eine konkrete kommunikationswissenschaftliche<br />

Fragestellung. Damit werden folgende Aspekte des Calls for<br />

Papers abdeckt: (1) Welche methodischen Herangehensweisen werden<br />

kombiniert (2) Welche Fragestellungen werden damit angegangen und<br />

welche inhaltlichen und methodischen Probleme gelöst (3) Lassen sich<br />

daraus Schlüsse über das Verhältnis qualitativer und quantitativer Verfahren<br />

ableiten<br />

Fragestellung /<br />

Kombination qualitativer und quantitativer Verfahren<br />

Ausgehend vom Framing-Ansatz werden zwei Konstrukte unterschieden:<br />

Kognitive Sinnhorizonte von Journalisten werden als journalistische Frames<br />

bezeichnet. Solche Erwartungsrahmen werden durch Bündel kognitiver<br />

Schemata aufgespannt. Neben anderen Einflussfaktoren auf die Nachrichtenproduktion<br />

(z.B. Einstellungen) schlagen sie sich in Strukturen der<br />

Berichterstattung nieder, die wir Medien-Frames nennen. Das Verfahren,<br />

um journalistische Frames zu identifizieren, nennen wir Frame-Analyse,<br />

das Verfahren, um Medien-Frames zu untersuchen, nennen wir Framing-<br />

Analyse. Im Zuge der Frame-Analyse mussten journalistische Kognitionen<br />

– statt über eine Befragung – aus meinungsbetonten Beiträgen erschlossen<br />

werden. Dafür wurde ein mehrstufiges qualitatives Verfahren entwickelt,<br />

das mehrere Probleme lösen musste; dazu gleich mehr. Die Fra-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 53


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

ming-Analyse entsprach einer konventionellen quantitativen Inhaltsanalyse<br />

tatsachenbetonter Beiträge. Damit wurde geprüft, ob die bei der Frame-Analyse<br />

ermittelten journalistischen Kognitionen sich in entsprechenden<br />

Berichtsstrukturen niederschlugen, also die Nachrichtenproduktion<br />

beeinflussen. Der Untersuchungszeitraum für die Frame-Analyse umfasste<br />

die Orientierungsphasen nach vier Schlüsselereignissen; innerhalb von<br />

zwei Wochen nach jedem Schlüsselereignis etablierten sich nach unserer<br />

Annahme neue Bezugsrahmen oder bestehende wurden verändert. Der<br />

Untersuchungszeitraum für die Framing-Analyse umfasste die vier an die<br />

Orientierungsphasen jeweils anschließenden Routinephasen; nach unserem<br />

Modell wurden hier die neu gesetzten Frames perpetuiert (vgl. Abbildung<br />

1).<br />

Inhaltliche und methodische Probleme<br />

Die Frame-Analyse musste eine Reihe von Problemen lösen: Will man<br />

journalistische Kognitionen aus Beiträgen erschließen, muss das Verfahren<br />

der Frame-Identifizierung erstens journalistische Kognitionen und nicht<br />

jene des Forschers erfassen. Zweitens muss es hinreichend von der Berichtsebene<br />

auf die Ebene kognitiver Strukturen abstrahieren. Unser Verfahren<br />

gliederte sich in zwei Phasen: (1) In der Erhebungsphase wurden<br />

Beiträge mit einem Codierleitfaden analysiert – vergleichbar der qualitativen<br />

Inhaltsanalyse (Mayring, 2000). Dabei dienten generalisierte Nachrichtenschemata<br />

als Codierheuristik – vergleichbar mit Codierfamilien und<br />

-paradigma der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1967). Auf diese<br />

Weise erfolgte eine hinreichende Annäherung an journalistische Denkmuster.<br />

An die Beiträge wurden Codierfragen gestellt, die durch Paraphrase<br />

von Informationen beantwortet wurden. Eine Information ordnete ein Objekt<br />

sinnhaft ein. Dies konnte über Attribut, Bedingungskomplex (Ursachen,<br />

Folgen) oder Zusatzinformation (z.B. Wertbezüge) erfolgen. (2) In<br />

der Auswertungsphase nutzten wir die Zusammenfassungstechnik der<br />

qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2000), um die ‚Codierungen’ der Erhebungsphase<br />

zu bündeln und reduzieren. Damit wurden die konkreten<br />

Anwendungsbezüge journalistischer Vorstellungen bestimmt. Daran<br />

schloss sich ein Verfahren an, das Überlegungen qualitativer Typenbildung<br />

(z.B. Kelle & Kluge, 1999) sowie die Idee der Idealtypen bei Weber (1988)<br />

und Schütz (1993) aufgriff. Hier wurden aus allen ‚Codierungen’ pro sozialem<br />

Objekt (z.B. aus allen täterbezogenen ‚Codierungen’) Idealtypen gebildet<br />

(z.B. Täter-Typen), die wir im Sinne kognitiver Schemata (z.B. Täter-Schemata)<br />

interpretierten. Für diesen Analogieschluss von Idealtypen<br />

als empirisch gehaltvollen „Konstruktionen zweiten Grades“ auf journalistische<br />

Schemata als „Konstruktionen ersten Grades“ (Schütz, 1971: 7)<br />

sprach zweierlei: Schemata und Idealtypen sehen gleichermaßen von peripheren<br />

Aspekten ab („Ausscheidung des Zufälligen“; Weber, 1988: 201).<br />

Zudem repräsentieren Schemata saliente Merkmale, während Idealtypen<br />

ganz ähnlich zentrale Gesichtspunkte überzeichnen. Für die Idealtypenbildung<br />

wurden die ‚Codierungen’ der Orientierungsphasen kontrastiert, womit<br />

wir ein ähnliches Verfahren der Grounded Theory stark modifizierten.<br />

Seite 54 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Auf diese Weise abstrahierte die Frame-Analyse von der Beitragsebene auf<br />

die Ebene kognitiver Strukturen. Hier werden wir auch diskutieren, weshalb<br />

keine Clusteranalyse möglich war. Das Ergebnis der Analyse waren<br />

eine Zusammenstellung, die angab, welche journalistischen Frames und<br />

Schemata in welchen Orientierungsphasen vorkamen und welche Kombinationen<br />

salienter Attribute sie repräsentierten.<br />

Im Vortrag wird neben einer vergleichsweise kurzen Methodenbeschreibung<br />

für die Frame-Analyse vorrangig das Problem diskutiert, wie sich die<br />

Befunde der qualitativen Frame-Analyse überhaupt mit den quantitativen<br />

Daten der Framing-Analyse verknüpfen lassen. Dabei geht es nicht um<br />

plausibilistische, sondern um numerische Verknüpfung. Das Codebuch der<br />

quantitativen Framing-Analyse war eng auf die Frame-Analyse abgestimmt.<br />

Stark verkürzt lässt sich dies so erklären: Die Framing-Analyse<br />

zielte letztlich nicht auf Berichtsstrukturen. Die Frage war vielmehr: Decken<br />

sich die in einer Routinephase (z.B. nach Schlüsselereignis Möllner<br />

Brandanschlag) berichteten Sachverhalte (z.B. Ursachen rechter Gewalt)<br />

mit den in der Orientierungsphase davor identifizierten journalistischen<br />

Kognitionen (z.B. Ursachen-Schemata Mölln) Um diesen Grad an Frame-/<br />

Schema-Fitting ermitteln zu können, wurden die bei der Frame-Analyse<br />

ermittelten Schemata wieder ‚in ihre Einzelteile zerlegt’. So wurden z.B.<br />

alle Attribute (Slots und Default Values) <strong>aller</strong> Ursachen-Schemata ‚gesammelt’<br />

und in quantitativ messbare Kategorien und Ausprägungen für<br />

das Codebuch der Framing-Analyse überführt; schematisch zeigt dies Abbildung<br />

2.<br />

Auf diese Weise wussten man zugleich, in welches Schema welcher Phase<br />

die jeweilige Kategorienausprägung in einem bestimmten Beitrag aus einer<br />

Routinephase ‚fittete’ (rechte Hälfte in Abbildung 2). Entsprechend ließ<br />

sich ein phasenbezogener Fitting-Code pro Ausprägung bzw. Kategorie<br />

vergeben, was sich für Täter illustrieren lässt: Eine 1 wurde vergeben,<br />

wenn sowohl das für den Routinebeitrag codierte Tätermerkmal als auch<br />

dessen Ausprägung dem Täter-Schema der zugehörigen Orientierungsphase<br />

entsprach. Eine 0 wurde vergeben, wenn die Kategorie zwar schema-konsistent<br />

war, nicht aber die Ausprägung oder wenn beide schemadiskrepant<br />

waren. Da pro Artikel diverse Tätermerkmale codiert werden<br />

konnten, interessierte nicht das Fitting eines singulären Tätermerkmals,<br />

sondern das durchschnittliche Fitting <strong>aller</strong> im Beitrag erwähnten Täterattribute.<br />

Dafür wurde pro Beitrag und Objektklasse (z.B. für Täter) ein Index<br />

für relatives Schema-Fitting bestimmt. Er berechnete sich als Quotient<br />

aus der Anzahl der im Artikel erwähnten schema-konformen Merkmale<br />

(z.B. Tätermerkmale) und der Anzahl <strong>aller</strong> berichteter, also auch diskrepanter<br />

Attribute. Der Index konnte Werte zwischen 0 und 1 annehmen: Je<br />

näher der Wert bei 1 lag, desto stärker überwogen im Beitrag schemakonsistente<br />

Informationen; je näher der Wert bei 0 lag, desto eher schema-diskrepante.<br />

Bei einem Wert von 0.50 hielten sich konsistente und<br />

diskrepante Informationen die Waage. Mit diesem standarisierten Maß erfolgt<br />

die numerische Verknüpfung der Befunde der qualitativen Frameund<br />

der quantitativen Framing-Analyse.<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 55


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Ableitungen für das Verhältnis<br />

qualitativer und quantitativer Forschung<br />

Am Beispiel der hier skizzierten Untersuchungsanlage und Verfahrensweisen<br />

plädieren wir für eine vorsichtigere Terminologie. Denn viele Arbeiten,<br />

die sich im weitesten Sinne dem Framing-Ansatz zuordnen lassen (Framing-,<br />

Deutungs- und Diskursmusteranalysen), identifizieren solche kognitiven<br />

oder diskursiven Mustern oftmals mit Verfahren, die vage bis impressionistisch<br />

zu nennen sind. Dies gilt für Arbeiten des ‚qualitativen Paradigma’<br />

(z.B. Althoff, 1998) ebenso wie für Arbeiten des ‚quantitativen<br />

Paradigma’ (Kepplinger et al., 1999). Überspitzt formuliert scheint in dieser<br />

Hinsicht kein Gegensatz zwischen ‚qualitativer’ und ‚quantitativer’ Ausrichtung<br />

zu bestehen, sondern ein Gegensatz zwischen methodisch gut<br />

begründeten und elaborierten Verfahren einerseits und methodisch fragwürdigen<br />

und vielleicht subjektiv, aber nicht intersubjektiv nachvollziehbaren<br />

Verfahren andererseits.<br />

Literatur<br />

Althoff, M. (1998): Die soziale Konstruktion von Fremdenfeindlichkeit. Opladen.<br />

Glaser, B. G. & Strauss, A. (1967): The discovery of grounded theory: Strategies for<br />

qualitative research. New York.<br />

Kelle, U. & S. Kluge (1999): Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung<br />

in der qualitativen Sozialforschung (Qualitative Sozialforschung, Bd. 4). Opladen.<br />

Kepplinger, H. M. / Maurer, M & Roessing, T. (1999): Deutschland vor der Wahl. Eine<br />

Frame-Analyse der Fernsehnachrichten. In: Noelle-Neumann, E. / Kepplinger, H. M. &<br />

Donsbach, W.: Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf<br />

1998. Freiburg, München. S. 78-107.<br />

Mayring, P. ( 7 2000): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim.<br />

Schütz, A. ( 6 1993): Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende<br />

Soziologie. Frankfurt am Main (zuerst 1932).<br />

Weber, M. ( 7 1988): Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis<br />

(zuerst 1904). In: Weber, M. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre.<br />

Herausgegeben von J. Winkelmann. Tübingen. S. 146-214.<br />

Abbildung 1: Untersuchungsanlage –<br />

Frame-Analyse und Framing-Analyse<br />

Orientierungsphase (Etablierung des Frames)<br />

Routinephase (Anwendung des Frames)<br />

Frame-Analyse<br />

H R M S<br />

Framing-Analyse<br />

H Hoyerswerda<br />

R Rostock<br />

M Mölln<br />

S Solingen<br />

Seite 56 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong><br />

t


Abbildung 2: Überführung von Schemata der Frame-Analyse<br />

in Kategorien und Ausprägungen der Framing-Analyse<br />

sowie Vergabe von Fitting-Codes<br />

Frame-Analyse (Auswahl)<br />

Täter-Schema<br />

‚nach Hoyerswerda’<br />

Merkmal 1: Ausprägung A<br />

Merkmal 2: Ausprägung B<br />

Merkmal 3: Ausprägung A<br />

Ursachen-Schema<br />

‚nach Mölln’<br />

Merkmal 1: Ausprägung C<br />

Merkmal 2: Ausprägung C<br />

Michala Maier, Hohenheim<br />

Framing-Analyse<br />

(Auswahl)<br />

Kategorie 1<br />

Ausprägung A<br />

Ausprägung B<br />

Ausprägung C<br />

Kategorie 2<br />

Ausprägung A<br />

Ausprägung B<br />

Ausprägung C<br />

Kategorie 3<br />

Ausprägung A<br />

....<br />

Fitting-Code<br />

Süßsauer –<br />

Erfahrungen mit dem Einsatz qualitativer Methoden<br />

1 Untersuchungsdesign der Studie: Konvergenz<br />

öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehprogramme<br />

in Deutschland aus der Zuschauerperspektive<br />

Fitting in das<br />

Ursachen-Schema<br />

‚nach Hoyerswerda’<br />

...<br />

‚nach Mölln’<br />

Kategorie 2<br />

...<br />

‚nach Hoyerswerda’<br />

‚nach Mölln’<br />

Kategorie 3<br />

‚nach Hoyerswerda’<br />

...<br />

Obwohl die „Methodentriangulation“, d.h. der aufeinander bezogene Einsatz<br />

qualitativer und quantifizierender Verfahren, in aktuellen kommunikationswissenschaftlichen<br />

Studien immer häufiger zum Einsatz kommt, wird<br />

die Analyse, Präsentation und Bewertung von qualitativen Daten, die in<br />

solchen Zusammenhängen erhoben werden, selten diskutiert. Dass ebendiese<br />

Punkte jedoch keinesfalls unproblematisch sind, zeigen Erfahrungen,<br />

die sich im Rahmen des Projekts „Konvergenz öffentlich-rechtlicher und<br />

privater Fernsehprogramme in Deutschland aus der Zuschauerperspektive“<br />

ergaben. Dieses basiert auf einer qualitativen Vorstudie und auf einer<br />

standardisierten Bevölkerungsbefragung. Im Rahmen der Vorstudie wurden<br />

Leitfadeninterviews durchgeführt, um das Forschungsfeld der Zuschauereinstellungen<br />

zum dualen Fernsehen in Deutschland mit dem Fokus<br />

auf den durch die Zuschauer wahrgenommenen Ähnlichkeiten und Un-<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 57


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

terschieden zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehprogrammen<br />

zu explorieren. Sie sollten den Zuschauern die Möglichkeit geben,<br />

ihre Einstellungen zum deutschen Fernsehen ausführlich und frei von den<br />

Beschränkungen einer stark strukturierten und standardisierten Befragung<br />

zu beschreiben. Das bisher wissenschaftlich wenig beachtete Forschungsfeld<br />

sollte auf diese Weise erschlossen und die Ergebnisse zur Systematisierung<br />

des Wissens über Zuschauereinstellungen zum deutschen Fernsehsystem<br />

verwendet werden.<br />

Die Befunde dienten in der Folge der Entwicklung von Hypothesen sowie<br />

der Erarbeitung eines Modells der Zuschauereinstellungen zum dualen<br />

System und eines Fragebogens für die standardisierte Befragung. Gleichzeitig<br />

konnten im Rahmen der Vorstudie jedoch auch Einzelaspekte erfragt<br />

und vertieft werden, die aus forschungsökonomischen Gründen in der Repräsentativbefragung<br />

nicht mehr detailliert behandelt wurden. In diesem<br />

Sinne diente die qualitative Vorstudie nicht nur der Exploration der später<br />

standardisiert zu erfassenden Einstellungsmuster, sondern es wurden außerdem<br />

Zusatzinformationen gesammelt, die das Gesamtbild der Zuschauereinstellungen<br />

zum Fernsehsystem in Deutschland abrundeten.<br />

Durch eine sinnvolle Kombination zweier, für sich genommen in ihrer Leistungsfähigkeit<br />

begrenzter Verfahren sollte die Validität der wissenschaftlichen<br />

Befunde erhöht werden.<br />

2 Süß – Positive Erfahrungen mit dem Methodenmix<br />

Für die qualitative Vorstudie wurden im Zeitraum von März bis Mai 2000<br />

insgesamt 33 Leitfadeninterviews durchgeführt. Zunächst bewahrheiteten<br />

sich die in der Literatur beschriebenen Vorteile wenig standardisierter Befragungen:<br />

Die Analyse der Interviews zeigte, dass die Einstellungen der<br />

Fernsehzuschauer zum dualen System wesentlich differenzierter sind und<br />

ihre Muster komplizierter erscheinen, als dies mit Hilfe weniger, standardisierter<br />

Fragen (etwa: „Soll im deutschen Fernsehen alles so bleiben, wie<br />

es ist”) erfasst werden könnte. Die Möglichkeit zur Exploration im offenen<br />

Interview gewährte einen wesentlich tieferen Einblick in die Einstellungsmuster<br />

bezüglich des dualen Fernsehsystems, wie hier nur einige Beispiele<br />

zeigen sollen:<br />

1. Die Frage nach ihrer grundsätzlichen Vorliebe für einen Sender oder eine<br />

Veranstaltergruppe (öffentlich-rechtlich vs. privat) konnte ein großer<br />

Teil der Befragten zunächst gar nicht beantworten. Nachfragen ergaben,<br />

dass sie die beiden Veranstaltergruppen tatsächlich in Abhängigkeit von<br />

der aktuell nachgefragten Programmsparte nutzten, so dass im Laufe<br />

der Leitfadeninterviews die Fragen nach dem Programmwahlverhalten<br />

und der Senderpräferenz jeweils für Informations- und Unterhaltungsformate<br />

wiederholt werden mussten.<br />

2. Auch auf die für die Studie zentrale Frage nach der Wahrnehmung der<br />

Entwicklung der öffentlich-rechtlichen und der privatkommerziellen<br />

Fernsehprogramme seit der Dualisierung des Systems durch die Zuschauer<br />

zeigte sich ein sehr viel differenzierteres Bild als zunächst an-<br />

Seite 58 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


genommen: So unterschieden die Zuschauer einerseits zwischen mindestens<br />

drei verschiedenen Phasen der Konvergenz, Parallelentwicklung<br />

oder Divergenz der Programme, wobei sie sich außerdem nicht nur auf<br />

Veränderungen des Programms (Programminhalte und -formate sowie<br />

zeitliches Sendeschema) bezogen, sondern auch auf eine technischorganisatorische<br />

Ebene (gemeinsame Nutzung von technischen und personellen<br />

Ressourcen, Austausch von Personal). Eine pauschale Bewertung<br />

der Entwicklung im Rahmen einer geschlossenen Frage erscheint<br />

vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.<br />

3. Schließlich zeigten sich die ostdeutschen Befragten in ihrer Bewertung<br />

der privatkommerziellen Sender kritischer als aufgrund der Fernsehnutzungsdaten<br />

und Befunde anderer Studien zu erwarten war.<br />

3 Sauer – Probleme der qualitativen Befragung<br />

Neben vielen interessanten und zum Teil sehr detaillierten Befunden der<br />

Gespräche, brachte die Auswertung der qualitativen Interviews jedoch<br />

auch eine Reihe von Problemen mit sich:<br />

1. Von Beginn an war die begrenzte Aussagefähigkeit des Datenmaterials<br />

abzusehen, das es aufgrund einer nicht genügend großen Fallzahl sowie<br />

der erschwerten Vergleichbarkeit der Antworten nicht zuließ, „allgemein<br />

gültige” Ergebnisse zu formulieren – ein Problem, das durch die Ergänzung<br />

durch eine quantifizierende Befragung „geheilt“ werden sollte.<br />

2. Zusätzlich kamen während der Interviews und bei der Durchsicht der<br />

Transkripte jedoch an der einen oder anderen Stelle Zweifel auf, ob die<br />

Befragten tatsächlich eine eigene Einstellung zum Gegenstand der Diskussion<br />

aufwiesen. In einigen Fällen, die im Rahmen des Vortrags exemplarisch<br />

vorgestellt werden sollen, blieb nach dem großen Aufwand,<br />

der bei der Durchführung der Interviews, ihrer Transkription und Aufbereitung,<br />

betrieben wurde, nur die Erkenntnis, dass der Befragte nichts<br />

anderes als „Nichteinstellungen” präsentiert hatte.<br />

3. Bei einigen anderen Interviews schienen die Gesprächspartner zwar<br />

durchaus reflektierte, aber auch sehr differenzierte und vielschichtige<br />

Einstellungen zum Befragungsgegenstand zu haben. Obwohl die Möglichkeit<br />

zur Exploration solcher Einstellungsstrukturen der entscheidende<br />

Vorteil qualitativer Verfahren ist, stellt die veröffentlichungstaugliche<br />

Dokumentation solcher Gespräche ein großes Problem dar, da nicht nur<br />

die „Nettoantworten“, sondern auch der Gesprächsverlauf für die abschließende<br />

Bewertung relevant sein können. Eine Standardlösung für<br />

eine angemessene Dokumentation ist bisher jedoch nicht bekannt.<br />

4 Relevanz<br />

Die skizzierten Probleme beim Einsatz qualitativer Befragungsformen sind<br />

sowohl für die weitere Entwicklung der Methodentriangulation als auch allgemein<br />

für das Problembewusstsein im Zusammenhang mit Bevölkerungsbefragungen<br />

von grundsätzlicher Relevanz: Ein gesundes Misstrauen<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 59


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

in die Validität der Antworten ist nicht nur dann angebracht, wenn hohe<br />

Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit der Probanden gestellt<br />

werden. Bei allen Themen, bei denen das grundsätzliche Interesse oder<br />

persönliche Erfahrungen der Befragten nicht per se angenommen werden<br />

können, scheint der Erfolg wissenschaftlicher Studien gefährdet, der sich<br />

nicht auf die Erhebung von Nichteinstellungen gründen kann. Dabei ist das<br />

grundsätzliche Bemühen der Probanden, kooperativ zu sein und die ihnen<br />

entgegengebrachte Aufmerksamkeit in jedem Fall zu nutzen, dem Erkenntnisinteresse<br />

des Wissenschaftlers abträglich.<br />

Seite 60 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Die Referenten<br />

Baumann, Eva, geboren 1974 in Krefeld. Ausbildung zur Verlagskauffrau und<br />

zur Werbereferentin (IHK), anschließend DTP-Fachkraft. 1997-2002 Studium<br />

Medienmanagement am IJK mit Nebenfach Wirtschaftswissenschaften. Von<br />

1999 bis 2002 studentische Hilfskraft und seit Juni 2002 wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Institut für Journalistik & Kommunikationsforschung der<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />

Interessenschwerpunkte: Gesundheitskommunikation, Rezeptionsforschung<br />

Bilandzic, Helena, Dr. phil, geboren 1972; Studium der Kommunikationswissenschaft,<br />

des Medienrechts, der Französischen Philologie und der Markt- und<br />

Werbepsychologie an der Universität München; Promotion 2003 in München.<br />

1997-2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität München; 2002-<br />

2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Erfurt; seit 2003 wissenschaftliche<br />

Assistentin an der Universität Erfurt.<br />

Forschungsschwerpunkte: Rezeptions- und Wirkungsforschung, Methoden<br />

und Methodologie<br />

Christmann, Gabriela, Dr. rer. soc., geboren 1961; Studium der Sozialarbeit an<br />

der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten (1981-1985), Studium der Soziologie<br />

und Politikwissenschaft an der Universität Konstanz (1985-1991);<br />

Promotion im Fach Soziologie 1996; Tätigkeit in diversen Forschungsprojekten,<br />

v.a. in dem von Thomas Luckmann und Jörg R. Bergmann geleiteten<br />

DFG-Projekt „Formen der kommunikativen Konstruktion von Moral“ (1992-<br />

1996); seit dem Wintersemester 1997 Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft<br />

der Technischen Universität Dresden.<br />

Forschungsschwerpunkte: Wissenssoziologie, Sprachsoziologie, soziale Bewegungen,<br />

Mediensoziologie, Soziologie der Identität, Stadtsoziologie und<br />

qualitative Methoden<br />

Hackenberg, Achim Robert, M.A., geboren 1969, Studium der Theaterwissenschaft,<br />

Filmwissenschaft und Erziehungswissenschaft an den Universitäten<br />

Erlangen und Berlin, Magister 1999 an der Freien Universität Berlin. Seit<br />

1999 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, FB<br />

Erziehungswissenschaft und Psychologie, AB Philosophie der Erziehung beschäftigt.<br />

Forschungsschwerpunkte: Sozialwissenschaftliche Medienanalyse, Medienrezeptionsforschung,<br />

Wissenschaftstheorie<br />

(Infos: http://userpage.fu-berlin.de/~hackenbg/)<br />

Hajok, Daniel, geb. am 1. August 1970, Magister der Kommunikations- und<br />

Medienwissenschaften. Nach mehrjähriger wissenschaftlicher Tätigkeit für die<br />

Universität Leipzig und für das JFF München seit Oktober 2001 an der Freien<br />

Universität Berlin, FB Erziehungswissenschaft und Psychologie, AB Philosophie<br />

der Erziehung, beschäftigt.<br />

Forschungsschwerpunkte: Jugend- und Medienforschung<br />

(Infos: http://userpage.fu-berlin.de/~hajok/)<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 61


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Hasebrink, Uwe, Prof. Dr. phil., geboren 1958; Studium der Psychologie und<br />

der Deutschen Philologie an der Universität Hamburg; 1983 bis 1986 Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg;<br />

1986 Promotion; seit 1986 am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung,<br />

1988 bis 1998 als Geschäftsführender Referent, seit 1998 als Mitglied des Direktoriums;<br />

seit 2001 zugleich Professor für Empirische Kommunikationswissenschaft<br />

an der Universität Hamburg.<br />

Forschungsschwerpunkte: individuelle Muster der Mediennutzung, Veränderungen<br />

von Rezeptionsstilen durch neue Medienangebote sowie Prozesse länder-<br />

und sprachraumübergreifender Kommunikation<br />

Jäger, Ruth, Dipl.-Psych., Dipl.-Mus.Päd. für Violine, Musikstudium und Tätigkeit<br />

als Musikpädagogin. 1991 bis 1999 TU-Berlin: Psychologiestudium. 1995 bis<br />

1999 TU-Berlin: Tutorin für Methodenlehre und Statistik. 1999/2000 HdK<br />

Berlin: Lehrauftrag für Statistik im Studiengang GWK. Seit 2000 wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin im Bereich Methoden der Psychologie: zunächst IFP<br />

München, seit Nov. 2000 TU Dresden. Trägerin des Georg Sieber Preises<br />

2000 der WiGFaP e.V.<br />

Jandura, Olaf, M.A., Studium der Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft,<br />

Soziologie und Neuerer und Neuester Geschichte an der TU Dresden<br />

und der Universidad de Navarra Pamplona; seit Oktober 1999 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden<br />

am Lehrstuhl von Professor Donsbach.<br />

Forschungsschwerpunkt: Politische Kommunikation<br />

Krotz, Friedrich ist Diplommathematiker und Diplomsoziologe, hat in Soziologie<br />

promoviert und in Journalistik/Kommunikationswissenschaft habilitiert. Er<br />

lehrt als Professor für Kommunikationssoziologie/-psychologie an der Universität<br />

Münster.<br />

Sein Forschungschwerpunkt ist die Frage danach, was die Menschen mit den<br />

Medien machen und welche Rolle das für die Gesellschaft spielt. Dabei stehen<br />

insbesondere die neuen Medien sowie interkulturelle Fragestellungen im Vordergrund.<br />

Loosen, Wiebke, Dr. phil., M.A., Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />

Psychologie, Germanistik und Betriebswirtschaftslehre an der<br />

Universität Münster, 1997 Promotion, 1997 bis 2000 wissenschaftliche Assistentin<br />

an der Universität Münster, seit Dezember 2000 wissenschaftliche Assistentin<br />

an der Universität Hamburg.<br />

Forschungsschwerpunkte: Journalismusforschung, computervermittelte Kommunikation,<br />

Methoden der empirischen Kommunikationsforschung<br />

Maier, Michaela, Dr. phil., geboren 1973; 1994 bis 1998 Studium der Germanistik,<br />

Journalistik und Politikwissenschaft an der Universität Bamberg und<br />

der University of South Carolina; 1998 bis 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

und Promotion an der Universität Jena, 2001 bis 2003 wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin an der Universität Hohenheim, ab WS 2003 Juniorprofessorin an<br />

der Universität Koblenz-Landau.<br />

Forschungsschwerpunkte: Rezeptionsforschung, Journalismusforschung, Organisationskommunikation<br />

Seite 62 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>


Matthes, Jörg, Dipl.-Psych., geboren 1977; Studium der Psychologie sowie der<br />

Medienwissenschaft, Philosophie und Interkulturellen Wirtschaftskommunikation<br />

an der FSU Jena. Seit 01/2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FSU<br />

Jena in den Projekten „Vertrauen in Medien“ (DFG) und "Life Sciences in European<br />

Society" (EU). Ab 10/2003 wissenschaftlicher Assistent am Institut für<br />

Publizistikwissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich.<br />

Forschungsschwerpunkte: Framing, Vertrauen in Medien, Rezeptionsforschung<br />

Maurer, Marcus, M.A., Dr. phil., geboren 1969, Studium der Publizistikwissenschaft,<br />

Politikwissenschaft und Deutschen Philologie in Münster und Mainz.<br />

1997 bis 2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der<br />

Johannes Gutenberg-Universität Mainz; seit 2003 Wissenschaftlicher Assistent<br />

am selben Institut.<br />

Forschungsschwerpunkte: Politische Kommunikation, Medienwirkungsforschung<br />

Möhring, Wiebke, Dr. phil., geboren 1970 in Detmold. 1990-1995 Studium Medienmanagement<br />

am IJK Hannover, anschließend Projektmitarbeiterin. 1996<br />

bis 2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IJK Hannover, Promotion zum<br />

Thema „Die Lokalberichterstattung in den neuen Bundesländern. Orientierung<br />

im gesellschaftlichen Wandel“. Von 2000 bis 2002 beurlaubt für einen Auslandsaufenthalt<br />

in den USA, seit März 2003 wieder als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am IJK Hannover.<br />

Peiser, Wolfram, Diplom-Ökonom, Dr. phil., geboren 1962, 1990-1995 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung<br />

der Hochschule für Musik und Theater Hannover, 1995 Promotion, seitdem<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Universität<br />

Mainz.<br />

Derzeitige Arbeitsschwerpunkte: Mediennutzung und ihre langfristige Entwicklung,<br />

gesellschaftliche Medienwirkungen, Methodenfragen<br />

Reinemann, Carsten, M.A., Dr. phil., geboren 1971; Studium der Publizistikwissenschaft,<br />

Politikwissenschaft und Psychologie in Mainz. Anschließend wissenschaftlicher<br />

Projektmitarbeiter an der Universität Leipzig. Seit 1997 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität<br />

Mainz. Promotion September 2002, Thema: „Mediennutzung<br />

aus Profession. Eine empirische Untersuchung der Mediennutzung politischer<br />

Journalisten“.<br />

Forschungsschwerpunkte: Politische Kommunikation, Journalismusforschung,<br />

Methoden<br />

Richter, Antje, Dipl. Päd., geboren 1976; Studium der Erziehungswissenschaft/<br />

Sozialpädagogik an der Universität Rostock und der Technischen Universität<br />

Dresden; seit Mai 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität<br />

Berlin, FB Erziehungswissenschaft und Psychologie, AB Philosophie der<br />

Erziehung.<br />

Forschungsschwerpunkte: Medienforschung, bilinguale Erziehung und Bildung<br />

(Infos: http://userpage.fu-berlin.de/~richter3)<br />

Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in der <strong>DGPuK</strong><br />

<strong>Abstracts</strong> < Seite 63


Kontrast, Kongruenz, Komplement: „Qualitative“ und „quantitative“ Methoden in der Kommunikationswissenschaft<br />

Scherer, Helmut, Prof. Dr., geboren 1955, Studium der Publizistik, Philosophie<br />

und Germanistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, 1984 Magisterexamen,<br />

1984-1985 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Demoskopie<br />

Allensbach im Bereich Mediaforschung, 1985-1989 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter bei Winfried Schulz am Lehrstuhl für Kommunikations- und Politikwissenschaft<br />

der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1989<br />

Promotion in Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander- Universität<br />

Erlangen-Nürnberg, 1989-1996 wissenschaftlicher Assistent am<br />

Lehrstuhl für Kommunikations- und Politikwissenschaft der Friedrich-<br />

Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Sommersemester 1995 Vertretung<br />

der Professur für empirische Kommunikationswissenschaft an der Universität<br />

München, 1995 Habilitation im Fach „Kommunikationswissenschaft“ an der<br />

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, 1996-1999 Professor für Kommunikationswissenschaft<br />

an der Philosophischen Fakultät I der Universität Augsburg., seit<br />

WS 1999/2000 Professor für Kommunikationswissenschaft – Medienwissenschaft<br />

am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule<br />

für Musik und Theater Hannover.<br />

Forschungsschwerpunkte: politische Kommunikation, öffentliche Meinung,<br />

Rezeptionsforschung, Medienwirkungsforschung<br />

Scheufele, Bertram, Dr. phil, geboren 1969; Studium der Publizistik/Kommunikationswissenschaft,<br />

Soziologie, Kunstgeschichte und Psychologie an den<br />

Universitäten Mainz und München; 1997 Promotion, Projektleiter an der Universität<br />

München ("Medien und Fremdenfeindlichkeit", "Kriegsberichterstattung"),<br />

derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München.<br />

Forschungsschwerpunkte: Politische Kommunikation, Theorien der Nachrichtenproduktion,<br />

Gewaltforschung, qantitative und qualitative Methoden der<br />

Kommunikationswissenschaft<br />

Schlütz, Daniela, Dr. phil., geb. 1968 in Bremen. 1988-1991 Ausbildung zur<br />

Werbekauffrau bei Grey, Düsseldorf. 1991-1996 Studium Medienmanagement<br />

am IJK Hannover. 1996-1997 Studiengang MSc Media and Communications<br />

an der LSE London. 1997-2000 Projektmitarbeiterin im DFG-<br />

Schwerpunktprogramm "Lesesozialisation" (unter Leitung von Frau Prof. Dr.<br />

Wermke, Universität Osnabrück). Seit 1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am IJK Hannover (derzeit Erziehungsurlaub). Promotion zum Thema: „Bildschirmspiele<br />

und ihre Faszination: Zuwendungsmotive, Gratifikationen und<br />

Erleben interaktiver Medienangebote“.<br />

Wenger, Christian, Dipl.oec, geboren 1971; Studium der Sozioökonomie in<br />

Augsburg; 1997-2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie<br />

und empirische Sozialforschung; seit 2002 Lehrstuhl für Werbepsychologie<br />

und Konsumforschung (beides Universität Augsburg); kurz vor dem Abschluss<br />

seiner Dissertation zum Thema "Leben als Fan. Gemeinschaft und I-<br />

dentität in Fankulturen am Beispiel der STAR TREK-Fans".<br />

Forschungsinteressen: Cultural Studies und Medienaneignung, Jugend- und<br />

Musikkulturen, Methoden der empirischen Sozialforschung<br />

Seite 64 < 5. Tagung der Fachgruppe „Methoden“ in der <strong>DGPuK</strong>

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