Eine kurze Einführung in die schwedisch-italienische Gesangstechnik
Eine kurze Einführung in die schwedisch-italienische Gesangstechnik
Eine kurze Einführung in die schwedisch-italienische Gesangstechnik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>schwedisch</strong>-<strong>italienische</strong> <strong>Gesangstechnik</strong><br />
von Christian Halseband<br />
Die <strong>schwedisch</strong>-<strong>italienische</strong> <strong>Gesangstechnik</strong> hat e<strong>in</strong>e lange Tradition beg<strong>in</strong>nend im 19. Jhd.<br />
mit Manuel Garcia d. J. über Gillis Brad (<strong>schwedisch</strong>er Gesanglehrer, Opern-Bariton und Hals-<br />
Nasen-Ohren-Arzt), Kirsten Flagstad, Ingebjart Isene, Joseph Hislop, Jussi Björl<strong>in</strong>g und Birgit<br />
Nilsson bis h<strong>in</strong> zu Alan L<strong>in</strong>dquest und David L. Jones. Alan L<strong>in</strong>dquest stu<strong>die</strong>rte 1938/39 bei<br />
Joseph Hislop und war mit Jussi Björl<strong>in</strong>g befreundet. Auch Birgit Nilsson war Schüler<strong>in</strong> Hislops.<br />
Seit vier Jahren stu<strong>die</strong>re ich <strong>die</strong> Pr<strong>in</strong>zipien <strong>die</strong>ser <strong>Gesangstechnik</strong> bei David L. Jones,<br />
e<strong>in</strong>em Schüler L<strong>in</strong>dquests. Näheres über <strong>die</strong> Tradition und Technik entnehmen Sie bitte den<br />
entsprechenden Artikeln (zu f<strong>in</strong>den unter: http://www.voiceteacher.com (englisches Orig<strong>in</strong>al)<br />
oder http://www.gesanglehrer.de (deutsche Übersetzung).<br />
Was s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Pr<strong>in</strong>zipien <strong>die</strong>ser Gesangsmethode Ziel ist e<strong>in</strong> frei funktionierendes Instrument“<br />
mit guter Resonanz und Tragfähigkeit, Flexibilität, großem Stimmumfang, <strong>in</strong>dividuel-<br />
”<br />
lem schönem Klang mit ausgeglichenem Vibrato bei guter Textverständlichkeit. Der Sänger<br />
wird <strong>in</strong> <strong>die</strong> Lage versetzt frei mit dem Publikum über das Medium der Musik zu kommunizieren.<br />
Die <strong>Gesangstechnik</strong> ist nicht Selbstzweck – das oft kritisierte Virtuosentum ohne Inhalt,<br />
oder: höher, schneller, weiter – sondern nur e<strong>in</strong> Mittel, um dem Sänger den freien und<br />
kompletten Zugang zu se<strong>in</strong>em Instrument zu ermöglichen. Musikalischer Ausdruck, Emotionalität,<br />
Dramatik und e<strong>in</strong>e gute <strong>Gesangstechnik</strong> schließen sich nicht aus; ne<strong>in</strong>, <strong>die</strong> <strong>Gesangstechnik</strong><br />
kann helfen alle <strong>die</strong>se Aspekte zu verwirklichen.<br />
Wie soll <strong>die</strong>ses Ziel erreicht werden Ausgehend von der für das S<strong>in</strong>gen ja, das ganze Leben<br />
gesunden und richtigen Körperhaltung werden <strong>die</strong> Atemreflexe (wieder) geweckt, <strong>die</strong> den<br />
meisten von uns im alltäglichen Leben verlorengegangen s<strong>in</strong>d. Das Falsett und <strong>die</strong> Vollstimme<br />
werden von oben nach unten gemischt, um <strong>die</strong> Register auszugleichen. Die Übergänge<br />
(Passaggios) oder Brüche werden durch Übungen ausgeglichen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> natürliche Deckung“ ”<br />
ermöglichen ( acoustical vowel alteration, not muscular“, David L. Jones, Übersetzung: akustische<br />
Veränderung der Vokale, nicht muskuläre“). Reflexe des Körpers werden <strong>in</strong> <strong>die</strong> richti-<br />
” ”<br />
ge Koord<strong>in</strong>ation gebracht. Der Sänger lernt zu S<strong>in</strong>gen mehr durch das Fühlen als durch das<br />
Hören. Das ist wichtig, da das Publikum den Sänger ganz anders hört als er selbst. Der Sänger<br />
lernt dadurch verschiedene Klangfarben und e<strong>in</strong>en überzeugenden musikalischen Ausdruck<br />
zu erreichen, ohne über <strong>die</strong> Technik nachudenken zu müssen. Die vielen für gutes S<strong>in</strong>gen
E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>schwedisch</strong>-<strong>italienische</strong> <strong>Gesangstechnik</strong><br />
wichtigen Gegensätze werden <strong>in</strong> Balance gebracht: hell – dunkel (<strong>in</strong> der ital. Schule heisst das<br />
chiaroscuro“), Kehlöffnung – Fokus, tiefer Atem – hohe Töne, tiefer Kehlkopf – hoher weicher<br />
”<br />
Gaumen.<br />
Auf <strong>die</strong>sem Weg wird der Sänger durch konkrete H<strong>in</strong>weise und Übungen des Gesanglehrers<br />
begleitet, der durch se<strong>in</strong> geschultes Ohr den Ist-Zustand analysiert und <strong>die</strong> entsprechenden<br />
Übungen auswählt. Dem Schüler werden ”<br />
e<strong>in</strong>fache Regeln“ ( ”<br />
a simple set of rules“, Alan<br />
L<strong>in</strong>dquest) an <strong>die</strong> Hand gegeben, mit denen er auch selbständig üben kann. Da liegt e<strong>in</strong> entscheidender<br />
Unterschied zu vielen anderen Methoden: Das Wie wird häufig nicht oder nicht<br />
ausreichend vermittelt. Es genügt nicht, dem Schüler zu sagen, was falsch ist und was er tun<br />
soll, er muss auch erklärt bekommen, wie man das erreichen kann. Ebenso wichtig ist es, den<br />
Schüler zu <strong>in</strong>spirieren, e<strong>in</strong>e emotional angenehme Atmosphäre zu schaffen; nicht nur auf das<br />
Ziel des Unterrichts zu schauen, sondern den Prozess des Lernens zu begleiten ( ”<br />
I am <strong>in</strong>terested<br />
mostly <strong>in</strong> the process rather than the results!“, David L. Jones).<br />
Im 18. und 19. Jahrhundert lebten <strong>die</strong> Studenten häufig mit ihren Lehrern e<strong>in</strong>ige Zeit zusammen.<br />
So wurde der ganze Mensch zu e<strong>in</strong>em Sänger ausgebildet und nicht nur isoliert <strong>die</strong><br />
Stimme.<br />
Ist <strong>die</strong>se <strong>Gesangstechnik</strong> nicht zu klassisch für andere Stilrichtungen wie z.B. Jazz Ne<strong>in</strong>! Es<br />
ist für jeden (wirklich jeden, auch für <strong>die</strong>, <strong>die</strong> nicht s<strong>in</strong>gen sondern sprechen) s<strong>in</strong>nvoll, den gesunden<br />
Umgang mit der Stimme zu erlernen. Kann man mit se<strong>in</strong>em Instrument Stimme gut<br />
umgehen, ist man <strong>in</strong> der Lage verschiedene Stile überzeugend zu s<strong>in</strong>gen. Ich möchte <strong>die</strong>se<br />
E<strong>in</strong>führung mit e<strong>in</strong>em Zitat von Alan L<strong>in</strong>dquest beenden und allen viel Erfolg wünschen, auf<br />
dem Weg <strong>die</strong> Stimme zu entdecken:<br />
Grundsatz<br />
Auf der Grundlage von <strong>in</strong>nerer Ruhe, Stille, Geduld und Vertrauen, angetrieben durch das Verlangen<br />
zu S<strong>in</strong>gen, ist <strong>die</strong> Ausbildung der Stimme <strong>die</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es körperlichen Instrumentes,<br />
das zur richtigen Form und Funktion ausgebildet werden muss durch:<br />
1. Das Gefühl für <strong>die</strong> richtige Haltung.<br />
2. Das Gefühl für <strong>die</strong> richtigen Atemreflexe.<br />
3. Das Gefühl der Entspannung im Schluckapparat.<br />
4. Das Gefühl der offenen Resonatoren.<br />
5. Das Gefühl für <strong>die</strong> richtigen Bewegungen des Artikulationsapparates.<br />
Übersetzt aus e<strong>in</strong>em Artikel Alan L<strong>in</strong>dquests im NATS Journal (National Association of Teachers<br />
of S<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g, USA) vom Mai 1955.<br />
Fragen richten Sie bitte an mail@gesanglehrer.de (auf deutsch oder englisch)<br />
Alle Rechte am Text vorbehalten Christian Halseband c○2003 (www.gesanglehrer.de)<br />
2