02.02.2015 Aufrufe

Download - Wiedervereinigung.de

Download - Wiedervereinigung.de

Download - Wiedervereinigung.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

8<br />

|||||||||||||||||<br />

SÄCHSISCHE ZEITUNG<br />

SACHSEN<br />

WWW.SZ-ONLINE.DE/SACHSEN<br />

||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

DIENSTAG, 2.OKTOBER 2012<br />

Viel Geld für<br />

Forschung am<br />

Lebensbauplan<br />

Der Bund gibt fast zehn<br />

Millionen Euro für ein<br />

Zentrum, das biologischer<br />

Selbstorganisation auf die<br />

Spur kommen will.<br />

R<br />

Leben in zwei Staaten<br />

22 Jahre <strong>de</strong>utsche Einheit – was hofften und fürchteten Jugendliche in <strong>de</strong>r DDR während <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong>zeit,<br />

was sagen sie heute Eine einzigartige Studie über 25 Jahre hinweg gibt jetzt Antworten.<br />

Von Klemens Dei<strong>de</strong>r<br />

eiko Seitz ist jemand, <strong>de</strong>r gelernt<br />

hat Zeichen zu setzen –<br />

nicht nur im Beruf, auch im Privaten.<br />

Als Bauleiter im Schil<strong>de</strong>rwerk<br />

Beutha im Erzgebirge fertigt er<br />

Straßenschil<strong>de</strong>r, betreut Baustellen<br />

und koordiniert, wo die Verkehrsschil<strong>de</strong>r<br />

aufgestellt wer<strong>de</strong>n. „Ich<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

<br />

<br />

Eine Serie <strong>de</strong>r Sächsischen Zeitung<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

habe <strong>de</strong>rzeit 23 Baustellen in<br />

Deutschland“, sagt <strong>de</strong>r 40-Jährige.<br />

Das mit <strong>de</strong>m Zeichensetzen fing<br />

bei Reiko Seitz früh an. Seine Eltern<br />

hatten in <strong>de</strong>r DDR einen eigenen<br />

Betrieb: „Sie haben seit 1979 DDRweit<br />

Ampeln gebaut und angeschlossen“,<br />

sagt <strong>de</strong>r Zwickauer, <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rs als viele junge Ost<strong>de</strong>utsche<br />

nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> nicht gen Westen<br />

aufbrach, um dort zu leben. Er<br />

blieb in Zwickau.<br />

Seit 25 Jahren ist er Teil einer Studie,<br />

die es so kein zweites Mal gibt.<br />

Damals begannen Forscher Jugendliche<br />

in <strong>de</strong>r DDR zu ihrer Meinung<br />

über Staat, Gesellschaft und Zukunftserwartungen<br />

zu befragen.<br />

Sie tun das bis heute. Herausgekommen<br />

ist ein repräsentatives<br />

Stimmungsbild eines Jahrgangs,<br />

<strong>de</strong>s Jahrgangs 73, mit <strong>de</strong>m etwas<br />

sperrigen Namen Sächsische Längsschnittstudie.<br />

Und <strong>de</strong>ren Ergebnisse<br />

sind für viele überraschend. 1990<br />

waren nur gut 72 Prozent <strong>de</strong>r Jugendlichen<br />

von <strong>de</strong>r <strong>Wie<strong>de</strong>rvereinigung</strong><br />

überzeugt.<br />

Seitz war einer von ihnen. „Die<br />

Stimmung zur Wen<strong>de</strong>zeit war eu-<br />

phorisch.“ So empfand er es damals.<br />

Vier Jahre später lebten immerhin<br />

84 Prozent <strong>de</strong>r Befragten<br />

gerne in <strong>de</strong>m neuen, vereinigten<br />

Deutschland. Bis zur letzten abgeschlossenen<br />

Erhebung 2011 stieg<br />

<strong>de</strong>r Wert auf 87 Prozent. „Die Studie<br />

spiegelt das Leben wi<strong>de</strong>r“, fin<strong>de</strong>t<br />

Reiko Seitz.<br />

1989, nach <strong>de</strong>r zehnjährigen POS<br />

machte er seine Lehre als Industrieelektroniker<br />

im Betrieb seiner Eltern.<br />

Als er in <strong>de</strong>n letzten Monaten<br />

<strong>de</strong>s untergehen<strong>de</strong>n Staates für die<br />

NVA gemustert wur<strong>de</strong>, verweigerte<br />

er <strong>de</strong>n Dienst. „Ich war damals gegen<br />

<strong>de</strong>n DDR-Staat – wie mehrere<br />

aus meiner Klasse. Wir hätten in<br />

<strong>de</strong>r NVA an die Grenze gemusst.<br />

Das wollten wir nicht. Das wäre<br />

dort zu gefährlich gewor<strong>de</strong>n.“<br />

Seitz machte später eine Zusatzausbildung,<br />

ging für ein Jahr zur<br />

Bun<strong>de</strong>swehr. Seit 2007 wollte er die<br />

Firma seiner Eltern übernehmen.<br />

2008 musste sie aus wirtschaftlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n schließen. Seitz ist<br />

seit<strong>de</strong>m Angestellter einer Firma,<br />

Zuversicht<br />

Entwicklung<br />

in Ost<strong>de</strong>utschland<br />

Anteil <strong>de</strong>r positiven<br />

Einschätzungen<br />

in Prozent<br />

<strong>Wie<strong>de</strong>rvereinigung</strong> 90<br />

persönliche<br />

Situation<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

1987 90<br />

2000<br />

2011<br />

Quelle: Förster, Berth SZ-Grafik: Gernot Grunwald<br />

die Straßenschil<strong>de</strong>r herstellt. Es<br />

ging ihm besser als vielen Gleichaltrigen.<br />

70 Prozent nämlich, so<br />

fan<strong>de</strong>n die Forscher heraus, waren<br />

min<strong>de</strong>stens einmal arbeitslos. 40<br />

Prozent sogar mehrfach.<br />

Alles wird gut – so sehen es heute<br />

trotz<strong>de</strong>m viele Enddreißiger, die in<br />

Sachsen groß wur<strong>de</strong>n. Allerdings<br />

nur, was die eigene Zukunft angeht.<br />

Fragt man sie, wie sie die Zukunft<br />

ihrer Kin<strong>de</strong>r einschätzen<br />

o<strong>de</strong>r die Ost<strong>de</strong>utschlands, sind sie<br />

<strong>de</strong>utlich pessimistischer. Nur ein<br />

Drittel ist zuversichtlich, was die<br />

Chancen Ost<strong>de</strong>utschlands betrifft.<br />

Nur 40 Prozent glauben an eine gute<br />

Zukunft für ihre Kin<strong>de</strong>r.<br />

„Es gibt keine vergleichbare Untersuchung,<br />

die sich <strong>de</strong>rart intensiv<br />

und ausdauernd mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Einheit beschäftigt“, sagt Hendrik<br />

Berth, Psychologe und Soziologe<br />

an <strong>de</strong>r Universitätsklinik Dres<strong>de</strong>n<br />

und einer <strong>de</strong>r Autoren über die<br />

Studie. Begonnen hat alles 1987.<br />

Eine Zeit, in <strong>de</strong>r Längsschnittstudien<br />

in Mo<strong>de</strong> waren. Etwa 20 <strong>de</strong>r<br />

mehrjährigen Erhebungen mit<br />

jährlichen Befragungen <strong>de</strong>rselben<br />

Teilnehmer führte das Leipziger<br />

Zentralinstitut für Jugendforschung<br />

<strong>de</strong>r DDR seit 1966 durch. Ab<br />

Mitte <strong>de</strong>r 80er-Jahre sollten sie Antworten<br />

liefern, warum sich Jugendliche<br />

immer weniger mit <strong>de</strong>r DDR<br />

und <strong>de</strong>m Sozialismus i<strong>de</strong>ntifizierten.<br />

Für die Sächsische Längsschnittstudie<br />

befragten die Forscher<br />

um <strong>de</strong>n Leipziger Professor<br />

Peter Förster vom Zentralinstitut<br />

für Jugendforschung <strong>de</strong>r DDR damals<br />

1 407 Schüler <strong>de</strong>r achten Klassen<br />

in 41 Polytechnischen Oberschulen<br />

(POS) <strong>de</strong>r DDR-Bezirke<br />

Karl-Marx-Stadt und Leipzig. Die<br />

Schüler waren zumeist im Jahr<br />

1973 geboren. Bis heute beantworten<br />

je<strong>de</strong>s Jahr 300 bis 400 von ihnen<br />

die umfangreichen Fragebögen<br />

– wie eben auch Reiko Seitz.<br />

Er sieht sich als Gewinner <strong>de</strong>r<br />

Keine Liebe zur DDR: Schüler<br />

Reiko Seitz 1987 bei <strong>de</strong>r Jugendweihe.<br />

Foto: privat<br />

Wen<strong>de</strong>: „Ich bin zufrie<strong>de</strong>n im Großen<br />

und Ganzen.“ Nur ein Drittel<br />

<strong>de</strong>r Studienteilnehmer sieht das für<br />

sich ähnlich. Für ein weiteres Drittel<br />

<strong>de</strong>r Befragten ging es dagegen<br />

bergab. Diese heute etwa 40-Jährigen<br />

sehen sich als Verlierer. Ziele<br />

und Wünsche konnten sie nicht<br />

verwirklichen. Das hängt <strong>de</strong>n Erkenntnissen<br />

<strong>de</strong>r Forscher zufolge<br />

vor allem mit <strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit<br />

zusammen. Diejenigen, die sich als<br />

Verlierer sehen, waren dreimal so<br />

lange arbeitslos wie die Gewinner<br />

<strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong>. Seit 1989/90 traf die Arbeitslosigkeit<br />

Frauen zu<strong>de</strong>m 50 Prozent<br />

länger als Männer.<br />

Reiko Seitz ist<br />

einer <strong>de</strong>r Studienteilnehmer,<br />

<strong>de</strong>nen es im<br />

vereinigten<br />

Deutschland gut<br />

gefällt. Heute<br />

arbeitet er im<br />

Schil<strong>de</strong>rwerk<br />

Beutha. Nicht<br />

alle Befragten<br />

sind so zufrie<strong>de</strong>n<br />

wie er.<br />

Foto: Andreas Kretschel<br />

In ihrer Studie gingen die Experten<br />

auch an<strong>de</strong>ren potenziellen<br />

Konfliktfel<strong>de</strong>rn zwischen Ost<br />

und West nach. Viel diskutiert<br />

wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren<br />

etwa <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>r Krippenerziehung<br />

in <strong>de</strong>r DDR. Von<br />

<strong>de</strong>n Studien-Teilnehmern besuchten<br />

etwa zwei Drittel in <strong>de</strong>n<br />

1970er-Jahren DDR-Krippen, ein<br />

Drittel nicht. „Vergleicht man<br />

diese bei<strong>de</strong>n Gruppen miteinan<strong>de</strong>r,<br />

so fin<strong>de</strong>t sich: Nichts!“, sagt<br />

Mitautor Hendrik Berth. „Krippenkin<strong>de</strong>r<br />

sind nicht ängstlicher,<br />

<strong>de</strong>pressiver o<strong>de</strong>r politisch an<strong>de</strong>rs<br />

eingestellt – etwa rechts- o<strong>de</strong>r<br />

linksextremistischer – als Kin<strong>de</strong>r,<br />

die nicht in <strong>de</strong>r Krippe waren“,<br />

sagt er.<br />

Künftig planen die Forscher um<br />

Hendrik Berth, auch die Kin<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Studienteilnehmer zu befragen.<br />

Vielleicht auch <strong>de</strong>n siebenjährigen<br />

Sohn von Reiko Seitz<br />

und seiner Frau. Die Forscher<br />

wollen so herausfin<strong>de</strong>n, wie die<br />

Erziehung durch die Eltern dazu<br />

beiträgt, wann junge Erwachsene<br />

ihre eigene Familie grün<strong>de</strong>n.<br />

79 Prozent <strong>de</strong>r Studienteilnehmer<br />

leben <strong>de</strong>rzeit in einer Beziehung,<br />

wobei sich Frauen eher<br />

bin<strong>de</strong>n als Männer. Gleichzeitig<br />

zeigt sich in <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />

auch <strong>de</strong>r Trend, die Heirat aufzuschieben,<br />

aber <strong>de</strong>nnoch in festen<br />

Beziehungen zu leben. Damit bestätigen<br />

die Daten an<strong>de</strong>re Studien,<br />

die vor allem für die ost<strong>de</strong>utschen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r nichteheliche Lebensgemeinschaften<br />

als charakteristisch<br />

beschreiben.<br />

Er wird wohl trotz<strong>de</strong>m weiter im<br />

Blickfeld <strong>de</strong>r Forscher sein, dieser<br />

Jahrgang 73 Ost.<br />

In <strong>de</strong>r Sächsischen Längsschnittstudie berichten<br />

Teilnehmer, welche Hoffnungen und Ziele sie<br />

früher hatten und ob sie sich erfüllt haben. Die<br />

Sächsische Zeitung stellt in <strong>de</strong>n nächsten Tagen<br />

in einer Serie die wichtigsten Ergebnisse vor.<br />

Dres<strong>de</strong>n. Wie bil<strong>de</strong>t sich ein Finger,<br />

ein ganzer Arm Wie organisieren<br />

sich Zellen und Gewebe so, dass daraus<br />

ein kompletter Organismus<br />

entsteht Solchen Fragen gehen<br />

Wissenschaftler um <strong>de</strong>n Bioinformatik-Pionier<br />

Gene Myers am neu<br />

gegrün<strong>de</strong>ten Zentrum für Systembiologie<br />

<strong>de</strong>r Max-Planck-Gesellschaft<br />

in Dres<strong>de</strong>n nach. Für die disziplinenübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Forschungen<br />

am Bauplan <strong>de</strong>s Lebens gab es<br />

gestern eine För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

in Höhe von mehr als 6,8 Millionen<br />

Euro, eine drei Millionen Euro teure<br />

Mikroskopie-Plattform ist bereits<br />

in Betrieb gegangen. 17 Postdoktoran<strong>de</strong>n<br />

sowie weitere Mitarbeiter<br />

wer<strong>de</strong>n damit in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n<br />

drei Jahren neue Mikroskope und<br />

Analyse-Software entwerfen, mit<br />

<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r gesamte Entwicklungsablauf<br />

biologischer Systeme digital<br />

erfasst wer<strong>de</strong>n kann.<br />

„Wir können je<strong>de</strong>n Teil einer Zelle,<br />

<strong>de</strong>r uns interessiert, kennzeichnen“,<br />

erklärt Gene Myers, Gründungsdirektor<br />

<strong>de</strong>s neuen Zentrums.<br />

Doch um hinter die Vorgänge<br />

in Zellen und Geweben zu kommen,<br />

die die Forscher auf diese<br />

Weise in Fischen, Fliegen o<strong>de</strong>r<br />

Würmern beobachten, müssen sie<br />

riesige Datenmengen auswerten.<br />

Dafür wollen Biologen, Theoretische<br />

Physiker und Informatiker gemeinsam<br />

experimentelle Metho<strong>de</strong>n<br />

und Technologien fin<strong>de</strong>n.<br />

2015 wer<strong>de</strong>n die Systembiologen<br />

dann in ein neues Forschungsgebäu<strong>de</strong><br />

einziehen, das direkt neben<br />

<strong>de</strong>m Dresdner Max-Planck-Institut<br />

für molekulare Zellbiologie und Genetik<br />

gebaut und bis zu 120 Forschern<br />

Platz bieten wird. Sachsens<br />

Lan<strong>de</strong>sregierung hat für <strong>de</strong>n Neubau<br />

26 Millionen Euro im Haushaltsentwurf<br />

eingeplant. (SZ/fi)<br />

Motocross-WM 2013<br />

auf <strong>de</strong>m Lausitzring<br />

Klettwitz. Eine doppelte Premiere<br />

gibt es En<strong>de</strong> Juli 2013 auf <strong>de</strong>m Lausitzring.<br />

Zum ersten Mal wird die<br />

Piste zum Austragungsort eines<br />

Motocross-Rennens. Und zum ersten<br />

Mal überhaupt kommt die Motocross-Weltmeisterschaft<br />

in eine<br />

<strong>de</strong>rartige Renn-Arena. Einer von<br />

16 WM-Läufen fin<strong>de</strong>t jährlich in<br />

Deutschland statt, in Teutschenthal<br />

(Sachsen-Anhalt). Weil dort 2013<br />

schon eine an<strong>de</strong>re Großveranstaltung<br />

im Rennkalen<strong>de</strong>r steht,<br />

springt <strong>de</strong>r Lausitzring ein. Hier<br />

wird es eine sechsstellige Summe<br />

kosten, die Strecke für Motocross<br />

herzurichten. Etwa 1 000 Lkw-Ladungen<br />

Er<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n zu einer kurvenreichen<br />

Waschbrett-Piste, auf<br />

<strong>de</strong>r die gelän<strong>de</strong>gängigen Motorrä<strong>de</strong>r<br />

dann auch für ihre gewagten<br />

Sprünge abheben können. (SZ/tbe)<br />

Östlich <strong>de</strong>r Grenze wer<strong>de</strong>n<br />

neue Anlagen gebaut – und<br />

zwar viel mehr als bislang<br />

bekannt. Tschechen und<br />

Polen hoffen auf gutes Geld.<br />

Von A. Bretschnei<strong>de</strong>r,<br />

J. Grzeszczuk und K. Zimmermann<br />

Tschechien und vor allem Polen<br />

steigen jetzt in das Geschäft mit <strong>de</strong>r<br />

Win<strong>de</strong>nergie ein. Das hat massive<br />

Auswirkungen auf das Landschaftsbild,<br />

das sich <strong>de</strong>rzeit noch von <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Seite bietet.<br />

Seit Anfang September wer<strong>de</strong>n<br />

im tschechischen An<strong>de</strong>lka (Engelsdorf)<br />

Windrä<strong>de</strong>r gebaut. Sechs<br />

Stück stehen bald. Auf polnischer<br />

Seite gibt es noch gravieren<strong>de</strong>re<br />

Pläne: Zwischen Dzialoszyn (Königshain)<br />

und Sulikow (Schönberg)<br />

sind weitere 27 Windkraftanlagen<br />

geplant. Das betrifft <strong>de</strong>n schmalen<br />

Windrad-Wald im Neißetal soll noch dichter wer<strong>de</strong>n<br />

polnischen Landstreifen, in <strong>de</strong>ssen<br />

Höhe auf <strong>de</strong>utscher Seite St. Marienthal,<br />

Ostritz und Leuba liegen.<br />

Dazu gibt es nach wie vor Pläne, auf<br />

<strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Grube Turow einen<br />

großen Windpark mit 52<br />

Windrä<strong>de</strong>rn zu errichten.<br />

Dabei hatte Polen bei <strong>de</strong>n erneuerbaren<br />

Energien zunächst auf<br />

nachwachsen<strong>de</strong> Rohstoffe, wie beispielsweise<br />

Biomasse, gesetzt. Das<br />

nahe Kraftwerk Turow bietet aber<br />

günstige Einspeisebedingungen für<br />

Windstrom, und auch die Höhenzüge<br />

über <strong>de</strong>m Neißetal bieten sich<br />

für die Windrä<strong>de</strong>r an.<br />

Dazu kommen handfeste finanzielle<br />

Interessen: Die polnischen<br />

Ortsvorsteher rechnen für ihre<br />

Dörfer mit stabilen Steuereinnahmen<br />

– setzen damit Pläne um, die<br />

man eigentlich auch in Polen nicht<br />

wollte: Ein weit verstreutes Netz<br />

von Windrä<strong>de</strong>rn. Genau <strong>de</strong>swegen<br />

begann schon vor acht Jahren ein<br />

polnisch-<strong>de</strong>utsches Unternehmen,<br />

auf <strong>de</strong>r Abraumhal<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Braunkohlengrube<br />

Turow die Voraussetzungen<br />

für <strong>de</strong>n großen Windpark<br />

zu schaffen. Doch dort scheint es<br />

nicht recht voranzugehen – und es<br />

scheint unwahrscheinlich, dass die<br />

Ortschaften an <strong>de</strong>m privaten Projekt<br />

beteiligt wer<strong>de</strong>n. Also wird<br />

jetzt auf <strong>de</strong>n Gebieten <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Orte gebaut, damit Geld in die<br />

Kassen fließen kann.<br />

Deutschland ohne Vetorecht<br />

Die gleichen Überlegungen gibt es<br />

in Tschechien. Die sechs Windrä<strong>de</strong>r<br />

in An<strong>de</strong>lka sollten ursprünglich<br />

schon voriges Jahr fertig sein, berichten<br />

tschechische Medien. Doch<br />

auch dort sind die Menschen von<br />

<strong>de</strong>n Plänen nicht begeistert: Proteste<br />

<strong>de</strong>r Einwohner haben <strong>de</strong>n Bau<br />

verzögert. Jetzt aber wird gebaut,<br />

noch dieses Jahr soll <strong>de</strong>r Testbetrieb<br />

starten. So zitiert eine tschechische<br />

Nachrichtenagentur <strong>de</strong>n Chef <strong>de</strong>r<br />

Firma WSB Koncept, die die Windrä<strong>de</strong>r<br />

baut. Künftig sollen die sechs<br />

Windrä<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n ganzen Jahresstromverbrauch<br />

<strong>de</strong>r Region Frydlatsko<br />

(Friedland) <strong>de</strong>cken. Die Investitionen<br />

helfen <strong>de</strong>n Orten, wie<br />

die Bürgermeisterin von An<strong>de</strong>lka,<br />

Vladimira Erbanova, tschechischen<br />

Medien bestätigte. Die Gemein<strong>de</strong><br />

Visnova (Böhmisch Weigsdorf) erhalte<br />

vom Investor nach Bauabnahme<br />

eine Million Kronen (40 000<br />

Euro) und danach je<strong>de</strong>s Jahr ein<br />

Prozent <strong>de</strong>s Gewinns, min<strong>de</strong>stens<br />

aber 100 000 Kronen, also rund<br />

4 000 Euro für je<strong>de</strong> Windkraftanlage.<br />

Dieses Geld solle zuerst im Ortsteil<br />

An<strong>de</strong>lka investiert wer<strong>de</strong>n: in<br />

die Abwasserkanäle, in eine Straße<br />

und eine Kneipe.<br />

Diese sechs tschechischen Windrä<strong>de</strong>r<br />

könnten in <strong>de</strong>r Wahrnehmung<br />

aber künftig untergehen.<br />

Denn die polnischen Pläne <strong>de</strong>r insgesamt<br />

knapp 80 Anlagen lassen<br />

die tschechischen Pläne sozusagen<br />

im Windschatten hinter sich. Die<br />

Die ersten <strong>de</strong>r<br />

neuen Windrä<strong>de</strong>r<br />

in Tschechien<br />

sind von<br />

Ostritz aus an<br />

<strong>de</strong>r B 99 in Höhe<br />

<strong>de</strong>s Klosterparkplatzes<br />

gut<br />

zu sehen.<br />

Foto: Th. Knorr<br />

<strong>de</strong>utsche Seite wur<strong>de</strong> entsprechend<br />

<strong>de</strong>n EU-Vorgaben über die<br />

Pläne informiert. Das Umweltamt<br />

in Zittau hat seit Längerem Kenntnis<br />

von <strong>de</strong>m tschechischen Projekt,<br />

und zumin<strong>de</strong>st über die polnischen<br />

Windrä<strong>de</strong>rn bei Bogatynia (Reichenau)<br />

war Zittau schon vor einigen<br />

Jahren informiert. Einflussmöglichkeiten<br />

haben die Nachbarlän<strong>de</strong>r<br />

in<strong>de</strong>s nicht. So kann man<br />

hier nur gespannt sein, wie sich <strong>de</strong>r<br />

Blick auf die Berge in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n<br />

Jahren verän<strong>de</strong>rn wird.


DONNERSTAG, 4. OKTOBER 2012<br />

SACHSEN ||||||||||||||||| 7<br />

SÄCHSISCHE ZEITUNG<br />

Der Mann mit mehreren I<strong>de</strong>ntitäten<br />

Wie viele in <strong>de</strong>r DDR aufgewachsene und in West<strong>de</strong>utschland leben<strong>de</strong> Menschen fühlt Marc Gensel sich sowohl als Ost- und West<strong>de</strong>utscher.<br />

A<br />

Von Anna Kusserow<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

<br />

<br />

Eine Serie <strong>de</strong>r Sächsischen Zeitung<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

ls Marc Gensel aus Leipzig in<br />

seinen Semesterferien 1996<br />

bei einer Spedition anheuern will,<br />

bekommt er zu hören: „Mit Ossis<br />

arbeiten wir nicht.“ Sechs Jahre<br />

nach <strong>de</strong>r Einheit ist <strong>de</strong>r damalige<br />

23-jährige Stu<strong>de</strong>nt über so einen<br />

Spruch komplett verwun<strong>de</strong>rt. Ost<br />

und West sollte doch eigentlich<br />

kein Thema mehr sein.<br />

Ist es aber. Denn die meisten<br />

Menschen, die bei<strong>de</strong> Systeme erlebt<br />

haben, i<strong>de</strong>ntifizieren sich sowohl<br />

als DDR- als auch als BRD-Bürger.<br />

Auch 22 Jahre nach <strong>de</strong>r Einheit.<br />

Das fan<strong>de</strong>n Forscher in einer Langzeitstudie<br />

heraus. Dazu wer<strong>de</strong>n seit<br />

<strong>de</strong>m Jahr <strong>de</strong>r <strong>Wie<strong>de</strong>rvereinigung</strong><br />

etwa 350 Menschen befragt, die im<br />

Osten gera<strong>de</strong> zur Schule gingen, als<br />

die Mauer fiel. Marc Gensel ist einer<br />

von ihnen. Und wie die meisten<br />

spürt auch er eine „Doppeli<strong>de</strong>ntität“.<br />

Zwischen 70 und 90 Prozent<br />

antworten wie er, dass ihre DDR-<br />

Vergangenheit genau so zu ihnen<br />

gehört wie ihre heutige Staatsbürgerschaft<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik.<br />

Auch wenn die Einheit immer weiter<br />

zurückliegt, die DDR bleibt Teil<br />

ihrer I<strong>de</strong>ntität.<br />

Beleidigen<strong>de</strong> Sprüche hört Gensel<br />

heute nicht mehr. Heute lebt er<br />

mit Frau und Sohn in einem Haus<br />

in Augsburg. Gleich nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong><br />

war er nach West<strong>de</strong>utschland<br />

gezogen, beruflich zog es ihn aber<br />

quer durch Deutschland. Heute<br />

spürt er, in Augsburg, ganz in <strong>de</strong>r<br />

Nähe seiner Arbeitsstätte in München,<br />

angekommen zu sein.<br />

Wie die Studienteilnehmer fühlt<br />

er sich mal mehr, mal weniger als<br />

DDR-Bürger. Über die Jahre fühlen<br />

sich die Befragten immer etwas<br />

mehr als „Ossi“. Das drehte sich En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r 90er um. Doch die DDR verschwin<strong>de</strong>t<br />

nicht, wie zunächst angenommen.<br />

Das Ergebnis von 2001<br />

zeigt am <strong>de</strong>utlichsten, dass bei <strong>de</strong>n<br />

meisten zwei Herzen in einer Brust<br />

schlagen. Alle 83 Prozent, die antworten,<br />

dass sie BRD-Bürger sind,<br />

sagen auch, dass sie DDR-Bürger<br />

sind. In <strong>de</strong>n Jahren danach nimmt<br />

die I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>m vergangenen<br />

System sogar noch zu, 2012<br />

ist diese um einen Prozentpunkt<br />

höher als mit <strong>de</strong>r BRD.<br />

Wenn es um politische Diskussionen<br />

zum Thema Ost<strong>de</strong>utschland<br />

geht, merkt Gensel wie<strong>de</strong>r, dass er<br />

seine Jugend bis zum 17. Lebensjahr<br />

in <strong>de</strong>r DDR verbracht hat. Er ist<br />

solidarisch, wenn es etwa um <strong>de</strong>n<br />

Lohnunterschied in alten und neuen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Solidaritätszuschlag<br />

geht. Dann ist er Ost<strong>de</strong>utscher.<br />

In an<strong>de</strong>ren Situationen<br />

ist es umgekehrt. Über die Jahre in<br />

Bayern, wo er heute lebt und arbeitet,<br />

hat seine Sprechweise einen<br />

leichten bayerischen Einschlag bekommen.<br />

Wenn er sich also als<br />

Leipziger vorstellt, kommt eher die<br />

Reaktion, dass man das ja gar nicht<br />

an seinem Dialekt erkenne. „Tatsächlich<br />

habe ich nie wirklich sächsisch<br />

gesprochen“, sagt <strong>de</strong>r heute<br />

39-Jährige. Man könnte ihn also<br />

auch für einen West<strong>de</strong>utschen halten.<br />

Manchmal fragen historisch Interessierte,<br />

wie er damals <strong>de</strong>n Umbruch<br />

erlebt hat und ob es tatsächlich<br />

keine Bananen gab. Ein patriotischer<br />

DDR-Bürger ist er nie gewesen.<br />

„Ich war froh, dass ich es kennenlernen<br />

durfte“, sagt er heute.<br />

Dabei ist ihm die <strong>de</strong>utsche Einigung<br />

damals nicht so wichtig. Er<br />

protestiert für freie Wahlen. Als die<br />

Demonstranten mit ihrem Ausruf<br />

„Wir sind ein Volk“ die Vereinigung<br />

von Ost und West for<strong>de</strong>rn,<br />

steigt er kurzzeitig aus. „Das habe<br />

ich damals gar nicht unbedingt gewollt“,<br />

sagt er. Mit <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> und<br />

Als Fotograf<br />

fing er an, heute ist Marc<br />

Gensel Produktionstechniker<br />

beim Fernsehen. Das kleine<br />

Bild zeigt ihn um 1987.<br />

<strong>de</strong>m „Jahr <strong>de</strong>r Anarchie“ 1990 eröffnen<br />

sich Gensel vermeintlich<br />

unbegrenzte Möglichkeiten. „Es<br />

war eine große Freiheit und mit <strong>de</strong>r<br />

musste ich erst mal klarkommen“,<br />

erzählt Gensel. Er spürt während<br />

seiner Jahre auf <strong>de</strong>r Suche nach<br />

<strong>de</strong>m richtigen Berufsweg und Arbeitsleben,<br />

dass es auch leichter<br />

sein kann, wenn einem diese Entscheidung<br />

abgenommen wird.<br />

„Der Weg in <strong>de</strong>r DDR war vorgezeichnet“,<br />

erzählt er. Als DDR-Jugendlicher<br />

will er noch Lehrer wer<strong>de</strong>n,<br />

auch, weil ihm als Aka<strong>de</strong>mikerkind<br />

nicht viele Möglichkeiten<br />

bleiben. Nun muss er seinen eigenen<br />

Weg gehen und wo dieser hinführen<br />

soll, ist zunächst nicht klar.<br />

Erst während seines zweiten Studiums<br />

ent<strong>de</strong>ckt er die Kamera, die<br />

fortan sein Arbeitsgerät sein wird.<br />

Über eine Fotografenlehre, Fortbildungen<br />

für Filmkameras, Schnitt<br />

und Reisereportagen kommt er<br />

schließlich als Produktionstechniker<br />

zum Fernsehen, wo er heute arbeitet.<br />

Für eine Fotoreise fährt er 1999<br />

mit 27 Jahren das erste Mal nach<br />

Gambia in Afrika. Im Ausland wird<br />

er we<strong>de</strong>r als DDR- noch als BRD-<br />

Bürger, son<strong>de</strong>rn vor allem als Deutscher<br />

wahrgenommen. So etwas<br />

wie Patriotismus ist ihm fremd.<br />

„Ich bin stolz auf das, was ich geschafft<br />

habe, aber in mein Land bin<br />

ich nur reingeboren“, sagt er. Auf<br />

<strong>de</strong>n Zufall könne man schließlich<br />

nicht stolz sein. Die Frage, ob Gensel<br />

sich als Europäer fühlt, hat er<br />

immer aus vollem Herzen bejaht,<br />

auch weil er die europäische Einigung<br />

gut fin<strong>de</strong>t. Gera<strong>de</strong> bei seinen<br />

Reisen in Afrika wird ihm einmal<br />

mehr bewusst, dass auch <strong>de</strong>r Kontinent,<br />

auf <strong>de</strong>m man aufwächst, eine<br />

I<strong>de</strong>ntität prägen kann.<br />

DDR-Bürger o<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sbürger<br />

Als was sich <strong>de</strong>r Jahrgang 1973 i<strong>de</strong>ntifiziert<br />

Alle Angaben in Prozent<br />

87<br />

90<br />

89<br />

88<br />

87<br />

86<br />

Wohnlandschaft,<br />

Bezug Kunstle<strong>de</strong>r<br />

15403806<br />

83<br />

83<br />

83<br />

84<br />

82<br />

80<br />

79<br />

80<br />

78<br />

76<br />

Quelle: Förster, Berth<br />

DDR-Bürger<br />

Bun<strong>de</strong>sbürger<br />

1992 2001<br />

2012<br />

SZ-Grafik: Gernot Grunwald<br />

74<br />

Klitschko sagt ab<br />

Görlitz. Boxweltmeister Vitali<br />

Klitschko wird <strong>de</strong>n Brückepreis <strong>de</strong>r<br />

Europastadt Görlitz/Zgorzelec später<br />

entgegennehmen. Der 41-Jährige<br />

habe aus persönlichen Grün<strong>de</strong>n<br />

um eine Verschiebung <strong>de</strong>r für morgen<br />

geplanten Preisverleihung gebeten,<br />

sagte <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Brückepreis-Gesellschaft,<br />

Willi Xylan<strong>de</strong>r.<br />

Ein neuer Termin steht noch<br />

nicht fest. Zunächst wolle man mit<br />

<strong>de</strong>m ukrainischen Boxchampion<br />

telefonieren. Die mit 2 500 Euro dotierte<br />

Auszeichnung wird Klitschko<br />

für sein politisches und karitatives<br />

Engagement verliehen. (dpa)<br />

Streit um Neonazi Thomas S.<br />

Als „Vertrauensperson“<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Rechte Sachsens<br />

Staatsschutz empfohlen.<br />

Dres<strong>de</strong>n. Die Empörung <strong>de</strong>r Opposition<br />

in Sachsen wegen <strong>de</strong>r schleppen<strong>de</strong>n<br />

Aufklärung <strong>de</strong>r Taten <strong>de</strong>s<br />

Zwickauer Terrortrios NSU hält an:<br />

Nach einer Son<strong>de</strong>rsitzung <strong>de</strong>s Innenausschusses<br />

im Landtag haben<br />

die Linken am Dienstag erneut Ungereimtheiten<br />

ausgemacht. „In dieser<br />

Serie von Ermittlungspannen<br />

ist es typisch, dass niemand bereit<br />

ist, Verantwortung für Fehlleistungen<br />

zu übernehmen und die Schuld<br />

auf die unteren Ränge abgeschoben<br />

wird“, sagte die Abgeordnete Kerstin<br />

Köditz. Wie<strong>de</strong>r einmal habe sich<br />

Toter auf <strong>de</strong>r A4<br />

Chemnitz. Bei einem schweren Unfall<br />

auf <strong>de</strong>r A4 zwischen Meerane<br />

und Schmölln ist am Dienstag <strong>de</strong>r<br />

52-jährige Fahrer eines Lastwagens<br />

gestorben. Der Lkw war wegen eines<br />

geplatzten Reifens in <strong>de</strong>n Gegenverkehr<br />

geraten, stieß dort mit<br />

einem überholen<strong>de</strong>n Auto zusammen<br />

und überschlug sich. Der Fahrer<br />

wur<strong>de</strong> eingeklemmt und starb<br />

noch an <strong>de</strong>r Unfallstelle. Die A4 war<br />

ab mittags in Richtung Erfurt für<br />

mehrere Stun<strong>de</strong>n voll gesperrt. Autofahrer<br />

mussten nach Polizeiangaben<br />

in bei<strong>de</strong>n Fahrtrichtungen mit<br />

Behin<strong>de</strong>rungen rechnen. (dpa)<br />

das Innenministerium als Behör<strong>de</strong><br />

präsentiert, „in <strong>de</strong>r die linke Hand<br />

nicht weiß, was die rechte tut“. Sie<br />

hielt CDU-Innenminister Markus<br />

Ulbig und <strong>de</strong>m Chef <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>skriminalamtes<br />

(LKA), Jörg Michaelis,<br />

vor, „vollkommen unvorbereitet“<br />

im Ausschuss erschienen zu sein.<br />

Hintergrund sind Meldungen,<br />

wonach das LKA Berlin im November<br />

2000 <strong>de</strong>m LKA Sachsen <strong>de</strong>n<br />

Neonazi Thomas S. als „Vertrauensperson“<br />

anbot. Sachsens LKA-Sprecher<br />

bestätigte das. Führungskräfte<br />

aus <strong>de</strong>m LKA, die zuvor vor <strong>de</strong>m<br />

Untersuchungsausschuss ausgesagt<br />

hatten, wollten davon aber nichts<br />

gewusst haben. Sie erklärten vielmehr,<br />

<strong>de</strong>r polizeiliche Staatsschutz<br />

in Sachsen führe we<strong>de</strong>r V-Männer<br />

noch Vertrauenspersonen. (dpa)<br />

to<br />

0FINANZIERUNG<br />

60 Raten<br />

13. 31<br />

Lieferpreis 799.-<br />

*0% eff. Jahreszins. Ab einem Einkaufswert von 500 Euro. Laufzeit bis zu 60 Monaten. Keine Anzahlung, keine Gebühren. Finanzierung über Santan<strong>de</strong>r Consumer Bank AG, Santan<strong>de</strong>r Platz 1, 41061 Mönchengladbach. Bonität vorausgesetzt. Gültig bis 04.11.2012.<br />

20 Q<br />

GESCHENKT *<br />

*Diesen Betrag von 20.- € verrechnen wir Ihnen bei Vorlage dieses Gutscheins bei Ihrem nächsten MÖBEL<br />

KRAFT-Einkauf ab einem Einkaufswert von 50.- €. Gutschein innerhalb <strong>de</strong>s Aktionszeitraumes nur 1x pro<br />

Kun<strong>de</strong> und Kaufvertrag einsetzbar. Gutschein ist anrechenbar auf einen Neukauf bei MÖBEL KRAFT ab<br />

<strong>de</strong>m 02.10.12 bis einschließlich 06.10.12. Barauszahlung nicht möglich. Keine Anrechnung auf Kaufabschlüsse<br />

vor <strong>de</strong>m 02.10.12. Gutschein ist nicht übertragbar, nicht mit an<strong>de</strong>ren Rabattaktionen kombinierbar<br />

und gilt nicht für Elektrogeräte sowie Artikel <strong>de</strong>r Marken<br />

Hülsta, Alte Gerberei von Gepa<strong>de</strong>, Göhring, Spectral, Rolf<br />

Benz, Now! by Hülsta, BHD, Aeris, Miele, Vorwerk, Esprit,<br />

Elegante, Joop, Ypso by Paidi, Erpo, Leonardo living, Musterring,<br />

Tempur und Witnova. Ebenfalls ausgenommen sind<br />

bereits reduzierte o<strong>de</strong>r als Aktionspreis gekennzeichnete<br />

Artikel sowie in dieser Anzeige beworbene Ware.<br />

17133890<br />

www.moebel-kraft.<strong>de</strong><br />

Möbel-Kraft Dres<strong>de</strong>n GmbH & Co. KG<br />

Rudolf-Walther-Str. 1<br />

01156 Dres<strong>de</strong>n<br />

Öffnungszeiten: Mo. – Sa.: 10.00 – 19.00 Uhr<br />

Alle Angebote ohne Dekoration. Nur solange <strong>de</strong>r Vorrat reicht. Alle Maße sind ca.-Angaben,<br />

Mo<strong>de</strong>llabweichungen, Irrtümer und Liefermöglichkeiten vorbehalten. Gültig bis 06.10.2012.<br />

Bitte ausschnei<strong>de</strong>n<br />

✃<br />

JETZT ZUGREIFEN!<br />

Holzlaterne mit Raumduft,<br />

Metalldach, 100 ml<br />

ca. 14x14 cm, 588707<br />

25 cm hoch<br />

10583683<br />

ab9. 90<br />

5. 90<br />

4. 90


8<br />

||||||||||||||||||||||||||<br />

SÄCHSISCHE ZEITUNG<br />

SACHSEN<br />

WWW.SZ-ONLINE.DE/SACHSEN<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

SONNABEND/SONNTAG<br />

6./7.OKTOBER 2012<br />

Verlorene Euphorie<br />

Daniela Hertrich aus <strong>de</strong>m Vogtland hoffte nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> auf mehr Bürgerbeteiligung. Zufrie<strong>de</strong>n ist sie heute eher nicht.<br />

Artist stirbt auf<br />

Rummelplatz<br />

Von Anna Kusserow<br />

Zufrie<strong>de</strong>nheit<br />

mit <strong>de</strong>m System<br />

politisch<br />

Quelle: Förster, Berth<br />

in Prozent<br />

wirtschaftlich<br />

SZ-Grafik: Gernot Grunwald<br />

46<br />

44<br />

42<br />

40<br />

38<br />

36<br />

34<br />

32<br />

30<br />

28<br />

26<br />

24<br />

Kohl<br />

Schrö<strong>de</strong>r<br />

Merkel<br />

22<br />

20<br />

1993 1998 2005<br />

2012<br />

Als die Mauer fällt, ist Daniela Hertrich<br />

glücklich. Die 17-Jährige aus<br />

<strong>de</strong>r DDR freut sich etwa darauf,<br />

dass es nun etwas bringen wird,<br />

wählen zu gehen. Endlich kann sie<br />

mitbestimmen. Heute, mit 39 Jahren,<br />

ist ihre Euphorie verklungen.<br />

Sie sieht vieles in Politik und Wirtschaft,<br />

das nicht gut läuft.<br />

So wie Daniela Hertrich geht es<br />

vielen ihrer Generation. Das zumin<strong>de</strong>st<br />

ist das Ergebnis <strong>de</strong>r Sächsischen<br />

Längsschnittstudie, einer<br />

Langzeiterhebung über 25 Jahre,<br />

bei <strong>de</strong>r etwa 350 sächsische Jugendliche<br />

<strong>de</strong>s Jahrgangs 1973 regelmäßig<br />

nach ihrer Zufrie<strong>de</strong>nheit mit<br />

Politik und Wirtschaft befragt wer<strong>de</strong>n.<br />

Hertrich ist eine von ihnen.<br />

Die Studienteilnehmer, die jung<br />

waren, als das neue politische System<br />

für sie begann, sind heute von<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaftsordnung ernüchtert.<br />

Seit 1993 überwiegt <strong>de</strong>r Anteil<br />

<strong>de</strong>r Befragten, die unzufrie<strong>de</strong>n<br />

sind.<br />

Daniela Hertrich besuchte gera<strong>de</strong><br />

die zehnte Klasse, als die Mauer fiel.<br />

Ihren Beruf, <strong>de</strong>n sie nach <strong>de</strong>r Schule<br />

gera<strong>de</strong> erlernte, gab es nicht<br />

mehr. Ihr Ausbildungsbetrieb stellte<br />

um, und so konnte sie Informatikerin<br />

wer<strong>de</strong>n. Sie ist heute für alle<br />

technischen Geräte zuständig, die<br />

im Unternehmen ihres Arbeitgebers<br />

stehen – von <strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>oüberwachung<br />

bis zum Kopierer. Sie wohnt<br />

noch immer in <strong>de</strong>m Haus, das ihre<br />

Familie seit fünf Generationen bewohnt.<br />

Sie ist geblieben. Auch wegen<br />

<strong>de</strong>s Gartens.<br />

Kurz vor <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> interessierte<br />

Hertrich sich eher nicht für die<br />

Staatsordnung. „Politik war für<br />

mich damals kein Thema“, sagt sie.<br />

Politik und Wirtschaftsordnung<br />

waren Dinge, mit <strong>de</strong>nen man sich<br />

arrangieren sollte. Ihr Interesse für<br />

Politik erwachte erst 1989. „Wir<br />

mussten uns zwangsläufig damit<br />

beschäftigen“, erinnert sie sich. Auf<br />

<strong>de</strong>m Weg zu ihrer Ausbildungsstätte<br />

passierte sie je<strong>de</strong>n Tag zweimal<br />

Personenkontrollen. „Wir wollten<br />

wissen, wohin das alles führen<br />

wird“, sagt Hertrich heute. Mit dabei<br />

war damals immer die Angst,<br />

dass die Lage eskalieren könnte.<br />

Durch die Nähe zu Bayern hatte die<br />

Familie Hertrich Westfernsehen.<br />

Sie schauten Tagesschau und Aktuelle<br />

Kamera. Aus Neugier<strong>de</strong> fing sie<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

<br />

<br />

Eine Serie <strong>de</strong>r Sächsischen Zeitung<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

an, zwangsläufig die Systeme miteinan<strong>de</strong>r<br />

zu vergleichen.<br />

Als die Mauer fällt, schöpft sie<br />

Hoffnung. Es ist ihr wichtig, mehr<br />

mitzubestimmen. Die Euphorie<br />

hält vielleicht drei, vier Jahre an,<br />

dann kommen Brüche – wie bei<br />

Daniela Hertrich im<br />

Garten ihres Elternhauses.<br />

Sie ist ernüchtert<br />

vom vereinten<br />

Deutschland,<br />

wünscht sich etwa<br />

mehr aktive Mitbestimmung.<br />

Kl. Bild:<br />

Hertrich 1987 bei ihrer<br />

Jugendweihe.<br />

Fotos: Pastierovic/privat<br />

<strong>de</strong>n meisten Studienteilnehmern.<br />

Ab 1994 sinkt die Zufrie<strong>de</strong>nheit<br />

von 35 Prozent über die Jahre immer<br />

weiter ab. Nur zwischen 20<br />

und 30 Prozent <strong>de</strong>r Befragten geben<br />

von 1994 bis 1998 an, mit <strong>de</strong>r<br />

Politik glücklich zu sein. Es sind die<br />

letzten Jahre <strong>de</strong>r Ära Kohl.<br />

Als 1998 <strong>de</strong>r Machtwechsel von<br />

CDU zur SPD folgt, Gerhard Schrö<strong>de</strong>r<br />

ins Kanzleramt zieht, steigt die<br />

Zufrie<strong>de</strong>nheit bis 2001 zunächst<br />

wie<strong>de</strong>r an – um dann erneut bis<br />

2005 zu fallen. Erst Angela Merkel<br />

bringt einen leichten Aufschwung,<br />

was die Befindlichkeit angeht.<br />

Trotz <strong>de</strong>r anhalten<strong>de</strong>n Finanzkrise<br />

2011 wird mit 45 Prozent die<br />

höchste Zufrie<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>r Politik<br />

gemessen. Die Zufrie<strong>de</strong>nen bleiben<br />

trotz<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rheit.<br />

Für Daniela Hertrich ist es ein<br />

schleichen<strong>de</strong>r Prozess. Sie hat Fragen<br />

an das vereinte Deutschland.<br />

Sie wünscht sich mehr aktives Mitbestimmen.<br />

„Einen Bürgerentscheid<br />

habe ich in meinem Leben<br />

auf Landkreisebene miterlebt“,<br />

sagt sie.<br />

Ob Landtagswahl, Bun<strong>de</strong>stagswahl<br />

o<strong>de</strong>r Europawahl, vieles ist<br />

ihr zu weit weg, zu abstrakt vom<br />

Einzelnen. Zur Wahl zu gehen, ist<br />

für sie wichtig. Sie hat noch nie einen<br />

Wahltag verpasst, gera<strong>de</strong> auch,<br />

weil sie verhin<strong>de</strong>rn will, dass extreme<br />

Parteien von einer geringen<br />

Wahlbeteiligung profitieren. Sie<br />

hofft, dass sie etwas für die Demokratie<br />

bewirken kann.<br />

In <strong>de</strong>r Sächsischen Längsschnittstudie berichten<br />

Teilnehmer, welche Hoffnungen und Ziele sie<br />

früher hatten und ob sie sich erfüllt haben. Die<br />

Sächsische Zeitung stellt in einer Serie die wichtigsten<br />

Ergebnisse vor.<br />

Leipzig. Ein Motorrad-Artist ist bei<br />

einer Vorführung auf einem Leipziger<br />

Rummelplatz tödlich verunglückt.<br />

Wie die Polizei am Freitag<br />

mitteilte, zog sich <strong>de</strong>r 52-Jährige<br />

bei <strong>de</strong>m Sturz am Tag <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Einheit schwere Verletzungen<br />

zu. Er starb wenig später im<br />

Krankenhaus. Ermittlungen <strong>de</strong>r Polizei<br />

und von technischen Sachverständigen<br />

hätten keine Mängel am<br />

Motorrad o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Anlage auf<br />

<strong>de</strong>r Kleinmesse ergeben. Wahrscheinlich<br />

sei <strong>de</strong>r Unfall auf einen<br />

Fahrfehler <strong>de</strong>s Artisten zurückzuführen.<br />

Das endgültige Ergebnis einer<br />

Obduktion steht noch aus. (dpa)<br />

NACHRICHTEN<br />

||||||||||||||||||||||||||||||<br />

Einbrecher stiehlt<br />

Rentnerin Sterbegeld<br />

Zwickau. Bei einem Einbruch in eine<br />

Zwickauer Wohnung hat ein<br />

Dieb Tausen<strong>de</strong> Euro erbeutet. Er<br />

stahl ein Kuvert mit einem vierstelligen<br />

Bargeldbetrag, <strong>de</strong>n die Mieterin<br />

als Sterbegeld hinterlegt hatte.<br />

Sie ist seit <strong>de</strong>m August im Krankenhaus.<br />

Der Täter drang über ein angekipptes<br />

Fenster ein. (FP)<br />

Insolvenzverwalter<br />

sieht Hoffnung für MZ<br />

Dres<strong>de</strong>n. Der Insolvenzverwalter<br />

<strong>de</strong>s Zschopauer Motorradbauers<br />

MZ, Christoph Junker, sieht gute<br />

Chancen für <strong>de</strong>n Fortbestand <strong>de</strong>s<br />

Unternehmens. Er verweist auf <strong>de</strong>n<br />

Erfolg auf <strong>de</strong>r Motorradmesse in<br />

Köln. Dort habe ein verbrauchsarmer<br />

Motor als Weltneuheit für Aufsehen<br />

gesorgt. (dpa)<br />

Minerale Pracht<br />

in Freiberg<br />

Freiberg. Deutschlands schönste<br />

Mineralien sind künftig in Freiberg<br />

versammelt. Die Ausstellung von<br />

1 000 Stücken kröne die seit 2008 in<br />

Schloss Freu<strong>de</strong>nstein gezeigte „terra<br />

mineralia“, teilte die TU Bergaka<strong>de</strong>mie<br />

mit. Für die Fun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> ein<br />

500 Jahre altes früheres Amtshaus<br />

am Schlossplatz saniert. (dpa)<br />

Fotos: Fotolia.com/© Na<strong>de</strong>za Verbenko, Joachim Opelka<br />

Mit Extra-Heft t<br />

im Taschenformat:<br />

Über 1.000 lokale<br />

Restaurantadressen. n<br />

Mit Liebe dabei,<br />

statt einerlei<br />

zu Besuch bei<br />

Top-Erzeugern<br />

Mit Liebe<br />

dabei,<br />

statt einerlei!<br />

Weißer Käse von schwarzen Schafen,<br />

gol<strong>de</strong>ne Forellen, Honig vom Stadtimker,<br />

hausgebrautes Bier o<strong>de</strong>r Fleisch vom<br />

Biometzger: Überall in unserer Region<br />

produzieren I<strong>de</strong>alisten ursprüngliche,<br />

ehrliche und vor allem leckere Lebensmittel.<br />

Wir durften probieren! Wie es geschmeckt<br />

hat, je<strong>de</strong> Menge Restauranttipps,<br />

Genussgutscheine in und um<br />

Dres<strong>de</strong>n und vieles mehr ent<strong>de</strong>cken<br />

Sie im neuen Augusto – Dres<strong>de</strong>ns<br />

Magazin für Genuss und Lebensart.<br />

Lesen und genießen Sie mit!<br />

Wil<strong>de</strong>r Start &<br />

schnelle Speisen<br />

ein Interview<br />

mit Jan Vogler<br />

*6 Ct./Anruf aus <strong>de</strong>m dt. Festnetz, Mobilfunktarife abweichend<br />

Träume jenseits<br />

<strong>de</strong>s Tellerran<strong>de</strong>s<br />

Sachsens Designer<br />

im Focus<br />

Bestellen Sie sich jetzt Ihr Exemplar für nur 4,80 € telefonisch<br />

unter 01802 328 328* o<strong>de</strong>r im Internet www.augusto-magazin.<strong>de</strong><br />

Augusto ist auch in Ihren SZ-Treffpunkten und im Han<strong>de</strong>l erhältlich.<br />

Mit <strong>de</strong>r SZ auf einfachem Weg zu vielen Shows<br />

Piercing ist in, aber<br />

gefährlich. Wer <strong>de</strong>n<br />

Körperschmuck trägt,<br />

riskiert ’ne glatte Sechs.<br />

E<br />

IN BÜGELEISEN durch die<br />

Braue Ein Pfund Metall im<br />

Ohr O<strong>de</strong>r gar unter <strong>de</strong>r Zunge Liebe<br />

junge Sachsen, Ihr müsst Euch<br />

nicht piercen. Eisen im Gesicht verprellt<br />

nicht nur Menschen wie <strong>de</strong>n<br />

knorrigen Mathelehrer mit <strong>de</strong>m<br />

Stoß Prüfungsbögen unterm Arm,<br />

<strong>de</strong>m man eh besser aus <strong>de</strong>m Weg<br />

geht. Auch Wohlgesinnte könnten<br />

irritiert sein. Erst hören sie ein<br />

Rumpeln und Klimpern. Dann fragen<br />

sie sich: Was kann das wohl<br />

sein Ein verirrtes Weltkriegsfahrzeug<br />

vom Tag <strong>de</strong>r Sachsen Schwermetalldiebe<br />

Ach nee, ist doch nur<br />

Mandys Cousin, <strong>de</strong>ssen Nasenflügelpiercings<br />

aneinan<strong>de</strong>rrumsen.<br />

dsd<br />

SO ETWAS kann <strong>de</strong>r Durchstochene<br />

wohl noch aushalten. An<strong>de</strong>rswo<br />

lauern fiesere Probleme. Etwa im<br />

Sportunterricht. Wegen <strong>de</strong>r Verletzungsgefahr<br />

muss <strong>de</strong>r Körperschmuck,<br />

<strong>de</strong>r schmerzhafte Bezeichnungen<br />

wie Expan<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />

Tunnel trägt, entfernt wer<strong>de</strong>n. Damit<br />

nicht genug. „Die dabei entstehen<strong>de</strong><br />

Öffnung in <strong>de</strong>r Haut ist voll-<br />

Mo<strong>de</strong>rner, übersichtlicher und vielfältiger<br />

präsentiert sich seit einigen<br />

Tagen <strong>de</strong>r SZ-Ticketservice im Internet.<br />

Erweitert wur<strong>de</strong> auch das<br />

Angebot an Veranstaltungen, für<br />

die hier Karten gebucht wer<strong>de</strong>n<br />

können. Beliebte Dinge gibt es natürlich<br />

weiterhin. Zum Beispiel die<br />

„Top 10 <strong>de</strong>r Veranstaltungen“. Grüne<br />

und rote Pfeile signalisieren<br />

jetzt aber, ob ein Künstler in <strong>de</strong>r<br />

Gunst gefallen o<strong>de</strong>r gestiegen ist –<br />

was dann schnelle Entscheidungen<br />

herausfor<strong>de</strong>rt. Bei einem einfachen<br />

Strich gab es keinen Platzwechsel.<br />

Dem Wunsch vieler Nutzer entspricht<br />

die Verän<strong>de</strong>rung bei „Erweiterte<br />

Suche“. Jetzt lässt sich <strong>de</strong>r<br />

eigene Favorit schneller fin<strong>de</strong>n.<br />

Neu ist außer<strong>de</strong>m, dass auf <strong>de</strong>r Seite<br />

zukünftig ab und an auch Karten<br />

verlost wer<strong>de</strong>n, beziehungsweise<br />

es Exklusiv-Shows für SZ-Leser gibt.<br />

Und unter „Schnäppchen“ fin<strong>de</strong>t<br />

man Rabatte. (SZ/md)<br />

web www.sz-ticketservice.<strong>de</strong><br />

Schwermetall im Bauchnabel<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

Sächsisch betrachtet<br />

Von Thilo Alexe<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

flächig mit einem Silikon- o<strong>de</strong>r<br />

Gummipfropfen zu verschließen“,<br />

heißt es in einem Hinweis <strong>de</strong>s Kultusministeriums.<br />

Mit Silikon verpfropfte<br />

Pennäler, die in einer nach<br />

altem Schweiß und Reinigungsmitteln<br />

in höchschter Konzentration<br />

miefen<strong>de</strong>n Turnhalle zur Trillerpfeife<br />

hüpfen Nein. Danke.<br />

dsd<br />

ZUMAL die Frage auftaucht: Was<br />

geschieht mit Schmuck an Körperstellen,<br />

die die ohnehin ausgepowerte<br />

Lehrerschaft eigentlich gar<br />

nicht sehen sollte „Schülerinnen<br />

und Schüler können nur dann vollumfänglich<br />

am Sportunterricht ...<br />

teilnehmen, wenn ausnahmslos alle<br />

gefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong> vom<br />

Körper entfernt wor<strong>de</strong>n sind“,<br />

mahnt das Ministerium. Doch wer<br />

soll das bitteschön wie kontrollieren<br />

Und dann noch dieser ätzen<strong>de</strong><br />

Strafenkatalog. Selbst Vampir-Nägel<br />

wie bei Klaus Kinski gehen<br />

nicht. Lehrer müssen die Kids informieren,<br />

dass „gefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gegenstän<strong>de</strong><br />

die nur operativ o<strong>de</strong>r nicht<br />

schadlos (z. B. erheblich verlängerte<br />

Fingernägel) ... entfernt wer<strong>de</strong>n<br />

können“, gar nicht erst angebracht<br />

wer<strong>de</strong>n dürfen. Wer sich <strong>de</strong>nnoch<br />

aufbrezelt, kriegt ’ne glatte Sechs<br />

in Sport.<br />

dsd<br />

UND WAS ist eine an sich ehrenhafte<br />

Sechs in <strong>de</strong>m lästigen Fach wert,<br />

wenn sie nicht durch glanzvolle miserable<br />

Leistungen (Schwänzen,<br />

Weitsprung, <strong>de</strong>r rechtzeitig VOR<br />

<strong>de</strong>m Sandkasten en<strong>de</strong>t, umjubelter<br />

Eigentor-Hattrick) ehrlich erkämpft<br />

wur<strong>de</strong> Richtig: Nicht viel.<br />

Ich weiß, wovon ich re<strong>de</strong>. Also, liebe<br />

junge Sachsen: Hängt schlaff am<br />

Reck und schlaft rasch ein, das<br />

Piercen lasst Ihr besser sein.<br />

dsd<br />

VIELLEICHT rammt sich die Freistaats-Jugend<br />

die Metallwaren auch<br />

nur <strong>de</strong>shalb durch Ohren und Näbel,<br />

weil sie traurig ist. Traurig, weil<br />

ihren Dialekt außerhalb <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s<br />

kaum einer mag. Mal<br />

wie<strong>de</strong>r ist das Sächsische per Umfrage<br />

zum unbeliebtesten Idiom gekürt<br />

wor<strong>de</strong>n. Macht nix. Wo man ’s<br />

Renfdl didschd, wenn‘s draußen<br />

plumbt, leben keine miesen Menschen.<br />

Lauscht ihrer Mundart ohne<br />

Häme. Nehmt sie ernst. Dann müssen<br />

sie sich nicht piercen.


8<br />

|||||||||||||||||<br />

SÄCHSISCHE ZEITUNG<br />

SACHSEN<br />

WWW.SZ-ONLINE.DE/SACHSEN<br />

||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

DONNERSTAG, 11.OKTOBER 2012<br />

20 Bürger mit<br />

Annen-Medaille gewürdigt<br />

Dres<strong>de</strong>n. 20 ehrenamtlich tätige<br />

Sachsen sind gestern in Dres<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>r Annen-Medaille ausgezeichnet<br />

wor<strong>de</strong>n. Damit würdigte<br />

<strong>de</strong>r Freistaat ihren langjährigen<br />

Einsatz für Senioren, Kin<strong>de</strong>r, Jugendliche,<br />

Behin<strong>de</strong>rte und Migranten.<br />

Die nach <strong>de</strong>r wohltätigen Kurfürstin<br />

Anna von Sachsen aus <strong>de</strong>m<br />

16. Jahrhun<strong>de</strong>rt benannte Medaille<br />

aus Meissener Porzellan wird jährlich<br />

für uneigennützige Dienste für<br />

die Gemeinschaft vergeben. (dpa)<br />

Ursache für Notlandung<br />

eines Airbus weiter unklar<br />

Leipzig. Nach <strong>de</strong>m ungeplanten<br />

Stopp auf <strong>de</strong>m Flughafen Leipzig/<br />

Halle ist noch nicht klar, welche<br />

technischen Probleme eine Maschine<br />

<strong>de</strong>r Air France am Dienstagmittag<br />

zur Landung gezwungen haben,<br />

erklärte Air France KLM<br />

Deutschland gestern. Die Maschine<br />

lan<strong>de</strong>te auf <strong>de</strong>m Weg von Paris<br />

nach St. Petersburg in Leipzig. Die<br />

meisten Passagiere wur<strong>de</strong>n mit einer<br />

an<strong>de</strong>ren Maschine nach St. Petersburg<br />

weitergeflogen. (dpa)<br />

Tausen<strong>de</strong> Akteure sollen<br />

Völkerschlacht nachstellen<br />

Leipzig. Mehrere tausend Akteure<br />

aus ganz Europa sollen im Oktober<br />

2013 Gefechte <strong>de</strong>r Völkerschlacht<br />

bei Leipzig nachstellen. Das kündigte<br />

<strong>de</strong>r Verband Jahrfeier Völkerschlacht<br />

gestern an. Anlass ist <strong>de</strong>r<br />

200. Jahrestag <strong>de</strong>r Schlacht, bei <strong>de</strong>r<br />

Truppen <strong>de</strong>s französischen Kaisers<br />

Napoleon I. und Verbün<strong>de</strong>te einer<br />

Koalition aus Preußen, Russland,<br />

Österreich und Schwe<strong>de</strong>n unterlagen.<br />

Die Schlacht mit über 100 000<br />

Toten gehört zu <strong>de</strong>n blutigsten <strong>de</strong>s<br />

19. Jahrhun<strong>de</strong>rts. (dpa)<br />

ANZEIGE<br />

NACHRICHTEN<br />

||||||||||||||||||||||||||||||<br />

Grips:<br />

Mission<br />

Wir sind dabei:<br />

„Soli<strong>de</strong>s Wissen über Zusammenhänge<br />

und das aktuelle<br />

Zeitgeschehen geben jungen<br />

Leuten Selbstbewusstsein und<br />

Sicherheit. Bekanntlich braucht<br />

ja nicht nur unser Unternehmen<br />

kommunikativen gebil<strong>de</strong>ten<br />

Nachwuchs. Ganz klar also,<br />

dass die einzige sächsische<br />

Versicherung die Mission Grips<br />

ausgesprochen gern<br />

unterstützt.“<br />

Gerhard Müller<br />

Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Sparkassen-<br />

Versicherung<br />

Sachsen<br />

Eine Aktion mit Unternehmen aus<br />

Sachsen und <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n<br />

Karriere mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

Arbeiten und Kin<strong>de</strong>r haben ist für Frauen aus <strong>de</strong>r früheren DDR selbstverständlich.<br />

Als Franka Jentzsch als junges Mädchen erstmals in <strong>de</strong>n Westen reist, sieht sie: Es geht auch an<strong>de</strong>rs.<br />

F<br />

Von Anna Kusserow<br />

ür Franka Jentzsch war immer<br />

klar, dass sie auch als Mutter arbeiten<br />

gehen wird. Sie ist in Leipzig<br />

aufgewachsen, dort kannte sie nur<br />

arbeiten<strong>de</strong> Mütter. Deshalb gab es<br />

für sie keinen Zweifel: So wird es<br />

bei mir auch einmal sein.<br />

Fehlen<strong>de</strong> Kita-Plätze o<strong>de</strong>r Arbeitsplatzverlust<br />

sind für Menschen aus<br />

<strong>de</strong>r ehemaligen DDR immer weniger<br />

ein Hin<strong>de</strong>rnis für die Familienplanung<br />

gewor<strong>de</strong>n. Das zeigt eine<br />

Langzeitstudie, die seit 25 Jahren<br />

Menschen <strong>de</strong>s Geburtsjahrgangs<br />

1973 aus Sachsen zu ihrem Leben<br />

befragt. Die Jugendlichen von damals<br />

sind erwachsen gewor<strong>de</strong>n –<br />

und so ist auch die Frage nach <strong>de</strong>m<br />

Familienleben dazugekommen.<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

<br />

<br />

Eine Serie <strong>de</strong>r Sächsischen Zeitung<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

Auch Franka Jentzsch nahm an <strong>de</strong>r<br />

Studie von Anfang an teil. Unter an<strong>de</strong>rem<br />

beantworten die Teilnehmer<br />

regelmäßig die Frage, wie Familiengründung<br />

beeinflusst wird –<br />

durch Finanzen, Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie, Arbeitsplatzsicherheit,<br />

Kin<strong>de</strong>rbetreuungsmöglichkeiten<br />

und Partnerschaft. Das<br />

Ergebnis: Sowohl für Frauen wie<br />

Männer spielt die finanzielle Lage<br />

von jeher eine große Rolle. Männer<br />

machen ihre Familiengründung<br />

aber noch stärker von <strong>de</strong>r Partnerschaft<br />

abhängig. Für Frauen ist es<br />

wichtig, inwieweit sich Beruf und<br />

Familie vereinbaren lassen.<br />

Rollen prallen aufeinan<strong>de</strong>r<br />

Bei Franka Jentzsch ist das geglückt.<br />

Zusammen mit ihrem Partner<br />

hat sie immer Strukturen vorgefun<strong>de</strong>n,<br />

die es ihr ermöglichten,<br />

bei<strong>de</strong>s zu haben: Beruf und Kin<strong>de</strong>r.<br />

Auch, weil nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> das<br />

Netz <strong>de</strong>r Krippen und Kin<strong>de</strong>rgärten<br />

auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r ehemaligen<br />

DDR weiterhin <strong>de</strong>utlich dichter<br />

war als im Westen.<br />

Tatsächlich hat einst in <strong>de</strong>r DDR<br />

das Rollenmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r berufstätigen<br />

Mutter die Frauen stark geprägt.<br />

Später kamen im vereinten<br />

Deutschland zwei weitere Rollenbil<strong>de</strong>r<br />

hinzu: Das <strong>de</strong>r zu Hause bleiben<strong>de</strong>n<br />

Mutter und das <strong>de</strong>r oft kin<strong>de</strong>rlosen<br />

Karrierefrau. In <strong>de</strong>r DDR<br />

waren die meisten Frauen beim ersten<br />

Kind 22 o<strong>de</strong>r 23 Jahre alt. Familie,<br />

Kin<strong>de</strong>r und Partnerschaft stan<strong>de</strong>n<br />

sowohl bei Frauen wie Männern<br />

ganz oben auf <strong>de</strong>r Prioritätenliste<br />

und waren kein Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

zum Erwerbsleben. Heute wer<strong>de</strong>n<br />

die Frauen in Ost<strong>de</strong>utschland im<br />

Schnitt mit 27 erstmals Mutter, in<br />

West<strong>de</strong>utschland mit etwa 29.<br />

Franka Jentzsch war bei <strong>de</strong>r Geburt<br />

ihres ersten Kin<strong>de</strong>s 28 Jahre alt.<br />

Drei Viertel <strong>de</strong>r Studienteilnehmer<br />

haben heute Kin<strong>de</strong>r, mehr als<br />

die Hälfte ist verheiratet. Nach <strong>de</strong>r<br />

Wen<strong>de</strong> sanken die Geburtenzahlen<br />

in Deutschland dramatisch und erreichten<br />

1994 <strong>de</strong>n historischen<br />

Tiefststand von 0,77 Kin<strong>de</strong>rn pro<br />

Frau. Wie aus <strong>de</strong>r Studie hervorgeht,<br />

haben die Frauen im Osten<br />

dabei vor allem aus wirtschaftlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n, wegen mangeln<strong>de</strong>r<br />

Flexibilität und <strong>de</strong>s Wunsches nach<br />

Unabhängigkeit ihr Eltern-Dasein<br />

aufgeschoben o<strong>de</strong>r sogar komplett<br />

darauf verzichtet.<br />

Nicht so Franka Jentzsch. Mit ihrem<br />

ersten Sohn bleibt sie nach <strong>de</strong>r<br />

Geburt zwei Jahre zu Hause, ehe sie<br />

wie<strong>de</strong>r ins Berufsleben einsteigt.<br />

Ob Krippe, Kin<strong>de</strong>rgarten o<strong>de</strong>r Schule,<br />

die Betreuung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r habe<br />

nie im Konflikt zum Arbeitsalltag<br />

gestan<strong>de</strong>n, erzählt sie. Sie ist froh<br />

darüber, <strong>de</strong>nn ihre Arbeit als Berufsberaterin<br />

bei <strong>de</strong>r Arbeitsagentur<br />

ist ihr wichtig. Ihre bei<strong>de</strong>n inzwischen<br />

elf- und fünfjährigen Söhne<br />

weiß sie seit jeher gut betreut,<br />

wenn sie zur Arbeit geht. Ganz an<strong>de</strong>rs<br />

bei ihren Freundinnen und Bekannten<br />

in west<strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn.<br />

Jentzsch weiß von Frauen,<br />

die nur 15 o<strong>de</strong>r 20 Stun<strong>de</strong>n wöchentlich<br />

arbeiten können, weil<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rgarten nur bis 14 Uhr geöffnet<br />

ist. „Das wäre nichts für<br />

mich“, sagt sie.<br />

Mit 18 Jahren reist Franka gemeinsam<br />

mit zehn an<strong>de</strong>ren jungen<br />

Frauen und Männern aus ihrer Heimat<br />

nach Mannheim in Ba<strong>de</strong>n-<br />

Württemberg. Dort beginnt sie ihre<br />

Ausbildung zur Verwaltungsinspekteurin.<br />

Zum ersten Mal begegnet<br />

ihr dort jenes an<strong>de</strong>re Rollenbild:<br />

Manche ihrer aus <strong>de</strong>m Westen<br />

stammen<strong>de</strong>n Mitschülerinnen wollen<br />

– wenn sie Mutter sind – trotz<br />

Ausbildung zu Hause bleiben o<strong>de</strong>r<br />

nur in Teilzeit arbeiten. Sie kennen<br />

es nicht an<strong>de</strong>rs, so war es auch bei<br />

<strong>de</strong>ren Müttern. Für Franka Jentzsch<br />

ist das keine Option, auch weil sie<br />

es so nie erlebt hat.<br />

Zurück in Leipzig, nimmt sie<br />

nach ihrer Ausbildung in <strong>de</strong>r Beratung<br />

für Arbeitssuchen<strong>de</strong> ihre Tätigkeit<br />

auf. Eine erfüllen<strong>de</strong>, wenn<br />

auch zuweilen sehr anstrengen<strong>de</strong><br />

Arbeit. Sie bekommt alle Wellen<br />

<strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit in Sachsen<br />

Franka<br />

Jentzsch heute<br />

– und vor 23<br />

Jahren (kl. Foto,<br />

Mitte). Als<br />

Berufsberaterin<br />

in Leipzig<br />

ist sie glücklich,<br />

dass sich<br />

Job und Familie<br />

gut vereinbaren<br />

lassen.<br />

Fotos : Anja Jungnickel/<br />

privat<br />

zwar nicht persönlich, aber doch<br />

hautnah mit. Betriebe, die schließen<br />

müssen und massenhaft Mitarbeiter<br />

ohne Arbeit hinterlassen.<br />

Menschen, die dringend einen Vorschuss<br />

benötigen. Sie versucht ihren<br />

Klienten so gut es geht zu helfen<br />

und merkt: Auch im Kleinen<br />

kann sie etwas bewegen.<br />

Sie durchläuft mehrere Stationen<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Agentur für Arbeit.<br />

Mit 27 Jahren wird sie verbeamtet.<br />

Jetzt ist sie Berufsberaterin – und es<br />

macht ihr Spaß. Engagiert versucht<br />

sie je<strong>de</strong>m Absolventen und Schulabgänger<br />

dabei zu helfen, <strong>de</strong>n Start<br />

ins Arbeitsleben zu meistern. In<br />

diesem Jahr feiert sie ihr 20-jähriges<br />

Berufsjubiläum.<br />

Franka Jentzsch ist Teilnehmerin <strong>de</strong>r Sächsischen<br />

Längsschnittstudie, die seit 1987 damalige<br />

Schüler <strong>de</strong>s Geburtsjahrgangs 1973 befragt.<br />

Die Teilnehmer berichten in dieser einzigartigen<br />

Studie, welche Hoffnungen und Ziele sie hatten<br />

und ob diese sich erfüllt haben. Die Sächsische<br />

Zeitung stellt in einer Serie Teilnehmer und Ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r Studie vor. Teil 1 erschien am 2.<br />

Oktober, Teil 2 am 7. Oktober.<br />

Lehrer<br />

wollen notfalls<br />

wie<strong>de</strong>r streiken<br />

Weil Sachsen vielen<br />

Pädagogen bislang eine<br />

gerechte Bezahlung<br />

verwehrt, wächst die Wut.<br />

Von Carola Lauterbach<br />

15 000 Lehrer haben am 7. September<br />

vorm Sächsischen Landtag <strong>de</strong>monstriert<br />

– und ihre Wut ist nicht<br />

verraucht. Sie for<strong>de</strong>rn einen Generationenvertrag,<br />

<strong>de</strong>r Altersteilzeitregelungen<br />

anbietet und gleichzeitig<br />

jungen Lehrern gerecht wird.<br />

Und sie wollen – 23 Jahre nach <strong>de</strong>r<br />

gesellschaftlichen Wen<strong>de</strong> – gerecht<br />

eingruppiert wer<strong>de</strong>n. Der von <strong>de</strong>r<br />

Regierung in <strong>de</strong>n Landtag eingebrachte<br />

Haushaltsentwurf sieht all<br />

das nicht vor.<br />

Darüber wird <strong>de</strong>rzeit auf <strong>de</strong>m<br />

zweitägigen Gewerkschaftstag <strong>de</strong>s<br />

Sächsischen Lehrerverban<strong>de</strong>s (SLV)<br />

in Leipzig diskutiert. Das ist auch<br />

das dominieren<strong>de</strong> Thema bei mehr<br />

als 30 Regionalversammlungen <strong>de</strong>r<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

(GEW). Sollte es keine Anzeichen<br />

vonseiten <strong>de</strong>r Regierung<br />

und <strong>de</strong>s Parlaments geben, auf die<br />

For<strong>de</strong>rungen einzugehen, sagt<br />

GEW-Vorsitzen<strong>de</strong> Sabine Gerold,<br />

„steigt die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass die Lehrer bereits bald erneut<br />

in einen Warnstreik treten“.<br />

Kultusministerin Brunhild Kurth<br />

(parteilos) hat unter<strong>de</strong>ssen öffentlich<br />

erklärt, sie stehe „bei <strong>de</strong>n Gehältern<br />

auf <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r Lehrer“.<br />

Auch aus <strong>de</strong>m Arbeitskreis Schule<br />

<strong>de</strong>r CDU-Fraktion gibt es positive<br />

Signale. Gerold: „Das hören wir mit<br />

Freu<strong>de</strong>, wir brauchen aber Taten.“<br />

Die Höhergruppierung <strong>de</strong>r sächsischen<br />

Lehrer wür<strong>de</strong> sich nach aktuellen<br />

Berechnungen <strong>de</strong>s Kultusministeriums<br />

auf 22 Millionen<br />

Euro pro Jahr belaufen – „vergleichsweise<br />

wenig im Vergleich<br />

zum Weihnachtsgeld für Beamte“,<br />

heißt es bei <strong>de</strong>r GEW.<br />

CDU-Politiker wollen<br />

das Weihnachtsgeld<br />

für Beamte retten<br />

Dres<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r CDU-Landtagsfraktion<br />

gibt es offenbar Überlegungen,<br />

das Weihnachtsgeld für sächsische<br />

Beamte wie<strong>de</strong>r einzuführen. Für einen<br />

solchen Schritt haben sich<br />

mehrere Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s zuständigen<br />

Arbeitskreises ausgesprochen.<br />

Die Son<strong>de</strong>rzahlung war 2011 abgeschafft<br />

wor<strong>de</strong>n und sorgt seit<strong>de</strong>m<br />

für Unmut. Vor allem Beamte<br />

in <strong>de</strong>n unteren Einkommensgruppen<br />

wären durch diesen Einschnitt<br />

über Gebühr belastet wor<strong>de</strong>n, wird<br />

häufig kritisiert. Etliche Betroffene<br />

haben mittlerweile gegen die Kürzung<br />

geklagt. Die Wie<strong>de</strong>reinführung<br />

<strong>de</strong>s Zuschlages wür<strong>de</strong> das<br />

Land Sachsen jährlich rund 30 Millionen<br />

Euro kosten.<br />

Der DGB und auch die Polizeigewerkschaft<br />

in Sachsen haben die<br />

For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s CDU-Arbeitskreises<br />

gestern ausdrücklich begrüßt. (SZ)<br />

Der 49-Jährige ist stolz, <strong>de</strong>n<br />

Aufmarsch von Nazis in<br />

Dres<strong>de</strong>n 2010 erstmals mit<br />

verhin<strong>de</strong>rt zu haben. Seit<br />

gestern steht er <strong>de</strong>shalb<br />

jedoch vor Gericht.<br />

Von Alexan<strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>r<br />

Linkspolitiker André Hahn beteuert seine Unschuld<br />

Der Landtagsabgeordnete André<br />

Hahn von <strong>de</strong>r Linkspartei ist <strong>de</strong>r<br />

erste sächsische Spitzenpolitiker,<br />

<strong>de</strong>r wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz<br />

vor Gericht<br />

steht. Als damaliger Fraktionschef<br />

soll er am 13. Februar 2010 in Dres<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n jährlichen Nazi-Aufmarsch<br />

mit verhin<strong>de</strong>rt haben.<br />

Der spektakuläre Prozess beginnt<br />

gestern am Amtsgericht Dres<strong>de</strong>n<br />

mit einem Blitzlichtgewitter <strong>de</strong>r<br />

Fotografen. Drei Dutzend Schaulustige<br />

und Medienvertreter verfolgen<br />

die Verhandlung gegen <strong>de</strong>n prominenten<br />

Abgeordneten, <strong>de</strong>r von seinem<br />

Landtags- und Parteikollegen<br />

Klaus Bartl verteidigt wird. Auch<br />

Richterin E<strong>de</strong>ltraut Thaut ist aufgeregter<br />

als sonst. Ihr entgeht, dass ihre<br />

Sitzung minutenlang vor laufen<strong>de</strong>n<br />

Kameras stattfin<strong>de</strong>t – bis nach<br />

Verlesung <strong>de</strong>r Anklage. Erst in einer<br />

Unterbrechung stellt sie klar,<br />

dass auch in ihrem Prozess nicht<br />

gefilmt wird. Das private Drehteam<br />

arbeitet für die Linkspartei.<br />

Zum Prozess ist es gekommen,<br />

weil Hahn Einspruch gegen einen<br />

Strafbefehl über 3 000 Euro (15 Tagessätze)<br />

eingelegt hatte. Laut Anklage<br />

setzte er sich 2010 über ein<br />

„faktisches Versammlungsverbot“<br />

hinweg, in<strong>de</strong>m er eine öffentliche<br />

Fraktionssitzung auf <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n<br />

Nazis geplanten Route am Bahnhof<br />

Dres<strong>de</strong>n-Neustadt mit geplant und<br />

durchgeführt habe. „Das ist eine<br />

Störung von Aufzügen“, so Oberstaatsanwalt<br />

Jürgen Schär. Dann<br />

verliest Hahn eine 17-seitige Erklärung,<br />

in <strong>de</strong>r er darstellt, warum er<br />

sich für unschuldig hält. Erstmals<br />

sei es am 13. Februar 2010 gelungen,<br />

<strong>de</strong>n jährlichen Nazi-Aufmarsch<br />

mit zivilgesellschaftlichem<br />

Engagement zu verhin<strong>de</strong>rn. „Ich<br />

bin stolz darauf, in vor<strong>de</strong>rer Reihe<br />

André Hahn<br />

gestern im<br />

Amtsgericht<br />

Dres<strong>de</strong>n. Dort<br />

muss er sich<br />

wegen <strong>de</strong>r Störung<br />

einer genehmigten<br />

Versammlung<br />

verantworten.<br />

Foto: Robert Michael<br />

dabei gewesen zu sein“, sagt Hahn.<br />

Ein Jahrzehnt lang hätten Neo-Faschisten<br />

<strong>de</strong>n Ge<strong>de</strong>nktag für die Opfer<br />

<strong>de</strong>s Bombenangriffs in Dres<strong>de</strong>n<br />

für ihre nationalistischen und revanchistischen<br />

Zwecke missbraucht.<br />

Erstmals habe sich 2010<br />

ein breites Bündnis <strong>de</strong>n Nazis friedlich<br />

in <strong>de</strong>n Weg gestellt. Es sei ein<br />

Versäumnis <strong>de</strong>r Stadt und <strong>de</strong>r Gerichte<br />

gewesen, an <strong>de</strong>m Tag Dres<strong>de</strong>n<br />

in zwei Zonen zu teilen – die<br />

Nazis auf <strong>de</strong>r Neustädter, die Gegen<strong>de</strong>monstranten<br />

auf <strong>de</strong>r Altstädter<br />

Elbseite. „Es musste je<strong>de</strong>m klar<br />

sein, dass diese Taktik nicht aufgehen<br />

wür<strong>de</strong>“, sagt Hahn.<br />

Aus Protest habe er daher an einer<br />

öffentlichen Fraktionssitzung<br />

teilgenommen. Auf <strong>de</strong>m Weg dorthin<br />

habe die Polizei <strong>de</strong>n Zug in <strong>de</strong>r<br />

Nähe <strong>de</strong>s Bahnhofs gestoppt. „Wir<br />

sind dann einfach geblieben.“ Es<br />

habe keine Auffor<strong>de</strong>rung gegeben,<br />

<strong>de</strong>n Weg freizumachen. Hahn habe<br />

<strong>de</strong>n Ort mittags verlassen und sich<br />

vor <strong>de</strong>m Rathaus in die Menschenkette<br />

<strong>de</strong>r Oberbürgermeisterin eingereiht.<br />

„Wie man eine Versammlung<br />

sprengen kann, ohne überhaupt<br />

vor Ort zu sein, wird das Geheimnis<br />

<strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />

bleiben“, sagt <strong>de</strong>r Angeklagte, <strong>de</strong>r<br />

mehrfach erklärt, ihm wür<strong>de</strong> ein<br />

politischer Prozess gemacht.<br />

Oberstaatsanwalt Schär sieht das<br />

an<strong>de</strong>rs. Durch die Blocka<strong>de</strong> Tausen<strong>de</strong>r<br />

seien die Teilnehmer <strong>de</strong>r rechten<br />

Versammlung in ihrem Grundrecht<br />

beeinträchtigt wor<strong>de</strong>n. „Es<br />

gibt ein Grundrecht auf Meinungsund<br />

Versammlungsfreiheit.“<br />

Hahns Verteidiger Bartl beantragt,<br />

das Verfahren auszusetzen.<br />

Seiner Ansicht nach gebe es keine<br />

gültige Rechtsnorm, da das Sächsische<br />

Versammlungsgesetz vom<br />

Verfassungsgerichtshof gekippt<br />

wor<strong>de</strong>n war. Er stellt 17 Beweisanträge,<br />

um die untergeordnete Rolle<br />

Hahns an <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>r<br />

einst auf <strong>de</strong>r Straße durchgeführten<br />

Fraktionssitzung zu belegen.<br />

Ob es ein unbeabsichtigtes Geständnis<br />

ist, als er sagt, es sei Zweck<br />

dieser Sitzung gewesen, <strong>de</strong>n Nazi-<br />

Aufmarsch zu verhin<strong>de</strong>rn, muss<br />

Richterin Thaut klären. Sie vertagt<br />

<strong>de</strong>n Prozess auf <strong>de</strong>n 23. Oktober.


DIENSTAG, 16. OKTOBER 2012<br />

SACHSEN |||||||||||||||||<br />

5<br />

SÄCHSISCHE ZEITUNG<br />

Gelernte Einzelkämpferin<br />

Im Osten reichte ihr Job nicht zum Leben. Im Westen musste Gerhild Spicale lernen, mit einer an<strong>de</strong>ren Welt klarzukommen.<br />

A<br />

Von Sandro Rahrisch<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

<br />

<br />

Eine Serie <strong>de</strong>r Sächsischen Zeitung<br />

|||||||||||||||||||||||||||||||||||||<br />

cht Jahre nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong><br />

droht Gerhild Spicale ein finanzielles<br />

Desaster. Ihr Abitur hat<br />

die damals 25-jährige Leipzigerin<br />

längst in <strong>de</strong>r Tasche. Und als gelernte<br />

Bürokauffrau arbeitet sie Vollzeit<br />

in ihrer Heimatstadt. Trotz<strong>de</strong>m<br />

muss ihre Mutter 200 Mark monatlich<br />

zuschießen, damit es irgendwie<br />

reicht. „Es war ein schwäbischer<br />

Arbeitgeber, genauso schwäbisch<br />

war die Bezahlung“, sagt Spicale<br />

heute. Damals macht sie sich<br />

klar: Irgendwann muss sie das Geld<br />

ihrer Mutter zurückzahlen. Deshalb<br />

packt sie im Frühjahr 1998 die<br />

Koffer und sucht im Westen nach<br />

einer besser bezahlten Arbeit.<br />

So wie Gerhild Spicale geht es<br />

vielen <strong>de</strong>s Jahrgangs 1973 aus <strong>de</strong>r<br />

ehemaligen DDR. Fast ein Viertel<br />

lebt heute in <strong>de</strong>n alten Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn,<br />

ein geringer Anteil sogar im<br />

Ausland, wie eine Studie von Leipziger<br />

und Dresdner Forschern<br />

zeigt. Seit 25 Jahren lässt sich auch<br />

Gerhild Spicale zu ihren beruflichen<br />

Eindrücken befragen.<br />

In Hannover fin<strong>de</strong>t sie damals<br />

nach ihrem Umzug schnell einen<br />

Job. Beim Reifenhersteller Continental<br />

arbeitet sie zunächst in <strong>de</strong>r<br />

Serviceabteilung, nimmt Aufträge<br />

entgegen und betreut Kun<strong>de</strong>n,<br />

nach kurzer Zeit wechselt sie ins<br />

Rechnungswesen. Neben ihrem Beruf<br />

studiert sie Betriebswirtschaftslehre.<br />

Das Gehalt stimmt, aber<br />

nicht nur bei ihr: 57 Prozent <strong>de</strong>r<br />

Studienteilnehmer, die im Westen<br />

leben, verdienen heute mehr als<br />

1 500 Euro im Monat. Im Osten sind<br />

es nur 39 Prozent. Größer fällt <strong>de</strong>r<br />

Unterschied im Vergleich von<br />

Mann und Frau aus: Während sich<br />

rund zwei Drittel <strong>de</strong>r Männer als<br />

besserverdienend bezeichnen dürfen,<br />

sind es bei <strong>de</strong>n Frauen nur 24<br />

Prozent.<br />

Finanziell erholt sich Gerhild Spicale<br />

im Westen. Doch als Person<br />

muss sie sich neu fin<strong>de</strong>n. „Ich bin<br />

mehrmals gegen eine Mauer gelaufen,<br />

weil ich Kollegen zu schnell<br />

vertraut habe.“ Im Osten habe sie<br />

einen gewissen Gemeinschaftsgeist<br />

anerzogen bekommen. „Alle saßen<br />

ja im gleichen Boot und mussten<br />

sich irgendwie unterstützen.“ In<br />

Hannover habe sie nicht damit gerechnet,<br />

dass es Kollegen gibt, die<br />

ihre Karriere hart vorantreiben,<br />

auch auf Kosten an<strong>de</strong>rer. „Ich musste<br />

schnell begreifen: Hier herrscht<br />

das System Einzelkämpfer.“<br />

Als sie ihr Studium been<strong>de</strong>t hat,<br />

zieht die junge Frau nach Mühltal<br />

bei Darmstadt und arbeitet von da<br />

an in Frankfurt. I<strong>de</strong>ntitätsprobleme<br />

verspürt sie in <strong>de</strong>r Finanzmetropole<br />

nicht. „Ich komme aus <strong>de</strong>m Osten<br />

und bin ziemlich stolz darauf.<br />

Ich hatte nie Angst, das laut auszusprechen.“<br />

Allerdings ärgert sie<br />

sich oft über Halbwissen zur DDR.<br />

„Ihr wart doch alle Kommunisten“,<br />

habe sie hören müssen. Viele Menschen<br />

wüssten nicht, wie das System<br />

DDR tatsächlich funktioniert<br />

habe und was <strong>de</strong>r Unterschied zum<br />

Keine Sehnsucht nach <strong>de</strong>m Osten:<br />

Gerhild Spicale Anfang September<br />

bei einem Betriebsausflug in Hessen.<br />

Bis 1998 lebte sie mit ihrer<br />

Familie (kleines Bild mit Cousin<br />

und Cousine) in Leipzig. Fotos: privat<br />

Sozialismus sei. „Ich sage: Es war eine<br />

Diktatur. Ich sage aber auch,<br />

dass ich angetan war von <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e,<br />

dass es we<strong>de</strong>r Arm noch Reich geben<br />

soll.“ Nur seien diese Ziele in<br />

<strong>de</strong>r DDR nie erreicht wor<strong>de</strong>n.<br />

Die Wen<strong>de</strong> schätzt Gerhild Spicale<br />

als Bereicherung ein. „Mit meiner<br />

großen Klappe wäre ich im alten<br />

System schwer gegen die Wand<br />

gelaufen“, sagt sie.<br />

Auch beruflich ist sie heute zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Seit 2004 leitet sie das Büro<br />

einer größeren Frankfurter Anwaltskanzlei.<br />

Als Personalleiterin<br />

schätzt sie die Bildungsunterschie<strong>de</strong><br />

von Bun<strong>de</strong>sland zu Bun<strong>de</strong>sland<br />

als problematisch ein und zieht <strong>de</strong>n<br />

Vergleich zur DDR. „Eine zentrale<br />

Schulbildung gibt es im fö<strong>de</strong>ralen<br />

Deutschland bis heute nicht“, sagt<br />

sie.<br />

Nein, Leipzig vermisst sie nicht.<br />

„Man könnte <strong>de</strong>nken, mir sei <strong>de</strong>r<br />

Weggang schwergefallen“, sagt die<br />

heute 39-Jährige. „Aber ehrlich gesagt,<br />

ich hatte in Leipzig nie das Gefühl,<br />

zu Hause zu sein.“ Vor wenigen<br />

Jahren hat sie herausgefun<strong>de</strong>n,<br />

dass ihre Vorfahren aus Nordhessen<br />

stammen.<br />

Mit ihrem Mann lebt Spicale seit<br />

13 Jahren zusammen. Bei<strong>de</strong> hatten<br />

sich in Hannover kennengelernt<br />

und vor drei Jahren geheiratet. Kin<strong>de</strong>r<br />

wünscht sich das Paar nicht. Es<br />

gibt keine Grün<strong>de</strong> dafür, es ist einfach<br />

so. Ihre bei<strong>de</strong>n Hun<strong>de</strong> sind ihr<br />

größtes Hobby.<br />

Manchmal ist sie auch heute in<br />

Leipzig, aber die Besuche in ihrer<br />

Geburtsstadt sind eher selten gewor<strong>de</strong>n.<br />

„Wenn ich heute nach<br />

Leipzig fahre, fahre ich zu meiner<br />

Mutter – nicht nach Hause.“<br />

Gerhild Spicale ist Teilnehmerin <strong>de</strong>r Sächsischen<br />

Längsschnittstudie, die seit 1987 damalige<br />

Schüler <strong>de</strong>s Geburtsjahrgangs 1973 befragt.<br />

Die Sächsische Zeitung hat in <strong>de</strong>n vergangenen<br />

Tagen in einer Serie Teilnehmer und Ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r Studie vorgestellt.<br />

Sachsen <strong>de</strong>n Rücken<br />

gekehrt<br />

ins Ausland<br />

Quelle: Förster, Berth<br />

in die alten<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r<br />

Abwan<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Befragten<br />

<strong>de</strong>s Jahrgangs 1973<br />

in Prozent<br />

1998 2003 2007<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

SZ-Grafik: Gernot Grunwald<br />

5<br />

2012<br />

Heißer Tanz<br />

bei Sachsens<br />

Linken<br />

Die Partei <strong>de</strong>battiert<br />

über Grun<strong>de</strong>inkommen<br />

und Bildung. Zu<strong>de</strong>m gibt<br />

es je<strong>de</strong> Menge Musik.<br />

Von Thilo Alexe<br />

Chemnitz. Der Tanzabend nach<br />

<strong>de</strong>m ersten Tag dürfte spannend<br />

wer<strong>de</strong>n. Womöglich knobeln Sachsens<br />

Linke bei Lipsi und Rumba aus,<br />

wer nach Katja Kipping und André<br />

Hahn auf <strong>de</strong>n insgesamt 15 Listenplätzen<br />

für die Bun<strong>de</strong>stagswahl<br />

kandidieren soll. Offiziell allerdings<br />

spielen solche Personalien beim<br />

zweitägigen Programmparteitag<br />

<strong>de</strong>r Linkspartei im Freistaat am Wochenen<strong>de</strong><br />

keine Rolle.<br />

Statt<strong>de</strong>ssen geht es in Chemnitz<br />

vor allem um bildungs- und sozialpolitische<br />

Leitlinien. Parteichef Rico<br />

Gebhardt nannte am Montag das<br />

Motto: „Fragend schreiten wir voran.“<br />

Erwartet wer<strong>de</strong>n Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

um das von Bun<strong>de</strong>sparteichefin<br />

Kipping favorisierte<br />

bedingungslose Grun<strong>de</strong>inkommen.<br />

Sächsische Sozialpolitiker <strong>de</strong>r<br />

Partei hatten mehrfach darauf hingewiesen,<br />

dass auch dieses Einkommen<br />

erwirtschaftet wer<strong>de</strong>n müsse.<br />

Zu<strong>de</strong>m geht es um die Frage, ob in<br />

<strong>de</strong>n Regionen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s<br />

strikt gleiche o<strong>de</strong>r doch nur gleichwertige,<br />

also vergleichbare Lebensbedingungen<br />

herrschen sollen.<br />

Rund 80 For<strong>de</strong>rungen – darunter<br />

Investitionen in die Hochschulen<br />

und bessere Betreuungsschlüssel<br />

für Kita und Hort – enthalten die<br />

Leitlinien im Entwurf. Zwei Drittel<br />

müsste <strong>de</strong>r Freistaat finanzieren,<br />

was unrealistisch scheint.<br />

Daher sollen die 190 Delegierten<br />

herausfiltern, mit welchen Schwerpunkten<br />

die Partei in die Landtagswahl<br />

2014 ziehen will, wie Gebhardt<br />

sagte. Derzeit hat Sachsens<br />

Linke 10 410 Mitglie<strong>de</strong>r, rund 400<br />

weniger als vor einem Jahr.<br />

HOTLINE<br />

(0351) 4864 2002<br />

Mo–Fr 9–18, Sa 9–13 Uhr<br />

INTERNET<br />

www.sz-ticketservice.<strong>de</strong><br />

sz-ticketservice<br />

auf facebook<br />

KONZERTE KULTUR SPORT MUSICAL & SHOW COMEDY & KABARETT NEWS GEWINNSPIELE<br />

BB Promotion GmbH in cooperation with Sundance Productions, Inc. NY presents a production of Michael Brenner<br />

DER ORIGINAL<br />

BROADWAY-KLASSIKER<br />

Erleben Sie die WEST SIDE STORY<br />

als Erste und zum Vorteilspreis!<br />

exklusiv <br />

„Das Ballet gibt großartige Tanzszenen,<br />

Swing und Jazz sind von treiben<strong>de</strong>r Kraft und<br />

unglaublicher, rhythmischer Komplexität.“<br />

Le Mon<strong>de</strong>, Paris<br />

„Ein aufregen<strong>de</strong>r, rasen<strong>de</strong>r Triumph!“<br />

The Observer, London<br />

ab 23,85<br />

16.07. - 04.08.13<br />

Semperoper Dres<strong>de</strong>n<br />

www.westsi<strong>de</strong>story.<strong>de</strong><br />

Zwischenverkauf, Druckfehler und Än<strong>de</strong>rungen vorbehalten.


Eine informative Zusammenstellung von Ergebnissen<br />

<strong>de</strong>r einzigartigen, seit 25 Jahren<br />

laufen<strong>de</strong>n sozialwissenschaftlichen Studie<br />

zum Erleben <strong>de</strong>r <strong>Wie<strong>de</strong>rvereinigung</strong>!<br />

W<br />

Mit 25 Erhebungswellen in <strong>de</strong>n Jahren 1987<br />

bis 2012 zählt die Sächsische Längsschnittstudie<br />

zu <strong>de</strong>n weltweit am längsten bestehen<strong>de</strong>n<br />

sozialwissenschaftlichen Untersuchungen.<br />

Es ist die einzige Erhebung, die<br />

über einen <strong>de</strong>rart langen Zeitraum hinweg<br />

das Erleben <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Einheit bei einer<br />

großen Gruppe Ost<strong>de</strong>utscher verfolgt.<br />

Hendrik Berth, Elmar Brähler,<br />

Markus Zenger,<br />

Yve Stöbel-Richter (Hg.)<br />

Innenansichten<br />

<strong>de</strong>r Transformation<br />

25 Jahre Sächsische<br />

Längsschnittstudie (1987–2012)<br />

Der vorliegen<strong>de</strong> Band enthält die aktuellsten<br />

Forschungsbefun<strong>de</strong> und zieht Bilanz, in<strong>de</strong>m<br />

er die zentralen Forschungsfragen und -ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r zurückliegen<strong>de</strong>n zweieinhalb<br />

Jahrzehnte exemplarisch wi<strong>de</strong>rspiegelt: die<br />

Transformation Ost<strong>de</strong>utschlands aus sozialwissenschaftlicher<br />

Perspektive, die I<strong>de</strong>ntitätsentwicklung,<br />

die wechselvollen Einschätzungen<br />

<strong>de</strong>s <strong>Wie<strong>de</strong>rvereinigung</strong>sprozesses,<br />

die Verän<strong>de</strong>rungen politischer und gesellschaftlicher<br />

Einstellungen, das psychische<br />

Erleben von Arbeitslosigkeit, Partnerschaft<br />

und Familiengründung.<br />

Mit Beiträgen von Gustav Wilhelm Bathke,<br />

Hendrik Berth, Elmar Brähler, Stephanie<br />

Drössler, Anja Fleischmann, Peter Förster,<br />

Walter Friedrich, Ralf Kuhnke, Rolf Ludwig,<br />

Uta Schlegel, Wilfried Schubarth, Kurt<br />

Starke, Yve Stöbel-Richter, Juliane Ulbricht<br />

und Markus Zenger<br />

360 Seiten • Broschur<br />

Preis Euro (D): 32,90<br />

ISBN 978-3-8379-2227-1<br />

Buchreihe: Forschung Psychosozial<br />

Sie können auf folgen<strong>de</strong>n Wegen bestellen:<br />

Im Internet unter www.psychosozial-verlag.<strong>de</strong>,<br />

per E-Mail an bestellung@psychosozial-verlag.<strong>de</strong>,<br />

per Fax an 06 41/96 99 78 19,<br />

telefonisch unter 06 41/96 99 78 18<br />

o<strong>de</strong>r per Post an untenstehen<strong>de</strong> Adresse.<br />

(Unsere Bücher erhalten Sie selbstverständlich<br />

auch in Ihrer Buchhandlung.)<br />

Bestellcoupon<br />

Hiermit bestelle ich<br />

Exemplar(e):<br />

Berth et al. (Hg.): Innenansichten <strong>de</strong>r<br />

Transformation<br />

Bestellnr. 2227 · Euro 32,90 (zzgl. Porto)<br />

E-Mail-Newsletter<br />

E-Mail-Adresse:<br />

Walltorstr. 10<br />

35390 Gießen<br />

Name, Vorname<br />

Straße<br />

PLZ/Ort<br />

Psych<br />

Wallt<br />

Telef<br />

Fax: 0<br />

info@<br />

www

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!