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Juli / August 2013

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Der Dekalog (Teil 6) - Das vierte Gebot:<br />

„Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit<br />

du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein<br />

Gott, dir gibt. “ (Ex 20, 12)<br />

Wenn Menschen das Paket ihrer Lebensgeschichte<br />

aufmachen, um sich den Inhalt<br />

anzuschauen, wird diese Frage wichtig: „Ist<br />

Liebe drin“. Es sind ja nicht die Sach- und Geldwerte,<br />

die letztlich die Lebensgeschichte reich<br />

machen! Es sind die Beziehungen zu den anderen,<br />

es sind der erfahrene Reichtum oder der<br />

schmerzliche Mangel an Liebe, die die Entwicklung<br />

eines Menschen prägen und tragen.<br />

An diese Basis erinnert das vierte Gebot mit der<br />

Aufforderung, die Eltern zu ehren.<br />

Nicht unmündige Kinder, sondern die erwachsenen<br />

Töchter und Söhne sind hier gemeint. Sie<br />

werden gemahnt, den altgewordenen Eltern als<br />

Trägern des Rechts, der Sitte und der Tradition<br />

gebührende Achtung zu schenken, damit die<br />

tragenden Grundlagen des Gemeinschaftslebens<br />

erhalten bleiben. Es sind Grundlagen, die<br />

in alttestamentlicher Sicht durch Gott selbst gesetzt<br />

worden sind.<br />

Hier werden natürlich vom heutigen Menschen<br />

ernsthafte Einwände kommen. Welche Bedeutung<br />

haben Traditionswissen und Erfahrung in<br />

einer Gesellschaft, die sich in einem rasanten<br />

Tempo täglich verändert Wie hilflos fühlen sich<br />

z. B. manche Eltern und Großeltern mit ihrem<br />

erlernten Wissen, wenn es um die Hilfestellung<br />

bei Hausaufgaben ihrer Kinder und Enkel geht<br />

Oder wie weit klaffen die Ansichten über Sitte,<br />

Moral und Freiheit zwischen den Generationen<br />

auseinander<br />

Kann da das vierte Gebot noch eine Hilfe sein<br />

In einem Gespräch mit Firmanden wurde die<br />

Frage gestellt: „Was gehört unbedingt zum Leben“<br />

Ein Mädchen schrieb auf das Plakat: „Daseinsdankbarkeit“.<br />

Es wollte damit sagen: Das<br />

Leben ist für mich ein unverdientes Geschenk.<br />

Ich verdanke es Gott und denen, die es mir in<br />

seinem Auftrag weiter gegeben haben: meinen<br />

Eltern.<br />

Mit anderen Worten: Unser Leben hängt immer<br />

von anderen ab. Ohne die anderen verküm-<br />

mern wir. Deshalb sind Gott, Eltern, und Geschwister,<br />

Paten und nahe Verwandte wichtig<br />

für uns. Wo Menschen diese Vorgegebenheiten<br />

des Lebens vergessen, laufen sie Gefahr, sich<br />

selbst und anderen die Lebensgrundlage unter<br />

den Füßen wegzuziehen.<br />

Also kann das vierte Gebot in unserer veränderten<br />

und sich dauernd ändernden Gesellschaft<br />

überhaupt noch greifen<br />

Sicher ist die Zeit der traditionellen Großfamilie<br />

auf absehbare Zeit zu Ende, sicher haben<br />

Begriffe wie „Autorität“, „Sitte“ und „Tradition“ in<br />

einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft<br />

eine andere Bedeutung. Die Alternativen infolge<br />

des vierten Gebotes werden deshalb auch<br />

nicht, vereinfacht moralisierend, lauten dürfen:<br />

Altenheim oder Pflege in der Familie, Loslösung<br />

vom Elternhaus oder Anerkennung patriarchalischer<br />

Autorität; Fortschritt oder Tradition.<br />

Dem vierten Gebot entsprechender wäre es zu<br />

fragen: Wieviel Liebe und Achtung vermögen<br />

wir in unser Miteinander zu bringen Wieviel<br />

Liebe können wir in unser Zusammenleben,<br />

in unsere natürlichen Generationskonflikte,<br />

in die notwendigen Loslassungsprozesse, in<br />

die Erfahrung von altersbedingter Schwäche<br />

und Andersartigkeit „investieren“ aus unserer<br />

Grunderfahrung heraus: Wir sind aufeinander<br />

angewiesen Wieviel Würde und Achtung bringen<br />

wir denen unter uns entgegen, die in einer<br />

funktionierenden Leistungsgesellschaft nicht<br />

mehr „funktionieren“, die keine „Leistung“ mehr<br />

bringen können<br />

So fragt jede neue Generation: Wovon lebt ihr<br />

eigentlich Habt ihr euch das Leben und das,<br />

was ihr an Gütern vorfindet, habt ihr euch die<br />

Erfahrung von Liebe selbst erarbeitet, oder<br />

ist euch das alles nicht auch von anderen geschenkt<br />

worden<br />

Gott stellt sich im vierten Gebot auf die Seite<br />

der Schwachgewordenen, auf die Seite der unverdienten<br />

Liebe als Lebensgesetz für sein Volk.<br />

Wenn wir uns auf seine Seite stellen, bauen wir<br />

darauf, dass es die geschenkte, unverdiente Liebe<br />

ist, die unser Leben trägt.

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