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Zweiter Frühling - Die Alternative

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ULMENHOF News<br />

<strong>Die</strong> Zeitschrift der KlientInnen<br />

<strong>Zweiter</strong> <strong>Frühling</strong><br />

<strong>Die</strong> Zwei-Generati- über die Jahre eingspieldeneErziehungsauffasonen-Therapie des Ulten Muster zerbrechen sungen, aber auch die<br />

menhofs bringt es mit jedoch mit dem Mo- Tatsache, dass man nicht<br />

sich, dass nicht nur ment, da sich beide zu mehr zu zweit, sondern<br />

Mütter und Väter mit einem Entzug und einer zu dritt ist, zusammen<br />

Kindern hier ihr Leben Therapie entschliessen. mit einem Wesen, das<br />

in den Griff zu bekom- Nüchtern, beraubt der an beide Elternteile lautmen<br />

versuchen, son- fragwürdigen Romanstark Forderungen stellt,<br />

dern auch Paare – mit tik des illegalen Lebens machen es schwer, die<br />

wie ohne Kinder. und nicht zuletzt un- Beziehung auf ein neues<br />

ter dem Druck, eigene Fundament zu stellen.<br />

Verhaltensmuster zu Positiv hingegen wirkt<br />

Beziehungen zwischen überdenken, erkennt sich das neu gewonnene<br />

süchtigen Menschen man den Partner oder Selbstvertrauen aus,<br />

dauern mitunter erstaun- die Partnerin plötzlich schliesslich hat man etlich<br />

lang. Das Gefühl, ganz neu oder aber man was zusammen erreicht,<br />

niemandem sonst auf gewahrt mit schmerz- auch wenn der Weg, der<br />

der Welt trauen zu könlicher Schärfe altver- vor einem liegt, noch<br />

nen, die Erleichterungen traute Schwächen, die lang ist. Und das Wis-<br />

im täglichen Kampf zuvor durch den Dunst sen, dass man als Eltern<br />

oder aber schlicht und der Drogen durchaus daran arbeitet, dem ge-<br />

einfach Trägheit, die ei- erträglich gewirkt hatmeinsamen Kind, das<br />

nen daran hindert, etwas ten. Kommt dann noch oft einen schwierigen<br />

Vertrautes zu beenden, ein gemeinsames Kind Start ins Leben hatte,<br />

sorgen dafür, dass man hinzu, vervielfachen ein lebenswertes Leben<br />

trotz allen Widrigkeiten sich die möglichen Kon- zu bieten, gibt Kraft und<br />

zusammen bleibt. <strong>Die</strong> fliktpunkte:Verschie- schweisst zusammen. <strong>Die</strong> schützende Hand der Mutter<br />

4. Ausgabe<br />

Zwei Paare, die sich<br />

unterstützen und den<br />

Rücken stärken.


Therapie als Partnerbörse?<br />

Doch auch jene, die<br />

nicht in einer Beziehung<br />

lebten, als sie sich zu<br />

Entzug und Therapie<br />

entschlossen, lernen sich<br />

selber nüchtern wieder<br />

ganz neu kennen. <strong>Die</strong><br />

Gefühle, die entweder<br />

gänzlich abgestumpft<br />

oder aber unter einem<br />

Berg von schlechtem Gewissen<br />

und fehlendem<br />

Selbstvertrauen schliefen,<br />

erwachen mit einem Mal<br />

wieder machtvoll zum<br />

Leben. Entsetzt stellt<br />

man fest, dass Monate,<br />

vielleicht Jahre oder gar<br />

Jahrzehnte vergangen<br />

sind, seit man zum letzten<br />

Mal bedingungslos<br />

verliebt gewesen ist, und<br />

nicht zuletzt stellt auch<br />

die Sexualität, die während<br />

der Sucht im besten<br />

Fall eine Nebenrolle gespielt<br />

hatte, wieder ihre<br />

Ansprüche. Zudem ist<br />

Zeit da, viel Zeit, die<br />

verbracht werden kann.<br />

Und nicht zuletzt lernt<br />

man seine Mit-Klientinnen<br />

und -Klienten<br />

durch die verschiedenen<br />

Therapie-Gefässe zum<br />

Teil recht nah kennen.<br />

In der Selbsterfahrung,<br />

beim Vorstellen der eigenen<br />

Lebenslinie etwa,<br />

stehen wir alle nackt und<br />

verletzlich da, so echt<br />

und unverfälscht, wie<br />

wir uns sonst kaum zeigen<br />

würden. Daraus entsteht<br />

vielleicht Mitleid,<br />

zuweilen erkennen wir<br />

uns auch in Elementen<br />

der Lebensgeschichte<br />

eines oder einer anderen<br />

wieder – in jedem Falle<br />

empfinden wir Sympathie<br />

und Hochachtung<br />

für die Offenheit, mit der<br />

uns begegnet wird. Zum<br />

Verlieben ist es dann<br />

oft nur noch ein kleiner<br />

Schritt.<br />

Ich. Du – und sonstige<br />

Abgründe.<br />

Auf den ersten Blick<br />

wirkt die Ulmenhof-<br />

Regel, wonach neue Liebesbeziehungengrundsätzlich<br />

nicht erwünscht<br />

sind, befremdlich. Ist es<br />

nicht ein Zeichen der<br />

Normalität, der Lebensfreude<br />

und -Bejahung,<br />

wenn man sich neu verliebt?<br />

Und sind wir nicht<br />

alle erwachsen und also<br />

alt genug, um zu wissen,<br />

wer einem gut tut – und<br />

wer nicht. Und, last but<br />

not least, wer glauben<br />

die Betreuerinnen und<br />

Betreuer im Ulmenhof<br />

überhaupt zu sein,<br />

dass sie sich das Recht<br />

anmassen, zu bestimmen,<br />

ob und in wen wir<br />

uns verlieben dürfen?<br />

Schliesslich sind wir alle<br />

erwachsen und haben<br />

also das gute Recht, über<br />

unser Leben frei zu bestimmen.<br />

So, wie wir es<br />

die letzten Jahre ja auch<br />

gehalten haben, ganz<br />

frei. Völlig frei, oder<br />

etwa nicht? Aber war<br />

da nicht etwas, das uns<br />

in der Freiheit unserer<br />

Entschlüsse und unserer<br />

Lebensgestaltung mehr<br />

als nur ein wenig beeinträchtigte?<br />

Eben. Und<br />

ist somit nicht die Frage<br />

berechtigt, ob unserer<br />

Urteilskraft wirklich so<br />

sicher ist, wie wir glauben.<br />

Jahrelang hatte bei<br />

jeder Entscheidung, die<br />

wir trafen, die Droge ein<br />

Mitsprache- oder gar Vetorecht.<br />

Sind wir wirklich<br />

schon darüber hinweg?<br />

Und dabei sprechen wir<br />

noch nicht einmal von<br />

der grössten Gefahr, die<br />

eine neue Liebesbeziehung<br />

mit sich bringt:<br />

Dass nämlich die The-<br />

Auch Konflikte<br />

gehören dazu ...<br />

rapie nur noch ein Ort<br />

ist, an dem man den<br />

oder die neue PartnerIn<br />

sieht, während alles<br />

andere zur Nebensache<br />

wird, der wir uns nur<br />

noch unterziehen, weil<br />

wir keine Konflikte heraufbeschwörenmöchten.<br />

Konflikte passen<br />

schlecht zur neuen Liebe,<br />

und also gehen wir<br />

in auch den inneren<br />

Konflikten aus den Weg,<br />

die uns hierher gebracht<br />

haben. Wir spüren sie ja<br />

kaum noch. Wie leicht<br />

trägt sich doch plötzlich<br />

der Rucksack mit allen<br />

Schmerzen, Enttäuschungen,<br />

verpassten<br />

Gelegenheiten, wenn<br />

wir neu verliebt sind.<br />

Zu leicht vielleicht, zumindest<br />

im Moment.<br />

Nur, dadurch, dass<br />

wir mit der Grossmut<br />

der Liebe über solche<br />

„Kleinigkeiten“ hinwegsehen,<br />

schaffen wir<br />

sie nicht aus der Welt.<br />

Schön wär‘s. Vielmehr<br />

lassen wir sie einfach<br />

ruhen, bis wir sie nicht<br />

mehr unter dem Deckel<br />

halten können. Und<br />

wie das Leben so spielt,<br />

kommen sie dann oft<br />

im dümmsten Moment<br />

an die Oberfläche, etwa<br />

nach der Therapie und,<br />

wer weiss, vielleicht<br />

auch nach der vermeintlich<br />

grossen Liebe. Und<br />

dann ist nichts da, was<br />

einen auffangen könnte,<br />

nichts ausser der schönen,<br />

alten Hölle.<br />

Leonardo La Rosa<br />

... wie aber auch die schönen Seiten


Interview<br />

Was ist eure Funktion<br />

im Ulmenhof ?<br />

Franz: Gruppentherapeut<br />

für Männer.<br />

Gabriela: Frauen begleiten<br />

und mit ihnen Themen<br />

auf tieferen Ebenen<br />

anschauen. Auch allgemeine<br />

Themen in der<br />

Gruppe.<br />

Aus welchen Gründen<br />

sind Männer und<br />

Frauen getrennt?<br />

Franz: Männer untereinander<br />

sprechen freier<br />

oder anders miteinander,<br />

wenn keine Frauen<br />

anwesend sind. Andere<br />

Themen sind möglich.<br />

Gabriela: Damit man<br />

spezifisch Frauenthemen<br />

anschauen kann.<br />

Warum wird im Therapiekonzept<br />

von neuen<br />

Beziehungen abgeraten?<br />

Franz: Eine Beziehung<br />

kann von eigenen Themen<br />

und der Auseinandersetzung<br />

mit sich selber<br />

ablenken. Vor allem<br />

wenn man frisch verliebt<br />

ist. Sie kann auch<br />

als Rauschmittelersatz<br />

missbraucht werden.<br />

Gabriela: Man ist von<br />

sich abgelenkt, vergisst<br />

seine eigenen Ziele und<br />

Zukunftspläne. <strong>Die</strong> verwendete<br />

Energie konzentriert<br />

sich völlig auf<br />

die neue Beziehung,<br />

und man überdeckt seine<br />

eigenen Themen und<br />

eventuellen Traumata.<br />

Wenn es doch passiert,<br />

wie kann man helfen?<br />

Franz: Das oben beschriebene<br />

ansprechen<br />

und die Beteiligten konfrontieren.<br />

Darauf hinweisen,<br />

weiterhin aktiv<br />

an sich zu arbeiten. Und<br />

als letzten Schritt ein<br />

Time Out einleiten, um<br />

sich Gedanken über sich<br />

und die eigentlichen<br />

Ziele der Therapie zu<br />

machen.<br />

Gabriela: Hilfe anbieten<br />

zu den eigenen Themen<br />

zurück zu finden und<br />

sich selber nicht zu verlieren.<br />

Ist es schwieriger für<br />

Männer oder Frauen<br />

mit externen Partnern<br />

sich auf die Therapie<br />

zu konzentrieren?<br />

Franz: Externe Partner<br />

sind meistens interessiert<br />

daran, dass Betroffene<br />

etwas ändern. In dem<br />

Sinn kann ein externer<br />

Partner motivieren und<br />

unterstützen.<br />

mit Gabriela und Franz<br />

Das sind unsere Therapeuten der Männer und Frauengruppe.<br />

Andererseits ist bei internen<br />

Partnern das gemeinsame<br />

Ziel, nüchtern<br />

mit der Familie oder in<br />

der Partnerschaft zu leben,<br />

einfacher, da man<br />

den Weg gemeinsam beschreitet.<br />

Gabriela: Für die einen<br />

ist es schwieriger wenn<br />

der Partner draussen<br />

ist. Aber auch mit internen<br />

Partnern kann<br />

es schwierig sein. Wenn<br />

der Partner draussen<br />

mitzieht und unterstützt,<br />

ist es auf jeden Fall positiv.<br />

Andernfalls wird<br />

eine Trennung oft zum<br />

Thema. Wenn ein Paar<br />

zusammen den Therapieverlauf<br />

durchlebt,<br />

lernt es mehr Verständnis<br />

für einander auf zu<br />

bringen.<br />

Welche Veränderungen<br />

machen sich bei Paaren<br />

bemerkbar, wenn sie<br />

gemeinsam die Therapie<br />

beginnen?<br />

Franz: Sie nehmen sich<br />

neu wahr, lernen Konflikte<br />

nüchtern aus zu<br />

tragen. Es kann aber<br />

auch eine Beziehungskrise<br />

auslösen, da man<br />

sich plötzlich nüchtern<br />

gegenüber steht. Man<br />

lernt sich neu kennen<br />

und oft gehen dann die<br />

Interessen völlig ausei-<br />

Wussten Sie, dass...<br />

…Unihockey zum<br />

Hauen und Stechen<br />

wird, sobald Stefan<br />

dabei den Schläger<br />

schwingt?<br />

…Hausgeist Edgar<br />

im Alten Haus immer<br />

Joghurts wegisst, dafür<br />

aber keinen Löffel<br />

braucht?<br />

…Andrea manchmal<br />

Schwyzertüütsch<br />

spricht - und niemand<br />

merkt es?<br />

nander. Manchmal kann<br />

sich das auch positiv<br />

auswirken, und es gibt<br />

der Beziehung neuen<br />

Schwung.<br />

Gabriela: Ich denke,<br />

dass eine Beziehung<br />

ohne Drogen eine ganz<br />

andere ist, als mit. Auch<br />

auf emotionaler Ebene<br />

erlebt man den Partner<br />

anders und entdeckt<br />

auch sich neu. Es kann<br />

eine Chance sein, sich<br />

authentisch näher zu<br />

kommen. Andererseits<br />

ist es auch möglich, dass<br />

man sich auseinander<br />

entwickelt.<br />

Wie laufen Beziehungenerfahrungsgemäss,<br />

wenn sie einen<br />

ganzen Therapieprozess<br />

durchlaufen?<br />

Franz: <strong>Die</strong> PartnerInnen<br />

lernen sich gegenseitig<br />

mit ihren Stärken und<br />

Schwächen kennen und<br />

akzeptieren, und haben<br />

gelernt, Auseinandersetzungen<br />

konstruktiv zu<br />

führen. Somit vermindert<br />

sich auch die Rückfallgefahr.<br />

Gabriela: Man lebt<br />

die Beziehung viel bewusster,<br />

und lernt sich<br />

und den Partner besser<br />

kennen. Das ist eine<br />

grosse Chance. Wenn<br />

…Delsy glatt vom<br />

Hocker fiel, als sie in der<br />

Kunsttherapie mit Theo<br />

ihr Selbstbild besprechen<br />

wollte?<br />

…Leonardo beim<br />

Schreinern mehr als nur<br />

ein wenig Mühe hat, zu<br />

sehen, was oben und<br />

unten ist? Aber solange<br />

es nur beim Schreinern<br />

ist…<br />

…Melanie und Robin<br />

nach langem Bangen<br />

endlich wissen, welche<br />

man einander besser<br />

kennt, wird man aber<br />

auch verletzlicher. Ziel<br />

wäre so oder so Respekt<br />

und Achtung füreinander<br />

zu entwickeln.<br />

Unterscheidet sich der<br />

Therapieprozess bei<br />

Männer und Frauen?<br />

Franz: Männer haben<br />

tendenziell mehr Mühe<br />

persönliche Schwächen<br />

und Probleme an zu<br />

sprechen. Wenn sie aber<br />

ein Problem erkannt haben,<br />

versuchen sie oft,<br />

systematischer und gezielter<br />

eine Lösung zu<br />

finden.<br />

Gabriela: Sie gehen unterschiedlich<br />

mit Therapie<br />

um. Frauen sind<br />

es gewohnter sich mit<br />

sich und ihren Gefühlen<br />

auseinander zu setzten.<br />

Frauen sind in der Regel<br />

körperbewusster. Männer<br />

gehen häufig die<br />

Sachen ganz anders an.<br />

Sie sprechen in der Regel<br />

nicht sehr gerne über<br />

Gefühle. Ich erlebe bei<br />

beiden Geschlechtern,<br />

wenn jemand ernsthaft<br />

interessiert ist, die Therapie<br />

zu schaffen, egal<br />

ob Mann oder Frau,<br />

dass dann beide ihr Ziel<br />

erreichen.<br />

Nava Pellanda<br />

Wohnung sie im<br />

FISCHERHUUS<br />

bekommen?<br />

…Stefan im Fitnessraum<br />

trainiert bis die<br />

Wände wortwörtlich<br />

wackeln?<br />

…vor unserem schönen<br />

Garten eine hässliche<br />

Baustelle steht?<br />

…unser Exredakteur<br />

Marco eine Woche<br />

Wellness im ULMEN-<br />

HOF buchen will?


Letzte<br />

Impressum<br />

Unabhängige Zeitung der<br />

Bewohner der Therapiestation<br />

ULMENHOF.<br />

Das hier Geschriebene<br />

muss nicht mit den<br />

Vorstellungen des Vereins<br />

DIE ALTERNATIVE<br />

übereinstimmen.<br />

Ausgabe:<br />

1000<br />

Erscheinungsdatum:<br />

schwer zu sagen......<br />

Mitwirkende:<br />

Chefredaktion und<br />

Layout:<br />

Nava Pellanda<br />

Gedicht:<br />

Stefan<br />

Leserbriefe an:<br />

nava.rea@hotmail.com<br />

Therapieantrag<br />

Nava Pellanda<br />

Ich schreibe diesen<br />

Antrag jetzt zum zweiten<br />

Mal. Ich bin voller<br />

Enthusiasmus hier angekommen.<br />

Ich wollte<br />

mein Leben, wie ich es<br />

bis jetzt führte, ändern.<br />

<strong>Die</strong>mo und ich haben<br />

nur noch vor uns hin vegetiert,<br />

das nötigste erledigt<br />

und konsumiert.<br />

Finanziell gab es eigentlich<br />

keinen Anreiz für<br />

mich aus diesem Leben<br />

auszusteigen. Doch was<br />

gab es noch für mich zu<br />

erwarten? Nichts ausser<br />

das sichere Verelenden<br />

in einem Sumpf aus<br />

dealen, konsumieren<br />

und fernsehen. Deshalb<br />

entschieden wir uns für<br />

eine Therapie. Am 9.<br />

April 2008 traten wir in<br />

den Entzug ein. Nach<br />

vier Wochen Aufbau<br />

begann meine Therapie<br />

am 6. Mai 2008 im<br />

Ulmenhof. Es war Sommer,<br />

und ich erinnere<br />

mich genau wie die<br />

Glyzinien am Galleriegeländer<br />

blühten und so<br />

wohlriechend dufteten.<br />

Wie lange hatte ich diese<br />

Dinge, die das Leben<br />

bieten, nicht mehr<br />

wahrgenommen? Ich<br />

genoss jeden Tag, den<br />

ich ohne Mühe um 7<br />

Uhr Morgens aufstand<br />

und wieder Freude am<br />

Leben hatte. Es lief<br />

alles so gut, dass ich<br />

dabei meine Sucht völlig<br />

vergass. Und dieser<br />

Umstand holte mich<br />

böse ein. Ich hatte einen<br />

schweren Rückfall,<br />

der mich richtig krass<br />

aus der Bahn warf. Ich<br />

war so perplex über die<br />

Macht, die die Drogen<br />

über mich haben, dass<br />

ich fast wieder den selbigen<br />

verfiel. Nach einer<br />

sehr eindrücklichen<br />

6wöchigen Time Out<br />

Phase kehrte ich in den<br />

Ulmenhof zurück. Es<br />

war ein für mich sehr<br />

schwieriger Neustart.<br />

Ich fand nicht mehr zu<br />

dem alten Antrieb zurück.<br />

Bis heute noch<br />

nicht. Das verwirrt<br />

mich. Was ist jetzt anders<br />

als vorher? Habe<br />

ich mir so etwas vorgespielt,<br />

dass ich erst jetzt<br />

zulasse, die wahren<br />

Probleme von mir zum<br />

Vorschein zu bringen?<br />

Ich frage mich, wie<br />

kann ich das alles in so<br />

kurzer Zeit bewältigen?<br />

Bringe ich die Kraft auf<br />

meinen Weg zu gehen?<br />

Ich weiss im tiefsten Innern,<br />

dass ich es kann.<br />

Doch ich lass mich so<br />

schnell von äusseren<br />

Umständen beeinflussen,<br />

dass es so schwierig<br />

ist, das Wesentliche im<br />

Auge zu behalten. Ich<br />

wusste schon immer,<br />

dass meine Vergangenheit<br />

eine unbewältigte<br />

Sache ist, doch dass sie<br />

mich so einholen wird,<br />

war mir nicht bewusst.<br />

Ich war bis jetzt immer<br />

mehr oder weniger auf<br />

Ha Droge gnoh und all zu oft ,<br />

wie vo allne guete Geischter verloh<br />

hani mi denäbe benoh.<br />

Geischtig im Duurschlof gsi,<br />

doch jetzt bin i im Ulmehof.<br />

Do muess i mi apasse, cha nit jedem<br />

wo mer nit passt, Schläg verpasse.<br />

Es isch schluss mit em ewige hasse<br />

Gäld für Partys, Droge und<br />

Nutte verprasse.<br />

Ha mi jetzt scho so veränderet,<br />

mi Kamerade und Kumpels<br />

chöneds chum fasse.<br />

Aber nei i wott nüm ghöre zu de Krasse,<br />

wott Opfer hasse.<br />

Resozialisiere und regeneriere<br />

isch agseit.<br />

Nei, i bi scho lang nüme bereit,<br />

i bi befreit.<br />

Es isch guet im Moment wis isch,<br />

ich han reine Tisch....<br />

mich allein gestellt und<br />

hatte, so dachte ich,<br />

auch keine Mühe damit.<br />

Jetzt plötzlich auf<br />

Hilfe angewiesen zu<br />

sein und diese auch anzunehmen,<br />

fällt mir enorm<br />

schwer. Dass meine<br />

Zeit hier so schwer sein<br />

kann, konnte ich mir<br />

kaum vorstellen. All die<br />

Vorschriften, die Anweisungen<br />

und to do´s<br />

im Moment will ich nur<br />

flüchten. Im Nachhinein<br />

begreife ich dann<br />

zwar immer warum das<br />

alles, doch währenddessen<br />

könnte ich schreien.<br />

Als würde sich mein<br />

Verstand in diesen Mo-<br />

menten total ausschalten.<br />

Wieso kann ich<br />

das alles nicht einfach<br />

annehmen, wie zu Anfang?<br />

Ich kämpfe so mit<br />

mir, dass ich manchmal<br />

fast verzweifle. Das Einzige,<br />

was mich am davonlaufen<br />

hindert, sind<br />

meine Ziele. Obwohl sie<br />

mir im Moment wie ein<br />

schier unbezwingbarer<br />

Berg erscheinen, weiss<br />

ich doch ich habe die<br />

Kraft sie zu erreichen.<br />

Doch der Weg bis zum<br />

Gipfel ist ein langwieriger.<br />

Und deshalb brauche<br />

ich Unterstützung.<br />

Und die bekomme ich<br />

hier. Ich will nie wie-<br />

der so leben, wie bevor<br />

ich hierher kam. Also<br />

weiss ich, was ich zu<br />

tun habe. Durchbeissen<br />

und alles aus der Zeit<br />

hier für mich nutzen.<br />

Und deshalb möchte<br />

ich meine Therapie hier<br />

zu Ende machen.

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