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LESEPROBEN AUS DEM MITTELTEIL DES BUCHES<br />
Auf den Synoden und Konzilen wurden immer weitere Kirchengesetze gegen<br />
Selbstmord und Selbstmörder festgeschrieben: Auf dem zweiten Konzil in Orleans, 533<br />
wurde der Selbstmord als schlimmstes aller Verbrechen verurteilt. Auf dem Konzil von<br />
Toledo, 693, wurde beschlossen, dass Selbstmörder auch posthum exkommuniziert<br />
werden.<br />
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Der Priester und große Philosoph Giordano Bruno (1548-1600), selbst von der<br />
Inquisition der Ketzerei und Magie für schuldig befunden und zum Tod auf dem<br />
Scheiterhaufen verurteilt, bezeichnete Selbstmörder als die „Märtyrer Satans“.<br />
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Selbstmörder haben mit ihrem Verbrechen eine Sühne unmöglich werden<br />
lassen. Sie wurden exkommuniziert. Sie hatten kein Anrecht auf ein kirchliches<br />
Begräbnis innerhalb der Friedhofmauern. Die Leichen wurden zum Galgen geschleppt,<br />
an den Füssen aufgehängt und zur öffentlichen Schändung und Schmähung<br />
freigegeben. Der Selbstmörder wurde posthum enteignet. Der Selbstmordversuch<br />
wurde, wenn gescheitert, vor Gericht gebracht. Der Angeklagte, der Selbstmörder, der<br />
bei dem Versuch sich selbst zu morden gescheitert war, wurde dann nicht selten mit<br />
dem Tode bestraft. Wenn er Glück hatte, kam er „nur“ ins Zuchthaus oder wurde des<br />
Landes verwiesen.<br />
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Kirche, Staat und Gesellschaft ließen Jahrhunderte lang rohen Sadismus walten, wenn<br />
es um die Verurteilung und Behandlung eines Menschen ging, der sich selbst getötet<br />
hatte oder dieses versucht hatte. Das Gedankengut aus dem dieses abartige Verhalten<br />
erwuchs war eine faulige Mischung aus vorgegebner Moral von rigider, kirchlicher wie<br />
weltlicher Obrigkeit auf der einen Seite und aus Furcht und Unwissenheit des einfachen<br />
Volkes auf der anderen Seite. Eine verderbte Mixtur aus Glaube, Gesetzt und<br />
Aberglaube.<br />
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Vom Spuk der kirchlichen Dogmen waren die Philosophen im Mittelalter wie gelähmt.<br />
Die, die sonst dem Aberglauben und der Religion ihr Gedankengut und ihre Schriften<br />
entgegensetzten, schwiegen oder sprachen eben ganz im Sinne der kirchlichen Irrlehre<br />
(bezogen auf den Selbstmord).<br />
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Zu Beginn der Neuzeit (1500) tauchten im Geist der Renaissance und Aufklärung trotz<br />
strenger Gesetzgebungen von staatlicher und kirchlicher Seite mehr und mehr<br />
Schriften auf, die den Selbstmord unter ethischen und moralischen Gesichtspunkten<br />
legitimierten und die Selbstmörder endlich nach und nach aus dem Fegefeuer der<br />
Verdammnis zogen, in dem die Kirche sie mehr als 1000 Jahre gegrillt hatte.<br />
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Das Ziel ist nicht, für die Selbsttötung zu plädieren. Die eigentliche Bedeutung dieses<br />
Werkes liegt in seinem uneingeschränkten Eintreten für die Wiederherstellung der<br />
Menschenwürde derer, die über Tausend Jahre von Kirche und Staat verdammt waren<br />
– und die, die heute von der Medizin für psychisch krank erklärt werden.<br />
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