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Bilder der Bildung: Wie Medien die Schule zeigen. - Pestalozzianum

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zur Notengebung ab <strong>der</strong> 4. Klasse in Appenzell-Ausserrhoden<br />

zu mehr Zurückhaltung: «Niemand will zurück zu früheren<br />

Zuständen, wie <strong>die</strong>s <strong>die</strong> SVP propagiert.» Aber vielleicht<br />

müsse bei den zahlreichen Reformen im <strong>Bildung</strong>sbereich<br />

das Tempo etwas gedrosselt werden» (St. Galler Tagblatt,<br />

19.05.2009). Letztlich plä<strong>die</strong>ren auch Exekutivpolitiker für<br />

eine Reduktion von Anzahl und Umfang <strong>der</strong> Reformen, so<br />

<strong>der</strong> Berner Erziehungsdirektor Bernhard Pulver: «Wir haben<br />

effektiv zu viele Reformen. Als ich das Amt als <strong>Bildung</strong>sdirektor<br />

angetreten habe, lagen seitenlange Reformprojekte<br />

für <strong>die</strong> Volksschule vor. Wir müssen entschlacken. […] Ich<br />

appelliere wirklich ans Masshalten, um <strong>die</strong> <strong>Schule</strong> nicht mit<br />

immer neuen Ansprüchen und Reformen zu überhäufen»<br />

(Neue Luzerner Zeitung, 27.07.2009).<br />

Diese nun praktisch generalisierte Ablehnung von als zu<br />

viel und zu hastig implementiert empfundenen Reformprojekten<br />

ist nicht ausschliesslich auf <strong>die</strong> konzertierte Oppositionsstrategie<br />

von HarmoS- o<strong>der</strong> <strong>Bildung</strong>skleeblattgegnern<br />

zurückzuführen, o<strong>der</strong> auf Kräfte, <strong>die</strong> ihre Vorstellung <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong> <strong>der</strong> 50er Jahre realisieren wollen. Auch vielen informierten<br />

Beobachtern des Schulwesens fiel es nicht leicht,<br />

den Überblick über Anzahl, Umsetzung und Zweck von Schulreformen<br />

zu bewahren. Die durchaus vorhandenen Diskussionen<br />

innerhalb <strong>der</strong> Fachkreise drangen kaum je an eine<br />

breitere Öffentlichkeit und Reformziele wurden oft spät o<strong>der</strong><br />

nur summarisch erklärt und kommuniziert. Die Kampagnen<br />

gegen HarmoS trafen denn auch oft auf ein argumentatives<br />

Vakuum. Diese Unübersichtlichkeit und <strong>die</strong> zumindest vorerst<br />

zurückhaltende öffentliche Kommunikation erleichterten es<br />

jedenfalls unterschiedlichste Reformprojekte mit HarmoS<br />

zu vermischen.<br />

<strong>Schule</strong> als politische Kampfzone<br />

Die Kampagnen <strong>der</strong> Reformgegner haben jedoch zweifellos<br />

das Ver<strong>die</strong>nst, dass Schulfragen erneut breit thematisiert<br />

werden. Die Frage ist jedoch, ob im Zentrum <strong>der</strong> Reformkontroversen<br />

<strong>der</strong> letzten drei Jahre überhaupt <strong>Bildung</strong>sthemen<br />

standen. Die Argumentation gegen HarmoS beruhte<br />

fast ausschliesslich auf sozial- und familienpolitischen sowie<br />

fö<strong>der</strong>alistischen Vorbehalten, o<strong>der</strong> aber auf <strong>der</strong> Ablehnung<br />

von Elementen, welche zwar nicht im Harmonisierungs-<br />

Konkordat stehen, aber einer ähnlichen «falschen Philosophie»<br />

zugerechnet wurden, wie insbeson<strong>der</strong>e Hochdeutsch<br />

im Kin<strong>der</strong>garten, flächendeckende Einführung <strong>der</strong> Basisstufe<br />

o<strong>der</strong> des integrativen Unterrichts (vgl. z.B. Tages-Anzeiger,<br />

14.11.2008).<br />

Die Printme<strong>die</strong>n fokussierten in ihrer Berichterstattung<br />

schwergewichtig <strong>die</strong> umstrittene Einschulung mit vier Jahren<br />

und stellten daneben wie<strong>der</strong>holt klar, was alles nicht zur<br />

Vorlage gehörte. Zentrale Elemente von HarmoS, <strong>die</strong> konkrete<br />

Auswirkungen auf <strong>Schule</strong> und Unterricht haben, blieben in<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Diskussion jedoch praktisch unberücksichtigt:<br />

Dies betrifft vor allem <strong>die</strong> <strong>Bildung</strong>sstandards und das<br />

monitoring. Sie stellten in gerade drei Artikeln (von 12’000<br />

insgesamt bzw. rund 2’500 zu HarmoS) das zentrale Thema<br />

(z.B. SonntagsZeitung, 23.11.2008). Auch <strong>die</strong> Darstellung des<br />

Reformprojekts im politischen Spannungsfeld reduzierte <strong>die</strong><br />

Komplexität erheblich: Obwohl sich auch Unterstützungskomitees<br />

<strong>der</strong> bürgerlichen und wirtschaftsnahen Mitte – hier<br />

schwergewichtig an Mobilität und Leistungsvergleichen interessiert<br />

- zu HarmoS bildeten, und in <strong>die</strong>ser Frage auch<br />

mal gemeinsam mit Teilen <strong>der</strong> Linken auftraten, erschien<br />

HarmoS meistens im Kontext eines Links-Rechts-Konflikts.<br />

Streitgespräche zu HarmoS fanden grundsätzlich zwischen<br />

Vertretern von SP und SVP statt (z.B. Neue Zürcher Zeitung,<br />

18.11.2008) und das Harmonisierungsprojekt erschien als<br />

Entscheidung zwischen Chancengleichheit und traditioneller<br />

Familie sowie den jeweils dahinterstehenden Weltbil<strong>der</strong>n.<br />

Weitere Motivationen für o<strong>der</strong> gegen HarmoS zu sein fielen<br />

in <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion praktisch weg.<br />

2. Lehrpersonen: von Tätern zu Opfern<br />

Die verschiedenen Stationen, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Reformdiskurs durchlief,<br />

korrespon<strong>die</strong>ren mit Än<strong>der</strong>ungen im Lehrerbild. An<strong>der</strong>s<br />

als in <strong>der</strong> Wahrnehmung vieler Lehrkräfte ist ihr aktuelles<br />

Image, zumindest in den Printme<strong>die</strong>n, keineswegs negativ.<br />

Lehrpersonen galten noch zu Beginn des Jahrtausends oft<br />

als überprivilegierte Besitzstandbewahrer und letztlich konservative<br />

Verhin<strong>der</strong>er von unaufschiebbaren Reformen und<br />

<strong>die</strong>ses Bild wurde auch in <strong>der</strong> publizierten Öffentlichkeit oft<br />

portiert. Während <strong>der</strong> Untersuchungsphase von an<strong>der</strong>thalb<br />

Jahren war kaum mehr etwas davon festzustellen. Lediglich in<br />

zwei Fällen wurden Stereotype über Lehrer aktiviert. Der erste<br />

stammt aus <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> eines abtretenden Chefredaktors, <strong>der</strong><br />

eine Gruppe von Lehrpersonen angriff, welche eine Weiterbildung<br />

verweigerte: «Faule Lehrer zerstören <strong>die</strong> Volksschule»<br />

(Tages-Anzeiger, 16.4.2009). Der an<strong>der</strong>e Fall ist ein Höhepunkt<br />

in einer längeren Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen <strong>der</strong> Basler<br />

Zeitung und dem Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland,<br />

wobei hier weniger <strong>der</strong> Berufsstand als <strong>der</strong> Verband und<br />

seine Leitung visiert wurden: «Lehrerverein hält Kin<strong>der</strong> für<br />

Tyrannen» (Balser Zeitung, 16.3.2009).<br />

Kaum negative Pauschalurteile<br />

Diese Beispiele sind wie gesagt Ausnahmen. Nur ein paar<br />

Indizien dazu: Wird das gesamte Sample nach dem Begriff<br />

«Ferientechniker» abgesucht, findet er sich in lediglich acht<br />

Beiträgen, <strong>die</strong> sich ohne Ausnahme davon distanzieren und<br />

oft steht <strong>der</strong> Begriff in Leserbriefen aus <strong>der</strong> Lehrerschaft:<br />

«Mit <strong>der</strong> Aussage, dass wir überbezahlte Ferientechniker<br />

sind, haben wir zu leben gelernt» (Basler Zeitung, 17.2.2009).<br />

Auch <strong>die</strong> Kampfvokabel «Kuschelpädagogik», <strong>die</strong> in immerhin<br />

rund 50 Artikeln erscheint, bezieht sich – an<strong>der</strong>s als vielleicht<br />

<strong>der</strong> Begriff suggerieren könnte - nirgends auf <strong>die</strong> Lehrtätigkeit<br />

o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Unterrichtsgestaltung. Die Frage «Gibt es an<br />

unseren <strong>Schule</strong>n zu viel Kuschelpädagogik» wird etwa vom<br />

Präsidenten <strong>der</strong> SVP Basel-Stadt zwar bejaht; er weist <strong>die</strong><br />

Verantwortung aber zu Verwaltung und Politik: «Als wären <strong>die</strong><br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an sie [<strong>die</strong> Lehrpersonen] nicht schon hoch<br />

genug, werden sie noch ständig von einer Flut von integrativen<br />

Kuschelprojekten überschwemmt, <strong>die</strong> ständig än<strong>der</strong>n o<strong>der</strong><br />

angepasst werden» (Basler Zeitung, 25.8.2009).<br />

Wenn nun <strong>die</strong> praktische Abwesenheit von negativen Pauschalurteilen<br />

über <strong>die</strong> Lehrerschaft festgestellt werden kann,<br />

so bedeutet das nicht, dass <strong>die</strong> Berufsgruppe <strong>der</strong> Lehrpersonen<br />

über ein strahlendes Image verfügen würde o<strong>der</strong> dass<br />

<strong>die</strong>se Stereotype nicht reaktiviert werden können. Im aktuel-<br />

Boris Boller<br />

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