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Predigt leidenschaftlicher Gottesdienst Stefan Zolliker - EMK Thun ...

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<strong>EMK</strong> Bezirk <strong>Thun</strong><br />

<strong>Predigt</strong>thema: Leidenschaftlicher <strong>Gottesdienst</strong><br />

<strong>Predigt</strong>text: Psalm 84<br />

Von <strong>Stefan</strong> <strong>Zolliker</strong><br />

Psalm 84 Freude am Hause Gottes<br />

1 Ein Psalm der Söhne Korach, vorzusingen, auf der Gittit.<br />

2 Wie lieb sind mir deine Wohnungen, HERR Zebaoth!<br />

3 Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN;<br />

mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.<br />

4 Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen<br />

– deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott.<br />

5 Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar. SELA.<br />

6 Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln!<br />

7 Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen hüllt<br />

es in Segen.<br />

8 Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren Gott in Zion.<br />

9 HERR, Gott Zebaoth, höre mein Gebet; vernimm es, Gott Jakobs! SELA.<br />

10 Gott, unser Schild, schaue doch; sieh doch an das Antlitz deines Gesalbten!<br />

11 Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.<br />

Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause als wohnen in der Gottlosen Hütten.<br />

12 Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild; der HERR gibt Gnade und Ehre.<br />

Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.<br />

13 HERR Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verlässt!<br />

<strong>Predigt</strong><br />

Leidenschaftlicher <strong>Gottesdienst</strong><br />

Liebe Gemeinde,<br />

Ein Ehepaar Mitte 20 ist unterwegs. Sie haben einen Säugling bei sich. Das Ziel ist der<br />

Jerusalemer Tempel. Dort wollen sie ihr neugeborenes Kind vor Gott bringen. Sie sind<br />

dankbar für das neue Leben und für die Bewahrung der Mutter bei der Geburt. Nun<br />

möchten sie Gott um Schutz, Fürsorge und Segen bitten.<br />

Es zieht sie in den Tempel. Der Jerusalemer Tempel war für die Juden der heiligste Ort<br />

auf Erden. Im Allerheiligsten war Gott für sie höchst persönlich anwesend. Natürlich war<br />

den Israeliten auch klar, dass Gott nicht wie ein Mensch im Tempel wohnt. So betete<br />

Salomo bei der Einweihung des Tempels: „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel<br />

können dich nicht fassen – wie sollte es dann dieses Haus tun, das ich gebaut habe“<br />

(1. Könige 8,27)<br />

Und doch zieht es sie in den Tempel zum <strong>Gottesdienst</strong>. Diese Sehnsucht nach dem Tempel<br />

als einem Lebenszentrum des Volkes Gottes kommt im Psalm 84, den wir vorhin miteinander<br />

gebetet haben, schön zum Ausdruck. In diesem Lebenszentrum „<strong>Gottesdienst</strong>“<br />

wollen sie ihr Kind Gott darbringen, segnen lassen und wieder mitnehmen.<br />

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Wir aber sind nicht jedesmal, wenn wir in den <strong>Gottesdienst</strong> gehen, unterwegs mit einem<br />

Kind, das wir taufen oder segnen lassen wollen. Doch eigentlich gleichen wir jenem Ehepaar<br />

Mitte 20: Wir bringen uns selbst vor Gott, wir tragen das, was uns beschäftigt, was<br />

wir erlebt haben, was wir lieb haben, ja all unsere „ideellen Kinder“ vor Gott. Wir bringen<br />

es ihm dar, weil wir ahnen: Nur dann wird etwas Gutes draus, wenn Gott es segnet und<br />

behütet.<br />

Heute ist der zweite <strong>Gottesdienst</strong> in der Reihe „Fruchtbare Gemeinden und was sie auszeichnet“.<br />

Das Thema heisst: „Leidenschaftlicher <strong>Gottesdienst</strong>“.<br />

Aber: Was bedeutet „leidenschaftlich“ Der 84. Psalm, den wir vorhin gebetet haben,<br />

bringt es zum Ausdruck, was das ist, ein <strong>leidenschaftlicher</strong> <strong>Gottesdienst</strong>. Er sprüht vor<br />

Leidenschaft für den <strong>Gottesdienst</strong>, für den Ort, wo sich das Volk Gottes zum Beten trifft.<br />

Wir wollen nun über drei Merkmale eines leidenschaftlichen <strong>Gottesdienst</strong>es nachdenken.<br />

Diese Merkmale sind im Psalm 84 beschrieben, sie finden sich aber auch bei Jesus und<br />

seiner Beziehung zum <strong>Gottesdienst</strong>.<br />

Das erste Merkmal lautet: A. Sieh dich als Teil von Gottes Volk (Psalm 84,2-5)<br />

In den Evangelien wird an vielen Stellen erzählt, dass Jesus am Sabbat in der Synagoge<br />

war (Math. 4,23; 9,35; u.a.) Es wird sogar ausdrücklich betont: Jesus „ging nach seiner<br />

Gewohnheit in die Synagoge“ (Lk. 4,16). Ebenso selbstverständlich war es für Jesus, zu<br />

besonderen Festzeiten wie dem Passahfest nach Jerusalem zu gehen. Er wollte die <strong>Gottesdienst</strong>e<br />

und Feiern im Tempel nicht verpassen (Lk. 18,31). In dieser Gewohnheit Jesu<br />

zeigt sich seine tiefe Leidenschaft für den <strong>Gottesdienst</strong>, die schon der Psalmbeter beschrieben<br />

hat: „Wie lieb sind mir deine Wohnungen, HERR Zebaoth! Meine Seele verlangt<br />

und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in<br />

dem lebendigen Gott. ... Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.“<br />

(Ps. 84,2f.5)<br />

Aber: Was eigentlich ist der <strong>Gottesdienst</strong> Was ist das Zentrale, das in einem <strong>Gottesdienst</strong><br />

geschieht Der <strong>Gottesdienst</strong> ist die Versammlung aller, die zu Gottes Volk gehören.<br />

Er erfüllt folgende Funktionen:<br />

Im <strong>Gottesdienst</strong> geht es um das Lob und die Anbetung Gottes. Von der urchristlichen<br />

Gemeinde wird berichtet, dass sie sich häufig sowohl im Tempel wie in Privathäusern<br />

trafen, um Gott zu loben. (Apg. 2,47)<br />

Weiter geht es im <strong>Gottesdienst</strong> um die Verkündigung und die Stärkung durch Gottes<br />

Wort. Es geht darum, dass wir Gottes Weisungen verstehen, dass sie unser Leben und<br />

Denken tiefer durchdringen.<br />

Und schliesslich geht es im <strong>Gottesdienst</strong> um die Gemeinschaft der Menschen, die die<br />

Gemeinde ausmachen. Dazu gehören das Teilen und Austauschen von Nachrichten und<br />

Erfahrungen, das Gebet für Menschen in Not, die persönlichen Gespräche vor und nach<br />

dem <strong>Gottesdienst</strong>.<br />

Der <strong>Gottesdienst</strong> war ein fester Bestandteil des Lebens von Jesus und seinen Freunden.<br />

Damit zeigt er, dass es sich als Teil des Volkes Gottes als Ganzes sieht.<br />

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Das Ziel Jesu war nicht, einen exklusiven Kreis aufzubauen. Für Jesus war die Jüngergemeinschaft<br />

eine offene Gruppe innerhalb von Gottes Volk.<br />

Eigentlich ist es erstaunlich, dass Jesus so treu und loyal zum <strong>Gottesdienst</strong> blieb. Er verspürte<br />

ein unbedingtes Muss, dorthin zu gehen, obwohl die dort mass-geblichen Leute –<br />

die Synagogenvorsteher, Priester, Schriftgelehrte – ihn ganz offensichtlich nicht mochten!<br />

Ähnliches gilt für die ersten Christen: Wie Jesus lassen auch sie keinen <strong>Gottesdienst</strong> aus.<br />

Immer wieder werden sie deshalb angegriffen, eingesperrt und eingeschüchtert. Und<br />

dennoch halten sie am <strong>Gottesdienst</strong> fest. So heisst es: „sie waren täglich ... im Tempel“<br />

(Apg. 2,46).<br />

Oder die ersten Methodisten: John Wesley erklärte den <strong>Gottesdienst</strong> der anglikanischen<br />

Kirche für sie zur ersten Bürgerpflicht. Und das obwohl die <strong>Gottesdienst</strong>e manchmal öde<br />

waren und manche Pfarrer die Methodisten drangsalierten. Wieso gingen sie dann hin<br />

Für Wesley ist der <strong>Gottesdienst</strong> die Versammlung von Gottes Volk! Gottes Volk ist mehr<br />

als mein Hauskreis, meine Jugendgruppe oder mein Chor. Wer Jesus nachfolgt, sieht sich<br />

als Teil von Gottes Volk als Ganzem. Und er drückt das aus durch den Besuch des <strong>Gottesdienst</strong>es.<br />

Für manche Christen, die kirchenmüde geworden sind, scheint das Modell einer Hausgemeinde<br />

eine verlockende Alternative zur Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Gemeinde<br />

im herkömmlichen Sinn zu sein. Für mich passt das Modell der Hauskirche jedoch weder<br />

zur Haltung, der der Beter dem Tempel gegenüber hat, noch zur Haltung Jesu der Synagogengemeinschaft<br />

gegenüber, noch zur Haltung der ersten Christen gegenüber dem<br />

Tempel. Wenn Gottes Volk zusammenkommt, so ist das mehr als ein Treffen Gleichgesinnter;<br />

es folgt dann dem Ruf Gottes, der uns an die Seite zahlreicher Menschen stellt,<br />

die ich mir vielleicht nicht als Bruder und Schwester aussuchen würde, aber durch die ich<br />

ganz viel lernen kann.<br />

Es gibt ein zweites Merkmal für die Leidenschaft für den <strong>Gottesdienst</strong>. Dieses heisst: B.<br />

Verstehe den <strong>Gottesdienst</strong> als Gnadenmittel!<br />

Der Psalmbeter hat ein grosses Verlangen, den <strong>Gottesdienst</strong> nicht zu verpassen. „Meine<br />

Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN“. Dieses Verlangen ist ein<br />

Teil seines <strong>Gottesdienst</strong>verständnisses. Das zeigt auch der mittlere Teil des Psalmes, wo<br />

es heisst: „Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln!<br />

Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen<br />

hüllt es in Segen. Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren<br />

Gott in Zion.“ (Ps. 84,6-8)<br />

Der <strong>Gottesdienst</strong> ist für den Beter ein Ort, wo er Gottes Stärke erfährt, seine Gegenwart,<br />

Rettung in Not und Segen. Er versteht den <strong>Gottesdienst</strong> als Gnaden-mittel. Was ist das,<br />

ein Gnadenmittel Gnadenmittel nennen wir äussere Zeichen, Worte oder Handlungen,<br />

die Gott eingesetzt hat mit dem Ziel, uns seine Liebe, Kraft und Gegenwart zu vermitteln:<br />

Das Gebet, das Abendmahl, das Bibelstudium – und auch der <strong>Gottesdienst</strong> selbst<br />

sind solche Gnadenmittel.<br />

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Wie erleben wir diese Gnade im <strong>Gottesdienst</strong><br />

Zwei Gedanken dazu: 1. Im <strong>Gottesdienst</strong> lernen wir Gott neu zu sehen, wir bekommen<br />

eine neue Sichtweise auf ihn. Der Psalmbeter sagt von denen, die sich zum <strong>Gottesdienst</strong><br />

versammeln: „Sie ... schauen den Gott in Zion.“ (Ps. 84,8)<br />

Der methodistische Bischof Robert Schnase, der Vater des Projektes „Fruchtbare Gemeinden<br />

und was sie auszeichnet“, sagt im Kapitel über den <strong>Gottesdienst</strong>: „<strong>Gottesdienst</strong>e<br />

sind Gelegenheiten, um weniger über uns selbst und mehr über den Glauben, weniger<br />

über unsere persönlichen Pläne und mehr über Gottes Willen nachzudenken. Wir gewinnen<br />

eine neue Sicht für die Wirklichkeit ..., sodass Gottes Geist unser Leben umgestalten<br />

und uns in den Leib Christi einfügen kann.“ (S. 44)<br />

2. Im <strong>Gottesdienst</strong> schenkt Gott einen Neuanfang. Jesus illustriert das an einer Geschichte<br />

des Pharisäers und des Zöllners in Lk. 18,9-14. Es geht um einen Menschen,<br />

der einmal in den <strong>Gottesdienst</strong> kommt. Wir wissen wenig über seine Motive, in den <strong>Gottesdienst</strong><br />

zu kommen, auf alle Fälle bekommt er ein starkes Empfinden für das, was ihn<br />

beschwert: Mangelnder Selbstwert, alte Schuld, innere Leere oder einfach Angst vor dem<br />

Tod und was dann kommt ... Er sieht sich wie durch einen tiefen Graben von dem getrennt,<br />

was seinem Leben Erfüllung geben kann. Er sieht, dass die Sehnsucht einen Namen<br />

hat: Gott. Und wie er all das fühlt, sagt Jesus, wird er immer kleiner und am Ende<br />

kann er nur noch sagen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas 18,13). Und Jesus kommentiert<br />

das mit dem Satz: „Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus.“ (Lukas<br />

18,14)<br />

Was bedeutet das Jesus will damit sagen: Wenn du im <strong>Gottesdienst</strong> spürst, dass zwischen<br />

dir und Gott solche ein Graben ist, dann streckt dir Gott seine Hand entgegen.<br />

Und wenn du sie ergreifst und sagst: „Lieber Gott! Ich war auf dem Holzweg. Aber nun<br />

möchte ich mit dir rechnen. Hilf mir dabei“, dann ist deine Sünde vergeben und du<br />

stehst am Beginn eines neuen Lebens.<br />

Die Frage war: Warum entwickelt der Psalmbeter eine so grosse Leidenschaft für den<br />

<strong>Gottesdienst</strong> Die Antwort lautet: Weil Gott im <strong>Gottesdienst</strong> auf heilvolle Weise in unser<br />

Leben wirkt. Anders gesagt: Verstehen wir den <strong>Gottesdienst</strong> als ein Gnadenmittel!<br />

Wie finden wir zu einem solchen <strong>Gottesdienst</strong>verständnis<br />

Dazu das dritte Merkmal des leidenschaftlichen <strong>Gottesdienst</strong>es: C. Gib dich Gott ganz hin<br />

(Ps. 84,11-13)<br />

Ich möchte bei diesem Punkt eure Gedanken einen Stock tiefer umleiten zu den Kindern:<br />

Was tun die Mitarbeiter der Sonntagschule, wenn sie sich auf den <strong>Gottesdienst</strong> vorbereiten<br />

Sie versuchen den Gedanken, der im Zentrum der Lektion steht, so packend zu<br />

vermitteln, dass die Kinder davon begeistert sind. Sie erzählen eine spannende Geschichte,<br />

sie kreieren ein Spiel, sie basteln etwas, das den Inhalt vertieft – und damit<br />

sich die Herzen der Kinder öffnen, machen sie zuerst eine Zeit des Lobpreises. Habt ihr<br />

sie auch schon gehört, jene Berichte, wo Kinder ihre Eltern geradezu überredet haben,<br />

wieder zum <strong>Gottesdienst</strong> zu gehen, weil es sie richtiggehend in die Sonntagschule gezogen<br />

hat. Gott wünscht sich, dass es uns alle so in den <strong>Gottesdienst</strong> zieht!<br />

Es geht um die Einstellung, die unser Psalmbeter im dritten und letzten Teil seines Gebets<br />

so ausdrückt: „Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend. Ich will lieber<br />

die Tür hüten in meines Gottes Hause als wohnen in der Gottlosen Hütten.“ (Ps.<br />

84,11) Mit diesen Sätzen gibt der Psalmist eine Antwort auf die Frage: „Wie finde ich zu<br />

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einem leidenschaftlichen <strong>Gottesdienst</strong>“ Die Antwort ist: Gib dich Gott ganz hin! Räume<br />

Gott die erste Stelle in deinem Leben ein. Lass den <strong>Gottesdienst</strong> für dich die wichtigste<br />

Stunde in deinem Leben sein.<br />

Das entspricht der Grundhaltung Jesu. Im <strong>Gottesdienst</strong> erfüllen wir das wichtigste Gebot,<br />

das Jesus uns lehrt. Auf die Frage nach dem höchsten Gebot, sagt Jesus: „Du sollst den<br />

Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt“.<br />

Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: „Du sollst<br />

deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. (Math. 22,37ff)<br />

Der <strong>Gottesdienst</strong> zieht uns zu Gott und lässt uns gleichzeitig dem anderen die Hand reichen.<br />

Darum ist er die wichtigste Stunde der Woche! <strong>Gottesdienst</strong> ist mehr als eine Veranstaltung.<br />

Er ist eine Haltung der Hingabe an Gott. Paulus sagt das in seinem Brief an<br />

die Gemeinde in Rom, wo er schreibt: „Ich ermahne euch ..., dass ihr euer Leben hingebt<br />

als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer ... <strong>Gottesdienst</strong>.“<br />

(Römer 12,1)<br />

Frage: Wie also wird ein <strong>Gottesdienst</strong> leidenschaftlich Indem wir ihm Gewicht geben,<br />

uns darauf einstellen und vorbereiten, ihn bewusst vollziehen.<br />

Leidenschaftlicher <strong>Gottesdienst</strong> kostet ein Opfer von Zeit. Der Autor und TV-Pfarrer Jörg<br />

Zink schreibt in seinem Buch „Wie wir beten können“ über den Sonntag: „Nach alter Sitte<br />

soll man … den <strong>Gottesdienst</strong> mitfeiern. Die Sitte verliert von Jahr zu Jahr an prägender<br />

Kraft, auch für Christen. ... Woher kommt es, dass der <strong>Gottesdienst</strong> nur selten noch<br />

die Kraft hat, einem Sonntag das Gesicht zu geben oder gar in eine Woche hineinzuwirken<br />

... Unser Sonntag ist überfordert. Ein Arzt heilt nicht in einer Woche, was an einem<br />

Körper in zehn Jahren gesündigt wurde. ... Eine Stunde <strong>Gottesdienst</strong> sammelt den nicht,<br />

der eine Woche lang fahrig und zerrissen gelebt hat. Der beste Prediger und die schönste<br />

Liturgie schaffen es nicht. Ob der Sonntag seinen Sinn behält, entscheidet sich an den<br />

Werktagen.“ (S. 86)<br />

Leidenschaftlicher <strong>Gottesdienst</strong> kostet ein Opfer von Zeit. Das gilt natürlich für den Pfarrer<br />

und die anderen Gestaltenden zuerst. Eine gute <strong>Predigt</strong>, ein sinnvoller Aufbau, eine<br />

kraftvolle Zeit des Lobens entsteht nicht erst am Samstagabend oder aus dem Moment<br />

heraus. Aber das gilt auch für die Gemeindeglieder. Ein Sonntag, der es verdient, Sonntag<br />

zu heissen, will vorbereitet sein!<br />

Ein leidenschaftlich gefeierter <strong>Gottesdienst</strong> kostet nicht nur ein Opfer an Zeit, er kostet<br />

auch ein Opfer an Vorlieben. Musik und Liedgut, Mundart oder Hochsprache, 50 Min oder<br />

90 Min, Klassik oder Pop, sehr abwechslungsreich oder mit grosser Ruhe – jeder von uns<br />

hat da seine Vorlieben. Es ist schön, dass wir unsere Vorlieben haben – dass uns Dinge<br />

gefallen, und dass wir spüren, was uns besonders gut tut. Doch es ist wichtig, dass wir<br />

diese Vorlieben nicht mit der Gottesbegegnung verwechseln. Leidenschaftlicher <strong>Gottesdienst</strong><br />

kostet manchmal ein Opfer von Vorlieben, um der Vorlieben anderer willen. Dass<br />

der <strong>Gottesdienst</strong> eine Versammlung von Gottes Volk als Ganzem wird und dass ihn möglichst<br />

viele und vor allem die Suchenden als ein Gnadenmittel erfahren, dafür braucht es<br />

die geistliche Reife vieler. Es braucht solche, die um der anderen willen Formen, Elemente<br />

und Musik bejahen, an der sie selbst nicht zuerst teilnehmen würden.<br />

Jesus hat sein Leben gegeben, dass wir gerettet werden. Ist es zu viel verlangt, wenn<br />

ich der Gemeinschaft zuliebe <strong>Gottesdienst</strong>elemente bejahe, die nicht meinem Stil und<br />

meinen Vorstellungen entsprechen, damit die frohe Botschaft von der Rettung die Su-<br />

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chenden tatsächlich erreicht Das meine ich, wenn ich das letzte Merkmal der Leidenschaft<br />

überschrieben habe mit: Gib dich Gott ganz hin!<br />

Wir kommen zum Schluss: Eine prägende Erfahrung für Jesus war, als er im Alter von 12<br />

Jahren mit seinen Eltern eine Pilgerreise nach Jerusalem machen durfte, um den Tempel<br />

zu besuchen. Der Tempel hatte ihn total fasziniert. Die <strong>Gottesdienst</strong>e, die besondere Atmosphäre.<br />

Wahrscheinlich war etwas von der tiefen Leidenschaft und Freude der Menschen<br />

für Gott in der Luft, die unser Psalm beschreibt. Jesus gefiel es so gut in dieser<br />

gottesdienstlichen Atmosphäre, dass er sich völlig vergass – so wie Kinder halt sind.<br />

Als seine Eltern ihn suchen und ihn nach drei Tagen endlich finden, sind sie entsetzt. Maria<br />

sagt streng: „Mein Sohn, warum hast du uns das getan Siehe, dein Vater und ich<br />

haben dich mit Schmerzen gesucht.“, worauf Jesus antwortet: „Warum habt ihr mich<br />

gesucht Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist“ (Lk. 2,48f)<br />

Der <strong>Gottesdienst</strong> war für Jesus seine eigentliche Heimat. Dort fühlte er sich zu Hause. So<br />

wie unser Psalmbeter den <strong>Gottesdienst</strong> mit einem Nest vergleicht. Er sagt:<br />

„Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen – deine Altäre,<br />

HERR Zebaoth, mein König und mein Gott.“ (Ps. 84,4)<br />

Lasst uns unsere Gemeinde und unsere <strong>Gottesdienst</strong>e so entwickeln, dass sich Kinder<br />

und Jugendliche, Erwachsene und Aeltere wohlfühlen und sich vergessen können, weil<br />

sie spüren: Hier bin ich geborgen. In der Gemeinde bin ich zu Hause. Das ist mein<br />

Traum für uns. Lasst uns dafür arbeiten und beten. Amen.<br />

in Anlehnung an eine <strong>Predigt</strong> von Friedemann Burkhardt, München<br />

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