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Journal - Allianz

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ALLIANZ GROUP<br />

<strong>Journal</strong><br />

Deutsche Ausgabe 3 | 2012<br />

13<br />

50<br />

Geschosse im Orbit<br />

Müllhalde Weltraum<br />

Erstaunlich wetterfest<br />

Neuer Anlauf in Asien<br />

Im Land der<br />

Zwiebeltürme<br />

Die <strong>Allianz</strong> in Russland<br />

Stern


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 2<br />

INHALT<br />

3 Neues aus der<br />

<strong>Allianz</strong> Welt<br />

9 »Autoritäre Züge«<br />

Wohin steuert Russland?<br />

28 Im Land der Zwiebeltürme<br />

Zwischen Wodka und<br />

Pussy Riot<br />

31 Sinn für Chancen<br />

Die <strong>Allianz</strong> in Russland<br />

34 Geschichten von der Wolga<br />

Lebenslinien: Umbruch und<br />

Neubeginn<br />

37 Unbegrenzte Möglichkeiten<br />

Schub für Industrieversicherung<br />

38 Väterchen Frost im Tank<br />

Bewährungsprobe für Pannenhelfer<br />

48 Dienstfahrt mit Hindernissen<br />

König Kunde? Nur wenn’s gut<br />

läuft<br />

50 Erstaunlich wetterfest<br />

Neuer Anlauf in Asien<br />

13 Geschosse im Orbit<br />

Müllhalde Weltraum<br />

16 Die Überflieger<br />

Werbung zum Abheben<br />

18 Grüner Moloch<br />

Stadt der Zukunft<br />

40 … Eltern sein dagegen sehr<br />

Wie schütze ich mein Kind?<br />

41 Begegnungen im Untergrund<br />

Konferenzzentrum unterm<br />

Rasen<br />

53 Potenzieller Lebensretter<br />

Notfallortung übers Handy<br />

55 Dilbert<br />

21 »Die Vorwürfe sind<br />

unberechtigt«<br />

Jay Ralph zur Investitionspolitik<br />

der <strong>Allianz</strong><br />

23 »Das funktioniert<br />

wirklich«<br />

Hoffnung für Vertreter<br />

25 Wert und Wirkung<br />

Streitobjekt Marke<br />

43 Große Räder, kleiner Markt<br />

Zwei Erdbeben und die Folgen<br />

46 Team <strong>Allianz</strong><br />

Auf der Olympia-Welle<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 (September)<br />

Zeitschrift für Mitarbeiter und Pensionäre<br />

der <strong>Allianz</strong> Gesellschaften<br />

Herausgeber <strong>Allianz</strong> SE<br />

Verantwortlich für den Herausgeber<br />

Emilio Galli-Zugaro<br />

Chefredaktion Frank Stern<br />

Layout volk:art51<br />

Produktion repromüller<br />

Anschrift der Redaktion<br />

<strong>Allianz</strong> SE, Redaktion <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong><br />

Königinstraße 28, 80802 München<br />

Tel 089-3800-3804, Fax 089-3800-2840<br />

journal@allianz.de


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 3<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Spieglein, Spieglein<br />

an der Wand …<br />

Mit einem simplen Trick hat die <strong>Allianz</strong> in Brasilien im Sommer das Thema Alkohol am Steuer ins öffentliche Bewusstsein<br />

gerückt. Schauplatz war eine Bar in Sao Paulo, wo Mitarbeiter der <strong>Allianz</strong> Tochter den Spiegel in einem Vorraum<br />

gegen einen Bildschirm und eine Kamera austauschten. Die Wirkung der Aktion beruhte schlicht darauf, dass eine<br />

allgemeine Gewissheit unvermittelt außer Kraft gesetzt wurde.<br />

Normalerweise lügt ein Spiegel nicht. Was er sieht, wirft er in Echtzeit zurück. Der <strong>Allianz</strong> »Spiegel« aber gab die zuvor<br />

per Kamera aufgezeichneten Bilder mit kurzer Verzögerung wieder. Wer also davor stand, sah seine Bewegungen<br />

irritierenderweise zeitversetzt. Dass es sich dabei um mehr als einen schrägen Partygag handelte, wurde allerdings<br />

schnell klar, denn wenig später erschien auf dem Bildschirm der Hinweis, dass ein Drink eine ebenso verzögernde<br />

Wirkung auf die Reaktionsfähigkeit eines Menschen hat wie gerade im Spiegel gesehen. Es folgte der Ratschlag: »Fahr<br />

nicht unter Alkoholeinfluss«.<br />

Die Marketing-Abteilung der <strong>Allianz</strong> Brasilien produzierte aus dem aufgenommenen Material ein Video, das auf YouTube<br />

innerhalb von nur zehn Tagen mehr als eine halbe Million mal aufgerufen wurde. Zahlreiche Zeitungen berichteten<br />

über die Nummer mit dem Trickspiegel, und auch auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sorgte die Aktion<br />

für Furore.<br />

HTTP://VIMEO.COM/47171653 | WWW.ALLIANZ.COM.BR<br />

dpa / picture-alliance<br />

<strong>Allianz</strong> Belgien kauft ein<br />

Die <strong>Allianz</strong> Belgien hat das Versicherungsgeschäft von Mensura, einem auf<br />

Arbeitsunfallversicherungen spezialisierten Unternehmen, übernommen.<br />

Die Vereinbarung wurde im Juni bekanntgegeben. Mit mehr als 30 000 Kunden<br />

hat Mensura einen Marktanteil von 14 Prozent und nimmt unter den belgischen<br />

Anbietern von Arbeitsunfallversicherungen im Privatsektor den dritten Platz ein.<br />

Die Prämieneinnahmen lagen 2011 bei 136 Millionen Euro.<br />

Die <strong>Allianz</strong> Belgien und Mensura arbeiten bereits seit Jahren im Bereich Arbeitsunfallversicherung<br />

zusammen. Mit der Übernahme des Arbeitsunfallversicherungs-<br />

Geschäfts vervollständigt die <strong>Allianz</strong> Tochter ihr Produktangebot für Selbständige,<br />

Mittelstand und Großunternehmen. In Belgien ist die <strong>Allianz</strong> hauptsächlich in der<br />

Schaden- und Unfallversicherung und in der Lebensversicherung aktiv.<br />

WWW.ALLIANZ.BE


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 4<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

Preis für My Finance Coach<br />

My Finance Coach, die gemeinnützige Initiative zur Verbesserung der finanziellen Allgemeinbildung von Kindern und<br />

Jugendlichen, ist mit dem Comenius EduMedia-Siegel ausgezeichnet worden. Mit dem Preis würdigt die Gesellschaft<br />

für Pädagogik und Information pädagogisch-inhaltlich, didaktisch-methodisch sowie gestalterisch besonders wertvolle<br />

Bildungsmedien. Mehr als 200 Kandidaten aus 18 Ländern hatten sich in diesem Jahr um das Siegel beworben.<br />

Im vergangenen Jahr war My Finance Coach bereits von der deutschen UNESCO-Kommission ausgezeichnet worden.<br />

Seit dem Start im Jahr 2010 hat sich die gemeinnützige Initiative zu einem der erfolgreichsten privatwirtschaftlich<br />

getragenen Angebote im Bereich der finanziellen Allgemeinbildung entwickelt. Rund 500 Mitarbeiter aus den beteiligten<br />

Partner- und Förderunternehmen engagieren sich mittlerweile als Finance Coaches und haben bereits über 1400<br />

Klassenbesuche bestritten.<br />

Die My Finance Coach Stiftung wird von den Partnern und Förderern <strong>Allianz</strong>, Haniel & Cie., Grey, KPMG und McKinsey<br />

getragen. Nach dem erfolgreichen Start in Deutschland findet das Modell inzwischen auch im Ausland immer mehr<br />

Anklang. In Indonesien und Malaysia ist My Finance Coach bereits aktiv. Sechs weitere Länder sollen bald folgen.<br />

WWW.MYFINANCECOACH.DE<br />

Club Marine Assist<br />

für Kiwis<br />

Stern<br />

2009 brachte <strong>Allianz</strong> Tochter Club Marine, Australiens größter<br />

Boots- und Yachtversicherer, ein Produkt auf den Markt, das Hobby-<br />

Skippern auch dann unter die Arme greift, wenn sie an Land Hilfe<br />

benötigen. Tausende australische Bootseigner haben das Angebot<br />

in der Zwischenzeit in Anspruch genommen. Seit Mai gibt es den<br />

Schutzbrief nun auch in Neuseeland.<br />

Er bietet nicht nur Hilfe, wenn es auf dem Weg vom oder zum Hafen mit Auto oder Trailer Probleme gibt. Er umfasst<br />

auch Übernachtungskosten oder ein Ersatzfahrzeug, den Abschleppdienst oder die Bereitstellung von Benzin, falls<br />

man auf offener Strecke liegenbleibt. Streikt das Boot auf See und man wird von der Seenotrettung in den nächsten<br />

Hafen geschleppt, organisiert Club Marine die Rückfahrt zum Ausgangspunkt, um Auto und Anhänger zu holen. Für<br />

Clubmitglieder ist der Zusatzservice kostenlos.<br />

Der Hafen von Auckland<br />

WWW.CLUBMARINE.COM.NZ


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 5<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

Investition in ein selbst bestimmtes Leben:<br />

Die <strong>Allianz</strong> übergab einen Scheck über 50 000 Euro<br />

an ein Straßenkinderprojekt in Mexiko City<br />

<strong>Allianz</strong> Mexico<br />

Hilfe für<br />

Straßenkinder<br />

Vor 19 Jahren wurde die Fundación Por Niños de la<br />

Calle gegründet. Seither hat die Stiftung Hunderte<br />

obdachlose Kinder und Jugendliche von Mexiko Citys Straßen geholt und ihnen neue Perspektiven eröffnet. Seit<br />

Juni hat die Sozialeinrichtung einen Fürsprecher mehr: Die <strong>Allianz</strong> Foundation for North America (<strong>Allianz</strong> Stiftung für<br />

Nordamerika) und die <strong>Allianz</strong> Mexico stellten sich mit einer Spende von 50 000 Euro an ihre Seite. Das Geld kommt<br />

einem Projekt zugute, das die Jungen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren in einem Übergangsheim auf ein selbst<br />

bestimmtes Leben abseits von Missbrauch, Drogen und Prostitution vorbereiten soll. Die Erfolgsquote der Stiftung liegt<br />

bei 85 Prozent. <strong>Allianz</strong> Mexico-Chef Sergio Ghibelini kündigte an, dass die <strong>Allianz</strong> neben der finanziellen Unterstützung<br />

auch Programme wie etwa Computerschulungen organisieren werde, mit denen die Jugendlichen auf dem Weg in die<br />

Unabhängigkeit unterstützt werden sollen.<br />

WWW.ALLIANZ.MX | WWW.PRONINOSDELACALLE.ORG.MX<br />

»Originell und verständlich«<br />

Das <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> zählt zu den Preisträgern des diesjährigen inkom Grand Prix der<br />

Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG). Beim ältesten deutschen Wettbewerb<br />

für Mitarbeitermedien wurde das Magazin der <strong>Allianz</strong> Gruppe mit einem Silver Award<br />

ausgezeichnet. Die neunköpfige Jury aus Medienwissenschaftlern, Kommunikationsfachleuten<br />

und <strong>Journal</strong>isten hob insbesondere Originalität, journalistische Vielfalt und<br />

verständliche Sprache hervor. »Das Mitarbeitermedium hat Vorzeigecharakter – von der<br />

Konzeption bis zum Layout. Die Belegschaft wird professionell angesprochen«, so die Einschätzung der Jury.<br />

Die Mitarbeitermagazine der Deutschen Telekom »you and me« und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit<br />

»wir« wurden mit Platin ausgezeichnet, Gold ging an Bosch, Deutsche Bank, Audi und die Bundeswehr. Die Preisverleihung<br />

fand im Juni im Axel-Springer-Haus in Hamburg statt. Seit 1995 bewertet der inkom Grand Prix Mitarbeiterzeitschriften<br />

und -zeitungen, die in Deutschland von Unternehmen, Regierungsorganisationen und nichtstaatlichen Institutionen<br />

herausgegeben werden. Inzwischen kommen die Wettbewerbsteilnehmer auch aus Österreich und der Schweiz.<br />

ALLIANZ GROUP<br />

<strong>Journal</strong><br />

Deutsche Ausgabe 1 | 2012 2011<br />

Raumfahrt für Anfänger<br />

Countdown in der Wüste<br />

26<br />

51<br />

Digitale Breitseite<br />

Die <strong>Allianz</strong> geht ins Netz<br />

Krokodile auf Abwegen<br />

Thailand im Kampf gegen<br />

die Fluten<br />

<strong>Journal</strong>_1-12_dt_2202_P.indd 1 27.02.2012 11:59:26<br />

WWW.INKOM-GRANDPRIX.DE<br />

<strong>Journal</strong> im Netz<br />

Das <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> geht online: Ab dieser Ausgabe steht<br />

das Mitarbeitermagazin der <strong>Allianz</strong> Gruppe unter http://<br />

knowledge.allianz.com im Internet zur Verfügung.<br />

Auch die älteren Ausgaben des <strong>Journal</strong>s sind künftig auf der<br />

Wissensseite der <strong>Allianz</strong> zu finden. Die Dezemberausgabe<br />

wird ausschließlich in elektronischer Form erscheinen.<br />

HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 6<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

Afrika: Zahlung per Handy<br />

dpa / picture-alliance<br />

Die <strong>Allianz</strong> geht in der Elfenbeinküste neue Wege bei der Prämienzahlung. Im Juni<br />

brachte die <strong>Allianz</strong> Côte d’Ivoire Assurance Vie eine Mikroversicherung für den<br />

Todesfall und ein Sparprodukt auf den Markt, für die die Mobiltelefongesellschaft<br />

des Versicherungsnehmers als Gebühreneinzugszentrale dient. Statt bar oder per<br />

Scheck zu zahlen, werden die Beiträge automatisch über das Handykonto abgebucht.<br />

Für die mobile Todesfallversicherung fallen monatlich 1,30 US-Dollar an, für den Sparplan mindestens 4,50 US-Dollar.<br />

Mit ihren Mikroversicherungen ist die <strong>Allianz</strong> mittlerweile in elf Ländern aktiv. Neben Afrika (Ägypten, Burkina Faso,<br />

Elfenbeinküste, Kamerun, Madagaskar, Mali und Senegal) werden die Versicherungen für Geringverdiener auch in<br />

Kolumbien, Indien, Indonesien und Malaysia angeboten. Die überwiegende Mehrheit der mehr als 3,8 Millionen<br />

Mikroversicherungskunden der <strong>Allianz</strong> stammt aus Asien.<br />

Im Frühjahr wurden neun Männer und Frauen aus Kolumbien, Indien und Indonesien interviewt, die mit Hilfe ihrer<br />

Mikroversicherung nach einem schweren Schicksalsschlag wieder auf die Beine gekommen waren. Die Videointerviews<br />

wurden anschließend ins Internet gestellt, sie sind auf YouTube abrufbar.<br />

<strong>Allianz</strong>4Good steuerte je 2500 Euro zur Produktion der Videos bei.<br />

WWW.ALLIANZ-AFRICA.COM | WWW.YOUTUBE.COM/PLAYLIST?LIST=PL61FDCCF84210DE1A& FEATURE=VIEW_ALL<br />

Shutterstock<br />

Senioren gefragt<br />

Nachdem im vergangenen Jahr rund 100 <strong>Allianz</strong> Pensionäre dem<br />

Aufruf von <strong>Allianz</strong>4Good gefolgt waren, sich beim sozialen Netzwerk<br />

startsocial als Berater zu engagieren (siehe <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2012),<br />

ist das Angebot nun auf zwei weitere Organisationen ausgeweitet<br />

worden: auf die Social Entrepreneurship Akademie und My Finance<br />

Coach.<br />

Bei startsocial können sich die <strong>Allianz</strong> Senior Experten als Juroren oder<br />

Berater engagieren und sozialen Projekten bei der Weiterentwicklung<br />

helfen. Die Social Entrepreneurship Akademie bietet die Möglichkeit,<br />

junge Sozialunternehmer zu unterstützen, und bei My Finance Coach geben sie ihr Wissen rund um die Themen<br />

Wirtschaft und Finanzen an Schüler weiter.<br />

»Unsere Pensionäre haben ein enormes Wissen und wertvolle Lebenserfahrung«, sagt Katharina Rauscher von<br />

<strong>Allianz</strong>4Good. »Genau das wollen wir wirksam einsetzen, um soziale Projekte professioneller zu managen und unternehmerisches<br />

Handeln mit sozialem Denken in Einklang zu bringen.«<br />

WWW.SEAKADEMIE.DE | WWW.STARTSOCIAL.DE | WWW.MYFINANCECOACH.DE


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 7<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

OP-Versicherung für Pferde<br />

In Deutschland gibt es rund eine Million Pferde, allerdings sind bislang nur etwa zehn Prozent<br />

davon krankenversichert. Dabei kann eine tierärztliche Behandlung von Pferden, vor allem bei<br />

Operationen, richtig teuer werden. Seit Juli bietet die <strong>Allianz</strong> Deutschland nun eine eigene<br />

Operationskostenpolice für Pferde an. Hunde und Katzen konnte man bei der <strong>Allianz</strong><br />

bereits seit 2008 versichern.<br />

Die neue Pferdepolice gibt es in drei Varianten. Bei allen werden Kosten für bestimmte<br />

operative Eingriffe inklusive Untersuchungen am letzten Untersuchungstag vor der<br />

Operation, Medikamente sowie Verbrauchsmaterialien und Nachbehandlungen von bis zu zehn<br />

Tagen erstattet. Ebenfalls finanziell abgedeckt werden Unterbringungs- und Futterkosten bei einem<br />

eventuellen Aufenthalt des Pferdes in einer Tierklinik bis zu zehn Tagen. Für den Kunden gibt es keine<br />

Selbstbeteiligung. Pro Jahr werden von der Versicherung Kosten von bis zu 10 000 Euro übernommen. Je nach gewähltem<br />

Leistungsumfang beträgt der monatliche Beitrag zwischen 13 und 30 Euro.<br />

WWW.ALLIANZ.DE<br />

<strong>Allianz</strong> France baut Maklergeschäft<br />

aus<br />

Die <strong>Allianz</strong> France hat die Schaden- und Unfallsparte von Gan Eurocourtage übernommen,<br />

einer Tochter der französischen Versicherungsgesellschaft Groupama. Darauf haben<br />

sich beide Unternehmen im Juni verständigt. Gan Eurocourtage gehört zu den führenden<br />

Schaden- und Unfallversicherungen im französischen Maklermarkt. Nach der Transaktion,<br />

die mit der Übertragung des Prämienvolumens von rund 800 Millionen Euro einhergeht,<br />

werden rund 2500 Makler zum <strong>Allianz</strong> Netz in Frankreich gehören. Damit entsteht eine der<br />

größten Makler-Plattformen in Frankreich. 600 Mitarbeiter von Gan Eurocourtage werden<br />

zur <strong>Allianz</strong> wechseln.<br />

WWW.ALLIANZ.FR | WWW.GROUPAMA.COM<br />

Personalien<br />

Remi Vrignaud ist seit 1. August Chef der <strong>Allianz</strong>-Tiriac Asigurari in Rumänien. Zuvor war er elf Jahre lang in verschiedenen<br />

Funktionen für die <strong>Allianz</strong> Elementar in Wien tätig. Sein Vorgänger bei der <strong>Allianz</strong>-Tiriac, Rangam Bir,<br />

hat zeitgleich die Leitung des Sach- und Unfallgeschäfts bei <strong>Allianz</strong> Asia Pacific übernommen und ist in das regionale<br />

Managementteam mit Sitz in Singapur gewechselt.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 8<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

Haller<br />

Kultur im Kleinen<br />

TAM<br />

Seit zehn Jahren unterstützt die <strong>Allianz</strong> Kulturstiftung<br />

gemeinsam mit <strong>Allianz</strong> Vertretern in Deutschland Projekte<br />

auf kommunaler Ebene, bei denen die Förderung des<br />

europäischen Gedankens im Vordergrund steht. Zwei Drittel der Projektkosten – bis zu einer Höchstsumme von 2100<br />

Euro – werden von der Kulturstiftung übernommen, jeweils ein Drittel trägt der Vertreter. Vor einem Jahr wurde das<br />

erfolgreiche Konzept auch auf Österreich ausgeweitet, wo <strong>Allianz</strong> Vertreter mittlerweile mehr als 20 solcher Initiativen<br />

gesponsert haben.<br />

Bei einer davon handelte es sich um den Integrationskindergarten »Wiener Kinderfreunde«, in dem 37 Mädchen und<br />

Jungen aus zwölf Ländern betreut werden. Die Kinder lernen dort gemeinsam, Instrumente zu spielen, studieren Musikund<br />

Theaterstücke ein und führen sie anschließend in Altenheimen und anderen sozialen Einrichtungen auf. Michael<br />

Haller, Generalvertreter aus Wien, steuerte 1000 Euro zum Ankauf von Musikinstrumenten<br />

und Spielmaterial für die Sprachförderung bei.<br />

Ein anderes Beispiel einer gelungenen Kultur <strong>Allianz</strong> kommt aus Waidhofen in<br />

Niederösterreich, wo <strong>Allianz</strong> Vertreter Andreas Hanisch die Produktion von»Träume<br />

und Albträume« am Theater an der Mauer (TAM) sponserte. In dem Theaterstück<br />

drücken die 15- bis 17-jährigen Mitglieder der TAM-Juniorgruppe ihre Träume<br />

und Sehnsüchte genauso wie ihre Zukunftsängste aus. Ein Ziel der Aktion war es,<br />

über Probleme und enttäuschte Hoffnungen offen sprechen zu lernen. Hanisch<br />

unterstützte die Produktion des Stücks sowie die Werbung in lokalen Printmedien<br />

mit 1500 Euro.<br />

Aufgrund der gestiegenen Nachfrage wird die <strong>Allianz</strong> Kulturstiftung ihren Etat für<br />

die Kultur <strong>Allianz</strong>en im nächsten Jahr um 20 Prozent auf 120 000 Euro erhöhen.<br />

WWW.ALLIANZ-KULTURSTIFTUNG.DE<br />

Ausgezeichnet<br />

<strong>Allianz</strong> Life ist vom Magazin Fortune in die Liste der 100 arbeitnehmerfreundlichsten US-Unternehmen (Fortune 100<br />

Best Companies to Work For) aufgenommen worden. Die amerikanische <strong>Allianz</strong> Tochter hatte sich zum ersten Mal<br />

beworben. Landesweit schafften es nur vier Versicherungsunternehmen in die Top 100.<br />

Genialloyd, Direktkanal der <strong>Allianz</strong> Italien, ist von allen italienischen Versicherern die Gesellschaft mit der stärksten<br />

Präsenz in sozialen Netzwerken. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von OssCom, dem Forschungszentrum für<br />

Medien und Kommunikation der Katholischen Universität Mailand.<br />

<strong>Allianz</strong> SE Investor Relations ist im Juni vom IR Magazine für die beste IR-Arbeit in Deutschland und im Versicherungssektor<br />

insgesamt ausgezeichnet worden. Außerdem gewann das Team den Grand Prix als bestes IR-Team in<br />

Europa über die Branchengrenzen hinweg. Darüber hinaus wurde der Leiter der Einheit, Oliver Schmidt, zum besten IR<br />

Professional Europas gewählt.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 9<br />

MEINUNGEN<br />

Roth<br />

Wahlbetrug, Korruption, politische Justiz –<br />

Russland macht wieder Schlagzeilen, und<br />

meist sind es keine guten. Verzerrte Wahrnehmung<br />

des Westens oder Abbild der Realität?<br />

Fragen an Professor Hans-Henning Schröder,<br />

Leiter der Forschungsgruppe Russland der<br />

Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.<br />

INTERVIEW: FRANK STERN<br />

»Autoritäre Züge«<br />

Herr Professor, im Oktober letzten Jahres wurde Ihnen die Einreise nach Russland trotz gültigen Visums<br />

verwehrt. Was hatten Sie verbrochen?<br />

(Lacht) Ich hatte nichts verbrochen. Wie mir der Gesandte der russischen Botschaft hier in Berlin später versicherte,<br />

handelte es sich um ein Missverständnis.<br />

Ein Missverständnis?<br />

Die Botschaft hat sich offiziell bei mir entschuldigt. Dabei würde ich es gern belassen.<br />

Vielleicht war man darüber verärgert, dass Sie die Putin-Partei Einiges Russland als Chaoshaufen<br />

bezeichnet haben.<br />

Darüber waren sie sicher nicht glücklich, aber es gibt in Russland und auch hier im Westen sehr viel schärfere Töne.<br />

Herr Professor, wohin steuert Russland? Richtung Demokratie oder Diktatur?<br />

Es gibt beide Trends. In den letzten Wochen und Monaten aber zeigt der Staat zunehmend autoritäre Züge. Auf der<br />

anderen Seite entwickelt sich in der Bevölkerung ein demokratisches und zunehmend kritisches Potenzial. Die Gesellschaft<br />

wird wacher und fordert mehr Mitsprache. Damit kann die russische Führung im Moment offensichtlich nur<br />

schwer umgehen.<br />

Wie beeinflusst dieses Unvermögen die Presse- und Meinungsfreiheit?<br />

Es gibt in Russland eigentlich keine Zensur. Wenn Sie in einen Buchladen gehen, dann finden Sie alles – von den Protokollen<br />

der Weisen von Zion, also übles rechtsradikales Material, über Interviews mit Beresowski, dem Oligarchen, der<br />

jetzt aus der Emigration heraus versucht, die russische Führung zu attackieren, bis hin zu linksradikalen Schriften jeder >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 10<br />

MEINUNGEN<br />

Couleur. Das Fernsehen allerdings steht weitgehend unter staatlicher<br />

Kontrolle, kritische Stimmen kommen dort kaum zu Wort. Es gibt<br />

also eine breite, sehr vielschichtige und vielstimmige Gesellschaft. Auf<br />

der anderen Seite versucht die Staatsführung, durch Manipulation der<br />

elektronischen Medien ihre Meinung zur herrschenden zu machen.<br />

Das ist in den letzten zwei Jahren allerdings immer schwieriger<br />

geworden, weil mehr und mehr Russen das Internet<br />

nutzen, das im Moment völlig unzensiert ist. Das heißt, es gibt<br />

neben dem offiziellen Informationsraum, die die Putin- und früher<br />

die Medwedjew-Administration bespielt, einen Raum, der nahezu<br />

herrschaftsfrei ist. Und das schafft natürlich eine Situation, die für die<br />

Hans-Henning<br />

Schröder<br />

Führung zunehmend unbequem geworden ist. Deshalb wurde in den Wochen vor den Sommerferien eine ganze<br />

Reihe von Gesetzen verabschiedet, die diese Möglichkeiten einengen sollen. Wir haben also eine breite, sehr lebendige<br />

Gesellschaft mit unterschiedlichen kritischen Stimmen, und wir haben eine Führungsgruppe, die damit immer größere<br />

Schwierigkeiten hat.<br />

Stiftung Wissenschaft und Politik<br />

Wie stark ist die Opposition?<br />

Die Opposition ist schwach, und zwar vor allem deshalb, weil sie nicht geschlossen agiert. Nicht verwunderlich, denn<br />

sie reicht von rechts außen bis links außen. Sie hat keine gemeinsamen Ziele, außer, dass sie gegen Putin ist. Das, was<br />

wir bei den großen Demonstrationen in Moskau und auch in Petersburg gesehen haben, ist im Moment eine <strong>Allianz</strong><br />

gegen das System. Aber sie hat keine positiven Ziele, und sie hat keine Führer, die von allen akzeptiert werden. Das ist<br />

ihre große Schwäche.<br />

Der zweite Schwachpunkt ist, dass sie im Moment auf die urbanen Metropolen, also Moskau und mit Abstrichen<br />

Petersburg, konzentriert ist. In der Fläche, selbst in anderen Millionenstädten wie Wolgograd, Nischni Nowgorod oder<br />

Jekaterinburg ist sie nicht präsent. Und sie wird dort auch kaum wahrgenommen. Dort sind die Sorgen der Menschen<br />

andere, sie sind viel materieller. Da geht es wirklich ums Einkommen, um soziale Sicherung und dergleichen.<br />

Wie groß ist Putins Rückhalt in der Bevölkerung?<br />

Nach den Umfragen und Wahlergebnissen kann man davon ausgehen – selbst wenn man die Manipulationen und<br />

Fälschungen in Rechnung stellt –, dass deutlich über 50 Prozent der Bevölkerung hinter ihm stehen. Die Dumawahlen<br />

sind etwas anderes. Einiges Russland hat nur geringen Rückhalt in der Bevölkerung. Ihre Wahlergebnisse hat die Partei<br />

nur durch Fälschungen erreicht. Putin aber ist ein anderes Thema. Seine Stellung ist deshalb so stark, weil er in der<br />

Bevölkerung nach wie vor große Glaubwürdigkeit genießt – auch wenn sie bröckelt. Der andere Grund ist: Es gibt<br />

keine Alternative. Weder im eigenen Lager, noch im Lager der Opposition gibt es eine politische Figur, die ähnliches<br />

Vertrauen genießt wie Putin.<br />

Russlands Wohl und Wehe hängt vom Export von Öl und Gas ab. Wie stabil ist das System Putin?<br />

Ich sehe im Moment keine alternative politische Kraft, die dieses System ablösen könnte. Denkbar ist dagegen, dass<br />

es sich von innen heraus reformiert, flexibler reagiert, anderen Parteien größere Spielräume einräumt. Es könnte aber<br />

auch repressiver agieren. Beide Optionen sind denkbar, und beide Muster hat es in der Vergangenheit schon gegeben.<br />

Im Moment deutet das Pendel auf eine eher repressive Entwicklung. Intelligenter wäre sicher ein flexibleres Einbinden<br />

der Opposition. Ich sehe bei den Mittelschichten eigentlich eher die Bereitschaft, in dem System konstruktiv mitzuarbeiten<br />

und weniger eine Totalopposition zu verfolgen. Nur hat die Putinsche Führung in den letzten Monaten kaum<br />

Anstalten gemacht, diesem Potenzial Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 11<br />

MEINUNGEN<br />

Wie hat sich in den letzten Jahren die Lage der Bevölkerung entwickelt?<br />

Der Lebensstandard ist nach 1992, also nach dem Übergang zur Marktwirtschaft, geradezu abgestürzt. In den 90er<br />

Jahren unter Jelzin ging es der Masse der Bevölkerung extrem schlecht, etwa 30 Prozent lebten unter dem Existenzminimum.<br />

Inzwischen ist dieser Anteil auf etwa zehn Prozent gesunken. Doch gibt es auch heute noch eine große<br />

Schicht der Bevölkerung, die nur knapp über dem Existenzminimum lebt. Sie leidet besonders darunter, wenn zum<br />

Beispiel die Heizungsabgaben steigen. Im Juli sind die Gaspreise im Land um fünf Prozent erhöht worden. Insgesamt<br />

ist dadurch die Inflationsrate im Vergleich zu den Vormonaten fühlbar höher. Und dabei wird es nicht bleiben.<br />

Im Moment gibt es bei Gazprom einen deutlichen Unterschied zwischen Inlands- und Auslandspreisen. Nach dem<br />

Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO ist das nicht mehr statthaft. Es ist also abzusehen, dass die Gaspreise<br />

im Inland weiter steigen werden – und damit auch die für kommunale Dienstleistungen. Die Regierung muss<br />

die Auswirkungen durch höhere Renten, bessere Sozialleistungen und steigende Einkommen abfedern. Das kann<br />

sie aber nur, wenn der Ölpreis auf hohem Niveau bleibt. Alles hängt vom Ölpreis ab. Im Moment kalkuliert die Regierung<br />

mit 100 Dollar pro Barrel, doch wenn der Preis einbricht, könnte es zu sozialen Spannungen kommen. Es ist ein<br />

Vabanque-Spiel, das auf dem Ölpreis basiert.<br />

Gibt es Tendenzen der Abschottung gegen den Westen? Wird er als Bedrohung gesehen?<br />

Natürlich gibt es solche Stimmen, die hat es schon immer gegeben. Manch einer vermutet, der Westen sei an Russland<br />

nur als Rohstofflieferant interessiert, will das Land ansonsten aber klein halten. Doch es gibt auch eine gegenläufige<br />

Tendenz, vor allem unter den Jüngeren in der Bevölkerung. Sie reisen, sie lernen Fremdsprachen und viele orientieren<br />

sich am Westen.<br />

Das Verfahren gegen die Punkband Pussy Riot<br />

hat im Westen scharfe Kritik hervorgerufen.<br />

Wie wird das in der russischen Bevölkerung<br />

wahrgenommen?<br />

Auch in Russland gab es heftige Kritik an den Urteilen,<br />

insbesondere von der Opposition. Allerdings hat eine<br />

große Mehrheit der Bevölkerung den Auftritt in der<br />

Kathedrale verurteilt. Von denen sprach sich zudem<br />

ein beachtlicher Teil für eine schwere Strafe aus. Das<br />

heißt, das Gericht und diejenigen in der Kirche und in<br />

der politischen Führung, die das Gericht dazu ermutigt<br />

haben, diese Urteile zu fällen, können sich darauf berufen,<br />

eine Mehrheit zu repräsentieren.<br />

Stichwort Kirche: Welche Rolle spielt sie für Putins<br />

Herrschaft?<br />

Die russisch-orthodoxe Kirche ist sicher kein klassisches<br />

Herrschaftsinstrument. Aber sie ist neben der Armee<br />

nach wie vor die Institution, der die Russen das größte<br />

Vertrauen entgegenbringen. Die Kirche verkörpert für<br />

viele Menschen russische Identität – gleichgültig, ob sie<br />

gläubig sind oder nicht. Man muss sich vergegen- >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 12<br />

MEINUNGEN<br />

wärtigen, dass der russische Staat nach 1991 völlig neu erfunden werden musste. Es hat über Jahrhunderte keinen<br />

russischen Staat gegeben, der über ein kleineres Territorium herrschte als der jetzige. Das Zarenreich war so groß wie<br />

die Sowjetunion. Da gehörte Zentralasien dazu, die Ukraine, Weißrussland. Mit dem Zerfall der Sowjetunion hat sich die<br />

Bevölkerung quasi halbiert. Und dieses neue Russland sucht nach einer Identität. Als Sinnstifterin spielt die Kirche eine<br />

bedeutende Rolle. Sie repräsentiert russische Kontinuität, russische Identität.<br />

Ist Russland für ausländische Investoren sicheres Terrain?<br />

Ja und nein. Für große Investoren, die politischen Rückhalt in der Regierung genießen, ist es ein vergleichsweise sicheres<br />

Terrain. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist es dagegen schwierig, weil es noch immer kein unabhängig<br />

funktionierendes Rechtssystem gibt. Die Wirtschaftsrechtssprechung in den Regionen ist weiterhin eine schwieriges<br />

Thema. Wenn es gelingt, einen Prozess auf die Bundesebene zu heben, hat man eine relativ große Chance auf ein<br />

faires Verfahren. In den Regionen, wo Oligarchen, Gouverneure und regionale Eliten ihren Einfluss ausüben, ist die<br />

Chance eher gering. Und wenn politische Interessen im Spiel sind, ist es mit der Unabhängigkeit der Richter auch auf<br />

der föderalen Ebene nicht weit her.<br />

Könnte der Beitritt zur WTO zur Bildung einer unabhängigen Justiz beitragen?<br />

Es ist sicher ein wichtiger Schritt. Es gibt ja schon den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und<br />

die Menschenrechtscharta, die Russland unterschrieben hat. Russen, die sich vom eigenen Gerichtssystem ungerecht<br />

behandelt fühlen, können nach Straßburg gehen. Und in vielen Fällen hat Straßburg dann auch anders geurteilt als die<br />

russischen Gerichte. Der russische Staat hat diese Gerichtsurteile immer anerkannt. Das hat bisher allerdings nicht auf<br />

die russische Rechtssprechung selbst zurückgewirkt, aber der Staat verhält sich zumindest konform. Insofern wird er<br />

auch die WTO-Regeln einhalten. Aber bis sich das in der Rechtssprechung vor Ort niederschlägt, wird es Zeit brauchen.<br />

In den nächsten Jahren sind in Russland riesige Infrastrukturprojekte geplant. Kann sich das Land von der<br />

Rohstoffwirtschaft emanzipieren?<br />

In den letzten 20 Jahren ist in die Infrastruktur des Landes kaum investiert worden. Pipelines, Straßen, Eisenbahnen –<br />

vieles ist in einem äußerst schlechten Zustand. Wenn Russland zu einem Staat werden will, der mehr ist als ein Rohstoffexporteur,<br />

dann muss er Geld in die Infrastruktur stecken. Viel Geld. Die Frage ist, wie effektiv diese Mittel eingesetzt<br />

werden. Es gibt Analysen, die zeigen, dass der Straßenbau in Russland um ein Vielfaches teurer ist als in anderen<br />

Ländern. Man kann davon ausgehen, dass da viel Korruption im Spiel ist. Das heißt, dass neben dem Infrastrukturausbau<br />

auch bei der Korruptionsbekämpfung etwas getan werden muss. Dazu bräuchte man allerdings unabhängige<br />

Gerichte, die so was steuern könnten.<br />

Das allein aber wird nicht ausreichen. Der Staat müsste dafür sorgen, dass junge Ingenieure, Entwickler und Wissenschaftler<br />

nicht in Scharen das Land verlassen. In den letzten 20 Jahren ist die Innovationskraft Russlands immer mehr<br />

zurückgegangen. Tausende junger, gut ausgebildeter Russen gehen ins Ausland. Es gibt tatsächlich einen Brain Drain,<br />

ein Abwandern von Fachkräften, die für Russlands Entwicklung wichtig wären, die unter den jetzigen Umständen für<br />

sich jedoch keinen Platz im Land sehen. Eine russische Führung, die dieser Abwanderung entgegenwirken will, müsste<br />

Lebensbedingungen schaffen, die es für junge Menschen attraktiv machen, im eigenen Land zu bleiben.<br />

WWW.SWP-BERLIN.ORG


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 13<br />

GLOBAL<br />

dpa / picture-alliance<br />

Geschosse im Orbit<br />

Am 1. Oktober 1957 läuteten die Russen mit dem Start von<br />

Sputnik 1 das Zeitalter der Weltraumfahrt ein. 55 Jahre später<br />

umkreisen bereits Millionen von Objekten jeder Form und<br />

Größe die Erde – und die meisten davon völlig unkontrolliert.<br />

Für Astro- und Kosmonauten wird es eng.<br />

FRANK STERN<br />

SATELLITENVERSICHERUNG<br />

2011 lagen die Gesamtprämien der Branche<br />

im Bereich Satellitenversicherung weltweit bei<br />

800 Millionen Dollar, die Schäden beliefen sich<br />

auf 600 Millionen Dollar. SpaceCo’s Prämieneinnahmen<br />

aus dem Satellitengeschäft betrugen<br />

2011 rund 116 Millionen Dollar.<br />

WWW.SPACECO.EU<br />

Schon zweimal gab es in den vergangenen zwei Jahren Alarm auf der<br />

Internationalen Raumstation ISS: Bruchstücke von älteren Flugkörpern<br />

befanden sich auf Kollisionskurs, und es war reines Glück, dass sie die<br />

Station verfehlten – für ein Ausweichmanöver wäre der Crew keine Zeit<br />

mehr geblieben. Nach einer Studie, die <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty<br />

(AGCS) im Juli veröffentlicht hat, wird es solche Begegnungen in Zukunft<br />

wohl noch häufiger geben, wenn es nicht bald gelingt, den Schrotthaufen<br />

abzubauen, der sich in den letzten fünfeinhalb Jahrzehnten im erdnahen<br />

Raum angesammelt hat. Die Gefahren für die bemannte und unbemannte<br />

Raumfahrt werden größer.<br />

»Das Weltall wird immer mehr zur Müllhalde«, sagt Thierry Colliot, Chef von<br />

SpaceCo, dem <strong>Allianz</strong> Spezialisten für Satellitenversicherungen. Selbst >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 14<br />

GLOBAL<br />

Stiftung Wissenschaft und Politik<br />

ohne weitere Flugkörper im All würde<br />

das Problem wachsen, denn die Zahl der<br />

umher fliegenden Fragmente wird mit<br />

jedem Zusammenprall größer. Derzeit<br />

kreisen etwa 800 Geo-, Wetter- und<br />

Telekommunikationssatelliten auf einer<br />

kontrollierten Umlaufbahn um die Erde.<br />

Daneben aber sind etwa 16 000 Objekte<br />

mit einem Durchmesser von über zehn Zentimetern unterwegs, 330 000 Fragmente zwischen einem und zehn<br />

Zentimetern und 35 Millionen Minibruchstücke unter einem Zentimeter. Doch auch die können enormen Schaden<br />

anrichten, wenn sie auf einen Satelliten oder eine<br />

Raumstation treffen – mit einer Geschwindigkeit<br />

von zehn Kilometern pro Sekunde sind sie zehn<br />

mal so schnell wie eine Gewehrkugel.<br />

Kontrollierter Absturz<br />

Sonnenstürme<br />

Als die Erde 1859 von einem solaren Hurrikan getroffen wurde,<br />

war das eher ein Kuriosum, das für Polarlichter bis hinunter nach<br />

Südeuropa und Kuba sorgte und das ein paar Telegrafenstationen<br />

in Brand setzte. Heute hätte ein solcher Sonnensturm unabsehbare<br />

Konsequenzen. »Theoretisch tritt so ein Ereignis nur alle<br />

500 Jahre auf«, sagt Michael Bruch, Leiter des Bereichs Forschung<br />

und Entwicklung im Ingenieurnetzwerk von <strong>Allianz</strong> Global Corporate<br />

& Specialty. »Das heißt allerdings nicht, dass bis zum nächsten<br />

Mal noch 350 Jahre Zeit bleibt.«<br />

Mit jedem technischen Fortschritt der letzten hundert Jahre hat<br />

sich die Menschheit immer anfälliger für die extraterrestrischen<br />

Attacken gemacht. Die Energieversorgung, das Rückgrat der<br />

heutigen Industrie- und Informationsgesellschaft, ist, wenn man<br />

so will, zugleich ihre Achillesferse. Dabei braucht es nicht einmal<br />

einen Supersturm wie 1859, um auf der Erde Unheil zu stiften.<br />

Im März 1989 löste ein um den Faktor 20 milderer Sonnensturm<br />

in Kanada derart heftige geomagnetische Schwankungen in<br />

den Überlandleitungen aus, dass das Stromnetz in der Provinz<br />

Quebec innerhalb von nur 92 Sekunden zusammenbrach und<br />

erst nach neun Stunden wieder hergestellt werden konnte.<br />

Der kontrolliert eingeleitete Absturz von ausgedienten<br />

Satelliten, die beim Wiedereintritt in die<br />

Erdatmosphäre zum großen Teil verglühen, werde<br />

nicht ausreichen, um das Problem in den Griff zu<br />

bekommen, warnt Colliot. Zusätzlich müssten jedes<br />

Jahr zehn große Trümmer eingefangen und unschädlich<br />

gemacht werden, um die Zahl der umher<br />

fliegenden Objekte nicht noch weiter ansteigen zu<br />

lassen. 2009 stießen der russische Satellit Kosmos<br />

2251 und der amerikanische Iridium 33 zusammen<br />

und schleuderten Tausende neuer Bruchstücke in<br />

die Umlaufbahn.<br />

Gefahr droht Satelliten und Raumkapseln nicht<br />

nur durch Kollisionen mit Weltraumtrümmern,<br />

auch Sonnenstürme, gewaltige Strahlungs- und<br />

Partikelausbrüche, können Fehlfunktionen und<br />

Systemausfälle auslösen. Schätzungen gehen<br />

davon aus, dass bislang rund 40 Satelliten durch<br />

Solarstürme beschädigt oder zerstört wurden.<br />

Selbst auf der Erde können Sonneneruptionen<br />

erhebliche Folgen nach sich ziehen (siehe Kasten).<br />

Kein Wunder, dass Colliot die Alarmglocken läutet.<br />

Rund ein Viertel der 800 Satelliten in der Erdumlaufbahn<br />

im Gesamtwert von 22 Milliarden US-Dollar >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 15<br />

GLOBAL<br />

Stiftung Wissenschaft und Politik<br />

sind gegen Schäden und Funktionsstörungen<br />

versichert. Schäden an den Geosatelliten,<br />

die 300 bis 2000 Kilometer über der Erde<br />

ihre Kreise ziehen, werden meist von den<br />

betreibenden Staaten selbst getragen. Die Telekommunikationssatelliten,<br />

die in einer Höhe von<br />

36 000 Kilometern über dem Äquator stationiert<br />

sind und von denen jeder an die 200 Millionen<br />

US-Dollar kostet, sind zum großen Teil von<br />

privaten Anbietern gedeckt. Jedes Jahr gehen<br />

weitere 20 bis 25 kommerzielle Satelliten mit<br />

Versicherungsschutz an den Start.<br />

Abschuss per Laser<br />

Mittlerweile sind Satellitenbetreiber verpflichtet,<br />

nach Ablauf der Mission sämtliches Weltraumgerät<br />

aus dem Orbit zu holen. Allerdings<br />

verfügt nur die neueste Satellitengeneration<br />

über derartige Rückführungsprogramme, wovon<br />

der kontrollierte Absturz die häufigste Methode<br />

ist. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre<br />

verglüht der Großteil des Weltraumschrotts,<br />

der Rest geht gezielt über unbewohntem<br />

Gebiet oder über dem Meer nieder. Meistens<br />

jedenfalls.<br />

Außer Kontrolle<br />

Im April dieses Jahres verlor die Europäische Raumfahrtagentur<br />

(ESA) den Kontakt zu ihrem Erd beobachtungssatelliten Envisat,<br />

ein Trumm von acht Tonnen, der nun ohne Steuerung in 790 Kilometern<br />

Höhe seine Runden dreht. Nach heutigen Schätzungen<br />

könnte Envisat noch 150 Jahre unkontrolliert durchs All trudeln,<br />

bevor er auf dem Weg zur Erde verglüht. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass er zuvor mit einem anderen Objekt kollidiert, liegt allerdings<br />

bei 30 Prozent. In diesem Fall wäre auf der orbitalen Müllhalde<br />

für reichlich Nachschub gesorgt.<br />

Letztes Jahr stürzte der US-Satellit UARS vor der kanadischen Küste unkontrolliert in den Pazifik. Auch der<br />

Wiedereintrittskurs der russischen Raumsonde Phobos-Grunt, die im Januar dieses Jahres über dem Ostpazifik<br />

niederging, konnte nur grob geschätzt werden. So was könnte auch mal schiefgehen.<br />

Inzwischen gibt es vielversprechende Ansätze, wie abgeworfene Raketenstufen, ausgediente Raumkapseln und<br />

Satelliten aus dem Orbit entfernt werden könnten. Diskutiert wird der Einsatz von Lasern oder das Andocken von<br />

Satelliten, die dann den gezielten Absturz des Tandems einleiten. Eine andere Möglichkeit wäre, Satelliten im<br />

All wieder aufzutanken, um sie auf ihrer Umlaufbahn zu halten. »Es gibt interessante Konzepte«, meint Colliot,<br />

»allerdings sind die Kosten dafür sehr hoch. Ein wirklicher Durchbruch ist bislang nicht in Sicht.«


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 16<br />

GLOBAL<br />

Der Mann hetzt durch das überfüllte Flughafengebäude<br />

und wirft gestresst einen Blick<br />

auf die Uhr: nur noch fünf Minuten, um für<br />

seinen Flug nach Frankfurt einzuchecken. Das<br />

Meeting dort darf er auf keinen Fall verpassen,<br />

ein wichtiges Geschäft steht auf dem Spiel.<br />

Das genau ist der Typ, auf den die aktuelle<br />

<strong>Allianz</strong> Kampagne an Flughäfen zielt – und<br />

sie macht Eindruck.<br />

LOIS HOYAL<br />

Believe in yourself.<br />

allianz.com/believe2<br />

Die Überflieger<br />

© <strong>Allianz</strong> SE, Germany<br />

Katrin Green, Sprinter<br />

Partner of the International<br />

Paralympic Committee.<br />

With you from A-Z<br />

Reisende erleben am Flughafen nicht selten eine emotionale Achterbahnfahrt: Stress wegen des Zeitdrucks, ein<br />

mulmiges Gefühl, was die bevorstehende Reise mit sich bringt und was am Ziel auf sie wartet, und dann wieder die<br />

nervige Warterei am Flugsteig. In so einer Umgebung die Aufmerksamkeit von internationalen Geschäftsreisenden<br />

auf sich zu ziehen, ist nicht ganz einfach, aber genau das will die aktuelle Flughafenwerbung der <strong>Allianz</strong> erreichen.<br />

»Flughäfen waren schon immer bevorzugte Orte für die globale Markenbildung«, sagt Christian Deuringer, Leiter des<br />

Global Brand Management der <strong>Allianz</strong> SE. Die neue Kampagne setzt mehr auf digitale Technologien und integriert<br />

verschiedene Werbeansätze von großen Bannern bis hin zu interaktiven Postern. Im Mai an Flughäfen in Europa und<br />

Asien gestartet, darunter Paris, München, Frankfurt, London, Seoul, Hongkong, Singapur und Jakarta, läuft sie noch bis<br />

zum Dezember dieses Jahres.<br />

Die Werbung richtet sich vorwiegend an Reisende, die pro Jahr mehr als drei mal im Ausland geschäftlich unterwegs<br />

sind, das heißt, bei ihnen handelt es sich um gut ausgebildete Meinungsführer und Entscheidungsträger. »Gerade bei<br />

dieser Zielgruppe wollen wir das Bewusstsein für die Marke <strong>Allianz</strong> deutlich stärken«, erklärt Matthias Fichtl von <strong>Allianz</strong><br />

Group Market Management, »denn sie üben einen großen Einfluss auf andere aus und treffen wichtige Geschäftsentscheidungen.«<br />

Die verschiedenen Aspekte der Flughafenkampagne, wie etwa die Pannenhilfe von <strong>Allianz</strong> Global<br />

Assistance, das Sponsering der Paralympischen Spiele oder das Thema finanzielle Stabilität, sollen das Interesse gerade<br />

dieses Publikums wecken. ><br />

»Flughäfen waren schon immer bevorzugte<br />

Orte für die globale Markenbildung.«<br />

Christian Deuringer


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 17<br />

GLOBAL<br />

<strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />

Helping people in over<br />

230 countries and territories.<br />

allianz-assistance.com<br />

With you from A-Z<br />

© <strong>Allianz</strong> SE, Germany<br />

Catherine Porte Arondelle, <strong>Allianz</strong> Global Assistance Doctor<br />

Bewusstsein für die Marke stärken: Die Flughafenkampagne nutzt kurze Ratschläge und aussagekräftige Botschaften<br />

Auf dem Pannenhilfeposter zum Beispiel wird ein junger Deutscher vorgestellt, der gerade dabei ist, in seinem Camper<br />

eine Reise um die Welt anzutreten. »Indem wir in unserer Kampagne diese Angebote vorstellen, können wir die Stärken<br />

unserer Marke und unsere Kompetenz in diesem Bereich hervorheben«, sagt Sophy Rigommier Hunter von <strong>Allianz</strong><br />

Global Assistance. »Das sind Situationen, in denen sich internationale Geschäftsreisende im Ausland wiederfinden<br />

können, und wir wollen sie davon überzeugen, dass <strong>Allianz</strong> Global Assistance dafür die richtige Wahl ist.«<br />

Die verschiedenen Werbeauftritte richten sich sowohl an Reisende, die in Eile sind, aber auch an solche, die mehr Zeit<br />

haben, die am Flugsteig warten müssen und für etwas Ablenkung ganz dankbar sind. Für die unter Zeitdruck eignen sich<br />

am besten große Werbeflächen mit kurzen Ratschlägen und aussagekräftigen Botschaften, während für die anderen<br />

interaktive Poster angeboten werden, die Elemente wie Internetlinks und die so genannten QR-Codes enthalten (Quick<br />

Response/schnelle Antwort). Über sie haben Reisende Zugriff auf Webseiten oder sie scannen den Code in ihr Smartphone<br />

und laden MyTravelAid herunter. MyTravelAid ist eine Anwendung, die nützliche Reisetipps und Informationen<br />

bietet, unter anderem internationale Notfallnummern, einen Arzneimittel-Übersetzer, ein Erste-Hilfe-Wörterbuch sowie<br />

ein internationales Krankenhausverzeichnis.<br />

Über dieses Quick Response-Feld<br />

gelangen Nutzer direkt auf ein<br />

Video, in dem die Geschichte einer<br />

der Paralympics-Teilnehmerinnen<br />

erzählt wird


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 18<br />

GLOBAL<br />

Grüner Moloch<br />

Stern<br />

Jeder kennt die Bilder aus den Elendsvierteln dieser Welt: schäbige Wellblechhütten,<br />

verdreckte Abwasserkanäle, vernachlässigte Kinder. Nach Angaben<br />

der UN lebt ein Drittel der heutigen Stadtbevölkerung in Slums – über eine<br />

Millarde Menschen. Und doch, die Attraktivität der urbanen Verheißung scheint<br />

ungebrochen. Um den Run auf die Städte zu bewältigen, werden in den nächsten<br />

Jahren enorme Investitionen in die Infrastruktur nötig. Bei der <strong>Allianz</strong> hat man<br />

schon mal angefangen zu rechnen.<br />

Gardens by the Bay in<br />

Singapur. Der erste Teil<br />

des Megaparks wurde im<br />

Juni eröffnet. Kosten bislang:<br />

650 Millionen Euro<br />

FRANK STERN<br />

Intelligent sollen sie sein, umwelt- und familienfreundlich, die Folgen des Klimawandels sollen sie abfedern,<br />

Mobilität erlauben, aber in Maßen, Energie – selbstverständlich aus grünen Quellen – möglichst effizient nutzen,<br />

den Wasserverbrauch niedrig halten, mit den Alten menschlich umgehen und den Jungen Spielräume lassen – kurz:<br />

die Städte der Zukunft werden das Paradies auf Erden. Zumindest wenn es nach den Visionären geht, den Planern<br />

und Entwicklern, den Politikern und Unternehmenslenkern, die im Juli in Singapur auf dem WorldCitiesSummit 2012<br />

zusammengesessen haben.<br />

Was am Ende von den Reißbrettträumen übrig bleibt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob sich genügend private Geldgeber<br />

finden, die das Geschäftspotenzial dahinter erkennen. Die öffentliche Hand jedenfalls fällt als Investor mangels<br />

Masse in weiten Teilen aus. Das ist mehr als fatal, denn ohne Erneuerung, Aus- und Neubau der Infrastruktur drohen<br />

die Megacitys dieser Welt im Chaos zu versinken. Der Zustrom vom Land jedenfalls reißt nicht ab: Im Jahr 2050 werden<br />

rund 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Heute ist es noch jeder Zweite der derzeit sieben Milliarden >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 19<br />

GLOBAL<br />

Roth<br />

Erkundungstour im Neuland: Trendanalyst Peter Köferl<br />

Erdbewohner. Sie sind die Träger des wirtschaftlichen Wachstums und erzeugen zwischen 60 und 80 Prozent<br />

des Bruttoinlandsprodukts eines Landes. Allerdings blasen sie auch 70 Prozent der Treibhausgase in die Luft und<br />

verbrauchen schon jetzt fast 80 Prozent der weltweiten Energiereserven.<br />

Manche Schätzungen gehen davon aus, dass für die umweltgerechte und nachhaltige Anpassung, Erneuerung und<br />

Erweiterung der städtischen Infrastruktur in den nächsten 25 Jahren weltweit Investitionen von rund 40 Billionen<br />

US-Dollar nötig sein werden. 40 Billionen! Dabei schweben Stadtplanern und Politikern integrierte Lösungen vor, die<br />

alles umfassen, was zum Leben in der Stadt dazugehört – von der Energie- und Wasserversorgung bis zur öffentlichen<br />

Sicherheit, vom Nahverkehr, über Schulen, Unis, Krankenhäuser und Pflegheime bis hin zur Abfallbeseitigung. Wobei<br />

der klimafreundliche Generalumbau einer gewachsenen Metropole ungleich schwieriger und teurer ist als die<br />

Errichtung einer neuen Stadt auf der grünen Wiese.<br />

Die ideale Stadt<br />

Peter Köferl, im Bereich Unternehmensentwicklung der <strong>Allianz</strong> unter anderem für Zukunfts- und Trendanalysen<br />

zuständig, spricht von der grünen Transformation der urbanen Landschaft. Mancherorts hat sie schon begonnen:<br />

London war Gastgeber der ersten »grünen« Olympischen Spiele, Kopenhagen will 2025 die erste klimaneutrale<br />

Großstadt sein, München sich im selben Jahr vollständig aus erneuerbaren Energien versorgen.<br />

Als Musterbeispiel für die ideale Stadt gilt vielen Experten aber Singapur. »Wegen der Insellage kann die Stadt<br />

nicht einfach weiter wachsen, sie muss sich immer neu erfinden«, hob etwa Siemens-Vorstand Roland Busch, Chef<br />

des Geschäftsfelds »Infrastructure & Cities«, im April in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau hervor.<br />

»Das geschieht dort auf intelligente Weise.«<br />

Singapur zeigt, dass sich mit innovativen Modellen etwa zu Wasseraufbereitung und Recycling auch eine hohe<br />

Bevölkerungskonzentration managen lässt, dass die Versorgung der Städter gegenüber dem Land mit seinen langen<br />

Wegen und der geringen Vernetzung sogar effizienter und umweltschonender möglich ist. Zugegeben, die Löwenstadt<br />

gehört zu den wenigen, die sich die Intelligenz leisten können, und verglichen mit Megacitys wie Tokio, New<br />

York, Sao Paulo, Bombay oder Manila ist der Stadtstaat mit seinen fünf Millionen Einwohnern auch recht überschaubar.<br />

Doch Effizienz und intelligenter Mitteleinsatz sind auch in größeren Dimensionen nicht völlig utopisch. Allerdings<br />

stellt sich die Frage, woher das nötige Geld für die Milliardenprojekte kommen soll angesichts weithin knapper<br />

öffentlicher Kassen.<br />

Vor diesem Hintergrund könnte man der Finanzkrise sogar eine gute Seite abgewinnen. Die anhaltend niedrigen Zinsen<br />

haben dazu geführt, dass Investoren wie Lebensversicherer und Pensionsfonds, die das Geld ihrer Kunden langfristig, >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 20<br />

GLOBAL<br />

Stiftung Wissenschaft und Politik<br />

Ein Drittel der städtischen Weltbevölkerung lebt in Slums<br />

gewinnbringend und sicher anlegen sollen, händeringend nach rentablen Ausweichmöglichkeiten Ausschau halten.<br />

Investitionen in den nachhaltigen Um- und Neubau urbaner Infrastruktur – wie gesagt, es geht um ein Volumen von<br />

40 Billionen Dollar in den nächsten 25 Jahren – könnten eine Antwort liefern. Zumal sie über die zum Teil mehrere<br />

Jahrzehnte andauernde Laufzeit der Projekte stabile Renditen bieten, die relativ wenig vom Auf und Ab der Kapitalmärkte<br />

beeinflusst werden. Die notorisch klammen Kommunen hätten die Möglichkeit, eine staatsunabhängige Geldquelle<br />

anzuzapfen, Investoren könnten langfristig planen und direkt in künftiges Wachstum investieren.<br />

Die Zeit der Traumrenditen ist zwar vorbei, die neue Normalität mit ihren bescheidenen Kapitalgewinnen hat Einzug<br />

gehalten. Doch sieben Prozent wären mit grünen Entwicklungsprojekten durchaus drin, meinen Experten. Und<br />

das langfristig. »Allerdings ist das Ganze für Investoren weitgehend Neuland«, sagt Peter Köferl. »Bislang gibt es die<br />

klimafreundliche urbane Infrastruktur als eigene Anlageklasse noch nicht.« Bei der <strong>Allianz</strong> lotet man gerade aus, wie<br />

eine passende Investitionsform aussehen könnte. Grüne Infrastruktur- oder auch Energieeffizienzfonds wären zwei<br />

Möglichkeiten. Voraussetzung für den Einstieg wäre allerdings, dass die Politik für die nötige Investitionssicherheit<br />

und stabile Rahmenbedingungen sorgt.<br />

Holpriger Weg in die Zukunft<br />

An Projekten, die für Investoren von Interesse sein könnten, wird es auf absehbare Zeit kaum mangeln, allerdings<br />

dürfte der Weg in die grün-urbane Zukunft noch ziemlich holprig werden. Einerseits wird auf Klimakonferenzen seit<br />

Jahren darauf gedrängt, den Kohlendioxidausstoß massiv herunterzufahren, was auf kommunaler Ebene zum Beispiel<br />

durch den Umbau des städtischen Verkehrssystems, die Umstellung der Energieversorgung oder die energetische<br />

Sanierung von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden unterstützt werden könnte. Andererseits scheint die kohlenstofffreie<br />

Welt gerade in den Schwellenländern Asiens noch in weiter Ferne. China und Indien etwa befeuern ihr<br />

Wirtschaftswachstum weiter massiv mit Kohle, Indien produziert mittlerweile massenhaft Billigautos, die auch für<br />

die wachsende Mittelschicht erschwinglich sind.<br />

Wie die urbane Zukunft letztlich auch aussieht, welche Strategien bei der Abfederung des Klimawandels zum<br />

Zuge kommen, welche Transportsysteme Vorrang erhalten, wie die Wasserversorgung so sichergestellt wird, dass<br />

der Grundwasserspiegel stabil bleibt – die Antworten auf all diese Fragen könnten schon bald auch von privaten<br />

Investoren mitformuliert werden.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 21<br />

STRATEGIE<br />

Shutterstock<br />

»Die Vorwürfe<br />

sind unberechtigt«<br />

Als erstes Unternehmen weltweit hat die <strong>Allianz</strong> im Juli auf Vorstandsebene ein Gremium<br />

eingerichtet, das für eine stärkere Einbeziehung von ökologischen und sozial-gesellschaftlichen<br />

Aspekten bei Unternehmensentscheidungen sorgen soll. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden<br />

des ESG Boards (Environmental, Social, Governance/Ökologisch, Sozial, Unternehmensführung),<br />

Jay Ralph, über die Hintergründe.<br />

INTERVIEW: MICHAEL GRIMM<br />

Mr. Ralph, war die Einrichtung des ESG Boards eine Reaktion auf die Kritik von Nichtregierungsorganisationen<br />

an den Investitionen der <strong>Allianz</strong> in Kohleunternehmen in China und in Agrarfonds?<br />

Die Vorwürfe auf unserer Hauptversammlung im Mai waren nicht der Auslöser, aber sie haben die Einrichtung des<br />

ESG Boards beschleunigt. Wir haben als Versicherer und Vermögensmanager Einfluss auf wichtige Themen. Diesen<br />

Einfluss wollen wir bewusst und verantwortungsvoll nutzen und durch das ESG Board steuern.<br />

Wird die <strong>Allianz</strong> nun aus diesen Investitionen aussteigen?<br />

Als erste »Amtshandlung« des ESG Boards haben wir mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen den Dialog<br />

aufgenommen. Mit Greenpeace haben wir uns im Juli in Hongkong getroffen und mit Oxfam in Berlin. Die Investments<br />

in China sind eine relativ kleine Position. Gemeinsam mit Greenpeace wägen wir nun ab, ob wir diese Anteile verkaufen,<br />

oder wie wir als Aktionär der Kohleunternehmen auf besseres Umweltmanage ment drängen können.<br />

Von Oxfam haben wir uns ihre Bedenken erklären lassen, danach zusammen mit unseren Experten von PIMCO unsere<br />

Anlagestrategie erläutert und detailliert zu allen Vorwürfen Stellung genommen. Außer der pauschalen Wiederholung<br />

der Kritik haben wir von Oxfam allerdings keine Antwort auf unsere Erklärungen erhalten.<br />

Was sagt die <strong>Allianz</strong> denn im Detail zu den Vorwürfen von Oxfam?<br />

Die Vorwürfe sind unberechtigt. Manche lassen sich sehr einfach widerlegen, für andere muss man etwas tiefer in<br />

die Materie einsteigen. Bereits auf unserer Hauptversammlung im Mai haben wir klarstellen können, dass die Gelder<br />

unserer Versicherungskunden nicht in Rohstoffe oder in Rohstoff-Indexfonds investiert sind. Bei dem Thema geht<br />

es ausschließlich um Investitionen von Kunden unserer Vermögensverwalter PIMCO und <strong>Allianz</strong> Global Investors,<br />

von denen derzeit etwa zwei Prozent in Rohstoff-Indexfonds investiert sind. Knapp ein Drittel davon lassen sich<br />

Agrarrohstoffen zuordnen. Diese Anlagen dienen dazu, Bauern gegen schwankende Preise abzusichern. Die Bauern >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 22<br />

STRATEGIE<br />

<strong>Allianz</strong><br />

wollen sichergehen, dass sie einen bestimmten<br />

Preis für ihre Ernte erzielen. Wer sich das Risiko mit<br />

einem Partner teilen kann, investiert eher in Saatgut,<br />

Maschinen und Arbeitskräfte. Das verspricht bessere<br />

Ernten in der Zukunft und davon profitieren sowohl<br />

Jay Ralph<br />

die Bauern als auch die Anleger.<br />

Für diese Investments unserer Kunden gilt: Sie sind<br />

langfristiger Natur, sie führen dem Markt keine realen Rohstoffe zu oder entziehen sie ihm, sie können bei steigenden<br />

und bei fallenden Preisen Erträge erwirtschaften und nehmen nicht am Handel im Liefermonat der Rohstoffe teil –<br />

dann sind am ehesten Preisschwankungen zu beobachten. Hinzu kommt, dass unsere Kunden bisher eher antizyklisch<br />

investieren, was dabei hilft, den Markt zu stabilisieren. Ein Rückzug dieser Investoren hätte daher negative Folgen für<br />

die Bauern und für die Preise.<br />

Wer ist denn dann schuld am Preisanstieg bei Nahrungsmitteln?<br />

Hauptursachen für die steigenden Nahrungsmittelpreise sind laut UN, FAO und OECD vor allem das Bevölkerungswachstum,<br />

der steigende Konsum in Schwellenländern, Handelsbarrieren, Klimaeinflüsse und die zunehmende<br />

Verwendung landwirtschaftlicher Flächen für die Produktion von Biosprit. Das lässt sich auch an den aktuellen<br />

Preissteigerungen bei Weizen, Mais und Soja aufgrund der Dürre in den USA verfolgen. Wir sind daher gemeinsam<br />

mit vielen Experten überzeugt, dass die Preise an den Warenterminmärkten den realen Rohstoffpreisen folgen,<br />

nicht umgekehrt. Das ist die Aufgabe und die Logik dieses Marktes. Aber selbst derjenige, der diese Logik bezweifelt,<br />

müsste die negativen Folgen eines Ausstiegs von Investoren erkennen, die wie unsere Kunden handeln.<br />

Was kann die <strong>Allianz</strong> tun, um die Folgen steigender Nahrungsmittelpreise zu begrenzen?<br />

Ein Rückzug als Investor wäre fatal. Die steigenden Preise zeigen, dass die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage<br />

weiter wächst. Um dem zu begegnen, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Investitionen in die Leistungsfähigkeit<br />

der Agrarwirtschaft, der Nahrungsmittelproduktion und ihren Vertrieb. Ein Rückzug der langfristigen<br />

Investoren aus den Rohstoff- und Indexfonds wäre ebenso schädlich.<br />

Die Bauern in den USA sind gegen die Folgen und Risiken einer Dürre durch Ernteversicherungen und die Liquidität<br />

an den Warenterminbörsen gut abgesichert. Die meisten Bauern in den Entwicklungs- und Schwellenländern haben<br />

diese Möglichkeit bisher nicht. Wir diskutieren derzeit, ob Mikro-Versicherungen und ein Mikro-Warenterminmarkt<br />

Bauern und Kunden in den Entwicklungsländern helfen könnte. Wenn das der Fall ist, werden wir überlegen, wie wir<br />

dazu beitragen können.<br />

Ist der Disput damit für die <strong>Allianz</strong> erledigt?<br />

Der Dialog mit Oxfam scheint am Ende, das Thema dagegen ist für uns nicht erledigt. Oxfam vertritt ein wichtiges<br />

Anliegen, das wir teilen. Die wachsende Lücke in der Versorgung mit Nahrungsmitteln ist aus unserer Sicht neben dem<br />

Klimawandel und der demographischen Entwicklung eine der drei größten Herausforderungen, zu deren Lösung wir<br />

beitragen können.<br />

Welche Rolle soll dabei das ESG Board konkret spielen?<br />

Das ESG Board wird sicherstellen, dass wir im Dialog mit internen und externen Fachleuten die wichtigen sozialen<br />

und ökologischen Themen rechtzeitig erkennen, richtig einschätzen und pragmatische Umsetzungsmöglichkeiten<br />

entwickeln. Wir werden dabei nicht für jedes Thema eine einheitliche Umsetzung finden, weil Gesetze, Kulturen und<br />

das Selbstverständnis der Beteiligten in unseren über 70 Märkten weltweit unterschiedlich sind. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 23<br />

STRATEGIE<br />

Aber wir möchten unseren Kunden mit den bestmöglichen nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen zur Seite<br />

stehen. Das ESG Board wird daher den <strong>Allianz</strong> Unternehmen vor Ort inhaltliche Orientierung für ihr Handeln geben,<br />

um auf die Bedürfnisse der Kunden und der Gesellschaft gleichermaßen eingehen zu können. Es wird bei einigen<br />

Themen allerdings auch allgemein verbindliche Regeln geben, wie dem bereits geltenden Ausschluss von Geschäften<br />

mit bestimmten Waffenherstellern oder jeglicher Waffengeschäfte in Krisenregionen.<br />

Das ESG Board wird aber nicht nur Geschäfte verhindern, es wird auch Geschäfte gezielt durch Koordination fördern.<br />

Dazu zählen auch Ansätze, die wir im Dialog mit Oxfam entwickelt haben und unabhängig weiter verfolgen werden,<br />

wie die Verknüpfung unserer Mikroversicherung mit der satellitengestützten Ernteanalyse und die Idee eines Mikro-<br />

Warenterminmarktes für Bauern in Entwicklungsländern.<br />

Noch sorgen sie für den größten Umsatz<br />

in der <strong>Allianz</strong> Gruppe: 2011 fuhren <strong>Allianz</strong><br />

Vertreter weltweit Prämieneinnahmen von<br />

rund 34 Milliarden Euro ein, 30 Milliarden<br />

davon in Europa. Doch die Einnahmen bröckeln,<br />

die Kundenzahlen gehen zurück – seit Jahren<br />

schon. Ein neues Geschäftsmodell soll den<br />

Abwärtstrend stoppen.<br />

Shutterstock<br />

FRANK STERN<br />

»Das funktioniert wirklich«<br />

Es ist nicht der erste Anlauf, mit dem die <strong>Allianz</strong> ihren Vertreterkanal wieder auf Wachstum trimmen will. In der<br />

Vergangenheit gab es in Tochtergesellschaften und auf Gruppenebene schon etliche Projekte, aber den erhofften<br />

Durchbruch hat keines gebracht. Mit dem Agency Future Program (AFP), davon jedenfalls ist Projektleiter Johan van<br />

Tholen überzeugt, könnte sich das ändern. »Wir haben das Programm zusammen mit verschiedenen Gruppengesellschaften<br />

entwickelt und es in Deutschland und Frankreich ausgiebig getestet«, sagt er, »und es funktioniert<br />

wirklich.« Ein wenig klingt es so, als sei er davon selbst überrascht.<br />

Bevor das AFP Ende 2010 gestartet wurde, hatten van Tholen und sein internationales Team die aktuellen Defizite im<br />

europäischen Agenturvertrieb eingehend analysiert. Dabei stießen sie auf zwei grundlegende Probleme: Zum einen<br />

fehlen häufig aussagekräftige Kundendaten, die eine bedarfsgerechte Beratung erlauben. Zum anderen werden<br />

Kunden zu selten persönlich angesprochen, weil ihre Vertreter mit Verwaltungsarbeit eingedeckt sind. Im Schnitt wird<br />

gerade mal jeder fünfte Versicherungsnehmer umfassend betreut, der Rest kennt seinen Vertreter oft nur vom Hörensagen.<br />

Bei diesen Kunden ist die Gefahr, dass sie zur Konkurrenz wechseln, besonders groß. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 24<br />

STRATEGIE<br />

AGENCY FUTURE PROGRAM (AFP)<br />

Das AFP ist ein neues Geschäftsmodell für den Agenturvertrieb<br />

und ist aus einer Vielzahl von Vorschlägen und Ideen<br />

aus verschiedenen Gruppengesellschaften hervorgegangen.<br />

Es unterstützt die beteiligten Gruppengesellschaften mit<br />

einer gründlichen Analyse ihres Agenturvertriebs und passt<br />

den Ansatz auf die lokalen Eigenheiten und Anforderungen<br />

der verschiedenen Märkte an. Das Programm ist inzwischen<br />

in Deutschland, Frankreich, Indien, Italien, Österreich, der<br />

Schweiz, Spanien und Tschechien im Einsatz.<br />

Louis de Montferrand (li.) und Johan van Tholen<br />

Roth<br />

Dabei sind persönlicher Kontakt und individuelle Beratung die eigentlichen Stärken des Vertretervertriebs. »Das ist der<br />

Mehrwert, den kein anderer Vertriebsweg bietet«, hebt Louis de Montferrand hervor, der sämtliche Vertriebsinitiativen<br />

innerhalb der <strong>Allianz</strong> Gruppe leitet. »Wenn das nicht funktioniert, stellt sich irgendwann die Frage, wozu man diesen<br />

Verkaufskanal eigentlich noch braucht.« Möglichkeiten, sich anderweitig zu orientieren, gebe es schließlich genug.<br />

Genau an dieser Stelle setzt das AFP an.<br />

Wenn der Vertretervertrieb langfristig überleben soll, dann muss er nach Meinung von Vertriebsexperten sicherstellen,<br />

dass der Anteil jener Kunden mit mehr als einer Police deutlich steigt. Sie halten einem Unternehmen nicht nur<br />

länger die Treue, es rechnet sich auch eher, mehrere Verträge zu verwalten als mit fast demselben Aufwand nur einen.<br />

In den großen europäischen Märkten Deutschland, Frankreich und Italien gibt es da noch einigen Spielraum: Bislang<br />

verfügen die meisten <strong>Allianz</strong> Kunden dort über nur eine Versicherung.<br />

Auf dem Sofa<br />

Das Rezept dafür klingt relativ einfach: Mit der Verlagerung von Verwaltungsaufgaben in den Innendienst – von der<br />

Schadenaufnahme über die Terminvereinbarung bis hin zur Eingabe von Kundendaten – soll den Vertretern Luft<br />

verschafft werden, um sich mehr ihrer eigentlichen Aufgabe widmen zu können, der persönlichen Kundenbetreuung.<br />

»Damit besinnen wir uns wieder auf die Stärken des Agenturkanals«, sagt van Tholen. Und das Konzept scheint aufzugehen:<br />

Die Testphase in Deutschland und Frankreich hat gezeigt, dass sich mit der Umorganisation in den Agenturen<br />

eine Produktivitätssteigerung von über 25 Prozent erreichen lässt.<br />

Mehr Zeit auf dem Sofa allein dürfte allerdings kaum ausreichen, um Kunden bei der Stange zu halten. Nach Ansicht<br />

van Tholens, der wie alle seine Teamkollegen früher selbst im Vertrieb tätig war, muss sich am Beratungs- und Verkaufsprozess<br />

etwas ändern. Aktuell sei der weniger auf Interessen und Bedarf des Kunden ausgerichtet als auf den<br />

Absatz von Policen, bemängelt der Niederländer. »Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein. Die genaue Analyse der<br />

Kundensituation ist das wichtigste Element des AFP. Es ist die Basis für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung.« Was<br />

seine Kunden wirklich brauchen, erfährt ein Vertreter freilich nur, wenn er mit ihnen in engem Kontakt steht und nicht<br />

nur alle Jubeljahre mal einen Infobrief verschickt.<br />

Um jedoch mit einiger Aussicht auf Erfolg in ein Kundengespräch zu gehen, müssen verlässliche Kundendaten zur Verfügung<br />

stehen. Auch so ein Schwachpunkt. Klare Regeln zum Sammeln und Verwalten von Kundeninformationen gibt<br />

es bislang ebenso wenig wie den automatischen Datenaustausch zwischen Innendienst und Agenturen. Die digitale Welt<br />

eröffnet für den Vertrieb enorme Chancen. Beispiel Frankreich: Dort erhalten Vertreter zu Anfang jeder Woche über das<br />

Agentursystem Lagon eine Liste jener Kunden, die sich nach Datenlage für ein Verkaufsgespräch besonders anbieten. Das<br />

System zeigt sogar deren Kaufneigung für bestimmte Produkte an, so dass sie gezielt darauf angesprochen werden können.<br />

Dass die Leute in Zeiten von Internet und Direktvertrieb lieber auf den Vertreterkontakt verzichten, lässt sich nach<br />

van Tholens Beobachtung so nicht bestätigen. »Viele sind weiterhin an einer professionellen Beratung interessiert, >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 25<br />

STRATEGIE<br />

gerade bei komplizierten Lebensfragen«, sagt er. »Da geht es auch um Vertrauen – die Domäne des Agenturvertriebs.«<br />

Diese Stärke aber lasse sich nur dann richtig nutzen, wenn ein Vertreter weiß, mit wem er es zu tun hat.<br />

Pläne und Wünsche<br />

Die <strong>Allianz</strong> Österreich hat schon vor einigen Jahren damit begonnen, dafür ganz systematisch die Basis zu schaffen.<br />

Mit ihrem Life Check-Modell rückte sie damals die Kundenberatung wieder in den Mittelpunkt des Verkaufsprozesses.<br />

Seither werden gezielt und strukturiert Informationen zur persönlichen Situation des Versicherungsnehmers abgefragt,<br />

ausführlich seine Pläne und Wünsche besprochen und Lösungen aufgezeigt, wie sie sich verwirklichen lassen.<br />

Der erfolgreiche Beratungsansatz der Österreicher beeinflusste die Entwicklung des Agency Future Program maßgeblich.<br />

In Deutschland ist er inzwischen als Pro3 im Breiteneinsatz, in Frankreich unter dem Namen S’Energy. Erste Testläufe<br />

haben auch dort deutlich bessere Verkaufsergebnisse und steigende Kundenzufriedenheitswerte ergeben. In Tschechien<br />

wurde das AFP-Projekt im April gestartet, im Mai in Spanien und Indien. »Das Konzept funktioniert überall«, sagt van<br />

Tholen. »Damit bleibt der Agenturvertrieb auch in Zukunft einer der wichtigsten Erfolgsgaranten der <strong>Allianz</strong>.«<br />

JOHAN.VAN_THOLEN@ALLIANZ.COM<br />

Vor mehr als zehn Jahren<br />

begann die <strong>Allianz</strong> damit,<br />

Tochtergesellschaften, die<br />

noch unter ihrer lokalen<br />

Marke auftraten, Schritt für<br />

Schritt unter ihr Markendach<br />

zu holen – in den meisten<br />

Ländern kein Problem, in<br />

manchen ein Fall für die<br />

Gerichte.<br />

Timmich<br />

FRANK STERN<br />

Wert und Wirkung<br />

Die Markenwächter: Tobias Unter-guggenberger,<br />

Patricia Schulz-Moll, Steffen Drögsler (v.l.)<br />

Bevor die kolumbianische Colseguros im Mai dieses Jahres in <strong>Allianz</strong> Colombia umbenannt werden konnte, hatten<br />

die Juristen der Rechtsabteilung der <strong>Allianz</strong> SE (Group Legal & Compliance) erstmal gut zu tun. Die Alianza Fiduciara,<br />

ein kleiner Vermögensverwalter aus Bogota, hatte wegen Verwechslungsgefahr geklagt – und er konnte auf ältere<br />

Markenrechte verweisen. »Normalerweise ist es anders rum«, sagt Tobias Unterguggenberger, der bei Group Legal >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 26<br />

STRATEGIE<br />

zusammen mit Steffen Drögsler für Markenschutz zuständig ist. Am Ende einigten sich beide Seiten auf eine außergerichtliche<br />

Lösung.<br />

So enden Markenkonflikte häufig. Nicht selten aber geht die <strong>Allianz</strong> auch als Sieger vom Platz. »Oft reicht es schon,<br />

wenn wir deutlich machen, über welche Markenrechte wir in dem jeweiligen Land verfügen«, sagt Unterguggenberger.<br />

2011 konnte die <strong>Allianz</strong> Unternehmen und Organisationen in Brasilien, Deutschland, Frankreich, der Slowakei, der<br />

Türkei und den USA überzeugen, auf die Verwendung des Begriffs <strong>Allianz</strong>, Alliance oder Alianza als Marke oder Namen<br />

zu verzichten. In einigen Fällen entschieden den Namensstreit Markenämter und Gerichte. »Unsere rechtlichen<br />

Durchsetzungsmöglichkeiten unterscheiden sich von Land zu Land, je nachdem wie stark und etabliert unsere eigene<br />

Marke ist und für welche Geschäftsbereiche sie dort verwendet wird«, erklärt Steffen Drögsler.<br />

Die <strong>Allianz</strong> hat ihre Marke inzwischen in der ganzen Welt registrieren lassen – außer in Ländern, in denen es generell<br />

keinen Markenschutz gibt, wie in Eritrea oder Somalia. Seit sie ernst macht mit ihrer Ein-Marken-Strategie, wurden<br />

bereits zahlreiche Tochterunternehmen auf die <strong>Allianz</strong> Marke umgestellt. 2007 kam Italien, 2009 Frankreich unters<br />

blaue Dach – wichtige Stationen auf dem Weg zu einer globalen Marke. Mittlerweile werden 80 Prozent des Umsatzes<br />

der Gruppe unter der <strong>Allianz</strong> Marke erwirtschaftet. 2007 waren es noch 65 Prozent. »Wir wollen in eine starke Marke<br />

investieren, statt die Kräfte auf fünf oder zehn aufzuteilen«, sagt Patricia Schulz-Moll von Group Market Management.<br />

Unter den Versicherern rangiert die <strong>Allianz</strong> beim Markenwert hinter Axa an zweiter<br />

Position, nimmt man die Banken mit in die Übersicht, an achter. Spitzenreiter unter<br />

allen Finanzdienstleistern ist American Express. Wertvollste Marke aller Branchen ist<br />

Coca Cola, die von Interbrand auf knapp 72 Milliarden Dollar taxiert wird<br />

MARKENWERTE<br />

Die Top 10 Finanzdienstleister, 2010<br />

Milliarden US Dollar 0 3<br />

6 9 12 15<br />

American Express<br />

JP Morgan<br />

HSBC<br />

Goldman Sachs<br />

Citi<br />

Axa<br />

Etablierte Marken sind so etwas wie ein Versprechen,<br />

eines, das Orientierung gibt und Vertrauen<br />

weckt und für das Kunden auch bereit sind, tiefer<br />

in die Tasche zu greifen. Bis sie im Bewusstsein<br />

der Menschen verankert sind, können allerdings<br />

Jahre vergehen. »Man muss bereit sein, dafür<br />

Geld in die Hand zu nehmen und die Marke als<br />

Wert betrachten«, erklärt Schulz-Moll. »Und man<br />

muss für dieses Ziel mitunter auch eine etablierte,<br />

lokale Marke aufgeben.«<br />

Beispiel Russland. Dort operierte die <strong>Allianz</strong> bis<br />

Anfang dieses Jahres mit drei Tochtergesellschaften<br />

unter verschiedenen Marken. Eine<br />

davon war Rosno, eines der bekanntesten Versicherungsunternehmen<br />

des Landes. Nach der<br />

Verschmelzung mit Industrieversicherer <strong>Allianz</strong><br />

Russia und Sachversicherer Progress Garant tritt<br />

Rosno seit April als <strong>Allianz</strong> Russland auf.<br />

Morgan Stanley<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Santander<br />

Visa<br />

Quelle: Interbrand<br />

Eine Umstellung, die ihre eigenen Risiken birgt.<br />

»In Russland machen wir uns für eine Übergangszeit<br />

weiter die Bekanntheit der lokalen<br />

Marke Rosno zunutze. Nach zwei Jahren steigen<br />

wir dann vollständig auf <strong>Allianz</strong> um«, erläutert >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 27<br />

STRATEGIE<br />

beide Fotos: <strong>Allianz</strong><br />

Umfirmierung mit Hindernissen – in Kolumbien klagte ein Vermögensverwalter<br />

gegen die Verwendung der Marke <strong>Allianz</strong>. Auch beim<br />

Wechsel von Mondial auf <strong>Allianz</strong> Global Assistance geht nicht immer<br />

alles glatt<br />

Schulz-Moll. Dabei konnte man nicht sicher sein, dass der Wechsel bei den Kunden auf ungeteilte Zustimmung stößt.<br />

Doch auch die Russen wissen Finanzstärke, internationales Renommee, Vertrauen und Zuverlässigkeit zu schätzen –<br />

gerade in unsicheren Zeiten wie diesen. In ihrer Markenkampagne hatte die <strong>Allianz</strong> diese Werte besonders herausgestellt.<br />

»Eine Kampagne mit russischem Feeling«, so Drögsler.<br />

Dass sich Investitionen in eine globale Marke auszahlen, lässt sich an dem Beitrag ablesen, den sie zum Unternehmenswert<br />

leisten kann. Laut Ranking des Markenberaters Interbrand Best Global Brands 2011 ist die <strong>Allianz</strong> Marke<br />

rund 5,4 Milliarden Euro wert und verzeichnete im letzten Jahr den höchsten Wertzuwachs unter den europäischen<br />

Finanzdienstleistern. Unter den globalen Versicherern wird nur Axa höher eingeschätzt (6,7 Milliarden Euro). Gut<br />

nachvollziehbar also, warum Unterguggenberger und seine Kollegen mit Argusaugen über die Marke wachen. Eine<br />

Verwässerung würden Wert und Wirkung erheblich mindern.<br />

Im Moment sind die Markenwächter noch mit der Umstellung von Mondial Assistance auf <strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />

beschäftigt. Der Wechsel von Rot auf Blau in 28 Ländern erstreckt sich über mehrere Jahre. »Klar, dass ein Rebranding<br />

in diesen Dimensionen mitunter Sonderlösungen erfordert«, erläutert Tobias Unterguggenberger.<br />

In Italien etwa wird der Reiseversicherer und Pannenhelfer nur als <strong>Allianz</strong> Assistance auftreten: Um sich nicht mit<br />

dem dortigen Wettbewerber Global Assistance ins Gehege zu kommen, verzichtet man dort auf den Zusatz Global.<br />

Zudem bleibt für einige ausgewählte Großkunden die Marke Mondial Assistance erhalten, weil sie, wie etwa Air France,<br />

mit anderen Versicherern verbunden sind. Ein Link von der Internetseite der französischen Fluglinie auf das Portal<br />

eines Reiseversicherers unter dem <strong>Allianz</strong> Logo käme da nicht besonders gut an.<br />

Solche Sonderlösungen könnten bald noch häufiger nötig werden, denn mit ihrem Assistance-Unternehmen will<br />

die <strong>Allianz</strong> in Zukunft auch in neue Geschäftsfelder vorstoßen, zum Beispiel im Gesundheitsbereich. »Da«, glaubt<br />

Unterguggenberger, »warten dann wieder neue Herausforderungen für die Markenführung.«<br />

WWW.INTERBRAND.COM


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 28<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Stern<br />

Russland – ein Land, das es sich<br />

leisten kann, zwei Zeitzonen<br />

abzuschaffen und dann immer<br />

noch neun davon zu haben; ein<br />

Land, in dem die Zwiebeltürme aus<br />

dem Boden schießen wie Pilze nach<br />

einem Sommerregen; ein Land, in<br />

dem es den Männern gelungen ist,<br />

ihre Lebenserwartung mit Wodka<br />

und Tabak auf 62 Jahre zu drücken,<br />

in dem der Präsident und der<br />

Regierungschef in regelmäßigen<br />

Abständen die Ämter tauschen und<br />

Autos in bar bezahlt werden. Reise<br />

in ein Land, das mit dem Verstand<br />

nicht zu fassen ist.<br />

TEXTE: FRANK STERN<br />

Im Land der Zwiebeltürme<br />

Birken. Birken, so weit das Auge reicht. Wer sich mit dem Zug in die russische Provinz aufmacht – und die beginnt<br />

gleich am Stadtrand von Moskau –, landet unweigerlich im Birkenwald. Die Kanadier haben ihren Ahorn, die<br />

Deutschen ihre Eiche. Die Russen haben Birken. »Die halten viel aus«, sagt Olga, unsere Begleiterin. Die meisten<br />

Russinnen heißen übrigens Olga. Vera Alexandrowna Emelina ist eine der wenigen Ausnahmen. Doch dazu später.<br />

Ein weiteres prägendes Element des Landes, in dem weniger Menschen als in Bangladesh auf einem mehr als<br />

hundertmal so großen Territorium leben, sind die Zwiebeltürme. Bunt und golden, verspielt und prall kugeln sie in<br />

immer größerer Zahl in den russischen Himmel und künden nach Jahrzehnten frevelhafter Gottlosigkeit von der<br />

Wiederauferstehung der russisch-orthodoxen Kirche. Keine Bibelseite passt zwischen ihr Oberhaupt, Patriarch Kirill,<br />

und Russlands Präsidenten Wladimir Putin, den der Kirchenmann auch schon mal gern als Geschenk Gottes preist. ><br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 29<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Shutterstock<br />

Stern<br />

Nicht jeder im Land hält den aktuellen Präsidenten für einen Segen, zumindest in der Hauptstadt des Riesenreichs hat<br />

sich spürbare Opposition gegen Putins System der »gelenkten Demokratie« formiert. Doch hinter den Birkenwäldern<br />

scheint der Rückhalt für den einstigen KGB-Offizier ungebrochen. Auch wenn er nicht alles gutheiße, was der Kreml<br />

verordne, könne man nicht leugnen, dass Putin dem Land ein gewisses Maß an Stabilität verschafft habe, meint einer<br />

unserer Gesprächspartner. »Außer ihm ist derzeit niemand in Sicht, der das Land führen könnte.«<br />

Extrem anfällig<br />

Mit der Stabilität freilich könnte es schnell vorbei sein, wenn die Weltmarktpreise für Öl und Gas in den Keller gehen,<br />

an die Wohl und Wehe Russlands gekoppelt sind, sagt Professor Hans-Henning Schröder von der Stiftung Wissenschaft<br />

und Politik in Berlin (siehe Interview Seite 9). Die Rohstoffwirtschaft macht das Land extrem anfällig für Konjunkturschwankungen<br />

auf dem Weltmarkt. Als vor drei Jahren die Preise für Rohöl an den internationalen Börsen einbrachen,<br />

sank das Bruttoinlandsprodukt Russlands um acht Prozent.<br />

Doch keiner bestreitet, dass das Land, von dem der Lyriker Fjodor Tjutschew einst meinte, es sei mit dem Verstand<br />

nicht zu fassen, über ein ungeheures Potenzial verfügt. Viele westliche Unternehmen jedenfalls setzen auf anhaltenden<br />

Aufschwung und nehmen bereits gezielt die wachsende Riege wohlhabender Russen ins Visier. Bei einem<br />

Pressetermin im Juli in St. Petersburg schätzte BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson die Zahl der russischen Haushalte<br />

mit einem Jahreseinkommen von mindestens 60 000 Dollar auf sieben Millionen. Robertson rechnet damit, dass<br />

sich das Kontingent zahlungskräftiger Russen bis 2025 verdoppeln wird. In diesem Jahr peilt BMW den Absatz von<br />

30 000 Fahrzeugen in Russland an, zehnmal so viele wie 2003.<br />

Der Grad des Fortschritts lässt sich auch an einem<br />

anderen Indikator ablesen, weniger spektakulär als<br />

eine deutsche Luxuskarosse, doch für die Zukunft<br />

des 140 Millionen-Volkes wohl von größerer<br />

Bedeutung: die Zahl der Lebensversicherungen<br />

im Land. Viele Russen sind heute im Alter auf die<br />

Unterstützung ihrer Kinder angewiesen. Wo die<br />

fehlt, wird es eng – die staatliche Unterstützung ><br />

Wie viele andere westliche Firmen setzt auch BMW auf die<br />

wachsende Schicht wohlhabender Russen. In diesem Jahr will der<br />

deutsche Autobauer in Russland 30 000 Fahrzeuge verkaufen<br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 30<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Stern<br />

Die Christ-Erlöser-Kathedrale an der Moskwa (Bild oben) war<br />

im Februar Bühne eines Anti-Putin-Auftritts der Gruppe Pussy Riot.<br />

Avantgarde, Dekadenz und Flower Power liegen in Moskau nah<br />

beieinander<br />

ist minimal. Private Vorsorge könnte Abhilfe schaffen, doch mit acht Dollar pro Kopf und Jahr bewegt sich die Lebensversicherung<br />

noch immer auf äußerst niedrigem Niveau. Sachversicherungen, vor allem die fürs Auto, lassen sich die<br />

Russen dagegen jährlich im Schnitt 295 Dollar kosten, die meist bar an die Versicherungsvertreter gezahlt werden.<br />

Russland ist nach wie vor eine Cash-Gesellschaft. Nach etlichen Finanzkrisen, bei denen viele Menschen all ihr Erspartes<br />

verloren, tendiert das Vertrauen in Banken gegen null. Selbst der Kaufpreis fürs Auto – für einen BMW geht das schon<br />

mal locker über die 100 000 Euro-Grenze – wird gelegentlich bar beglichen, »mit Rubel aus der Plastiktüte«, wie ein<br />

<strong>Journal</strong>ist neulich notierte. Doch das hat vermutlich andere Gründe.<br />

Für internationale Firmen ist der russische Markt seit jeher schwieriges Terrain. So schwierig, dass etliche Auslandsunternehmen<br />

die Segel inzwischen schon wieder gestrichen haben. Hakan Danielsson, seit Juli 2011 Chef der<br />

russischen <strong>Allianz</strong> Tochter Rosno, kennt die Hürden, wie zum Beispiel, dass mancher Industriebereich für ausländische<br />

Versicherer tabu ist – aus Gründen der nationalen Sicherheit. Auf der anderen Seite steht Danielsson mit Behörden<br />

und Branchenvertretern durchaus in regem Austausch. »Die Russen sind sehr an unseren Erfahrungen aus anderen<br />

Märkten interessiert«, sagt der Schwede. »Welche Versicherungen sollten zur Pflicht gemacht werden, welche nicht?<br />

Wie lässt sich eine nachhaltige Altersvorsorge etablieren, wie die Krankenversicherung entwickeln – alles Fragen, zu<br />

denen sie unsere Meinung hören wollen.«<br />

Willfährige Justiz<br />

Reformbedarf gibt es nicht nur im Versicherungsbereich, auch das russische Justizwesen hinkt der Entwicklung hinterher.<br />

»Zu Sowjetzeiten waren die Gerichte ein Instrument des Staates«, sagt Danielsson. »Und auch heute sind sie nicht<br />

wirklich unabhängig. Das ist ein Problem.« Von dem gerade erfolgten Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation<br />

WTO – nach 18 Jahren Verhandlungen – versprechen sich ausländische Investoren nun eine deutliche Verbesserung<br />

des Geschäftsklimas und größere Rechtssicherheit. Russische Unternehmen dagegen sehen der Marktöffnung mit<br />

gemischten Gefühlen entgegen, müssen sie sich doch künftig gegen internationale Konkurrenz behaupten.<br />

Die Sommerabende an der Moskwa versöhnen für ein paar Stunden mit all den Unzulänglichkeiten, die ein Land<br />

prägen, das seit mehr als 25 Jahren einen Umbruch nach dem anderen durchlebt hat. Vergessen das Chaos am<br />

Flughafen, die Staus auf den Straßen, die runtergekommenen Plattensiedlungen. Moskau ist jung und laut und schrill.<br />

Die neureiche Schicht haut die Rubel in den angesagten Restaurants raus, als gäbe es kein Morgen, die anderen treffen<br />

sich auf ein paar Bier im Park und machen Musik. Es scheint, als wolle die Zehn-Millionen-Metropole die westliche<br />

Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte im Zeitraffer nachholen. Avantgarde und Dekadenz und Flower Power –<br />

alles liegt nah beieinander. ><br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 31<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Hinter der Christ-Erlöserkirche auf der anderen Seite der Moskwa geht die Sonne unter und taucht den Fluss in ein<br />

weiches Licht. Im Februar hatten dort drüben Mitglieder der Frauenpunkband Pussy Riot den Altar gestürmt und<br />

die Muttergottes angefleht, Russland von Putin zu erlösen. Monatelang saßen drei von ihnen in Untersuchungshaft.<br />

Patriarch Kirill hatte in dem Stunt den Teufel höchstselbst am Werk gesehen.<br />

Ein paar irre Motorradfahrer jagen mit Überschallgeschwindigkeit die Uferstraße entlang, Stretchlimos fahren betont<br />

langsam vorbei, und auf der Moskwa-Brücke entledigt sich ein junges Mädchen ihres T-Shirts, um barbusig ihre Chance<br />

auf eine billige Mitfahrgelegenheit zu erhöhen. Taxis kosten in Moskau ein Vermögen. Lange warten muss sie nicht.<br />

Sinn für Chancen<br />

Stern<br />

Wie man einen Marktführer lenkt, hat Hakan Danielsson schon<br />

vorgemacht. Jetzt soll er zeigen, wie man einer wird. Da hat er<br />

einiges vor sich: Noch ist die <strong>Allianz</strong> in Russland von der Spitze<br />

ein gutes Stück entfernt.<br />

»Schweden ist echt langweilig«, sagt Hakan Danielsson über seine<br />

Hakan Danielsson<br />

Heimat. »Alles dort ist so geordnet und stabil.« Nichts für einen Mann,<br />

für den der Weg das Ziel ist. Inzwischen kann sich der 51-Jährige über<br />

Langeweile nicht mehr beklagen. Ordnung und Stabilität jedenfalls sind eher nicht die Attribute, die einem auf Anhieb<br />

zu Russland einfallen würden, wo Danielsson seit gut einem Jahr lebt. Bevor er nach Moskau kam, war er einige Jahre<br />

Chef von Länsförsänkringar – Marktführer unter Schwedens Sachversicherern. »Wenn wir unseren Anteil um 0,2 Prozent<br />

ausbauen konnten, war das schon ein Grund zum Feiern«, erzählt er. »So was macht einfach keinen Spaß.«<br />

Vor gut einem Jahr holte ihn <strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann an die Spitze von Unternehmenstochter Rosno. Obwohl<br />

in Russland weithin ein Begriff, liegt Rosno im Sachgeschäft aktuell nur auf Rang acht, in der Lebensversicherung auf<br />

Platz sechs – außerhalb des Bereichs, den Diekmann für ein Weltunternehmen für angemessen hält.<br />

»Wir haben das Ziel, unter den ersten drei zu sein«, erklärte er im Juli in einem Interview mit der russischen Zeitung<br />

Vedomosti. Nur dann sei man in einer Position, den Markt aktiv mitzugestalten. Allerdings müsse Russland auch bereit<br />

sein, der <strong>Allianz</strong> eine solche Position zuzugestehen, so Diekmann weiter. »Wir wissen wie’s geht. Wir wissen wie man<br />

das Versicherungsgeschäft nachhaltig betreibt und können unsere ganze Expertise einbringen.«<br />

Auch beim Thema saubere Unternehmensführung. Aktuell steht Russland im Korruptionsindex von Transparency<br />

International an Position 143. Durchstechereien sind in der russischen Geschäftswelt gang und gäbe, und wer das<br />

Spiel nicht mitspielt, hat nicht selten das Nachsehen. »Zuweilen geht uns dadurch Geschäft verloren«, bestätigt Hakan<br />

Danielsson. Auf der anderen Seite suchten gerade internationale Unternehmen Geschäftspartner mit weißer Weste.<br />

»Solche wie uns.« ><br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 32<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Stern<br />

Seit April tritt die frühere Rosno zusammen<br />

mit der Industrieversicherungssparte<br />

und Progress Garant als <strong>Allianz</strong> Russland auf<br />

Bei einem Treffen mit rund 500 Mitarbeitern verschiedener Gruppengesellschaften im Juli in Moskau unterstrich<br />

Michael Diekmann die Bedeutung von Image und Reputation, gerade in Zeiten, da Finanzdienstleistern weithin Misstrauen<br />

entgegenschlägt. Er würde eher auf ein lukratives Geschäft verzichten, als den Ruf des Unternehmens aufs<br />

Spiel zu setzen, hob der Konzernchef hervor. Dass Rosno seit April landesweit unter dem Namen <strong>Allianz</strong> auftritt, sieht<br />

Diekmann daher auch als Verpflichtung für das Management vor Ort. »Es gibt in der Geschäftswelt keinen größeren<br />

Vertrauensbeweis als die Übertragung der Markenrechte an ein Tochterunternehmen«, sagt er.<br />

Gleichzeitig mit der Umfirmierung wurden die Sach- und Industrieversicherer Progress Garant und <strong>Allianz</strong> Russia mit<br />

Rosno zusammengeführt. Dass dabei nicht alles rund lief, daraus macht Hakan Danielsson keinen Hehl. Etliche Mitarbeiter<br />

sind im Zuge der Neustrukturierung denn auch abgesprungen, und es waren nicht immer die schlechtesten.<br />

Danielsson will nun ein neues Kapitel aufschlagen, und er scheint den richtigen Ton zu treffen – im wahrsten Sinne:<br />

Schon nach einem Jahr beherrschte der studierte Mathematiker erstaunlich gut Russisch. »Nicht perfekt«, sagt er, »aber<br />

die Leute verstehen mich.« Monatelang hatte er dafür nach der Arbeit noch bis in die Nacht gebüffelt.<br />

Der Vater eines Sohns und einer Tochter mag die Sprache, und er hat einen guten Draht zu den Menschen. »Schweden<br />

und Russen haben viel gemeinsam«, findet er. »Wir spielen Eishockey, wir lieben die Jagd und gehen fischen. Wir<br />

haben unsere Datschen im Wald und wir haben unsere Saunen. Man könnte sagen, Schweden ist eine Miniversion<br />

von Russland.« Nur, wie schon erwähnt, um einiges langweiliger. Danielsson zieht Wachstumsmärkte wie Russland<br />

vor. »Es passiert einfach mehr – in positiver wie in negativer Hinsicht«, sagt er. »Und man kann stärker Einfluss auf<br />

Entwicklungen nehmen.«<br />

Mittlerweile hat er sich im ganzen Land umgesehen und sich den Mitarbeitern in vielen der 92 Niederlassungen<br />

zwischen Kaliningrad und Kamtschatka vorgestellt. Gefragt, welcher Ort ihm bei seinen Reisen am besten gefallen<br />

hat, muss er nicht lange überlegen: »Wladiwostok«, sagt er, die Stadt ganz fern im Osten am Japanischen Meer.<br />

»Es sieht aus wie San Francisco«, schwärmt Danielsson. »Sonne auf den schneebedeckten Hügeln, unten der Hafen –<br />

unbeschreiblich.«<br />

Sjukow<br />

Bei seinen Begegnungen sei er bei den Russen<br />

auf einen enormen Unternehmergeist getroffen,<br />

preist er die Qualitäten der Einheimischen. Und als<br />

sein deutscher Gesprächspartner dies mit einem<br />

ungläubigen Blick quittiert – eine russische Autorin<br />

hat ihr Land erst kürzlich wieder als groß und träge<br />

beschrieben –, legt Danielsson nach. Anders als ><br />

<strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann stellte sich in Moskau den Fragen<br />

der Mitarbeiter zur Zukunft der <strong>Allianz</strong> in Russland<br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 33<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

die Deutschen seien die Russen weit experimentierfreudiger, sagt er: »Sie probieren Dinge aus, und wenn sie nicht<br />

klappen, versuchen sie einen anderen Weg. Russen haben einen Sinn für Chancen, die Deutschen bilden eine Arbeitsgruppe<br />

und entwickeln Pläne.«<br />

Das wäre also auch geklärt.<br />

WWW.ALLIANZ.RU<br />

Moskau<br />

RUSSLAND<br />

Die <strong>Allianz</strong> in Russland<br />

1991 Gründung der Ost-West <strong>Allianz</strong><br />

(später <strong>Allianz</strong> Russia)<br />

2002 die <strong>Allianz</strong> beteiligt sich mit 45 Prozent<br />

an Rosno<br />

2003 Gründung der Rosno Lebensversicherung<br />

2007 die <strong>Allianz</strong> wird alleiniger Eigentümer von Rosno<br />

2010 die <strong>Allianz</strong> startet das Pensionsfondsgeschäft in Russland<br />

2012 Rosno, Progress Garant und <strong>Allianz</strong> Russia werden<br />

zusammengeführt und treten im Markt gemeinsam<br />

unter der Marke <strong>Allianz</strong> auf<br />

SACHVERSICHERUNG ROSNO<br />

• Umsatz 2011 535 Millionen Euro<br />

• Marktposition acht<br />

• 5400 Mitarbeiter<br />

• 10 000 Vertreter<br />

LEBENSVERSICHERUNG ALLIANZ ROSNO LIFE<br />

• Umsatz 2011 60 Millionen Euro<br />

• Marktposition sechs<br />

• 370 Mitarbeiter<br />

• 4500 Vertreter<br />

Versicherungsmarkt Russland<br />

Bevölkerung 140 Millionen<br />

Territorium<br />

17 Millionen Quadratkilometer<br />

VERSICHERUNGSDURCHDRINGUNG<br />

(Prämien in Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2011)<br />

• Gesamtgeschäft 2,4 Prozent<br />

• Lebensgeschäft 0,1 Prozent<br />

• Sachgeschäft 2,3 Prozent<br />

• Position weltweit 53<br />

VERSICHERUNGSDICHTE 2011<br />

Prämien Lebensversicherung pro Kopf acht US-Dollar<br />

Prämien Sachversicherung pro Kopf 295 US-Dollar<br />

(Angaben: Swiss Re, sigma Nr. 3/2012)<br />

(Angaben: <strong>Allianz</strong> Russland)<br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 34<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Geschichten<br />

von der Wolga<br />

Stern<br />

Die Wolga ist mit mehr als 3500 Kilometern der längste Fluss Europas<br />

Bei einem ihrer ersten Kundenbesuche flog Vera Alexandrowna Emelina gleich wieder raus, kaum dass<br />

sie das Wort Versicherung auch nur ausgesprochen hatte. Heute ist die studierte Physikerin Chefin des<br />

Wolga-Direktorats der <strong>Allianz</strong> Russland. Das Gebiet ist größer als Polen.<br />

Es gab Zeiten, da arbeitete Vera Alexandrowna Emelina als Ingenieurin am sowjetischen Raumfahrtprogramm mit.<br />

Zehn Jahre lang. Dann hob Michail Gorbatschow die Welt aus den Angeln, das Sowjetreich zerbrach, und Emelina, die<br />

ihr Fach theoretische Physik an der Uni einst mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, verlor ihren Job. Für den Griff<br />

nach den Sternen hatte das Land kein Geld mehr.<br />

Vera Emelina gehört zu jener Generation von Russen, deren Lebensplanung durch den gesellschaftlichen Umbruch<br />

vor 20 Jahren auf den Kopf gestellt wurde. »Mit der Perestroika änderte sich alles«, sagt sie. »Und eher zum Besseren.«<br />

Emelina versuchte, in der neuen Ordnung einen Platz zu finden, sattelte um und schlug sich in ihrer Heimatstadt<br />

Nischni Nowgorod zunächst mit dem Verkauf von Versicherungen durch. Sie ließ sich auch von Rückschlägen wie<br />

bei jenem Chef einer Bäckerei nicht abschrecken, der sie, kaum dass sie den Fuß in der Tür hatte, wieder rauswarf.<br />

»Er hatte mit seiner alten Versicherungsgesellschaft ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht«, erzählt sie. »War ein<br />

ungünstiger Zeitpunkt.« Heute ist er einer ihrer treuesten Kunden.<br />

Auch Jewgeni Garin, Leiter der <strong>Allianz</strong> Agentur in Jaroslawl an der Wolga, knapp 300 Kilometer nordöstlich von Moskau,<br />

ist ein Quereinsteiger. Nach dem Studium, das er noch unterm roten Stern begonnen hatte, stand er erstmal auf<br />

der Straße. Wie viele andere damals versuchte er sein Glück als fliegender Händler. Alles, was sich irgendwie zu Geld<br />

machen ließ, Garin kaufte und verkaufte. Keine schlechte Schule: 1996, nach drei Jahren Durststrecke, schaffte er es in<br />

die Vertriebsabteilung einer lokalen Brauerei. Seit 2007 leitet er die Rosno-Filiale in Jaroslawl. Inzwischen leuchtet am<br />

Bürogebäude das <strong>Allianz</strong> Logo.<br />

64 Millionen Rubel, rund 1,6 Millionen Euro, haben er und seine 25 Mitarbeiter in Jaroslawl und Umgebung im letzten<br />

Jahr an Prämien eingenommen. Mit 27 Millionen Rubel ist die Firmenversicherung der größte Beitragsposten – Energie, ><br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 35<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

»Russische Frauen können alles«,<br />

findet Vera Emelina, »auch schwierige<br />

Kunden erweichen. Männer sind zu<br />

undiplomatisch und zu wenig kompromissbereit.«<br />

Irina Petrjankina,<br />

Marina Pogudina und Tatjana Pintschuk<br />

(v.l.) sind ihre besten Verkäuferinnen<br />

privat<br />

alle Fotos: Stern (wenn nicht anders angegeben)<br />

Vera Emelina<br />

In Jaroslawl können sich Sergej Milykh (li.) und Ilja<br />

Muraschow dagegen ganz gut neben der Topverkäuferin<br />

Elena Balnikowa behaupten<br />

Chemie, Transport. Jaroslawl, eine alte Handelsmetropole mit tausendjähriger Geschichte, ist nicht nur beliebtes<br />

Touristenziel, sondern auch ein wichtiger Industriestandort. In diesem Jahr will Garin die Prämieneinnahmen um zehn<br />

Millionen Rubel steigern.<br />

Bar auf die Hand<br />

Während Firmen in Russland ihre Versicherungsprämien per Bank überweisen, zahlen Privatkunden ihre Beiträge<br />

dem Vertreter bar auf die Hand. Der liefert das Geld regelmäßig in der <strong>Allianz</strong> Filiale ab, wo es zunächst im Tresor und<br />

dann auf der Bank landet. Es ist ein aufwändiges und intransparentes Verfahren, das auch <strong>Allianz</strong> Russland-Chef Hakan<br />

Danielsson Kopfschmerzen bereitet: »Solche Geldströme sind nur schwer zu kontrollieren.« Er setzt darauf, dass mit<br />

fortschreitender Verbreitung des Internets immer mehr Kunden auf Online-Banking umsteigen. Dann könnte Garin<br />

seinen Safe ausmustern.<br />

Wie seine Kollegin Emelina in Nischni Nowgorod hat auch Garin nie daran gedacht, seine Stadt Richtung Moskau zu<br />

verlassen, obwohl das Gehaltsniveau in der Hauptstadt zwei- bis dreimal höher ist als in der Provinz. Die paar mal, die<br />

er zu Besprechungen in die Zentrale muss, reichen ihm vollkommen, sagt der 44-Jährige. Garin liebt die Wolga, der<br />

Traum eines jeden Anglers. Seine Datscha liegt 70 Kilometer von der Stadt entfernt, das Brennholz für Ofen und Sauna<br />

schlägt er selbst. Im Winter – die Temperaturen können dann locker die Marke von minus 20 Grad unterschreiten –<br />

geht er mit seiner Tochter Eisbaden. Der dreijährige Sohn ist für solche Abenteuer noch zu klein.<br />

Man könnte sagen, Garin hat es geschafft. Nicht verwunderlich, dass er die neue Zeit als Befreiung empfindet. Waren<br />

die Lebensumstände der meisten früher annähernd gleich, gibt es heute allerdings massive Unterschiede. Dennoch<br />

zieht Garin ein System vor, in dem es jeder selbst in der Hand hat, etwas aus seinem Leben zu machen. »Es geht gar<br />

nicht darum, reich zu sein«, sagt er. »Viel wichtiger ist die Freiheit, über sein Leben selbst zu bestimmen und Chancen<br />

zu nutzen.« Die jüngere Generation hat da oft etwas andere Vorstellungen. »Die sind zum Teil schon sehr fordernd«,<br />

hat Garin festgestellt. Die Anspruchshaltung des potenziellen Nachwuchses macht es ihm jedenfalls nicht immer<br />

leicht, neue Mitarbeiter zu finden: »Die Jungen wollen alles auf einmal – und das sofort.« ><br />

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<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 36<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

In Jaroslawl, 300 Kilometer<br />

nordöstlich von Moskau an der<br />

Mündung des Flusses Kotorosl<br />

in die Wolga gelegen, leben<br />

heute fast 600 000 Einwohner<br />

Stern<br />

Renaissance des Glaubens<br />

Vera Emelina, Direktionsleiterin in Nischni<br />

Nowgorod, 400 Kilometer die Wolga stromabwärts,<br />

hat mit dem Nachwuchs weniger<br />

Probleme. Sie rekrutiert viele Mitarbeiter direkt<br />

von der Uni, das Gros ihrer Vertreter hat einen<br />

höheren Schulabschluss. »Die meisten jungen Leute bleiben hier«, sagt sie, »Nachwuchssorgen haben wir keine.« Was<br />

auch für die Bevölkerung insgesamt gilt. Die Renaissance des Glaubens habe dazu geführt, dass sich Familien wieder<br />

für mehr Kinder entschieden, sagt die Mutter von zwei Jungen und zwei Mädchen. Ihre jüngste Tochter hat sie aus<br />

einem Waisenhaus adoptiert.<br />

14 Geschäftsfilialen mit insgesamt 1200 Vertretern gehören zu Emelinas Reich. Und wo andere zu kämpfen haben,<br />

damit verdient sie Geld. »Die Autoversicherung ist unser profitabelstes Geschäftssegment«, sagt die Direktionschefin,<br />

die mit Nischni Nowgorod gleichzeitig auch die erfolgreichste Filiale der Region führt. »Das funktioniert natürlich nur,<br />

wenn man die richtige Risikoauswahl trifft«, sagt sie. So ist zum Beispiel der gesamte Fuhrpark der Regionalverwaltung<br />

von Nischni Nowgorod über Emelinas Geschäftsstelle versichert – 18 Millionen Rubel an Prämieneinnahmen pro Jahr.<br />

Schadenmeldungen gibt es so gut wie keine: Werden die Beamten in einen Verkehrsunfall verwickelt, haben immer<br />

die anderen schuld.<br />

Stern<br />

Weniger glücklich ist die Direktionschefin mit dem Bereich Agrarversicherung. »Das ist ein sehr risikoreiches Geschäft,<br />

mit dem sich kaum Geld verdienen lässt«, lautet ihr Resümee. »Sämtliche Einnahmen müssen wir an Schäden wieder<br />

auszahlen.« Auch dieses Jahr gab es keine Entspannung: Entlang der Wolga, im Süd-Ural und in Westsibirien verursachte<br />

anhaltende Dürre schwere Ernteausfälle. An einigen Orten<br />

holten sich Gebietsfunktionäre und Bauern in ihrer Verzweiflung<br />

göttlichen Beistand an die Seite: Priester der orthodoxen Kirche<br />

hielten öffentliche Messen ab, in denen die versammelte Gemeinde<br />

für Regen betete.<br />

Von einem durchschlagenden Erfolg geht das russische Landwirtschaftsministerium<br />

offenbar nicht aus. Für dieses Jahr hat es seine<br />

Prognosen für die Getreideernte auf 80 bis 85 Millionen Tonnen<br />

gesenkt – zehn bis 15 Millionen Tonnen weniger als 2011.<br />

Denkmäler für Minin und Poscharski, den Anführern des<br />

Volksaufstandes 1611 gegen die polnische Invasion, finden sich<br />

wie hier in Nischni Nowgorod in vielen Städten Russlands<br />

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<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 37<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Die <strong>Allianz</strong> ist an der Versicherung des neuen<br />

Zenit-Stadions in St. Petersburg (Bild rechts)<br />

und des Olympischen Dorfs in Sotschi beteiligt<br />

dpa / picture-alliance<br />

Unbegrenzte Möglichkeiten<br />

Für einen Industrieversicherer wie <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty (AGCS) ist Russland so etwas wie das Land der<br />

unbegrenzten Möglichkeiten. Theoretisch zumindest. In der Praxis tun sich bislang allerdings doch etliche Hürden auf.<br />

Eine davon ist der weiterhin beträchtliche staatliche Einfluss und die Abschottung verschiedener Wirtschaftsbereiche<br />

gegen ausländische Anbieter. Zudem decken viele Großkonzerne ihre Risiken intern über so genannte Captives, was<br />

dem Versicherungsmarkt einen Großteil des Geschäfts entzieht. Andere, wie Gazprom, mischen selbst im Versicherungsmarkt<br />

mit.<br />

Ein weiteres Handicap ist die generell geringe Neigung der Russen, sich gegen mögliche Gefahren abzusichern. Das<br />

gilt nicht nur für den kleinen Mann auf der Straße. Auch viele Firmen sind entweder gar nicht oder notorisch unterversichert,<br />

sagt Willy Schaugg, Landesmanager der AGCS für Russland, die bisher als <strong>Allianz</strong> Russia auftrat und seit April<br />

unter dem Dach der <strong>Allianz</strong> Russland angesiedelt ist.<br />

Trotz der schwierigen Ausgangslage ist es der russischen Industrieversicherungssparte der <strong>Allianz</strong> zwischen 2006<br />

und 2011 gelungen, den Umsatz von 38 Millionen Dollar auf 100 Millionen Dollar zu steigern. Und das keineswegs<br />

nur durch die Kooperation mit Auslandsunternehmen, die von ihr in Russland betreut werden wie Toyota oder VW<br />

oder Siemens. Mittlerweile ist AGCS auch in der russischen Wirtschaft eine gefragte Adresse. Von der engeren Anbindung<br />

der Industriesparte an die <strong>Allianz</strong> Russland verspricht sich deren Chef Hakan Danielsson für die Zukunft noch<br />

größere Durchschlagskraft.<br />

»Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das in Wladiwostok eine Produktionsstätte errichten will«, entwickelt der<br />

Schwede ein mögliches Szenario. »Einer unserer lokalen Repräsentanten steht als direkter Kontakt vor Ort zur Verfügung,<br />

und am nächsten Tag fliegt ein <strong>Allianz</strong> Experte aus den USA ein, um die für diesen Betrieb spezifischen Risiken<br />

zu analysieren.« Das sei ein wirklich starkes Signal in den Markt, so Danielsson. Kein anderes Unternehmen könne mit<br />

einer solchen Kombination aus lokaler Präsenz und globalem Know-how aufwarten.<br />

Trotz der noch vorhandenen Hürden: Werner Lellinger, bis April Geschäftsführer der Industriesparte <strong>Allianz</strong> Russia,<br />

sieht deutliche Fortschritte. »Der Markt öffnet sich immer mehr. Nicht zuletzt, weil auch für russische Unternehmen<br />

die finanzielle Stabilität ihrer Versicherung zunehmend zum Thema wird«, beschreibt er die Lage. »Sie schätzen das<br />

hohe Rating der <strong>Allianz</strong>.« Mit rund 60 der 150 größten, an der russischen Börse notierten Unternehmen hat die <strong>Allianz</strong><br />

inzwischen Versicherungsverträge abgeschlossen, darunter Sovcomflot, eines der weltweit größten Tankerunternehmen,<br />

oder mit den Energiegiganten Gazprom, Lukoil und Rosneft. ><br />

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<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 38<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Russland will in den nächsten Jahren<br />

Milliarden in den Ausbau des Streckennetzes<br />

und den Kauf moderner Züge stecken. Der<br />

Sapsan von Siemens verkehrt bislang nur auf<br />

den Strecken Moskau – St. Petersburg und<br />

Moskau – Nischni Nowgorod<br />

Stern<br />

Einen Schub erwarten sich Schaugg und<br />

Lellinger auch von den sportlichen Großereignissen,<br />

die in den kommenden Jahren<br />

in Russland anstehen: die Weltsommerspiele<br />

der Studenten 2013, die Olympischen Winterspiele<br />

2014, die Eishockey-WM 2016 und die<br />

Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Allein für<br />

die Fußball-WM beziffert das russische Sportministerium<br />

den Investitionsbedarf auf knapp 16 Milliarden Euro. Die <strong>Allianz</strong> ist unter anderem an der Rückversicherung<br />

für den Bau des Zenit-Stadions in St. Petersburg beteiligt, und auch einige Projekte für die Winterspiele in Sotschi,<br />

wie die Eishockeyarena und das Olympische Dorf, stehen auf ihrer Liste.<br />

Doch die Perspektiven gehen über die mit solchen Großveranstaltungen verbundenen Investitionen hinaus. In den<br />

kommenden Jahren wird Russland enorme Summen in seine marode Infrastruktur stecken müssen, will es im Wettbewerb<br />

mit anderen Staaten nicht zurückfallen. Allein für Ausbau und Erneuerung des Schienennetzes und die<br />

Anschaffung neuer Züge will die Regierung bis 2030 rund 380 Milliarden Euro aufbringen – ein Konjunkturprogramm,<br />

von dem auch die Versicherungswirtschaft profitieren dürfte.<br />

Väterchen<br />

Frost im Tank<br />

dpa / picture-alliance<br />

Russische Winter haben es in sich. »Bei<br />

minus 40 Grad gefriert auch der beste<br />

Diesel«, sagt Nicholas Hall, Chef von<br />

Mondial Assistance in Moskau. Für eine<br />

Firma, die sich auf Pannen spezialisiert<br />

hat, ist das wie Werbung. »Im Winter«,<br />

sagt Hall, »brummt das Geschäft.«<br />

Dieses Video, in dem ein BBC-Reporter irgendwo in Sibirien den Kaffee aus seiner Tasse in die Luft schüttet und das<br />

eben noch kochend heiße Getränk wie Schnee zur Erde rieselt – plastischer kann man nach Ansicht von Nicholas Hall<br />

nicht darstellen, was Winter in Russland bedeutet. »Bei den extremen Temperaturen haben manchmal sogar unsere<br />

Techniker Probleme, bis zu einem liegen gebliebenen Fahrzeug vorzudringen«, berichtet der Brite. Von der Vor-Ort-<br />

Reparatur ganz zu schweigen. »Wer bei dieser Kälte die Handschuhe auszieht, dem frieren die Finger ab«, sagt Hall.<br />

In so einem Fall bleibt nur eine Option: Auto an den Haken und ab in die Werkstatt. ><br />

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<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2011 3/2012 | Seite 39<br />

AMERIKA<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Stern<br />

2011 gingen in der Telefonzentrale von Mondial Assistance<br />

in Moskau 45 000 Pannennotrufe ein. Vor allem im Winter,<br />

wenn Väterchen Frost so richtig die Muskeln spielen lässt,<br />

laufen die Drähte heiß. Dann wird die Mitarbeiterzahl von<br />

den üblichen 75 auf mehr als 100 aufgestockt. Viele internationale<br />

Automarken wie BMW, Mitsubishi, Volvo, Peugeot<br />

und Lamborghini setzen auf den Service der <strong>Allianz</strong> Tochter,<br />

die 2008 in Russland an den Start gegangen ist. Im letzten<br />

Jahr hat sie ihren Aktionsradius auch auf die Ukraine, nach<br />

Kasachstan und Weißrussland ausgedehnt.<br />

Nicholas Hall<br />

Aktuell sind etwa 550 000 Fahrzeuge in Russland über<br />

Mondial Assistance gegen frostgeschockte Autobatterien<br />

und andere Unbilden abgesichert, die einen auf Russlands<br />

Straßen ereilen können. Kein anderer Anbieter deckt mehr Fahrzeuge ab. Gegenwärtig macht die Pannenhilfe noch<br />

den größten Teil des Mondial-Umsatzes aus, der im vergangenen Jahr 5,5 Millionen Euro erreichte – 75 Prozent mehr<br />

als ein Jahr zuvor. In diesem Jahr könnten es um die acht Millionen Euro werden, und wenn es weitergeht wie geplant,<br />

sagt Hall, könnten es in drei, vier Jahren schon 15 bis 17 Millionen Euro sein.<br />

Den Markt dominieren russische Anbieter, die nicht selten mit Dumpingpreisen Newcomer auf Abstand halten. Allerdings<br />

beginnt sich im Markt immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass Qualität nicht für Dumpingpreise zu haben<br />

ist. »Wir positionieren uns bewusst als Unternehmen, das zwar nicht zu den billigsten zählt, dafür aber exzellenten<br />

Service bietet«, sagt Hall. »Und das zahlt sich aus.«<br />

Im Bereich Pannenhilfe arbeitet Mondial Assistance Russland, die ab Oktober als <strong>Allianz</strong> Global Assistance firmieren<br />

wird, derzeit landesweit mit Serviceunternehmen in 110 größeren Städten zusammen. Deren Reichweite beschränkt<br />

sich allerdings auf einen überschaubaren Radius und deckt nicht jeden Winkel des Riesenreiches ab. Wer also irgendwo<br />

in der Wildnis in Kamtschatka liegenbleibt, für den könnte die Rückführung seines Fahrzeugs richtig teuer werden.<br />

Wie groß Russland ist, davon hat sich Hall bei Reisen nach St. Petersburg und Irkutsk, nach Nowosibirsk und Samara<br />

selbst einen Eindruck verschaffen können. »Es sind völlig andere Dimensionen, als wir sie gewohnt sind«, sagt der<br />

55-Jährige, dessen Familie in Großbritannien lebt. Auch mit seinem aktuellen Arbeitsplatz Moskau hat er sich mittlerweile<br />

angefreundet. »Ich fühle mich hier sicherer als in London«, sagt er. »In London haben sie überall Kameras<br />

installiert. Die sind nützlich, aber im Ernstfall ist man tot, bevor jemand zu Hilfe kommt. Hier in Moskau sind einfach<br />

mehr Polizisten auf der Straße.«<br />

Dass das Gefühl von Sicherheit trügerisch sein kann, zeigte sich einmal mehr im Januar 2011, als Terroristen auf dem<br />

Moskauer Flughafen Domodejevo einen Bombenanschlag verübten, bei dem 36 Menschen getötet wurden. Querbeet:<br />

Russen, Kirgisen, Tadschiken, Usbeken, Deutsche, Engländer, Österreicher. Über 150 Menschen wurden verletzt. Zwei<br />

von Halls Kollegen befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion in unmittelbarer Nähe. Doch sie hatten Glück – beide<br />

blieben unverletzt.<br />

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<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 40<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

Shutterstock<br />

Wenn es darum geht, ihre Kinder<br />

vor den Fährnissen des Lebens zu<br />

schützen, lassen sich die Deutschen<br />

von kaum einem Volk übertreffen.<br />

Fahrradhelm, Steckdosensicherung,<br />

Schutzimpfung – nichts wird dem<br />

Zufall überlassen. Auf den Ernstfall<br />

sind sie trotzdem nur unzureichend<br />

vorbereitet.<br />

FRANK STERN<br />

... Eltern sein dagegen sehr<br />

Welche Befürchtungen haben Eltern mit kleinen Kindern und wie sichern sie sich ab? Dieser Frage sind die <strong>Allianz</strong><br />

Deutschland und die Zeitschrift ELTERN Anfang dieses Jahres in einer repräsentativen Untersuchung nachgegangen.<br />

Befragt wurden 1000 Frauen und Männer in Deutschland, deren erstes Kind unter vier Jahre alt war. Das Ergebnis:<br />

Fast drei Viertel der Teilnehmer fühlen sich gut abgesichert, doch eine Risikolebensversicherung, die die Angehörigen<br />

für den Fall des Todes absichert, hatte von ihnen lediglich ein gutes Drittel (35 Prozent). Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

waren es 28 Prozent.<br />

Nicht besser sieht es bei der Versicherung für den Nachwuchs aus. Nicht einmal jeder Zweite schließt für sein Kind<br />

überhaupt eine Police ab. Nur 31 Prozent der Eltern haben eine Kinderunfallversicherung, gerade mal zwölf Prozent<br />

eine Kinderinvaliditätsversicherung. Zu wenig Geld ist meist nicht der Grund. »Vielmehr verdrängen Eltern oft den<br />

Gedanken, gerade ihr Kind könnte an Krebs oder Epilepsie erkranken«, sagt <strong>Allianz</strong> Deutschland-Vorstand Severin Moser.<br />

»Für den Ernstfall sind sie schlecht vorbereitet.«<br />

Wie eine Parallelumfrage der <strong>Allianz</strong> Suisse zeigte, sind Schweizer Eltern in dieser Beziehung besser gerüstet. Sie<br />

blicken nicht nur optimistischer in die Zukunft als die Deutschen, sie sichern ihre Kinder auch besser ab. 82 Prozent<br />

der Befragten gaben an, dass sie sich schon vor der Geburt ihres Kindes über den optimalen Versicherungsschutz<br />

informiert hätten, bei den Nachbarn im Norden waren es nur 62 Prozent.<br />

Mit Informieren allein lassen es die Eidgenossen nicht bewenden:<br />

Fast jeder Zweite hat eine Kinderunfallversicherung<br />

abgeschlossen, jeder fünfte eine Kinderinvaliditätsversicherung.<br />

Auch insgesamt wenden die Schweizer mehr für ihre<br />

Sicherheit und die ihrer Familie auf. Während die Deutschen<br />

monatlich im Schnitt 113 Euro für Versicherungen ausgeben,<br />

sind es rund ums Matterhorn fast 280 Euro. ><br />

Jedes Jahr verunglücken in Deutschland<br />

rund 1,67 Millionen Kinder, mehr als<br />

537 000 von ihnen im Heim- und<br />

Freizeitbereich. Damit gehören Unfälle zu den<br />

größten Gesundheitsrisiken für Kinder.<br />

(Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder)


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 41<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

»Den Beschützerinstinkt in allen Ehren, doch zuviel<br />

Fürsorge kann die Entwicklung von Kindern auch<br />

hemmen.« Prof. Michael Schulte-Markwort<br />

Bei der Angst vor Arbeitslosigkeit, Armut und sozialem Abstieg, auch das hat die Studie ergeben, liegen dann wieder<br />

die Deutschen vorn, genau wie bei der alltäglichen Sorge um den Nachwuchs. Sie mahnen öfter, nicht mit Fremden<br />

mitzugehen, sie verplomben Steckdosen und Schubladen, sperren Treppen mit Schutzgittern vor kindlichem Zutritt<br />

und lassen die Kleinen auf dem Spielplatz keine Minute aus den Augen. Die Schweizer sind da etwas lockerer. Zwar<br />

führt auch bei ihnen die Furcht vor dem Tod des eigenen Kindes oder vor einem schweren Unfall die Hitliste der Ängste<br />

an, doch sind sie bei ihnen weniger ausgeprägt. Nur die Befürchtung, dass ihr Kind gemobbt werden könnte, ist in der<br />

Alpenrepublik größer als in Deutschland.<br />

Den Beschützerinstinkt in allen Ehren, doch zuviel Fürsorge kann die Entwicklung von Kindern auch hemmen. Sagt<br />

jedenfalls Kinderpsychiater Professor Michael Schulte-Markwort, den das Magazin ELTERN zum Thema »Wie viel Sicherheit<br />

braucht mein Kind?« befragt hat. »Ich muss einem Kind auch negative Erfahrungen zugestehen«, meint der Leiter<br />

der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Ob nun das Dreijährige mal von der<br />

Schaukel fällt oder der Zehnjährige sich in einem unbekannten Stadtteil verirrt, an solchen Erfahrungen wachse ein Kind,<br />

sagt der Mediziner.<br />

Wenn man es denn lässt: Schon heute ist zu beobachten, dass Kinder und Jugendliche motorisch deutlich weniger<br />

geschickt sind als vor 30 Jahren. Laut Schulte-Markwort eine Folge der Überfürsorge.<br />

WWW.KINDERSICHERHEIT.DE<br />

Begegnungen<br />

im Untergrund<br />

wkp / Dan Pearlman<br />

Manche setzen klotzige Glaspaläste in die Welt, um Größe<br />

und Anspruch zu symbolisieren. Die <strong>Allianz</strong> versenkt ihr<br />

neues Konferenzzentrum im Keller.<br />

FRANK STERN<br />

Die <strong>Allianz</strong> ist einer der größten Finanzdienstleister der Welt, doch einen<br />

angemessenen Versammlungsort an ihrem Stammplatz München<br />

konnte sie bislang nicht vorweisen. Seit letztem Mai entsteht nun direkt<br />

am Englischen Garten im Herzen der bayerischen Landeshauptstadt ein<br />

Bau, der für Abhilfe sorgen soll – und das weitgehend unter Tage. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 42<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

wkp / Dan Pearlman<br />

Am äußeren Erscheinungsbild der unter Denkmalschutz stehenden<br />

Konzernzentrale, die 1954 im Beisein von Bundeskanzler Konrad<br />

Adenauer eröffnet wurde, wird sich also kaum etwas ändern. Doch<br />

unterhalb der Grasnarbe errichten Bautrupps derzeit nach den Plänen<br />

des Münchner Architekturbüros Weickenmeier, Kunz + Partner und der<br />

Berliner Markenarchitekturagentur dan pearlman einen hochmodernen<br />

Konferenzsaal, der für bis zu 300 Plätze ausgelegt ist. Die Eröffnung des<br />

<strong>Allianz</strong> Auditoriums ist für Herbst nächsten Jahres geplant.<br />

Der Bau – die Kosten liegen im unteren zweistelligen Millionenbereich –<br />

soll Offenheit und Leichtigkeit ausstrahlen und den kreativen Gedankenaustausch<br />

sowohl innerhalb der <strong>Allianz</strong> Gemeinschaft als auch darüber<br />

hinaus anregen. Für ein Gebäude im Kellergeschoss klingt das reichlich<br />

ambitioniert. Und doch, Konzept und Design des Konferenzzentrums<br />

wirken originell und großzügig, nichts daran schwer oder bedrückend.<br />

So wenig wie der Außenauftritt hat das Innendesign etwas Prunkvolles<br />

an sich. Zeitlos soll es sein, qualitätsvoll und technisch auf dem neuesten<br />

Stand, doch weder verschwenderisch noch übertrieben edel.<br />

Nach außen hin – die Auflagen von Denkmal- und Landschaftsschutz<br />

hatten Veränderungen an Gebäudeensemble und angrenzendem Park<br />

ausgeschlossen – bleibt wie gesagt alles beim Alten. Doch der C-Bau, ein<br />

etwas nach hinten versetzter Seitenflügel, in dem in den 50er Jahren die<br />

Lochkartenabteilung und später das Pressereferat des Konzerns untergebracht waren, erhält eine völlig neue Funktion<br />

und wird künftig als Foyer und Zugang zum Auditorium dienen. Zudem soll er Mitarbeitern und Besuchern Raum zur<br />

Begegnung bieten und eine möglichst flexible Nutzung ermöglichen – vom Stehempfang bis hin zum informellen<br />

Austausch von Arbeitsgruppen. Auf der Rückseite entsteht eine Terrasse, die sich zum Englischen Garten hin öffnet.<br />

Während im ersten Stock des Gebäudes verschiedene Besprechungszimmer vorgesehen sind, wird das Auditorium<br />

selbst künftig die Möglichkeit bieten, auch größere Veranstaltungen wie etwa das jährliche Treffen des internationalen<br />

Top-Managements, das <strong>Allianz</strong> International (AZI), abzuhalten. Als Halbzylinder mit Hubpodien konzipiert, lässt sich der<br />

Saal in eine Art Amphitheater verwandeln. Mobile Trennwände erlauben darüber hinaus die Anpassung der Raumgröße<br />

an die jeweilige Teilnehmerzahl. Zudem wird er mit modernster Digitaltechnik ausgestattet, über die per Videokonferenz<br />

und Live-Übertragung die Verbindung zur <strong>Allianz</strong> Welt hergestellt werden kann.<br />

Das neue Konferenzzentrum, das barrierefrei und behindertengerecht gestaltet wird, ist als Ort der Gemeinschaftsbildung<br />

und Inspiration angelegt, an dem auch die Öffentlichkeit teilhaben soll. Die Ausstattung erlaubt die flexible<br />

Anpassung an verschiedene Anforderungen – von der Aufsichtsratssitzung mit 30 Plätzen bis zur Großkonferenz, vom<br />

Analystenmeeting über Pressekonferenzen und Podiumsdiskussionen bis hin zu Karrieretagen, Kunstausstellungen<br />

oder Public Viewing-Veranstaltungen wie etwa die Übertragung der <strong>Allianz</strong> Sports.<br />

Im Herbst 2013 geht die <strong>Allianz</strong> in den Untergrund.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 43<br />

EUROPA<br />

dpa / picture-alliance<br />

Große Räder, kleiner Markt<br />

Im Mai dieses Jahres erschütterten zwei heftige Erdbeben die Region Emilia Romagna in Norditalien.<br />

Auch eine Fabrik von Titan Italia, Marktführer bei Traktorrädern, wurde getroffen, wochenlang stand<br />

die Produktion still. Joachim Hufenreuter, Schadenregulierer bei <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty,<br />

war vor Ort.<br />

HEIDI POLKE<br />

Ein, zwei, drei Felgen, jede mit knapp einem Meter Durchmesser, liegen am Boden. Eine magere Ausbeute, normalerweise<br />

laufen hier täglich knapp 2000 Stück vom Band. Doch Produktionsleiter Massimo Columbini ist ausgesprochen<br />

zufrieden. Die drei Felgen, die probeweise gefertigt wurden, haben die Qualitätsprüfung bestanden. Offenbar sind die<br />

beiden exakt justierten Produktionsroboter bei den Beben nicht beschädigt worden. Ein gutes Zeichen, denn in Kürze<br />

soll die Fertigung wieder anlaufen.<br />

Fast sechs Wochen lang standen die Maschinen im Werk von Titan Italia in Finale Emilia still. Dort fertigt Europas<br />

führender Zulieferer von Rädern für Traktoren und landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge. Das Epizentrum der beiden<br />

Erdbeben, die im Mai mit Stärken von 6,0 und 5,9 auf der Richterskala die Provinz Emilia Romagna erschüttert hatten,<br />

lag nicht weit von Finale Emilia entfernt. ><br />

Titan Italia<br />

Titan Italia ist europäischer Marktführer für die Herstellung von Rädern für<br />

Landmaschinen, Traktoren, Mähdrescher und Bewässerungsanlagen. An seinen<br />

Produktionsstandorten Crespellano (Bologna), Finale Emilia (Modena) and Jesi<br />

(Ancona) beschäftigt das Unternehmen über 500 Mitarbeiter. Titan Italia ist eine<br />

Tochtergesellschaft von Titan Europe, die für die Entwicklung von Rädern und<br />

Fahrwerkkomponenten für geländegängige Raupen- und Radfahrzeuge bekannt<br />

ist. Die Gruppe ist in aller Welt vertreten, mit Standorten in Großbritannien,<br />

Italien, Frankreich, Deutschland, Spanien, der Türkei, Südafrika, den USA,<br />

Brasilien, Chile, Peru, Australien, Indonesien, China und Japan.<br />

WWW.TITANEUROPE.COM


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 44<br />

EUROPA<br />

Nach dem zweiten Beben am 29. Mai untersagten die Behörden aus Sicherheitsgründen den Zutritt zur Fabrik. Teile<br />

des Dachs waren herabgestürzt, viele Stützsäulen beschädigt. Das Risiko für die 250 Arbeiter wäre zu hoch gewesen.<br />

Keiner der Beschäftigten war bei den Beben verletzt worden, doch die Belastung vor allem in der Zeit der Nachbeben<br />

– bis zu 60 am Tag – war groß: Viele schliefen in ihren Autos oder in Zelten, weil sie sich nicht mehr in ihre Häuser<br />

trauten oder diese zerstört waren.<br />

Die Erdbeben in der Emilia Romagna kamen für Seismologen nicht überraschend – die Erde in Italien wackelt immer<br />

mal wieder. Allerdings galt die Gegend um Modena als weniger gefährdet. »Wir waren natürlich geschockt«, sagt<br />

Maria Cecilia la Manna, Geschäftsführerin von Titan Italia. »Aber wir sind sofort aktiv geworden und haben alles getan,<br />

damit wir so schnell wie möglich wieder produzieren können.«<br />

Bereits Anfang Juli war das Werk wieder so sicher, dass sich Joachim Hufenreuter, Schadenregulierer bei <strong>Allianz</strong> Global<br />

Corporate & Specialty, einen Eindruck von der Lage verschaffen konnte. Hufenreuter begutachtet weltweit industrielle<br />

Großschäden und ist häufig mit den Folgen von Naturkatastrophen konfrontiert. Er weiß: »Nach einem Erdbeben geht<br />

es zunächst immer um die provisorische Stabilisierung der Gebäude, erst dann können die eigentlichen Reparaturen<br />

beginnen.«<br />

Der Sachschaden für die Reparatur der Produktionshalle und der Maschinen beläuft sich auf einen zweistelligen<br />

Millionenbetrag. Größere Sorgen bereitet dem Titan-Management indes der Betriebsausfall. Das Werk in Finale Emilia<br />

ist das Herzstück des Produktionsverbunds aus drei Werken: Es ist alleiniger Produzent der Felgen, die an den Nachbarstandorten<br />

in Crespellano und Jesi mit Innenscheiben verschweißt und dann bereift werden. »Große Räder sind ><br />

Erdbeben in Italien<br />

Bei zwei Erdbeben in der norditalienischen<br />

Emilia Romagna sind im Mai<br />

26 Menschen ums Leben gekommen,<br />

400 Personen wurden verletzt, 15 000<br />

obdachlos. Viele historische Gebäude<br />

und Kirchen fielen in Trümmer, einige<br />

kleinere Städte wurden von ihren Bewohnern<br />

aufgegeben. Die vom Beben<br />

betroffene Region ist hoch industrialisiert,<br />

viele biomedizinische Unternehmen<br />

haben in der Emilia Romagna<br />

ihren Sitz, wo zahlreiche Lagerhallen<br />

und Produktionsstätten einstürzten<br />

oder stark beschädigt wurden. Viele<br />

Opfer starben an ihrem Arbeitsplatz,<br />

was Fragen nach der Sicherheit der<br />

zum Teil neuen Industrieanlagen<br />

ausgelöst hat.<br />

Die <strong>Allianz</strong> Italien hatte keine Opfer<br />

unter Mitarbeitern und Vertretern<br />

zu beklagen, doch wurden vier Agenturen<br />

im Erdbebengebiet schwer<br />

in Mitleidenschaft gezogen. Damit<br />

die Vertreter ihre Arbeit wieder aufnehmen<br />

und Kunden vor Ort zur Seite<br />

stehen konnten, stellte ihnen die<br />

<strong>Allianz</strong> Wohnmobile als provisorische<br />

Ausweichbüros zur Verfügung. Zudem<br />

wurde für Versicherungsnehmer die<br />

Zahlungsfrist für ausstehende Autound<br />

Sachversicherungsbeiträge in der<br />

betroffenen Region verlängert. Daneben<br />

organisierten die Mitarbeiter der<br />

<strong>Allianz</strong> Italien eine Spendensammlung<br />

für die Opfer, bei der über 66 000 Euro<br />

zusammenkamen.<br />

Die Summe wurde von der <strong>Allianz</strong><br />

Italien verdoppelt und an das italienische<br />

Rote Kreuz übergeben. Darüber<br />

hinaus initiierte Gian Marco Diani vom<br />

<strong>Allianz</strong> Investment Management in<br />

Mailand eine Hilfsaktion für Produktionsbetriebe<br />

des berühmten Parmesankäses.<br />

Viele Käseräder waren<br />

bei dem Naturereignis so beschädigt<br />

worden, dass sie nicht mehr als Ganzes<br />

vermarktet werden konnten. Diani<br />

holte knapp 300 Kilogramm Käse aus<br />

Piacenza und verkaufte ihn stückweise<br />

an Kollegen. Selbst im Ausland fanden<br />

sich Abnehmer.<br />

WWW.ALLIANZ.IT<br />

dpa / picture-alliance


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 45<br />

EUROPA<br />

dpa / picture-alliance<br />

Verona<br />

Padua<br />

Venedig<br />

Parma<br />

ITALIEN<br />

Modena<br />

Finale Emilia<br />

Bologna<br />

Ravenna<br />

A D R I A<br />

40 km<br />

Quelle: USGS<br />

Der gesamte Nordosten des Mittelmeerraums von Italien bis zur Türkei ist von Erdbeben<br />

bedroht – hier treffen die afrikanische und die eurasische Erdplatte aufeinander<br />

ein kleiner Markt. Unsere Wettbewerber lauern schon«, erklärt Gary Chesteron, Finanzchef von Titan Europe. »Daher<br />

tun wir alles, um unsere Kunden weiterhin beliefern zu können, koste es was es wolle.«<br />

Eine Arbeitsgruppe entwickelte eine Reihe von Maßnahmen, um den Produktionsstopp zu begrenzen. Teile der<br />

Felgenproduktion – und mit ihr auch der Belegschaft – wurden an die beiden anderen Standorte verlagert, wo in drei<br />

Schichten rund um die Uhr gearbeitet wurde. Zudem lieferten die Titan-Niederlassungen in der Türkei und Frankreich<br />

Felgen zu. Die üblichen Betriebsferien im August wurden gestrichen. Doch damit ließ sich die Lücke noch nicht ganz<br />

schließen – einen Teil der Felgen musste Titan von anderen Produzenten hinzukaufen.<br />

»Nicht alle Unternehmen werden nach einem Schaden selbst so schnell und professionell aktiv«, meint Hufenreuter.<br />

Dabei lasse sich oft nur ein Teil des Ausfallschadens – beispielsweise durch entgangenen Umsatz, höheren Mehraufwand<br />

für Ersatzbeschaffungen oder Kundenverlust – über Versicherungen decken, sagt er. Ganz abgesehen davon,<br />

dass einmal verlorene Marktanteile ein Unternehmen langfristig schwächen können. Hufenreuther: »Eine aktive<br />

Schadenbegrenzung dient also beiden Seiten – dem Versicherer wie dem Unternehmen.<br />

WWW.AGCS.ALLIANZ.COM<br />

Mitten ins Herz<br />

Die Produkte der Emilia Romagna gelten als Inbegriff von »italianitá« und sind<br />

Exportschlager des Landes: In der fruchtbaren Tiefebene nördlich des Apennin<br />

werden Parmesan und Grana Padano ebenso hergestellt wie Parma-Schinken,<br />

Aceto balsamico und Lambrusco-Wein. Nach einer Schätzung des Landwirtschaftsverbandes<br />

Coldirette beläuft sich der durch die Beben entstandene<br />

Schaden auf 500 Millionen Euro. Rund 300 000 Laibe Parmesankäse wurden<br />

zerstört, ein Zehntel der Jahresproduktion. Die turmhohen Regale, auf denen<br />

die bis zu 40 Kilo schweren Käseräder reifen, waren umgestürzt. Auch zahlreiche<br />

Essigfabriken wurden beschädigt, viele Fässer mit teilweise mehrere<br />

Jahre altem Aceto balsamico liefen aus.<br />

Neben der Landwirtschaft wurde auch die Industrie getroffen. In der Po-Ebene<br />

sind viele Automobilhersteller und -zulieferer angesiedelt – nicht umsonst trägt<br />

die Region auch den Beinamen Land der Motoren. Fabriken und Warenhäuser<br />

wurden besonders stark in Mitleidenschaft gezogen, da eine erdbebensichere<br />

Bauweise in der Region erst seit 2003 vorgeschrieben ist. Dagegen hielten<br />

private Wohnhäuser den Erschütterungen besser stand. Die versicherten<br />

Schäden schätzt die Branchenorganisation der italienischen Versicherer<br />

ANIA auf 700 bis 800 Millionen Euro.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 46<br />

EUROPA<br />

Aaron Cook, Nummer 1 der<br />

Weltrangliste im Taekwondo,<br />

war einer der Top-Sportler im<br />

Team <strong>Allianz</strong><br />

<strong>Allianz</strong> UK<br />

Team<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Die Olympischen Spiele in London waren ein Riesenerfolg. Milliarden Menschen auf der ganzen<br />

Welt verfolgten gebannt die Wettbewerbe. Bei der <strong>Allianz</strong> UK gab es doppelt Grund, mitzufiebern.<br />

Sie hatte mit dem Team <strong>Allianz</strong> eine eigene Mannschaft am Start.<br />

DAVID KEEL<br />

Zum Kern des Team <strong>Allianz</strong> gehörten elf olympische und paralympische Leichtathletik-, Schwimm-, Rad-, Reit-, Ruder-,<br />

Triathlon- und Taekwondosportler. Angeführt wurde das Team von den beiden Olympiamedaillengewinnern und<br />

Fernsehmoderatoren Steve Cram und Sharron Davies sowie von Rebecca Romero, der einzigen britischen Sportlerin,<br />

die jemals Olympiamedaillen in zwei unterschiedlichen Sportarten gewinnen konnte. Die Sportler wurden aber nicht<br />

nur aufgrund ihrer sportlichen Leistungen für das <strong>Allianz</strong> Team ausgewählt.<br />

Über einen Zeitraum von zwei Jahren hatten Mitarbeiter und Geschäftspartner der <strong>Allianz</strong> Gelegenheit, die Vorbereitungen<br />

der Sportler auf die Olympischen Spiele 2012 in London vom Training bis hin zur Qualifizierung mitverfolgen.<br />

Zunächst wurden die Mitglieder des Team <strong>Allianz</strong> durch eine Reihe von Videos, im Intranet sowie auf einer eigenen<br />

Maklerwebseite vorgestellt. <strong>Allianz</strong> Mitarbeiter interviewten die Sportler und gaben Einblicke in das Training und die<br />

Motivation. Die Videos waren so gut, dass sie es sogar in die Endauswahl des Wettbewerbs Cannes Lions 2011 für<br />

kreative Kommunikation schafften.<br />

Gleichzeitig ging ein Olympia-Bus auf Tournee durch Großbritannien. An über 20 <strong>Allianz</strong> Standorten wurde den Besuchern<br />

einiges an Unterhaltung geboten. Sie konnten an einem Handrad Kraft und Ausdauer unter Beweis stellen, an<br />

einem anderen Gerät wurden Reflexe getestet und bei einem Quiz waren die grauen Zellen gefragt. Die Ergebnisse der<br />

verschiedenen Teams wurden elektronisch aufgezeichnet und zusammen mit Fotos und Aufnahmen von Mitarbeitern<br />

und Sportlern online veröffentlicht.<br />

<strong>Allianz</strong> UK<br />

Die Geschäftsstellen, die auf der Route des Olympiabusses<br />

lagen, nutzten die Chance, um ihrerseits Veranstaltungen<br />

zu organisieren, bei denen Mitarbeiter<br />

und Geschäftspartner gegeneinander antreten<br />

konnten. Außerdem gab es Gelegenheit, die Sportler<br />

von Team <strong>Allianz</strong> persönlich kennenzulernen. Die<br />

Besuche waren zwanglos, die Sportler schauten in<br />

den Büros vorbei, gaben Autogramme und standen<br />

Rede und Antwort. Das Programm 2011 wurde ><br />

Andy Turner, Europameister über 110 Meter Hürden, schaffte es bei<br />

Olympia bis ins Halbfinale


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 47<br />

EUROPA<br />

Olympiasieger<br />

Alistair Brownlee<br />

(Triathlon)<br />

<strong>Allianz</strong> UK<br />

schließlich mit der Veröffentlichung einer Reihe<br />

von Videos abgerundet, in denen die Sportler über<br />

ihren Weg an die Spitze berichteten.<br />

Das Thema Höchstleistungen wurde vom Team<br />

<strong>Allianz</strong> auch im Jahr 2012 weiterverfolgt. Im März<br />

wurden einhundert von ihren Abteilungsleitern<br />

vorgeschlagene Mitarbeiter für ihre hervorragenden<br />

Leistungen mit einem Essen in einem Londoner<br />

5-Sterne-Hotel ausgezeichnet. Auch die Team <strong>Allianz</strong>-Sportler waren anwesend und beantworteten Fragen über<br />

ihre Hoffnungen und Ängste für die Olympischen und Paralympischen Spiele. Bei einer Tombola gab es zudem Karten<br />

für olympische Wettbewerbe zu gewinnen.<br />

Eines der beliebtesten Elemente des Programms war eine Reihe von Meisterkursen, bei denen vielversprechende Sportler<br />

aus der <strong>Allianz</strong> mit den Elitesportlern zusammen trainieren durften. Zu den Sportarten zählten Reiten, Schwimmen,<br />

Radfahren und Leichtathletik. Für den Rest des Jahres sind weitere Kurse geplant. Zu den weiteren Highlights gehörten<br />

Vorführungen der derzeitigen Nummer 1 der Weltrangliste im Taekwondo, Aaron Cook. Leider war Cook einer der<br />

Sportler, die aufgrund einer kontroversen Entscheidung nicht für die Spiele nominiert wurden. Eine andere Olympiahoffnung,<br />

Sprinterin Jodie Williams, verletzte sich noch vor den Spielen bei einem Wettkampf in Birmingham.<br />

Insgesamt schafften es vier der Team <strong>Allianz</strong>-Sportler, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Reitstar William<br />

Fox-Pitt gewann die erste Medaille des Team <strong>Allianz</strong> – Silber in der Vielseitigkeitsprüfung der Reiter, es folgte Andy Hodge<br />

mit Gold im Ruder-Vierer. Den Glanzpunkt setzte Alistair Brownlee, der den Triathlon unangefochten für sich entschied,<br />

und das, obwohl er sich Anfang des Jahres eine schwere Verletzung zugezogen hatte. Höchstleistung in Aktion!<br />

Zwei weitere Sportler aus dem Team <strong>Allianz</strong> qualifizierten sich für die Paralympischen Spiele: der Rennrollstuhlfahrer<br />

David Weir und die Schwimmerin Ellie Simmonds, beide Medaillengewinner in Peking.<br />

<strong>Allianz</strong> UK<br />

WWW.TEAMALLIANZ.CO.UK<br />

USERNAME: TEAMALLIANZ → PASSWORD: GOLDMEDAL<br />

Rebecca Romero (links) gewann bei den Olympischen Spielen 2004 Silber im<br />

Ruder-Doppelvierer, vier Jahre später Gold in der 3000 Meter-Einerverfolgung auf<br />

dem Rad. Rechts: Olympiasieger Andy Hodges (Ruder-Vierer)


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 48<br />

AMERIKA<br />

Stern<br />

Dienstfahrt mit Hindernissen<br />

Der Kunde ist König? Nur wenn er Glück hat. Nancy Jones, Marketingchefin von <strong>Allianz</strong> Life<br />

in Minneapolis, hat mit dem Thema ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht. Hier ihr Bericht.<br />

NANCY JONES<br />

Die Reisebranche hat es nicht leicht. Vor allem nicht im Internetzeitalter. Oft wird sie in den sozialen Medien zur Zielscheibe<br />

von Spott und Kritik. Wer kennt nicht das YouTube-Video »United macht Gitarren kaputt«? Es wurde inzwischen<br />

schon über zwölf Millionen Mal aufgerufen. Während das Video für alle, die nicht bei United arbeiten, sehr unterhaltsam<br />

ist, ist es für den Ruf der Fluggesellschaft natürlich verheerend.<br />

In den Fällen, von denen ich berichten möchte, geht es um ein Taxiunternehmen und eine Autovermietung. Zuerst<br />

zur Sache mit dem Taxi: Vor nicht allzu langer Zeit fuhr ich wie immer mit Airport Taxi zum Flughafen in Minneapolis.<br />

Statt meine Tasche im Kofferraum zu verstauen, ließ sie der Fahrer in der Auffahrt zu meinem Wohnblock stehen.<br />

Nach Eintreffen am Flughafen und einer kurzen Panikattacke rief ich Airport Taxi an. Sie schickten ein anderes Taxi,<br />

um die Tasche zu holen und am Flughafen abzuliefern. Ich müsste erst einmal auch dieses Taxi bezahlen, hieß es, aber<br />

nach meiner Rückkehr werde man sich mit mir wegen der Rückerstattung in Verbindung setzen.<br />

Ich war natürlich froh, dass ich meine Tasche wieder hatte, auch wenn in der Auffahrt ein anderes Auto drüber gefahren<br />

war (aber das ist eine andere Geschichte). Meinen Flug erwischte ich auf den letzten Drücker und war natürlich etwas<br />

gestresst. Sehr gestresst, um ehrlich zu sein: Ich stürmte wie eine Verrückte zum Flugsteig und schaffte es gerade noch<br />

vorm Schließen der Türen in die Kabine, die Hände verschmiert mit Creme und Öl aus der überfahrenen Tasche.<br />

Von Airport Taxi hörte ich danach natürlich nichts mehr. Also rief ich an. Ich landete auf dem Anrufbeantworter eines<br />

Kundendienstmanagers und hinterließ eine Nachricht. Kein Rückruf. Ich rief wieder an. Wieder Anrufbeantworter,<br />

diesmal von einem anderen Kundenbetreuer. So ging das einige Male – von Kundendienst keine Spur. Beim sechsten<br />

Mal hatte ich dann schließlich eine ausgesprochen nette Mitarbeiterin in der Leitung, die mir versprach, dass das ><br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 49<br />

AMERIKA<br />

privat<br />

Geld für beide Taxis zurückerstattet und obendrein mein beschädigter Koffer<br />

ersetzt werden würde. Insgesamt beliefen sich die Kosten auf 250 Dollar.<br />

Kurz darauf erhielt ich einen Anruf von Kundendienstmanager Nummer<br />

eins, der erklärte, dass er nicht für den ausgebliebenen Rückruf verantwortlich<br />

gewesen sei, da er mich an Betreuer Nummer zwei weitergeleitet habe.<br />

Einige Tage später rief mich dann Manager Nummer zwei an, um mir mitzuteilen,<br />

dass es keine Rückerstattung geben werde und dass ich eine Reiseversicherung<br />

hätte abschließen sollen. Echt? Für eine Fahrt zum Flughafen?<br />

Ich fragte nach, ob der Kundendienst von Airport Taxi die Telefongespräche<br />

aufzeichnet und klärte ihn darüber auf, dass mir zwei seiner Kollegen eine<br />

Rückerstattung zugesichert hatten. Die werden gefeuert, antwortete er.<br />

Nancy Jones<br />

Ich entschloss mich also zu einer drastischen Aktion und teilte die Geschichte über die sozialen Netzwerke allen<br />

meinen Bekannten mit. Airport Taxi wird mich nie wiedersehen. Sie haben mich angelogen und darüber hinaus ihre<br />

Mitarbeiter, die richtig vorgegangen sind, mies behandelt. Wie teuer sind Airport Taxi diese 250 Dollar am Ende zu<br />

stehen gekommen?<br />

Es gibt auch andere Beispiele. Eines habe ich mit einer Autovermietung erlebt. Ich war mit drei Kollegen in einem Mietwagen<br />

von Hertz unterwegs. Als wir den Wagen nach ungefähr sechs Stunden zurückbrachten, betrug die Rechnung<br />

fast 350 Dollar. Ich zahlte, aber als ich mit den Kollegen das Gelände von Hertz verließ, unterhielten wir uns über den<br />

übertrieben hohen Preis. Davon hätten wir uns auch einen Lamborghini leisten können, meinte einer. Das müssen<br />

zwei Hertz-Mitarbeiter gehört haben, jedenfalls kamen sie hinter uns her, schnappten sich die Rechnung und stellten<br />

uns eine neue über 100 Dollar aus.<br />

Seitdem buche ich nur noch bei Hertz. Und ich erzähle die Geschichte allen, die ich kenne. Ich schickte dem Unternehmen<br />

auch eine kurze Mitteilung mit einem Lob für seine hilfreichen Mitarbeiter und erhielt eine sehr nette Antwort.<br />

Keine Rede davon, die Mitarbeiter wegen einer Entscheidung im Wert von 250 Dollar zu feuern. Denn diese 250 Dollar<br />

machen sich für das Unternehmen in Zukunft bezahlt.<br />

Ein positives Erlebnis ist schnell erzählt, noch schneller aber verbreitet sich eine negative Geschichte. Es ist heutzutage<br />

so einfach, Tausenden von Leuten ein negatives Erlebnis mitzuteilen – ob durch einen Artikel wie diesem oder über<br />

Facebook, LinkedIn oder andere soziale Netzwerke. Wie viel sind 250 Dollar am Ende wirklich wert? Airport Taxi hat<br />

eine treue Kundin verloren, die weit mehr als 250 Dollar im Jahr an Umsatz brachte. Hertz dagegen hat eine Kundin<br />

gewonnen. Was also sind Kundentreue und Geschichten, die einem Unternehmen einen guten oder einen schlechten<br />

Ruf eintragen, wert? Es ist schwer, eine konkrete Zahl zu nennen, aber in beiden Fällen dürfte es sich auf Tausende von<br />

Dollar summieren.<br />

NANCY.JONES@ALLIANZLIFE.COM | WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?V=5YGC4ZOQOZO<br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 50<br />

ASIEN<br />

Stern<br />

Während sich Europa weiter mit der Finanzkrise herumschlägt,<br />

zeigen sich die Länder Asiens gegenüber<br />

den Turbulenzen auf den Finanzmärkten erstaunlich<br />

wetterfest. Die <strong>Allianz</strong> Gesellschaften in der Region<br />

haben es eher mit anderen Problemen zu tun. Wir<br />

sprachen mit David Fried, seit Februar Chef von <strong>Allianz</strong><br />

Asia Pacific, über Behinderungen der Geschäftstätigkeit<br />

im Allgemeinen und über China im Besonderen.<br />

David Fried<br />

FRANK STERN<br />

Erstaunlich wetterfest<br />

Mr. Fried, nach 27 Jahren bei HSBC sind Sie zu einer schwierigen Zeit zur <strong>Allianz</strong> gewechselt. Die Märkte sind<br />

unberechenbarer denn je, die <strong>Allianz</strong> musste eine Serie an Naturkatastrophen verdauen und wird in einigen<br />

Ländern Asiens durch die Gesetzgebung behindert. Wie wollen Sie daraus eine Erfolgsgeschichte machen?<br />

Mich hat immer die Stärke der <strong>Allianz</strong> beeindruckt. Das war ein Grund, warum ich gewechselt bin. Und weil ich und<br />

meine Kollegen bei HSBC die <strong>Allianz</strong> immer als großartigen Partner kennengelernt haben. Ich bin überzeugt, dass die<br />

<strong>Allianz</strong> einer der führenden Anbieter in Asien werden kann, weit stärker als sie es bisher ist. Es stimmt, es sind unsichere<br />

Zeiten, aber die <strong>Allianz</strong> ist einer der stabilsten Versicherer weltweit, und sie hat das auch in den jüngsten Turbulenzen<br />

immer wieder unter Beweis gestellt.<br />

Und was Naturkatastrophen angeht – das ist es doch, wofür wir da sind, oder? Wenn Kunden bei uns eine Police<br />

abschließen, dann kaufen sie das Versprechen, dass sie im Schadensfall auf uns bauen können. Ich habe in den letzten<br />

Monaten live erlebt, mit welchem Einsatz unsere Kollegen in Thailand ihren Job gemacht haben, nachdem das Land<br />

von der Flutkatastrophe getroffen wurde. Dass sie auch bei widrigsten Umständen rausgegangen sind, um Schäden<br />

zu begutachten und dafür zu sorgen, dass unsere Kunden angemessen entschädigt werden.<br />

Da konnte man ein Unternehmen in Aktion sehen, das all seine Fähigkeiten in schwierigster Zeit unter Beweis stellt. Das<br />

hat mich von Anfang an an der <strong>Allianz</strong> beeindruckt. Ich bin überzeugt, dass die <strong>Allianz</strong> in Asien zum Erfolg wird, wenn<br />

alle Geschäftsfelder dabei zusammenarbeiten, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln und mit einer Stimme zu<br />

sprechen, und wenn es uns gelingt, die Stärken unserer globalen Einheiten wie Euler Hermes, <strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />

oder <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty zu nutzen.<br />

Die <strong>Allianz</strong> begann ihre Expansion nach Asien vor über 20 Jahren. Die Ergebnisse bislang sind eher bescheiden.<br />

Viele Leute sprechen von Asien, als handele es sich dabei um ein Land. Doch Asien ist vielfältig und weist eine Reihe<br />

von sehr unterschiedlichen Ländern auf. Ich teile sie grob in vier Kategorien ein: in die Schwellenländer der ASEAN-<br />

Gruppe, in entwickelte Staaten wie Japan, Korea und Taiwan, in Stadtstaaten wie Hongkong und Singapur und in die<br />

Kolosse China und Indien.<br />

In den ASEAN-Ländern verfügen wir derzeit über einige sehr starke Geschäftseinheiten mit wachsendem Marktanteil.<br />

Sicher, auch sie sind in letzter Zeit in schwierigeres Fahrwasser geraten. Vor allem das Sachgeschäft in Indonesien<br />

und Thailand, aber auch in Indien hatte mit Widrigkeiten zu kämpfen, angefangen bei veränderten gesetzlichen >


RUSSLAND<br />

<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 51<br />

KASACHSTAN<br />

MONGOLEI<br />

ASIEN<br />

SÜDKOREA<br />

JAPAN<br />

Stern<br />

CHINA<br />

PAKISTAN<br />

INDIEN<br />

LAOS<br />

THAILAND<br />

TAIWAN<br />

PHILIPPINEN<br />

SRI LANKA<br />

MALAYSIA<br />

SINGAPUR<br />

INDONESIEN<br />

AUSTRALIEN<br />

Bestimmungen bis hin zu schweren Überschwemmungen. Dennoch sind es Einheiten, die in den Wachstumsmärkten<br />

weiterhin eine starke Marktstellung haben.<br />

Bei China wiederum haben wir es mit dem wohl schwierigsten Markt in Asien zu tun. Bislang war die <strong>Allianz</strong> dort nicht<br />

sehr erfolgreich. Aber andere ausländische Versicherer auch nicht. Für uns stellt sich jetzt die Frage, ob wir für China<br />

eine erfolgversprechende Strategie entwickeln können.<br />

Und wie soll die aussehen?<br />

Angefangen von einer völligen Neustrukturierung des Geschäfts über die Einführung neuer Managementstrukturen<br />

bis hin zur Etablierung neuer Partnerschaften mit anderen Gesellschaften ist alles auf dem Tisch. Als ich zur <strong>Allianz</strong><br />

kam, wurde mir gesagt, dass China ganz oben auf der Agenda steht. Es gibt noch andere Felder, wo es einiges zu tun<br />

gibt. Zum Beispiel müssen wir unser Risikoprofil verbessern, um Kapital sinnvoller für Wachstum einzusetzen. Doch<br />

auf China werden wir in nächster Zeit unser Hauptaugenmerk richten.<br />

Manche Experten sagen, China behandele ausländische Unternehmen unfair.<br />

China bietet keine gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen. Kein ausländisches Joint Venture kann sich dort so entwickeln<br />

wie in anderen Ländern. Wenn man in Indien eine Geschäftslizenz erhält, kann man als Unternehmen im ganzen Land<br />

von Nord nach Süd und Ost nach West operieren. In China muss man sich von Stadt zu Stadt vorarbeiten. Und typischerweise<br />

erhält man nicht mehr als eine Lizenz pro Jahr. Die inländischen Gesellschaften haben diese Restriktionen nicht.<br />

Laut Vorschrift muss man zudem in jeder neuen Stadt eine eigene Gesellschaft gründen, was natürlich die Kosten<br />

hochtreibt. Unter diesen Bedingungen einen Gewinn zu erwirtschaften, ist äußerst schwierig.<br />

Der nächste Punkt ist, dass die lokalen Marktführer wie China Life, PICC oder Ping An eine halbe bis eine Million Vertreter<br />

ins Feld schicken können. Sie haben Bankkooperationen und manche verfügen über ein ausgezeichnetes Telemarketing.<br />

Sie haben die kritische Masse, um schnell zu expandieren. All das macht es für ausländische Anbieter so schwer, diese<br />

kritische Masse zu erreichen und profitabel zu arbeiten. Uns eingeschlossen.<br />

Was erwarten Sie sich von der Öffnung des Kfz-Versicherungsmarktes, die die chinesische Regierung im Mai<br />

angekündigt hat?<br />

Es ist ein positives Zeichen, bringt für unser Produktangebot allerdings keine große Veränderung. Durch unsere Kooperation<br />

mit dem lokalen Versicherer Taiping konnten wir auch bisher schon Kfz-Haftpflichtpolicen anbieten. Das holen<br />

wir jetzt nur unter unser eigenes Dach. Für unser Geschäft hat das keine großen Auswirkungen. Wir haben weiter mit<br />

denselben Einschränkungen zu kämpfen und müssen trotzdem überall erst eine Geschäftslizenz beantragen.<br />

Gibt es ein Geschäftsfeld in China, wo die <strong>Allianz</strong> derzeit Geld verdient?<br />

Nicht wirklich. Der Grund liegt zum einen darin, dass wir in der Vergangenheit zunächst in den Aufbau unserer<br />

Geschäftseinheiten investieren mussten, zum anderen in die Expansion unseres Vertriebskanals. Das ist nötig, um die<br />

kritische Masse zu erreichen, die es uns erlaubt, die Vertriebskosten auszugleichen. Im Moment sind wir dabei, ein<br />

Geschäftsmodell zu entwickeln, dass unseren Lebens- und Sachversicherungsgesellschaften Querverkäufe erlaubt.<br />

Die dafür nötigen Investitionen und die gesetzlichen Vorgaben werden den Gewinn noch für einige Zeit schmälern. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 52<br />

ASIEN<br />

Zur Person<br />

David Fried (50) ist seit 27 Jahren im Versicherungsgeschäft tätig. Bevor<br />

er zu <strong>Allianz</strong> Asia Pacific nach Singapur wechselte, war der gebürtige<br />

Amerikaner für das Versicherungsgeschäft der HSBC-Bank mit Sitz in<br />

Hongkong zuständig, ein Geschäftsfeld, das unter anderem die Bereiche<br />

Lebens- und Sachversicherung, Rückversicherung sowie Makler- und<br />

Agenturgeschäft in Asien, Amerika, Großbritannien und im Nahen Osten<br />

umfasste – insgesamt 54 Länder. Fried ist verheiratet und hat zwei Kinder.<br />

Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise in Europa auf die asiatischen Volkswirtschaften? Wird Asien am<br />

Ende der Krise stärker und Europa schwächer dastehen?<br />

Außer Japan sind alle asiatischen Volkswirtschaften trotz der Finanzkrise weiter gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

der ASEAN-Staaten wird in diesem Jahr um fünf Prozent steigen. Chinas Wachstum verlangsamt sich etwas, aber die<br />

Prognosen sagen dennoch acht Prozent plus für 2012 voraus. Indien steckt auch etwas zurück, doch sechs bis sieben<br />

Prozent sind auch hier drin. Das sind immer noch ziemlich hohe Steigerungsraten, die für weiteres Wachstum der<br />

Mittelschicht sorgen und den Regierungen erlauben werden, noch stärker die Werbetrommel für private Rücklagen<br />

und Altersvorsorge in einer immer älter werdenden Bevölkerung zu rühren.<br />

Obwohl die europäische Finanzkrise natürlich auch hier nicht ohne Auswirkungen bleibt, haben sich die asiatischen<br />

Volkswirtschaften doch erstaunlich widerstandsfähig gezeigt. Was zum großen Teil damit zu tun hat, dass der interasiatische<br />

Handel in den letzten fünf Jahren beträchtlich zugelegt hat. Früher waren Europa und die USA die größten<br />

Handelspartner, inzwischen wurden sie vom interasiatischen Handel abgelöst. Die Länder Asiens haben gelernt, enger<br />

zusammenzuarbeiten. Das nützt ihrer eigenen Entwicklung und versetzt sie in die Lage, die Auswirkungen der europäischen<br />

Finanzkrise zu dämpfen.<br />

Um in Asien erfolgreich zu sein, werden Sie den Vertrieb ausbauen müssen. In welchem Kanal sind die Erfolgsaussichten<br />

am größten?<br />

Wir nutzen verschiedene Vertriebskanäle, aber im Moment liegt ein Schwerpunkt auf dem Bankenbereich. Er könnte<br />

für uns zu einem ganz entscheidenden Vertriebsweg im Bereich Vermögens- und Lebensversicherungsprodukte werden<br />

und uns in die Lage versetzen, das dichte Netzwerk und die Kundenbasis der Banken für das Wachstum unserer<br />

Gesellschaften in Asien zu nutzen. Dadurch könnten wir das ganze Gewicht der <strong>Allianz</strong> in Asien besser zur Geltung<br />

bringen. Das ist uns in der Vergangenheit nicht genügend gelungen.<br />

Inwiefern?<br />

Nach Umsatz und operativem Gewinn ist die <strong>Allianz</strong> der größte Versicherer der Welt. Sie ist auch der einzige Versicherer<br />

mit einem AA-Rating. Eigentlich verfügt die <strong>Allianz</strong> über eine Position der Stärke, nur nicht hier in Asien. In Asien<br />

gibt es nur eine Tochtergesellschaft, nämlich unsere Sachversicherung in Malaysia, die den Markt mit einem Anteil von<br />

mehr als zehn Prozent anführt. Normalerweise rangieren unsere Gesellschaften bei einem Marktanteil von drei bis<br />

fünf Prozent zwischen Position sechs und zehn.<br />

Und wie wollen Sie das ändern?<br />

Ich möchte, dass wir in unseren Märkten der führende internationale Anbieter werden und unter allen Marktteilnehmern<br />

– internationalen und lokalen – in der Liga der Top 5 mitspielen. Dazu sind Investitionen in den Vertrieb nötig<br />

und vielleicht auch in das organische Wachstum von innen heraus. Mein Ziel ist es, dass die <strong>Allianz</strong> in Asien als einer<br />

der führenden Finanzdienstleister wahrgenommen wird. Von Kunden und Investoren.<br />

WWW.ALLIANZ.COM.SG


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 53<br />

GESELL-<br />

SCHAFT<br />

Shutterstock<br />

Hilfe aus dem All – die <strong>Allianz</strong><br />

OrtungsServices<br />

Schiffe navigieren zielsicher durch die Weiten des Ozeans, Flugzeuge landen selbst bei schlechter<br />

Sicht punktgenau auf der Rollbahn – ohne GPS wäre das kaum denkbar. Doch das Global Positioning<br />

System kann mehr. Die <strong>Allianz</strong> OrtungsServices GmbH nutzt es, um Menschenleben zu retten. Mit der<br />

Notfallortung ist die Palette der Anwendungsmöglichkeiten allerdings noch längst nicht ausgeschöpft.<br />

FRANK STERN<br />

Potenzieller Lebensretter<br />

Hätte Wendong Wang im Oktober 2010 kein Handy dabei gehabt, wäre es für ihn womöglich eng geworden. Der<br />

38-Jährige war mit einem akuten Hirninfarkt zusammengebrochen und gerade noch in der Lage gewesen, die Notrufnummer<br />

112 zu wählen. Da er aber weder Deutsch noch Englisch sprach, konnte er seinen genauen Standort nicht<br />

durchgeben. Doch über die Plattform der <strong>Allianz</strong> OrtungsServices (AOS) gelang es der Leitstelle der Düsseldorfer<br />

Feuerwehr, ihn schnell zu lokalisieren. Binnen weniger Minuten war ein Rettungsteam vor Ort und konnte ihn noch<br />

rechtzeitig ins Krankenhaus bringen.<br />

Seit 2006 betreibt die AOS eine Plattform zur Handyortung, anfangs noch auf der Basis von LBS (Location Based Services).<br />

Das System hatte allerdings den Nachteil, dass es nur den Bereich einer Funkzelle, aus dem ein Notruf abgesetzt<br />

wird, ausmachen kann. Gerade in ländlichen Gebieten, wo die Basisstationen zum Teil weit auseinander liegen, ist<br />

diese Methode oft zu ungenau. Mit der netzunabhängigen, weltweit verfügbaren GPS-Technologie dagegen ist eine<br />

fast metergenaue Ortung möglich. Bei einem Notfall kann das unter Umständen über Leben und Tod entscheiden.<br />

Voraussetzung für die schnelle Ortung ist allerdings, dass der Betroffene über ein GPS-fähiges Handy verfügt, das mit<br />

einer speziellen, von AOS entwickelten Software ausgestattet ist. »Im Notfall werden über unsere kostenlose Help-<br />

App die per Satellit ermittelten GPS-Koordinaten sekundenschnell an die Rettungsleitstellen weitergeleitet«, erläutert<br />

AOS-Geschäftsführer Tobias Fritsch das Verfahren. Mittlerweile verfügen bundesweit rund 10 000 Nutzer über den<br />

potenziellen Lebensretter. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 54<br />

GESELL-<br />

SCHAFT<br />

Roth<br />

Tobias Fritsch<br />

Doch die AOS-Notfallortung, die heute von 95 Prozent aller Rettungsleitstellen in Deutschland genutzt wird, ist längst<br />

nicht das einzige Einsatzgebiet. Vom entlaufenen Pferd über den vermissten Bergsteiger bis zur abhanden gekommenen<br />

Oma – mit AOS lassen sich binnen kürzester Zeit alle wiederfinden.<br />

Auch Energieriese RWE und der Automobilclub von Deutschland (AvD) setzen mittlerweile auf das AOS-Notfallsystem.<br />

Die einen, um ihre Reparaturspezialisten von Hochspannungsleitungen bei einer Havarie möglichst schnell lokalisieren<br />

zu können, die anderen, um ihren Mitgliedern einen zusätzlichen Sicherheitsservice zu bieten.<br />

Der schließt zudem die Möglichkeit ein, eine digitale Notfallakte anzulegen, in der medizinische Daten und Befunde<br />

sowie Informationen zu bestehenden Gesundheitsrisiken, Allergien oder der aktuellen Medikation verzeichnet sind, die<br />

bei Bedarf direkt an die Rettungsleitstellen übermittelt werden. So ist ab der ersten Sekunde eine optimale Erstversorgung<br />

sichergestellt. Welche Daten im Notfall zur Verfügung stehen sollen, entscheidet der Kunde.<br />

Kombinieren ließe sich die Notfallakte auch mit dem eCall-System moderner Fahrzeuge, das bei einem Unfall automatisch<br />

die nächste Rettungsleitstelle alarmiert. Neben Informationen zu Unfallzeitpunkt, Unfallort und Schweregrad<br />

des Unfalls können auch gesundheitsrelevante Daten der Fahrzeuginsassen übermittelt werden. »Die Möglichkeiten<br />

sind damit aber bei weitem noch nicht ausgereizt«, sagt Fritsch. »Wir haben die IT-Plattform, wir haben das Netz, wir<br />

haben die Expertise, die wir auch anderen <strong>Allianz</strong> Gesellschaften anbieten können. Sie müssen nur darauf zugreifen.«<br />

Denkbar wäre zum Beispiel eine App, die Kunden der <strong>Allianz</strong> Privaten Krankenversicherung bei einer Fahrt ins Ausland<br />

per SMS automatisch an eine Auslandsreiseversicherung erinnert – Abschluss per Knopfdruck. Auch die Servicepalette<br />

von <strong>Allianz</strong> Global Assistance oder von <strong>Allianz</strong> Global Automotive ließe sich mit dem AOS-System erweitern. »So könnten<br />

wir uns im Wettbewerb noch besser aufzustellen«, hebt Fritsch hervor.<br />

Und das bei Wahrung höchster Informationssicherheit. »Datenschutz steht bei uns an erster Stelle«, versichert der AOS-<br />

Chef. »Gegen den Zugriff von außen ist unser Service bestens abgeschirmt. Im Notfallbereich können nur Leitstellenmitarbeiter<br />

auf die Plattform zugreifen, jede Ortung wird nachvollziehbar gespeichert, um Missbrauch auszuschließen.«<br />

Den untreuen Ehemann mit dem AOS-Tool auf den Fersen zu bleiben, dürfte also kaum gelingen, schließlich müsste er<br />

zuvor sein Einverständnis zur Ortung geben. Ist eher unwahrscheinlich.<br />

<br />

WWW.ALLIANZ-ORTUNG.DE


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2012 | Seite 55<br />

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Redaktion <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong>, Königinstr. 28, 80802 München<br />

Group Intranet (GIN) → <strong>Allianz</strong> key information → <strong>Journal</strong><br />

Redaktionsschluss für das <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 4/2012 ist der<br />

20. Oktober 2012.<br />

HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM<br />

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