Rede des Bundespräsidenten anlässlich der Eröffnung der ...

Rede des Bundespräsidenten anlässlich der Eröffnung der
Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung der
OSZE am 24. Februar 2005 im Kongresssaal der Wiener
Hofburg
Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Zum ersten Mal in meiner Eigenschaft als Bundespräsident der
Republik Österreich darf ich Sie anlässlich einer Wintertagung
der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Wien
herzlich willkommen heißen. Es ist mir auch deshalb eine
besondere persönliche Freude, an Sie aus diesem Anlass
einige Worte zu richten, weil ich oftmals als Präsident des
österreichischen Nationalrates und Leiter der österreichischen
Delegationen an Sitzungen der Parlamentarischen
Versammlung der OSZE teilgenommen habe. Und jene von
Ihnen, die so wie ich von Anfang an den nicht immer einfachen
Werdegang dieser wichtigen parlamentarischen Institution
begleitet haben, können vielleicht am besten nachvollziehen,
warum und wie sehr es mich freut, auch dem Beginn der
diesjährigen Wintertagung beizuwohnen.

Das Jahr 2005 ist ein besonderes Jahr für Europa, für
Österreich und auch für die OSZE. Wir gedenken heuer nicht
nur der Beendigung des 2. Weltkriegs und der Niederlage der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 60 Jahren und
damit auch des 60. Geburtstags der 2. Republik in Österreich.
Das Jahr 2005 bietet für die OSZE dreimal Anlass für einen
stolzen Rückblick – 30 Jahre Unterzeichnung der Helsinki-
Schlussakte der KSZE, 15 Jahre Verabschiedung der Charta
von Paris, in der auch die Gründung der Parlamentarischen
Versammlung verankert wurde und 10 Jahre OSZE.
Als die Hohen Vertreter von 35 Staaten am 1. August 1975 in
der Finlandia Halle zu Helsinki die KSZE-Schlussakte
unterzeichneten, hätten sich auch die größten Optimisten nicht
vorstellen können, zu welch bedeutsamen historischen
Entwicklungen sie damit beigetragen haben – vom Fall der
Berliner Mauer über einen tief greifenden politischen und
gesellschaftlichen Transformationsprozess zum Entstehen
zahlreicher neuer Demokratien.
Nicht zuletzt hat die Kooperation im Rahmen der KSZE und der
aus ihr hervorgegangenen OSZE auch dazu beigetragen,
vermeintlich unüberwindbare Gräben zuzuschütten, trennende

Barrieren zu überwinden und die uns alle bedrohende Ost-West
Konfrontation zu beenden.
Hochgesteckt waren und sind weiterhin die Ziele der OSZE
nämlich – Schaffung von Frieden und Stabilität auf Basis
unserer gemeinsamen demokratischen Grundlagen, Förderung
der Demokratie, des Rechtsstaates, der Menschenrechte, der
Abrüstung und Rüstungskontrolle in den Teilnehmerstaaten.
In vielen regionalen Konflikten bemühte und bemüht sich die
OSZE eine konstruktive, stabilisierende Rolle zu spielen. In
nicht wenigen Fällen haben ihre guten Dienste zur Lösung von
Konflikten beigetragen.
Erst vor einigen Wochen haben wir am Beispiel der Ukraine
gesehen, wie die OSZE mit den Wahlbeobachtungsmissionen
ihres Büros für Demokratische Institutionen und
Menschenrechte ODIHR einen wertvollen Beitrag zur Legitimität
der parlamentarischen Einrichtungen leistet.
Heute sehen wir uns mit vielschichtigen, grenzüberschreitenden
neuen Bedrohungen konfrontiert, allen voran dem Terrorismus,

aber auch der organisierten Kriminalität im Bereich von
Drogenhandel, Waffenschmuggel und Menschenhandel. Es
sind Herausforderungen, die wir in einer immer schneller
zusammenwachsenden Welt nicht mehr mit dem
althergebrachten nationalen Sicherheitsdenken sondern in
hohem Maße durch gemeinsame Anstrengungen und auf der
Basis gemeinsamer Werte bewältigen können.
Eine Vorreiterrolle hat die OSZE auch in ihrem Eintreten für
Toleranz und im Kampf gegen jegliche Form von Rassismus,
Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz übernommen, die einen
fundamentalen Angriff auf die uns in der OSZE verbindenden
Werte darstellen.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Jubiläen wie die des heurigen Jahres sollen nicht nur
Gelegenheit geben, mit Genugtuung auf das in der
Vergangenheit Geleistete zurückzuschauen, sondern sind
darüber hinaus Anlass, sich selbstkritisch mit den
Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft auseinander
zusetzen. Wie in jedem Gemeinwesen gibt es natürlich auch bei

der OSZE Probleme oder Unbehagen, deren Ursachen zu
untersuchen und gebührend zu berücksichtigen sind- und zwar
ungeachtet dessen, ob sie innerhalb der Organisation oder von
äußeren Umständen bedingt sind. Es muß auch immer
Bereitschaft zu Reformen und zur Orientierung an neuen
Entwicklungen geben.
Ich bin aber überzeugt, dass die OSZE auch weiterhin einen
wichtigen Faktor in unserer europäischen Sicherheitsarchitektur
darstellen wird, wobei es notwendig ist, dass sich alle
Mitgliedsstaaten in der Organisation gleichermaßen vertreten
fühlen und Blockbildungen möglichst vermieden werden. In
diesem Zusammenhang möchte ich den Weisenrat
hervorheben, dessen Schaffung vom Ministerrat in Sofia
beschlossen wurde, um die Rolle der OSZE in dem nach der
Erweiterung der EU und der NATO veränderten europäischen
Kontext neu zu definieren.
Hierbei kommt aber nicht nur dem inzwischen bestellten
Weisenrat, sondern auch Ihnen, meine Damen und Herren
Parlamentarier, die Sie aufgrund Ihres unmittelbaren Kontaktes
mit Ihrer Wählerschaft über die Anliegen und Sorgen unserer

Mitbürgerinnen und Mitbürger Bescheid wissen, eine
entscheidende Rolle in der Zukunftsgestaltung zu.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Abhaltung einer regelmäßigen Session der
Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Form der
Wintertagung am Sitz der Organisation erachte ich für wertvoll.
Dadurch ergibt sich nicht nur die Möglichkeit, den bestehenden
Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den führenden
Organen der Organisation und den Regierungsvertretern
einerseits sowie den parlamentarischen Vertretern andererseits
zu intensivieren, sondern sich auch an Ort und Stelle über das
alltägliche Funktionieren der Organisation zu informieren.
Österreich fühlt sich als Gastland verpflichtet, auch weiterhin
seinen Beitrag zu einer starken und effektiven OSZE zu leisten.
Und wenn Sie in einer Tagungspause in Richtung Innenstadt
wandern, so können Sie einige hundert Meter von hier einen
sichtbaren Ausdruck unserer Bemühungen sehen – im
traditionsreichen Palais Palffy in der Wallnerstrasse sind die
Umbauarbeiten zur Schaffung des neuen Sitzes der OSZE
bereits im vollen Gange. Mit diesem neuen Amtsitz, davon bin

ich überzeugt, wird die Identität und Visibilität der Organisation
eine sichtbare Stärkung erfahren.
Abschließend möchte ich Ihnen einen erfolgreichen Verlauf
Ihrer Tagung und viel Erfolg bei den Vorbereitungsarbeiten zu
Ihrer Jahrestagung im kommenden Sommer wünschen, die mit
dem Thema „30 Years Since Helsinki: Challenges Ahead“
heuer von richtungsweisender Bedeutung ist.